Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 11. Sept. 2017 - 3 WF 95/17
Tenor
Auf das als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG auszulegende Rechtsmittel des Antragstellers vom 4. Mai 2017 wird festgestellt, dass die der Staatsanwaltschaft Dessau Roßlau gewährte Einsichtnahme in die familiengerichtliche Akte 3 F 189/16 UG Amtsgericht Dessau-Roßlau rechtswidrig war.
Gründe
I.
- 1
In dem vorliegenden Umgangsverfahren hat die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau mit Schreiben vom 20. April 2017 in einem gegen den Kindesvater geführten Ermittlungsverfahren wegen schwerer räuberischer Erpressung die Akteneinsicht beantragt, Zur Begründung des Akteneinsichtsgesuchs wurde unter Verweis auf § 161 StPO und Nr. 13 RiStBV angegeben, die Akteneinsicht sei zur Feststellung der persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten erforderlich. Die für das Verfahren zuständige Richterin hat ohne Anhörung der Beteiligten des Verfahrens dem Akteneinsichtsgesuch stattgegeben. Hiergegen richtet sich der Kindesvater mit seinem "Rechtsmittel", mit dem er geltend macht, das Amtsgericht habe gegen sein, des Kindesvaters, Recht auf informelle Selbstbestimmung verstoßen.
- 2
Das Amtsgericht hat das Rechtsmittel als Beschwerde behandelt und dieser nicht abgeholfen.
- 3
Den Beteiligten, dem Direktor des Amtsgerichts und der Staatsanwaltschaft wurde im Beschwerdeverfahren rechtliches Gehör gewährt. Der Direktor des Amtsgerichts hat mit Schriftsatz vom 18. August 2017 mitgeteilt, dass er sich einer Stellungnahme enthalte, da die Entscheidung über die Akteneinsichtsgesuche mit Verfügung vom 24. April 1998 in seinem Gericht auf die jeweils sachlich zuständigen Richter oder Rechtspfleger übertragen worden sei. Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 23. August 2017 die Begründung aus ihrem Akteneinsichtsgesuch nochmals wiederholt. Die übrigen Beteiligten haben von der ihnen eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.
II.
- 4
Das "Rechtsmittel" des Kindesvaters ist als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 Abs. 1 EGGVG auszulegen. Denn nur dieser ist vorliegend statthaft.
- 5
Bei dem von einer nicht am Verfahren beteiligten Behörde, wie hier, gestellten Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht in ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, hier Umgangsrechtsverfahren, handelt es sich um ein Amtshilfeersuchen gemäß Art. 35 Abs. 1 GG, über das der Vorstand des Gerichts, also die Justizverwaltung zu entscheiden hat (OLG Köln, Beschluss vom 02. Dezember 2013 - 7 VA 2/13 -, m.w.N., zitiert in juris). Bei dieser Entscheidung handelt es sich um einen Justizverwaltungsakt, der nach den §§ 23 ff. EGGVG zur Überprüfung durch die Gerichte gestellt werden kann. Dies muss im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG und dem Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz auch dann gelten, wenn wie hier nicht der Vorstand des Gerichts, sondern die für das Verfahren zuständige Richterin entschieden hat (a.A. OLG Dresden, FamRZ 2016,1389 ff. mit ablehnender Anmerkung M.Benner). Denn auch dann handelt es sich um einen Akt der öffentlichen Gewalt und nicht der spruchrichterlichen Tätigkeit (BVerfG, Beschluss vom 13. März 2017 - 1 BvR 563/12 - Rn 15, zitiert in juris). Offen bleiben kann deshalb auch, ob die Entscheidung über die Bewilligung der Akteneinsicht, wie hier erfolgt, auf einen Richter, insbesondere den für das Verfahren zuständigen Richter übertragen werden kann.
- 6
Der Antrag ist gemäß § 26 Abs. 1 EGGVG form- und fristgerecht gestellt worden.
