Oberlandesgericht München Endurteil, 27. März 2019 - 7 U 1001/18

bei uns veröffentlicht am27.03.2019
vorgehend
Landgericht München I, 41 O 6955/14, 21.02.2018

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 21.2.2018 (Az.: 41 O 6955/14) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das angegriffene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung vom Vertriebs- bzw. Importeurverträgen.

Die Beklagte ist ein deutscher Kraftfahrzeughersteller. Die Klägerin ist eine Gesellschaft algerischen Rechts sowie eine Tochtergesellschaft der französischen C.-Gruppe. Zwischen den Parteien bestanden Importeurverträge betreffend die Marken B. und M. aus den Jahren 2007 bzw. 2008 (Anlagenkonvolut K 1), in denen jeweils die Geltung deutschen Rechts vereinbart wurde. Neben diesen Verträgen bestand ein von beiden Parteien unterschriebener Side Letter (Anlage K 2), in welchem unter anderem vorgesehen war, dass die Klägerin binnen bestimmter Fristen (Baubeginn binnen 6 Monaten, Fertigstellung binnen 12 Monaten ab Baubeginn; Ziffer 1.5) ein repräsentatives Autohaus nach den Standards der Beklagten (“Flagship“) in Algier errichtet, das Händlernetz ausbaut und bestimmte Vertriebsziele anstrebt; insbesondere sollte die Marktführerschaft im Premiumsegment vor den beiden übrigen deutschen Premiummarken erreicht werden (Ziffer 2.1). - Hinsichtlich des übrigen Inhalts der Verträge sowie des Side Letter wird auf die Anlagen K 1 und K 2 Bezug genommen.

Die Importeurverträge waren auf ein Jahr befristet und wurden in der Folgezeit sukzessive mehrfach um ein Jahr verlängert. Die Beklagte teilte der Klägerin (spätestens) im Januar 2013 mit, dass sie die Verträge letztmals bis zum 31.1.2014 verlängern werde (vgl. Anlagen B 7, K 23). Zu diesem genannten Datum liefen die Verträge sodann aus.

Nach Vertragsbeginn hatte sich das Flagship-Projekt gegenüber den ursprünglichen zeitlichen Vorgaben im Side Letter verzögert. Im Mai 2008 und Mai 2009 gab es Korrespondenz zum Standort des Flagship (vgl. Anlagen K 4, K 5). Im September 2009 einigten sich die Parteien auf den von der Klägerin vorgeschlagenen Standort D. Brahim (vgl. Anlage K 6), an welchem sich das Projekt aber in der Folgezeit nicht realisieren ließ. Einen Alternativstandort in L. Bananiers lehnte die Beklagte im Januar 2011 ab. Zwischen den Parteien bestanden Meinungsverschiedenheiten insbesondere darüber, ob das Flagship im Osten (so die Klägerin) oder im Westen von Algier (so die Beklagte) gebaut werden sollte.

Zwischen Verantwortlichen der Parteien fanden Besprechungen am 10.1.2011 in München und 4.7.2011 in Sevres statt. Der Inhalt dieser Besprechungen ist zwischen den Parteien streitig. Im Sommer 2011 einigte man sich nach dem Vortrag der Klägerin, dem das Landgericht nach Beweisaufnahme gefolgt ist, auf den Standort D.-el-Beida im Osten von Algier. Zwischen den Parteien ist streitig, ob und in welchem zeitlichen Rahmen ein weiterer repräsentativer Standort im Westen von Algier angestrebt werden sollte. Im Oktober / November 2011 schloss die Klägerin mit Dritten einen Mietvertrag über das für das Flagship vorgesehene Grundstück und begann mit Bauarbeiten. Diese waren im Januar 2013 noch nicht abgeschlossen.

Im Juli / August 2010 war es zu einem Briefwechsel zwischen Verantwortlichen der Parteien betreffend die erforderlichen Investitionen der Klägerin für das Flagship einerseits und die von der Klägerin zum Zwecke der Planungssicherheit gewünschte Vertragsdauer andererseits gekommen. Hinsichtlich des Inhalts der Korrespondenz wird auf die Anlagen K 7, B 4, K 8 und K 83 Bezug genommen.

Während der Dauer der Verträge zwischen den Parteien steigerte die Klägerin die Absätze von Fahrzeugen der Beklagten in absoluten Zahlen um ein Mehrfaches. Relativ zu den Absatzzahlen der anderen beiden Premiummarken erreichte sie die Spitzenposition allerdings nicht.

Die Klägerin ist der Meinung, ihr stünden aufgrund der Beendigung der Importeurverträge Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte, gerichtet insbesondere auf Erstattung ihrer Investitionen in das Flagship-Projekt und entgangenen Gewinn, zu.

Die Klägerin hat beantragt,

  • 1.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.547.967,16 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

  • 2.Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus der Beendigung der Importeurverträge zwischen den Parteien (datierend vom 17. März 2007 und 12. Dezember 2008) für B. - und M. -Fahrzeuge zum 31.1.2014 entstanden ist und künftig entsteht, insbesondere (aber nicht ausschließlich) 2.1. entgangenen Gewinn; 2.2. weitere Mietzahlungen für das von der Klägerin für den Vertrieb von Fahrzeugen der Beklagten angemietete Geschäftsgrundstück in D. el Beida, Algerien, und 2.3. mögliche Schäden der Klägerin hinsichtlich des bis Ende der Importeurverträge noch vorrätigen und nicht mehr wie vorgesehen durch die Klägerin veräußerbaren Lagerbestands an B. - und M. -Fahrzeugen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird im Hinblick auf den weiteren Sachverhalt Bezug genommen. Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

B.

Die Berufung der Klägerin erweist sich als unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch (dazu unten I.). Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich weder aus der Verletzung von bis zum 31.12.2015 verlängerten Verträgen (dazu unten II.) noch aus der Verletzung berechtigten Vertrauens der Klägerin in eine Verlängerung der Verträge über den 31.1.2014 hinaus (dazu unten III.). Neben den genannten Instituten ist ein allgemeiner Investitionskostenerstattungsanspruch nicht anzuerkennen (dazu unten IV.). Eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung der Klägerin ist nicht dargetan (dazu unten V.).

I. Zu Unrecht rügt die Klägerin die Verletzung von Verfahrensvorschriften durch das Landgericht.

1. Kein Verstoß gegen §§ 285, 355 ZPO (Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme) liegt im Ergebnis darin, dass das Landgericht die ersten fünf Zeugen (T., Bie., L., Bin.. und K.) in der Besetzung mit dem Vorsitzenden Richter am Landgericht W., dem Richter am Landgericht D. und der Richterin am Landgericht H. vernommen hat, während bei der Vernehmung des Zeugen H. und bei der Fällung des gegenständlichen Urteils die Richterin P. für die in Mutterschutz getretene Richterin am Landgericht H. (vgl. Aktenvermerk des Vorsitzenden Richters am Landgericht W. vom 16.2.2017, Bl. 531 der Akten) eingetreten ist.

Ein Richterwechsel zwingt nicht grundsätzlich zur Wiederholung der Beweisaufnahme. Allerdings darf dann nur (im Wege des Urkundsbeweises) verwertet werden, was sich aus dem Vernehmungsprotokoll ergibt. Insbesondere darf zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen nur herangezogen werden, was protokolliert ist (BGH, Urteil vom 17.2.1970 - III ZR 139/67, Rz. 138 ff.; Urteil vom 6.10.1994 - III ZR 86/93, Rz. 16 ff.; Urteil vom 18.10.2016 - XI ZR 145/14, Rz. 28).

Diese Grundsätze hat das Landgericht beachtet. Die Berufung vermag nicht aufzuzeigen, dass das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung nicht protokollierte Umstände berücksichtigt hätte. Unzutreffend ist insbesondere die Auffassung der Klägerin, dass das Landgericht die Glaubwürdigkeit der von der Klägerin benannten Zeugen in Zweifel gezogen hat. Vielmehr hat das Landgericht die Auffassung gewonnen, dass bei Gesamtwürdigung der Aussagen aller sechs Zeugen (also auch der von der Beklagten benannten) sich ein „im wesentlichen einheitliches Bild“ (LGU S. 20 Mitte) ergebe. Soweit das Landgericht den Zeugen der Klägerin nicht in allen Punkten folgt, ist daher nicht deren Glaubwürdigkeit, sondern die Glaubhaftigkeit von Teilen ihrer Aussage betroffen.

Soweit die Berufung eine Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit der Beklagtenzeugen vermisst. Ist dies kein Problem der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, sondern betrifft die Beweiswürdigung (dazu unten II.2.).

2. Im Ergebnis zu Unrecht rügt die Klägerin auch, dass das Landgericht entgegen § 285 ZPO nicht mündlich über das Ergebnis der Beweisaufnahme verhandelt habe.

Die diesbezügliche höchstrichterliche Rechtsprechung ist nicht einheitlich. Nach dem Urteil vom 13.3.2004 (V ZR 37/03, Rz. 19) ist das Verhandeln über die Beweisaufnahme „nach § 283 ZPO“ (also durch nachgelassene Schriftsätze) generell unzulässig. Dem gegenüber geht das Urteil vom 25.10.2012 (IV ZR 230/11, Rz. 17) offenbar davon aus, dass über das Ergebnis der Beweisaufnahme durch Gewährung von Schriftsatzfristen zur Stellungnahme verhandelt werden kann.

Der Senat neigt jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falles zur letztgenannten Auffassung. Die Beweisaufnahme war umfangreich und komplex. Vor diesem Hintergrund haben beide Parteien im Termin vom 13.3.2017 Schriftsatznachlass zur Stellungnahme zur Beweisaufnahme beantragt (vgl. Sitzungsniederschrift, Bl. 558 ff. der Akten, dort S. 7), welcher auch gewährt wurde. Vor diesem Hintergrund grenzt es an ein venire contra factum proprium, wenn die Klagepartei nunmehr eine unterbliebene mündliche Verhandlung über die Beweisaufnahme rügt.

Dies kann jedoch dahin stehen. Im Falle des Nichtverhandelns über das Beweisergebnis erfordert eine ordnungsgemäße Berufungsrüge die Darstellung, was im Falle einer mündlichen Verhandlung über das Beweisergebnis vorgetragen worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 28.7.2016 - III ZR 127/15, Rz. 13). Erforderlich wäre also der Vortrag der Klägerin gewesen, dass sie im Falle einer mündlichen Verhandlung zur Beweisaufnahme etwas anderes vorgetragen hätte als bei ihrer schriftlichen Stellungnahme und dass dieser Vortrag für die Entscheidung erheblich gewesen wäre. Daran fehlt es.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil des BGH vom 31.5.1986 (VI ZR 261/87, insbes. Rz. 12). Dort war weder mündlich noch schriftsätzlich zum Beweisergebnis verhandelt worden, und eine Partei hatte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz inhaltlich relevante Ausführungen zur Beweiswürdigung gemacht. In diesem Fall hat es der BGH zur Wahrung des rechtlichen Gehörs für erforderlich gehalten, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (weil anders die Stellungnahme zur Beweisaufnahme in prozessrechtskonformer Weise nicht berücksichtigt werden konnte). Vorliegend wurde das rechtliche Gehör der Klägerin aber dadurch gewahrt, dass ihr auf ihren Antrag hin Schriftsatznachlass gewährt wurde und sie entsprechend schriftlich zur Beweisaufnahme Stellung genommen hat. Die Frage eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung stellte sich somit nicht.

II. Eine Verlängerung des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien bis zum 31.12.2015 ergibt sich weder aus dem Schriftwechsel vom Juli / August 2010, noch hat die (hierfür darlegungs- und beweispflichtige) Klägerin bewiesen, dass Entsprechendes bei den Besprechungen in München (Januar 2011) oder Sevres (Juli 2011) vereinbart wurde. Die unterbliebene weitere Durchführung des Importeurverhältnisses über den 31.1.2014 hinaus stellt daher keine Verletzung von Pflichten (§ 280 BGB) aus einem bis 31.12.2015 bestehenden Vertragsverhältnis dar.

1. Zwei übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien über eine verbindliche Verlängerung der Verträge bis zum 31.12.2015 lassen sich dem vorgelegten Schriftverkehr vom Juli / August 2010 gemäß Anlagen K 7, B 4, K 8 und K 83 nicht entnehmen.

a) Das erste greifbare Schreiben ist das des Zeugen H. für die Beklagte an die Klägerin vom 27.7.2010 (Anlage K 7). Vorangegangen muss ein Schreiben der Klägerin sein, auf welches der Zeuge H. antwortet. In dem Schreiben vom 27.7.2010 ist ausgeführt, dass auf Beklagtenseite gewisse Sorge über die weitere Zusammenarbeit bestehe, weil die Klägerin einen Vertrag über fünf Jahre zur Bedingung für die Fortführung des „Projekts“ (gemeint offenbar das Flagship; Anm. des Senats) gemacht habe; die Beklagte schließe aber sämtliche Importeurverträge nur für ein Jahr und werde für die Klägerin keine Ausnahme machen. Auf der Grundlage solcher Verträge arbeite man mit vielen Partnern seit 20 oder sogar 30 Jahren zusammen.

Für die Klägerin antwortet der Zeuge Bie. mit Schreiben vom 2.8.2010 (Anlage B 4). Er weist auf die hohen Investitionskosten für das Flagship hin und bittet um volle Unterstützung hinsichtlich der folgenden Punkte, unter anderem Nichtausübung des vertraglichen Rechts zur Nichtverlängerung bis 31.12.2015.

Hierauf reagiert der Zeuge H. mit Schreiben vom 9.8.2010 (Anlage K 8). Er spricht wiederum von vielen erfolgreichen Partnerschaften mit Importeuren seit 20, 30 oder 40 Jahren. Das Erfordernis hoher Investitionen für das Flagship werde gesehen, dennoch sollten diese nunmehr nicht länger aufgeschoben werden. „Um den endgültigen Entscheidungsprozess zu erleichtern“, werde aber bestätigt, dass die Beklagte derzeit nicht die Absicht habe, von jährlichen Verlängerungen der Importeurverträge im Zeitraum bis 31.12.2015 abzusehen, wenn die Klägerin die vertraglichen Bestimmungen einhalte und das Standortprojekt bis August 2010 beginne und es dann zügig fortführe. Es möge aber beachtet werden, dass die vorstehende Bestätigung rechtlich nicht bindend (“legally not binding“) sei und nur die derzeitige Absicht der Beklagten zum Ausdruck bringe.

b) Unter Berücksichtigung der allgemeinen Vertragslehre, insbesondere des Grundsatzes, dass Willenserklärungen nach dem objektiven Empfängerhorizont, also danach, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen durfte, auszulegen sind, ist durch die vorstehend geschilderte Korrespondenz keine Vertragsverlängerung bis zum 31.12.2015 zustande gekommen.

Zwar musste die Beklagte die Erklärung der Klägerin vom 2.8.2010 (Anlage B 4) dahin verstehen, dass die Klägerin eine Vertragsverlängerung bis 31.12.2015 wollte, rechtlich gesehen also ein Angebot (§ 145 BGB) auf eine entsprechende Vertragsverlängerung abgab. Dieses Angebot hat die Beklagte aber mit dem Schreiben vom 9.8.2010 (Anlage K 8) gerade nicht angenommen. Denn die Klägerin durfte dieses Schreiben nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nicht dahin verstehen, dass die Beklagte sich auf ein Vertragsende zum 31.12.2015 festlegen wollte, weil durch die enthaltenen Einschränkungen (“derzeitige Absicht“; „rechtlich nicht bindend“) klar zum Ausdruck kommt, dass der Beklagten insoweit der Rechtsbindungswillen fehlte. Die Beklagte hat - nur so durfte die Klägerin das Schreiben gemäß Anlage K 8 verstehen - also das Angebot der Klägerin auf Vertragsverlängerung abgelehnt (vgl. auch § 150 Abs. 2 BGB). Mangels zweier diesbezüglich übereinstimmender Willenserklärungen ist somit eine Vertragsverlängerung bis zum 31.12.2015 nicht zustande gekommen.

c) Keine andere Auslegung lässt sich mit Anlage K 83 begründen. In diesem (nur in französischer Sprache vorliegenden) Schreiben der Beklagten vom 9.8.2010, das nach dem Vortrag der Klägerin dem Schreiben gemäß Anlage K 8 (welches der Klägerin vorab im Entwurf zugänglich gemacht worden sei, worauf die Klägerin die Formulierung „legally not binding“ beanstandet habe) vorangegangen sei, ist ausgeführt, die Formulierung „legally not binding“ sei „obligatoire“, weil es sich um ein „lettre dite du comfort“ handle. Hieraus will die Klägerin herleiten, dass es sich bei der Formulierung „legally not binding“ um eine bloße Formalie ohne eigenen Erklärungswert handle.

Diese Auffassung der Klägerin überzeugt nicht. Schon aus der Tatsache, dass die genannte Formulierung als obligatorisch bezeichnet wird, ergibt sich, dass die Klägerin sie nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nicht als bloße Formalität verstehen durfte. Nichts anderes ergibt sich aus der Bezeichnung des Schreibens gemäß Anlage K 8 als „lettre dite du comfort“, also als Patronatserklärung. Diese Formulierung macht im vorliegenden Zusammenhang wenig Sinn; eine Patronatserklärung im klassischen Sinne kann nicht gemeint sein, weil die Beklagte hiermit nicht verspricht, für die Verbindlichkeiten eines Dritten einzustehen. Es ist nicht ersichtlich, wie der Empfänger einer solchen, bestenfalls missverständlichen Aussage den Inhalt beilegen könnte, „rechtlich unverbindlich“ bedeute etwas anderes als der eindeutige Wortlaut.

Abgesehen davon könnte man der Anlage K 8, selbst wenn man die Passage „legally not binding“ hinwegdenkt, keine Erklärung des Inhalts entnehmen, die Beklagte wolle sich bis zum 31.12.2015 binden. Denn dann verbleibt immer noch die eindeutige Aussage, dass es sich insoweit nur um die „derzeitige Absicht“ der Beklagten handle. Dem kann nach dem Empfängerhorizont ein Rechtsbindungswillen nicht entnommen werden.

2. Die Klägerin hat nicht den Beweis geführt, dass die Beklagte bei den Besprechungen zwischen den Parteien am 10.1.2011 in München und am 4.7.2011 in Sevres mündlich den Fortbestand der Verträge bis 31.12.2015 zugesichert hätte.

Das Landgericht hat hierzu die Zeugen T., Bie., L. (vgl. Protokoll vom 6.6.2016, Bl. 408 ff. der Akten), Bin., K. (vgl. Protokoll vom 20.6.2016, Bl. 427 ff. der Akten) und H. (vgl. Protokoll vom 13.3.2017, Bl. 558 ff. der Akten) einvernommen. Auf dieser Basis hat sich das Landgericht die Überzeugung gebildet, dass die Beklagte bei den genannten Besprechungen keine über den Schriftverkehr vom Sommer 2011 hinausgehenden Zusicherungen abgegeben hat. Dies geht zu Lasten der für eine Verlängerung der Verträge bis 31.12.2015 darlegungs- und beweispflichtigen Klagepartei. Die gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts gerichteten Angriffe der Berufung greifen nicht durch.

