Oberlandesgericht Köln Urteil, 16. Nov. 2016 - 5 U 143/15
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 23. September 2015 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 25 O 302/12 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Kläger nehmen den Beklagten unter dem Gesichtspunkt ärztlicher Fehler im Rahmen der Schwangerschaftsbetreuung der Klägerin zu 1. während ihrer Schwangerschaft mit der Tochter L der Kläger auf Zahlung von Ersatz für materielle und immaterielle Schäden sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht zukünftiger Schäden in Anspruch.
4Der Beklagte ist niedergelassener Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe in H. Die klagenden Eheleute sind Eltern des Kindes L C, das am X. G XXXX per Kaiserschnitt zur Welt gebracht und bei dem nach der Geburt unter anderem ein Down-Syndrom (Trisomie 21) diagnostiziert wurde.
5Während der Schwangerschaft mit L wurde die am X. G XXXX geborene Klägerin zu 1. durch den Beklagten betreut. L ist das dritte Kind der Kläger. Der Beklagte hatte die Klägerin zu 1. bereits bei den beiden vorangegangenen Schwangerschaften ärztlich betreut, die komplikationslos verlaufen waren. In allen drei Schwangerschaften hatte die gesetzlich versicherte Klägerin zu 1. mit dem Beklagten ein von diesem angebotenes „Rundum sorglos Paket“ gegen Zuzahlung eines Betrages in Höhe von 150,00 Euro vereinbart.
6Die Betreuung der streitgegenständlichen Schwangerschaft durch den Beklagten begann am 17. Juni 2010. Zum damaligen Zeitpunkt war die Klägerin zu 1. 35 Jahre alt. Sie hatte zuvor bereits durch Kaiserschnitt entbunden und eine Fehlgeburt erlitten. Der errechnete Geburtstermin für L war der XX. G XXXX. Es erfolgten in der Zeit vom 28. Juni 2010 bis zum 20. Januar 2011 deutlich mehr als 10 weitere Termine der Klägerin zu 1. im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge beim Beklagten. Zuletzt wurde eine Überweisung durch den Beklagten am 31. Januar 2011 an den niedergelassenen Spezialist für pränatale Diagnostik Dr. S in L3 ausgestellt.
7Anfang Januar 2011 suchte die Klägerin zu 1. das L2 H zur Geburtsplanung auf. Bei einer dann durchgeführten Untersuchung der Klägerin zu 1. wurde dort geäußert, es liege eine Auffälligkeit vor, es bestehe der Verdacht, dass bei dem Kind nicht alles in Ordnung sei. Der Klägerin wurde daher eine einwöchige stationäre Aufnahme nahe gelegt, um dieser Auffälligkeit auf den Grund zu gehen. Dem wollte die Klägerin jedoch nicht zustimmen ohne Rücksprache mit dem Beklagten, den sie mit den Verdachtsmomenten konfrontierte. Der Beklagte untersuchte die Klägerin zu 1.. Was er daraufhin zur Klägerin sagte, ist streitig.
8Am 28. Januar 2011 musste die Klägerin zu 1. wegen einer Mandeloperation ihrer Tochter T erneut das L2 H aufsuchen. Da sie plötzliche Beschwerden entwickelte, suchte sie die dortige gynäkologische Abteilung auf und wurde vom diensthabenden Arzt mit Ultraschall untersucht. Er stellte erneut Auffälligkeiten fest und zog die zuständige Oberärztin hinzu. Der Klägerin wurde sodann mitgeteilt, es bestehe der Verdacht auf ein „double-bubble-Syndrom“, an dem das Kind leide, und es müsse im Anschluss an die Entbindung operiert werden. Deshalb suchte die Klägerin zu 1. am 31. Januar 2011 den Beklagten auf und konfrontierte ihn erneut mit den Aussagen der Ärzte aus dem L2 H. Der Beklagte stellte der Klägerin zu 1. eine Überweisung zu einem Pränataldiagnostiker aus. Am 1. Februar 2011 wurde die Klägerin von Dr. S in der Gemeinschaftspraxis für Pränatalmedizin und gynäkologische Ultraschalldiagnostik in L3 untersucht. Er bestätigte die Vermutung der Ärzte aus dem L2 H und erklärte, dass das Kind unter einer Chromosomenstörung leide, es liege ein „double-bubble-Syndrom“ vor. Es wurde noch für den gleichen Tag von Dr. S ein Untersuchungstermin in der V L3 vermittelt, wo sich dieser Befund erneut bestätigte. Das Kind wurde sodann vorzeitig per Kaiserschnitt am X. G XXXX in der V L3 entbunden. Die Kaiserschnittentbindung erfolgte bei Rückenmarksbetäubung. Nach der Geburt bestätigte sich der Verdacht auf die Chromosomenstörung Trisomie 21 (Down-Syndrom). Im Mai 2012 wurde L in der V L3 operiert.
9Die Kläger haben behauptet, dass die Betreuung der Schwangerschaft durch den Beklagten gegen seinerzeit anerkannte Grundsätze ärztlicher Kunst verstoßen habe. Der Beklagte hätte bei fachgerechter ärztlicher Vorgehensweise die Chromosomenstörung bei ihrer Tochter L frühzeitig im Schwangerschaftsverlauf feststellen müssen. Er habe gebotene bzw. vereinbarte pränatale Diagnostik unterlassen. Das „Rundum sorglos Paket“ habe über die begrenzten Kassenleistungen hinaus alle sinnvollerweise in Betracht kommenden Untersuchungen enthalten, um pränatale Schädigungen des Kindes abzuklären. Fehlerhaft sei gewesen, dass eine Nackenfaltenuntersuchung nicht vom Beklagten durchgeführt oder aber an dritter Stelle von ihm veranlasst worden sei. Der Beklagte habe die Klägerin nicht hinreichend über mögliche nicht-invasive und invasive pränataldiagnostische Methoden aufgeklärt.
10Die Kläger haben weiter behauptet, dass wenn die gebotene Diagnostik durchgeführt und fachgerecht beurteilt worden wäre, die erst spät zu Tage getretene Chromosomenstörung ihres Kindes bereits frühzeitig im Schwangerschaftsverlauf hätte festgestellt werden können. Die Kläger hätten sich dann früh für einen Abbruch der Schwangerschaft entschieden. Denn das dritte Kind sei für sie ohnehin eine nicht unerhebliche zusätzliche finanzielle Belastung gewesen und sie hätten sich, wenn sie früh von den zusätzlichen Belastungen aufgrund der Behinderung gewusst hätten, sich nicht zugetraut, diese zu bewältigen und hätten sich deshalb für den Schwangerschaftsabbruch entschieden. Ein solcher Schwangerschaftsabbruch wäre gemäß § 218 a StGB rechtmäßig gewesen. Die Kläger sind der Ansicht, dass die vom Beklagten geschuldete durchzuführende Diagnostik sie in die Lage hätte versetzen müssen, das ihnen vom Gesetzgeber zugebilligte Recht auszuüben, sich für einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden. Aufgrund der schweren Fehlbildung und unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Klägerin zu 1. wäre es angezeigt gewesen, die Gefahr einer schweren Beeinträchtigung ihres körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes durch einen Schwangerschaftsabbruch abzuwenden, weil die Gefahr nicht auf eine andere, für sie zumutbare Weise hätte abgewendet werden können. Auch wenn die Klägerin vor der dritten Schwangerschaft eine psychisch gesunde Frau gewesen sei, hätte die psychische Belastung der Klägerin bei frühzeitiger Mitteilung der Behinderung ihres Kindes gleichwohl ein derartiges Ausmaß angenommen, das sie sich zur Suizidgefahr gesteigert hätte. Es wäre eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihres seelischen Gesundheitszustandes zu befürchten gewesen, der nur durch Abbruch der Schwangerschaft hätte verhindert werden können. Zwar versuche die Klägerin zu 1. jetzt die Situation zu meistern, aber ob ihr dies gelinge, sowie ihrem Ehemann, sei noch offen.
11Es seien der Unterhaltsschaden sowie der behinderungsbedingte Mehraufwand der Kläger zu ersetzen. Insoweit haben die Kläger auf den Netto-Regelunterhalt gemäß der „Düsseldorfer Tabelle“ Bezug genommen [vgl. die Berechnung in der Klageschrift (Bl. 19 ff. d. A)]. Zudem sei ein Schmerzensgeld geschuldet, weil aufgrund des Unterlassens eines legalen Schwangerschaftsabbruches die Klägerin im Sinne einer Primärschädigung unmittelbar in ihrer Gesundheit durch den um einige Wochen vorgezogen und ohne Vollnarkose durchgeführten Kaiserschnitt geschädigt worden sei, bei dem die Rückenmarksnarkose erst nach mehrfachen schmerzhaften Versuchen zu einer weitgehenden Ausschaltung ihres Schmerzempfindens geführt habe. Sekundäre Schädigung sei, dass aus dem „Haben“ eines schwer behinderten Kindes eine erhebliche psychische Beeinträchtigung der Klägerin resultiere, die durch ein Schmerzensgeld auszugleichen sei.
12Die Kläger haben beantragt,
131.
14den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 1. ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,
152.
16festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1) sämtliche weiteren immateriellen Schäden zu ersetzen, welche dieser aus der fehlerhaften Behandlung durch den Beklagten in der Zeit vom 28. Juni 2010 bis zum 20. Januar 2011 entstanden sind und/oder noch entstehen werden,
173.
