Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 13. Jan. 2015 - 2 Ws 2/15
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - H. vom 26. November 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert wird auf EUR 1.000,00 festgesetzt (§§ 65, 60, 52 GKG).
Gründe
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In gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, ist der Wert von Amts wegen festzusetzen. § 63 Absatz 3 gilt entsprechend.
Für die Bestimmung des Werts in gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, ist § 52 Absatz 1 bis 3 entsprechend anzuwenden; im Verfahren über den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs einer Maßnahme der Vollzugsbehörde oder auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gilt § 52 Absatz 1 und 2 entsprechend.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt richtet sich nach Landesrecht, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. § 51 Abs. 4 und 5 sowie § 75 Abs. 3 gelten entsprechend.
(2) Für die Erhebung der Kosten der Unterbringung gilt § 50 entsprechend mit der Maßgabe, dass in den Fällen des § 50 Abs. 1 Satz 2 an die Stelle erhaltener Bezüge die Verrichtung zugewiesener oder ermöglichter Arbeit tritt und in den Fällen des § 50 Abs. 1 Satz 4 dem Untergebrachten ein Betrag in der Höhe verbleiben muss, der dem Barbetrag entspricht, den ein in einer Einrichtung lebender und einen Teil der Kosten seines Aufenthalts selbst tragender Sozialhilfeempfänger zur persönlichen Verfügung erhält. Bei der Bewertung einer Beschäftigung als Arbeit sind die besonderen Verhältnisse des Maßregelvollzugs zu berücksichtigen. Zuständig für die Erhebung der Kosten ist die Vollstreckungsbehörde; die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung andere Zuständigkeiten begründen. Die Kosten werden als Justizverwaltungsabgabe erhoben.
(3) Für das gerichtliche Verfahren gelten die §§ 109 bis 121 entsprechend.
(4) Soweit nach den Vollzugsgesetzen eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder gerichtlichen Genehmigung bedarf, gelten die §§ 121a und 121b entsprechend.
(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.
(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
(1) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt richtet sich nach Landesrecht, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. § 51 Abs. 4 und 5 sowie § 75 Abs. 3 gelten entsprechend.
(2) Für die Erhebung der Kosten der Unterbringung gilt § 50 entsprechend mit der Maßgabe, dass in den Fällen des § 50 Abs. 1 Satz 2 an die Stelle erhaltener Bezüge die Verrichtung zugewiesener oder ermöglichter Arbeit tritt und in den Fällen des § 50 Abs. 1 Satz 4 dem Untergebrachten ein Betrag in der Höhe verbleiben muss, der dem Barbetrag entspricht, den ein in einer Einrichtung lebender und einen Teil der Kosten seines Aufenthalts selbst tragender Sozialhilfeempfänger zur persönlichen Verfügung erhält. Bei der Bewertung einer Beschäftigung als Arbeit sind die besonderen Verhältnisse des Maßregelvollzugs zu berücksichtigen. Zuständig für die Erhebung der Kosten ist die Vollstreckungsbehörde; die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung andere Zuständigkeiten begründen. Die Kosten werden als Justizverwaltungsabgabe erhoben.
(3) Für das gerichtliche Verfahren gelten die §§ 109 bis 121 entsprechend.
(4) Soweit nach den Vollzugsgesetzen eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder gerichtlichen Genehmigung bedarf, gelten die §§ 121a und 121b entsprechend.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Tenor
1) Hinsichtlich der durch Urteil des Landgerichts En vom 30.10.#####/####.12.1999 angeordneten Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus wird die durch Beschluss des OLG Düsseldorf vom 16.12.2013 bewilligte Aussetzung widerrufen (§ 67g StGB).
2) Hinsichtlich der durch das vorgenannte Urteil des Landgerichts En verhängten Freiheitsstrafe wird die durch Beschluss des OLG Düsseldorf vom 16.12.2013 bewilligte Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe wieder aufgehoben (§ 454a Abs. 2 StPO); der Antrag auf Reststrafenaussetzung wird abgelehnt.
3) Es wird Sicherungsunterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§§ 453c, 463 Abs. 1 StPO).
1
Gründe
2I.
3Der 43 Jahre alte Untergebrachte befindet sich aufgrund der Urteile des Landgerichts En vom 30.10.#####/####.12.1999 im Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB.
4Durch diese am 21.04.1999 bzw. 14.12.1999 rechtskräftig gewordene Entscheidung ist er wegen sexueller Nötigung und versuchter sexueller Nötigung in zwei weiteren Fällen sowie wegen exhibitionistischer Handlung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren 2 Monaten verurteilt worden. Zugleich wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, weil auf Grund der festgestellten psychischen Störung (Persönlichkeitsstörung; emotional labil bei unterschwelliger Aggression; dissoziale Persönlichkeit) eine negative Gefährlichkeitsprognose (fortschreitend aggressive Sexualdelinquenz) im Sinne des § 63 StGB festgestellt worden war.