- 7
In der Sache ist der Antrag auch begründet, da hier jedenfalls das schutzwürdige Interesse des Kindesvaters an der Geheimhaltung der in der Akte zum Umgangsverfahren enthaltenen Informationen über seine privaten und persönlichen Verhältnisse das mit der Akteneinsicht verfolgte Informationsinteresse der Staatsanwaltschaft überwog.
- 8
Einer am Verfahren nicht beteiligten Behörde darf ebenso wie am Verfahren nicht beteiligten Personen, für die § 13 Abs. 2 FamFG bzw. § 299 Abs. 2 ZPO gilt, Akteneinsicht nur gestattet werden, wenn und soweit sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten nicht entgegenstehen oder die Beteiligten einverstanden sind (OLG Köln a.a.O.). Ein Einverständnis der Beteiligten liegt hier nicht vor.
- 9
Die Akten über das Umgangsverfahren unterliegen einer gesteigerten Geheimhaltung, da sie den innersten Bereich der Privatsphäre der am Verfahren Beteiligten betreffen. Verhandlungen, Erörterungen und Anhörungen sind in solchen Verfahren deshalb auch nicht öffentlich (§ 179 Abs. 1 GVG). Hinzu kommt, dass im Rahmen des hier geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) die aktenkundigen Informationen anders als in einem zivilrechtlichen Klageverfahren weniger auf die freiwilligen Angaben der Verfahrensbeteiligten, sondern auf der Aufklärungstätigkeit des Gerichts beruhen. Der Schutz dieser Informationen folgt aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG und Art. 6 GG (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 07. Oktober 2008 - 15 VA 7 - 9/08, 15 VA 8/08, 15 VA 9/08 -, zitiert in juris, für ein Sorgerechtsverfahren).
- 10
Der Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht im Amtshilfeverfahren hat deshalb alle Voraussetzungen für die Überlassung einer grundsätzlich geheimhaltungsbedürftigen Akte darzulegen. Diese Darlegung hat alle für die Güterabwägung maßgebenden Umstände zu erfassen, wobei zudem auszuführen ist, warum gerade diese Akten die einzige verfügbare Erkenntnisquelle sind (OLG Hamm, a.a.O.).
- 11
Diesen Anforderungen genügt das vorliegende Akteneinsichtsgesuch der Staatsanwaltschaft nicht. Es ist diesem schon nicht zu entnehmen, weshalb die Feststellung der persönlichen Verhältnisse des Kindesvaters, wie sie in Nr. 13 RiStBV aufgeführt sind, nicht aus anderen Erkenntnisquellen möglich gewesen sein soll. Schließlich enthält bereits der vor dem Akteneinsichtsgesuch gegen den Kindesvater erlassene Haftbefehl vom 30. März 2017 die Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen. Welche zusätzlichen, für das Ermittlungsverfahren erforderlichen Erkenntnisse zu den persönlichen Verhältnissen sich aus den Akten des Umgangsverfahrens ergeben sollten, erschließt sich dem Senat nicht.
- 12
Da Akteneinsicht bereits gewährt worden ist, ist die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme auszusprechen (§ 28 Abs. 1 EGGVG).
- 13
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; im Übrigen ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst (§ 30 EGGVG).
- 14
Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor (§ 29 EGGVG).
- 15
gez. Goerke-Berzau gez. Grimm gez. Materlik
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(1) Zu dem in § 160 Abs. 1 bis 3 bezeichneten Zweck ist die Staatsanwaltschaft befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzunehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln. Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen, und in diesem Falle befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen.
(2) Soweit in diesem Gesetz die Löschung personenbezogener Daten ausdrücklich angeordnet wird, ist § 58 Absatz 3 des Bundesdatenschutzgesetzes nicht anzuwenden.
(3) Ist eine Maßnahme nach diesem Gesetz nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so dürfen die auf Grund einer entsprechenden Maßnahme nach anderen Gesetzen erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zu Beweiszwecken im Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetz hätte angeordnet werden dürfen. § 100e Absatz 6 Nummer 3 bleibt unberührt.
