Oberlandesgericht München Endurteil, 20. Juni 2018 - 7 U 1079/18

bei uns veröffentlicht am20.06.2018

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Landgerichts München I vom 22.03.2018, Az. 12 HK O 2996/18, aufgehoben und der Antrag der Klägerin vom 28.02.2018 zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.000.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Klägerin ist ein am 13.02.2009 gegründetes und insbesondere im Handel mit Softwarelizenzen der Firma Microsoft sowie der Beratung von Unternehmen sowohl hinsichtlich des Einsatzes von Software der Firma Microsoft als auch bezüglich des regelgetreuen und optimierten Einsatzes von Nutzungsrechten für Microsoft-Software tätiges Unternehmen. An ihm sind derzeit neben den beiden Geschäftsführern Dieter M. und Andreas L. mit jeweils 18,33%, Herr Johannes A., der Stiefsohn des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, mit 18,34%, Herr Nikolaus K., der Sohn des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, mit 5,00% sowie die Beklagte mit 40,00% beteiligt.

Die Klägerin ist mit 84,68% an der S. GmbH beteiligt, deren Haupttätigkeit im Software Asset Management (SAM) besteht. Dabei sollen Kunden mittels einer Scannersoftware zur Aufdeckung von Unterlizenzierungen auf Überprüfungen ihrer Softwarenutzungsrechte durch Microsoft und andere Softwarehersteller vorbereitet werden, um Strafzahlungen und/oder Nachlizenzierungen zu vermeiden.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, dessen Gegenstand u.a. die Beteiligung an anderen Unternehmen ist.

Anlässlich der Übernahme des 40 prozentigen Gesellschaftsanteils an der Klägerin durch die Beklagte schlossen die Gesellschafter der Klägerin sowie die Gesellschafter der S. GmbH am 18.08.2017 eine Gesellschaftervereinbarung (Anl. Ast 7), wonach die Beklagte der Klägerin die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 1.500.000,00 € zur Ablösung von Kreditverbindlichkeiten der Klägerin bei zwei Banken (Darlehen I), eines weiteren Darlehens in Höhe von 2.300.000,00 € zur Ablösung von „Finanzierungen/Bürgschaften/Sicherungen“ von Frau Prof. Dr. A. bei der Klägerin und der S. GmbH sowie zur Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens von Herrn Johannes A. (Darlehen II) und schließlich eines dritten, „in Teilbeträgen gem. Businessplan“ abrufbaren Darlehens in Höhe von insgesamt 7.200.000,00 € zur Finanzierung des Aufbaus und der Erweiterung des Geschäftsbetriebes der Klägerin (Darlehen III) zusagte (Abschnitt A. der Gesellschaftervereinbarung vom 18.08.2017 laut Anlage 3 zu der notariellen Urkunde des Notars U. vom 18.08.2017 UrNr. 1141 U/2017, Anl. Ast 7).

In der Gesellschaftervereinbarung verpflichteten sich die Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin und der S. GmbH zum Aufbau und zur Durchführung eines Berichtswesens, das - in der Vereinbarung näher definierten - Mindestanforderungen entsprechen muss (Abschnitt C. der Gesellschaftervereinbarung vom 18.08.2017 laut Anlage 3 zu der notariellen Urkunde des Notars Uhlig vom 18.08.2017 UrNr. 1141 U/2017, Anl. Ast 7).

In teilweiser Umsetzung dieser Gesellschaftervereinbarung schlossen die Parteien am 18.08.2017 einen mit „Darlehen III“ bezeichneten Darlehensvertrag (Anl. Ast 20), mit dem die Beklagte der Klägerin ein Abrufdarlehen in Höhe von 7.200.000,00 € „für den Aufbau des operativen Geschäfts“ gewährte.

§ 1 Ziffer 3. des Darlehensvertrages lautet:

„Dieses Darlehen III löst insoweit den bisherigen Darlehensvertrag zwischen der K.M. AG und der A.C. GmbH über EUR 480.000,00 € vom 19.06.2017 ab. Insofern ist dieses Darlehen bereits mit einer ersten Auszahlung in Höhe von 480.000,00 € in Anspruch genommen worden. Die weiteren Auszahlungen erfolgen monatlich auf Basis einer Anforderung der Geschäftsleitung des Darlehensnehmers entsprechend dem vorgelegten Business Plan vom 20.06.2017. Insofern stehen für folgende Halbjahres-Zeiträume folgende Beträge zur Verfügung:

2. Halbjahr 2017 1.900.000 EUR

1. Halbjahr 2018 2.400.000 EUR

2. Halbjahr 2018 2.050.000 EUR

1. Halbjahr 2019 850.000 EUR

§ 3 des Darlehensvertrages enthält folgende Regelung:

„3.1 Dem Darlehensgeber steht ein außerordentliches Sonderkündigungsrecht, das zur fristlosen Kündigung des Darlehens mit sofortiger Rückzahlungspflicht der ausgereichten Darlehensvaluta berechtigt in folgenden Fällen vor (sic), wobei es genügt, dass eine der Sachverhaltsgestaltungen eintritt:

a. das Geschäftsmodell des Darlehensnehmers bzw. das technische Projekt, das der Darlehensnehmer verfolgt, lässt sich nicht umsetzen

b. es droht dem Darlehensnehmer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, falls dem Darlehensnehmer nicht Eigenkapital oder entsprechendes Fremdkapital mit qualifizierten Rangrücktrittsvereinbarungen zufließt In jedem dieser Fälle steht dem Darlehensgeber kein Anspruch mehr zu auf Auszahlung von etwaigen noch nicht ausgereichten Darlehenstranchen.“

3.2 Eine Kündigung ist im Übrigen nur aus wichtigem Grund möglich. Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist insbesondere nach den Regelungen des § 490 BGB zu beurteilen.“

Im Zeitraum zwischen dem Abschluss des Darlehensvertrages und einschließlich Dezember 2017 rief die Klägerin aus dem Darlehen III vier Teilbeträge in Höhe von insgesamt 1.450.000,00 € ab, die von der Beklagten an die Klägerin ausgezahlt wurden. Die Klägerin und die S. GmbH stellten daraufhin von August 2017 bis Januar 2018 insgesamt 29 neue Mitarbeiter ein.

