Oberlandesgericht Köln Urteil, 23. Sept. 2014 - 15 U 27/14
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15.1.2014 (28 O 234/13) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, über den Kläger identifizierend unter Nennung seines Namens und Verbreitung seines Bildnisses zu berichten, wie geschehen am 24.1.2013 auf dem Fernsehsender S in der Sendung „F“ (Anlage K 4).
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Parteien streiten um die Unterlassung von Äußerungen über den Kläger in einem Fernsehbeitrag der Beklagten.
4Der Kläger betreibt eine Internetseite, auf der er sich mit der von der Beklagten ausgestrahlten Fernsehsendung „E T E2 T2“ (ETE2T2) befasst. Dies wiederum war Gegenstand der angegriffenen Berichterstattung der Beklagten, in die u.a. ein mit dem Kläger am 22.1.2013 geführtes Interview eingeflossen ist und wegen deren Einzelheiten auf die zur Akte gereichte DVD (Anlage K 4) verwiesen wird. Der Kläger ließ die Beklagte deswegen mit Schreiben vom 5.2.2013 abmahnen.
5Durch einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 14.3.2013 (28 O 67/13) wurde der Beklagten u.a. die Behauptung, Verbreitung usw. der auch vorliegend streitgegenständlichen Äußerungen untersagt. Den dagegen eingelegten Widerspruch nahm die Beklagte am 3.4.2013 zurück.
6Im vorliegenden Hauptsacheverfahren geht es um die Zulässigkeit einer identifizierenden Berichterstattung sowie um die Unterlassung von vier Passagen des Fernsehbeitrags. Der Kläger hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, dass die ihn identifizierende Berichterstattung in der konkreten Verletzungsform insgesamt unzulässig sei. Außerdem hat er gemeint, dass in dem Fernsehbeitrag die mit dem Klageantrag zu b) zur Unterlassung begehrten unzutreffenden Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden, er habe sich gegenüber M X als „ältere Dame“ ausgegeben und würde Unwahrheiten über U E2 verbreiten. Ferner werde durch die im Klageantrag zu c) aufgeführten Äußerungen der unzutreffende Eindruck erweckt, er habe bei YouTube ein Video über M X veröffentlicht und dies auch zugegeben. Schließlich würden die im Antrag zu d) genannten Aussagen den Eindruck erwecken, er habe bestätigt, behauptet zu haben, mit Frau U E2 zusammen gewesen zu sein.
7Der Kläger hat beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – Ordnungshaft zu vollstrecken an dem Geschäftsführer – zu unterlassen,
9a) über den Kläger identifizierend unter Nennung seines Namens und Verbreitung seines Bildnisses zu berichten,
10b) in Bezug auf den Kläger zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder verbreiten zu lassen,
11aa) der Kläger habe sich auf der Internetplattform „Facebook“ als ältere Dame ausgegeben, um so Frau M X zu kontaktieren. Er habe dann im Gesprächsverlauf aufgedeckt, dass er in Wirklichkeit U2 M2 sei (Time-Code 01:15-01:39, Anlage K 4)
12bb) der Kläger würde Unwahrheiten über U E2 verbreiten (Time-Code 04:25 – 04:30, Anlage K 4),
13c) durch die Berichterstattung
14(Off-Stimme)
15„In dem Anti-M Internetvideo wird die 20-jährige nicht nur als Nutte beschimpft, vielmehr legt das Video nahe, die angehende Friseurin aus dem Erzgebirge würde im Frankfurter Rotlichtmilieu als Prostituierte arbeiten.“ (Time-Code 02:45-03:11, Anlage K 4)
16(…)
17(Off-Stimme)
18„Ein bisschen ertappt wirkt M2 schon, mehrere Tage hatte unser Reporter gebraucht, um den angeblichen ETE2T2-Fan aufzuspüren. Was sagt der Mann, der nach eigenen Angaben zu mindestens 14 Superstarkandidaten Kontakt gesucht hat, zu den Videos, die M und andere Superstarbewerber verunglimpfen.“
19(S-Reporter)
20„Sie haben ja viele YouTube-Videos auch eingestellt.“
21(U2 M2)
22„8,9 Videos sind das, ist das verboten?!“
23(M X)
24„Jetzt wird es immer schlimmer, jetzt schreiben mich schon echt 100 Leute darauf an, dass ich in Frankfurt als Nutte arbeite und ich war dann richtig zittrig“
25(U2 M2)
26„Ich habe ja nur die Wahrheit geschrieben“
27(Time-Code 03:25 – 04:05, Anlage K 4)
28aa) den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe auf der Internetplattform „YouTube“ ein Video über M X veröffentlicht, in dem diese als Nutte bezeichnet wird,
29bb) den Eindruck zu erwecken, der Kläger würde gegenüber der Antragsgegnerin bestätigen, derartige Videos auf der Internetplattform „YouTube“ veröffentlicht zu haben;
30d) durch die Berichterstattung
31(S Off-Stimme)
32„In einem bei YouTube veröffentlichten Filmchen wird sogar behauptet, M2 sei Superstar-Kandidat. Für U die wohl noch schlimmere Lüge, angeblich seien der 31-jährige und die schöne 19-jährige ein Paar gewesen.“
33(U2 M2)
34„Ich habe alles so in den Entry reingeschrieben; so wie es ist, ist es auch.“
35(U E)
36„Meines Wissens waren wir nicht zusammen, also. Ich weiß da nichts von, aber ich finde es auch schlimm. Das Ganze ist ein bisschen gruselig, also er macht das schon, das ganze sehr extrem.“
37(Time-Code: 04:30 – 04:59)
38den Eindruck zu erwecken, der Antragsteller würde bestätigen, behauptet zu haben, mit Frau U E zusammen gewesen zu sein,
39wie jeweils geschehen am 24.01.2013 auf dem Fernsehsender S in der Sendung „F“.