5Der Untergebrachte wuchs bei seiner Familie in En auf, erlangte den Hauptschulabschluss und absolvierte erfolgreich eine Lehre als Industriemechaniker. Aus der Bundeswehr wurde er nach mehrfachen Disziplinararresten vorzeitig entlassen. Anschließend konnte er beruflich nicht mehr Fuß fassen.
6Außerhalb der Familie verfügte er über keine engeren sozialen Beziehungen. Sein Denken und Fühlen kreiste um Vergewaltigungsphantasien.
7Im Alter von etwa 14 oder 16 Jahren schellte er bei einer Nachbarin, stieß sie in ihre Wohnung und versuchte, sie von hinten an die Brust zu fassen. Die Nachbarin zeigte den Vorfall an; der Jugendrichter des Amtsgerichts En wertete die Straftat jedoch nur als „einmaligen Jugendstreich“.
8Ungefähr seit 1992 streifte er – auch nachts – „gezielt durch die Gegend“, insbesondere durch Parkanlagen auf der Suche nach Frauen, die alleine unterwegs waren. Er versuchte auch, Frauen alleine in ihren Wohnungen zu überraschen. Dabei kam es auch zu sexuellen Übergriffen, die nicht angezeigt wurden.
9Die erste der Anlasstaten beging der Untergebrachte im Alter von 26 Jahren am 12.10.1997 in En zum Nachteil eines 14 Jahre alten Mädchens, das nachts mit einer Freundin nach dem Ende einer Musikveranstaltung über ein ehemaliges Zechengelände Richtung Nordfriedhof lief. Als das Kind ihn sah, schrie es, lief X, wurde aber vom Untergebrachten verfolgt. Er fasste das Opfer an die Brust, verfolgte es anschließend nochmals und hielt sie mit Gewalt fest. Auch mit ihrer Begleiterin, die ihrer Freundin zur Hilfe kam und mit einer Flasche auf den Untergebrachten einschlug, kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Die Mädchen konnten trotz einer erneuten Verfolgung durch den Untergebrachten entfliehen. Der Untergebrachte hat dazu erklärt, er habe gedacht, wenn zwei Mädchen alleine seien, dann könne er „etwas machen“. „Wenn sie anständig gewesen wären“, so wären sie ja nicht über den Friedhof gelaufen.
10Im November 1997 bedrohte er mit einem Kampfmesser (Klingenlänge 20 cm) eine 16 Jahre alte Schülerin, die er auf einen Friedhof dirigierte und zur Duldung von Berührungen an der Brust und zu Manipulationen an seinem Penis zwang (dieser Fall ist einer von mehreren, die nicht Gegenstand der Verurteilung sind; Gutachten xxx Seite 50: „Er habe ja alle Macht der Welt gehabt. Die Frau sei seiner Gunst ausgesetzt gewesen“).
11Am 21.02.1998 (Rosenmontag) fasste er – in Begleitung des Schäferhundes seines Vaters – wiederum einer ihm begegnenden fremden Frau an die Brust (insoweit erfolgte durch den BGH eine Einstellung gemäß § 154 StPO).
12Am 29.03.1998 belästigte er erneut zwei Frauen, wobei er sein Glied entblößte. Auch ihnen wollte er gewaltsam an die Brust fassen (insoweit gemäß § 154a StPO beschränkt auf den Vorwurf der exhibitionistischen Handlung).
13Am 24.04.1998 überfiel er nachts unter Einsatz eines Messers eine Frau, um sie an der Brust zu berühren, was angesichts der Gegenwehr des Opfers scheiterte.
14Am 05.05.1998 drang er nackt in die Wohnung einer Nachbarin ein, um gewaltsam gegen ihren Willen sexuell mit ihr zu verkehren (so auch nunmehr Ermittlungsakte StA Kleve 204 Js 35/14 Bl. 317: „wollte sie vergewaltigen“). Er streifte sich seine Strümpfe über die Hände und legte der schreienden Frau die Hand auf den Mund. Anschließend verließ er aufgrund der Gegenwehr der Frau die Wohnung.
15Der Betroffene befindet sich nach vorausgegangener Untersuchungshaft (ab 06.05.1998) seit dem 23.07.1999 (zunächst auf Grund einer einstweiligen Unterbringung; rechtskräftig ist die im genannten Urteil getroffene Unterbringungsanordnung seit dem 21.04.1999) im Maßregelvollzug. Ab dem 15.08.2008 war er in eine eigene Wohnung dauerbeurlaubt. Sehr vereinsamt wohnte er in xxxx (Ermittlungsakte Bl. 58 f., 108 f.).