Ab September 2017 begann die S. GmbH mit einem testweisen Scan der bei der Beklagten verwendeten Software, um dadurch die praktische Umsetzbarkeit des Geschäftsmodells der Klägerin zu demonstrieren. Ob der Scan erfolgreich durchgeführt wurde, war und ist zwischen den Parteien streitig.

Da zwischen den Parteien des Weiteren auch Streit über Auskunfts- und Informationsrechte der Beklagten gegenüber der Klägerin bestand, lud die Beklagte die Geschäftsführer der Klägerin mit Email vom 01.12.2017 (Anl. Ast. 36) zu einer Besprechung nach M. (dem Sitz der Beklagten) am 05.12.2017 ein. Diesen Termin wollten die Geschäftsführer der Klägerin jedoch wegen Terminskollisionen nicht wahrnehmen (Anl. Ast 36). Den daraufhin vereinbarten Termin am 18.12.2017 verschob die Beklagte mit Email vom 12.12.2017 auf den 19.12.2017, woraufhin die Geschäftsführer der Klägerin wiederum aufgrund von Terminskollisionen die Besprechung telefonisch absagten. Mit Schreiben des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten vom 12.12.2017 (Anl. Ast. 35) drohte die Beklagte daraufhin gegenüber der Klägerin wegen der Unmöglichkeit der Umsetzung des Geschäftsmodells der Klägerin die Kündigung des Darlehensvertrages III an und erklärte, dass sie die nächste Darlehensrate nicht auszahlen werde.

Mit Email vom 04.01.2018 (Anl. Ast 23) rief die Klägerin weitere 400.000,00 € aus dem Darlehen III ab, deren Auszahlung die Beklagte mit Email vom 11.01.2018 (Anl. Ast 26) jedoch von der Erteilung weiterer Auskünfte durch die Klägerin abhängig machte und schließlich mit Schreiben vom 22.01.2018 (Anl. AG 4) ablehnte, da die aktuelle Liquiditätslage der Klägerin eine solche nicht erforderlich erscheinen lasse.

Mit Schreiben vom 29.01.2018 kündigte die Beklagte den Darlehensvertrag III „gemäß § 3 Absatz 1 Buchstabe a und Absatz 2 fristlos“ (Anl. Ast 34).

Am 05.02.2018 rief die Klägerin gegenüber der Beklagten weitere 600.000,00 € ab (Anl. Ast 39), die die Beklagte in der Folge nicht auszahlte.

Die Klägerin trug u.a. vor, dass sie aus dem Darlehensvertrag III Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der beiden Darlehensraten für Januar 2018 und Februar 2018 habe, da die Auszahlung nach dem Darlehensvertrag an keine weiteren Voraussetzungen gekoppelt sei. Die von der Beklagten erklärte Kündigung sei unwirksam, da ein Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 3 des Darlehensvertrages nicht vorliege. Insbesondere sei das Geschäftsmodell der Klägerin umsetzbar und habe sie auch alle erfüllbaren Auskunfts- und Informationsansprüche der Beklagten erfüllt.

Es bestehe neben dem Verfügungsanspruch auch ein Verfügungsgrund. Denn die Klägerin habe nach Zurückführung aller Kreditlinien außer der Inanspruchnahme des streitgegenständlichen Darlehens keine anderweitigen Finanzierungsmöglichkeiten mehr. In Anbetracht der derzeit bei -200.000,00 € liegenden Liquidität drohe die Zahlungsunfähigkeit der Klägerin.

Die Klägerin beantragte in erster Instanz:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt,

  • 1.an die Antragstellerin einen Betrag in Höhe von 400.000,00 € als Darlehensteilbetrag für Januar 2018 zu zahlen, und

  • 2.an die Antragstellerin einen Betrag in Höhe von 600.000,00 € als Darlehensteilbetrag für Februar 2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragte,

Die Abweisung des Antrags auf einstweilige Verfügung.

Die Beklagte erwiderte u.a., dass die von ihr am 29.01.2018 ausgesprochene außerordentliche Kündigung den Darlehensvertrag vom 18.08.2017 beendet habe und deshalb ein Anspruch der Klägerin auf Auszahlung der Darlehensraten für Januar und Februar 2018 nicht mehr bestehe. Denn es habe ein wichtiger Grund zur Kündigung vorgelegen, da die Klägerin der Beklagten nur unvollständig Auskunft erteilt habe und die erteilten Informationen falsch oder zumindest widersprüchlich gewesen seien. Darüber hinaus habe der Test-Scan bei der Beklagten ergeben, dass das Geschäftsmodell der Klägerin nicht umsetzbar sei. Schließlich lägen erhebliche Abweichungen von den im Businessplan der Klägerin aufgeführten Umsätzen und Ergebnissen vor.

Schließlich bestehe auch kein Verfügungsgrund, da im Falle einer stattgebenden Entscheidung die Hauptsache vorweggenommen würde und die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Zulässigkeit einer Vorwegnahme der Hauptsache nicht erfüllt seien. Die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze seien nämlich nur auf die Existenzgefährdung natürlicher Personen, nicht aber - wie hier - auch auf juristische Personen anwendbar.