40Die Beklagte hat beantragt,
41die Klage abzuweisen.
42Die Beklagte hat gemeint, dass in ihrem Fernsehbeitrag weder die vom Kläger angegriffene Tatsachenbehauptung enthalten sei noch die beanstandeten Eindrücke erweckt würden und hat auch eine den Kläger identifizierende Berichterstattung für zulässig gehalten.
43Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Anträge zu b) aa) (ältere Dame), c) (YouTube-Video über M X) und d) (Beziehung zu U E) stattgegeben und sie hinsichtlich der Anträge zu a) (identifizierende Berichterstattung) und b) bb) (Verbreitung von Unwahrheiten) abgewiesen. Zur Begründung der stattgebenden Entscheidung hat das Landgericht die Auffassung vertreten, dass der Fernsehbeitrag der Beklagten die mit dem Klageantrag zu b) aa) zur Unterlassung begehrte Behauptung, der Kläger habe sich gegenüber M X als ältere Dame ausgegeben und dies auch zugegeben, zwar nicht unmittelbar und ausdrücklich enthalte, allerdings einen entsprechenden Eindruck erwecke, indem dies dem Zuschauer als unabweisliche Schlussfolgerung nahegelegt werde. Ein abweichendes Verständnis sei fernliegend. Dies sei angesichts des eingeblendeten Schriftzuges auch hinsichtlich des mit dem Antrag zu c) zur Unterlassung begehrten Eindrucks, der Kläger habe bei YouTube ein Video über M X veröffentlicht und dies auch bestätigt, der Fall, auch wenn am Ende des Beitrags das Bestreiten des Klägers wiedergegeben wird, da diese Äußerungen aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Schließlich könne der Kläger auch gemäß dem Klageantrag zu d) verlangen, dass die Beklagte es unterlässt, den Eindruck zu erwecken, er würde bestätigen, behauptet zu haben, mit Frau U E zusammen gewesen zu sein, weil durch den Fernsehbeitrag dem Zuschauer auch dies - ebenfalls in Form eines eingeblendeten Schriftzuges - als zwingende Schlussfolgerung nahegelegt werde. Zur Begründung der teilweisen Klageabweisung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung unter Nennung seines Namens und Verbreitung seines Bildnisses entsprechend dem Antrag zu a) habe, weil er sich für ein Interview zur Verfügung gestellt und damit in eine identifizierende Berichterstattung wirksam eingewilligt habe und die Verbreitung zutreffender Tatsachenbehauptungen über die Sozialsphäre regelmäßig zulässig sei. Der Kläger könne auch keine Unterlassung der Äußerung, er würde Unwahrheiten über U E verbreiten, gemäß dem Klageantrag zu b) bb) verlangen, weil es sich dabei um eine zulässige Meinungsäußerung handele.
44Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem Urteil vom 15.1.2014 (Bl. 563 ff. GA) Bezug genommen.
45Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiterverfolgt sowie ihr Vorbringen aus erster Instanz wiederholt, vertieft und ergänzt. Die Beklagte meint, dass die Klage mangels Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers, unter der auch Zwangsvollstreckungsversuche unternommen werden können, unzulässig sei. Die Beklagte ist ferner der Auffassung, dass das Landgericht dem Klageantrag zu b) aa) (ältere Dame) nicht unter dem Aspekt einer Eindruckserweckung hätte stattgeben dürfen, weil dies nicht dem Klageantrag entspreche und auch nicht entsprechend tenoriert worden sei. Der Kläger habe stets den Standpunkt vertreten, dass in dem Fernsehbeitrag eine solche Tatsachenbehauptung ausdrücklich und nicht nur verdeckt enthalten sei. Beides ist nach Meinung der Beklagten nicht der Fall. Ferner ist die Beklagte unter Berufung auf die Beschlüsse des Senats in dem Beschwerdeverfahren 15 W 58/13 der Auffassung, dass in ihrem Fernsehbeitrag nicht der mit dem Klageantrag zu c) (YouTube-Video über M X) zur Unterlassung begehrte Eindruck erweckt werde. Jedenfalls sei durch die am Ende der Sendung wiedergegebene Äußerung des Klägers insoweit eine Klarstellung erfolgt, die von dem durchschnittlichen Zuschauer als auch darauf bezogen verstanden werde. Hinsichtlich des Klageantrags zu d) (Beziehung zu U E) ist die Beklagte ebenfalls der Auffassung, dass der beanstandete Eindruck nicht erweckt werde, weil durch den dort verwendeten Begriff „entry“ eindeutig klargestellt sei, dass sich die wiedergegebene Äußerung des Klägers nicht auf ein Video beziehe.
46Die Beklagte beantragt,
47das angefochtene Urteil abzuändern, soweit die Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist, und die Klage insgesamt – auch hinsichtlich der in der Berufungsverhandlung formulierten Hilfsanträge - abzuweisen.
48Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, soweit der Klage stattgegeben wurde, und beantragt,
49die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
50hilfsweise zu der gemäß dem Klageantrag zu b) aa) erfolgten Verurteilung der Beklagten zu untersagen, in Bezug auf den Kläger zu behaupten und/oder behaupten zu lassen:
51S OFF-Stimme:
52„Kurz darauf will eine ältere Dame ihr online Fan werden“
53M X 0:15 – 01:39
54„Und da hab ich gedacht, ok mit der kannst Du ja mal schreiben, die ist vielleicht ganz in Ordnung ne. Und so hin und her geschrieben und dann irgendwann kam:
55‚Ich muss dir was sagen‘
56Ich so: ‚Wie jetzt?‘
57‚Na ich bin gar nicht die‘,
58Ich so: ‚Hä, wer biste dann?‘
59‚Na ich bin der U2 M2.‘
60‚Also der U2 L. ne!‘
61Boah und da dachte ich, was geht denn jetzt los. Und da hatte ich so ein komisches Gefühl und dachte mir, dass der jetzt gleich vor meiner Tür steht.“wie geschehen am 24.1.2013 auf dem Fernsehsender S in der Sendung „F“;
62weiter hilfsweise der Beklagten zu untersagen, durch die Berichterstattung:
63S OFF-Stimme:
64„Kurz darauf will eine ältere Dame ihr online Fan werden“
65M X 0:15 – 01:39
66„Und da hab ich gedacht, ok mit der kannst Du ja mal schreiben, die ist vielleicht ganz in Ordnung ne. Und so hin und her geschrieben und dann irgendwann kam:
67‚Ich muss dir was sagen‘
68Ich so: ‚Wie jetzt?‘
69‚Na ich bin gar nicht die‘,
70Ich so: ‚Hä, wer biste dann?‘
71‚Na ich bin der U2 M2.‘
72‚Also der U2 L. ne!‘
73Boah und da dachte ich, was geht denn jetzt los. Und da hatte ich so ein komisches Gefühl und dachte mir, dass der jetzt gleich vor meiner Tür steht.“S Off-Stimme 0:39 – 01:56
74„Wer ist L-I U2 M2, klar ist, der Mann ist gut 10 Jahre älter als die meisten der ETE2T2 Kandidaten, klar ist auch, er selbst sieht sich als ETE2T2-Fan. Aber was steckt wirklich hinter seinen unzähligen hartnäckigen Versuchen, Kontakt zu ETE2T2-Kandidatinnen aufzunehmen.“
75U E: 01:56 – 02:01
76„Ich finde das gruselig, man weiß ja nie wie weit dieser Mann geht.“
77wie geschehen am 24.1.2013 auf dem Fernsehsender S in der Sendung „F“,
78den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe sich im Internet gegenüber Frau X als ältere Dame ausgegeben und im Gesprächsverlauf aufgedeckt, dass er in Wirklichkeit U2 M2 sei.