Denn hierdurch werden keine konkreten Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründet, die deshalb eine erneute Feststellung gebieten könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsgericht ist grundsätzlich nach der genannten Vorschrift an derartige Feststellungen des ersten Rechtszuges gebunden. Diese Bindung gilt ausnahmsweise nur dann nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte für fehler- oder lückenhafte Feststellungen bestehen und durch diese konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen begründet werden.

Derartige Zweifel liegen vor, wenn eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass bei Wiederholung der Beweisaufnahme die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. BGH, Urteil vom 8.6.2004 - VI ZR 199/03, zitiert nach juris, dort Rz. 13; Thomas / Putzo / Reichold, ZPO, 38. Aufl., § 529 Rz. 1 - 3). Letzteres ist nicht der Fall, wenn das Erstgericht unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben aufgrund freier Beweiswürdigung nach § 286 ZPO zu den Tatsachenfeststellungen gelangt ist. Die Vorschrift fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze, an Erfahrungssätze sowie ausnahmsweise an gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. Daher darf er einem Zeugen glauben, obwohl objektive Umstände Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben begründen mögen, oder trotz widersprüchlicher Aussagen von Zeugen und / oder Sachverständigen eine Beweisbehauptung als bewiesen erachten (zu alledem vgl. Zöller / Greger, ZPO, 32. Aufl., § 286 Rz. 13).

Das Landgericht hält sich bei der Bewertung der von ihm vernommenen Zeugen im Rahmen der ihm gemäß § 286 ZPO eingeräumten freien Überzeugung, ohne hierbei gegen die Grundsätze der Beweiswürdigung verstoßen zu haben. Der Senat hält eine Wiederholung der Beweisaufnahme deshalb hier nicht für veranlasst. Das Landgericht hat seine Überzeugungsbildung in hinreichender und nachvollziehbarer Weise dargestellt. Das Erstgericht war auch nur gehalten, die für seine Entscheidung maßgebenden Erwägungen darzustellen, die nach Auffassung des Senats die Entscheidung auch tragen.

Der Hauptangriff der Klägerin geht dahin, dass die Annahme des Landgerichts, weitergehende Zusagen als im rechtlich nicht bindenden Schriftverkehr vom Sommer 2010 seien bei den Besprechungen nicht gemacht worden, schon deshalb in sich zusammenbreche, weil das Landgericht zu Unrecht den Schriftverkehr vom Sommer 2010 für rechtlich nicht bindend gehalten habe. Diese Argumentation der Klagepartei ist zirkelschlüssig und zeigt daher keine Beweiwürdigungsfehler des Landgerichts auf. Denn wäre - wie nicht - bereits im Sommer 2010 eine schriftliche Vertragsverlängerung zustande gekommen, käme es auf spätere mündliche Vereinbarungen und die Beweiswürdigung hierzu ohnehin nicht an. Da aber eine solche schriftliche Vereinbarung - wie gezeigt - nicht getroffen wurde, war das Landgericht nicht gehindert, diesen Befund bei der Würdigung der Zeugenaussagen zu den Besprechungen zu berücksichtigen.

Im übrigen hat das Landgericht durchaus gesehen, dass die von der Klagepartei benannten Zeugen den Eindruck hatten, die Beklagte sichere eine mindestens fünfjährige Zusammenarbeit zu. Wenn das Landgericht zu der Auffassung gelangt ist, insoweit habe es sich nur um den subjektiven Eindruck der Zeugen gehandelt, ist dies nicht als Verstoß gegen Denkgesetze zu beanstanden. Von daher überzeugt das Kernargument des Landgerichts, dass die Klägerin nach der Lehre vom Empfängerhorizont eventuelle Äußerungen der Repräsentanten der Beklagten bei den genannten Besprechungen nicht dahin verstehen durfte, dass die Beklagte inhaltlich über den Schriftwechsel vom Sommer 2010 hinausgehen wollte.

Richtig ist zwar, dass sich das Landgericht nicht ausdrücklich mit der Frage befasst hat, ob eine fortbestehende finanzielle Abhängigkeit von der Beklagten Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Beklagtenzeugen hat. Dazu bestand aber auch kein Anlass. Das Landgericht sieht nämlich aufgrund der Einvernahme aller (von beiden Parteien benannten) Zeugen ein „im wesentlichen einheitliches Bild“. Nähere Ausführungen zur Glaubwürdigkeit einzelner Zeugen waren vor diesem Hintergrund nicht veranlasst.

Nach allem ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden.

III. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Grundsatz (vgl. BGH, Urteil vom 9.11.2012 - V ZR 182/11, Rz. 7; Palandt / Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 311 Rz. 30; jeweils m.w.Nachw.), dass derjenige, der bei der Gegenseite das besondere Vertrauen in das Zustandekommen eines Vertrages hervorruft und die Gegenseite so zu Aufwendungen veranlasst, auf Ersatz dieser Aufwendungen haftet, wenn er die Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund abbricht. Der Senat teilt insoweit die Einschätzung des Landgerichts, dass die Klägerin zwar grundsätzlich auf die Verlängerung der Importeurverträge über den 31.1.2014 hinaus bis zum 31.12.2015 vertrauen durfte, dass der Beklagten aber triftige Gründe für die Nichtverlängerung zur Seite standen.

1. Dem Senat erscheint es sachgerecht, die Grundsätze über den Abbruch von Vertragsverhandlungen auf den vorliegenden Fall der Nichtverlängerung eines bereits bestehenden Vertrages anzuwenden. Die strukturelle Parallelität zwischen beiden Fällen besteht darin, dass es jeweils zum Abschluss eines (erstmaligen oder verlängerten) Vertrages nicht kommt. Ob man im vorliegenden Fall die mögliche Pflichtverletzung aus dem bestehenden Vertrag oder einem vorvertraglichen Schuldverhältnis betreffend den in Rede stehenden Verlängerungsvertrag herleiten will, ist eine dogmatische Spitzfindigkeit ohne sachlichen Aussagegehalt. Der Senat vermag jedenfalls nicht zu erkennen, dass an die Annahme einer Pflicht zur Verlängerung eines bestehenden (befristeten) Vertrages andere Anforderungen zu stellen wären als an die Annahme einer Pflicht zum Abschluss eines Erstvertrages.

Für naheliegend erachtet der Senat auch die Annahme des Landgerichts, dass jedenfalls im vorliegenden Fall eine gewisse Wechselwirkung zwischen dem Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes und der Annahme eines triftigen Grundes für die Vertragsaufsagung gesehen werden muss, weil der Vertrauenstatbestand, den die Beklagte vor allem mit dem Schreiben gemäß Anlage K 8 gesetzt hat, ebendort mit der Einhaltung gewisser Bedingungen verknüpft wurde (näher dazu unten).

2. Die Beklagte durfte auf eine Verlängerung der Importeurverträge über dem 31.1.2014 hinaus bis zum 31.12.2015 vertrauen.

a) Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts nimmt die Berufung als ihr günstig hin. Sie sind auch rechtlich nicht zu beanstanden. Durch den oben (II.1.a) dargestellten Schriftwechsel wurde bei der Klägerin das berechtigte Vertrauen darauf geweckt, dass die Verträge jedenfalls bei normalem Verlauf der Dinge sukzessive bis Dezember 2015 verlängert würden. Dieses Vertrauen wurde durch die nachfolgenden Besprechungen in München und Sevres, bei denen nach den Feststellungen des Landgerichts die entsprechende Zusage jedenfalls in Bezug genommen wurde, zwar nicht vertieft, aber jedenfalls aufrecht erhalten.

Soweit die Klägerin Feststellungen des Landgerichts dazu vermisst, dass die Klägerin im Vertrauen darauf, dass es zu den Vertragsverlängerungen kommen werde, (die streitgegenständlichen) Vermögensdispositionen getroffen hat, kann der Senat diese Feststellungen selbst treffen. Aus dem Schriftwechsel des Sommers 2010 ergibt sich, dass nach den Vorstellungen der Klägerin ihre Bereitschaft zu Investitionen in das Flagship-Projekt mit einer über fünf Jahre fortbestehenden Vertragsbeziehung verknüpft war. Das (den Vertrauenstatbestand begründende) Schreiben der Beklagten gemäß Anlage B 8 diente nach den Feststellungen des Landgerichts dazu, die Klägerin durch Inaussichtstellung der fünfjährigen Zusammenarbeit zu den Investitionen zu motivieren. Wenn die Klägerin sodann in das Flagship-Projekt investierte, tat sie dies offensichtlich im Vertrauen auf die längerfristige Zusammenarbeit.

b) Die Gegenrügen der Beklagten gegen die Annahme eines Vertrauenstatbestandes durch das Landgericht führen nicht zu einer anderen Beurteilung.

aa) Die Beklagte meint zum einen, sie habe keinen qualifizierten Vertrauenstatbestand auf eine Verlängerung der Verträge geschaffen. Denn sie habe klar gemacht, dass es weiterhin nur Einjahresverträge geben werde und dass es sich bei der Inaussichtstellung einer Verlängerung bis zum 31.12.2015 nur um eine unverbindliche Absichtserklärung handle. Damit sei die Verlängerung nicht als sicher hingestellt worden.

Dem ist entgegen zu halten, dass die Beklagte, als sie die vertrauensbegründende Aussage mit Schreiben gemäß Anlage K 8 traf, aufgrund der vorangegangenen Korrespondenz genau wusste, dass die Klägerin zu den (von der Beklagten geforderten) Investitionen nur bei Planungssicherheit bereit war, und dass sie die Zusage gemäß Anlage K 8 nur gab, um die Investitionsbereitschaft der Klägerin zu fördern. Vor diesem Hintergrund kann sich die Beklagte jedenfalls im Rahmen der Vertrauenshaftung nicht darauf berufen, sie habe kein Vertrauen auf die sichere Verlängerung der Verträge hervorrufen wollen bzw. die Klägerin habe nicht darauf vertrauen dürfen (§ 242 BGB).

bb) Richtig ist zwar, dass die Zusage der Beklagten nicht vorbehaltlos gegeben wurde, sondern im Schreiben gemäß Anlage K 8 von der strikten Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen und vom Beginn des Flagship-Projekts bis August 2010 und dessen zügiger Fortführung abhängig gemacht wurde. Diese Problematik betrifft allerdings nicht die Frage, ob die Klägerin auf eine Verlängerung der Verträge vertrauen durfte, sondern ist bei der Frage zu berücksichtigen, ob die Beklagte trotz des von ihr geschaffenen Vertrauenstatbestandes von einer Vertragsverlängerung Abstand nehmen durfte (dazu sogleich).

3. Der Senat teilt die Einschätzung des Landgerichts, dass der Beklagten triftige Gründe im dargelegten Sinne für ein Absehen von einer Vertragsverlängerung über dem 31.1.2014 hinaus zur Seite standen.

a) Bei der insoweit vorzunehmenden Würdigung ist der Senat von folgenden allgemeinen Grundsätzen ausgegangen.

aa) Nach gängiger Auffassung sind an das Vorliegen eines triftigen Grundes keine zu hohen Anforderungen zu stellen, weil eine vertragliche Bindung noch nicht bestehe (vgl. Palandt / Grüneberg, a.a.O. mwNachw). Hieraus will die Klägerin herleiten, dass vorliegend demnach strenge Anforderungen an den triftigen Grund (für die Nichtverlängerung) zu stellen seien, weil schon eine Vertragsbindung zwischen den Parteien bestanden habe.

Dieser Argumentation der Klägerin folgt der Senat nicht. Insoweit ist auf die oben dargestellte Parallelität zwischen der Nichtverlängerung eines befristeten Vertrages und dem Nichtabschluss eines erstmaligen Vertrages zu verweisen. Damit bleibt es bei dem Obersatz, dass an den triftigen Grund keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind.

bb) Aus den Einschränkungen / Bedingungen (Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen, Forcierung des Flagship-Projekts), unter denen die Zusage von Vertragsverlängerungen im Schreiben gemäß K 8 gegeben und damit der Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, ergibt sich jedenfalls, dass die Nichterfüllung dieser Bedingungen einen triftigen Grund für die Nichtverlängerung der Verträge darstellt. Dies folgt schon aus dem oben dargestellten Zusammenspiel zwischen Vertrauenstatbestand und triftigem Grund. Das Vertrauen der Klägerin ist nur so weit schützenswert, als sie die Bedingungen, unter denen die vertrauensbegründende Zusage gegeben wurde, eingehalten hat.

Entgegen der Auffassung der Klägerin wird aber durch diesen Befund die Berufung der Beklagten auf andere triftige Gründe nicht ausgeschlossen. Dies zeigt der Vergleich mit einem unbefristeten Vertrag. Die dortige Erklärung im Vertragstext, dass bestimmte, enumerativ aufgezählte Sachverhalte außerordentliche Kündigungsgründe darstellen, besagt nicht, dass damit die allgemeine Kündigungsmöglichkeit nach § 314 BGB ausgeschlossen wird. Parallel dazu steht die Nennung triftiger Gründe für eine Nichtverlängerung des befristeten Vertrages in Anlage K 8 der Berufung auf andere triftige Gründe nicht entgegen.

Dies gilt unter den Umständen des Falles umso mehr, als im Side Letter zwischen den Parteien (Anlage K 2, vorletzter Absatz, am Ende) von Beginn der Vertragsbeziehung an jede Vertragsverlängerung von der Einhaltung der Bedingungen des Side Letter abhängig gemacht wurde. Dahinter wollte die Beklagte mit dem Schreiben gemäß Anlage K 8 sicher nicht zurückgehen.

cc) Soweit das Landgericht bei der Würdigung der von der Beklagten vorgebrachten triftigen Gründe mehrfach darauf abstellt, es habe sich bei der Nichtverlängerung der Verträge um eine freie unternehmerische Entscheidung der Beklagten gehandelt, trifft diese Formulierung - worauf die Klägerin zu Recht hinweist - nicht den Kern des Problems. Denn wenn die Beklagte bei der Klägerin das berechtigte Vertrauen in die Verlängerung der Verträge hervorgerufen hat, war sie in ihrer diesbezüglichen unternehmerischen Entscheidung eben nicht mehr „frei“.

Insoweit handelt es sich aber nur um einen „falschen Zungenschlag“ des Landgerichts. Denn der Sache nach hat das Landgericht eine Gesamtschau der vorgebrachten Gründe für die Nichtverlängerung der Verträge vorgenommen, und zwar aus der Sicht eines rational handelnden Unternehmens. Dies ist methodisch nicht zu beanstanden.

dd) In die vorzunehmende Gesamtschau ist auch die Höhe der Investitionen einzustellen, die im Vertrauen auf das Zustandekommen eines Vertrages (bzw. auf dessen Verlängerung) herausgefordert wurden. Je höher die Investitionen sind, die der vertragsaufsagende Teil zuvor beim potentiellen Vertragspartner herausgefordert hat, desto höhere Anforderungen sind an den triftigen Grund für die Vertragsaufsagung zu stellen.

ee) Der Nichtabschluss eines Vertrages ist allerdings strukturell etwas anderes als die Kündigung eines bestehenden Vertrages. Die Annahme eines triftigen Grundes im dargestellten Sinne ist daher - entgegen der Auffassung der Klagepartei - unabhängig von einer vorherigen Abmahnung im Sinne von § 314 Abs. 2 BGB.

b) Nach diesen Grundsätzen stellt nach Auffassung des Senats die Verzögerung des Flagship-Projekts einen triftigen Grund für die Beklagte dar, von weiteren Vertragsverlängerungen über den 31.1.2014 hinaus abzusehen.

aa) Mit diesem Punkt ist eine der Bedingungen angesprochen, unter denen die vertrauensbegründende Zusage gemacht wurde. Damit sind Verzögerungen beim Flagship-Projekt grundsätzlich als triftiger Grund für eine Vertragsaufsagung tauglich.

bb) Es lassen sich erhebliche, jedenfalls teilweise in der Sphäre der Klägerin wurzelnde zeitliche Verzögerungen bei der Verwirklichung des Flagship-Projekts feststellen.

(1) Nach dem Side Letter zwischen den Parteien (Anlage K 2, dort Ziff. 1.5) hätte das Flagship binnen 18 Monaten nach dessen Datum (März 2007), also im Oktober 2008 fertiggestellt sein müssen. Bei der Vertragsaufsagung im Januar 2013 war es von der Fertigstellung aber noch weit entfernt (vgl. auch die Lichtbilder Anlage B 2). Dieser Zeitversatz von mehr als vier Jahren gegenüber dem von den Parteien im Side Letter gemeinsam formulierten Ziel spricht auf den ersten Blick für eine begründete Vertragsaufsagung.

(2) Allerdings ist hier eine Zäsur im August 2010 zu machen, mit der Folge, dass vor diesem Zeitpunkt liegende Verzögerungen der Klägerin nicht (als wichtiger Grund für eine Vertragsaufsagung) zuzurechnen sind.

Im Zeitpunkt des Schreibens gemäß Anlage K 8 im August 2010 hätte das Projekt seit beinahe zwei Jahren fertiggestellt sein sollen, war aber noch nicht einmal begonnen. Dies hat die Beklagte in K 8 hingenommen und nunmehr den Beginn des Projekts im August 2010 und dessen zügige Durchführung verlangt. Auf die bis dahin aufgelaufene Verzögerung kann sich die Beklagte nach Auffassung des Senats daher redlicherweise nicht berufen.

Wenn man zur Konkretisierung des von der Beklagten im Schreiben gemäß Anlage K 8 verwendeten Begriffs der „zügigen“ Durchführung die oben genannten 18 Monate gemäß dem Side Letter heranzieht, wäre daher eine Fertigstellung im Februar 2012 zu erwarten gewesen. Auch dieses Ziel hat die Beklagte verfehlt.

(3) Eine weitere Zäsur ist nach Auffassung des Senats im Juli 2011 zu machen. Denn nach den Feststellungen des Landgerichts hat die Beklagte erst am 4.7.2011 bei der Besprechung in Sevres dem Standort für das Flagship in D. el Beida zugestimmt. Der Klägerin konnte nicht angesonnen werden, mit dem Bau des Flagships zu beginnen, bevor die Beklagte den Standort abgesegnet hatte; denn nach Ziffer 7.1.2 des Importeurvertrages (Anlage K 1) war die Klägerin verpflichtet, den Standort mit der Beklagten abzustimmen.

Das Landgericht gewinnt seine diesbezügliche Überzeugung nicht in erster Linie aus den Aussagen der vernommenen Zeugen, sondern wertet als diesbezüglich entscheidendes Indiz vor allem die Emails des Zeugen K. an die Klägerin vom 26.7.2011 und 17.8.2011 (Anlagen K 11, K 12), in denen der Zeuge K. namens der Beklagten jeweils ausdrücklich ausführt, bezugnehmend auf das Meeting in Sevres werde dem Standort D. el Beida für das Flgship zugestimmt; dies sei ein starkes Indiz dafür, dass Entsprechendes in Sevres tatsächlich vereinbart wurde (vgl. LGU 25).