Das Landgericht München I hat aufgrund einer mündlichen Verhandlung vom 22.03.2018, in der Beweis zur technischen Umsetzbarkeit des klägerischen Geschäftsmodells durch die Vernehmung der beiden von der Klägerin mitgebrachten Zeugen Ta. und T. erhoben wurde, die Beklagte mit Endurteil vom 22.03.2018, Az. 12 HK O 2996/18, verurteilt, an die Klägerin 400.000,00 € als Darlehensbetrag für Januar 2018 und weitere 600.000,00 € als Darlehensbetrag für Februar 2018 zu bezahlen. Das Landgericht sah die Unwirksamkeit der Kündigung als glaubhaft gemacht an und bejahte auch das Vorliegen eines Verfügungsgrundes, da eine eine Leistungsverfügung rechtfertigende Existenzgefährdung auch bei drohender Zahlungsunfähigkeit einer juristischen Person anzunehmen sei.

Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Endurteils des Landgerichts München I vom 22.03.2018 wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.

Die Beklagte verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags mit ihrer Berufung ihr Antragsabweisungsziel vollumfänglich weiter.

Sie beantragt,

Das Endurteil des Landgerichts München I vom 22.03.2018, Az. 12 HK O 2996/18, wird aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 22.03.2018, Az. 12 HK O 2996/18, kostenpflichtig zurückzuweisen.

Das Gericht hat am 20.06.2018 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2018, die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze sowie den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

I.

Der Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen, da jedenfalls kein Verfügungsgrund besteht.

Bei einem Antrag auf Erlass einer Leistungsverfügung - rechtlich also einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung - ist ein Verfügungsgrund nur in Ausnahmefällen und unter strengen Bedingungen anzunehmen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2004, Az. VI-U (Kart) 35/03, Rdnr. 20). Dazu sind kumulativ drei Voraussetzungen zu erfüllen (allg. Meinung; vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 03.02.2010, Az. 10 U 610/11, Rdnr. 15, OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.03.2007, Az. 8 U 602/16, Rdnr. 55, OLG Düsseldorf, aaO, Rdnrn 20 - 22):

– Die Klägerin muss sich demnach in einer existentiellen Notlage befinden, die die erstrebte Zahlung so dringlich macht, dass sie nicht bis zum Erlass eines vollstreckbaren Urteils in der Hauptsache warten kann,

– sie muss mit hoher bis an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Hauptsacheverfahren obsiegen und

– das Interesse der Klägerin an der Zuerkennung des Zahlungsanspruchs bereits im Verfahren der einstweiligen Verfügung muss das Interesse der Beklagten unter Abwägung der beiderseitigen Belange, insbesondere des der Klägerin aus der Nichterfüllung entstehenden oder drohenden Schadens einerseits und des von der Beklagten aus der sofortigen Erfüllung zu erwartenden Schadens andererseits, bei weitem überwiegen.

Keine dieser drei Voraussetzungen ist erfüllt.

1. a. Eine existentielle Notlage, die den Erlass der beantragten Leistungsverfügung rechtfertigen würde, besteht vorliegend nicht. Die Rechtsprechung hat die Befriedigungsverfügung für Unterhaltsansprüche natürlicher Personen entwickelt, auf deren zumindest teilweise Realisierung ein armer Antragsteller angewiesen ist, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und nicht in existentielle Not zu geraten (Drescher in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage, München 2016, Rdnr. 9 zu § 938 ZPO). Auch wenn im Lauf der Zeit außer Unterhaltsansprüchen (deren Geltendmachung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sich seit 01.09.2009 für familienrechtliche Ansprüche ausschließlich nach §§ 49 ff, 246 f. FamFG richtet) auch andere auf Geld gerichtete Ansprüche als Gegenstand einer Befriedigungsverfügung anerkannt wurden (vgl. hierzu Mayer in BeckOK, ZPO, 27. Edition, Stand 01.12.2017, Rdnr. 15 zu § 938 ZPO und die Nachweise bei Huber in Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage, München 2017, Rdnr. 19 zu § 940 ZPO), so ging es dabei regelmäßig um die Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen „zur Führung eines menschenwürdigen Lebens“ (Drescher, aaO, Rdnr. 20 zu § 938 ZPO) und damit um die Existenzsicherung einer natürlichen Person.

b. Ob auch die drohende Zahlungsunfähigkeit einer GmbH eine derartige existentielle Notlage begründen kann, ist umstritten.

aa. Das OLG Rostock hat dies unter Hinweis auf das auch einer juristischen Person nach Art. 19 Abs. 3 i.V.m Art. 2 Abs. 2 GG zustehende Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes bejaht (Urteil vom 05.06.1996, Az. 6 U 395/96, OLG-NL 1996, 283, 284; ebenso LG Bonn, Urteil vom 03.04.1997, Az. 14 O 39/97, DB 1997, 1614). Dem ist das Landgericht in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil gefolgt.

bb. Dagegen wird in der Literatur - soweit das Problem überhaupt erörtert wird - der Erlass einer Befriedigungsverfügung zur Abwendung von Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz abgelehnt (Mayer in BeckOK ZPO, 27. Edition, Stand 01.12.2017, Rdnr. 18 zu § 938 ZPO, Huber in Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage, München 2017, Rdnr. 15 zu § 940 ZPO, Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 38. Auflage, München 2017, Rdnr. 17 zu § 940 ZPO jedoch jeweils ohne Begründung; vgl. auch OLG Koblenz, Urteil vom 03.02.2010, Az. 10 U 610/11, Rdnr. 16, das schon bei einer natürlichen Person eine Befriedigungsverfügung zur Insolvenzabwehr ablehnt).