16Nachdem die Klinik die Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung empfohlen hatte, holte die Kammer ein externes psychiatrisches Gutachten ein und hörte den Sachverständigen sowie den Untergebrachten vor der gesamten Kamer mündlich an.
17Durch Beschluss vom 06.11.2013 hat die Kammer sodann die Fortdauer der Unterbringung angeordnet und dies wie folgt begründet:
18„Die Überprüfung gemäß § 67 e StGB hat ergeben, dass der Maßregelvollzug (noch) fortdauern muss.
19Die weitere Vollstreckung der Unterbringung ist gemäß § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB nur dann zur Bewährung auszusetzen, wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Das kann vorliegend nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Es besteht nach wie vor die konkrete und überwiegende Gefahr, dass der Untergebrachte bei Aufhebung oder Außervollzugsetzung der Unterbringung infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Sexualdelikte begehen würde. Es wird insoweit Bezug genommen auf die eingehende gutachtliche Stellungnahme des therapeutischen Leiters der LVR - Klinik xxx vom 05.03.2013 und seiner Vertreterin im Termin der mündlichen Anhörung vom 06.11.2013 sowie auf die Ausführung des durch Beschluss der Kammer vom 05.03.2012 i.V.m. mit dem Beschluss der Kammer vom 19.07.2013 bestellten Sachverständigen Prof. Dr. U in seinem Gutachten vom 13.09.2013 sowie dessen mündlicher Erläuterung im Termin der mündlichen Anhörung vom 06.11.2013, wobei die Kammer an die ärztlichen Empfehlungen nicht gebunden ist, sondern vielmehr verpflichtet ist, die Kriminalprognose eigenständig zu beurteilen.
20Die für die Anlassdelikte und die Wiederholungsgefahr mitursächliche Beeinträchtigung im Sinne der Eingangsmerkmale des § 20 StGB ordnet die Klinik wie folgt ein:
21- Ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 F 60.6 (zuvor eingeordnet als kombinierte Persönlichkeitsstörung nach ICD 10: F 61.0);
- nicht näher zu bezeichnende sexuelle Entwicklungsstörung (ICD-10 F 66.9).
Hinsichtlich der daraus resultierenden negativen Kriminalprognose hat die bisherige Maßregelvollzugsbehandlung – trotz der von der Klinik geschilderten Fortschritte – noch nicht zu einer ausreichenden Besserung geführt.
23Die externe psychologische Sachverständige xxx stellte nach den ersten vier Jahren Maßregelvollzug zum Rückfallrisiko in ihrem Gutachten 2003 fest:
24„Folgende Aspekte ergaben eine eher negative Bewertung:
25- 1.26
zufällige Opferwahl,
- 2.27
hohe Frequenz der Straftaten,
- 3.28
Delikte mit hoher statistischer Rückfallwahrscheinlichkeit,
- 4.29
Delinquenzbeginn in der Jugend,
- 5.30
nicht allein Ausdruck lebensphasischer Veränderungen,
- 6.31
deliktfördernde Ansichten über Frauen,
- 7.32
Persönlichkeitsentwicklung nicht unauffällig,
- 8.33
im Sexualleben deutliche Abweichungen,
- 9.34
progredienter Verlauf der Taten,
- 10.35
erhebliche Beeinträchtigung seiner sozialen und beruflichen Leistungsfähigkeit,
- 11.36
ausschließlich instabile Arbeitsverhältnisse,
- 12.37
teilweise unrealistische Erwartungen,
- 13.38
gestörte Kommunikationsfähigkeit,
- 14.39
keine stabile Partnerschaften,
- 15.40
deutliches Unvermögen, sich an wechselnde Situationen anzupassen,
- 16.41
Taten geschehen immer aus ähnlichen Konstellationen heraus,
- 17.42
geringe Frustrationstoleranz,
- 18.43
häufig reagiert er impulsiv,
- 19.44
er ist nicht immer bereit, die Notwendigkeit einzelner Therapieschritte anzuerkennen,
- 20.45
Sozialkontakte fehlen fast völlig,
- 21.46
er hat derzeit noch keine realistischen Pläne oder einen sogenannten sozialen Empfangsraum, der ihm nach seiner Entlassung zur Verfügung stehen könnte,
- 22.47
Konflikte und geringe Toleranz gegenüber Mitpatienten.
Folgende Bewertungen sind positiv im Sinne einer Risikoeinschätzung:
49- 1.50
er erkennt und akzeptiert zumindest teilweise das Abweichende seines Verhaltens,
- 2.51
er stellt seine Delikte offen dar,
- 3.52
er bemüht sich, sich intensiv mit seiner Tat auseinander zu setzen,
- 4.53
er versucht, seine Motive zu ergründen,
- 5.54
die diagnostizierte Persönlichkeitsstörung ist grundsätzlich behandelbar,
- 6.55
zu seinem Therapeuten besteht eine vertrauensvolle Bindung,
- 7.56
Herr L bemüht sich um eine Therapie,
- 8.57
er legt großen Wert auf anschließende Nachsorge,
- 9.58
er akzeptiert Unterstützung und Hilfe nach einer Entlassung aus der Klinik,
- 10.59
er zeigt eine hohe Angepasstheit an die Bedingungen der Institution.“
Eine Vielzahl der negativen Kriterien (u. a. Nr. 1-5, 8, 9, 14, 16, 20) liegen unverändert vor.
