Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 08. Aug. 2012 - 1 W 46/12

published on 08/08/2012 00:00
Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 08. Aug. 2012 - 1 W 46/12
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Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 13. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

1

Der Kläger verlangt vom Beklagten im Urkundenprozess die Zahlung von 90.000,00 EUR. Hierzu beruft er sich auf eine privatschriftliche Urkunde vom 1. Oktober 2010, die vom Beklagten stammt und von ihm unterschrieben wurde. Dieses selbständige Anerkenntnis habe der Beklagte dem Kläger angeboten, nachdem der aus verschiedenen Darlehen geschuldete Betrag die bestätigte Summe erreicht hätte.

2

Der Beklagte bestreitet, den Betrag von 90.000,00 EUR in die Urkunde aufgenommen zu haben. Zu keinem Zeitpunkt seien ihm vom Kläger 90.000,00 EUR übergeben worden. Dies werde bereits durch seinen bescheidenen Lebensstil belegt. Der Beklagte sei die Verbindlichkeit daher ohne rechtlichen Grund eingegangen. Außerdem liege dem Ganzen Sittenwidrigkeit zugrunde. Der Kläger habe dem kranken Beklagten kein Anerkenntnis in dieser Höhe abverlangen dürfen und trage widersprüchlich vor. Den zunächst erhobenen Einwand fehlender Geschäftsfähigkeit hat der Beklagte wieder fallen lassen.

3

Für seine Rechtsverteidigung sucht der Beklagte um Prozesskostenhilfe nach. Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 13. Juni 2012 zurückgewiesen. Gegen diese, seinem Prozessbevollmächtigten am 18. Juni 2012 zugestellte Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der am 20. Juni 2012 eingegangenen sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, und wiederholt sein bisheriges Vorbringen.

4

Das zulässige und gemäß § 568 Satz 1 ZPO vom Einzelrichter des Beschwerdegerichts zu entscheidende Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis hat das Landgericht dem Beklagten zu Recht Prozesskostenhilfe versagt, weil es der Rechtsverteidigung an der hinreichenden Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO fehlt.

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Durchgreifenden Bedenken unterliegt allerdings die Auffassung der Kammer, es komme für die Erheblichkeit des Klageleugnens darauf an, inwieweit der Beklagte im Urkundenprozess statthafte Einwendungen erhebt (vgl. §§ 592 Satz 1, 595 Abs. 2, 598 ZPO). Will sich der Beklagte das Nachverfahren offen halten, muss er dem geltend gemachten Anspruch schon im Vorbehaltsverfahren widersprechen (§§ 599 Abs. 1, 600 Abs. 1 ZPO), was zu seiner Rechtsverteidigung gehört und wozu er ggf. anwaltlichen Beistand benötigt. Nachverfahren und Vorbehaltsverfahren gehören zum einheitlichen Urkundenprozess, weshalb dem Beklagten für das gesamte Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, selbst wenn seine Verteidigung erst im Nachverfahren Erfolg verspricht (OLG Saarbrücken NJW-RR 2002, 1584; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Dezember 2009, 4 W 83/09 - BeckRS 210, 20101; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 119 Rdn. 17; Kratz, in: BeckOK-ZPO, Stand: 15. April 2012, § 592 Rdn. 7).

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Richtig hat das Landgericht dann aber ausgeführt, dass der Beklagte für sein Vorbringen keinen Beweis antritt, womit voraussichtlich auch das Nachverfahren nicht zur Abweisung der Klage führt (§§ 600 Abs. 2, 302 Abs. 4 Satz 2 ZPO). Die Erklärung, dem Kläger Geld zu schulden und es bis zum 31. Dezember 2010 zurückzuzahlen, stammt unstreitig vom Beklagten (§§ 416, 439 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Erklärungsinhalt sind damit auch die dort erwähnten 90.000,00 EUR. Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest, so hat die über der Unterschrift stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich (§ 440 Abs. 2 ZPO). Die formelle Beweiskraft der Urkunde schließt den Begebungsakt ein (BGH NJW-RR 2006, 847, 848 m.w.N.). Der Beklagte muss das Gegenteil, insbesondere die Unechtheit, beweisen (§ 292 Satz 1 ZPO; vgl. BGH NJW 1988, 2741; NJW-RR 1989, 1323 f.). Beweis ist nicht angetreten.

7

Das gilt auch für seine dem materiell-rechtlichen Gehalt der urkundlich belegten Erklärung (vgl. §§ 780 Satz 1, 781 Satz 1, 371 Satz 1 BGB) entgegen gestellten Einwände der Sittenwidrigkeit und ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 138 Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 821 BGB). Für beides ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig (BGH NJW-RR 1992, 1214, 1216; 2009, 544, 546; 1142, 1144; Wendehorst, in: BeckOK-BGB, Stand: 1. März 2011, § 812 Rdn. 272).