cc. Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend. Denn „(d) ie Kapitalgesellschaft ist eine künstliche Schöpfung nach Maßgabe einer von der Rechtsordnung aus Zweckmäßigkeitsgründen zugelassene Rechtsform. Sie bietet den hinter der Gesellschaft stehenden Personen wirtschaftliche Vorteile, insbesondere eine Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen. Demgemäß ist die Rechtsträgerschaft an ein ausreichendes Vermögen gebunden. Dieses ist Voraussetzung sowohl für ihre Gründung als auch für ihre weitere Existenz. Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (…) (Insolvenz) gründe. Mit der Eröffnung des (Insolvenz) verfahrens ist die Gesellschaft aufgelöst. Dabei ist für ihren Untergang ohne Belang, aus welchen Gründen ein Vermögensstand erreicht worden ist, aus dem sie ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen kann. Die Kapitalgesellschaft besitzt demnach grundsätzlich nur dann eine von der Rechtsordnung anerkannte Existenzberechtigung, wenn sie ihre Ziele und Aufgaben aus eigener Kraft zu verfolgen in der Lage ist“ (BVerfG, Beschluss vom 03.07.1973, Az. 1 BvR 153/69, Rdnr. 22, gleichlautend BT-Drs. 8/3068, S. 26). Da demnach eine zahlungsunfähige und deshalb unmittelbar vor der Insolvenz stehende GmbH - wie behauptetermaßen die Klägerin - keine Existenzberechtigung hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14.07.2005, Az. IX ZB 224/04, Rdnr. 6), besteht auch keine Notwendigkeit, ihre weitere Existenzfähigkeit wie bei einer natürlichen Person durch die Zulassung einer Befriedigungsverfügung besonders zu schützen. Daran ändert auch der grundsätzlich bestehende grundrechtliche Justizgewährungsanspruch, aus dem die Befriedigungsverfügung nach zutreffender Meinung resultiert (vgl. Drescher, aaO, Rdnr. 11 zu § 938 ZPO), in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG nichts. Denn nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte für juristische Personen nur, „soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind“. Genau dies ist aber aufgrund der fehlenden Existenzberechtigung der nach eigenem Vortrag ohne die Darlehensauszahlung insolvenzreifen Klägerin gerade nicht der Fall. Ziel des Justizgewährungsanspruchs ist es nämlich nicht, aus eigener Kraft wirtschaftlich nicht lebensfähige Kapitalgesellschaften im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes künstlich am Leben zu erhalten.

c. Selbst wann man entgegen den obigen Erwägungen mit der Klägerin davon ausgehen sollte, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit einer GmbH dem Grunde nach den Erlass einer Leistungsverfügung rechtfertigen kann, so würde jedenfalls, um die Hauptsache nur im geringstmöglichen Umfang vorwegzunehmen, eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung im einstweiligen Verfügungsverfahren nur in der Höhe erfolgen können, die momentan notwendig ist, um die behauptete drohende Zahlungsunfähigkeit der Klägerin abwenden zu können. In Höhe der überschießenden Differenz zwischen diesem Betrag und der Höhe der beiden eingeklagten Darlehensraten wäre eine Verurteilung im vorläufigen Rechtsschutzes dagegen mangels Dringlichkeit in keinem Fall möglich.

Die Höhe des zur Abwehr der nach der Behauptung der Klägerin drohenden Zahlungsunfähigkeit momentan, das heißt zum Schluss der mündlichen Verhandlung, erforderlichen Geldbetrages hat die Klägerin jedoch weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Nicht ausreichend ist insoweit die in der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2018 vorgelegte Excel-Tabelle, in der auf den Stichtag 19.06.2018 bezogen die offenen Forderungen der Klägerin gegen Dritte einerseits und die Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber Dritten andererseits aufgelistet sind.

Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich nämlich im gesamten Insolvenzrecht und darum auch im Insolvenzanfechtungsrecht nach § 17 InsO. Zahlungsunfähig ist der Schuldner, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Zahlungsunfähigkeit droht, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). In die Prognose, die bei der Prüfung drohender Zahlungsunfähigkeit anzustellen ist, muss die gesamte Finanzlage des Schuldners bis zur Fälligkeit aller bestehenden Verbindlichkeiten einbezogen werden. Der vorhandenen Liquidität und den Einnahmen, die bis zu diesem Zeitpunkt zu erwarten sind, müssen die Verbindlichkeiten gegenüber gestellt werden, die bereits fällig sind oder die bis zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich fällig werden. Ergibt die Prognose, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher ist als deren Vermeidung, droht Zahlungsunfähigkeit (BGH, Urteil vom 05.12.2013, Az. IX ZR 93/11, Rdnr. 10).

Zu dieser über den 29.06.2018 hinausgehenden Prognose ist der vorgelegten Excel-Tabelle jedoch nichts zu entnehmen und fehlt es an jedem aktuellen Vortrag der Klägerin. Ein solcher Vortrag der Klägerin wäre umso mehr veranlasst gewesen, als die Klägerin bereits bei Einleitung des Verfahrens der einstweiligen Verfügung Ende Februar 2018 ihre unmittelbar bevorstehende Zahlungsunfähigkeit behauptete (Klageschrift vom 28.02.2018, S. 50, Bl. 50 d.A.) und insofern ihre Liquiditätslage vortrug, diese Zahlen aber mittlerweile nach dem eigenen Vortrag der Klägerin u.a. wegen „unerwartete(r) vorzeitige(r) Zahlungen von Kunden“ sowie „überraschend verlängerte(r) Zahlungsziele“ (Schriftsatz des Klägervertreters vom 11.06.2018, S. 6, Bl. 366 d.A.) nicht mehr aktuell sind.

2. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat sich auch nicht ergeben, dass die Klägerin im Hauptsacheverfahren mit hoher bis an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Hauptsacheverfahren obsiegen wird. Entgegen der Auffassung des Landgerichts spielen nämlich sowohl die Erfüllung von Informationsrechten der Klägerin als auch die Abweichungen vom Businessplan laut Anl. Ast 13 für die Frage, ob die Beklagte ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Darlehensvertrages III hatte, eine Rolle. § 3 Abschnitt 3.2 S. 1 des Darlehensvertrages vom 18.08.2017 (Anl. Ast 20) sieht nämlich ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund vor. Dieser wichtige Grund bemisst sich - wie sich schon aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ in S. 2 ergibt - nicht nur nach § 490 BGB. Damit kann der Darlehensvertrag wie jedes Dauerschuldverhältnis gekündigt werden, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Anders als das Landgericht annimmt, setzt der wichtige Grund nicht voraus, dass die Klägerin eine Pflicht verletzt hat, die in einem „Gegenseitigkeitsverhältnis zum Darlehensanspruch der Klägerin“ steht (S. 11 des landgerichtlichen Urteils, Bl. 226 d.A.). Auch die Abweichungen vom Businessplan, auf den sowohl im streitgegenständlichen Darlehensvertrag III (§ 1 Ziffer 3 S. 3) als auch in der Gesellschaftervereinbarung (Abschnitt A. Abs. 4 S. 2) ausdrücklich Bezug genommen ist, und die von der Beklagten behaupteten Verletzungen der Berichts- und Informationspflichten der Klägerin aus Abschnitt C. der Gesellschaftervereinbarung vom 18.08.2017 können daher grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstellen. Dies gilt umso mehr als die Gesellschaftervereinbarung einerseits und der Darlehensvertrag III andererseits - wie sich bereits aus dem Abschluss am selben Tag ergibt - in engem, wenn nicht untrennbaren inhaltlichen Zusammenhang stehen. Der Darlehensvertrag III dient der Umsetzung der Gesellschaftervereinbarung, wovon auch die Klägerin ausgeht, da sie für sich eine nur in der Gesellschaftervereinbarung, nicht aber im Darlehensvertrag enthaltene Fälligkeitsregel in Anspruch nimmt (Abschnitt A Abs. 4 S. 3 der Gesellschaftervereinbarung: Fälligkeit der Auszahlung spätestens fünf Tage nach Abruf des Teilbetrags durch die Klägerin). Nach dem Ergebnis des Verfügungsverfahrens steht aber nicht mit hoher bis an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass sich die Kündigung der Beklagten vom 29.01.2018 (Anl. Ast 34) im Hauptsacheverfahren als unwirksam herausstellen wird und der Klägerin daher der streitgegenständliche Zahlungsanspruch zusteht, sodass ein Verfügungsgrund auch deshalb zu verneinen ist.

3. Eine Befriedigungsverfügung kann darüber hinaus aber auch deshalb nicht erlassen werden, weil bei Abwägung der beiderseitigen Belange, insbesondere des der Klägerin aus der Nichterfüllung entstehenden oder drohenden Schadens einerseits und des von der Beklagten aus der sofortigen Erfüllung zu erwartenden Schadens andererseits, das Interesse der Klägerin an der Zuerkennung des Zahlungsanspruchs bereits im Verfahren der einstweiligen Verfügung das Interesse der Beklagten nicht bei weitem überwiegt.

Auf der einen Seite steht nämlich nur das Interesse der Klägerin an sofortiger Zahlung, dessen Gewicht jedoch gering zu bewerten ist, da sie - wie oben unter 1. b. cc dargelegt - mangels hinreichender Wirtschaftskraft grundsätzlich keine weitere Existenzberechtigung mehr hat. Dagegen steht das schutzwürdige Interesse der Beklagten nicht in einem nur mit eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten ausgestatteten summarischen Verfahren zur vollständigen Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs angehalten zu werden. Dieses Interesse der Beklagten gewinnt umso mehr an Gewicht, als sich die Erfüllung, das heißt die Auszahlung der streitgegenständlichen Darlehenssumme von 1.000.000,00 €, im Falle des - wie oben unter 2 dargelegt - nach derzeitigem Stand nicht auszuschließenden Obsiegens der Beklagten im Hauptsachverfahren voraussichtlich nicht mehr rückgängig machen lassen wird (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2004. Az. VI-U (Kart) 35/03, Rdnr. 21). Am Ergebnis dieser Interessenabwägung ändert auch nichts, dass die Beklagte durch Übernahme der Gesamtfinanzierung der Klägerin im August 2017 diese von (kurzfristig) aktivierbaren Kreditlinien abschnitt.

II.

Der Ausspruch zu den Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Wert für das Berufungsverfahren war nach § 3 ZPO entsprechend dem vollen Wert der Hauptsache auf 1.000.000,00 € festzusetzen. Ein Abschlag war nicht vorzunehmen, da sich das Interesse des Berufungsführers auf die Abwehr eines Zahlungsanspruchs in Höhe von 1.000.000,00 € richtet und es damit um das Befriedigungs- und nicht nur um das Sicherungsinteresse geht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.07.2009, Az. 3 W 43/09, Rdnr. 4).

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Bundesgerichtshof Urteil, 05. Dez. 2013 - IX ZR 93/11

bei uns veröffentlicht am 05.12.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 93/11 Verkündet am: 5. Dezember 2013 Kluckow Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 133 Abs. 1

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(1) Wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückzahlung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird, kann der Darlehensgeber den Darlehensvertrag vor Auszahlung des Darlehens im Zweifel stets, nach Auszahlung nur in der Regel fristlos kündigen.

(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag, bei dem der Sollzinssatz gebunden und das Darlehen durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist, unter Einhaltung der Fristen des § 488 Abs. 3 Satz 2 vorzeitig kündigen, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten und seit dem vollständigen Empfang des Darlehens sechs Monate abgelaufen sind. Ein solches Interesse liegt insbesondere vor, wenn der Darlehensnehmer ein Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung der zur Sicherung des Darlehens beliehenen Sache hat. Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung entsteht (Vorfälligkeitsentschädigung).