18den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger rückständigen Unterhaltsschaden für die Zeit vom 4. Februar 2011 bis zum 31. Dezember 2012 zu zahlen in Höhe von 26.388,59 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit,
194.
20den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 eine drei Monate im Voraus fällige (Mindest-) Unterhaltsschadensrente in Höhe von 3.441,99 Euro je Kalendervierteljahr zu zahlen,
215.
22den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 2448,10 Euro als Ersatz für bis zum 31. Dezember 2011 entstandene Fahrtkosten, Zuzahlungen usw. zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit,
236.
24festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern als Gesamtgläubiger sämtliche weiteren materiellen Schäden zu ersetzen, welche diesen aus der fehlerhaften Behandlung während der Schwangerschaft der Klägerin in der Zeit vom 28. Juni 2010 bis zum 20. Januar 2011 entstanden sind und/oder noch entstehen werden, und
257.
26Den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger den „anrechnungsfreien“ Teil der für die außergerichtliche Tätigkeit entstandenen Anwaltskosten zu zahlen in Höhe von 2.521,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit [dieser Antrag ist von den Klägern erstinstanzlich gestellt (vgl. Bl. 215 i. V. m. 3 d. A.) und infolge eines offenbaren Versehens im Sinne von § 319 ZPO im Tatbestand des angefochtenen Urteils nicht mit aufgeführt worden (vgl. S. 5 f., 6 des angefochtenen Urteils)].
27Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
28Der Beklagte ist den Behauptungen der Kläger und insbesondere dem Vorwurf schadensursächlicher Fehler entgegengetreten. Ergänzend hat er insbesondere vorgetragen, dass die Klägerin zu 1. am 2. August 2010 (SSW 12+0) ausführlich über mögliche pränataldiagnostische Maßnahmen aufgeklärt worden sei, dass von dem gebuchten „Rundum sorglos Paket“ keineswegs alle in Betracht kommenden Untersuchungen zur Abklärung irgendwelcher Schädigungen eines Kindes umfasst seien, und dass dies den Klägern bereits bekannt gewesen und der Klägerin zu 1. erneut am 2. August 2010 gesagt worden sei.
29Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und die vorgelegten Behandlungsunterlagen Bezug genommen.
30Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. W Q [schriftliches Gutachten vom 2. G 2014 (Bl. 99 – 126 d. A.) nebst schriftlicher Ergänzung vom 30. Juli 2014 (Bl. 162 – 173 d. A.)], welches der Sachverständige in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 20. Mai 2015 mündlich erläutert hat [S. 1 – 12 des Protokolls der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 20. Mai 2015 (Bl. 209 ff, 209 – 214R d. A.)]. In dieser Weise sachverständig beraten hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass den Klägern der ihnen obliegende Beweis für schadensursächliche Fehler des Beklagten und für einen Verstoß des Beklagten gegen die Pflichten der Sicherungsaufklärung nicht gelungen sei, und dass zudem die rechtlichen Voraussetzungen eines Schwangerschaftsabbruchs nach § 218 a Abs. 2 StGB nicht hinreichend dargetan worden seien.
31Dagegen wenden sich die Kläger mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlich gestellten Klaganträge zu 1. bis 7. unverändert weiterverfolgen. Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger unter teilweiser Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens insbesondere vor, dass das Landgericht zu Unrecht Fehler des Beklagten während der umstrittenen Schwangerschaftsbegleitung bis zur 32. Schwangerschaftswoche nicht festgestellt habe. Insbesondere sei das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beklagte der Klägerin zu 1. gegenüber zur Durchführung einer Nackenfaltentransparenz-Untersuchung nicht vertraglich verpflichtet gewesen sei, und dass der Beklagte gegenüber der Klägerin zu 1. auch nicht vertraglich verpflichtet gewesen sei, die Klägerin zumindest darauf hinzuweisen, dass sie eine solche Untersuchung gegen Kostenübernahme durch sie durchführen lassen könne. Das Landgericht habe zu Unrecht das Unterlassen dieser Untersuchung bzw. der Aufklärung über die Möglichkeit dieser Untersuchung nicht als Fehler des Beklagten bewertet. In diesem Zusammenhang habe das Landgericht das „Rundum-sorglos-Paket“ des Beklagten, das die Klägerin „gebucht“ und für das sie 150 Euro gezahlt habe, nicht hinreichend gewürdigt. Das Landgericht habe sich nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt, was die Klägerin aufgrund dieses Paketes an zusätzlichen Leistungen habe erwarten dürfen. Das Landgericht habe im Rahmen der rechtlichen Bewertung des „Rundum-sorglos-Paketes“ des Beklagten zu wenig berücksichtigt, dass die Klägerin nur eine eingeschränkte Kenntnis von der Art der möglichen Untersuchungen gehabt habe. Das Landgericht habe auch nicht hinreichend berücksichtigt, dass durch das „Rundum-sorglos-Paket“ des Beklagten bei der Klägerin der Eindruck entstanden sei, dass bei ihr alles in Ordnung sei, solange der Beklagte nicht auf Probleme hinwiese, dass sie sich auch um nichts kümmern müsse, solange sie keine entgegenstehenden Hinweise durch den Beklagten erhalte, und dass sie mit unangenehmen und/oder besorgniserregenden Sachverhalten erst konfrontiert werden würde, wenn es insoweit konkrete Befunde gebe. Insgesamt sei die Argumentation des Landgerichts in diesem Zusammenhang in sich nicht stimmig. Das Landgericht habe zu der Nackenfaltentransparenz-Untersuchung auch zu Unrecht darauf abgestellt, dass diese nur Sinn gemacht hätte, wenn anschließend eine Fruchtwasseruntersuchung durchgeführt worden wäre, die die Klägerin aber von vorneherein abgelehnt habe. Denn diese Ablehnung habe sich auf entsprechende Untersuchungen ohne medizinischen Anlass bezogen und hätte weder vom Beklagten noch vom Landgericht als endgültige Ablehnung für alle denkbaren Fälle verstanden werden dürfen. Mit diesem Verständnis und dem darauf beruhenden Unterlassen der Nackenfaltentransparenz-Untersuchung mit anschließender Blutuntersuchung habe der Beklagte der Klägerin zu Unrecht die Möglichkeit genommen, eigenverantwortlich über die Frage zu entscheiden, ob sie unter diesen Umständen eine Fruchtwasseruntersuchung trotz der Gefahr, dass damit eine Fehlgeburt provoziert werden könnte, durchführen lassen möchte. Dieses Verhalten des Beklagten stelle einen Behandlungsfehler dar. Der Beklagte hätte wegen des „Rundum-sorglos-Paketes“ jedenfalls die besondere Verpflichtung gehabt, die Klägerin auf die Möglichkeit der Nackenfaltentransparenz-Untersuchung hinzuweisen, die bei ihr allein wegen ihres Alters sinnvoll gewesen wäre und auf die Klägerin sich bei entsprechendem Hinweis auch eingelassen hätte. Das Landgericht sei in diesem Zusammenhang zu Unrecht der Angabe des Beklagten gefolgt, der lediglich bekundet habe, dass er bei Schwangeren immer auf diese Untersuchungsmöglichkeit hinweise und deshalb auch die Klägerin zu 1. wohl darauf hingewiesen habe. Die „immer-so-Rechtsprechung“ dürfe auf den Fall, dass ein Arzt seiner Patientin ein inhaltlich nicht hinreichend klar umrissenes „Rundum-sorglos-Paket“ verkauft, nicht übertragen werden.
32Das Landgericht habe zu der Frage, ob die Kläger sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden hätten, die Beweislast verkannt. Es treffe den Beklagten die Beweislast dafür, dass die Kläger sich nicht für den Schwangerschaftsabbruch entschieden hätten. Denn bei der fehlerhaft unterlassenen Nackenfaltentransparenz-Untersuchung handele es sich um einen Befunderhebungsmangel, wobei sich bei der Untersuchung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiger Befund ergeben hätte mit der Folge der Beweislastumkehr zu Lasten des Beklagten. Gleiches gelte im Ergebnis wegen des Grundsatzes des aufklärungsgerechten Verhaltens auch dann, wenn der Fehler in der nicht erfolgten Aufklärung über diese Möglichkeit der Nackenfaltentransparenz-Untersuchung gesehen würde.
33Das Landgericht habe auch zu Unrecht verneint, dass bei der Klägerin zu 1. eine nicht anders als durch eine Abtreibung abwendbare psychische Belastung bis hin zu Suizidgefahr vorgelegen habe, aufgrund derer ein Schwangerschaftsabbruch gemäß § 218 a Abs. 2 StGB nicht rechtswidrig gewesen wäre. Das Landgericht habe zu diesem Punkt die Anforderungen an die Vortragslast der Kläger überspannt. Im Übrigen hätte das Landgericht diese Frage nicht ohne sachverständige Beratung treffen dürfen und von Amts wegen ein Gutachten einholen müssen. Dies werde hiermit beantragt. Der Kläger zu 2. habe Umstände mitgeteilt, die aus seiner laienhaften Sicht für die Beurteilung der Frage nach einer nicht anders als durch eine Abtreibung abwendbare psychische Belastung bis hin zu Suizidgefahr relevant sein könnten. Welche Bedeutung diesen Ausführungen des Klägers zu 2. im Zusammenhang mit der Frage nach einer nicht anders als durch eine Abtreibung abwendbare psychische Belastung bis hin zu Suizidgefahr zukomme, müsse ein medizinischer Sachverständiger beurteilen.
34Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung und tritt dem Berufungsvorbringen der Kläger mit ausführlicher Begründung im Einzelnen entgegen.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen einschließlich des Schriftsatzes der Kläger vom 14. Oktober 2016 nebst Anlage sowie auf das Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2016 [Protokoll, Bl. 384 ff. d. A.] Bezug genommen.
36II.
37Die Berufung der Kläger ist zulässig.
38Sie ist aber aus den in der mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 2016 seitens des Senates ausführlich dargelegten Gründen, auf die hier ergänzend Bezug genommen werden, nicht begründet.
39Denn die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen (§§ 529, 531 ZPO) eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO). Vielmehr hat das Landgericht zu Recht entschieden, dass den Klägern gegen den Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz immaterieller und materieller Schäden unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen, weil ihnen der ihnen obliegende Beweis für schadensursächliche Fehler des Beklagten nicht gelungen ist. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung wird hier zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen der Kläger rechtfertigt eine abweichende, für sie günstigere Entscheidung nicht.
401.
41Bei seiner Entscheidung folgt der Senat ebenso wie das Landgericht dem Gutachten des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. W Q [schriftliches Gutachten vom 2. G 2014 (Bl. 99 – 126 d. A.) nebst schriftlicher Ergänzung vom 30. Juli 2014 (Bl. 162 – 173 d. A.) nebst mündlicher Erläuterungen am 20. Mai 2015 (S. 1 – 12 des Protokolls der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 20. Mai 2015, Bl. 209 ff, 209 – 214R d. A.)] folgen. Denn dieses Gutachten ist ebenso umfassend wie überzeugend und wird auch von den Parteien, namentlich von den Klägern, als solches nicht angegriffen.
422.
43Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und persönlichen Anhörung der Kläger können schadensursächliche und haftungsbegründende Fehler des Beklagten im Rahmen der Betreuung der Klägerin zu 1. während ihrer Schwangerschaft mit der am X. G XXXX geborenen Tochter L in der Zeit ab dem 17. Juni 2010 nicht festgestellt werden:
44Insbesondere ergeben sich schadensursächliche und haftungsbegründende Fehler des Beklagten weder unter dem Gesichtspunkt des Unterlassens einer Nackenfaltentransparenz-Untersuchung [im Folgenden: NU] noch unter dem Gesichtspunkt des Unterlassens einer Aufklärung der Klägerin zu 1. über die Möglichkeit einer solchen Untersuchung.
45a)
46aa)
47Zum medizinischen Standard hat das routinemäßige Vornehmen einer NU nach den überzeugenden und von den Klägern nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Q jedenfalls im Jahre 2010 nicht gehört [dies ist nach seinen Feststellungen noch heute der Fall, wobei insoweit allerdings ein Umdenken im Gange sein soll] mit der Folge, dass das Unterlassen insoweit dem Beklagten nicht mit Haftungsfolge als Unterschreitung des medizinischen Standards angelastet werden kann. Und aus den zutreffenden Gründen von S. 8 der angefochtenen Entscheidung haben sich bei der Klägerin zu 1. nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme vor dem 22. Dezember 2010 auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ein konkreter Anlass für die Durchführung einer NU bestanden haben könnte. Vielmehr waren die von dem Beklagten durchgeführten Ultraschalluntersuchungen nicht nur von ihrer Anzahl her deutlich über dem medizinischen Standard und von guter Qualität, sondern vor dem 22. Dezember 2010 auch ohne Anhalt für weitere gebotene Befunderhebung.
48bb)
49Eine Verpflichtung zur Durchführung einer NU hat sich aus den zutreffenden Gründen von S. 11/12 der angefochtenen Entscheidung, die hier zur Vermeidung von Wiederholungen in Bezug genommen werden, auch nicht aus dem von dem Beklagten so genannten „Rundum-sorglos-Paket“ ergeben, das die Parteien mündlich vereinbart haben und für das die Kläger an den Beklagten 150 Euro gezahlt haben:
50Denn nach dem Ergebnis der Parteianhörung hatte diese Vereinbarung in erster Linie zum Gegenstand, dass der Beklagte deutlich mehr Ultraschall-Untersuchungen durchführt als standardmäßig vorgesehen sind, nämlich 15 anstelle der standardmäßig vorgesehenen drei Untersuchungen. Dies passt zu dem vereinbarten Preis, wobei dieser bei diesem Verständnis der Vereinbarung durchaus als ein großzügiges Angebot des Beklagten an die jeweiligen Schwangeren bewertet werden kann, dies entsprach zudem der Intention des Beklagten und in diesem Sinne hat die Klägerin zu 1. das „Rundum-sorglos-Paket“ nach ihren eigenen Bekundungen anlässlich ihrer persönlichen Anhörung auch verstanden. Dass dieses Paket darüber hinaus weitere Leistungen umfasst hat, kann demgegenüber nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung der Parteien nicht festgestellt werden. Insoweit haben die Kläger lediglich recht vage bekundet, dass sie die Vorstellung gehabt hätten, „dass alles etwas verbessert sei gegenüber dem üblichen Programm“ bzw. dass damit „alles drin“ sei. Diese vagen Bekundungen ermöglichen indes nicht die Feststellung, dass über die zusätzlichen Ultraschall-Untersuchungen hinaus weitere konkrete Untersuchungsmaßnahmen bzw. sonstige Leistungen von dem „Rundum-sorglos-Paket“ umfasst gewesen sein könnten. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der Bekundung der Klägerin zu 1., dass sie aufgrund ihrer Erfahrung mit der Betreuung durch den Beklagten auf der Basis des „Rundum-sorglos-Paketes“ bei ihren ersten beiden Schwangerschaften davon ausgegangen sei, dass bei der hier in Rede stehenden Schwangerschaft mit dem Kind L eine NU vorgenommen werden würde, weil eine solche Untersuchung bei ihren ersten beiden Schwangerschaften von dem Beklagte durchgeführt und ihr jeweils mitgeteilt worden sei, dass alles in Ordnung sei. Dies überzeugt den Senat ebenso wenig wie das Landgericht. Denn zum einen hat der Beklagte zu Vorstehendem erklärt, dass er bei den beiden ersten Schwangerschaften der Klägerin zu 1. nicht gezielt eine NU vorgenommen habe, sondern vermutlich im Rahmen eines Zufallsbefundes wegen der günstigen Lage des Kindes bei einer Ultraschalluntersuchung die Nackenfalte habe sehen und beurteilen können. Und zum anderen wäre es dann, wenn die Klägerin die Vorstellung gehabt haben sollte, dass eine NU von dem „Rundum-sorglos-Paketes“ erfasst gewesen wäre, nicht verständlich, dass sie bei dem Beklagten nicht nachgefragt hat, ob er diese Untersuchung tatsächlich durchgeführt und welches Ergebnis sie er-bracht hat. Eine solche Nachfrage ist aber unstreitig nicht erfolgt. Und soweit in der Berufungsbegründung behauptet wird, dass die Klägerin zu 1. davon ausgegangen sei, dass alles in Ordnung sei, solange der Beklagten nichts Gegenteiliges mitteilen würde, ist auch dies vor dem Hintergrund der Bekundung der Klägerin, dass sie bei den beiden ersten Schwangerschaften von dem Beklagten ausdrücklich mitgeteilt bekommen habe, dass alles in Ordnung sei, weder verständlich noch überzeugend.
51cc)
52Zwar ergeben sich aus der unklaren und möglicherweise missverständlichen Bezeichnung der Zusatzleistungen als „Rundum-sorglos-Paket“ gesteigerte Aufklärungs- und Hinweispflichten des Beklagten zu der Frage, was genau Gegenstand dieses Paketes ist und was nicht. Und im Rahmen dieser gesteigerten Aufklärungs- und Hinweispflichten war der Beklagte verpflichtet, die Klägerin zu 1. darauf hinzuweisen, dass eine NU von diesem Paket nicht umfasst ist. Die zwischen den Parteien umstrittenen Tatsachenfragen, ob und ggf. inwieweit der Beklagte die Klägerin zu 1. auf den konkreten Umfang des „Rundum-sorglos-Paketes“ und insbesondere darüber aufgeklärt hat, dass eine NU davon nicht umfasst ist, kann indes dahinstehen.
