Oberlandesgericht Köln Urteil, 24. Juni 2016 - 19 U 181/15
Gericht
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 10.11.2015 – 22 O 224/13 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Rückzahlung von erhaltenen Bestandspflegeprovisionen nach Beendigung eines Versicherungsvertreterverhältnisses. Der Beklagte begehrt von der Klägerin im Wege der Widerklage die Auszahlung weiterer Provisionen für den Monat Juli 2012.
4Der Beklagte war aufgrund eines Agenturvertrages vom 24.09.2003 in der Zeit vom 01.10.2003 bis zum 31.07.2012 als selbstständiger Versicherungsvertreter für die Klägerin tätig. Mit Schreiben vom 26.01.2012 kündigte er ordentlich zum 31.07.2012.
5Bezüglich der Bestandsprovisionen ist in § 4 Abs. 2 des Agenturvertrages geregelt: „Vom zweiten Versicherungsjahr an erhält der Vertreter für die Pflege der Verträge, ihre Erhaltung, die Anpassung an veränderte Verhältnisse, für die Hilfe bei der Schadensbearbeitung und für postalische Aufwendungen sowie Bank- und Postgebühren eine Pflegeprovision …“. § 4 Abs. 5 sieht vor: „Die Provisionen kommen erst dann zur Auszahlung, wenn sie verdient sind, d.h. wenn der Versicherungsnehmer den Beitrag gezahlt hat.“
6Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Agenturvertrag Anlage K1 (Bl. 10-15 d.A.) verwiesen.
7Dem Beklagten wurden von der Klägerin im Kalenderjahr 2012 im Zeitraum von Anfang des Jahres bis zur Beendigung des Vertrages 54.032,37 € ausgezahlt.
8Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe einen Anspruch auf Rückzahlung von Bestandspflegeprovisionen in Höhe von 25.938,01 €. Dazu hat sie behauptet, in diesem Umfang seien an den Beklagten Bestandspflegeprovisionen vorschüssig bezahlt worden. Da der Beklagte zum Ende des Monats Juli 2012 ausgeschieden sei, habe er die Bestandspflegeleistung, die Voraussetzung des Verdienens der Bestandspflegeprovision sei, nicht mehr erbringen können. Da die Prämien für die Versicherungen monatlich, vierteljährlich, halbjährlich oder jährlich zahlbar seien, sei der Beklagte auch verpflichtet gewesen, die Kunden für den gesamten Zeitraum, für den die Provision gezahlt werde, zu betreuen, um die Provision behalten zu dürfen. Zur Berechnung hat sie auf die Anlage K 8 (Übersichtstabelle) und die Einzelaufstellungen K 9 -19 verwiesen.
9Nach der Beendigung des Agenturvertrages forderte der Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 17.08.2012 die Klägerin seinerseits vergeblich auf, Provisionsbeträge für Juli 2012 zu zahlen. Dazu verwies er auf die von der Klägerseite erstellten Abrechnungen für Juli 2012 seiner beiden Agenturkonten Nr. 8199 (Anlage B 7) in Höhe von + 6.358,40 € und Nr. 6999 (Anlage B 8) in Höhe von - 86,49 € zuzüglich der Freistellungsentschädigung für Juli 2012 in Höhe von 550,05 €.
10Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass dem Beklagten die geltend gemachten Provisionsansprüche für Juli 2012 nicht mehr zustünden; sie habe diese bei ihrer Klageberechnung bereits zugunsten des Beklagten berücksichtigt, soweit sie nicht als Bestandspflegeprovisionen unverdient seien.
11Die Klägerin hat beantragt,
12den Beklagten zu verurteilen, 25.938,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB p.a. aus 20.899,84 seit dem 10.11.2012 und aus weiteren 5.083,17 € seit Rechtshängigkeit an sie zu zahlen.
13Der Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen,
15sowie widerklagend,
16die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten 6.821,96 € nebst Zinsen in Höhe von 8 % Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.09.2012 zu bezahlen.