Nimmt man diesen Befund in den Blick, brechen die Gegenrügen der Beklagten zu der genannten Feststellung des Landgerichts in sich zusammen. Soweit eingewandt wird, die Kammer habe jedenfalls in der Besetzung mit der Richterin P. den Klägerzeugen, die eine Einigung in Sevres in Abrede stellten, glauben müssen (zum Problem des Richterwechsels vgl. oben II.1), verkennt die Beklagte, das sich vorliegend kein Glaubwürdigkeitsproblem stellt; das Landgericht stützt sich maßgeblich nicht auf die Zeugenaussagen, sondern auf die genannten Emails des Zeugen K. gemäß Anlagen K 11, K 12. Der Einwand, K. habe keine Vertretungsmacht gehabt (der nach der Lehre von der Rechtsscheinsvollmacht - K. war der ständige Ansprechpartner der Klägerin - ohnehin fernliegt), scheitert daran, dass das Landgericht nicht eine rechtsverbindliche Zusage durch K. annimmt, sondern die Mails des K. als entscheidendes Indiz dafür wertet, dass bei der Besprechung in Sevres (in Anwesenheit des zuständigen Bereichsleiters H., dessen Vertretungsmacht die Beklagte nicht bezweifelt) Einigkeit über den Standort in D. el Beida erzielt wurde. Diese Schlussfolgerung wird durch § 286 ZPO gedeckt; die diesbezügliche Beweiswürdigkeit des Landgerichts ist nicht zu beanstanden.

Auf der Basis dieser Feststellungen liegt es nahe, die 18-Monatsfrist für die Fertigstellung des Flagships etwa im August 2011 beginnen zu lassen. Hiernach käme man zu einem planmäßigen Fertigstellungstermin etwa im Februar 2013.

(4) Das Erfordernis einer weiteren Zäsur sieht der Senat nicht.

Das Landgericht hat nicht für erwiesen erachtet, dass sich die Beklagte mit einer Fertigstellung im dritten Quartal 2013 einverstanden erklärt habe. Auch diese Beweiswürdigung des Landgerichts hält sich in den Grenzen des § 286 ZPO. Einzige greifbare Rüge ist, dass sich das Landgericht nicht damit auseinander gesetzt hat, dass der Zeuge zwar große Erinnerungslücken hatte, aber noch genau angeben konnte, dass er sich nicht mit einer Fertigstellung im Jahr 2013 einverstanden erklärt hat. Das Landgericht sieht jedoch, dass der Zeuge dies aus den üblichen Baufristen der Beklagten gefolgert habe (LGU 26 unten), was nach Auffassung des Senats den von der Klagepartei gesehenen Widerspruch hinreichend erklärt. Das Landgericht durfte daher dem Zeugen H. folgen. Die Zeugen Bie. und L. haben dem gegenüber nur bekundet, dass man bei der Klägerin von einer Fertigstellung im dritten Quartal 2013 ausging, nicht aber, dass dies mit der Beklagten abgestimmt war. Ein diesbezüglicher Beweiswürdigungsfehler des Landgerichts ist nicht ersichtlich.

Zu keiner anderen Beurteilung nötigt die Anlage K 14. Es handelt sich um eine aus dem Haus der Beklagten stammende Präsentation vom 14.12.2012 (also nur ca. einen Monat vor der Vertragsaufsagung) betreffend die Planung 2013 für Algerien (liegt nur in französischer Sprache vor). Dort ist auf S. 12 unter „Objektives“ die Fertigstellung (“Finalisation“) des Flagships für das dritte Quartal 2013 in Aussicht genommen. Nicht ohne weiteres plausibel erscheint dem Senat die diesbezügliche Einschätzung des Landgerichts, die Präsentation sei schon deshalb unbeachtlich, weil sie von einer untergeordneten Unternehmensebene der Beklagten stamme; für diese Annahme fehlen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte. Umgekehrt überzeugt auch die Argumentation der Beklagten nicht, schon aus der Bezeichnung des Fertigstellungstermins als „Ziel“ (“objectif“) ergebe sich, dass die Beklagte nicht damit einverstanden gewesen sei. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich bei Anlage K 14 um eine auf die Zukunft gerichtete Planung handelt, die notwendigerweise von den tatsächlichen Gegebenheiten (also insbesondere dem im Zeitpunkt der Planung erreichten Baufortschritt des Flagship) ausgehen musste. Aus dieser Sicht bedeutet Anlage K 14 nur, dass die Beklagte ein angesichts der bisherigen Baufortschritte realistisches Fertigstellungsdatum im dritten Quartal 2013 zur Kenntnis nahm. Dem kann allerdings nicht entnommen werden, dass die Beklagte dies billigte und insbesondere die bisherigen Bemühungen der Klägerin als zügiges Vorantreiben des Flagship-Projekts akzeptierte. Nach Auffassung des Senats ist Anlage K 14 daher bedeutungslos für die Frage des Vorliegens eines triftigen Grundes für die Vertragsaufsagung.

(5) Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass unter Zugrundelegung der 18-Monatsfrist aus dem Side Letter ein „zügiges Vorantreiben“ des Projekts eine Fertigstellung des Flagshios etwa im Februar 2013 bedeutet hätte. Dass die Klägerin dieses Ziel nicht erreichen würde, war im Zeitpunkt der Vertragsaufsagung im Januar 2013 bereits sicher absehbar.

Der Baufortschritt lässt sich anhand der vorgelegten Lichtbilder gut nachvollziehen. Anlage B 1 dokumentiert, dass im August 2012 nur einige Betonmauern standen. Aus Anlage B 8 (November 2012) lassen sich keine wesentlichen Fortschritte erkennen. Aus Anlage B 2 (Januar 2013) ergibt sich, dass mittlerweile die Betonmauern um ein Stahlgerüst ergänzt wurden. Es bedarf keines Sachverständigen, um zu erkennen, dass das Projekt damit im Januar 2013 noch weit von der Vollendung entfernt war. Offensichtlich war noch nicht einmal der Rohbau abgeschlossen; es fehlte jegliche Innenausstattung, die für den Betrieb eines Autohauses erforderlich ist (etwa Gestaltung der Verkaufsräume und Einrichtung der Werkstatt). Dieser Baufortschritt rechtfertigt den Schluss, dass eine Fertigstellung und Inbetriebnahme im Februar 2013 ausgeschlossen war.

Ergänzend kann in diesem Zusammenhang auf die von der Klägerin selbst vorgelegte Anlage K 3 verwiesen werden. Dort wird auf S. 15 der Ist-Zustand des Projekts (current building status) vom 25.3.2013 wiedergegeben. Die dortigen Lichtbilder zeigen keine wesentlichen Fortschritte gegenüber Anlage B 2. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass aus der Sicht vom Januar 2013 eine Fertigstellung im Februar 2013 ausgeschlossen war.

cc) Damit ist für die vorzunehmende Gesamtwürdigung davon auszugehen, dass die Klägerin nicht - wie in der vertrauensbegründenden Zusage gemäß Anlage K 8 vorausgesetzt - das Flagship-Projekt zügig vorangetrieben hat.

Nachdem die Gesamtwürdigung die Interessenlage beider Parteien zu berücksichtigen hat, ist insoweit auch der Einwand der Klägerin zu würdigen, die Beklagte habe durch ständige Wünsche nach Planänderungen die Verzögerungen herbeigeführt; denn die Beklagte könnte ihre Vertragsaufsagung nicht mit Verzögerungen begründen, die sie selbst verursacht hat. Konkret greifbar ist in diesem Zusammenhang allerdings nur der Wunsch der Beklagten nach Versetzung einer Mauer und nach der Umkonstruktion einer Rampe, offensichtlich jeweils im Planungsstadium. Dies mag zu einer gewissen Verzögerung geführt haben, hätte die Klägerin aber nicht vor unlösbare Probleme stellen dürfen, zumal derartige Verzögerungen in der Vertragsbeziehung zwischen den Parteien von Anfang an angelegt waren; denn gemäß Ziffer 1.5 des Side Letter hatte die Klägerin die baulichen Vorgaben der Beklagten zu berücksichtigen, was Änderungswünsche der Beklagten zu einer konkreten Planung impliziert, so dass derartige Wünsche nach der vertraglichen Konstruktion bei der Bestimmung der 18-Monatsfrist bereits berücksichtigt sind. Den Änderungswünschen der Beklagten misst der Senat bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung nur geringes Gewicht bei.

Bei wertender Betrachtung ergibt sich somit, dass das gesamte Projekt von Anfang an mit Verzögerungen zu kämpfen hatte, die zunächst von der Beklagten über längere Zeit hingenommen wurden (was aber kein Freifahrschein für die Klägerin sein konnte), wobei die Verzögerung zwar teilweise in der Sphäre der Beklagten wurzelt (Einverständnis mit Standort, Änderungswünsche bei der Planung), nach der vertraglichen Risikoverteilung aber überwiegend in die Sphäre der Klägerin fallen. Vor diesem Hintergrund ist der Senat der Auffassung, dass ein rational wiewohl redlich handelnder Kaufmann in der Situation der Beklagten auch unter Berücksichtigung der erheblichen Investitionen der Klägerin in das Projekt hinreichende Gründe dafür hatte, trotz des zuvor erweckten Vertrauens in eine Vertragsverlängerung von dieser abzusehen.

c) Bei dieser Würdigung hat der Senat nicht zugunsten der Beklagten den in den Mittelpunkt ihrer Argumentation gestellten Gesichtspunkt eingestellt, dass das Flagship im Westen von Algier errichtet werden sollte, während D. el Beida im Osten liege.

Soweit die Beklagte einwendet, dass D. el Beida wegen seiner Lage im Osten als Flagship schon grundsätzlich nicht in Betracht kam, hat sich das Landgericht vom Gegenteil (Einverständnis der Beklagten mit Standort D. el Beida als Flagship) überzeugt (vgl. oben). So kann die Beklagte ihre Vertragsaufsagung nicht begründen.

Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass dann zumindest ein weiteres Flagship im Westen hätte erstellt werden sollen, ist der Senat mit dem Landgericht der Auffassung, dass nach dem Side Letter nur ein Flagship vorgesehen war. Wenn sich also die Beklagte mit D. el Beida als Standort für dieses eine Flagship einverstanden erklärt hat (was das Landgericht nach durchgeführter Beweisaufnahme für erwiesen erachtet hat), dann konnte sie kein weiteres Flagship im Westen von Algier fordern.

Wenn die Beklagte dazu noch ausführt, zumindest habe Einigkeit zwischen den Parteien darüber bestanden, dass ein Standort im Westen (Cheraga - zumindest als Übergangslösung) hätte aufgewertet werden sollen, und auch diesbezüglich sei nichts vorwärts gegangen, hält das Landgericht dem zu Recht entgegen, dass die Klägerin nach den Aussagen des Zeugen K. zunächst das Projekt in D. el Beida vorantreiben sollte. Hiergegen bringt die Beklagte nur vor, dass sie mit einem zeitlichen Versatz, jedenfalls bis ins Unendliche, nicht einverstanden gewesen sei. Von letzterem kann jedoch im Zeitpunkt der Vertragsaufsagung unter der Prämisse, dass zunächst D. el Beida fertiggestellt werden sollte, nicht die Rede sein.

Die Nichtrealisierung von Projekten im Westen gab daher der Beklagten (weder für sich betrachtet noch in der Gesamtschau) keinen triftigen Grund für die Vertragsaufsagung.

d) Ergänzend in die Gesamtwürdigung einbeziehen durfte das Landgericht allerdings die Tatsache, dass die Klägerin die gemeinsamen Vertriebsziele der Parteien nicht voll erreicht hat.

Nach Ziffer 2.1 des Side Letter sollte die Klägerin „sich vornehmen“, in Algerien die Spitzenposition im Luxussegment vor A. und D. zu erreichen. Tatsächlich hat die Klägerin die Absätze von Fahrzeugen der Beklagten um ein Mehrfaches gesteigert, die Spitzenposition aber nie erreicht; tatsächlich ist der Marktanteil der Beklagten gegenüber A. und D. sogar leicht gesunken.

Das Nichterreichen der Spitzenposition lässt sich nach Auffassung des Senats zwar nicht unter die „vollumfängliche Einhaltung der Bestimmungen des Importeurvertrages“ (eine der Bedingungen, unter denen die vertrauensbegründende Zusage gemäß Anlage K 8 gemacht wurde) subsumieren; denn die Klägerin sollte sich nur „bemühen“, die Spitzenposition zu erreichen, so dass aus dem objektiven Verfehlen des Ziels nicht auf eine Nichteinhaltung der vertraglichen Bestimmungen geschlossen werden kann. Dieser Befund bedeutet aber nicht, dass die Nichterreichung der Vertriebserwartungen kein triftiger Grund für die Vertragsaufsagung sein kann (vgl. oben III.3.a.bb).

Die Klägerin beruft sich darauf, dass sie im letzten Jahr vor der Vertragsaufsagung 962 PKW verkauft und damit das Vertriebsziel von 1.000 Stück fast erreicht habe. Die Beklagte beruft sich aber nicht auf den mangelnden Absatz in absoluten Zahlen, sondern auf das Nichterreichen des vorgesehenen relativen Marktanteils. Der absolute und der relative Absatz sind eigenständige Vertriebsziele, so dass das (annähernde) Erreichen des einen nichts für das andere aussagt.

Dass der Klägerin noch im Jahr 2012 ein „Award“ für gute Vertriebsleistungen verliehen wurde, kann sich auf die absoluten Verkaufszahlen beziehen und besagt daher nichts über das Erreichen des erhofften Marktanteils. Allerdings kann man dem wohl entnehmen, dass die Beklagte mit der Vertriebsleistung der Klägerin im allgemeinen zufrieden war, was das Verfehlen des erwünschten Marktanteils relativiert.

Hauptangriffspunkt der Klägerin ist diesbezüglich, dass die Marktführerschaft erst 2013 erreicht werden sollte. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Schreiben der Beklagten vom 27.4.2011 (Anlage K 9). Das Schreiben befasst sich in erster Linie mit der Standortfrage für das Flagship und schließt mit der Ermahnung, „dass sie Rechenschaft zu tragen haben … für das Erreichen der Spitzenposition in 2013“. Dem Schreiben kann daher nur entnommen werden, dass die Beklagte langsam ungeduldig wurde, was das Erreichen der Marktführerschaft angeht, und zeigt daher, dass sie in dieser Hinsicht mit dem bisher Erreichten nicht zufrieden war. Folglich kann man nicht daraus herleiten, dass die Spitzenposition von Anfang an erst 2013 erreicht werden sollte. - Entgegen der Auffassung der Klägerin bedarf es daher nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob die Spitzenposition 2013 erreicht worden wäre.

Wenn die Klägerin in diesem Zusammenhang noch rügt, dass sich das Landgericht nicht mit dem Aufbau eines Händlernetzwerks befasst habe, ist dies nicht nachvollziehbar. Auch ein vereinbarungsgemäßer Ausbau des Händlernetzwerks ändert nichts am Verfehlen der Marktführerschaft.

Zu Recht weist die Klägerin allerdings darauf hin, dass die Marktführerschaft nicht allein in die Risikosphäre der Klägerin fiel, weil es sich um ein gemeinsames Ziel der Parteien gehandelt hat. Denn die Vertriebsbemühungen bzw. deren Erfolg hängen immer auch vom vertriebenen Produkt ab. Sofern bei potentiellen Kunden - aus welchen Gründen auch immer - Präferenzen für Audi oder Daimler bestanden, vermochte dies die Klägerin nur bedingt zu beeinflussen.

In der Gesamtschau verbleibt der Befund, dass die Klägerin einen durchaus erfolgreichen Vertrieb generiert, aber in diesem Zusammenhang ein Ziel, nämlich die Spitzenposition im Premiumsegment nicht erreicht hat, was aber nur zum Teil in die Risikosphäre der Klägerin fiel. Das Verfehlen der Marktführerschaft würde dem Senat für sich allein gesehen im Hinblick auf den von der Beklagten geschaffenen Vertrauenstatbestand und die erheblichen Investitionen der Klägerin nicht als triftiger Grund für die Vertragsaufsagung genügen. Das Landgericht war jedoch nicht gehindert, diesen Gesichtspunkt in seine Gesamtwürdigung einzubeziehen und in Zusammenschau mit den Verzögerungen des Flagship-Projekts insgesamt von einem triftigen Grund für die Vertragsaufsagung auszugehen.

e) Soweit sich die Beklagte zur Begründung ihrer Vertragsaufsagung noch auf eine Täuschung durch die Klägerin über die Zahl ihrer Vertragshändler sowie auf einen Korruptionsverdacht gegen die Klägerin im Zusammenhang mit dem Flagship-Projekt beruft, kommt es darauf nach Auffassung des Senats nicht entscheidungserheblich an. Denn die bereits dargestellten Gesichtspunkte rechtfertigen die Annahme, dass der Beklagten ein triftiger Grund für die Nichtverlängerung der Verträge zur Seite stand. In der Gesamtschau ist es auch unter Berücksichtigung der hohen Investitionen der Klägerin (die aber letztlich doch in ihrer kaufmännischen Risikosphäre verblieben) nachvollziehbar, dass es die Beklagte mit einem anderen Vertriebspartner versuchen wollte, nachdem über Jahre hinweg das Flagship-Projekt nicht recht vorwärts kam und obendrein die Vertriebsziele jedenfalls relativ zu den Mitbewerbern nicht erreicht wurden.

IV. Einen selbständigen Investitionskostenerstattungsanspruch, wie er teilweise in der vertriebsrechtlichen Literatur vertreten wird (vgl. etwa die als Anlagen K 56, K 72, K 73 und K 74 vorgelegten Darstellungen), lehnt der Senat ab. Es lässt sich kein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts aufstellen, dass der Geschäftsherr, der eine andere Person mit dem Vertrieb seiner Produkte beauftragt hat, aus dem Vertriebsvertrag verpflichtet ist, dieser anderen Person die Amortisation von Investitionen zu ermöglichen, die diese im Interesse und auf Aufforderung des Geschäftsherrn tätigt. Da die Beklagte eine solche Pflicht nicht traf, hat sie auch nicht dagegen verstoßen.

Das Risiko, dass ein befristeter Vertrag nicht verlängert bzw. ein ordentlich kündbarer Vertrag ordentlich gekündigt wird, trägt grundsätzlich jede Vertragspartei selbst. Das bedeutet, dass die Amortisation von Investitionen auf den Vertrag grundsätzlich in den Risikobereich des Investierenden fällt.

Eine von diesem Normalfall abweichende Risikoverteilung liegt zwar dann nahe, wenn - wie vorliegend - der Geschäftsherr besonders hohe Investitionen gefordert und in diesem Zusammenhang ein besonderes Vertrauen in den Fortbestand des Vertrages geweckt hat. Der dann gebotenen Risikoverteilung kann aber mit dem Institut des grundlosen Abbruchs von Vertragsverhandlungen nach Hervorrufen besonderen Vertrauens in das Zustandekommen des Vertrags (oben III.) Rechnung getragen werden. Ergibt die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Wertung, in die neben den berechtigten Interessen der Vertriebsperson auch diejenigen des Geschäftsherrn (durch Berücksichtigung triftiger Gründe für die Vertragsaufsagung) einzufließen haben, allerdings (wie vorliegend) keine Ansprüche, ist unter Wertungsgesichtspunkten kein Grund ersichtlich, der Vertriebsperson durch Kreation eines neuen Rechtsinstituts im Wege freier Rechtsfortbildung dennoch einen Amortisationsanspruch zuzugestehen.

V. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Klägerin durch die Beklagte ist nicht dargetan.

Soweit der Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung im Unterlassen der Vertragsverlängerung als solchem gesehen wird, kann auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden. Nach der Vertrags- und Verhandlungslage zwischen den Parteien war die Beklagte nicht verpflichtet, das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien über den Januar 2014 hinaus zu verlängern, also mit anderen Worten berechtigt, dies zu unterlassen. Wenn sie dieses Recht wahrgenommen hat, kann darin ein das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzendes Verhalten nicht gesehen werden.

Anders läge es nur, wenn die Beklagte (also deren haftungsrechtlichen Organe, § 31 BGB) die Investitionen der Klägerin in das Flagship einforderte, obwohl sie bereits zu dieser Zeit vorhatte, die Verträge mit der Klägerin nicht zu verlängern. Dies würde voraussetzen, dass die Beklagte im Zeitraum zwischen dem Briefwechsel vom Sommer 2010 bis zum Baubeginn des Flagship im Herbst 2011 vorhatte, die Verträge nicht zu verlängern. Dafür ist nichts ersichtlich; im Gegenteil spricht das gesamte Verhalten der Beklagten in dem genannten Zeitraum dafür, dass die dort Verantwortlichen von einer weiteren Zusammenarbeit mit der Klägerin ausgingen. Damit ist der Vorsatz einer sittenwidrigen Schädigung nicht dargetan.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zu würdigen waren vielmehr die Umstände des Einzelfalls.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 314 Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund


(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 31 Haftung des Vereins für Organe


Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 145 Bindung an den Antrag


Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

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(1) Die verspätete Annahme eines Antrags gilt als neuer Antrag. (2) Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 285 Verhandlung nach Beweisaufnahme


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(1) Die Beweisaufnahme erfolgt vor dem Prozessgericht. Sie ist nur in den durch dieses Gesetz bestimmten Fällen einem Mitglied des Prozessgerichts oder einem anderen Gericht zu übertragen.

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Herrwerth,
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Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
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a) Die Kenntnis einer Bank von einem groben Missverhältnis zwischen Kaufpreis
und Verkehrswert einer von ihr finanzierten Immobilie ergibt sich nicht aus ihrer
Kenntnis von der für die Immobilie erzielten Jahresnettomiete im Wege eines
- auf schlichter Vervielfältigung der Nettomiete mit einem frei gegriffenen Faktor
beruhenden - "vereinfachten Ertragswertverfahrens".

b) Die Rechtskraft eines die Vollstreckungsgegenklage gegen eine vollstreckbare
Urkunde abweisenden Urteils steht der Begründetheit einer Klage des Schuldners
entgegen, die auf Tatsachen gestützt ist, die schon zur Zeit der letzten
mündlichen Verhandlung im Vollstreckungsabwehrprozess vorgelegen haben,
und die im Ergebnis einer Vollstreckung aus diesem Titel zuwider liefe (im Anschluss
an BGH, Urteil vom 30. Mai 1960 - II ZR 207/58, WM 1960, 807).
BGH, Urteil vom 18. Oktober 2016 - XI ZR 145/14 - OLG Düsseldorf
LG Duisburg
ECLI:DE:BGH:2016:181016UXIZR145.14.0

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Maihold und Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Derstadt und Dr. Dauber
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. Februar 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihren Lasten entschieden worden ist. Die Sache wird, soweit das Berufungsgericht unter I.2. und I.3. der Entscheidungsformel zu Gunsten der Klägerin erkannt hat, zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 30. Juni 2011, auch hinsichtlich des im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrags auf Feststellung, dass keine Zahlungspflichten aus dem Darlehensvertrag geschuldet werden und die Beklagte nicht berechtigt ist, Zahlungen aus dem Darlehensvertrag zu verlangen, zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen eines unterbliebenen Hinweises auf die angebliche sittenwidrige Überteuerung des Kaufpreises einer Eigentumswohnung, deren Erwerb durch die Klägerin die Beklagte finanziert hat.
2
Die Klägerin kaufte, geworben durch die J. GmbH, von der G. GmbH mit notariellem Vertrag vom 16./21. September 2005 eine knapp 100 m² große Eigentumswohnung in Se. , für 133.900 €. Zur Finanzierung des Kaufpreises schloss die Klägerin am 16. September 2005 einen Darlehensvertrag über 134.000 € mit der damals als GM. GmbH firmierenden Beklagten , die zu dieser Zeit über eine Banklizenz verfügte. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten bestellte die Klägerin an dem Grundstück eine Grundschuld in Höhe des Darlehensbetrags zuzüglich Nebenleistungen und unterwarf sich wegen dieser Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Vollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Die Ansprüche aus dem Darlehensvertrag und der Sicherungsgrundschuld wurden von der Beklagten am 20. Juni 2006 an die S. mit Sitz in Amsterdam abgetreten, die ihrerseits die Beklagte ermächtigte, sämtliche Rechte aus der Grundschuld sowie diejenigen aus dem abgesicherten Darlehen gegenüber der Klägerin wahrzunehmen.
3
Die Klägerin, die seit Oktober 2007 aus dem Objekt keine Mieteinnahmen mehr erhielt, stellte ab diesem Zeitpunkt sämtliche Zahlungen auf den Darlehensvertrag sowie auf die Hausgelder der Wohnungseigentumsanlage ein.
4
Die Klägerin hat bei dem Landgericht Münster am 15. Januar 2010 Klage u.a. gegen die Beklagte erhoben, mit der sie zum einen im Wege der Vollstre- ckungsabwehrklage die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld und der Vollstreckungsunterwerfung angegriffen und zum anderen von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs der streitgegenständlichen Wohnung verlangt hat. Sie behauptet, sie sei vom Vermittler der Wohnung über deren Werthaltigkeit und Finanzierbarkeit getäuscht worden. Die Wohnung sei bei Abschluss des Kaufvertrages nicht 134.000 €, sondern höchstens 45.000 € wert gewesen. Dies sei der Beklagten, die mit der Verkäuferin der Wohnung im Rahmen eines Vertriebskonzepts zusammengearbeitet habe, aufgrund eigener Wertgutachten bekannt gewesen.
5
Das Landgericht Münster hat sich hinsichtlich der Schadensersatzklage für örtlich unzuständig erklärt, diese an das Landgericht Duisburg verwiesen und die bei ihm verbliebene Vollstreckungsabwehrklage am 26. Januar 2011 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil hat das Oberlandesgericht Hamm am 30. Juni 2011 im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen , die Klägerin habe das Bestehen von Schadensersatzansprüchen , die sie dem Anspruch auf Darlehensrückzahlung entgegenhalten könne, nicht schlüssig dargetan. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist von dem V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs am 14. Juni 2012 zurückgewiesen worden.
6
Im vorliegenden Verfahren, das die auf Schadensersatz gerichteten Anträge der Klägerin betrifft, ist die Klage vom Landgericht Duisburg ebenfalls abgewiesen worden. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Abweisung der Klage im Übrigen das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte - auf z.T. geänderte Klageanträge hin - zur Freistellung der Klägerin von Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehensvertrag in Höhe eines Rückstandes von 48.948,15 € für die Zeit bis zum 20. Dezember 2012 und in Höhe von weiteren 648,78 € monatlich ab dem 21. Dezember 2012 ver- urteilt sowie die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin von Hausgeldzahlungen und Steuerzahlungen für die Immobilie seit dem 1. Januar 2009 freizustellen , festgestellt, jeweils Zug um Zug gegen Übertragung der streitgegenständlichen Immobilie. Weiter hat es den Annahmeverzug der Beklagten mit der Wohnungsübertragung festgestellt. Die in der Berufungsinstanz geltend gemachten Zahlungsanträge auf Erstattung angeblicher Zuzahlungen an die Wohnungseigentumsverwaltung und vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie den Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden hat das Berufungsgericht abgewiesen.
7
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klagabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision ist begründet. Da hinsichtlich der gegen die Zahlungspflicht der Klägerin aus dem Darlehensvertrag gerichteten Anträge keine weiteren Feststellungen getroffen werden müssen, kann der Senat insoweit selbst entscheiden und die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil einschließlich des im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrags auf Feststellung zurückweisen. Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

I.

9
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
10
Der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens zur Vollstreckungsabwehrklage stehe der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Ansprüche der Klägerin seien auch nicht analog § 767 Abs. 2 ZPO durch den rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens präkludiert, weil die Klägerin alle Einwendungen in der zunächst einheitlich erhobenen Klage geltend gemacht habe. Der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch nach § 311 Abs. 2 Nr. 2, § 241, § 280 Abs. 1 BGB zu, da die Beklagte es unterlassen habe, die Klägerin über die Sittenwidrigkeit des mit dem Darlehen finanzierten Kaufvertrags aufzuklären.
11
Die Wohnung habe sich im Jahr 2005 im Kern bereits in dem baulichen Zustand befunden, den der Sachverständige Sch. , der ein Gutachten im Zwangsversteigerungsverfahren erstellt habe, am 21. April 2009 und am 8. April 2013 vorgefunden habe. Ebenso hätten bereits im September 2005 in der Wohnungseigentumsanlage erhebliche Leerstände bestanden und die Anlage sei zu diesem Zeitpunkt als "sozialer Brennpunkt" allgemein bekannt gewesen. Das könne den sehr lebhaften und plastischen Schilderungen des Zeugen R. in der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2013 entnommen werden, der in einem vergleichbaren Nachbarobjekt gewohnt habe und in der Zeit von 2007 bis 2012 als ehrenamtlicher Hausmeister tätig gewesen sei. Aus den plausiblen und ohne Weiteres glaubhaften Aussagen dieses Zeugen könne geschlossen werden, dass auch vor dieser Zeit das Flachdach des Gebäudekomplexes undicht gewesen und zum Zwecke der Beseitigung dieser Probleme eine Kiesschicht entfernt worden sei. Hinzu seien Wartungsmängel an der Heizungs - und Liftanlage gekommen, die zu zunehmenden Ausfällen geführt hät- ten, sodass schließlich der Lift im Jahr 2008 oder 2009 habe stillgelegt werden müssen und es seit dem Jahr 2010 oder 2011 praktisch keine funktionsfähige Heizungsanlage mehr gegeben habe. Irgendwelche Reparaturarbeiten seien von 2007 bis 2012 nicht durchgeführt worden. Bei Einzug des Zeugen im Jahr 2007 seien in dem von ihm bewohnten Haus Nr. 5 nur noch vier von acht Wohnungen vermietet gewesen, in dem Haus mit der Wohnung der Klägerin noch neun von zehn Wohnungen. Dies werde durch die bei der Anhörung des Sachverständigen zur Sprache gekommene Tatsache bestätigt, dass der Gutachterausschuss schon im Jahr 2005 von einer Aufnahme der streitgegenständlichen Wohnungseigentumsanlage in die Sammlung örtlicher Immobilienkaufpreise abgesehen habe, da dabei gezahlte Preise die tatsächlichen Marktverhältnisse nicht widergespiegelt hätten.
12
Davon ausgehend sei der Sachverständige in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Verkehrswert der von der Klägerin erworbenen Wohnung schon am 16. September 2005 nur auf einen Betrag von 30.000 € belaufen habe. Diesem Gutachten könne nicht entgegengehalten werden, dass es sich ausschließlich auf die Ertragswertmethode stütze. Es könne zwar auch das Vergleichswertverfahren herangezogen werden. Das Sachwertverfahren scheide jedoch von vornherein aus, weil dies nur für Objekte geeignet sei, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach ihrem in der Bausubstanz verkörperten Wert gehandelt würden, ohne dass eine Rentierlichkeit der Nutzung angestrebt werde. Zum Vergleichswertverfahren habe der Sachverständige überzeugend dargelegt, dass eine aussagekräftige Menge von Preisen überhaupt nicht hätte verlässlich ermittelt werden können. Verkaufspreise aus den sämtlich über die Beklagte finanzierten Wohnungen müssten wegen ihrer offenkundigen Besonderheit außer Betracht bleiben. Hinzu komme, dass die G. GmbH die Wohnung nur wenige Wochen zuvor für 58.000 € erworben habe, was selbst bei Zugrundelegung eines "Paketpreises" das Ausmaß der Überhöhung des Kaufpreises deutlich werden lasse. Dem Gutachten des Sachverständigen könne nicht entgegengehalten werden, dass er einen Liegenschaftszins in einer auf den ersten Blick ungewöhnlichen Höhe von 6% zugrunde gelegt habe. Dies habe er nämlich mit Rücksicht auf das problematische Wohnumfeld und die erheblichen Leerstände sowie den Instandhaltungsrückstau getan.
13
Ausgehend von diesem groben Missverhältnis sei nach der Lebenserfahrung zu vermuten, dass die G. GmbH bei der Forderung des verlangten Kaufpreises nach § 138 Abs. 1 BGB aus einer verwerflichen Gesinnung heraus gehandelt und bewusst sowie unter Ausnutzung eines die Klägerin in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstands gehandelt habe.
14
Die Beklagte sei zur Aufklärung über die Sittenwidrigkeit verpflichtet gewesen. Dem Sachbearbeiter der Beklagten sei die monatliche Bruttokaltmiete von 404 € bekannt gewesen, zu der zu dieser Zeit die Wohnung vermietet gewesen sei. Unter Zugrundelegung des "vereinfachten Ertragswertverfahrens", dessen Kenntnis bei jedermann, der mit der Bewertung von Immobilien beruflich befasst ist, unterstellt werden könne, habe die Beklagte schon im Wege einer einfachen Überschlagsrechnung, deren Vornahme sich ihr unter den bestehenden Umständen aufdrängen musste, ohne Weiteres erkennen können, dass der Ertragswert der streitgegenständlichen Wohnung sich auf einen Betrag in der Größenordnung von allenfalls 67.872,00 € (404 € mal 14 Jahre mal 12 Monate) belaufen konnte. Damit habe sich der Kaufpreis in einer Größenordnung von etwa dem Doppelten des überschlägigen, anhand des Ertragswerts ermittelten Verkehrswerts der Wohnung bewegt.
15
Die Beklagte könne sich nicht damit entlasten, dass sie die Darlehensbewilligung mit einer eigenen Software und einer im Internet verfügbaren Datensammlung der HypoVereinsbank ermittelt habe und dabei zu einem Sachwert von 133.976 € gelangt sei. Es habe sich ihr nämlich aufdrängen müssen, dass eine Bewertung nach einem Sachwertverfahren nach Art des in Rede stehenden Kaufobjekts nicht habe in Betracht kommen können und dass eine bloße Wertermittlung aufgrund von Standardwerten aus einer offenbar nur pauschal nach Postleitzahlgebieten geordneten Datensammlung der Bewertung eines Objekts wie des hier in Rede stehenden auf keinen Fall habe gerecht werden können. Das lasse vermuten, dass der befasste Mitarbeiter ganz bewusst die Augen verschlossen habe, obwohl ihm anhand einer Überschlagsrechnung eine sachgerechte Bewertung möglich gewesen wäre.
16
Aufgrund der in Fällen einer Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten eingreifenden Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sei davon auszugehen, dass die Klägerin bei korrekter Information über die Sittenwidrigkeit des Kaufpreises die Eigentumswohnung nicht erworben hätte. Ein Verschulden des mit der Bearbeitung des Darlehensantrags der Klägerin befassten Mitarbeiters sei zu vermuten. Die Klägerin sei daher nach den §§ 249 ff. BGB so zu stellen, wie sie stünde, wenn sie die streitgegenständliche Eigentumswohnung nie gekauft hätte.

II.