61Der externe psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. U hat 2007 u.a. ausgeführt:
62„Die Deliktprognose ist umso besser, je verlässlicher sich Herr L in einem nachbetreuenden Setting befindet. … Herrn L kann vor allen Dingen dann eine gute Sozial- und Kriminalprognose gegeben werden, wenn die Wiedereingliederung wie geplant in kleinen Schritten erfolgt, und es noch auf Jahre begleitende Hilfe gibt.“
63Am 15.08.2008 konnte der Untergebrachte in eine eigene Wohnung in Emmerich dauerbeurlaubt werden. Seine Tätigkeit in der Arbeitstherapie im Bereich Gärtnerei behielt er zunächst weiter bei. Die verantwortliche Betreuung des Untergebrachten wurde 2008 durch die Forensische Überleitungs- und Nachsorgeambulanz übernommen. Im Jahre 2010 haben sich die sozialen Kompetenzen des Untergebrachten nur geringfügig verbessert, wobei er teilweise durchaus bemüht war, private Kontakte aufzubauen.
64In ihrem Gutachten vom 14.04.2010 stellte die externe psychologische Sachverständige xxx fest:
65„Herr L zeigt weiterhin deutliche Züge einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeit, passiv-aggressive Persönlichkeitszüge mit Merkmalen einer unreifen Persönlichkeitsstörung treten nicht mehr so sehr in Erscheinung, die psychosexuelle Entwicklungsstörung ist weiterhin deutlich zu beobachten. … gesundheitliche Probleme … Hinsichtlich seiner Fähigkeiten, Kontakte zu knüpfen, hat er kaum Fortschritte gemacht: Er kann keine Kontakte zu anderen Menschen knüpfen. Er ist vollkommen einsam. Er hat erhebliche Probleme, sich sexuell zu befriedigen … An seiner Grundstörung hat sich kaum eine Veränderung ergeben … Derzeit ist die Sozialprognose nicht sehr günstig. … Die Legalprognose wird entscheidend davon abhängen, ob es ihm gelingt, die selbstunsichere gehemmte Persönlichkeitsstörung soweit abzuschwächen, dass das Kontaktverhalten des Herrn L ihm angemessene Sozialkontakte ermöglicht, damit seiner Einsamkeit begegnet und ihm vielleicht auch das Zutrauen gibt, eine Partnerschaft einzugehen. … In der Gesamtheit ergibt sich hier noch ein Bild, das noch eine eher ungünstige Prognose zum Ergebnis hat. … es ist zu befürchten, dass er keine angemessenen Bewältigungsstrategien zur Verfügung hat und auch ohne konkrete Hilfe zukünftig nicht haben wird. Weiterhin wird er sehr einsam sein und es ist auf längere Sicht zu befürchten, dass er ein solches Leben nicht aushalten kann, was irgendwann wieder zu unangemessenen Verhaltensweisen, auch in Form neuerer Delinquenz führen kann. .. Hier besteht immer wieder die Gefahr, dass er aus seiner Not heraus zu unangemessenen Mitteln der Kontaktaufnahme greift … Eine bedingte Entlassung aus der Unterbringung ist kurz- und auch mittelfristig nicht zu empfehlen.“
66Diese Befürchtungen sind nach wie vor aktuell, zumal die einzigen Sozialkontakte (Arbeitsplatz und Kontakt zu betagten Vater) jederzeit wegbrechen können.
67Die Bemühungen, den Untergebrachten auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, mündeten schließlich darin, dass der Untergebrachte ab dem 01.03.2010 in einer Integrationsmaßnahme für psychisch beeinträchtigte Menschen beim xxx Berufs-Förderungs-Zentrum in xxx (beim Christlichen Jugenddorf Werk Deutschland in xx) eine einjährige Arbeitsmaßnahme absolvierte. Am 04.04.2011 fand er Beschäftigung über das Zeitarbeitsunternehmen xxx und wurde anschließend in zahlreichen Unternehmen eingesetzt. Hierbei bekam er wiederholt positive Rückmeldungen über seine Arbeitsleistungen und zeigte sich in der Einhaltung der Anforderungen sehr zuverlässig. Der Untergebrachte nahm darüber hinaus Behandlungstermine bei einer Sexualtherapeutin in Krefeld wahr. Nach sechs Behandlungsterminen hat er dies aufgrund beruflich bedingter Zeitprobleme jedoch wieder aufgeben. Daraufhin wurde Kontakt zur AWO xxx hergestellt, welche ambulante Behandlungen für Sexualstraftäter auch in xxx anbietet. Da die zuständige Mitarbeiterin jedoch erkrankte, konnte der Untergebrachte lediglich dort zwei Termine wahrnehmen. Zurzeit führt er deshalb derartige Gespräche nicht mehr durch. An Außenkontakten verfügt er lediglich über den zu seinem 79- jährigen Vater.