(4) In oder aus einer Wohnung erlangte personenbezogene Daten aus einem Einsatz technischer Mittel zur Eigensicherung im Zuge nicht offener Ermittlungen auf polizeirechtlicher Grundlage dürfen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu Beweiszwecken nur verwendet werden (Artikel 13 Abs. 5 des Grundgesetzes), wenn das Amtsgericht (§ 162 Abs. 1), in dessen Bezirk die anordnende Stelle ihren Sitz hat, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme festgestellt hat; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(1) Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe.
(2) Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes zur Unterstützung seiner Polizei anfordern, wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte. Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern.
(3) Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen. Maßnahmen der Bundesregierung nach Satz 1 sind jederzeit auf Verlangen des Bundesrates, im übrigen unverzüglich nach Beseitigung der Gefahr aufzuheben.
Tenor
Auf die als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG auszulegende Beschwerde der Antragstellerin vom 4.6.2013 wird festgestellt, dass die der Staatsanwaltschaft Aachen gewährte Einsichtnahme in die Betreuungsakten 72 XVII W 1512 AG Aachen rechtswidrig war, soweit sie über die Zugänglichmachung der fachärztlichen Gutachten vom 2.10.2007 (dort Bl. 9) und vom 12.10.2010 (dort Bl. 46 ff) sowie das Atttest des Psychiaters Dr. C vom 4.5.2010 (dort Bl. 31 d. A.) hinausging.
Im Übrigen wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.
1
G r ü n d e :
2Die als Antrag auf gerichtliche Entscheidung auszulegende Beschwerde ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
3I.
4Der Antrag der Antragstellerin, der sich gegen die stattgebende Entscheidung der Antragsgegnerin als Gerichtsvorstand des Amtsgerichts und damit als Organ der Justizverwaltung über ein Akteneinsichtsgesuch der Staatsanwaltschaft Aachen richtet, ist nach § 23 Abs. 1 EGGVG statthaft. Der von einer nicht am Verfahren beteiligten Behörde gestellte Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht in ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, bei der es sich nicht um ein Gericht handelt, stellt sich als Amtshilfeersuchen gemäß Art. 35 Abs. 1 GG dar, über das nach allgemeiner Auffassung der Vorstand des Gerichts, also die Justizverwaltung zu befinden hat (vgl. Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, 2. Aufl., § 13, Rn. 19; Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 13, Rn. 47 u. 73; Musielak/Borth, Familiengerichtliche Verfahren, 1. und 2. Buch, 3. Aufl., § 13, Rn. 1; BayObLG FamRZ 1998, 438). Bei der Entscheidung über das Gesuch durch den Vorstand des Gerichts handelt es sich um einen Justizverwaltungsakt, der nach den §§ 23 ff. EGGVG zur Überprüfung gestellt werden kann (vgl. Prütting/Helms/Jennissen, a.a.O.; Keidel/Sternal, a.a.O.; Musielak/Borth, a.a.O.). Danach ist der gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 8.4.2013 gerichtete Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG statthaft.
5II.
6Der Antrag der Staatsanwaltschaft Aachen auf Einsichtnahme in die Akte 72 XVII W 1512 AG Aachen war in der Sache lediglich im Hinblick auf die in den Betreuungsakten enthaltenen fachärztlichen Gutachten vom 2.10.2007 (dort Bl. 9) und vom 12.10.2010 (dort Bl. 46 ff) sowie das Atttest des Psychiaters Dr. C vom 4.5.2010 (dort Bl. 31 d. A.) begründet; ihm wäre insoweit durch Überlassung von Ablichtungen zu entsprechen gewesen. Dagegen bestand kein Anspruch auf Einsichtnahme in die komplette Akte bzw. die Überlassung der vollständigen Akte zwecks Einsichtnahme.
7Ebenso wie am Verfahren nicht beteiligten Personen, für welche § 13 Abs. 2 FamFG gilt, darf auch einer Behörde Akteneinsicht nur gestattet werden, soweit sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten nicht entgegenstehen oder die Beteiligten einverstanden sind (vgl. Prütting/Helms/Jennissen, a.a.O. Rn. 33; OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 1467).