17
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Nachprüfung in mehreren Punkten nicht stand.
18
1. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine sittenwidrige Überteuerung des Immobilienerwerbs und in der Folge eine Verletzung der entsprechenden Hinweispflicht der Beklagten bejaht hat, kann keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht hätte mit der gegebenen Begründung nicht annehmen dürfen, dass die streitgegenständliche Eigentumswohnung zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses am 16. September 2005 nur einen Wert von 30.000 € hatte und deshalb der von der Klägerin gezahlte Kaufpreis in Höhe von 133.900 € weit mehr als das Doppelte des objektiven Verkehrswertes betragen hat.
19
a) Eine Bank trifft ausnahmsweise eine Aufklärungspflicht über die Unangemessenheit des von ihr finanzierten Kaufpreises unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Wissensvorsprungs, wenn eine so wesentliche Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert vorliegt, dass die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muss (Senatsurteile vom 23. März 2004 - XI ZR 194/02, WM 2004, 1221, 1225, vom 15. März 2005 - XI ZR 135/04, WM 2005, 828, 830, vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 47, vom 18. März 2008 - XI ZR 241/06, VersR 2008, 1498 Rn. 38, vom 29. April 2008 - XI ZR 221/07, WM 2008, 1121 Rn. 14, vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 17 und vom 23. April 2013 - XI ZR 405/11, BKR 2013, 280 Rn. 20). Das ist anzunehmen, wenn der Verkaufspreis knapp doppelt so hoch ist wie der Verkehrswert der Wohnung (Senatsurteile vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 47, vom 19. Juni 2007 - XI ZR 142/05, WM 2007, 1456 Rn. 13, vom 26. Juni 2007 - XI ZR 277/05, WM 2007, 1651 Rn. 15, vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 324/06, WM 2008, 967 Rn. 31, vom 26. Februar 2008 - XI ZR 74/06, WM 2008, 683 Rn. 38, vom 18. März 2008 - XI ZR 241/06, VersR 2008, 1498 Rn. 38, vom 29. April 2008 - XI ZR 221/07, WM 2008, 1121 Rn. 14 und vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 508/12, WM 2014, 124 Rn. 16), wobei die im Kaufpreis enthalte- nen Nebenkosten nicht in den Vergleich einzubeziehen sind (Senatsurteile vom 18. März 2008 - XI ZR 241/06, VersR 2008, 1498 Rn. 38, vom 26. Februar 2008 - XI ZR 74/06, WM 2008, 683 Rn. 38, vom 18. November 2008 - XI ZR 157/07, juris Rn. 29 und vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 508/12, WM 2014, 124 Rn. 24).
20
b) Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht seiner Würdigung zu einer sittenwidrigen Überteuerung des Kaufpreises der Immobilie Feststellungen zu deren Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klägerin zugrunde gelegt, die auf einer Verletzung allgemeiner Erfahrungssätze und Denkgesetze beruhen.
21
aa) Die Würdigung, ob ein Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstößt , ist eine Rechtsfrage, die der Nachprüfung im Wege der Revision unterliegt (vgl. Senatsurteile vom 3. Dezember 2013 - XI ZR 295/12, WM 2014, 71 Rn. 23 und vom 12. April 2016 - XI ZR 305/14, WM 2016, 1026 Rn. 36). Demgegenüber können aber die dieser Würdigung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts - hier zum Wert der Immobilie im Zeitpunkt des Erwerbs - im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie vollständig und rechtlich möglich sind und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2015 - VI ZR 11/14, WM 2015, 819 Rn. 28).
22
Dieser Überprüfung hält die Begründung des Berufungsgerichts aber nicht stand. Das Berufungsgericht verletzt allgemeine Erfahrungssätze und Denkgesetze, wenn es ohne weitere Anhaltspunkte davon ausgeht, ein vom Zeugen R. für die Jahre 2007 bis 2012 geschilderter baulicher Zustand der Immobilie, in der sich die Eigentumswohnung der Klägerin befindet, habe auch im Jahr 2005 vorgelegen. Dasselbe gilt für den im Gutachten des Sach- verständigen Sch. vom 21. April 2009 festgestellten strukturellen Leerstand der Wohnungen und das ungünstige Wohnumfeld.
23
bb) Es besteht - anders als das Berufungsgericht unterstellt - kein Erfahrungssatz , dass die Undichtigkeit des Flachdaches im Jahr 2007, die nicht datierbare Entfernung einer Kiesschicht auf dem Dach, der Abbruch verschiedener Sanierungsarbeiten und Reparaturarbeiten in den Jahren 2007 bis 2012 aus finanziellen Gründen, die danach fortschreitende Undichtigkeit des Hauses, der anschließende Schimmelbefall in diesem Haus, die Wartungsmängel an der Heizungsanlage, die Stilllegung des Lifts im Jahr 2008/2009, der Ausfall der Heizungsanlage im Jahr 2010/2011, die Probleme mit einer sanierungsbedürftigen Hauptwasserleitung und dem Putzabfall im Keller in dieser Weise bereits am 16. September 2005 vorgelegen haben. Für keinen dieser, nach Ansicht des Berufungsgerichts den "äußerst schlechten baulichen Zustand" des Objekts belegenden, Mängel liegt ein Nachweis oder auch nur eine praktische Gewissheit vor, dass er im Jahr 2005 bestanden hat.
24
Einen tatsächlichen Anhalt dafür, dass die konkret genannten Mängel bereits im Jahr 2005 in gleicher Weise vorgelegen haben, nennt auch das Berufungsurteil nicht. Stattdessen geht es von dem unzutreffenden Erfahrungssatz aus, die Wohnung habe sich hinsichtlich dieser Umstände im September 2005 schon in dem Zustand befunden, wie ihn der Zeuge für die Jahre 2007 bis 2012 geschildert bzw. der Sachverständige in den Jahren 2009 und 2013 vorgefunden hat.
25
cc) Damit hat das Berufungsgericht gleichzeitig unter Verstoß gegen Denkgesetze (BGH, Urteile vom 22. Januar 1991 - VI ZR 97/90, VersR 1991, 566, vom 18. März 2008 - XI ZR 246/06, WM 2008, 971 Rn. 31 und vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91, WM 1993, 902, 905 f.) der Aussage des Zeu- gen R. eine Reichweite zugebilligt, die dieser weder ihrem Inhalt nach noch nach den ausdrücklichen Angaben des Zeugen zukommen kann (vgl. Senatsurteile vom 18. März 2008 - XI ZR 241/06, VersR 2008, 1498 Rn. 30 und XI ZR 246/06, WM 2008, 971 Rn. 31), und dessen Angaben als Indiztatsachen zugrunde gelegt, obgleich diese einen Schluss auf die von ihm angenommene Haupttatsache nicht zulassen (vgl. dazu BGH, Urteile vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91, WM 1993, 902, 906 f. und vom 23. Januar 1997 - I ZR 29/94, WM 1997, 1493, 1497).
26
Da das Berufungsgericht dem Sachverständigen den vom Zeugen R. für die Jahre 2007 bis 2012 geschilderten baulichen Zustand der Immobilie als Anknüpfungstatsache für dessen Gutachtenerstellung vorgegeben hat, beruht das Urteil auch auf diesem Rechtsfehler.
27
c) In diesem Zusammenhang beanstandet die Revision zu Recht, dass im Berufungsurteil unter Verstoß gegen § 355 Abs. 1 Satz 1 ZPO unmittelbare Eindrücke von der Aussage dieses Zeugen gewürdigt werden, obwohl die am Urteil mitwirkende Richterin Dr. A. an der Zeugenvernehmung am 15. Februar 2013 nicht teilgenommen hatte und deswegen keinen persönlichen Eindruck von diesem Zeugen gewonnen haben kann.
28
aa) Zwar erfordert ein Richterwechsel nach einer Beweisaufnahme nicht grundsätzlich deren Wiederholung (BGH, Urteile vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 256 f., vom 4. Dezember 1990 - XI ZR 310/89, WM 1991, 566, 567 und vom 12. März 1992 - III ZR 133/90, VersR 1992, 883, 884). Frühere Zeugenaussagen können im Wege des Urkundenbeweises durch Auswertung des Vernehmungsprotokolls verwertet werden. Das Gericht darf dann bei der Beweiswürdigung aber nur das berücksichtigen, was auf der Wahrnehmung aller an der Entscheidung beteiligten Richter beruht oder akten- kundig ist und wozu die Parteien sich erklären konnten. Das gilt auch, wenn das Gericht den persönlichen Eindruck eines Zeugen zur Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit heranziehen will (Senatsurteile vom 30. Januar 1990 - XI ZR 162/89, NJW 1991, 1302 und vom 4. Dezember 1990 - XI ZR 310/89 aaO). Eindrücke, die nicht in das Verhandlungsprotokoll aufgenommen worden sind, zu denen also die Parteien auch keine Stellung nehmen konnten, dürfen daher nach einem Richterwechsel bei der Entscheidung nicht verwertet werden, selbst wenn von drei mitwirkenden Richtern nur einer an der Beweisaufnahme nicht teilgenommen hat (BGH, Urteile vom 27. April 1960 - IV ZR 100/59, BGHZ 32, 233, 237, vom 7. November 1966 - II ZR 188/65, VersR 1967, 25, 26, vom 4. Dezember 1990 - XI ZR 310/89 aaO und vom 12. März 1992 - III ZR 133/90 aaO).
29
bb) Im Berufungsurteil wird bei Würdigung der Aussage des Zeugen R. darauf abgestellt, dass dieser die Vorgänge "sehr lebhaft und plastisch" geschildert habe. Daraus wird auf eine plausible und glaubhafte Aussage des Zeugen geschlossen. Dabei handelt es sich ersichtlich um die Schilderung des Eindrucks vom Aussageverhalten des Zeugen aus der persönlichen Erinnerung der Richter, die den Zeugen vernommen haben. Dieser persönliche Eindruck hätte nur dann in die Beweiswürdigung des Gerichts einfließen dürfen, wenn er entweder schriftlich in den Akten festgehalten worden wäre oder alle an der Entscheidung beteiligten Richter bei der Beweisaufnahme zugegen gewesen wären. Beides ist nicht der Fall. Da an der Entscheidung die Richterin Dr. A. teilgenommen hat, die an der Beweisaufnahme nicht beteiligt war, ist § 355 Abs. 1 Satz 1 ZPO verletzt. Das Urteil beruht auch auf diesem Fehler, da - wie oben ausgeführt - der von diesem Zeugen geschilderte bauliche Zustand der Immobilie dem Sachverständigen als Anknüpfungstatsache für die Gutachtenerstellung vorgegeben worden ist.
30
d) Weiter hat das Berufungsgericht mit der gegebenen Begründung rechtsfehlerhaft bei der Ermittlung des Wertes der von der Klägerin erworbenen Wohnung von der Anwendung des Vergleichswertverfahrens abgesehen.
31
aa) Die Auswahl der geeigneten Wertermittlungsmethode zur Feststellung des tatsächlichen Wertes einer Immobilie steht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn das Gesetz nicht die Anwendung eines bestimmten Verfahrens anordnet, im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters (Senatsurteil vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 324/06, WM 2008, 967 Rn. 32 mwN). Die Methodenwahl ist unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und sonstiger Umstände des Einzelfalles zu treffen; sie ist zu begründen. Lässt sich eine aussagekräftige Menge von Vergleichspreisen verlässlich ermitteln, wird die Vergleichswertmethode als die einfachste und zuverlässigste Methode angesehen; sie steht deshalb bei Wohnungseigentum im Vordergrund (Senatsurteil vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 324/06, WM 2008, 967 Rn. 32).
32
bb) Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht abgewichen. Es ist ohne Weiteres der Auffassung des Sachverständigen Sch. gefolgt, eine Berechnung nach der Vergleichswertmethode sei ausgeschlossen, da bei dem zuständigen Gutachterausschuss des Kreises C. geeignete Daten über vergleichbare Kauffälle nicht vorhanden gewesen seien. Allenfalls in Betracht kommende, dort registrierte Verkaufspreise resultierten aus Wohnungen desselben Objekts und seien deshalb ungeeignet zur Verkehrswertermittlung. Damit hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft die Vergleichswertmethode von vornherein auf einen Vergleich mit der Sammlung eines örtlichen Gutachterausschusses reduziert und auf dieser Grundlage als ungeeignet zurückgewiesen. Eine Rechtfertigung dafür, dass sich geeignete Vergleichswerte ausschließlich aus der Sammlung eines örtlichen Gutachterausschusses ergeben können, ist aber nicht erkennbar. Dem steht im konkreten Fall insbesondere entgegen, dass derselbe Sachverständige in einem Gutachten vom 10. Juni 2009, das er für das Zwangsvollstreckungsverfahren erstellt hat, ohne Weiteres in der Lage gewesen ist, einen Vergleichspreis je Quadratmeter erworbener Wohnfläche zu bestimmen.
33
2. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der eine Aufklärungspflicht auslösenden Kenntnis der Beklagten von einem groben Missverhältnis zwischen Kaufpreis und Verkehrswert der finanzierten Immobilie sind nicht frei von Rechtsfehlern.
34
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Kreditinstitut nur präsentes Wissen von einer sittenwidrigen Überteuerung offenbaren. Das erfordert grundsätzlich positive Kenntnis der Bank von der sittenwidrigen Überteuerung des Kaufpreises für das finanzierte Objekt. Die Bank ist mithin nicht verpflichtet, sich durch eigene Nachforschungen hinsichtlich etwaiger Risiken des zu finanzierenden Vorhabens einen Wissensvorsprung zu verschaffen (Senatsurteile vom 18. November 2003 - XI ZR 322/01, WM 2004, 172, 173 mwN und vom 29. April 2008 - XI ZR 221/07, WM 2008, 1121 Rn. 19). Ausnahmsweise steht die bloße Erkennbarkeit von aufklärungspflichtigen Tatsachen - wie hier der sittenwidrigen Überteuerung eines Wohnungskaufpreises - der positiven Kenntnis dann gleich, wenn sich diese einem zuständigen Bankmitarbeiter nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen musste; er ist dann nach Treu und Glauben nicht berechtigt, seine Augen vor solchen Tatsachen zu verschließen (Senatsbeschluss vom 28. Januar 1992 - XI ZR 301/90, WM 1992, 602, 603; Senatsurteile vom 7. April 1992 - XI ZR 200/91, WM 1992, 977, vom 29. April 2008 - XI ZR 221/07, WM 2008, 1121 Rn. 20 und vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 508/12, WM 2014, 124 Rn. 21).
35
b) Danach ist bereits der Ausgangspunkt der Erwägungen des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft, die Beklagte habe anhand ihr vorliegender Angaben zur monatlichen Bruttokaltmiete für die zu finanzierende Eigentumswohnung eine einfache Überschlagsrechnung im Wege des "vereinfachten Ertragswertverfahrens" durchführen müssen, aus deren Ergebnis sich ihr sodann die Sittenwidrigkeit des vereinbarten Kaufpreises aufgedrängt hätte. Da eine finanzierende Bank keine Nachforschungen zu einem von ihr finanzierten Vorhaben anstellen muss, ist sie auch nicht zur Ermittlung des - exakten oder überschlägigen - Ertragswerts einer Immobilie verpflichtet.
36
Wertermittlungen, die Banken im eigenen Interesse vornehmen, betreffen den Beleihungswert, den die Bank klärt, um die Realisierung ihrer Ansprüche im Falle einer künftigen Zwangsvollstreckung abzuschätzen. Eine Kontrolle dieser internen Bewertung anhand der prognostizierten Erträge des Darlehensnehmers aus der finanzierten Immobilie schuldet weder der Verkäufer noch die finanzierende Bank (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 324/06, WM 2008, 967 Rn. 35).
37
c) Weiter rechtsfehlerhaft wendet in diesem Zusammenhang das Berufungsgericht ein sog. "vereinfachtes Ertragswertverfahren" an, das daraus besteht , die 14-fache Jahresnettomiete mit dem Kaufpreis zu vergleichen. Da "dessen Kenntnis bei jedermann, der mit der Bewertung von Immobilien beruflich zu tun hat, unterstellt werden kann", hätte nach Ansicht des Berufungsgerichts mit diesem Verfahren die Beklagte die Sittenwidrigkeit des Kaufpreises ermitteln können. Auch damit verstößt das Berufungsgericht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze.
38
aa) Im Berufungsurteil findet sich schon keine sachliche Begründung für dieses offensichtlich gegriffene Verfahren, insbesondere bleibt völlig ungeklärt, welche fachlichen Erkenntnisse oder anerkannten Erfahrungssätze es rechtfertigen , aus der Multiplikation einer aktuell vereinbarten Jahresnettomiete mit dem Faktor 14 auf den tatsächlichen Verkehrswert einer vermieteten Immobilie zu schließen. Für eine solche Begründung bestand umso mehr Anlass, als das Berufungsgericht in einem Hinweis vom 24. Oktober 2011 die sittenwidrige Überteuerung des Kaufpreises sogar auf eine Vervielfältigung der Jahresmiete mit dem Multiplikator 10 gestützt hat.
39
bb) Ein in dieser Weise pauschalierendes Verfahren ist rechtsfehlerhaft. Die Multiplikation der für die Immobilie vertraglich vereinbarten Miete mit einem frei gegriffenen Faktor ist nicht geeignet, eine Aussage zum Verkehrswert der Immobilie zu treffen. Beispielhaft hat die Stiftung Warentest im Jahr 2016 abhängig von der jeweiligen Region, der konkreten Lage und der jeweiligen Ausstattung der Immobilie Multiplikatoren zwischen 7,5 und 37,9 ermittelt (Finanztest 7/2016). Das bestätigt ein Blick auf Mietspiegel und Verkaufsanzeigen zu Wohnimmobilien deutscher Großstädte. Danach ergäbe das vom Berufungsgericht angewendete Bewertungsverfahren bei der gegenwärtigen Marktlage in der Mehrzahl deutscher Großstädte und Ballungsräume ganz überwiegend überteuerte Kaufpreise. Das zeigt, dass einfache Überschlagsrechnungen, die die konkreten wertbestimmenden Faktoren einer Immobilie nicht nachvollziehbar berücksichtigen, nicht für die Ermittlung des Wertes einer Immobilie und folglich auch nicht für die Feststellung einer sittenwidrigen Überteuerung des Kaufpreises für deren Erwerb geeignet sind.
40
d) Das steht nicht in Widerspruch zu Ausführungen des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Dieser hat in seiner Entscheidung vom 2. April 2009 (V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236 Rn. 13) ausgeführt, dass der auf diesem "vereinfachten Ertragswertverfahren" gründende Vortrag der Kläger im dortigen Fall zum Verkehrswert der erworbenen Immobilie nicht jeder tatsächlichen Grundlage entbehre und damit nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne einer Behauptung "ins Blaue hinein" sei. Ungeachtet dessen, dass nach der Rechtsprechung des Senats Vortrag zu einem Minderwert der erworbenen Wohnung die Darlegung konkreter, dem Beweis zugänglicher Angaben zu deren wertbildenden Faktoren verlangt (vgl. Senatsurteil vom 19. September 2006 - XI ZR 204/04, WM 2006, 2343 Rn. 20 mwN, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 169, 109), enthält die Entscheidung des V. Zivilsenats jedenfalls keine Festlegung zu der vorliegend beantworteten Frage, ob ein solches "vereinfachtes Ertragswertverfahren" zur Ermittlung des Verkehrswerts einer Immobilie bzw. zur Klärung der Kenntnis einer finanzierenden Bank vom Wert der Immobilie geeignet ist.

III.

