Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 11. Juli 2007 - 7 U 157/06

published on 11/07/2007 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 11. Juli 2007 - 7 U 157/06
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Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19.05.2006 - 10 O 787/05 - wird zurückgewiesen.

2. Die Streithelferin trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin ist am 03.01.2004 auf der G-Straße in P. gestürzt und verlangt wegen der dem Beklagten vorgeworfenen Verletzung der Räum- und Streupflicht Schmerzensgeld, Schadensersatz und Feststellung der Ersatzpflicht. Der Beklagte ist Pächter eines Tankstellengeländes, das sich zwischen der G-Straße und der K-Straße befindet. Die Grundstücksgrenze zur höher gelegenen G-Straße bildet eine mehrere Meter hohe Stützmauer, an der sich eine Treppe befindet, die zwischen 1,65 und 1,80 m oberhalb des Geländeniveaus der Tankstelle endet. Von der G-Straße ist der Zugang zu der Treppe durch ein Tor verschlossen, das durch eine Eisenkette mit Vorhängeschloss gesichert ist. Der Beklagte hat zu dieser Tür keinen Schlüssel. Das letzte Teilstück der Treppe und das verschlossene Metalltor befindet sich auf dem Grundstück der Stadt P., der Streithelferin der Klägerin.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug und der dort getroffenen Feststellungen Bezug verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen, da der Beklagte nicht originär streupflichtig und ihm die Streupflicht auch nicht durch die Satzung der Stadt übertragen worden sei.
Dagegen richtet sich die Berufung der Streithelferin, mit der diese das Begehren der Klägerin aus dem ersten Rechtszug in vollem Umfang weiter verfolgt und insbesondere die Auffassung des Landgerichts, dem Beklagten sei die Streupflicht nicht übertragen worden, beanstandet. Den Antrag festzustellen, dass der Beklagte auch für die G-Straße Räum- und Streupflichtig ist, hat die Streithelferin im Senatstermin zurückgenommen.
Der Beklagte rügt die Zulässigkeit der Berufung und verteidigt im übrigen das angegriffene Urteil.
Wegen des Sachvortrags im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
1. Die Berufung ist zulässig denn sie ist trotz der Einlegung „namens der Streithelferin“ als Berufung der Klägerin anzusehen, die die Streithelferin sie in Ausübung ihrer Befugnisse aus §§ 66, 67 ZPO eingelegt hat. Dies wird aus dem Gesamtzusammenhang von Berufungsschrift und Berufungsbegründung hinreichend deutlich (vgl. BGH NJW 1994, 1537), insbesondere nachdem die Streithelferin bereits im ersten Rechtszug mit Schriftsatz vom 13.12.2005 (I 125 f.) dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten ist.
2. Das Landgericht hat eine Haftung des Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu Recht verneint. Die dagegen gerichteten Berufungsangriffe rechtfertigen keine andere Beurteilung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
a) Originär verkehrssicherungspflichtig im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB war der Beklagte nicht, denn der Gehweg, auf dem die Klägerin nach ihrer Behauptung gestürzt ist, befindet sich auf einem Grundstück der Streithelferin. Von einer originären Verkehrssicherungspflicht des Beklagen gehen die Klägerin und ihre Streithelferin auch nicht aus.
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b) Die Übertragung der Räum- und Streupflicht durch § 2 der Streupflichtsatzung der Streithelferin vom 18.12.2001, bekanntgemacht am 15.01.2002, in der, gestützt auf § 41 Abs. 2 des Straßengesetzes Baden-Württemberg (StrG), die Streu- und Räumpflicht unter anderem den Besitzer von Grundstücken, die an einer Straße liegen oder von ihr eine Zufahrt oder einen Zugang haben, auferlegt wird, führt nicht zur Haftung des Beklagten. Nach dem Wortlaut dieser Satzungsbestimmung, an deren Rechtmäßigkeit keine Bedenken bestehen und auch von den Parteien nicht geäußert werden, obliegt zwar dem Beklagten als Pächter des Tankstellengrundstücks die Räum- und Streupflicht an dem diesem Grundstück zugewandten Gehweg der G-Straße, da das Tankstellengrundstück auch an dieser Straße liegt. Gleichwohl fehlt es an einer wirksamen Übertragung der Räum- und Streupflicht auf den Beklagten durch diese Satzung.
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aa) Allerdings folgt dies nicht schon daraus, dass der Beklagte nicht als Straßenanlieger anzusehen ist, denn die dafür maßgeblichen Kriterien, wie sie in der Legaldefinition in § 15 Abs. 1 StrG niedergelegt sind, treffen auf den Beklagten zu. Dieser ist Besitzer eines Grundstücks, das an einer Straße liegt. Bereits deshalb ist er auch Straßenanlieger im Sinne von § 41 Abs. 2 StrG. Denn es ist grundsätzlich unbedenklich, das Angrenzen an eine Straße zum Anknüpfungspunkt für eine auf diese Straße bezogene Sicherungspflicht zu nehmen, da Straßen die Zugänglichkeit einer Grundstücks ungeachtet der Besonderheiten des Einzelfalls generell verbessern und für die Bewohner vorteilhaft sind, weshalb eine Regelung, die insofern auf weitere Differenzierungen verzichtet, wegen der dafür sprechenden beachtlichen Gründe rechtlich möglich