17Der Beklagte hat dazu die Auffassung vertreten, dass ihm die Bestandspflegeprovisionen ungekürzt zustünden, denn diese fielen bereits bei Zahlung der Prämie durch den Kunden vollständig an. Dies ergebe sich zwingend aus § 92 Abs. 4 HGB; diese Regelung sei durch § 4 Abs. 5 des Agenturvertrages übernommen worden. Der Vertrag enthalte keine Provisionsrückforderungsklausel und sehe auch keine Zahlung der Provision pro rata temporis vor. Bei der Bestandspflegeprovision handele sich nicht um einen Vorschuss für bestimmte Tätigkeiten, vielmehr gehe es gerade auch um das Honorieren des Fortbestandes des Vertrages für einen weiteren Zeitraum, der bei Zahlung durch den Kunden vorgegeben sei. Der Beklagte hat behauptet, als er die Bestandspflege von seinem Vorgänger mitten im Jahr übernommen habe, habe er auch keine anteilige Bestandspflegeprovision für das angebrochene Jahr bekommen. Jedenfalls sei die Regelung unklar, was die Klägerin nach Ansicht des Beklagten gegen sich gelten lassen müsse, weil es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele.
18Der Beklagte hat die Forderung der Klägerin auch der Höhe nach bestritten, insbesondere seien in den zurückgeforderten Provisionen auch Beträge enthalten, die bereits als Storno dem Beklagten rückbelastet worden seien; teilweise handele es sich auch nicht um Pflegeprovisionen, sondern um anteilig ausgezahlte Abschlussprovisionen (Folgeprovisionen), die die Klägerin nur einheitlich als „Inkassoprovision“ bezeichne. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den (nachgelassenen) Schriftsatz des Beklagten vom 19.10.2015 verwiesen.
19Die Klägerin hat beantragt,
20die Widerklage abzuweisen.
21Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Ein Rückzahlungsanspruch bezüglich der Bestandspflegeprovisionen ergebe sich nicht aus dem Agenturvertrag. Die Klauseln in § 4 Abs. 2 und § 4 Abs. 5 des Agenturvertrages seien nicht eindeutig dahin auszulegen, dass eine Pflegeprovision nur für den Zeitraum zu zahlen sei, in welchem seitens des Vertreters auch eine entsprechende Bestandskundenpflege erbracht werde. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beklagte unwidersprochen vorgetragen habe, dass er – als er die Bestandspflege von seinem Vorgänger übernommen habe - keine anteiligen Pflegeprovisionen für das angebrochene Jahr erhalten habe. Auch könne § 4 Abs. 2 des Agenturvertrages nicht eindeutig im Sinne einer Vorschussregelung für noch zu leistende Tätigkeiten verstanden werden. Insbesondere sei auch von „Erhaltung der Verträge“ die Rede. Insofern könne die Provision auch als Bestandsprovision (Halteprämie) verstanden werden, die nur anteilig zurückzuzahlen sei, wenn eine Stornierung des Kunden erfolge. Auch zeige der Verweis des Beklagten auf eine Klausel, die von der Sparkassenversicherung verwendet werde, dass die Beschreibung, für welche Zeit und welche Tätigkeit die Bestandspflegeprovision gezahlt wird und wann sie zurückzuzahlen ist, eindeutiger geregelt werden könne. Insofern sei die Klausel jedenfalls mehrdeutig und dies gehe, da es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele, gem. § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Klägerin als Verwenderin.
22Die Widerklage habe Erfolg. Der Höhe nach ergäbe sich der Anspruch aus der Provisionsabrechnung der Klägerin für Juli 2012 selbst. Da Bestandspflegeprovisionen für die Zeit nach dem Ausscheiden des Beklagten nicht herauszurechnen seien, sei der Anspruch in voller Höhe berechtigt.
23Mit ihrer frist- und formgerecht eingereichten Berufung verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch und die Abweisung der Widerklage weiter.
24Die Klägerin rügt, das Landgericht habe die Regelungen im Vertretervertrag falsch ausgelegt. Es ergebe sich aus dem Vertrag eindeutig, dass der Vertreter nach seinem Ausscheiden kein Entgelt mehr für eine Betreuungstätigkeit – die er ja auch nicht mehr erbringen könne - verlangen könne.