(3) Die Vorschriften der §§ 313 und 314 bleiben unberührt.

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.

(2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks untersagt wird.

Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.

(2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks untersagt wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.

(2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks untersagt wird.

Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.

(2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks untersagt wird.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

(1) Beantragt der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund.

(2) Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen.

(3) Wird bei einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit der Antrag nicht von allen Mitgliedern des Vertretungsorgans, allen persönlich haftenden Gesellschaftern oder allen Abwicklern gestellt, so ist Absatz 1 nur anzuwenden, wenn der oder die Antragsteller zur Vertretung der juristischen Person oder der Gesellschaft berechtigt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 93/11
Verkündet am:
5. Dezember 2013
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In die Prognose, die bei der Prüfung drohender Zahlungsunfähigkeit vorzunehmen
ist, sind auch Zahlungspflichten einzubeziehen, deren Fälligkeit im Prognosezeitraum
nicht sicher, aber überwiegend wahrscheinlich ist.
BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 - IX ZR 93/11 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Dezember 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 27. Mai 2011 teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst: Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 34 des Landgerichts Hamburg vom 31. Januar 2008 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte. Die Nebenintervenientin trägt ihre Kosten selbst.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 27. November 2003 am 23. Dezember 2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. - G. mbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin betrieb ihr Unternehmen in einem von der Beklagten gemieteten Gebäude. Gesellschafter der Beklagten, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, waren die drei Gesellschafter der Schuldnerin mit Anteilen von insgesamt 80 v.H.. Ihre Ehefrauen hielten die restlichen Anteile an der Beklagten. Die vereinbarte Miete betrug seit dem 1. Januar 2002 monatlich 20.646,36 €. Die Schuldnerin zahlte an die Beklagte am 10. Januar 2003 und am 14. Februar 2003 jeweils 16.293,78 €. Zwischen dem 15. Mai 2003 und dem 15. Oktober 2003 zahlte sie insgesamt weitere 67.655,30 €.
2
Die D. hatte der Schuldnerin einen Geschäftskredit in Höhe von 630.000 € und ein Hypothekendarlehen über rund 110.000 € gewährt. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2002 erbat sie wegen eines erhöhten Kreditrisikos Vorschläge der Schuldnerin für eine werthaltige Absicherung der bisher nur durch Bürgschaften der drei Gesellschafter gesicherten Kredite. In einem Schreiben vom 4. Februar 2003 wiederholte sie ihre Aufforderung zur Stellung von Sicherheiten. Für den Fall, dass entsprechende verbindliche Vorschläge nicht bis zum 12. Februar 2003 erfolgten, drohte sie mit der Kündigung der Kredite. Mit Schreiben vom 19. Februar 2003 kündigte die D. den Geschäftskredit in Höhe eines Teilbetrags von 90.000 € mit sofortiger Wirkung und machte ihre Kreditbereitschaft im Übrigen davon abhängig, dass bis zum 28. Februar 2003 Zusatzsicherheiten gestellt wurden. Auf Vorschlag der Schuldnerin kam es am 12./19. März 2003 zu einer Vereinbarung, wonach die D. still hielt, sofern die Schuldnerin den Geschäftskredit bis zum 11. April 2003 in mehreren Raten vollständig zurückführte, das Hypothekendarlehen ordnungsgemäß bediente und näher bezeichnete Sicherheiten stellte. Mit Schreiben vom 15. April 2003 stellte die Bank fest, dass der Geschäftskredit noch in Höhe von 350.000 € offen stand und die vereinbarte Sicherheitenverstärkung nicht erfolgt war. Sie drohte die Kündigung des Kreditengagements an, falls die bestehende Überziehung nicht bis zum 25. April 2003 ausgeglichen werde. Am 2. Juni 2003 erfolgte die Kündigung.
3
Der Kläger verlangt unter den rechtlichen Gesichtspunkten des Eigenkapitalersatzes und der Insolvenzanfechtung die Rückgewähr der im Jahr 2003 von der Schuldnerin entrichteten Mieten in Höhe von insgesamt 100.242,86 € nebst Zinsen. Das Berufungsgericht hat die in erster Instanz erfolgreiche Klage in Höhe des Teilbetrags von 32.587,56 € nebst anteiliger Zinsen abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger diesen Teilbetrag weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang des Rechtsmittels zur Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.

I.


5
Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der im Zeitraum zwischen Mai 2003 und Oktober 2003 gezahlten Mieten in Höhe von insgesamt 67.655,30 € einen Anspruch auf Rückzahlung wegen Vorsatzanfechtung nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO bejaht und dabei ausgeführt, die Schuldnerin sei ab Ende April 2003 zahlungsunfähig gewesen, mindestens aber habe die Zahlungsunfähigkeit gedroht. Für die Zeit davor, mithin für die beiden im Januar und Februar 2003 gezahlten Mieten in Höhe von zusammen 32.587,56 €, könne dies nicht angenommen und deshalb ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin nicht festgestellt werden. Ein Anspruch auf Rückgewähr dieser Mieten folge auch nicht aus §§ 32a, 32b GmbHG, § 135 InsO aF. Dabei könne dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt als Normadressatin des § 32a Abs. 1 und 3 GmbHG aF anzusehen sei. Jedenfalls sei die Beklagte im Januar und Februar 2003 nicht zur Kündigung des Mietvertrags berechtigt gewesen. Mangels einer Möglichkeit , der Schuldnerin die Gebrauchsüberlassung zu entziehen, fehle es deshalb an einer Finanzierungsentscheidung, die es rechtfertigen könnte, die Überlassung zum Gebrauch in funktionales Eigenkapital umzuqualifizieren. Für eine frühere Kredit- oder Überlassungsunwürdigkeit der Schuldnerin habe der Kläger nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.

II.