53Denn auch wenn eine solche Sicherungsaufklärung nicht erfolgt sein sollte, was zugunsten der Kläger durchaus unterstellt werden könnte, und wenn deshalb von einem Fehler des Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen seine Sicherungsaufklärungspflichten auszugehen wäre, kann nicht festgestellt werden, dass dieser – als gegeben unterstellte – Fehler für die geltend gemachten Schäden ursächlich geworden wäre, wobei Zweifel insoweit zu Lasten der beweisbelasteten Kläger gingen, weil der hier zugunsten der Kläger unterstellte Fehler des Beklagten aus den oben zu bb) ausgeführten und aus den in der mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 2016 ausführlich dargelegten Gründen nicht als im Rechtssinne grob bewertet werden könnte, und weil deshalb den Klägern ein Beweiserleichterungen hinsichtlich der Kausalität unter dem Gesichtspunkt eines groben Fehlers nicht zugutekommen könnten. Und auch für Beweiserleichterungen insoweit unter dem Gesichtspunkt eines Befunderhebungsmangels besteht kein Raum:
54(1)
55Es fehlt schon an einem reaktionspflichtigen Befund. Denn selbst wenn eine NU richtig-positiv gewesen wäre, wovon nach den Feststellungen des Sachverständigen mit einem Grad von Wahrscheinlichkeit von 75 % auszugehen ist, hätte sich dann lediglich eine Veranlassung für die Klägerin ergeben, eine Blutuntersuchung vornehmen zu lassen, und – bei richtig-positivem Befund insoweit [nach den Feststellungen des Sachverständigen mit einem Grad von Wahrscheinlichkeit von 90 %] – die weitere Veranlassung ergeben, eine Amniozentese vornehmen zu lassen, mit der die Klägerin Gewissheit darüber hätte erlangen können, dass die später festgestellten anlagebedingten Anomalien bei ihrem erwarteten dritten Kind vorliegen. Bei diesen weiteren Maßnahmen handelt es sich aber nicht um reaktionspflichtige Befunde im Sinne der Grundsätze zum Befunderhebungsmangel. Denn es handelt sich bei den beiden weiterführenden Untersuchungen nicht um Maßnahmen, die der behandelnde Arzt mit dem Ziel einer Behandlung hätte ergreifen müssen. Da die hier in Rede stehende Anomalie einer Trisomie 21 [von der Darmoperation kurz nach der Geburt abgesehen, um die es hier aber nicht entscheidend geht] einer Therapie nicht zugänglich ist, könnte sich in dieser Situation lediglich für die betroffenen Eltern – aber nicht für den Arzt – die Frage stellen, ob das Kind trotz der Trisomie 21 ausgetragen werden soll, oder ob im Hinblick auf die Trisomie 21 – bei Vorliegen der Voraussetzungen hierfür – ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden soll, bzw. ob die Eltern das Kind dann, wenn die Voraussetzungen für einen legalen Schwangerschaftsabbruch nicht vorliegen oder sie einen Abbruch unabhängig von dieser Frage nicht durchführen lassen wollen, das Kind annehmen oder zur Adoption freigeben wollen. Die weiterführenden Untersuchungen nach einer NU mit positivem Befund stellen lediglich weitere Schritte zum Abklären der Vorfrage zu dieser allein von der Mutter bzw. den Eltern zu treffenden Entscheidungen dar.
56(2)
57Hinzu kommt, dass nicht festgestellt werden kann, dass es im Falle einer NU mit auffälligem Befund zu einer Amniozentese gekommen wäre. Denn die Klägerin zu 1. hat unstreitig im Rahmen der umstrittenen Schwangerschaftsbetreuung ausdrücklich erklärt, dass sie eine Amniozentese ablehne. Diese Ablehnung erfolgte insbesondere deshalb, weil mit dieser Untersuchung die Gefahr verbunden ist, eine Fehlgeburt zu provozieren, und weil die Klägerin zu 1. dieses Risiko im Hinblick darauf, dass sie schon einmal eine Fehlgeburt erlitten hatte, nicht eingehen wollte. Wird aber nach einer NU mit positivem Befund und nach einer danach erfolgten Blutuntersuchung mit ebenfalls positivem Befund eine Amniozentese nicht durchgeführt, besteht keine Gewissheit zu der Frage, ob bei dem erwarteten Kind eine Trisomie 21 vorliegt, und es bestünde keine hinreichende Grundlage für einen Schwangerschaftsabbruch bzw. für die Entscheidung der Eltern für oder gegen einen solchen. Soweit die Kläger behaupten, dass die Klägerin zu 1. eine Amniozentese lediglich für den Fall abgelehnt habe, dass die NU keinen auffälligen Befund ergebe, vermag dies den Senat ebenso wenig zu überzeugen wie das Landgericht. Denn für den Fall, dass eine NU keinen auffälligen Befund ergibt, stellt sich die Frage nach einer Amniozentese schon vom Ansatz her gar nicht, weil es sich hierbei um einen invasiven und durchaus risikoträchtigen Eingriff handelt, der ausschließlich dann gerechtfertigt ist, wenn es objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen von Anomalien gibt, die einer zuverlässigen Abklärung bedürfen.
58(3)
59Weiter kommt hinzu, wobei es hierauf wegen des zuvor zu (2) Ausgeführten nicht entscheidend ankommt, dass nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung der Kläger nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann, dass die Kläger sich für den Fall, dass die Trisomie 21 des Kindes L mittels Amniozentese sicher festgestellt worden wäre, tatsächlich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden hätten. Denn die Kläger haben beide in durchaus gut nachvollziehbarer Weise bekundet, dass sie nicht sicher sagen könnten, ob sie sich in der damaligen Situation für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden hätten.
60Die Zweifel insoweit gehen zu Lasten der Kläger, weil sie insoweit entgegen der bei ihnen offenbar bestehenden Vorstellung die Beweislast tragen. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der von den Klägern zitierten Entscheidung des BGH vom 22. November 1983 [VI ZR 85/82, BGHZ 89, 95]. Denn in dieser Entscheidung ging es um einen Streitfall, in dem eine 39-jährige Schwangere in der 14. Schwangerschaftswoche einen Gynäkologen gezielt mit der Bitte um Beratung zu der Frage aufgesucht hatte, ob nicht bei ihr wegen des altersbedingt bei ihr bestehenden Risikos, dass das erwartete Kind mongoloid sein könnte, eine Amniozentese durchgeführt werden sollte, und in dem der Gynäkologe in dieser Weise angesprochen von dieser Untersuchung abgeraten hatte mit dem Hinweis auf die beiden gesunden Kinder der Schwangeren und darauf, dass das Risiko, dass das dritte Kind das Down-Syndrom aufweisen könnte, äußerst gering sei [später hatte sich herausgestellt, dass das bei dem im damaligen Streitfall betroffenen Kind der Fall war]. Dass der BGH in dieser Situation entschieden hat, dass der Arzt die Beweislast dafür trägt, dass die Schwangere bei einem positiven Befund einer Amniozentese sich gleichwohl nicht für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden hätte, mag vielleicht einleuchten. Diese Entscheidung des BGH lässt sich aber nicht auf den hier vorliegenden Streitfall übertragen.
61b)
62Ergänzend sei angemerkt, dass das auf S. 36/37 der Berufungsbegründung [Bl. 360/361 d. A.] wiedergegebene Vorbringen des Klägers zu 2. zu der psychischen Situation der beiden Kläger zwar durchaus für eine schwierige Kindheit, Jugend und Familiensituation der beiden Kläger spräche, wenn das Angegebene zutreffen sollte. Ob es aber auf dieses Vorbringen im Rahmen einer Prüfung der Voraussetzungen des § 218a Abs. 2 StGB ankäme und welche Bedeutung ein Sachverständiger diesen Umständen beimessen würde, kann indes dahinstehen bleiben, weil es auch auf diese Frage im Hinblick auf das oben Ausgeführte nicht ankommt, und weil deshalb auch keine Veranlassung für das Einholen eines medizinischen bzw. psychologischen oder psychiatrischen Gutachtens zu den medizinisch-psychologisch-psychiatrischen Fragen im Zusammenhang mit § 218a Abs. 2 StGB besteht.
633. Prozessuale Nebenentscheidungen:
64Der Schriftsatz der Kläger vom 14. Oktober 2016 nebst Anlage bietet keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
65Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 516 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
66Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO hierfür nicht vorliegen. Es geht im vorliegenden Verfahren im Wesentlichen um Tatsachenfragen und im Übrigen um die Anwendung geltenden Rechts sowie der hierzu in Rechtsprechung und Literatur entwickelten und allgemein anerkannten Grundsätze und damit um eine Einzelfallentscheidung.
67Berufungsstreitwert: 109.024,55 Euro:
68[ 10.000,00 Euro Antrag zu 1.; Schmerzensgeld für Klägerin zu 1.
69+ 2.000,00 Euro Antrag zu 2.; immaterieller Vorbehalt für Klägerin zu 1.
70+ 26.388,59 Euro Antrag zu 3.; für d. Vergangenheit geltend gem. Unterhaltsschaden
71+ 48.187,86 Euro Antrag zu 4.; für die Zukunft geltend gem. Unterhaltsschaden
723.441,99 € (Vierteljahresbetrag) x 4 = 13.767,96 € x 3,5
73Jahre
74+ 2.448,10 Euro Antrag zu 5.; sonstiger materieller Schaden in der Vergangenheit
75+ 20.000,00 Euro Antrag zu 6.; materieller Vorbehalt für beide Kläger
76109.024,55 Euro;
77die Divergenz zu dem erstinstanzlich festgesetzten Streitwert (vgl. hierzu LGU 15 i.V.m. Bl.
7833 d. A.) erklärt sich durch die Gesetzesänderung betr. d. Streitwertbemessung für künftig
79wiederkehrende Leistungen;
80an dem Streitwert von 109.024,55 Euro sind die Klägerin zu 1. und der Beklagte jeweils in
81voller Höhe beteiligt und der Kläger zu 2. in Höhe von (109.024,55 Euro – 12.000 € =) 97.024,55
82Euro].
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Urteil einreichenOberlandesgericht Köln Urteil, 16. Nov. 2016 - 5 U 143/15 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags.