25Für die Bestandsprovision gelte die Regelung in § 4 Abs. 2 des Agenturvertrages, die so auszulegen sei, dass der Vertreter nur Bestandsprovisionen für den Zeitraum anteilig erhalte, im dem er auch Bestandspflege geleistet habe. Denn es handele sich der Ausgestaltung nach um eine Tätigkeitsvergütung und keine Halteprämie. Sie verweist dazu auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 02.10.2015 (16 U 182/13), die die Auslegung der identischen Regelung im Agenturvertrag (§ 4) betrifft und die zu dem Ergebnis kommt, dass Bestandspflegeprovisionen nach dieser Vorschrift eindeutig vorschüssig gezahlt würden und es sich bei der Regelung in § 4 Abs. 5 nur um eine Fälligkeitsregelung handele. Den Umstand, dass der Versicherungsvertreter am Anfang seiner Tätigkeit keine Bestandsprovision für alle von ihm betreuten Verträge erhalten habe, habe das Oberlandesgericht Düsseldorf gesehen und dem keine entscheidende Bedeutung beigemessen.
26Vor diesem Hintergrund sei auch die Widerklage abzuweisen. Jedenfalls bestehe kein Anspruch in Höhe von 6.821,96 €, da der Gesamtbetrag der unverdienten und verdienten Provisionen für den Monat Juli 2012 nach ihrer bereits erstinstanzlich vorgelegten korrigierten Aufstellung Anlage K 8 nur 5.388,15 € ausmache.
27Die Klägerin beantragt,
28das Urteil des Landgerichts Köln vom 10.11.2015, Az. 22 O 224/13, aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 25.938,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB p.a. aus 20.899,84 seit dem 10.11.2012 und aus weiteren 5.083,17 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen und die Widerklage abzuweisen.
29Der Beklagte beantragt,
30die Berufung zurückzuweisen.
31Er verteidigt das Urteil. Entgegen dem Verständnis der Klägerin und des Oberlandesgerichts Düsseldorf in der von der Klägerin angeführten Entscheidung vom 02.10.2015 enthalte die Regelung in § 4 des Agenturvertrages keinen Hinweis darauf, dass die Pflegeprovision vorschüssig gezahlt werde. Auch eine Rückforderungsklausel enthalte der Vertrag – anders als bei anderen Versicherungsgesellschaften und anders als in einer späteren Vertragsversion der Klägerin - nicht. Im Gegenteil sei nach dem Wortlaut in § 4 Abs. 5 die Pflegeprovision verdient, wenn der Versicherungsnehmer den Beitrag bezahlt habe. Dies sei auch der angemessene Ausgleich dafür, dass der Versicherungsagent zu Beginn des Agenturvertrages Bestandspflege durchführe und dafür bis zu einem Zeitraum von 11 Monaten keine Bestandspflegeprovision erhalte. Die Pflegeprovision sei eine pauschalierte Gegenleistung für die Betreuung des gesamten Bestandes. Es werde nicht auf den Umfang der Betreuungstätigkeit in einem konkreten einzelnen Versicherungsvertrag abgestellt. Die Pflegeprovision stelle auch eine Vergütung dafür dar, dass es dem Agenten gelungen sei, durch gute Betreuung den Kunden im Bestand zu halten. Jedenfalls müssten bei einer vertraglichen AGB-Klausel Zweifel zu Lasten der Klägerin gehen
32II.
33Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Zur Begründung kann zunächst auf die Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung verwiesen werden. Das Berufungsvorbringen und auch die von der Klägerin angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 02.10.2015 – 16 U 182/13 – veranlassen nicht zu einer anderen Sicht.
341. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung von Bestandspflegeprovisionen aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. den Regelungen im Agenturvertrag vom 24.09.2003.