41
Das Berufungsurteil ist, soweit es mit der Revision angegriffen ist, aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Hinsichtlich der Klageanträge, die gegen die Zahlungspflicht der Klägerin aus dem Darlehensvertrag vom 16. September 2005 gerichtet sind, bedarf es keiner weiteren Feststellungen, sodass der Senat insoweit selbst entscheiden und die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil, auch hinsichtlich des im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrags auf Feststellung, dass keine Zahlungspflichten aus dem Darlehensvertrag geschuldet werden und die Beklagte nicht berechtigt ist, Zahlungen aus dem Darlehensvertrag zu verlangen, zurückweisen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO). Denn insoweit ist mit rechtskräftiger Abweisung der Vollstreckungsabwehrklage der Klägerin für die Parteien bindend entschieden worden, dass die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der - in das gesamte Vermögen der Klägerin - vollstreckbaren Grundschuldurkunde vom 22. September 2005 zur Durchsetzung der Zahlungspflichten der Klägerin aus diesem Darlehensvertrag zulässig ist. Hiervon sind allerdings solche Ansprüche nicht betroffen, die diesem Titel nicht entgegenstehen können, sodass insoweit die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1 ZPO).
42
1. Die Rechtskraft eines die Vollstreckungsabwehrklage gegen einen Titel abweisenden Endurteils steht der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs durch den unterlegenen Schuldner in einem Folgeprozess entgegen, wenn damit, gestützt auf Gründe, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Vollstreckungsabwehrverfahren bereits vorgelegen haben, die Vollstreckung dieses Titels unterbunden werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 1960 - II ZR 207/58, WM 1960, 807, 808; vgl. auch Schöpflin, JR 2004, 508).
43
Zwar sind die Streitgegenstände des vorherigen und des jetzigen Prozesses nicht identisch, weil im Vorprozess über die prozessuale Gestaltungsklage aus § 767 ZPO, die auf die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung gerichtet war, entschieden worden ist, während es im vorliegenden Verfahren um eine Leistungsklage wegen Schadensersatzes geht, sodass die neue Klage nicht von vornherein unzulässig ist.
44
Der Rechtskraft des eine Vollstreckungsabwehrklage abweisenden Urteils kommt aber weiter die Bedeutung zu, dass der vollstreckbaren Urkunde die Vollstreckbarkeit nicht mehr mit dem jener Klage zugrunde liegenden Sachverhalt genommen werden darf (BGH, Urteile vom 19. Juni 1984 - IX ZR 89/83, MDR 1985, 138 und vom 23. Januar 1985 - VIII ZR 285/83, WM 1985, 703, 704). Einer Partei, deren Klage auf Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung rechtskräftig abgewiesen worden ist, ist es deswegen - entsprechend den Rechtsgedanken der § 767 Abs. 2 ZPO und § 767 Abs. 3 ZPO - verwehrt, die- ses Ergebnis im Wege eines Schadensersatzanspruchs zu korrigieren, den sie auf Umstände stützt, die schon zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung im Vollstreckungsabwehrverfahren vorgelegen haben (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 1960 - II ZR 207/58, WM 1960, 807, 808).
45
Die Reichweite dieser Bindung hängt dabei nicht davon ab, ob der im Vollstreckungsabwehrverfahren rechtskräftig unterlegene Schuldner im Nachhinein die Erstattung eines durch die erfolgte Zwangsvollstreckung aus dem bestätigten Titel entstandenen Schadens begehrt oder präventiv im Wege einer Freistellung von den Verpflichtungen, die dem ohne Erfolg angegriffenen Titel zugrunde liegen, die noch bevorstehende Vollstreckung dieses Titels unterbinden will. In beiden Fällen zielt die auf einen Schadensersatzanspruch gestützte Leistungsklage darauf, die im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage rechtskräftig festgestellte Rechtmäßigkeit einer Zwangsvollstreckung aus diesem Titel mithilfe von Gründen zu beseitigen, die bereits im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage erfolglos geltend gemacht worden sind oder geltend gemacht werden konnten. Deswegen muss es in beiden Konstellationen in gleicher Weise vermieden werden, einen bereits entschiedenen Streit um dieselbe Rechtsfolge in abgewandelter Form erneut auszutragen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. Mai 1960 - II ZR 207/58, WM 1960, 807, 808).
46
2. Danach sind die Anträge der Klägerin auf Freistellung von den Verbindlichkeiten aus dem Darlehen, das der vollstreckbaren Grundschuldurkunde vom 22. September 2005 zugrunde liegt, zurückzuweisen, ohne dass - erneut - darüber zu entscheiden ist, ob die Beklagte eine Hinweispflicht auf eine sittenwidrige Überteuerung des Kaufpreises der Immobilie verletzt hat.
47
a) Mit rechtskräftiger Abweisung der Vollstreckungsgegenklage im Vorprozess steht die Zulässigkeit der Vollstreckung aus der vollstreckbaren Grund- schuldurkunde vom 22. September 2005 bindend fest (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. Mai 1960 - II ZR 207/58, WM 1960, 807, 808).
48
b) Die Klägerin hat sich in dem Vorprozess gegen die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldurkunde von 22. September 2005 auf den identischen Sachvortrag zu einer vermeintlichen Aufklärungspflichtverletzung durch die Beklagte gestützt, auf den sie auch im vorliegenden Verfahren ihr Schadensersatzbegehren gründet.
49
In dem gegen die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde erfolglos geführten Vollstreckungsabwehrverfahren hat sie nach § 242 BGB den Einwand einer Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen einer Aufklärungspflichtverletzung über die sittenwidrige Überteuerung des Kaufpreises geltend gemacht. Die jetzt erhobene Klage auf Freistellung von den Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag begründet die Klägerin ebenso wie den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag mit derselben Pflichtverletzung, um damit - erneut - zu versuchen, mit einem den Bestand der zu vollstreckenden Forderung betreffenden Urteil die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde nach § 242 BGB zu unterbinden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 4. Dezember 2014 - VII ZR 4/13, NJW 2015, 955 Rn. 39). Damit ist sie aber durch die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils im Vollstreckungsabwehrverfahren ausgeschlossen, da sich diese Klageanträge gegen Zahlungspflichten wenden, die der Vollstreckung aus der Grundschuldurkunde zugrunde liegen.
50
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dafür ohne Bedeutung , dass der vorliegende Prozess aus dem Vollstreckungsabwehrverfahren durch Verweisung wegen Unzuständigkeit hervorgegangen ist. Davon wird die Bindungswirkung eines rechtskräftigen Urteils im Vollstreckungsabwehrverfahren ersichtlich nicht berührt, denn mit der Verfahrenstrennung entstehen - wie gerade die hier erfolgte Verweisung zeigt - selbstständige Verfahren (vgl. Zöller/ Greger, ZPO, 31. Aufl., § 145 Rn. 7).
51
3. Von dieser Bindung an die Rechtskraft des vorangehenden Vollstreckungsabwehrklageverfahrens werden nur die Klageanträge berührt, mit denen sich die Klägerin - hier im Wege eines Freistellungs- und hilfsweisen Feststellungsantrags - gegen die der vollstreckbaren Urkunde zugrunde liegenden Verbindlichkeiten wendet. Da die übrigen Anträge nicht gegen Forderungen der Beklagten gerichtet sind, die von der vollstreckbaren Urkunde vom 22. September 2005 umfasst sind, bedarf es weiterer Feststellungen zu dem von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch, sodass das Verfahren insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.
Ellenberger Maihold Matthias Derstadt Dauber Vorinstanzen:
LG Duisburg, Entscheidung vom 30.06.2011 - 1 O 194/10 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.02.2014 - I-17 U 107/11 -

(1) Über das Ergebnis der Beweisaufnahme haben die Parteien unter Darlegung des Streitverhältnisses zu verhandeln.

(2) Ist die Beweisaufnahme nicht vor dem Prozessgericht erfolgt, so haben die Parteien ihr Ergebnis auf Grund der Beweisverhandlungen vorzutragen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 37/03 Verkündet am:
12. März 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird ein Urteil entgegen § 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht verkündet, den Parteien
aber zum Zwecke der Verlautbarung förmlich zugestellt, so liegt eine bloß fehlerhafte
Verlautbarung vor, die die Wirksamkeit der Entscheidung nicht berührt.
Ein im schriftlichen Verfahren vor dem anberaumten Verkündungstermin erlassenes
Anerkenntnisurteil kann den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs
verletzen.
BGH, Urt. v. 12. März 2004 - V ZR 37/03 - LG Erfurt
AG Sömmerda
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Kläger werden das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 23. Dezember 2002 und das Urteil des Amtsgerichts Sömmerda vom 25. März 2002 nebst dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht Sömmerda zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger erwarben 1999 von der Beklagten mit dem S ondereigentum an mehreren Wohnungen verbundene Miteigentumsanteile eines Grundstücks in S. . Mit der Behauptung, die Beklagte habe den Befall des Gebäu-
des mit echtem Hausschwamm arglistig verschwiegen, haben sie zunächst Kosten einer Schwammsanierung in Höhe von 9.450.- DM geltend gemacht.
Nach der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme, i n der ein früherer Bewohner des Hauses ausgesagt hat, daß sich bei seinem Einzug 1986 meterlange Fruchtkörper des Schwamms an der Außenwand des Gebäudes befunden hätten, er deshalb mehrmals die Woche ein chemisches Nahkampfmittel gespritzt und die Kosten hierfür von der Rechtsvorgängerin der Beklagten erstattet bekommen habe, hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger erklärt, er prüfe, inwieweit ein Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht komme, und eine Klageerweiterung angekündigt.
Anschließend hat das Amtsgericht mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet, eine Schriftsatzfrist „zur Beweiswürdigung“ bis zum 20. März 2002 gesetzt und Verkündungstermin für den 24. April 2002 bestimmt. Am 20. März 2002 haben die Kläger wegen schwebender Vergleichsgespräche gebeten, die Frist bis zum 10. April 2002 zu verlängern und einen gleichlautenden Antrag der Gegenseite angekündigt. Mit Schriftsatz vom 21. März 2002 hat die Beklagte die Klageforderung anerkannt und gleichzeitig mitgeteilt, daß noch Vergleichsverhandlungen liefen, um die Gesamtproblematik einvernehmlich zu klären. Am 25. März 2002 hat das Amtsgericht ohne vorherige Ankündigung ein Anerkenntnisurteil erlassen. Der Beklagten ist es förmlich zugestellt, den Klägern zusammen mit der Abschrift des Anerkenntnisses zunächst formlos übersandt worden.
Die Kläger, die nunmehr die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen , haben gegen das Anerkenntnisurteil Berufung eingelegt. Das Landgericht hat den Parteien mitgeteilt, daß das Amtsgericht auch im Hinblick auf die fehlende Verkündung des Urteils aufgefordert worden sei, die Zustellung des Anerkenntnisurteils an die Kläger zu bewirken, was im Juli 2002 geschehen ist. Anschließend hat das Landgericht die Berufung mangels Beschwer der Kläger als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich ihre - von dem Senat zugelassene - Revision.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint, das angefochtene Urteil sei trotz unterbliebener Verkündung infolge der förmlichen Zustellung an die Parteien wirksam geworden. Zwar sehe die Zivilprozeßordnung eine Zustellung an Verkündungs Statt für ein im schriftlichen Verfahren erlassenes Anerkenntnisurteil nicht vor. Gleichwohl sei eine, wenn auch fehlerhafte, Verlautbarung des Urteils vorgenommen worden, so daß nicht etwa ein Nichturteil, sondern ein rechtsmittelfähiges Urteil vorliege. Dieses beschwere die Kläger nicht, da ihrem zuletzt gestellten Antrag voll entsprochen worden sei. Eine Beschwer liege auch nicht darin, daß es den Klägern im erstinstanzlichen Verfahren nicht möglich gewesen sei, einen geänderten Sachantrag zu stellen. Für das Amtsgericht habe keine Veranlassung bestanden, den Klägern nach Eingang des Anerkenntnisses nochmals rechtliches Gehör zu gewähren, nachdem sie den Erlaß eines Anerkenntnisurteils bereits in der Klageschrift beantragt und die bis zum
20. März 2002 gewährte Schriftsatzfrist nicht zu einer Antragsänderung genutzt hätten.

II.


Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüf ung nicht stand.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts , das Anerkenntnisurteil sei, wenn auch fehlerhaft, verlautbart worden und damit wirksam.

a) Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiellrechtlichen Wirkungen existent. Vorher liegt nur ein - allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugender - Entscheidungsentwurf vor (BGHZ 14, 39, 44). Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt grundsätzlich öffentlich im Anschluß an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel (§§ 310 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG). Im schriftlichen Verfahren sind Urteile in einem nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu bestimmenden Termin zu verkünden. Abweichendes gilt nur für Anerkenntnis- und Versäumnisurteile, die im schriftlichen Vorverfahren (§§ 307 Abs. 2, 331 Abs. 3 ZPO) ergehen; hier wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt (§ 310 Abs. 3 ZPO). Da das vom Amtsgericht im schriftlichen Verfahren vorbereitete Anerkenntnisurteil nicht unter die Vorschrift des § 310 Abs. 3 ZPO fiel, entsprach eine Verlautbarung durch Zustellung an die Parteien nicht den gesetzlichen
Formerfordernissen, vielmehr hätte das Urteil in einem zu diesem Zweck anzuberaumenden Termin verkündet werden müssen.

b) Der Verfahrensfehler führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Anerkenntnisurteils. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen Verkündungsmängel dem wirksamen Erlaß eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so daß von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt , hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (vgl. BGHZ 14, 39, 44 ff.; BGH, Urt. v. 16. Oktober 1984, VI ZR 205/83, NJW 1985, 1782, 1783). Zu den Mindestanforderungen gehören, daß die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlaß und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden. Mit dem Wesen der Verlautbarung nicht unvereinbar ist dagegen eine Bekanntgabe des Urteils durch Zustellung statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung, da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch anderen Urteilen vorbehaltene Verlautbarungsform (§ 310 Abs. 3 ZPO) erfüllt. Wird ein § 310 Abs. 1 ZPO unterfallendes Urteil den Parteien an Verkündungs Statt förmlich zugestellt, liegt deshalb kein Verstoß gegen unverzichtbare Formerfordernisse, sondern ein auf die Wahl der Verlautbarungsart beschränkter Verfahrensfehler vor (vgl. BGH, Urt. v. 16. Oktober 1984, VI ZR 25/83, VersR 1984, 1192, 1993; BAGE 17, 286, 288; Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl., § 310, Rdn. 26; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 310, Rdn. 10; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 310, Rdn. 6).
Nach diesen Grundsätzen ist das erstinstanzliche Urteil wirksam verlautbart worden. Der erkennende Richter hat die Übersendung des Urteils an die Parteien selbst verfügt, so daß sein Wille, die Entscheidung zu erlassen, trotz des Verstoßes gegen § 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO außer Frage steht. Bei der Verfügung ist ihm zwar ein (weiterer) Fehler insoweit unterlaufen, als er die Zustellung des Urteils nur an die Beklagten angeordnet und im übrigen eine formlose Übersendung als ausreichend angesehen hat. Jedoch ist die Zustellung an die Kläger durch das Amtsgericht nachgeholt worden, wobei diese aufgrund des vorausgegangenen Schreibens des Berufungsgerichts nicht darüber im Unklaren sein konnten, daß eine Zustellung an Verkündungs Statt beabsichtigt war.

c) Ist somit von einer wirksamen Verlautbarung des Urteils auszugehen, stellt sich die unterlassene Verkündung in einem gesonderten Termin lediglich als Verfahrensfehler dar, der auf eine Rüge hin nur dann zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils geführt hätte, wenn die Entscheidung auf der Verletzung des Verfahrensrechts beruhte, ohne den Fehler also anders hätte ausfallen können (§ 545 Abs. 1 ZPO). Dafür ist hier aber, wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision unbeanstandet angenommen hat, nichts ersichtlich.
2. Unzutreffend ist demgegenüber die Auffassung des Berufungsgerichts , die Berufung gegen das Anerkenntnisurteil sei unzulässig, weil es an der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Beschwer der Kläger fehle.

a) Die klagende Partei ist beschwert, wenn die angefochtene Entscheidung von ihren in der Instanz gestellten Anträgen abweicht (sog. formelle Be-
schwer, vgl. BGHZ 140, 335, 338; BGH, Urt v. 29. Juni 2000, I ZR 29/98, NJWRR 2001, 620, 621). Das ist der Fall, wenn das Gericht über einen Sachantrag befunden hat, der nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits war (BGH, Urt. v. 9. Oktober 1990, VI ZR 89/90, NJW 1991, 703, 704; BayObLG WE 1997, 117, 118), und zwar auch dann, wenn die Entscheidung der anfechtenden Partei scheinbar günstig ist. Denn auch aus der Zuerkennung eines Anspruchs können , insbesondere im materiellen Recht begründete, unerwünschte Folgen erwachsen , deren Beseitigung der betroffenen Partei möglich sein muß.

b) Das Amtsgericht durfte den ursprünglichen, auf den sogenannten kleinen Schadensersatz gerichteten Klageantrag im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht mehr als gestellt ansehen.
aa) Grundsätzlich kann das Gericht zwar davon ausgehen, daß ein einmal gestellter Sachantrag aufrechterhalten bleibt und ihn deshalb auch dann zur Grundlage seiner Entscheidung machen, wenn er in einer späteren Verhandlung nicht erneut gestellt worden ist (vgl. Senat, BGHZ 141, 184, 193; Zöller /Greger, aaO., § 137 Rdn. 2). Hält die klagende Partei dagegen an ihrem bisherigen Antrag erkennbar nicht fest, so darf das Gericht, dessen Entscheidungsbefugnis durch den Klageantrag beschränkt ist (§ 308 Satz 1 ZPO), über ihn nicht mehr befinden. Fehlt jeglicher Sachantrag des Klägers, kann die Gegenseite nicht verurteilt werden (vgl. BAGE 23, 146; MünchKommZPO /Musielak, § 308, Rdn. 14). Inwieweit eine Partei ihren zu Beginn einer mündlichen Verhandlung gestellten Antrag zurücknehmen kann, um als säumig zu gelten (vgl. BGHZ 63, 94; Zöller/Herget, aaO., § 333, Rdn. 1), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn den Klägern ging es nicht darum, durch eine Flucht
in die Säumnis den Erlaß eines kontradiktorischen Urteils zu ihren Ungunsten zu verhindern.
bb) Im Zeitpunkt des Erlasses des Anerkenntnisurteils hielten die Kläger an ihrem ursprünglichen Klageantrag nicht mehr fest.
Die Kläger hatten bereits mit ihrer Ankündigung einer Klageerweiterung und der Prüfung, inwieweit ein Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht komme, nach der Beweisaufnahme zu erkennen gegeben, daß ihnen eine abschließende Entscheidung, über welchen Sachantrag das Gericht befinden solle, nicht möglich sei. Ihre Bezugnahme auf den bisherigen Sachantrag stand damit ersichtlich unter dem Vorbehalt einer kurzfristigen Änderun g.
Nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens war eine solche Änderung bis zum Ablauf der nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO gesetzten Schriftsatzfrist möglich. Daß das Amtsgericht die Schriftsatzfrist nur „zur Beweiswürdigung“ gewährt hatte, steht dem nicht entgegen. Diese Einschränkung war unbeachtlich , da sie der gesetzlichen Ausgestaltung des schriftlichen Verfahrens zuwiderlief. Sie rechtfertigt auch nicht die Annahme, das Amtsgericht habe den Parteien in Wahrheit nur ein auf eine Stellungnahme zur Beweisaufnahme beschränktes Nachschubrecht einräumen wollen. Abgesehen davon, daß eine solche Verfahrensweise fehlerhaft gewesen wäre, da die Verhandlung über die Beweisaufnahme (§ 285 Abs. 1 ZPO) nicht entsprechend § 283 ZPO durchgeführt werden kann (vgl. Zöller/Greger, aaO., § 285 Rdn. 2), läßt die ausdrückliche , unter Bezugnahme auf § 128 Abs. 2 ZPO erfolgte Anordnung des schriftlichen Verfahrens und die Zustimmung der Parteien hierzu keinen Zweifel an der Absicht des Amtsgerichts, in diese Verfahrensart zu wechseln.