8Eine das schutzwürdige Interesse an der Geheimhaltung des Akteninhalts beseitigende Zustimmung des Betroffenen lag seinerzeit nicht vor und wurde auch im Nachgang zu der angefochtenen Verfügung seitens der Betreuerin lediglich in Bezug auf das fachärztliche Gutachten vom 12.10.2010 erteilt.
9Die Gewährung von Akteneinsicht nach den Grundsätzen der Amtshilfe (Art. 35 Abs. 1 GG) konnte nach der deshalb gebotenen Abwägung des mit der Akteneinsicht verfolgten Informationsinteresses und dem schutzwürdigen Interesse des Betroffenen daran, dass die im Betreuungsverfahren erlangten Erkenntnisse über seine Person Dritten gegenüber grundsätzlich nicht offenbart werden sollen, nur in Bezug auf die oben genannten ärztlichen Stellungnahmen in Betracht kommen; im Übrigen überwog das schutzwürdige Interesse des Betreuten an der Geheimhaltung der in der Betreuungsakte enthaltenen sonstigen Informationen über seine persönlichen Verhältnisse das mit der Akteneinsicht verfolgte Informationsinteresse der Staatsanwaltschaft.
10Nach dem in § 5 Abs. 2 Satz 2 VwVfG NW niedergelegten allgemeinen Grundsatz ist die ersuchte Behörde insbesondere zur Vorlage von Urkunden oder Akten sowie zur Erteilung von Auskünften nicht verpflichtet, wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Die Akten über die Einrichtung und Fortführung einer Betreuung unterliegen wie auch familiengerichtliche Akten grundsätzlich der Geheimhaltung, weil sie in der Regel höchstpersönliche Daten sowie ärztliche Stellungnahmen oder Gutachten über den Gesundheitszustand und die persönlichen Lebensumstände des betroffenen Betreuten enthalten, die ihrer Natur nach der Kenntnisnahme durch am Verfahren nicht beteiligte Dritte entzogen sind. Sofern wie im vorliegenden Fall eine Zustimmung des Betreuten zur Übersendung der Betreuungsakte an die ersuchende Behörde nicht vorliegt, kommt die Gewährung von Akteneinsicht nur in Betracht, wenn eine strenge Güterabwägung unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein überwiegendes Allgemeininteresse an der Akteneinsicht ergibt (vgl. OLG Hamm FGPrax 2009, 20; FamRZ 2002, 1126; OLG Köln NJW 1994, 1075; OLG Celle NJW 1990, 1802; BVerfG NJW 1970, 555). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt - neben der bereits erwähnten generellen Abwägung zwischen dem Schutz der Privatsphäre und dem öffentlichen Interesse -, dass die Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet und erforderlich ist und dass der mit ihr verbundene Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zu dem mit der Akteneinsicht verfolgten Zweck steht (vgl. BVerfG a.a.O.). Das Recht des Betroffenen am Schutz privater Geheimnisse und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung können einer beantragten Akteneinsicht ganz oder auch nur teilweise entgegenstehen.
11Die Staatsanwaltschaft Aachen hat zur Begründung ihres Akteneinsichtsgesuchs vorgetragen, die Akteneinsicht sei erforderlich, um die Frage der Schuldfähigkeit des Betreuten abzuklären, nachdem die Verteidigerin eine psychische Erkrankung geltend gemacht habe.
12Unter Abwägung des mit der Akteneinsicht verfolgten Zwecks sowie der Art und Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Betreuten ist die Gewährung von Akteneinsicht hinsichtlich der ärztlichen Äußerungen als verhältnismäßig anzusehen, zumal die Antragstellerin, gleichzeitig Verteidigerin des Betreuten in dem fraglichen Ermittlungsverfahren, mit Schreiben vom 23.4.2013 mitgeteilt hat, dass bezüglich der möglichen Übermittlung des fachärztlichen Gutachtens vom 12.10.2010 keine Bedenken bestehen.