1
Tatbestand:
2Die Kläger verlangen vom Beklagten Schadensersatz wegen ärztlicher Behandlungsfehler.
3Der Beklagte ist niedergelassener Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe in Gummersbach. Die klagenden Eheleute sind Eltern einer an einer Chromosomenstörung leidenden Tochter, die am 04.02.2011 per Kaiserschnitt zur Welt gebracht wurde und den Namen L trägt (Gewicht: 3110 g, Länge 50 cm, Kopfumfang 34 cm, APGAR 8/8/9). Nach der Geburt wurde bei L diagnostiziert: Angeborenes Fehlen, Atresie und Stenose des Duodenums (Zwölffingerdarm), Down-Syndrom (Trisomie 21).
4Während der Schwangerschaft mit L wurde die am 21.02.1975 geborene Klägerin zu 1) durch den Beklagten betreut. L ist das dritte Kind der Kläger. Der Beklagte hatte die Klägerin zu 1) bereits bei den beiden vorangegangenen Schwangerschaften ärztlich betreut, die komplikationslos verlaufen waren. In allen drei Schwangerschaften hatte die gesetzlich versicherte Klägerin zu 1) mit dem Beklagten ein vom Beklagten angebotenes „Rundum sorglos Paket“ gegen Zuzahlung eines Betrages i.H.v. 150,- € vereinbart.
5Die Betreuung der streitgegenständlichen Schwangerschaft durch den Beklagten begann am 17.06.2010. Zum damaligen Zeitpunkt war die Klägerin zu 1) 35 Jahre alt. Sie hatte zuvor bereits durch Kaiserschnitt entbunden und eine Fehlgeburt erlitten. Der errechnete Geburtstermin für L war der 21.02.2011. Es erfolgten weitere Termine der Klägerin zu 1) im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge beim Beklagten am 28.06.2010, 13.07.2010, 02.08.2010, 26.08.2010, 30.08.2010, 27.09.2010, 12.10.2010, 25.10.2010, 22.11.2010, 06.12.2010, 22.12.2010, 03.01.2011, 11.01.2011 und am 20.01.2011. Zuletzt wurde eine Überweisung durch den Beklagten am 31.01.2011 an Dr. S, niedergelassener Spezialist für pränatale Diagnostik in Köln, ausgestellt.
6Anfang Januar 2011 suchte die Klägerin zu 1) das Kreiskrankenhaus Gummersbach zur Geburtsplanung auf. Bei einer dann durchgeführten Untersuchung der Klägerin zu 1) wurde dort geäußert, es liege eine Auffälligkeit vor, es bestehe der Verdacht, dass bei dem Kind nicht alles in Ordnung sei. Der Klägerin wurde daher eine einwöchige stationäre Aufnahme nahe gelegt, um dieser Auffälligkeit auf den Grund zu gehen. Dem wollte die Klägerin jedoch nicht zustimmen ohne Rücksprache mit dem Beklagten, den sie mit den Verdachtsmomenten konfrontierte. Der Beklagte untersuchte die Klägerin zu 1). Was er daraufhin zur Klägerin sagte, ist streitig.
7Am 00.00.00 musste die Klägerin zu 1) wegen einer Mandeloperation ihrer Tochter T erneut das Kreiskrankenhaus Gummersbach aufsuchen. Da sie plötzliche Beschwerden entwickelte, suchte sie die dortige gynäkologische Abteilung auf und wurde vom diensthabenden Arzt mit Ultraschall untersucht. Er stellte erneut Auffälligkeiten fest und zog die zuständige Oberärztin hinzu. Der Klägerin wurde sodann mitgeteilt, es bestehe der Verdacht auf ein „double-bubble-Syndrom“, an dem das Kind leide, und es müsse im Anschluss an die Entbindung operiert werden. Deshalb suchte die Klägerin zu 1) am 31.01.2011 den Beklagten auf und konfrontierte ihn erneut mit den Aussagen der Ärzte aus dem Kreiskrankenhaus Gummersbach. Der Beklagte stellte der Klägerin zu 1) eine Überweisung zu einem Pränataldiagnostiker aus. Am 01.02.2011 wurde die Klägerin von Dr. S in der Gemeinschaftspraxis für Pränatalmedizin und gynäkologische Ultraschalldiagnostik in Köln untersucht. Er bestätigte die Vermutung der Ärzte aus dem Kreiskrankenhaus Gummersbach und erklärte, dass das Kind unter einer Chromosomenstörung leide, es liege ein „double-bubble-Syndrom“ vor. Es wurde noch für den gleichen Tag von Dr. S ein Untersuchungstermin in der Uniklinik Köln vermittelt, wo sich dieser Befund erneut bestätigte. Das Kind wurde sodann vorzeitig per Kaiserschnitt am 04.02.2011 in der Uniklinik Köln entbunden. Die Kaiserschnittentbindung erfolgte bei Rückenmarksbetäubung. Nach der Geburt bestätigte sich der Verdacht auf die Chromosomenstörung Trisomie 21 (Down-Syndrom). Im Mai 2012 wurde L in der Uniklinik Köln operiert.
8Die Klägerin behauptet, dass die Betreuung der Schwangerschaft durch den Beklagten gegen seinerzeit anerkannte Grundsätze ärztlicher Kunst verstoßen habe. Der Beklagte hätte bei fachgerechter ärztlicher Vorgehensweise die Chromosomenstörung bei ihrer Tochter L frühzeitig im Schwangerschaftsverlauf feststellen müssen. Er habe gebotene bzw. vereinbarte pränatale Diagnostik unterlassen. Das „Rundum sorglos Paket“ habe über die begrenzten Kassenleistungen hinaus alle sinnvollerweise in Betracht kommenden Untersuchungen enthalten, um pränatale Schädigungen des Kindes abzuklären. Fehlerhaft sei gewesen, dass eine Nackenfaltenuntersuchung nicht vom Beklagten durchgeführt oder aber an dritter Stelle von ihm veranlasst worden sei. Der Beklagte habe die Klägerin nicht hinreichend über mögliche nicht-invasive und invasive pränataldiagnostische Methoden aufgeklärt.
9Die Kläger behaupten weiter, dass wenn die gebotene Diagnostik durchgeführt und fachgerecht beurteilt worden wäre, die erst spät zu Tage getretene Chromosomenstörung ihres Kindes bereits frühzeitig im Schwangerschaftsverlauf hätte festgestellt werden können. Die Kläger hätten sich dann früh für einen Abbruch der Schwangerschaft entschieden. Denn das dritte Kind sei für sie ohnehin eine nicht unerhebliche zusätzliche finanzielle Belastung gewesen und sie hätten sich, wenn sie früh von den zusätzlichen Belastungen aufgrund der Behinderung gewusst hätten, sich nicht zugetraut, diese zu bewältigen und hätten sich deshalb für den Schwangerschaftsabbruch entschieden. Ein solcher Schwangerschaftsabbruch wäre gemäß § 218 a StGB rechtmäßig gewesen. Die Kläger sind der Ansicht, dass die vom Beklagten geschuldete durchzuführende Diagnostik sie in die Lage hätte versetzen müssen, das ihnen vom Gesetzgeber zugebilligte Recht auszuüben, sich für einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden. Aufgrund der schweren Fehlbildung und unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Klägerin zu 1) wäre angezeigt gewesen, die Gefahr einer schweren Beeinträchtigung ihres körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes durch einen Schwangerschaftsabbruch abzuwenden, weil die Gefahr nicht auf eine andere, für sie zumutbare Weise hätte abgewendet werden können. Auch wenn die Klägerin vor der dritten Schwangerschaft eine psychisch gesunde Frau gewesen sei, hätte die psychische Belastung der Klägerin bei frühzeitiger Mitteilung der Behinderung ihres Kindes gleichwohl ein derartiges Ausmaß angenommen, das sie sich zur Suizidgefahr gesteigert hätte. Es wäre eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihres seelischen Gesundheitszustandes zu befürchten gewesen, der nur durch Abbruch der Schwangerschaft hätte verhindert werden können. Zwar versuche die Klägerin zu 1) jetzt die Situation zu meistern, aber ob ihr dies gelinge, sowie ihrem Ehemann, sei noch offen.
10Deshalb seien der Unterhaltsschaden sowie der behinderungsbedingte Mehraufwand der Kläger zu ersetzen. Insoweit nehmen die Kläger auf den Netto-Regelunterhalt gemäß der „Düsseldorfer Tabelle“ Bezug. Auf die Berechnung in der Klageschrift auf Seite 19 ff. (Bl. 19 ff. GA) wird im Einzelnen Bezug genommen.
11Zudem sei ein Schmerzensgeld geschuldet, weil aufgrund des Unterlassens eines legalen Schwangerschaftsabbruches die Klägerin im Sinne einer Primärschädigung unmittelbar in ihrer Gesundheit durch den um einige Wochen vorgezogen und ohne Vollnarkose durchgeführten Kaiserschnitt geschädigt worden sei, bei dem die Rückenmarksnarkose erst nach mehrfachen schmerzhaften Versuchen zu einer weitgehenden Ausschaltung ihres Schmerzempfindens geführt habe. Sekundäre Schädigung sei, dass aus dem „Haben“ eines schwer behinderten Kindes eine erhebliche psychische Beeinträchtigung der Klägerin resultiere, die durch ein Schmerzensgeld auszugleichen sei.