8

Insoweit lässt aber bereits der Sachvortrag des Beklagten keine Nichtigkeit des Anerkenntnisses oder eine ungerechtfertigte Bereicherung des Klägers (vgl. hierzu BGH NJW 2000, 2501, 2502; 2005, 2991, 2993; OLG Rostock OLG-NL 2005, 241, 242; OLG Jena, Urteil vom 25. Juni 2008, 4 U 820/06 - BeckRS 2009, 03881) erkennen. Voraussetzung wäre stets, dass der Kläger etwas erlangte, das ihm die Rechtsordnung nicht zubilligte, weil er hierauf keinen Anspruch hatte. Wie sich aus § 371 BGB ergibt, ist die Ausstellung eines Schuldscheins für sich nicht zu beanstanden. Etwas anderes ließe sich nur dann erwägen, wenn es tatsächlich keine Darlehensbeziehungen zwischen den Parteien oder hieraus keine Rückzahlungsverpflichtung in Höhe von 90.000,00 EUR gegeben hätte. Dazu trägt der Beklagte bisher nichts vor. Auf der Hand, wie beispielsweise im Falle von außergewöhnlichen Vorteilen, wie anerkannten exorbitant hohen Bewirtungskosten (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 138 Rdn. 53 m.w.N.), liegt das nicht. Ein bescheidener familiärer Lebenszuschnitt belegt dergleichen ebenso wenig, da das Geld auch anderweitig ausgegeben worden sein kann. Solange nicht einmal der Beklagte offenbart, was der Begebung der Urkunde vom 1. Oktober 2010 zugrunde liegt und wie es dazu kam, kann es auch keine Rolle spielen, dass der Kläger möglicherweise verpflichtet wäre, substantiiert zu bestreiten oder im Rahmen einer sekundären Darlegungslast näher zu den einzelnen Darlehen und ihrer Höhe vorzutragen.

9

Die Auslagenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.


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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

Annotations

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Ein Anspruch, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstand hat, kann im Urkundenprozess geltend gemacht werden, wenn die sämtlichen zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Als ein Anspruch, welcher die Zahlung einer Geldsumme zum Gegenstand hat, gilt auch der Anspruch aus einer Hypothek, einer Grundschuld, einer Rentenschuld oder einer Schiffshypothek.

(1) Dem Beklagten, welcher dem geltend gemachten Anspruch widersprochen hat, ist in allen Fällen, in denen er verurteilt wird, die Ausführung seiner Rechte vorzubehalten.

(2) Enthält das Urteil keinen Vorbehalt, so kann die Ergänzung des Urteils nach der Vorschrift des § 321 beantragt werden.

(3) Das Urteil, das unter Vorbehalt der Rechte ergeht, ist für die Rechtsmittel und die Zwangsvollstreckung als Endurteil anzusehen.

(1) Wird dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte vorbehalten, so bleibt der Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren anhängig.

(2) Soweit sich in diesem Verfahren ergibt, dass der Anspruch des Klägers unbegründet war, gelten die Vorschriften des § 302 Abs. 4 Satz 2 bis 4.

(3) Erscheint in diesem Verfahren eine Partei nicht, so sind die Vorschriften über das Versäumnisurteil entsprechend anzuwenden.

Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

(1) Über die Echtheit einer Privaturkunde hat sich der Gegner des Beweisführers nach der Vorschrift des § 138 zu erklären.

(2) Befindet sich unter der Urkunde eine Namensunterschrift, so ist die Erklärung auf die Echtheit der Unterschrift zu richten.

(3) Wird die Erklärung nicht abgegeben, so ist die Urkunde als anerkannt anzusehen, wenn nicht die Absicht, die Echtheit bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(1) Die Echtheit einer nicht anerkannten Privaturkunde ist zu beweisen.

(2) Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest oder ist das unter einer Urkunde befindliche Handzeichen notariell beglaubigt, so hat die über der Unterschrift oder dem Handzeichen stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich.

Stellt das Gesetz für das Vorhandensein einer Tatsache eine Vermutung auf, so ist der Beweis des Gegenteils zulässig, sofern nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Dieser Beweis kann auch durch den Antrag auf Parteivernehmung nach § 445 geführt werden.

Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung in der Weise versprochen wird, dass das Versprechen die Verpflichtung selbständig begründen soll (Schuldversprechen), ist, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist, schriftliche Erteilung des Versprechens erforderlich. Die Erteilung des Versprechens in elektronischer Form ist ausgeschlossen.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Ist über die Forderung ein Schuldschein ausgestellt worden, so kann der Schuldner neben der Quittung Rückgabe des Schuldscheins verlangen. Behauptet der Gläubiger, zur Rückgabe außerstande zu sein, so kann der Schuldner das öffentlich beglaubigte Anerkenntnis verlangen, dass die Schuld erloschen sei.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.