13Darüber hinaus wäre die begehrte Akteneinsicht in die Betreuungsakte unter Berücksichtigung des schutzwürdigen Interesses des Betreuten daran, dass die im Betreuungsverfahren über seine sonstigen persönlichen Verhältnisse erlangten Informationen Dritten ohne seine Zustimmung nicht offenbart werden, jedoch nach Auffassung des Senats als nicht erforderlich und damit als unzulässig zu bewerten gewesen. Für den erklärten Zweck der Akteneinsicht, nämlich Abklärung der Schuldfähigkeit, genügte die Zugänglichmachung der Akteninhalte, die in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dieser Frage standen. Dabei handelte es sich aber lediglich um die entsprechenden ärztlichen Gutachten/Atteste.
14Dagegen kam es hierfür nicht auf die Kenntnis des weiteren Akteninhalts, insbesondere die Betreuer-Berichte der Antragstellerin an, deren Offenbarung zu Recht als ein die schutzwürdigen Interessen des Betreuten in einem besonderen Maße tangierender Eingriff bewertet wird. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die gerade in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit häufig erforderliche Offenlegung höchstpersönlicher Daten von Verfahrensbeteiligten oft nur dann erreicht werden kann, wenn diese sich auf die grundsätzliche Vertraulichkeit ihrer Angaben verlassen können (vgl. BayOblG FamRZ 2005, 237).
15Nach alledem war die beantragte Feststellung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang vorzunehmen (§ 28 I EGGVG).
16III.
17Eine Kostenentscheidung nach § 30 Abs. 2 EGGVG ist nicht veranlasst.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Die Beteiligten können die Gerichtsakten auf der Geschäftsstelle einsehen, soweit nicht schwerwiegende Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten entgegenstehen.
(2) Personen, die an dem Verfahren nicht beteiligt sind, kann Einsicht nur gestattet werden, soweit sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen und schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten nicht entgegenstehen. Die Einsicht ist zu versagen, wenn ein Fall des § 1758 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegt.
(3) Soweit Akteneinsicht gewährt wird, können die Berechtigten sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen. Die Abschrift ist auf Verlangen zu beglaubigen.
(4) Einem Rechtsanwalt, einem Notar oder einer beteiligten Behörde kann das Gericht die Akten in die Amts- oder Geschäftsräume überlassen. Ein Recht auf Überlassung von Beweisstücken in die Amts- oder Geschäftsräume besteht nicht. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.
(5) Werden die Gerichtsakten elektronisch geführt, gilt § 299 Abs. 3 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(6) Die Entwürfe zu Beschlüssen und Verfügungen, die zu ihrer Vorbereitung gelieferten Arbeiten sowie die Dokumente, die Abstimmungen betreffen, werden weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt.
(7) Über die Akteneinsicht entscheidet das Gericht, bei Kollegialgerichten der Vorsitzende.
(1) Die Parteien können die Prozessakten einsehen und sich aus ihnen durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen.
(2) Dritten Personen kann der Vorstand des Gerichts ohne Einwilligung der Parteien die Einsicht der Akten nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird.
(3) Werden die Prozessakten elektronisch geführt, gewährt die Geschäftsstelle Akteneinsicht durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg. Auf besonderen Antrag wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Ein Aktenausdruck oder ein Datenträger mit dem Inhalt der Akte wird auf besonders zu begründenden Antrag nur übermittelt, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse darlegt. Stehen der Akteneinsicht in der nach Satz 1 vorgesehenen Form wichtige Gründe entgegen, kann die Akteneinsicht in der nach den Sätzen 2 und 3 vorgesehenen Form auch ohne Antrag gewährt werden. Eine Entscheidung über einen Antrag nach Satz 3 ist nicht anfechtbar.
(4) Die Entwürfe zu Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen, die zu ihrer Vorbereitung gelieferten Arbeiten sowie die Dokumente, die Abstimmungen betreffen, werden weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt.
Die Vollstreckung der vorstehend bezeichneten Ordnungsmittel hat der Vorsitzende unmittelbar zu veranlassen.
Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.