12Die Kläger beantragen,
13den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,
14festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1) sämtliche weiteren immateriellen Schäden zu ersetzen, welche dieser aus der fehlerhaften Behandlung durch den Beklagten in der Zeit vom 28.07.2010 bis zum 20.01.2011 entstanden sind und/oder noch entstehen werden,
15den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger rückständigen Unterhaltsschaden für die Zeit vom 04.02.2011 bis zum 31.12.2012 zu zahlen i.H.v. 26.388,59 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit,
16den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger für die Zeit ab dem 01.01.2013 eine drei Monate im Voraus fällige (Mindest-) Unterhaltsschadensrente i.H.v. 3.441,99 € je Kalendervierteljahr zu zahlen,
17den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 2448,10 € als Ersatz für bis zum 31.12.2011 entstandene Fahrtkosten, Zuzahlungen et cetera zu zahlen, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit, und
18festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern als Gesamtgläubiger sämtliche weiteren materiellen Schäden zu ersetzen, welche die welche diesen aus der fehlerhaften Behandlung während der Schwangerschaft der Klägerin in der Zeit vom 28.06.2010 bis zum 20.01.2011 entstanden sind und/oder noch entstehen werden.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Der Beklagte bestreitet die geltend gemachten Ansprüche zum Grund und zur Höhe. Er trägt vor, es sei eine sorgfältige kunstgerechte Schwangerschaftvorsorge durchgeführt worden. Die Klägerin zu 1) sei am 02.08.2010 (SSW 12+0) ausführlich über mögliche pränataldiagnostische Maßnahmen aufgeklärt worden. Aufgrund ihrer Ablehnung aller aufgeklärten invasiven und nicht-invasiven pränataldiagnostischen Maßnahmen seien sich die Kläger sehr wohl bewusst gewesen, dass ein Restrisiko bezüglich einer Fehlbildung oder Behinderung bestehe. Die Klägerin zu 1) habe ausdrücklich erklärt, dass sie aufgrund der Fehlgeburt im Jahr 2006 keine Fruchtwasserpunktion wegen des damit verbundenen Fehlgeburtsrisikos oder weitere pränataldiagnostische Maßnahmen wünsche. Von dem gebuchten „Rundum sorglos Paket“ seien keineswegs alle in Betracht kommenden Untersuchungen zur Abklärung irgendwelcher Schädigungen eines Kindes umfasst; dies sei den Klägern bereits bekannt gewesen und der Klägerin zu 1) erneut am 02.08.2010 gesagt worden. Zudem trägt der Beklagte vor, dass die später erkannten Auffälligkeiten nicht früher als erfolgt hätten diagnostiziert werden können. Weiterhin hätten die Voraussetzungen eines rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruches zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Deshalb bestehe auch keine Verpflichtung zum Schadenersatz. Denn vom Schutzzweck des ärztlichen Behandlungsvertrages sein nur solche Nachteile umfasst, deren Vermeidung die Rechtsordnung erlaube. Die Kläger müssten beweisen, dass sie in Kenntnis der Behinderung ihres Kindes die Schwangerschaft rechtmäßig hätten beenden dürfen und auch beendet hätten. Da eine Diagnose nicht vor Ablauf der zwölften Schwangerschaftswoche hätte gestellt werden können, komme lediglich einen Abbruch nach § 218 Buchst. a Abs. 2 StGB in Betracht, deren Voraussetzungen die Kläger nicht dargelegt hätten. Bei der Klägerin zu 1) habe zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für ihr Leben oder eine Gefahr einer unmittelbaren körperlichen Gefährdung durch die Schwangerschaft oder durch die Geburt bestanden. Die Klägerin behaupte lediglich psychische Beeinträchtigungen bzw. Belastungen, die indes keinesfalls ausreichten. Die von der Klägerin zu 1) behauptete Suizidgefahr sei ohne Substanz. Das Lebensrecht ihrer Tochter dürfe im Rahmen der Güterabwägung nicht zurücktreten. Hinzu komme, dass die in Rede stehende, für § 218 a Abs. 2 StGB geforderte Gefahr nicht auf eine andere, der Schwangeren zumutbare Weise, abzuwenden sein dürfe, wofür die Klägerin keine Nachweise erbracht habe, z.B. gezielte soziale Unterstützungsleistungen.
22Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 03.07.2013 durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Q ausC nebst Ergänzung sowie durch Anhörung des Sachverständigen und der Parteien im Termin am 20.05.2015.
23Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe:
25Die zulässige Klage ist nicht begründet und wird abgewiesen.
26Es bestehen dem Grunde nach keine Ansprüche der Klägerin zu 1) und der Kläger als Gesamtgläubiger gegen den Beklagten aufgrund der streitgegenständlichen ärztlichen Behandlung.
27Die beweisbelasteten Kläger haben nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Q, der Chefarzt der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie am Z- Hospital in C ist, in seinem Gutachten vom 02.02.2014 (Bl. 99ff. GA) nebst Ergänzung vom 30.07.2014 (Bl. 162ff. GA) sowie den weiteren Ergebnissen der Beweisaufnahme durch Anhörung der Parteien und des Sachverständigen im Termin weder einen kausalen Behandlungsfehler noch einen Verstoß gegen die Pflichten der Sicherungsaufklärung beweisen können. Zudem sind die rechtlichen Voraussetzungen eines Schwangerschaftsabbruchs nach § 218 a Abs. 2 StGB nicht hinreichend dargetan.
28Für den Zeitraum bis zum 22.12.2011 haben die Kläger weder einen Behandlungsfehler des Beklagten noch einen Verstoß gegen die dem Beklagten in dieser Zeit obliegenden Pflichten der Sicherungsaufklärung über pränatale Diagnostik beweisen können.
29Maßstab für den Nachweis eines Behandlungsfehlers oder eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Sicherungsaufklärung ist § 286 ZPO, wobei die Rechtsprechung zu § 286 ZPO keine hundertprozentige Überzeugung der erkennenden Richter verlangt, aber ein Maß an Überzeugung, das „Zweifeln Schweigen gebietet“. Mithin genügen Zweifel der Kammer an der Ordnungsgemäßheit einer ärztlichen Behandlung oder einer Sicherungsaufklärung nicht.
30Ausgehend davon, dass Nackenfaltentransparenzuntersuchung, Amniozentese und Organ-Ultraschall im hier in Rede stehenden Behandlungskontext grundsätzlich keine Kassenleistungen für gesetzlich Versicherte in Deutschland sind, gehört ihre Durchführung nicht zum medizinischen Standard. Dementsprechend kann die fehlende Durchführung bzw. Anordnung dieser Untersuchungen keinen haftungsbegründenden Fehlervorwurf gegenüber einem Arzt rechtfertigen. Anhaltspunkte für einen konkreten Anlass über eine elektive Indikation hinaus für die Durchführung dieser Diagnostik bei der Klägerin zu 1) vor dem 22.12.2010 hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Nach den Feststellungen des Sachverständigen waren die vom Beklagten durchgeführten Ultraschall-Untersuchungen von ihrer Anzahl her über dem medizinischen Standard, von guter Qualität und vor dem 22.12.2010 ohne Anhalt für weitere gebotene Befunderhebung. Entsprechend sei es kein Behandlungsfehler des Beklagten, die Klägerin zu 1) in dieser Zeit nicht an einen Spezialisten für Pränataldiagnostik überwiesen zu haben. Diesen überzeugenden Feststellungen schließt sich die Kammer an.
31Auch die Anforderungen an den Inhalt einer Sicherungsaufklärung gehen grundsätzlich vom medizinischen Standard aus. Unabhängig vom Abschluss von privaten Zusatzleistungen gilt dies für die Anforderungen an den Inhalt einer Sicherungsaufklärung über die pränatale Diagnostik. Ausgehend davon kann die Kammer keine Pflichtverletzung bei der Sicherungsaufklärung mit der erforderlichen Eindeutigkeit feststellen.
32Die Anhörung der Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung zum Bereich der Sicherungsaufklärung über pränatale Diagnostik hat zwei sich gegenüber stehende Versionen, die nicht in Einklang gebracht werden können, ergeben. Während die Aussagen der Kläger einerseits und des Beklagten andererseits jeweils für sich genommen nicht unnachvollziehbar und nicht unglaubhaft gewesen sind, so steht aufgrund ihres Widerspruchs zu einander letztlich nicht fest, wie es gewesen ist. Dies geht zu Lasten der beweisbelasteten Kläger. In Betracht kommt gleichermaßen, dass der Beklagte die Kläger hinreichend informierte, sie dies aber nicht richtig aufnahmen und/oder es vergaßen oder aber dass die Kläger schon bei der ersten Schwangerschaftsbetreuung beim Beklagten mit ihrem ersten Kind mögliche pränatale Diagnostik nicht richtig erklärt bekamen – welche Untersuchungen im Rahmen pränataler Diagnostik existieren, welche davon man ggf. selbst bezahlen muss, dass zu einer Untersuchung der Nackenfaltentransparenz auch eine Blutuntersuchung gehört – so dass durch alle Schwangerschaften hindurch ein gewisses Maß an fehlender Kenntnis bei den Klägern vorherrschte.