35a) Nach Aufbau und Wortlaut des § 4 des Agenturvertrages bezieht sich der Satz:„Provisionen kommen erst dann zur Auszahlung, wenn sie verdient sind, d.h. wenn der Versicherungsnehmer den Beitrag gezahlt hat“, auf beide zuvor aufgeführten Provisionsarten, nämlich die in § 4 Abs. 1 geregelte Abschlussprovision und die in § 4 Abs. 2 geregelte Pflegeprovision. Bei der Pflegeprovision wird nicht nach Zeitabschnitten differenziert, insbesondere geht aus der Regelung in § 4 Abs. 2 nicht hervor, dass sich die Bestandspflegeprovision auf eine konkrete, in einem bestimmten zukünftigen Zeitraum liegende Tätigkeit für bestimmte Verträge bezieht. Die Bestimmung regelt die Vergütung für die Bestandspflege vielmehr verallgemeinernd „für die Pflege der Verträge ihre Erhaltung, Anpassung, Hilfe bei der Schadenbearbeitung, Postgebühren etc.“ und kann daher jedenfalls auch als Pauschalvergütung dafür aufgefasst werden, dass der Bestand zu dem Zeitpunkt der Zahlung des Versicherungsbeitrags noch vorhanden war und für die künftige Periode bestandsfest ist. Denn die Formulierung, dass der Vertreter auch für die „Erhaltung“ der Verträge eine Provision erhält, hat auch einen Rückwärtsbezug in dem Sinne, dass ein Erfolg in der Vergangenheit honoriert werden soll (so auch für eine ähnliche Klausel Senat, Beschluss vom 26.11.2015, 19 U 108/15, nicht veröffentlicht; LG Köln, Urteil vom 30.06.2015 – 4 O 355/14; juris Rz. 26). Allein aus dem Umstand, dass der Versicherungsnehmer seinen Beitrag für die kommende Periode zahlt, ist nicht abzuleiten, dass auch der Versicherungsvertreter seine Pflegeprovision nur für bestimmte in einem festgelegten zukünftigen Zeitabschnitt noch zu erbringende Tätigkeiten erhält. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beklagte – von der Klägerin nicht substantiiert bestritten - vorgetragen hat, dass er, als er die Bestandspflege von seinem Vorgänger übernommen hat, keine Pflegeprovision für die angebrochene Periode erhalten hat. Diesen Umstand hat das Landgericht zu Recht als erheblich dafür angesehen, wie ein Versicherungsvertreter die Bestimmung in § 4 Abs. 5 des Agenturvertrages nach den §§ 133, 157 BGB verstehen konnte. Da der Beklagte danach zunächst, z.B. bei jährlicher Zahlweise des Kunden, bis zu ein Jahr lang keine Provisionen erhielt, obwohl er u.U. Pflegeleistungen erbringen musste, konnte er die Regelung nur so verstehen, dass für das endgültige Verdienen maßgeblich ist, auf welchen Agenten der Vertrag im Zeitpunkt der Zahlung des Beitrags durch den Kunden „geschlüsselt“ ist. Dies ist jedenfalls ein System, das den wechselseitigen Interessen der Parteien bei Ausscheiden eines Versicherungsvertreters (Klägerin will Doppelzahlung vermeiden, Agent will einmal erhaltene Provisionen nicht zurückzahlen) angemessen und einfach Rechnung trägt. Auch der den Bestand übernehmende Vertreter wird nicht dadurch unangemessen benachteiligt, dass er nur sukzessive Provisionen erhält und er unter Umständen Bestandspflegeleistungen für Verträge leisten muss, für die er (noch) keine Bestandspflegeprovision erhalten hat. Seine Bemühungen werden sich in diesem konkreten Fall zwar erst zeitlich versetzt auswirken; dafür erhält er für andere Verträge schon eine Provision, obwohl er für deren Erhalt keine konkrete Tätigkeit entfalten muss.