ist. Abgesehen von dem hohen Regelungsaufwand, den eine Abstufung nach wie immer gewichteten Erschließungsvorteilen erfordern würde, lassen sich die besonderen Probleme der winterlichen Gehwegsicherung durch eine umfassende Abwälzung auf die Grundstückseigentümer und -besitzer zweckmäßig und sachgerecht und damit auch wirksam lösen (vgl. BVerwG, NJW 1988, 2121, 2122). Deshalb ist die Streupflichtsatzung der Streithelferin der Klägerin nicht schon deshalb zu beanstanden, weil sie Abwälzungen der Räum- und Streupflicht nach Inhalt und Umfang nicht von einer Bewertung der tatsächlichen Vorteile durch die angrenzende Straße abhängig gemacht hat (vgl. auch Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 11.11.1993 - 5 S 2606/92 - , Rn. 18, 19 = BWGZ 1994, 619).
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bb) Allerdings ist bei der Auslegung dieser Bestimmung höherrangiges Recht und insbesondere das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten, denn willkürlich und mit dieser Bestimmung unvereinbar wäre eine undifferenzierte Begründung einer Räum- und Streupflicht auch für solche Straßen, zu denen der Grundstückseigentümer oder -besitzer aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keinen Zugang nehmen kann, denn dann kann von einem wie auch immer zu bestimmenden Vorteil durch die Straße nicht mehr die Rede sein. Ein Grundstückseigentümer oder -besitzer, dem gleichwohl diese Pflicht auferlegt werden würde, wäre dadurch in grundlegend anderer Weise betroffen als die übrigen Grundstückseigentümer, bei denen der Ausübung der Verkehrssicherungspflicht ein Vorteil in Gestalt einer Zugangsmöglichkeit gegenüber steht. Dieser qualitative Unterschied muss beachtet werden und führt dazu, dass im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der Streupflichtsatzung der Streithelferin und der Ermächtigungsgrundlagen, auf die sich diese Satzung stützt, die Satzungsbestimmung einschränkend dahingehend interpretiert werden muss, dass das Angrenzen eines Grundstücks an eine Straße dann zur Abwälzung der Räum- und Streupflicht nicht ausreicht, wenn ein Zugang von diesem Grundstück zur Straße aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht NJW 1988, 2121, 2122; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 14.11.2006 - 5 S 2619/05 - Rn. 25 bis 27; Urteil vom 11.11.1993, a.a.O., Rn. 21 ff.).
13 
cc) Eine solche tatsächliche Zugangsmöglichkeit vom Tankstellengrundstück zur Straße besteht hier aufgrund des unstreitigen Sachverhalts nicht. Dabei kann offen bleiben, ob die Streithelferin den Beklagten darauf verweisen kann, dass er den Höhenabstand zwischen dem Ende der Treppe und dem Niveau des Tankstellengeländes durch bauliche Maßnahmen überwinden und dadurch die Nutzbarkeit der Treppe herstellen könnte, obwohl ungeklärt ist, ob der Beklagte als Pächter des Grundstücks zu entsprechenden baulichen Maßnahmen befugt ist. An der tatsächlichen Zugangsmöglichkeit fehlt es jedenfalls deshalb, weil dieser durch den auf dem Straßengrundstück der Streithelferin befindlichen Metallzaun mit der in diesen integrierten verschlossenen Tür gehindert ist und der Beklagte - wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, worauf der Senat zustimmend verweist - keine tatsächliche oder rechtliche Möglichkeit hat, diese Sperrung des Zugangs zu beseitigen. Aufgrund dieser Maßnahmen der Streithelferin steht jedenfalls fest, dass der Beklagte keinerlei Vorteile durch die angrenzende Straße hat, die eine sachliche Rechtfertigung für die Übertragung der Räum- und Streupflicht liefern könnten. Der Beklagte ist daher, selbst wenn er als Straßenanlieger im Sinne von § 2 der Streupflichtsatzung gilt, nicht räum- und streupflichtig, da diese Satzungsbestimmung zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG einschränkend auszulegen ist.
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c) Damit scheidet eine Haftung des Beklagten sowohl aus einer originären als auch aus einer auf ihn übertragenen Verkehrssicherungspflicht aus, Ansprüche der Klägerin bestehen nicht.
III.
15 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Revision wird nicht zugelassen, da Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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published on 14/11/2006 00:00

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 3. August 2005 - 1 K 604/04 - wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestan
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Annotations

(1) Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, kann dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten.

(2) Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung, auch in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels, erfolgen.

Der Nebenintervenient muss den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der er sich zur Zeit seines Beitritts befindet; er ist berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, insoweit nicht seine Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen. Für ihn gelten die §§ 141 und 278 Absatz 3 entsprechend.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.