33Nach den Angaben des Beklagten in seiner Anhörung habe er stets seine Patientinnen über die Untersuchung der Nackenfaltentransparenz, über die Amniozentese und über den Organ-Ultraschall als Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik aufklärt und er erklärte, daher sicher davon auszugehen, auch die Klägerin zu 1) über diese Untersuchungen aufgeklärt zu haben. Dieser Rückschluss ist nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung einem Arzt zuzugestehen. Glaubhaft hat der Beklagte in seiner Anhörung mitgeteilt, dass er systematisch immer so vorgehe, dass er mit der Aufklärung über die Untersuchung der Nackentransparenz beginne. Falls es dann so sei, wie hier, dass die danach erfolgende Aufklärung über die Amniozentese ergebe, dass eine Schwangere sie nicht durchführen wolle, wie hier die Klägerin zu 1), dann sei es aus seiner Sicht so, dass er die Aufklärung über die Nackentransparenz ausführlicher (als nötig) dargestellt habe (Bl. 204 R GA), aber dies sei dann so. Dies versteht die Kammer so, dass der Beklagte seine systematische Reihenfolge bei der Aufklärung unabhängig von einer einzelnen Entscheidung einer Patientin für sich einhält. Hierzu hat der Beklagte erläutert, dass die Maßnahmen der pränatalen Diagnostik in einem logischen Bezug zu einander stehen, da die Aussagekraft einer Nackenfaltentransparenzuntersuchung kombiniert mit einer Blutuntersuchung von rund 90% für einen Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich nie hinreichend sei und als nächsten Schritt stets die Durchführung einer Amniozentese erfordere, die allein eine Chromosomenstörung wie die Trisomie 21 mit Eindeutigkeit beweisen könne. Dies hat der Sachverständige unter Bezugnahme auf Studienergebnisse über falsch positive wie falsch negative Ergebnisse der Nackenfaltentransparenzuntersuchung bestätigt. Dadurch wird für die Kammer nachvollziehbar, dass der Beklagte gegenüber einer Patientin wie der Klägerin zu 1), die eine Amniozentese wegen des nicht unerheblichen Risikos, eine Fehlgeburt auszulösen, ausschließt, womöglich die konkreten Kosten und Weiteres zur Durchführung der Nackenfaltentransparenzuntersuchung nicht weiter erläutert hat, wie die Kläger ausgesagt haben. Dem ist der Beklagte zwar entgegen getreten, aber selbst unterstellt, es war so, wie die Kläger ausgesagt haben, vermag die Kammer dem Beklagten daraus keinen Vorwurf zu machen. Denn Diagnostik dient keinem Selbstzweck, sondern der Vorbereitung weiterer Schritte – ist man zu diesen nicht bereit, entfällt der Sinn der Diagnostik als solcher. Dass es nach den weiteren Angaben der Kläger im Termin indes womöglich so war, dass sie einerseits gegenüber dem Beklagten erklärten, eine Amniozentese nicht zu wollen, andererseits aber bereit gewesen wären, für die Nackenfaltentransparenzuntersuchung privat zu zahlen, so steht dies aus Sicht der Kammer retrospektiv in einem sinnwidrigen, widersprüchlichen Zusammenhang. Aus der Perspektive eines behandelnden Arztes fragt sich, wie er diesen Widerspruch – ex ante – erkennen und auflösen soll. Steht für einen Arzt die Erforderlichkeit einer Untersuchung, die ein Patient ablehnt, fest, so ist sicher von ihm zu erwarten, eine zunächst vom Patienten geäußerte Ablehnung nicht sofort als endgültig zu betrachten und dem Patienten aus seiner ablehnenden Haltung herauszuhelfen, indem er ihm sinnvolle Argumente nennt. Ist es indes eine ganz generelle elektive Indikation für die Durchführung von Untersuchungen über dem medizinischen Standard, können solche Anforderungen an die Sicherungsaufklärung nicht gestellt werden. Hier gab es nach den Feststellungen des Sachverständigen bis zur 32. SSW weder aufgrund der durchgeführten Untersuchungen noch anamnestisch Anlass für die Befürchtung einer Chromosomenstörung bei L und die Klägerin zu 1) gehörte im Alter von 35 Jahren gerade erst zur Gruppe der Risikoschwangeren.
34Dementgegen steht die Aussage der Klägerin zu 1), sie habe sich nie gegen die Nackenfaltentransparenzuntersuchung gewandt, im Gegenteil, sie sei davon ausgegangen, dass sie durchgeführt werde und sie habe dem Beklagten vielmehr gesagt, dass sie „die Amniozentese dann nicht wünsche, wenn die Nackentransparenz in Ordnung ist“. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass nach unauffälliger Nackenfaltentransparenzuntersuchung, durchgeführt in Kombination mit einer Blutuntersuchung, ohnehin ja keine Indikation zur – invasiven und risikoträchtigen – Amniozentese gegeben wäre, so dass der Sinngehalt dieser Absprache gewissermaßen selbstverständlich ist und sich als individuelle Absprache der Parteien nicht erschließt.
35Dass die Kläger die Durchführung einer Nackenfaltentransparenzuntersuchung mit dem Beklagten vereinbart hatten, wie auch schon in den vorangegangenen Schwangerschaften, hat sich in der Beweisaufnahme indes nicht feststellen lassen. Nach den Angaben des Beklagten sei eine Nackenfaltentransparenzuntersuchung als pränatale Untersuchung zwecks Ausschluss bzw. Feststellung von Chromosomenstörungen, verbunden mit einer Blutuntersuchung sowie den entsprechenden Kosten für die Kläger als Selbstzahler in keiner der drei Schwangerschaften vereinbart und entsprechend in keiner durchgeführt worden. Sofern er bei einer normalen Ultraschall-Untersuchung in den vorangegangenen Schwangerschaften die Nackenfalte des Kindes habe sehen können, weil das Kind zufällig gut gelegen habe, sei möglich, dass er der Klägerin zu 1) gesagt habe, sie sehe unauffällig aus. Dies sei aber quasi ein glücklicher Zufallsbefund gewesen, den er der Klägerin zu 1) nicht habe verschweigen wollen, aber nicht mehr.
36Dass die Kläger annehmen durften, dass die Nackenfaltentransparenzuntersuchung in dem von ihnen mit 150,- € selbst gezahlten „Rundum sorglos Paket“ enthalten war, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Die Kammer kann nicht feststellen, dass der Beklagte die Kläger fehlerhaft über den Inhalt der Leistungen dieses Pakets aufklärte. Zwar findet die Kammer die Bezeichnung „Rundum sorglos Paket“ – wie auch der Sachverständige – grenzwertig und missverständlich. Indes hat sich nicht erwiesen, dass der Beklagte den Klägern einen unzutreffenden Inhalt der Leistungen bezugnehmend auf die unpassende Benennung des Leistungspakets vorspiegelte. Vielmehr geht die Kammer aufgrund der Angaben der Klägerin zu 1) in ihrer Anhörung zu diesem Vertragsschluss davon aus, dass der Beklagte ihr gegenüber den Leistungsinhalt des Pakets mit der Durchführung von mehr Ultraschall-Untersuchungen als für gesetzlich Versicherte vorgesehen ist, angab, und er so die durch die Bezeichnung mit „Rundum sorglos Paket“ denkbare Irreführung richtig stellte. Denn die Klägerin zu 1) hat auf dezidierte Nachfrage der Kammer angegeben, dass sie mit dem Inhalt des „Rundum sorglos Pakets“ die Durchführung von „mehr Ultraschall“ als üblich verbunden habe (Bl. 205 unten GA). Genau dies entspricht den Fakten, da der Beklagte aufgrund dieser Zahlung von 150,- € insgesamt 15 statt der dem medizinischen Standard nach vorgesehenen drei Ultraschall-Untersuchungen ihres Kindes durchführte (Bl. 115 GA). Soweit die Klägerin weiter mitgeteilt hat, sie sei davon ausgegangen, dass „alles etwas verbessert sei gegenüber dem üblichen Programm“, entspricht dies ebenfalls den Fakten, da häufigere Ultraschall-Untersuchungen als eine lückenlosere und mithin bessere Schwangerschaftsbetreuung angesehen werden können. Sofern sie weiter mitgeteilt hat, sie sei davon ausgegangen, dass das Paket „alles, was dann in einer Schwangerschaft eben so gemacht wird“ enthalte, ist dies aus Sicht der Kammer nicht nachvollziehbar und im Widerspruch zu ihren zuvor gemachten Angaben über ihre Vorstellung vom Leistungsinhalt. Auch einem medizinischen Laien dürfte klar sein, dass für ein Leistungspaket im Wert von rund 150,- € nicht die Durchführung von allem medizinisch Möglichen vereinbart sein kann. Dasselbe gilt für die Aussage des Klägers zu 2), der ausgesagt hat, davon ausgegangen zu sein, dass im „Rundum sorglos Paket“ „alles drin“ sei,. Bei Anlegen des Maßstabs des Empfängerhorizonts eines medizinischen Laien vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Denn es ist allgemein bekannt, dass es Sorglosigkeit „rundum“ in der Medizin nicht gibt und dass medizinische Leistungen in großem Umfang und zu enormen Kosten durchgeführt werden können. Die Kosten des Gesundheitswesens sind nahezu alltägliches Thema in diversen verfügbaren Nachrichten und Medien. Annähernd das Gleiche gilt für Berichterstattung zu den Möglichkeiten der Medizin. Anzunehmen, „alles“, was die gesetzliche Krankenkasse nicht bezahle und innerhalb einer Zeit von 40 Wochen bezogen auf zwei Patienten – Mutter und Kind – an medizinisch Möglichem durchführbar ist, für 150,- € Gegenleistung bekommen zu können, kann nicht als Verständnis eines durchschnittlichen Empfängerhorizonts angesehen werden.