36b) Die Formulierung in § 4 Abs. 5 des Agenturvertrages, nach dem die Provisionen zur Auszahlung kommen, wenn sie verdient sind, d.h., wenn der Versicherungsnehmer den Beitrag gezahlt hat, spricht eher dafür, dass Provisionen, die ausgezahlt wurden, weil der Versicherungsnehmer die Prämie für einen bestimmten Zeitraum gezahlt hat, auch endgültig verdient sind und keinen Vorschuss darstellen. Weder aus Systematik noch aus dem Wortlaut lässt sich (eindeutig) entnehmen, dass es sich um eine reine Fälligkeitsregelung handelt und in Bezug auf die Abschlussprovisionen schlicht die Anwendbarkeit von § 92 Abs. 4 HGB verdeutlicht werden sollte. Wie ausgeführt, wird in § 4 Abs.5 nicht zwischen der in § 4 Abs. 1 geregelten Abschlussprovision und der in § 4 Abs. 2 geregelten Bestandspflegeprovision differenziert. Gegen eine reine Fälligkeitsregelung spricht die Erwähnung des Wortes „verdient“. Nur der erste Satzteil isoliert betrachtet deutet auf eine Fälligkeitsregelung hin, da er auf den Zeitpunkt der „Auszahlung“ der Provision abstellt. Dass der Nebensatz „wenn sie verdient sind“, für die Bestandspflegeprovisionen keine eigenständige Bedeutung haben soll, überzeugt indes nicht. Denn für die Abschlussprovisionen hätte es – da in § 92 Abs. 4 HGB geregelt - überhaupt keiner besonderen Regelung im Agenturvertrag bedurft. Ein eindeutiger Hinweis auf eine Fälligkeitsregelung ergibt sich auch nicht daraus, dass schon im vorhergehenden Satz in § 4 Abs. 4 von„Auszahlung der Provision“ und einem „Auszahlrhythmus“ die Rede ist. Denn vor § 4 Abs. 5 befindet sich ein größerer Absatz, der darauf hindeutet, dass nunmehr eine neue Sinneinheit folgt.
37c) Üblicherweise muss der Versicherungsvertreter Provisionen für Verträge, die ungekündigt fortbestehen und für die Prämien bezahlt werden, bei seinem Ausscheiden nicht zurückzahlen. Sofern für den Fall der Bestandsprovisionen etwas anderes gelten soll, handelt es sich um einen Sonderfall, der ausdrücklich geregelt werden müsste, um dem Versicherungsvertreter zu ermöglichen, Vorsorge für den Fall seines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Versicherungsvertragsverhältnis zu treffen. Jedenfalls bei einem langjährig für den Versicherer tätigen Vertreter erscheint es bedenklich, wenn er im Fall einer ordentlichen Kündigung auf einmal erhebliche Beträge zurückzahlen muss (vorliegend etwa die Hälfte der im ersten Halbjahr 2012 erhaltenen Provisionen). Dieses Bedürfnis nach Klarstellung hat die Klägerin offenbar auch erkannt und dem in späteren Agenturverträgen Rechnung getragen, z.B. in einem Agenturvertrag aus dem Jahr 2013, vorgelegt als Anlage B 17, Bl. 162, 168 GA, in dem die ursprüngliche Version des § 4 Abs. 2 wie folgt ergänzt wurde: „Dieses Entgelt deckt damit pauschal die jeweiligen monatlichen Aufwendungen des Vermittlers für den Beitragszahlungszeitraum des betreffenden Versicherungsvertrages ab. Bei Beendigung des Agenturvertragsverhältnisses zwischen der S und dem Vermittler, ist eine im Voraus gezahlte Pflegeprovision vom Vermittler zurückzuzahlen. Der Vermittler ist verpflichtet, die Pflegeprovision anteilig an die S zu erstatten, soweit sie nicht verdient ist. Verdient ist die Pflegeprovision anteilig für jeden angefangenen Monat, in dem das Agenturverhältnis wirksam bestand.“.
38d) Jedenfalls indiziert die Klarstellung, dass die Regelung vorher auch anders verstanden werden konnte. Sie ist mindestens mehrdeutig, was, da es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, gem. § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Klägerin als Verwenderin geht. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BGH, Urteil vom 05.11.2015, VII ZR 59/14 = WM 2015, 2315 Rn. 18). Dies führt zu dem vorgenannten Auslegungsergebnis; jedenfalls ist diese Auslegung nicht fernliegend.
39Sieht man in der von der Klägerin favorisierten Auslegung der Klausel in § 4 Abs. 2 des Agenturvertrages keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsagenten nach § 307 Abs. 2 BGB, ist gem. § 305 c Abs. 2 BGB die „kundenfreundlichste“ Auslegung zugrunde zu legen, nach der die Pflegeprovisionen mit Zahlung des Beitrags endgültig verdient sind und nicht zurückgezahlt werden müssen. Wäre die Klausel in § 4 Abs. 2 in der von der Klägerin favorisierten Auslegung nach § 307 Abs. 2 BGB unwirksam, entfiele er als Rechtsgrund für die Rückforderung und die Provisionszahlung wäre aufgrund eines bestehenden Vertreterverhältnisses ebenfalls mit Rechtsgrund erfolgt.