68Der notwendige Aufbau eines sozialen Netzwerkes durch private Kontakte und eine aktive Freizeitgestaltung ist nach wie vor durch den Untergebrachten nicht erfolgt. Dies ist aber wichtig, um eine Vereinsamung, die zu einer psychischen Destabilisierung führen kann und auch für die Anlassdelikte mitursächlich war, zu vermeiden. Insofern ist – wie auch der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Anhörung erklärte – die weitere und regelmäßige Durchführung von Gesprächen mit einer Vertrauensperson (z.B. der AWO, eines Seelsorgers o.ä.) ebenfalls zielführend:
69„Es gibt ein kleines Restrisiko, das bleibt. Einschlägige Kriminalität kann ich mir heute nur noch in einer langen Kette negativer Ereignisse vorstellen, wenn z.B. die Entlassung aus dem Beruf droht und der Verlust der geliebten Wohnung und der Gang zu Ämtern notwendig wird und er sich mutterseelenallein fühlt. Er braucht daher Ansprechpartner und zwar nicht nur die FÜNA.“
70Dieses Restrisiko ist der Kammer noch zu groß.
71Im Hinblick auf die Arbeitszeiten und die von dem Untergebrachten zurückzulegenden Fahrtstrecken zur Therapieeinrichtung wäre - wie von ihm gewünscht – der Erwerb eines Führerscheins förderlich. Dies würde die Teilnahme an Gesprächen bei der AWO erleichtern und zudem den Erhalt einer Festanstellung (statt der wechselnden Tätigkeiten bei der Zeitarbeitsfirma ohne nähere Kontakte zu Arbeitskollegen) fördern
72Auch der Untergebrachte ist sich durchaus über den Wert sozialer Kontakte bzw. von Vertrauenspersonen bewusst. Insofern hat er im Hinblick auf die Anlassdelikte selbst im mündlichen Anhörungstermin angegeben:
73„Dann bin ich umhergestreift nachts. Ich hatte keine Arbeit und ich hatte nur meine Eltern. Die hatten da keinen großen Stellenwert.“
74Auch wenn die Kammer die Fortschritte durchaus anerkennt, muss zunächst eine weitere Stabilisierung erfolgen, z. B. durch Führerschein, Festanstellung, Sozialkontakte oder Aufnahme der Gespräche bei der AWO.
75Der Vollzug der Maßregel ist bei noch nicht abgeschlossener Behandlung angesichts der begangenen und drohenden Sexualdelikte weiterhin verhältnismäßig (§ 62 StGB). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Einschränkung der Freiheiten des Untergebrachten in der derzeitigen Dauerbeurlaubung weniger gravierend ist.“
76Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (III-2 Ws 594/13) – ohne eigene mündliche Anhörung des Untergebrachten oder des Sachverständigen und entgegen dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft (Bl. 747) - durch Beschluss vom 16.12.2013 (Vollstreckungsheft Bl. 752) die Fortdauerentscheidung der Kammer aufgehoben und die weitere Vollstreckung der Unterbringung sowie der Restfreiheitsstrafe mit Ablauf des 16.03.2014 zur Bewährung ausgesetzt. Zudem wurde (ohne Hinausschiebung des Beginns) Führungsaufsicht angeordnet. Zur Begründung führte das OLG aus, eine bedingte Entlassung erfolge, wenn zu erwarten sei, dass der Untergebrachte keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen werde. Diese Entlassungsvoraussetzung läge vor. Eine Negativprognose sei nicht zu stellen. Der Untergebrachte werde sehr wahrscheinlich nicht erneut strafrechtlich, insbesondere nicht sexualdelinquent, in Erscheinung treten. Soweit der Sachverständige bei der mündlichen Anhörung durch das Landgericht ein verbleibendes Restrisiko bejaht habe, vermöge dies die weitere Vollstreckung nicht zu rechtfertigen. Die Aussetzung sei daher zu verantworten. Sie sei auch mit dem staatlichen Strafanspruch und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit vereinbar.
77Dies erwies sich als – beinahe tödlicher – Irrtum.
78Bereits zwei Wochen nach der Entscheidung des OLG überfiel der Untergebrachte am 02.01.2014 in xxx die 33 Jahre alte Kathrin C, schlug und würgte sie, missbrauchte sie sexuell und versuchte sie durch Ersticken zu töten.