6
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Voraussetzungen eines anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO sind auch hinsichtlich der Mietzahlungen im Januar und Februar 2003 gegeben. Ob sich der geltend gemachte Anspruch daneben unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung begründen lässt (§§ 32a, 32b GmbHG aF, § 135 Nr. 2 InsO aF), braucht nicht entschieden zu werden.
7
1. Das Berufungsgericht nimmt mit Recht an, dass es sich bei den Mietzahlungen um Rechtshandlungen der Schuldnerin handelte, die in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden und zu einer Verkürzung der späteren Insolvenzmasse, mithin zu einer Benachteiligung der Gläubigergesamtheit geführt haben.
8
2. Seine weitere Annahme, es lasse sich nicht feststellen, dass die Schuldnerin mit dem Vorsatz gehandelt habe, ihre Gläubiger zu benachteiligen, weil sie weder zahlungsunfähig gewesen sei noch die Zahlungsunfähigkeit ge- droht habe, ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern. Insoweit hat das Berufungsgericht den Prozessstoff nicht ausgeschöpft und eine rechtsfehlerfreie Gesamtwürdigung der einzelnen Indizien versäumt (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rn. 14; vom 18. Juli 2013 - IX ZR 143/12, WM 2013, 1993 Rn. 11).
9
a) Der Schuldner handelt mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Kennt der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit , kann daraus nach ständiger Rechtsprechung auf einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden. In diesem Fall weiß der Schuldner, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Auch die nur drohende Zahlungsunfähigkeit stellt nach der Rechtsprechung des Senats ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners dar, wenn sie ihm bei der Vornahme der Rechtshandlung bekannt war. In diesen Fällen handelt der Schuldner dann nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände - etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können - mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann. Droht die Zahlungsunfähigkeit, bedarf es konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann (BGH, Urteil vom 22. November 2012 - IX ZR 62/10, WM 2013, 88 Rn. 7; vom 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12, WM 2013, 180 Rn. 14; vom 24. Januar 2013 - IX ZR 11/12, WM 2013, 361 Rn. 23 f; vom 25. April 2013 - IX ZR 235/12, WM 2013, 1044 Rn. 24; jeweils mwN). Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des Senats auch, wenn eine kongruente Leistung angefochten wird (BGH, Urteil vom 10. Januar 2013, aaO Rn. 15).

10
Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht und darum auch im Insolvenzanfechtungsrecht nach § 17 InsO. Zahlungsunfähig ist der Schuldner, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Zahlungsunfähigkeit droht, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). In die Prognose, die bei der Prüfung drohender Zahlungsunfähigkeit anzustellen ist, muss die gesamte Finanzlage des Schuldners bis zur Fälligkeit aller bestehenden Verbindlichkeiten einbezogen werden. Der vorhandenen Liquidität und den Einnahmen, die bis zu diesem Zeitpunkt zu erwarten sind, müssen die Verbindlichkeiten gegenüber gestellt werden, die bereits fällig sind oder die bis zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich fällig werden. Ergibt die Prognose , dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher ist als deren Vermeidung, droht Zahlungsunfähigkeit (Begründung zu § 22 RegE-InsO, BTDrucks. 12/2443 S. 115; Jaeger/Müller, InsO, § 18 Rn. 8 ff). Die der Prognose innewohnende Ungewissheit kann sich dabei auf die künftig verfügbaren liquiden Mittel, ebenso aber auch auf den Umfang der künftig fällig werdenden Verbindlichkeiten beziehen. Verbindlichkeiten aus einem Darlehen können deshalb nicht nur dann drohende Zahlungsunfähigkeit begründen, wenn der Anspruch auf Rückzahlung durch eine bereits erfolgte Kündigung auf einen bestimmten in der Zukunft liegenden Zeitpunkt fällig gestellt ist (vgl. HK-InsO/Kirchhof, 6. Aufl., § 18 Rn. 6), sondern auch dann, wenn aufgrund gegebener Umstände überwiegend wahrscheinlich ist, dass eine Fälligstellung im Prognosezeitraum erfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2012 - IX ZR 62/10, WM 2013, 88 Rn. 15; K. Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 18 Rn. 24; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 1998, § 18 Rn. 8).