40e) Auf weitere von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 19.10.2015 vorgetragene Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Höhe der Klageforderung kommt es danach nicht an.
412. Auch die Widerklageforderung in Höhe von 6.821,96 € ist vom Landgericht aus zutreffenden Gründen für berechtigt gehalten worden. Soweit in der Provisionsabrechnung für Juli 2012 eine Vergütung für Bestandspflegeprovisionen enthalten ist, ist sie nach dem vorgenannten Maßstab endgültig verdient und die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 18.08.2015 unter Bezugnahme auf die Anlage K 8 mit 4.114,04 € bezifferten und als „unverdient“ bezeichneten „Inkassozahlungen“ sind von dem Provisionsanspruch für Juli 2012 nicht in Abzug zu bringen. Soweit die Klägerin in der Anlage K 8 als Summe der „unverdienten und verdienten Inkassozahlungen“ einen Gesamtbetrag von 5.388,15 € anführt und daher meint, die von dem Beklagten für Juli 2012 errechnete Provisionsforderung von + 6.358,40 € für das Agenturkonto 8199 und von – 86,49 € für das Agenturkonto 6999 sei falsch, so ist dieser Einwand nicht stichhaltig. Denn der Beklagte stützt sich bei seiner Abrechnung auf Buchungsdaten der Klägerin auf den Agenturkonten (Anlage B 7 und B 8, Bl. 51, 52 GA) und auf die von der Klägerin erstellten Buchungsnoten (Anlagen B 17-19 zum Schriftsatz der Beklagten vom 19.10.2015 im gesonderten Anlagenheft hinten), die diese Beträge ausweisen. In diesen Abrechnungen sind auch andere Provisionsarten als Inkassoprovisionen (unter die die Klägerin offenbar die Bestandsprovisionen fasst) enthalten (z.B. B Rechtsschutz). Gründe, warum diese anderen Provisionen dem Beklagten nicht zustehen sollten, werden von der Klägerin nicht vorgebracht. Da sich die Anlage K 8 nur auf „Inkassozahlungen“, also Bestandsprovisionen beschränkt, ist sie für den gesamten Provisionsanspruch des Beklagten für den Monat Juli 2012 allein nicht maßgeblich.
423. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
434. Die Revision wird nicht zugelassen. Die Entscheidung hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erscheint eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 ZPO geboten. Auch wenn das Oberlandesgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 02.10.2015 – 16 U 182/13 - bei der Auslegung der gleichen Vertragsklausel in § 4 des Agenturvertrages zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, handelt es sich um eine reine Einzelfallentscheidung, für die u.a. auch der leicht divergierende Vortrag der jeweiligen Parteien zu den außerhalb der Vertragsurkunde liegenden Umständen maßgeblich war.
44Streitwert für das Berufungsverfahren: 32.759,97 €
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(1) Versicherungsvertreter ist, wer als Handelsvertreter damit betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen.
(2) Für das Vertragsverhältnis zwischen dem Versicherungsvertreter und dem Versicherer gelten die Vorschriften für das Vertragsverhältnis zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer vorbehaltlich der Absätze 3 und 4.
(3) In Abweichung von § 87 Abs. 1 Satz 1 hat ein Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision nur für Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. § 87 Abs. 2 gilt nicht für Versicherungsvertreter.
(4) Der Versicherungsvertreter hat Anspruch auf Provision (§ 87a Abs. 1), sobald der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechnet.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß für Bausparkassenvertreter.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Versicherungsvertreter ist, wer als Handelsvertreter damit betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen.
(2) Für das Vertragsverhältnis zwischen dem Versicherungsvertreter und dem Versicherer gelten die Vorschriften für das Vertragsverhältnis zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer vorbehaltlich der Absätze 3 und 4.
(3) In Abweichung von § 87 Abs. 1 Satz 1 hat ein Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision nur für Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. § 87 Abs. 2 gilt nicht für Versicherungsvertreter.
(4) Der Versicherungsvertreter hat Anspruch auf Provision (§ 87a Abs. 1), sobald der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechnet.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß für Bausparkassenvertreter.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.