79Das Tatopfer hatte den Untergebrachten vereinbarungsgemäß gegen 10.00 Uhr in dessen Wohnung Im xxx x in xxx aufgesucht, um mit ihm die Modalitäten der Bewährung zu besprechen. Die Unterhaltung im Wohnzimmer verlief unauffällig. Als das Tatopfer nach Abschluss des etwa 45 N dauernden Gesprächs aufstand und die Wohnung verlassen wollte, überfiel sie der Untergebrachte plötzlich, ohne Vorankündigung und für das ahnungslose und körperlich eindeutig unterlegene Opfer völlig überraschend. Er fasste ihr mit einer Hand an den Hals und – zu seiner sexuellen Befriedigung (EA Bl. 289 und 292: „Ich wollte sie küssen“; Bl. 318: „Ich mag Brüste“) – mit der anderen an die Brust. Er drückte sie sodann aufs Sofa und legte sich – die Hand noch immer an ihrem Hals – auf sie. Mit einer Cola-Flasche schlug er ihr – zuvor nach hinten ausholend – mit Zielrichtung Gesicht gegen den Kopf (EA Bl. 301: „Es war eine Literflasche. Bei einer vollen Flasche ist es einfach, man nimmt sie und schlägt zu. Bei einer halbleeren Flasche ist es so, dass man darauf achten muss, dass die Flüssigkeit in der Flasche am Flaschenboden bleibt, um mehr Wucht zu haben. … Ja, das habe ich so vorgehabt. Ob ich das so geplant habe, weiß ich nicht, weil dann wäre ich ja ein Mörder. Aber es hat sowieso nicht funktioniert und Frau C hat ja mit den Händen abgewehrt“). Zudem schlug er ihr – irgendwann während des Überfalls - mit der Faust in den Bauch. Durch Würgen mit den Händen am Hals und indem er ihr ein Kissen mit Kraft länger gegen das Gesicht drückte und so die Luftzufuhr abschnitt, versuchte er, die Frau zu töten. Dazu umklammerte er auch ihren Kehlkopf und drückte fest zu (Bl. 217). Auch als das Opfer sich nicht mehr regte, ließ er nicht von ihr ab. Nachdem beide aufgrund der in Todesangst nunmehr wieder erfolgten heftigen Gegenwehr der Frau vom Sofa heruntergerutscht waren, konnte das Opfer sich losreißen und fliehen. Der Untergebrachte sagte zweimal „Ich bin krank“ und suchte noch im Flur in einem Regal nach einer dort gelagerten Waffe (evtl. ein metallenes Computerteil oder ein Messer; EA Bl. 284: „Ich wollte sie auch mit dem Diskettenlaufwerk schlagen. Ich glaube, es war jetzt doch ein Messer.“; Im Rahmen der Durchsuchung konnten an der fraglichen Stelle zwei „Cuttermesser“ sichergestellt werden; EA Bl. 341-344), bevor er ihr nachlief. Sie konnte jedoch entfliehen. Neben kleineren Wunden (aufgeplatzte Lippe, Kratzwunden, Hämatome, Halsschmerzen) erlitt das Opfer erhebliche psychische Schäden, die zur zeitweiligen Arbeitsunfähigkeit führten.
80Der Untergebrachte tauchte unter. Er hielt sich auf seiner Flucht zeitweise in den xxx und zeitweise in der xxxx auf.
81Das Amtsgericht Kleve (10 Gs 204 Js 35/14 – 8/14) erließ am 03.01.2014 wegen der Tat vom Vortag Haftbefehl (Neufassung vom 15.01.2014 wegen versuchten Totschlags, besonders schwerer sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung; Ermittlungsakte Blatt 255).
82Zwei Wochen nach der Tat konnte er am 15.01.2014 in xxx verhaftet werden.
83Die Staatsanwaltschaft hat den Widerruf der Bewährung und einen Sicherungshaftbefehl beantragt (Blatt 856 VH).
84Die Kammer hat dem Untergebrachten eine Pflichtverteidigerin beigeordnet und ihn sowie den Psychiater Dr. T mündlich angehört.
85II.
861) Hinsichtlich der durch Urteile des Landgerichts En vom 30.10.#####/####.12.1999 angeordneten Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus wird die durch Beschluss des OLG Düsseldorf vom 16.12.2013 bewilligte Aussetzung widerrufen (§ 67g StGB).