11
b) Nach diesen Maßstäben drohte der Schuldnerin zum Zeitpunkt der beiden in Rede stehenden Zahlungen am 10. Januar 2003 und am 14. Februar 2003 Zahlungsunfähigkeit.
12
aa) Die Schuldnerin nahm bei der D. einen Geschäftskredit in Höhe von 630.000 € in Anspruch. Am 4. Dezember 2002 kam es zu einem Gespräch über die Fortführung des Kreditengagements. Dem Schreiben der Bank an die Geschäftsführung der Schuldnerin vom 5. Dezember 2002 ist zu entnehmen, dass die Bank aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin, des schwierigen Branchenumfelds, der sich daraus ergebenden Planungsunsicherheiten sowie der mittelfristig ungeregelten Unternehmensfortführung ein erhöhtes Kreditrisiko sah. Sie sah sich deshalb nicht länger in der Lage, der Schuldnerin mit Kreditlinien auf der damaligen Sicherheitenbasis (quotale Bürgschaften der Gesellschafter ohne werthaltige Unterlegung) zur Verfügung zu stehen. Bis zum 13. Dezember 2002 sollte die Schuldnerin deshalb schriftliche Vorschläge unterbreiten, wie die Kreditlinien werthaltig abgesichert werden konnten. Im "Betriebsobjekt" sah die Bank keine Beleihungsspielräume. Für den Fall, dass die verlangte Sicherheitenverstärkung nicht zustande komme, bat die Bank um Informationen, aus welchen Mitteln kurzfristig die Rückführung der Kreditlinien erfolgen solle. Im Zuge der nachfolgenden Gespräche erklärte sich die D. bereit, die eingeräumten Kredite längstens bis zum 31. Januar 2003 "auf der bekannten Basis" offenzuhalten. Dies ergibt sich aus dem Schreiben der Bank an die Geschäftsführung der Schuldnerin vom 4. Februar 2003. In diesem Schreiben bezeichnete die Bank die Stellung vollwertiger Sicherheiten in Kredithöhe erneut als unabdingbar; sollten verbindliche Vorschläge hierfür nicht bis zum 12. Februar 2003 unterbreitet werden , werde die Bank umgehend die Kredite kündigen und die Bürgschaften in Anspruch nehmen. Nach weiteren Verhandlungen vereinbarten die Bank und die Schuldnerin am 12./19. März 2003 eine vollständige Rückführung des Kredits in mehreren Raten bis zum 11. April 2003. Die Schuldnerin konnte jedoch nur einen Teil dieser Raten aufbringen, weshalb die Bank nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 23. Dezember 2003 noch eine Restforderung in Höhe von mehr als 300.000 € aus dem Geschäftskredit zur Tabelle anmeldete.
13
Bei dieser Sachlage stand bereits zum Zeitpunkt der Mietzahlung vom 10. Januar 2003 fest, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig sein würde, wenn die D. im Lauf der nachfolgenden Wochen den Geschäftskredit fällig stellte. Dies ist aus dem Umstand zu schließen, dass die Schuldnerin tatsächlich nicht annähernd in der Lage war, die im März 2003 vereinbarte ratenweise Rückführung des Kredits zu bewerkstelligen.
14
bb) Dass es zur Fälligstellung des Geschäftskredits kommen würde, war schon im Januar 2003 und erst recht zum Zeitpunkt der Mietzahlung vom 14. Februar 2003 wahrscheinlicher als eine Fortführung des Kreditengagements der D. . Diese hatte bereits im Dezember 2002 die Aufrechterhaltung der Kreditlinie davon abhängig gemacht, dass zusätzliche werthaltige Sicherheiten gestellt wurden. Im Zeitraum zwischen den beiden Mietzahlungen an die Beklagte wiederholte sie ihre Forderung nach einer vollwertigen Nachbesicherung in Kredithöhe. Tatsächlich verfügte die Schuldnerin über solche Sicherheiten nicht. Die in der Vereinbarung vom 12./19. März 2003 erwähnten Sicherheiten - Erweiterung des Sicherungszwecks der am Betriebsobjekt bestehenden Grundschulden und einer Globalzession von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen auf den Geschäftskredit und das Hypothekendarlehen - waren offenkundig von beschränktem Wert und nur geeignet, die vereinbarte Rückführung in Raten abzusichern, nicht aber eine Fortführung der Kredite. Es war daher von vorneherein abzusehen, dass die Schuldnerin die Voraussetzungen nicht erfüllen konnte, unter denen die Bank bereit war, ihr weiter Kredit zu gewähren. Die Ankündigung der D. , ohne zusätzliche werthaltige Sicherheiten auf einer kurzfristigen Rückführung der Kredite zu bestehen, war ersichtlich ernst gemeint und bildete nicht lediglich ein Druckmittel für die gewünschte Nachbesicherung. Die Tatsache allein, dass die Verhandlungen mit der Bank im Januar und Februar 2003 noch andauerten und die Kreditlinie noch offen gehalten wurde, steht der Annahme von drohender Zahlungsunfähigkeit nicht entgegen. Maßgeblich ist, dass ein erfolgreicher Abschluss der Verhandlungen unwahrscheinlich war.
15
c) Die bereits im Januar 2003 drohende Zahlungsunfähigkeit erlaubt den Schluss, dass die Schuldnerin die Mietzahlungen an die Beklagte in diesem und im Folgemonat mit dem zumindest bedingten Vorsatz leistete, ihre übrigen Gläubiger zu benachteiligen. Konkrete Umstände, die nahe legten, dass die drohende Krise auch bei einem Scheitern der Verhandlungen mit derD. noch abgewendet werden konnte, und deshalb den Schluss auf den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin hindern könnten, sind nicht ersichtlich.

III.


16
Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die weiteren Voraussetzungen eines Rückgewähranspruchs nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO liegen vor. Die Beklag- te kannte zur Zeit der Zahlungen im Januar und Februar 2003 den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Dies folgt daraus, dass die beiden Geschäftsführer der Schuldnerin (ihre Gesellschafter B. und H. ) zugleich auch Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten waren. Für die Kenntnis der Beklagten als Personengesellschaft kommt es auf die Kenntnis ihrer geschäftsführenden Gesellschafter an (MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 130 Rn. 50; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 130 Rn. 133; vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1998 - IX ZR 196/97, ZIP 1999, 196, 199). Als Geschäftsführer beider Gesellschaften vermittelten die genannten Personen die Kenntnis der für den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin maßgeblichen Umstände an die Beklagte.
Kayser Gehrlein Vill
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 31.01.2008 - 334 O 253/05 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 27.05.2011 - 11 U 25/08 -

(1) Wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückzahlung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird, kann der Darlehensgeber den Darlehensvertrag vor Auszahlung des Darlehens im Zweifel stets, nach Auszahlung nur in der Regel fristlos kündigen.

(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag, bei dem der Sollzinssatz gebunden und das Darlehen durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist, unter Einhaltung der Fristen des § 488 Abs. 3 Satz 2 vorzeitig kündigen, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten und seit dem vollständigen Empfang des Darlehens sechs Monate abgelaufen sind. Ein solches Interesse liegt insbesondere vor, wenn der Darlehensnehmer ein Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung der zur Sicherung des Darlehens beliehenen Sache hat. Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung entsteht (Vorfälligkeitsentschädigung).

(3) Die Vorschriften der §§ 313 und 314 bleiben unberührt.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.