37Schließlich passt auch nicht der Umstand, dass die Kläger den Beklagten nie nach dem Ergebnis der vermeintlich vereinbarten und durchgeführten Nackenfaltentransparenzuntersuchung bei L befragten, mit ihren Angaben zusammen. Es widerspricht aus Sicht der Kammer der Lebenserfahrung, nach den Ergebnissen pränataler Diagnostik nicht zu fragen, wenn man diese Diagnostik wichtig nimmt, sie vereinbart und bezahlt – und wenn man irrtümlich meint, man hätte sie bezahlt und vereinbart, wäre demnach ebenfalls eine Rückfrage zu erwarten.
38Schließlich scheitert eine Haftung des Beklagten wegen eines Aufklärungsfehlers daran, dass nach der Anhörung der Kläger eine kausale Folge eines solchen Fehlers nicht erwiesen ist. Denn entgegen dem schriftsätzlichen Vorbringen der Kläger hat ihre Anhörung nicht bestätigt, dass sie sich bei nachgewiesener Chromosomenstörung zum Abbruch der Schwangerschaft entschieden hätten oder grundsätzlich der Auffassung waren, eine Schwangerschaft im Falle der Behinderung des Kindes beenden zu wollen. Ihre Anhörung hat vielmehr ergeben, dass dies für die Kläger offen war und es ihnen rückblickend ersichtlich schwer gefallen ist, sich den Abbruch der Schwangerschaft vorzustellen. Hierzu befragt hat die Klägerin zu 1) angegeben, sie und ihr Mann hätten sich als Familie, mit ihren Kindern (damals 7 und 4) zusammen gesetzt und überlegt, wobei dann die Kinder nicht mitentschieden hätten, gleichwohl hätten sie es mit denen schon besprechen wollen, was es heißt, gegebenenfalls ein krankes Geschwisterkind zu haben (Bl. 214 GA). Der Kläger zu 2) hat gesagt, er könne nicht sagen, wie seine Frau und er sich entschieden hätten (Bl. 214 R unten GA). Dies zeigt aus Sicht der Kammer nicht, dass die Kläger entschlossen waren, bei einer frühzeitigen Diagnose von Trisomie 21 innerhalb der ersten 14 Wochen der Schwangerschaft einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Dass von der Klägerin zu 1) hier angedachte familiäre Gespräch deutet ggf. eher in die gegenteilige Richtung, nämlich dahin, sich als Familie für ein krankes Kind zu entscheiden. Aus Sicht der Kammer passt diese offene Herangehensweise an eine Entscheidungsfindung im gemeinsamen Dialog nicht zusammen mit der Haltung, ein behindertes Kind grundsätzlichen nicht zu wollen.
39Im Hinblick auf die vom Sachverständigen in seinem Gutachten festgestellten Behandlungsfehler des Beklagten zu einem späteren Zeitpunkt der Schwangerschaft, nämlich in der 32. Schwangerschaftswoche (SSW) fehlt es nach seinen weiteren Feststellungen an einer Kausalität dieses Fehlers, da der weitere Gang der Dinge dadurch nicht mehr verändert worden wäre.
40Nach den Feststellungen des Sachverständigen in seinem Gutachten habe der Beklagte bei der Untersuchung am 22.12.2010 (SSW 31+2) dokumentiert, dass neben dem weiterhin bestehenden Polyhydramnion der Verdacht auf eine Ovarialzyste bestehe und zusätzlich eine Obstruktion des Dünndarms, konkret ein Verdacht auf Dünndarmstenose. Nach den nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen wäre dieser Befund Anlass gewesen, einen spezialisierten Pränatalmediziner zu konsultieren (Bl. 118 GA). Ausgehend von der weiteren Dokumentation des Beklagten stellt der Sachverständige für den 03.01.2011 (SSW 33 + 0) fest, dass erstmalig dokumentiert sei: „Double Bubble“, so dass zu diesem Zeitpunkt zwei so genannte „Softmarker“ für das Vorliegen einer Chromosomenstörung, einer Fehlbildung von Organen oder einer anderen Erkrankungen beim Kind gegeben gewesen seien, was Anlass zu weiterer Diagnostik durch Erstellung eines Chromosomenbilds (Karyotypisierung), durch Ultraschall und zu pränatalmedizinischer Beratung hätte sein sollen (Bl. 119 GA). Der Gendefekt Trisomie 21 hätte, so der Sachverständige, bei diesem Vorgehen, insbesondere nach Durchführung einer Fruchtwasseruntersuchung mit Chromosomen-Diagnostik, früher gesichert werden können. Die Indikationsstellung zum Abbruch der Schwangerschaft aus medizinischer Indikation nach § 218 a Abs. 2 StGB wäre nach den Feststellungen des Sachverständigen zu diesem Zeitpunkt formal vergleichbar bis identisch wie bei einer Diagnosesicherung erst einige Wochen später gewesen (Bl. 119 GA). Dass der Beklagte geglaubt habe, die Weiterverweisung an einen weiter spezialisierten Pränataldiagnostiker sei im Hinblick auf seinen eigenen Weiterbildungs- und Spezialisierungsstand nicht erforderlich gewesen, sei eine verständliche Fehleinschätzung (Bl. 120 GA).
41Die Kammer wertet diese Feststellungen des Sachverständigen dahingehend, dass er die unterbliebene Weiterverweisung der Klägerin zu 1) an einen weiter spezialisierten Pränataldiagnostiker als einfach-fahrlässigen Behandlungsfehler bewertet, der sich für den weiteren Verlauf nicht kausal auswirkte, da ein Abbruch der Schwangerschaft zu diesem Zeitpunkt mit denselben rechtlichen und ethischen Problemen behaftet gewesen wäre wie bei der später erfolgten Diagnosestellung. Denn selbst bei frühestmöglicher Diagnose der Chromosomenstörung Trisomie 21 hätte sich die Klägerin zu 1) bereits jenseits der 30. SSW befunden (Bl. 121 GA), wenn ein Kind außerhalb des Mutterleibs bereits lebensfähig ist. Daher wäre die Abtreibung so durchgeführt worden, dass dem Kind im Mutterleib mittels einer langen Nadel durch die Bauchdecke der Mutter in sein Herz eine tödliche Dosis Kaliumchlorid injiziert worden wäre, in dessen Folge sein Herz wenige Sekunden später zu schlagen aufgehört hätte. Die Kläger haben selbst nicht vorgetragen, dass sie sich zu diesem Vorgehen entschlossen hätten. Mithin fehlt dem Behandlungsfehler im letzten Trimester der Schwangerschaft eine kausale Folge für den weiteren Verlauf.
42Offen bleiben kann daher der Streit der Parteien um die Vorgänge und Gespräche zwischen ihnen im Januar 2012 nach der Verdachtsdiagnose im Kreiskrankenhaus Gummersbach.
43Zutreffend rügt der Beklagte schließlich, dass der schriftsätzliche Vortrag der Kläger zu den nicht anders als durch eine Abtreibung abwendbaren psychischen Belastungen der Klägerin zu 1) bis hin zur Suizidgefahr abstrakt und ohne konkrete Substanz ist. Unterhaltsansprüche der Kläger bestehen daher insgesamt nicht.
44Der Schmerzensgeldantrag der Klägerin zu 1) ist ohne Erfolg, da die von der Klägerin zu 1) geklagten Schmerzen bei der Geburt keinen kausalen Zusammenhang zur fehlerhaft zu spät festgestellten Trisomie 21 ihres Kindes haben. Nach den nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen wäre die Kaiserschnittentbindung nicht anders geplant und durchgeführt worden, wenn schon in der 32. SSW die zutreffende Diagnose gestellt worden wäre.
45Das bloße „Haben“ eines behinderten Kindes begründet ebenfalls keinen immateriellen Schadensersatzanspruch der Klägerin zu 1). Abgesehen von der dem Grunde nach bereits nicht gegebenen Haftung, wie ausgeführt, müssten dazu von einer Mutter konkrete Folgen, die Krankheitswert erreichen, nachgewiesen werden, wie beispielsweise Schlafstörungen oder Depression (vgl. Martis/Winkhart Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., F 86-87); insoweit haben die Kläger nichts vorgetragen.
46Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
47Der Streitwert wird auf 129.676,49 EUR festgesetzt.
(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.
(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
(1) Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn
- 1.
die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen, - 2.
der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und - 3.
seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.
(2) Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.
(3) Die Voraussetzungen des Absatzes 2 gelten bei einem Schwangerschaftsabbruch, der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommen wird, auch als erfüllt, wenn nach ärztlicher Erkenntnis an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 178 des Strafgesetzbuches begangen worden ist, dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht, und seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.
(4) Die Schwangere ist nicht nach § 218 strafbar, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Beratung (§ 219) von einem Arzt vorgenommen worden ist und seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen verstrichen sind. Das Gericht kann von Strafe nach § 218 absehen, wenn die Schwangere sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer Bedrängnis befunden hat.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.
(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.
(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.