87Durch die ebenfalls eingreifende Möglichkeit, die Aussetzungsentscheidung aufzuheben (§ 454a Abs. 2 StPO; vgl. nachfolgend II.2), wird der Widerruf der Aussetzung (§ 67g StGB) nicht unzulässig; vielmehr ist letzterer sogar vorrangig zu prüfen (LR-Graalmann-Scheerer, 26. Aufl., § 454a Rn. 17; KK-StPO-Appl, 7. Aufl. 2013, § 454a Rn. 7). Dass die Entlassung auf Bewährung noch nicht erfolgt war, steht dem Widerruf gemäß § 67g StGB ebenfalls nicht entgegen, da dieser hinsichtlich der Widerrufsgründe auf den Eintritt „während der Dauer der Führungsaufsicht“ abstellt, die hier aufgrund der Beschwerdeentscheidung des OLG am 16./17. Dezember 2013 begann (andernfalls würde § 67g Abs. 1 Satz 2 StGB eingreifen). Schließlich steht auch der Umstand, dass eine rechtskräftige Verurteilung wegen der neuen Tat noch nicht erfolgt ist, nicht entgegen, da der Untergebrachte die ihm zur Last gelegte Tat vollumfänglich gestanden hat (sehr eingehende und vorbildliche Beschuldigtenvernehmung mit Lichtbildern, Skizzen und Eindrucksvermerk durch die Kripo xxx Ermittlungsakte Bl. 268 bis 326; richterliche Vernehmung Bl. 262).
88Der Untergebrachte hat während der Dauer der Führungsaufsicht eine rechtswidrige Tat begangen (§ 67g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB), nämlich am 02.01.2014 den vorstehend dargestellten versuchten Totschlag in Tateinheit mit besonders schwerer sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung.
89Der Untergebrachte hat eingeräumt, sein Angriff sei ohne vorherigen Streit oder Ankündigung plötzlich erfolgt, er gesteht, das Tatopfer an die Brust gefasst zu haben, ihr mit einer Flasche auf den Kopf gehauen zu haben, ihr an den Hals bzw. Kehlkopf gepackt zu haben (vgl. Fotos Bl. 312 f.), sie „mit beiden Händen am Hals gewürgt,“ zeitweise den Mund zugehalten und das Kissen auf den Mund gedrückt („Drei N, zwei N oder fünf N“) zu haben (EA Bl. 283 ff.).
90Schon die Tatausführung lässt auf einen Tötungsvorsatz schließen. Auch das Tatopfer hatte den Eindruck, dass der Untergebrachte sie umbringen wollte (EA Bl. 219). Das stimmt überein mit den Angaben des Untergebrachten:
91„Dann habe ich sie weiter am Hals gepackt und wollte sie ersticken. Vielleicht 5 Sekunden. Ich habe sie am Kehlkopf gepackt (EA Bl. 283). … Mit dem Kissen habe ich versucht, sie zu würgen, ach nein, zu ersticken (EA Bl. 289). … [Auf Frage bzgl. des Drückens am Kehlkopf:] Man kann ersticken. Ich nehme an, wenn man da rein drückt, dann kann man ersticken, weil da ja die Luftröhre läuft (EA Bl. 2900) … [Frage: Sie haben vorhin nachgefragt, ob Frau C noch lebt. Wie kommt es zu dieser Frage? Antwort:] Weil den letzten Augenkontakt mit Frau C in der Wohnung, hatte sie ein rotes Gesicht. … Wissen Sie, ich habe sie ja am Kehlkopf gepackt. Und bei dem Kehlkopf ist ja gleich die Luftröhre (EA Bl. 303).“
92Ein Rücktritt liegt nicht vor. Die in Todesangst entwickelte heftige Gegenwehr des eigentlich körperlich eindeutig unterlegenen Opfers („ein Fliegengewicht“) führte zum Scheitern des Tötungsdeliktes. Als das Opfer floh, suchte der Untergebrachte im Flur nach einer weiteren Waffe (EA Bl. 299: „Ich wollte dann mit einem Laufwerk draufschlagen. Ins Gesicht oder auf den Kopf“; EA Bl. 284: „Ich wollte sie auch mit dem Diskettenlaufwerk schlagen. Ich glaube, es war jetzt doch ein Messer.“). Im Rahmen der Durchsuchung konnten an der fraglichen Stelle zwei „Cuttermesser“ sichergestellt werden (EA Bl. 341-344).