Der rechtzeitig gestellte Antrag auf Verlängerung der Schriftsatzfrist bis zum 10. April 2002 ließ erkennen, daß die Kläger ihren bisherigen Sachantrag nicht mehr zur Entscheidung stellten. Die Kläger hatten sich mit Rücksicht auf die darin erwähnten schwebenden Vergleichsverhandlungen mit der Beklagten ersichtlich noch nicht auf ihr weiteres Vorgehen im Prozeß festgelegt. Der erwogene „Rücktritt“ vom Kaufvertrag war ihnen aus materiell-rechtlichen Gründen allerdings nur möglich, solange keine rechtskräftige Entscheidung über den bislang geltend gemachten kleinen Schadensersatzanspruch erging. Denn das Wahlrecht des Gläubigers sowohl zwischen den in § 463 BGB aufgeführten Gewährleistungsrechten wie auch zwischen den verschiedenen Arten des Schadensersatzes erlischt, wenn einer der möglichen Ansprüche bzw. ein nach einer bestimmten Berechnungsweise geltend gemachter Schadensersatzanspruch rechtskräftig zuerkannt worden ist (vgl. für die Wahl zwischen den Gewährleistungsrechten : Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 465 Rdn. 29; für die Wahl der Schadensberechnung: BGHZ 119, 20, 23 f.). Angesichts dieser Rechtslage und der vorausgegangenen Änderungsankündigung mußte dem Amtsgericht deutlich sein, daß die Kläger eine Entscheidung über ihren bisherigen Antrag nicht wünschten, sie ihn also nicht mehr stellten. Für diese Auslegung sprach auch das Anerkenntnis der Beklagten. Der darin enthaltene Zusatz , es liefen noch Vergleichsverhandlungen, um die Gesamtproblematik zu klären, wies darauf hin, daß das Anerkenntnis nur einen Teil dessen abdeckte, was sich zwischen den Parteien nunmehr im Streit befand, und machte damit deutlich, daß der ursprüngliche Klageantrag infolge der Entwicklung der Ereignisse seit der Beweisaufnahme überholt war.

c) Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 600 Euro. Allerdings läßt sich dieser nicht wie im Regelfall ermitteln, also nach der Differenz zwischen dem in der unteren Instanz gestellten Antrag und dem rechtskraftfähigen Inhalt des angefochtenen Urteils, wenn über einen nicht mehr aufrechterhaltenen Antrag befunden und dem Rechtsmittelführer zugleich die Möglichkeit genommen wurde, einen neuen Antrag zu stellen. Andernfalls fehlte es in einem solchen Fall mangels wirksamen Antrags stets an einer Beschwer. Die Beschwer kann sich deshalb nur nach der Differenz zwischen dem Inhalt des angefochtenen Urteil und dem anhand seines Streitverhaltens zu bestimmenden Rechtsschutzziel des Rechtsmittelführers bemessen (vgl. MünchKommZPO /Rimmelspacher, 2. Aufl., Aktualisierungsband, Vor § 511, Rdn. 15). Da die Kläger beabsichtigten, einen Antrag auf Rückzahlung des Kaufpreises von über 100.000 Euro zu stellen, bleibt das erstinstanzliche Urteil in einem die Anforderungen des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO weit übersteigenden Umfang hinter ihrem Rechtsschutzziel zurück.
3. Die Berufung der Kläger war auch begründet, da der Verstoß des Amtsgerichts gegen § 308 Abs. 1 ZPO von Amts wegen beachtet werden mußte (vgl. BGH, Urt. v. 7. März 1989, VI ZR 183/88, NJW-RR 1989, 1087) und der erstinstanzlichen Entscheidung die Grundlage entzog.
4. Auf die von der Revision angegriffene Auffassung des Berufungsgerichts , die Verfahrensweise des Amtsgerichts habe den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt, weil keine Veranlassung bestanden habe, ihnen das Anerkenntnis der Beklagten zur Kenntnis zu bringen, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Allerdings hat das Berufungsgericht hier Inhalt und Tragweite des Art. 103 Abs. 1 GG grundlegend verkannt.

Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, daß sie ihr Verhalten im Prozeß eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können (BVerfG NJW 2003, 3687; BVerfGE 89, 28, 35). Dem Informationsanspruch der Parteien unterliegt der gesamte Prozeßstoff, einschließlich der verfahrensbezogenen Handlungen der Gegenseite. Hierzu zählt auch das Anerkenntnis einer Partei.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts machte es der in der Klageschrift vorsorglich gestellte Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils nicht entbehrlich, die Kläger über das Anerkenntnis der Beklagten zu informieren. Die Möglichkeiten, auf ein Anerkenntnis zu reagieren, erschöpfen sich nicht in dem - nach der Neufassung des § 307 ZPO durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1887) ohnehin nicht mehr erforderlichen - Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils. Vielmehr soll die Gegenseite auch die Möglichkeit zu einer Stellungnahme und zur Anpassung ihres Verhaltens an die neue prozessuale Situation erhalten. Sie kann im Einzelfall Anlaß haben, sich zur Wirksamkeit oder Reichweite des Anerkenntnisses zu äußern oder einen weitergehenden, vom Anerkenntnis nicht umfaßten Sachantrag zu stellen. Werden einer Partei diese Möglichkeiten durch die Verfahrensweise des Gerichts vorenthalten, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Vorliegend kommt hinzu, daß die Kläger eine Antragsänderung angekündigt hatten, das Amtsgericht also auch nach den konkreten Umständen des Einzelfalls mit einer Reaktion auf das Anerkenntnis rechnen mußte. Das gilt, anders als das Berufungsgericht meint, auch nach Ablauf der bis zum 20. März
2002 gesetzten Schriftsatzfrist. Zum einen hatten die Kläger um eine Verlängerung dieser Frist wegen schwebender Vergleichsverhandlungen gebeten, zum anderen hatte die Beklagte das Anerkenntnis mit dem Bemerken verbunden, die Vergleichsverhandlungen dauerten an, um die Gesamtproblematik einvernehmlich zu klären. Spiegelte das Anerkenntnis aber keinen Abschluß der Auseinandersetzung, sondern nur eine Teileinigung zwischen den Parteien wider , durfte das Amtsgericht nicht davon ausgehen, daß sich eine Stellungnahme der Kläger zu dem Anerkenntnis erübrigte. Vielmehr lag es nahe, daß die Kläger zunächst den Ausgang der Vergleichsverhandlungen abwarten, sich aber für den Fall deren Scheiterns alle prozessualen Möglichkeiten offen halten wollten, wobei sie im Hinblick auf den erst für den 24. April 2002 anberaumten Verkündungstermin vor diesen Zeitpunkt mit einer Entscheidung des Amtsgerichts auch nicht zu rechnen brauchten. Der Erlaß des Anerkenntnisurteils stellt sich deshalb auch als unzulässige Überraschungsentscheidung dar.
5. Da das Urteil des Amtsgerichts an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, ist die Sache unter Aufhebung des Verfahrens zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten beider Rechtsmittel, an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§§ 563 Abs. 1, 562 Abs. 2, 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Hiervon ausgenommen sind die Gerichtskosten der Revisionsinstanz , die der Senat in Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG niedergeschlagen hat.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

(1) Die verspätete Annahme eines Antrags gilt als neuer Antrag.

(2) Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 199/03 Verkündet am:
8. Juni 2004
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 823 Aa, I; ZPO (2002) §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 Nr. 3

a) Auch nach der Reform der Zivilprozeßordnung dürfen beim Vortrag zu medizinischen
Fragen im Arzthaftungsprozeß an den Vortrag zu Einwendungen gegen ein
Sachverständigengutachten ebenso wie an den klagebegründenden Sachvortrag
nur maßvolle Anforderungen gestellt werden.

b) Der Patient und sein Prozeßbevollmächtigter sind nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen
Prozeßführung medizinisches Fachwissen anzueignen.

c) Läßt das Berufungsgericht fehlerhaft Vorbringen nicht zu, weil es zu Unrecht dieses
für neu hält oder Nachlässigkeit bejaht (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), so kann es
sich nicht auf die Bindung an die erstinstanzlich festgestellten Tatsachen berufen,
wenn die Berücksichtigung des Vorbringens zu Zweifeln im Sinne von § 529 Abs.
1 Nr. 1 ZPO hätte führen müssen.
BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03 - OLG Köln
LG Aachen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juni 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Trägerin des Krankenhauses B. Schadensersatzansprüche geltend. Im Dezember 1998 stürzte die Klägerin und zog sich einen Speichenbruch mit Abriß des Griffelfortsatzes der Elle zu. Der erlittene Trümmerbruch mit einer hauptsächlich streckseitig gelegenen Trümmerzone wurde im Krankenhaus der Beklagten operativ eingerichtet. Anschließend wurde die Reponierung mit zwei durch die Haut eingebrachten Kirschner-Drähten und einer Gipsschiene stabilisiert. Nach Entfernung der Drähte Anfang Februar 1999 klagte die Klägerin über Beschwerden im Bereich des rechten Handgelenks und über ein
Taubheitsgefühl der Streckseite des rechten Daumens. Bei einer Untersuchung in der unfallchirurgischen Klinik R. wurde eine in Fehlstellung verheilte Radiusfraktur sowie eine Defektläsion des Daumenastes des Nervus radialis superficialis diagnostiziert. Die Klägerin hat vor dem Landgericht behauptet, die Ärzte des Krankenhauses B. hätten den Bruch fehlerhaft behandelt. Die unzureichende Stabilisierung habe zu einer Verheilung in Fehlstellung geführt. Auf ihre starken postoperativen Schmerzen sei nicht in angemessener Weise durch die Verordnung von Schmerzmitteln reagiert worden. Dies sei zur Prophylaxe eines Morbus Sudeck erforderlich gewesen. Bei Entfernung der Kirschner-Drähte sei es behandlungsfehlerhaft zu einer Durchtrennung des sensiblen Astes des Nervus radialis superficialis gekommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in VersR 2004, 517 veröffentlicht ist, ist der Klage auf der Grundlage der in erster Instanz festgestellten Tatsachen der Erfolg zu versagen. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründeten und deshalb eine neue Feststellung gebieten würden, lägen nicht vor (§ 529 Abs. 1 ZPO).
Soweit die Klägerin weiterhin Behandlungsfehler bei der Durchführung der Spickdrahtosteosynthese rüge, bestehe keine Veranlassung zu einer weiteren Sachaufklärung. Der Sachverständige habe ausdrücklich hervorgehoben, die Einbringung der Drähte sei fehlerfrei erfolgt in Anwendung eines Verfahrens , welches dem Lehrbuchstandard entspreche und auch lehrbuchhaft durchgeführt worden sei. Die abweichende Auffassung der Klägerin, daß die Spickdrähte nicht korrekt angebracht worden seien, so daß eine ausreichende Stabilität nicht habe erzielt werden können, begründe keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen. Keine im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erheblichen Zweifel bestünden auch, soweit die Klägerin es als behandlungsfehlerhaft ansehe, daß die Enden der Drähte unter der Haut versenkt worden seien. Auch hierzu habe der Sachverständige festgestellt, die Einbringung der beiden Bohrdrähte sei regelgerecht erfolgt. Es stehe auch nicht fest, daß die Nervverletzung vermeidbar fehlerhaft von den behandelnden Ärzten verursacht worden sei. Der Sachverständige habe dargelegt, trotz größtmöglicher Sorgfalt habe es zu einer Durchtrennung bzw. Quetschung von kleinen Hautnerven kommen können. Mit ihrem erstmals in zweiter Instanz erfolgten Vorbringen, die Spickdrahtosteosynthese sei nicht die Methode der Wahl gewesen, könne die Klägerin ebensowenig durchdringen wie mit der gleichfalls neuen Behauptung, der Morbus Sudeck sei nicht adäquat bzw. überhaupt nicht behandelt worden. Auch bei der dargelegten Behandlungsalternative mit einem Fixateur externe handele es sich um eine Tatsachenbehauptung und nicht - wie die Klägerin meine - um die Darlegung eines von Amts wegen zu berücksichtigenden medizinischen Erfahrungssatzes. Beide Tatsachenbehauptungen fielen unter die Bestimmungen der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO. Sie stellten neue Angriffsmittel im Sinne von § 531 ZPO dar und seien nicht zuzulassen, weil die Voraussetzun-
gen der hier nur in Betracht kommenden Bestimmungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO nicht dargetan seien. Dem Landgericht sei kein Verfahrensfehler im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO unterlaufen. Es sei auf der Grundlage des erstinstanzlichen Vorbringens zu einer weiteren Sachaufklärung nicht gehalten gewesen. Die schriftliche Begutachtung sei eindeutig gewesen; die von der Klägerin erstinstanzlich für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen habe der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung beantwortet. Sei das Vorbringen somit als neuer Sachvortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, scheide eine weitere Sachaufklärung nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aus. Der neue Sachvortrag könne aus Rechtsgründen auch nicht geeignet sein, Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Feststellungen des Sachverständigen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu begründen; anderenfalls würden die Präklusionsregeln und das Reformziel, den Rechtsstreit möglichst im ersten Rechtszug umfassend aufzuklären, unterlaufen. Die Klägerin habe nicht dargetan, daß sie den neuen Vortrag ohne Nachlässigkeit nicht bereits im ersten Rechtszug hätte in den Rechtsstreit einführen können (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Sie sei gehalten gewesen, jede in Betracht kommende Möglichkeit zu nutzen, Einwendungen gegen die in erster Instanz vorgelegte Begutachtung ausfindig zu machen. Sie habe auch nicht vorgetragen , daß sie bzw. ihr Prozeßbevollmächtigter sich nicht in gleicher Weise hätten informieren können wie der Prozeßbevollmächtigte in der zweiten Instanz. Fehl gehe auch der Vorwurf, der entstandene Morbus Sudeck sei nicht adäquat behandelt worden. Eine unzureichende Sudeck-Prophylaxe sei nicht erwiesen.

II.

Das angefochtene Urteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. a) Nicht zu beanstanden ist das Berufungsurteil allerdings, soweit es keine Notwendigkeit für eine weitere Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich eines Behandlungsfehlers bei der Durchführung der Spickdrahtosteosynthese und bei der Prophylaxe für einen Morbus Sudeck sieht und diesbezüglich Behandlungsfehler auf der Grundlage der erstinstanzlichen Feststellungen verneint. Die Revision macht hierzu nur geltend, das Berufungsgericht sei dem Einwand der Klägerin nicht nachgegangen, die Schädigung des Nervs bei Entfernung der Kirschner-Drähte wäre vermieden worden, wenn deren Enden nicht zuvor unter die Haut versenkt worden wären. Indessen hält die Auffassung des Berufungsgerichts , aus dem Vorbringen der Klägerin ergäben sich keine Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die eine neue Tatsachenfeststellung erforderten, in diesem Punkt revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. aa) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich aus Fehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03 - und BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 - WM 2004, 845, 846, jeweils vorgesehen zur Veröffentlichung in BGHZ; Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drs.
14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171). Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - NJW 2003, 3480, 3481; Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/6036 S. 124). Dies gilt grundsätzlich auch für Tatsachenfeststellungen , die auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen worden sind. In diesem Fall kann unter anderem die - hier von der Revisionsklägerin gerügte - Unvollständigkeit des Gutachtens Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen wecken (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02 - aaO; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 18; Zöller /Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 9). bb) Gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es die Notwendigkeit einer neuen Tatsachenfeststellung insoweit verneint, sind keine durchgreifenden Revisionsrügen vorgebracht. Das Berufungsgericht hat im Hinblick darauf, daß der Sachverständige ausführlich dazu Stellung genommen hat, ob bei Durchführung der hier angewandten Spickdrahtosteosynthese Behandlungsfehler vorlagen, und er dies verneint hat, ausgeführt, daß es keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen hat, die hinsichtlich dieses Komplexes eine erneute Feststellung geböten. Hiergegen ist von Seiten des Revisionsgerichts nichts zu erinnern.
b) Das Berufungsurteil hält auch dem Angriff der Revision stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einer unterlassenen Behandlung des Morbus Sudeck als neues Vorbringen nicht zugelassen hat.
Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin wurde zutreffend als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO angesehen. Entgegen der Auffassung der Revision schließt nämlich der erstinstanzliche Sachvortrag der Klägerin nicht die Frage ein, ob ein Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Behandlung des entstandenen Morbus Sudeck vorliegt. Der von ihr in Bezug genommene und aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ersichtliche erstinstanzliche Vortrag der Klägerin befaßte sich nämlich allein mit dessen Prophylaxe und nicht mit einer angeblich unterlassenen Behandlung. Die Behauptungen , den Ausbruch einer Krankheit nicht verhindert und eine ausgebrochene Krankheit nicht behandelt zu haben, betreffen indes zwei unterschiedliche zeitliche Abschnitte des Behandlungsverlaufs. Mit dem zweitinstanzlich erhobenen Vorwurf wird die Behauptung fehlerhafter Prophylaxe demgemäß nicht lediglich konkretisiert, sondern der Angriff der Klägerin geändert. Das Berufungsgericht hat dieses neue Vorbringen auch zu Recht nicht zugelassen, weil nicht dargetan ist, daß die Klägerin es nicht bereits im ersten Rechtzug hätte in den Rechtsstreit einführen können. Anders als bei einer vorzugswürdigen Behandlungsalternative (vgl. dazu unter 2.) geht es hier nämlich zunächst nicht um eine medizinische Frage, sondern darum, auch diesen Abschnitt des gesamten Behandlungsverlaufs zur Überprüfung durch das Gericht zu stellen. Dazu waren keine medizinischen Fachkenntnisse erforderlich. Die Klägerin wußte vielmehr aus eigenem Erleben, ob eine Behandlung des Morbus Sudeck erfolgt war, und konnte die von ihr jetzt behauptete Unterlassung der Behandlung deshalb zum Gegenstand der gerichtlichen und sachverständigen Überprüfung machen, ohne auf vertiefte medizinische Kenntnisse angewiesen zu sein. Indem sie dies im ersten Rechtszug nicht getan hat, hat sie gegen die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen.
2. Das Berufungsurteil hält jedoch den Angriffen der Revision nicht stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einer Behandlungsalternative als neues Vorbringen nicht zugelassen hat (§ 531 Abs. 2 ZPO) und deshalb nicht zu Zweifeln im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gelangt ist.
a) Das Vorbringen der Klägerin zu einer Behandlungsalternative ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bereits nicht als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO zu werten. aa) Die Revision macht geltend, der Vortrag fehlerhafter Behandlung, insbesondere auch durch Erzielung einer unzureichenden Stabilität und Drehstabilität , schließe den Vorwurf mit ein, im Hinblick auf die ausgedehnte Trümmerzone sei seitens der Ärzte mit der Spickdrahtosteosynthe se eine Behandlungsmethode gewählt worden, die wesentlich weniger geeignet gewesen sei als eine Behandlung mittels eines Fixateur externe. Der gerichtliche Sachverständige hätte sich deshalb bereits in erster Instanz mit der Frage einer besser geeigneten Methode und damit einer Behandlungsalternative befassen müssen. Dem ist unter den Umständen des Streitfalls zuzustimmen. bb) Der Begriff der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ist nach dem bisherigen Recht auszulegen (Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, ZPOReform , 2002, § 531 Rdn. 8). Ob ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen neu ist, hängt also davon ab, wie allgemein es in erster Instanz gehalten war. Wenn es einen sehr allgemein gehaltenen Vortrag der ersten Instanz konkretisiert oder erstmals substantiiert, ist es neu, nicht aber dann, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 1991 - VIII ZR 129/90 - NJW-RR 1991, 1214, 1215 und vom 26. Juni 2003 - VII ZR 281/02 - NJW-RR 2003, 1321, 1322; Baum-
bach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 531 Rdn. 12; Drossart, Bauprozessrecht 2004, 4, 6). Zwar enthielt der erstinstanzliche Vortrag der Klägerin nicht ausdrücklich den Vortrag einer besseren Behandlungsalternative durch einen Fixateur externe. Bei der Beurteilung, ob ein neuer Vortrag vorliegt, ist aber zu berücksichtigen , daß an die Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozeß nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, weil vom Patienten regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann. Die Partei darf sich auf Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes auf Grund der Folgen für den Patienten gestattet (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752; vom 10. November 1981 - VI ZR 92/80 - VersR 1982, 168, 169 und vom 15. Juli 2003 - VI ZR 203/02 - VersR 2003, 1541, 1542; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht , 4. Aufl., E Rdn. 2). Der Vortrag, es habe eine bessere Behandlungsmethode , also eine echte und indizierte Behandlungsalternative gegeben, stellt im Streitfall unter Berücksichtigung dieser Darlegungserleichterungen im Arzthaftungsprozeß lediglich eine weitere Verdeutlichung des schlüssigen Vorbringens einer fehlerhaften Behandlung des Bruchs dar, der nicht ausreichend stabilisiert worden sei.
b) Im übrigen hätte das Berufungsgericht das Vorbringen zur Behandlungsalternative selbst dann berücksichtigen müssen, wenn es - entgegen den obigen Darlegungen - neu gewesen wäre. Bei der Beurteilung, ob der Klägerin Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO vorzuwerfen ist, hat das Berufungsgericht zu hohe Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozeß gestellt.
Das Berufungsgericht hat das von ihm als neu angesehene Vorbringen nicht zugelassen, weil die Klägerin nicht dargetan habe, daß sie den neuen Vortrag ohne Nachlässigkeit nicht bereits im ersten Rechtszug hätte in den Rechtsstreit einführen können. Das rügt die Revision mit Erfolg. Die in der Revisionsinstanz zulässige Prüfung, ob § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO richtig angewendet worden ist (vgl. Meyer-Seitz in Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 531 Rdn. 26; MünchKomm/ZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, § 531 Rdn. 35 und § 530 Rdn. 34; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 22 ff.; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 531 Rdn. 37), führt zu dem Ergebnis, daß die unterlassene Geltendmachung im ersten Rechtszug nicht auf einer Nachlässigkeit der Klägerin beruhte. Jede Partei ist zwar grundsätzlich gehalten, schon im ersten Rechtszug die Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt ist oder bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen und zu deren Geltendmachung sie dort imstande ist. Sorgfaltsmaßstab ist dabei die einfache Fahrlässigkeit (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2003, 139, 140 und OLGR Saarbrücken, 2003, 249, 250; KG, MDR 2003, 471, 472; MünchKomm/ZPO/Aktualisierungsband-Rimmelspacher, § 531 Rdn. 28; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 19; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1904; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428; BT-Drs. 14/4722 S. 101 f.). Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze überspannt das Berufungsgericht indes die Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflicht einer klagenden Partei im Arzthaftungsprozeß. Der oben dargelegte Grundsatz, daß in einem Arzthaftungsprozeß an die Substantiierungspflicht des Klägers nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, gilt nämlich auch für Einwendungen gegen ein gerichtliches Gutachten. Die Partei ist nicht verpflichtet, bereits in erster Instanz ihre Einwendun-
gen gegen das Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf sachverständigen Rat zu stützen oder - wie das Berufungsgericht meint - selbst oder durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen , um Einwendungen gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu formulieren. Sie ist durchaus berechtigt, ihre Einwendungen zunächst ohne solche Hilfe vorzubringen (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 1981 - VI ZR 220/79 - VersR 1981, 752 und vom 10. November 1981 - VI ZR 92/80 - VersR 1982, 168; BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 321/02 - VersR 2004, 83, 84). Das Gesetz zur Reform der Zivilprozeßordnung hat an diesen Grundsätzen nichts geändert, weil der dafür maßgebende Gesichtspunkt, die Waffengleichheit zwischen Arzt und Patienten zu gewährleisten, weiter gilt. Die Klägerin hat in erster Instanz das gerichtliche Gutachten nicht hingenommen , sondern mit substantiierten Ausführungen in Frage gestellt. Bei dieser Sachlage kann es nicht als Nachlässigkeit angesehen werden, wenn sie in zweiter Instanz ihren Angriff konkretisiert hat, nachdem ihr zweitinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter durch eigene medizinische Recherchen zusätzliche Informationen über die Behandlung eines Trümmerbruchs erlangte. Daß sich die Klägerin bereits erstinstanzlich durch zwei Fachärzte hat beraten lassen und hierbei möglicherweise nicht vollständig informiert wurde, geht nicht zu ihren Lasten. Der Patient und sein Prozeßbevollmächtigter sind nämlich nicht verpflichtet , sich zur ordnungsgemäßen Prozeßführung medizinisches Fachwissen anzueignen. Im konkreten Fall hätte überdies auch für das erstinstanzliche Gericht Veranlassung bestanden, den Sachverständigen nach einer Behandlungsalternative zu befragen, nachdem dieser ausgeführt hatte, nach Angaben in der Fachliteratur komme es erfahrungsgemäß bei dem angewandten Spickdrahtosteosyntheseverfahren bei einem Bruch wie dem vorliegenden in etwa 20 % der Fälle zu einem Korrekturverlust. Unter diesen Umständen war mit dem
Sachverständigen zu erörtern, wie die Praxis dieses beträchtliche Risiko zu vermeiden oder zu verringern suchte.
c) Bei der mithin gebotenen Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin zur Behandlungsalternative mußten sich für das Berufungsgericht konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ergeben, die eine erneute Tatsachenfeststellung geboten. Hier hat die Klägerin nämlich nach den von ihrem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten durchgeführten Recherchen in der Berufungsbegründung ausführlich und substantiiert vorgetragen und durch Nachweise aus der medizinischen Fachliteratur belegt, daß ihrer Ansicht nach eine vorzugswürdige Behandlungsmethode hätte angewendet werden müssen.