93Aus der neuen Tat ergibt sich, dass der Zweck der Maßregel (Schutz der Allgemeinheit vor auch in Zukunft gefährlichen Straftätern) die Unterbringung des Untergebrachten erfordert. Auch die für ihn günstigen ärztlichen Gutachten bzw. Stellungnahmen (vor der jetzigen Tat) gingen von einer fortbestehenden psychischen Beeinträchtigung aus (VH Bl. 582 und 719; vgl. auch die jetzige Einlassung des Untergebrachten EA Bl. 288: „Ich bin persönlichkeitsgestört“; Bl. 293: „Ich habe sexuelle Probleme“; Bl. 296: „Ich bin krank“). Der Psychiater Dr. T bestätigte, dass die Persönlichkeitsstörung und die sexuelle Entwicklungsstörung auch mitursächlich für den Überfall vom 02.01.2014 waren (VH Bl. 920R). Dass die jetzige Tat trotz jahrelanger Therapie erschreckende Parallelen zu den früheren Straftaten aufweist (Opfer jeweils Frauen; für diese völlig überraschende Überfälle; oft Messer als Tatmittel; Fassen an die Brust; vgl. EA Bl. 317 f.) und zudem eine beträchtliche Steigerung (Tötungsversuch), belegt die hohe Wiederholungsgefahr (VH Bl. 920R: „Das hätte auch jeden anderen treffen können“). So hat auch der Untergebrachte auf Vorhalt der bayerischen Polizei, dass er trotz langjähriger Therapie gefährlich sei und seine Unterbringung eventuell zum Schutze anderer Personen sinnvoll sei, erwidert: „Ja, wahrscheinlich ist es besser so“ (EA Bl. 3189).
94Dass es sich bei den hier begangenen und drohenden Tötungsdelikten, bei der besonders schweren sexuellen Nötigung (5 Jahre Mindestfreiheitsstrafe) und bei gefährlichen Körperverletzungen um „erhebliche Taten“ im Sinne des § 63 StGB handelt und dass angesichts der Schwere und der Schnelligkeit des Rückfalls der Widerruf verhältnismäßig ist und mildere Mittel nicht ausreichen, bedarf angesichts der vorliegend sehr klaren Sachlage keiner eingehenderen Begründung.
95Ob auch Mordmerkmale (§ 211 Abs. 2 StGB) vorliegen (Befriedigung des Geschlechtstriebs, niedriger Beweggrund, Heimtücke, Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht), kann hier dahingestellt bleiben. Daher kann hier auch offenbleiben, welche Tatmotive handlungsleitend waren (EA Bl. 263 und 285: „Hass, dass sie [das Tatopfer] mir so viele Steine in den X gelegt hat, so viele Steine; sie hat sogar gesagt, ich wäre lebensunfähig.“).
96Durch das Untertauchen im In- und Ausland hat der Untergebrachte sich zudem der Aufsicht der Bewährungshelferin beharrlich entzogen, so dass auch der Widerrufsgrund des § 67g Abs. 1 Nr. 3 StGB eingreift.
972) Hinsichtlich der durch das Urteil des Landgerichts En vom 30.10.#####/####.12.1999 verhängten Freiheitsstrafe wird die durch Beschluss des OLG Düsseldorf vom 16.12.2013 bewilligte Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe wieder aufgehoben (§ 454a Abs. 2 StPO). Da bezüglich der Freiheitsstrafe – anders als bei der Unterbringung – die Vorschrift zum Widerruf (§ 56f StGB) nicht auf Verstöße während der (hier bereits laufenden) Zeit der Führungsaufsicht, sondern auf die (hier noch nicht begonnene) Bewährungszeit abstellt, greift hier der subsidiäre § 454a Abs. 2 StPO ein. Die Zuständigkeit der StVK folgt daraus, dass das Verfahren beim OLG bereits abgeschlossen ist, die weitere Überwachen/Ausgestaltung ausdrücklich der StVK auferlegt wurde (VH Bl. 761) und das OLG seine Zuständigkeit verneinte (VH Bl. 878-882). Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die [hier am 16.12.2013 bewilligte] „Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe bis zur Entlassung des Verurteilten [die hier für den 16.03.2014 vorgesehen war] wieder aufheben, wenn die Aussetzung aufgrund neu eingetretener Umstände oder bekannt gewordener Tatsachen unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht mehr verantwortet werden kann.“ Das ist hier der Fall. Das sehr schwerwiegende und einschlägige Sexual- und Gewaltdelikt vom 02.01.2014 belegt die fortbestehende Gemeingefährlichkeit des Verurteilten. Dass die neue Straftat noch nicht rechtskräftig abgeurteilt ist, steht der Aufhebung nicht entgegen (BVerfG NJW 1994, 377).
983) Gegen den Untergebrachten wird Sicherungsunterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§§ 453c, 463 Abs. 1 StPO). Da aufgrund der vorgenannten Umstände hinreichende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Aussetzung widerrufen wird, ist bis zur Rechtskraft des vorliegenden Widerrufsbeschlusses ein Sicherungsunterbringungsbefehl erforderlich, um sich des Untergebrachten/Verurteilten zu versichern. Mildere Maßnahmen reichen nicht aus, da angesichts der oben geschilderten Vorbelastungen, der gefahrbringenden psychischen Beeinträchtigung und der Tat vom 02.01.2014 mit hoher Wahrscheinlichkeit hinsichtlich weiterer Sexual-, Tötungs- und Körperverletzungsdelikte Wiederholungsgefahr besteht und zudem – angesichts des Untertauchens im Januar 2014 – Fluchtgefahr.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.