III.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich die Berücksichtigung des übergangenen Vortrags zum Bestehen einer Behandlungsalternative auf
die Beurteilung des Rechtsstreits ausgewirkt hätte. Deshalb war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur Nachholung der gebotenen Feststellungen zurückzuverweisen.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 182/11 Verkündet am:
9. November 2012
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Bei einem Grundstückskaufvertrag haftet auch die vollmachtlos vertretene Vertragspartei
nicht schon dann auf Ersatz der vergeblichen Vertragskosten, wenn sie
die als sicher erscheinende Genehmigung ohne triftigen Grund verweigert, sondern
nur, wenn eine besonders schwerwiegende, in der Regel vorsätzliche Treuepflichtverletzung
vorliegt, etwa das Vorspiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen
Genehmigungsbereitschaft.

b) Ist der Vertrag aufschiebend bedingt, haftet die Vertragspartei auch bei einer besonders
schwerwiegenden Treuepflichtverletzung auf Ersatz der vergeblichen Vertragskosten
nur, wenn anzunehmen ist, dass die Bedingung bei Erteilung der Genehmigung
eingetreten wäre.
Die gesetzliche Kostenregelung in § 448 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass der Kaufvertrag
wirksam wird.
BGH, Urteil vom 9. November 2012 - V ZR 182/11 - OLG Karlsruhe
LG Heidelberg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. November 2012 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann und die
Richter Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Czub und Dr. Kazele

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22. Juni 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverweisen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Eine Investorin beabsichtigte, Truppenunterkünfte errichten zu lassen. Dazu sollte eine Kommanditgesellschaft als Projektgesellschaft mit der Beklagten als Komplementärin und der Investorin als Kommanditistin gegründet werden. Die Verhandlungen mit dem Kläger über den Ankauf der benötigten Grundstücke in einer Gesamtgröße von etwa 182.000 m² und die Errichtung der Unterkünfte führte der Geschäftsführer der Beklagten, ein Rechtsanwalt. Ergebnis dieser Verhandlungen war der Entwurf eines Grundstückskaufvertrags, demzufolge der Kläger der Projektgesellschaft die Grundstücke zu einem Gesamtpreis von 75,5 Mio. € verkaufen, der Vertrag aber unter anderem "unter der aufschiebenden Bedingung [stehen sollte], dass die vom Käufer hinsichtlich des Kaufgegenstands durchgeführte sog. due-diligence-Prüfung und Bewertung zufrieden stellend verläuft". Bei der Beurkundung des Kaufvertrags war die Projektgesellschaft durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht vertreten. Der Vertrag wurde nicht genehmigt. Der Kläger zahlte die Notarkosten von 60.637,84 € und verlangt von der Beklagten vollständige Erstattung dieser Kos- ten nebst Zinsen.
2
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte hat die Verurteilung in Höhe der Hälfte der Klagesumme hingenommen und im Übrigen - wegen eines Betrags von 30.318,92 € nebst Zinsen - ohne Erfolg Berufung ein- gelegt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision möchte die Beklagte die Abweisung dieses Teils der Klage erreichen. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht meint, die Beklagte habe dem Kläger wegen Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten die gesamten Beurkundungskosten zu ersetzen. Sie habe die Genehmigung des Vertrags ohne triftigen Grund verweigert , obwohl sie in zurechenbarer Weise bei dem Kläger Vertrauen auf das wirksame Zustandekommen des Vertrages erwirkt habe. Dieser sei vollständig ausgehandelt gewesen. Die notarielle Beurkundung sei von den Vertretern der Beklagten veranlasst worden. Der Kläger habe deshalb davon ausgehen dürfen , dass der beurkundete Vertrag genehmigt werde.

II.

4
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
5
1. Die Beklagte ist rechtskräftig verurteilt, dem Kläger die Hälfte der vergeblich aufgewandten Beurkundungskosten - 30.318,92 € - zu ersetzen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Beklagte die Beurkundung veranlasst hat und nach § 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 KostO für die Kosten mit dem Kläger, der in der Urkunde Erklärungen abgegeben hat, gesamtschuldnerisch haftete. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist deshalb nur die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger mehr als die Hälfte der Beurkundungskosten zu ersetzen.
6
2. Das Berufungsgericht leitet eine solche Verpflichtung der Beklagten aus § 280 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 241 Abs. 2 und § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten ab. Die Feststellungen tragen dieses Ergebnis jedoch nicht. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hat die Beklagte ihre vorvertraglichen Schutzpflichten gegenüber dem Kläger nicht schon dadurch verletzt, dass sie die Genehmigung des Vertrags ohne triftigen Grund verweigert hat.
7
a) Im Rahmen der Privatautonomie hat jede Partei bis zum Vertragsabschluss das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertrag Abstand zu nehmen. Aufwendungen, die in Erwartung des Vertragsabschlusses gemacht werden, erfolgen daher grundsätzlich auf eigene Gefahr (BGH, Urteil vom 22. Februar 1989 - VIII ZR 4/88, ZIP 1989, 514, 515; MünchKomm-BGB/ Emmerich, 6. Aufl., § 311 Rn. 175). Nur wenn der Vertragsschluss nach den Verhandlungen zwischen den Parteien als sicher anzunehmen ist und in dem hierdurch begründeten Vertrauen Aufwendungen zur Durchführung des Vertrages vor dessen Abschluss gemacht werden, können diese vom Verhandlungspartner unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten zu erstatten sein, wenn er den Vertragsabschluss später ohne triftigen Grund ablehnt (BGH, Urteile vom 6. Februar 1969 - II ZR 86/67, WM 1969, 595, 597, vom 12. Juni 1975 - X ZR 25/73, WM 1975, 923, 924 und vom 7. Februar 1980 - III ZR 23/78, BGHZ 76, 343, 349). Davon geht das Berufungsgericht noch zutreffend aus.
8
b) Es hat aber übersehen, dass an die Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten bei einem Grundstückskaufvertrag strengere Anforderungen zu stellen sind. Bei einem solchen Vertrag löst die Verweigerung der Mitwirkung an der Beurkundung durch einen Verhandlungspartner nicht schon dann Schadensersatzansprüche aus, wenn es an einem triftigen Grund dafür fehlt, sondern nur, wenn eine besonders schwerwiegende, in der Regel vorsätzliche Treuepflichtverletzung vorliegt, wie sie beispielsweise beim Vorspiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen Abschlussbereitschaft gegeben ist. Begründete schon das Fehlen triftiger Gründe für die Verweigerung der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags die Haftung des Verhandlungspartners, bedeutete das nämlich einen indirekten Zwang zum Abschluss des Vertrags. Ein solcher Zwang liefe dem Zweck der Formvorschrift des § 311b BGB zuwider, nach der wegen der objektiven Eigenart des Vertragsgegenstandes eine Bindung ohne Einhaltung der Form verhindert werden soll (Senat, Urteile vom 18. Oktober 1974 - V ZR 17/73, NJW 1975, 43, 44, vom 8. Oktober 1982 - V ZR 216/81, WM 1982, 1436, 1437 und vom 29. März 1996 - V ZR 332/94, NJW 1996, 1884, 1885). Entschieden ist das bisher für Fälle, in denen der Verhandlungspartner die Mitwirkung an der Beurkundung verweigert hat. Für die hier vorliegende Konstellation, dass der Verhandlungspartner bei der Beurkundung durch einen vollmachtlosen Vertreter vertreten wird und die Genehmigung des Vertrags verweigert, gilt nichts anderes. Denn nach der Vorschrift des § 311b BGB soll eine Bindung erst und nur eintreten, wenn der aus dem Vertrag Verpflichtete die zu seiner Bindung erforderlichen Erklärungen formgerecht abgegeben, bei einem Abschluss durch vollmachtlosen Vertreter also den Vertrag formgerecht genehmigt hat. Das Berufungsgericht durfte deshalb nicht bei der Feststellung stehen bleiben, triftige Gründe für die Verweigerung der Genehmigung des Vertrags lägen nicht vor. Es musste vielmehr feststellen, ob die Beklagte über die Verweigerung der Genehmigung ohne triftigen Grund hinaus ihre Treuepflichten besonders schwerwiegend verletzt hat. Daran fehlt es.

III.

9
Die Sache ist nicht entscheidungsreif und deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
10
1. Im Hinblick auf eine Haftung wegen Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten wird zunächst festzustellen sein, ob die Beklagte ihre Treuepflicht besonders schwerwiegend verletzt hat.
11
a) Eine solche Treuepflichtverletzung kann nicht schon darin gesehen werden, dass die Beklagte mit dem Vertragsschluss durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht im Ergebnis eine einseitige Bindung des Klägers bis zur Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung erreicht hat, die dieser vermeiden wollte. Denn darauf hat sich der Kläger sehenden Auges eingelassen. Eine besonders schwerwiegende Verletzung der Treuepflicht wird vielmehr nur angenommen werden können, wenn die Käuferin dem Kläger eine tatsächlich nicht vorhandene Bereitschaft, das Handeln des vollmachtlosen Vertreters zu genehmigen , vorgespiegelt oder das Auftreten des vollmachtlosen Vertreters mit dem Kläger abgesprochen und die Erteilung der Genehmigung sicher in Aussicht gestellt hätte oder wenn sich ein ähnlich schwerwiegender Treubruch feststellen ließe. Dabei kommt es nicht auf die Vorstellungen des Klägers, sondern darauf an, wie ein Verkäufer in der Lage des Klägers Äußerungen oder aussagekräftiges Verhalten der Käuferin bei objektiver Betrachtung verstehen musste. Zu berücksichtigen ist auch, ob der beurkundete Vertrag dem verhandelten Entwurf entsprach oder ob er bei dem Notartermin gegenüber dem Entwurf noch nennenswerte inhaltliche Änderungen erfahren hat. Im zweiten Fall könnte die Verweigerung der vor dem Termin in Aussicht gestellten Genehmigung nur bei Vorliegen zusätzlicher Umstände als besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung angesehen werden.
12
b) Selbst wenn eine solche Verletzung der Treuepflicht in der neuen Verhandlung dargelegt und nachgewiesen werden sollte, führte das nicht ohne Weiteres zu einer Haftung der Beklagten. Vielmehr müsste der Kläger substantiiert darlegen und beweisen, dass der Vertrag wirksam geworden wäre.
13
Den dargestellten Grundsätzen der Haftung auf Schadensersatz wegen Verweigerung des Vertragsschlusses ohne triftigen Grund liegt der Gedanke zugrunde, dass der Vertrag nur an der verweigerten Mitwirkung am Vertragsschluss durch die andere Vertragspartei scheitert. Hier liegt indessen der Sonderfall vor, dass das Zustandekommen des Vertrags nicht allein von der Erteilung der Genehmigung abhing. Der Vertrag sollte nämlich unter anderem unter der aufschiebenden Bedingung stehen, dass die von der Käuferin vorgesehene due-diligence-Prüfung und Bewertung zufriedenstellend verliefen. Er wäre deshalb nicht schon mit der Genehmigung durch die vollmachtlos vertretene Käuferin wirksam geworden, sondern erst mit dem Eintritt dieser und der weiteren Bedingungen. Dann aber kommt eine Haftung auf Ersatz vergeblicher Vertragskosten nur in Betracht, wenn davon auszugehen ist, dass bei Mitwirkung der Beklagten am Vertragsschluss die aufschiebenden Bedingungen, unter denen der Vertrag stehen sollte, eingetreten wären.
14
2. Ferner wird zu prüfen sein, ob der Kläger Ersatz der Vertragskosten aufgrund der im Vertrag enthaltenen Regelung verlangen kann, dass die Kosten des Vertrags von dem Käufer getragen werden.
15
a) Allerdings setzen die gesetzliche Kostenregelung in § 448 Abs. 2 BGB und dieser entsprechende vertragliche Regelungen voraus, dass der Vertrag (erst einmal) wirksam wird (Erman/Grunewald, BGB, 13. Aufl., § 448 Rn. 6 aE; JurisPK/Leible, 5. Aufl., § 448 Rn. 23; MünchKomm-BGB/H. P. Westermann, 6. Aufl., § 448 Rn. 11 aE; Palandt/Weidenkaff, BGB, 72. Aufl., § 448 Rn. 6; Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 449 Rn. 2; aM Jauernig/Chr. Berger, BGB, 14. Aufl., § 448 Rn. 3 aE; HK-BGB/Saenger, 7. Aufl., § 448 Rn. 4 aE). Bei der Rückabwicklung eines nichtigen Vertrags könnte der Käufer die von ihm getragenen Vertragskosten zwar nicht dem Verkäufer anlasten (Senat, Urteil vom 6. Dezember 1991 - V ZR 311/89, BGHZ 116, 251, 256). Daraus folgt aber nicht, dass er unabhängig von dem Zustandekommen des Vertrags verpflichtet wäre, sie allein zu tragen. Es bleibt vielmehr bei seiner gesamtschuldnerischen Verpflichtung mit dem Verkäufer nach Maßgabe von § 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 KostO und dem im Grundsatz hälftigen Gesamtschuldnerinnenausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB.
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b) Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass hier etwas anderes vereinbart ist. Die auf konkret festzustellende Umstände zu stützende Auslegung des Kaufvertrags kann ergeben, dass die vertragliche Kostenregelung ausnahmsweise unabhängig von dem Zustandekommen des Vertrags gelten sollte. Die Parteien können eine gesonderte Vereinbarung darüber getroffen haben, dass der Käufer die Beurkundungskosten auch dann tragen soll, wenn der Vertrag im Übrigen nicht wirksam wird (vgl. OLG Köln, MDR 1974, 136, 137; Staudinger /Beckmann, BGB [2004], § 448 Rn. 22), oder dass die Notarkosten in ihrem Innenverhältnis als Gesamtschuldner anders verteilt werden sollen, als das der Regel des § 426 Abs. 1 BGB entspricht. Der Kläger hat eine Kostenfreistel- lungszusage der Beklagten behauptet und unter Beweis gestellt. Dem wird nachzugehen sein. Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Czub Kazele
Vorinstanzen:
LG Heidelberg, Entscheidung vom 16.03.2010 - 11 O 91/09 KfH -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 22.06.2011 - 7 U 77/10 -

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.