79Der Kläger behauptet, stets aktuelle und korrekte Anschriften angegeben zu haben und ist der Auffassung, dass das Landgericht den Klageanträgen zu Recht teilweise entsprochen hat. Insbesondere liege hinsichtlich des Klageantrags zu b) aa) (ältere Dame) keine unzulässige Abweichung vom Klagebegehren vor und werde im Gesamtzusammenhang durch die Berichterstattung der Beklagten der mit den vorsorglich gestellten Hilfsanträgen zur Unterlassung begehrte Eindruck als unabweislich erweckt, indem die Einschätzung der ETE2T2-Kandidatin, dass es sich bei der Person, die sich als ältere Dame ausgegeben hatte, um den Kläger handele, ohne jegliche Distanzierung im Zusammenhang mit weiteren Aussagen über den Kläger wiedergegeben wird. Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, dass es auf eine zwingende Eindruckserweckung auch nicht ankomme, sondern nach der Stolpe-Rechtsprechung ein Unterlassungsanspruch selbst bei Annahme einer seines Erachtens jedenfalls vorliegenden mehrdeutigen verdeckten Tatsachenbehauptung bestehe. Hinsichtlich der Klageanträge zu c) (YouTube-Video über M X) und d) (Beziehung zu U E) ist der Kläger der Meinung, dass unter dem Aspekt des Zitatschutzes ein Unterlassungsanspruch auch dann bestehe, wenn aufgrund einer verfälschten Wiedergabe bei einer Vielzahl von Rezipienten der (nicht notwendigerweise unabweisliche) Eindruck entsteht, dass sich der Zitierte in einer bestimmten Weise geäußert hat, wie dies seines Erachtens in dem Fernsehbeitrag der Beklagten in Bezug auf eine angebliche Bestätigung der Vorwürfe bzw. der Beziehung durch den Kläger der Fall ist. Im Übrigen ist die Erweckung eines unabweislichen Eindrucks hinsichtlich der Bestätigung einer Urheberschaft bzw. Beziehung nach Ansicht des Klägers aber auch zu bejahen.
80Mit seiner Anschlussberufung wendet sich der Kläger gegen die Abweisung des Klageantrags zu a). Er ist der Auffassung, dass eine identifizierende Berichterstattung wegen der damit verbundenen Stigmatisierung und Prangerwirkung, der fehlenden Einwilligung in die konkrete Berichterstattung und der Nichteinhaltung der Grundsätze der Verdachtsberichterstattung unzulässig ist, was sich auch daraus ergebe, dass das Landgericht seinem Unterlassungspetitum im einstweiligen Verfügungsverfahren stattgegeben und die vorliegende Antragstellung empfohlen hat. Hierzu behauptet der Kläger, er werde in dem Beitrag der Beklagten unzutreffend als jemand dargestellt, der andere Personen belästigt und ihnen auflauert, was durch filmische, sprachliche und akustische Mittel wie Licht- und Toneffekte noch verstärkt werde. Mit den Filmaufnahmen habe er sich nur unter der Bedingung einverstanden erklärt, dass sein Abstreiten der gegen ihn erhobenen Vorwürfe ausgestrahlt wird, was jedoch nicht geschehen sei. Eine etwaige Einwilligung rechtfertige seines Erachtens aber auch nach der Zweckübertragungslehre nicht die konkrete stigmatisierende Berichterstattung. Im Übrigen handelt es sich nach Auffassung des Klägers auch nicht um eine zulässige Verdachtsberichterstattung, weil es für die gegen ihn erhobenen (auch strafrechtlich relevanten) Vorwürfe an einem Mindestbestand an Beweistatsachen fehle und es sich mangels Wiedergabe seines Standpunktes nicht um eine ausgewogene, sondern eine bewusst einseitige und verfälschende Darstellung handele, da eine Vorverurteilung stattfinde, indem durch die Schnittführung sein Bestreiten vollständig entwertet werde.
81Der Kläger beantragt,
82unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung einer vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Letztere zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen, über den Kläger identifizierend unter Nennung seines Namens und Verbreitung seines Bildnisses zu berichten,
83wie geschehen am 24.1.2013 auf dem Fernsehsender S in der Sendung „F“.
84Die Beklagte beantragt,
85die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
86Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger aufgrund seiner nicht an Bedingungen geknüpften Einwilligung nicht generell die Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung verlangen könne. Im Übrigen werde am Ende des Beitrags auch klargestellt, dass der Kläger bestreitet, Urheber („Macher“) der Videos gewesen zu sein. Ferner meint die Beklagte, dass der Kläger durch die Art der Darstellung auch nicht stigmatisiert oder an den Pranger gestellt werde. Den bewussten Einsatz von Licht- oder Toneffekten, um den Kläger negativ darzustellen, bestreitet die Beklagte. Ebenso wenig enthält der Beitrag nach deren Auffassung eine verallgemeinernde Darstellung des Klägers als einen Mann, der „aufdringlich“ und „hartnäckig“ zu jungen Frauen sei, ihnen Angst mache, sie sich zum Ziel gemacht habe und/oder junge Mädchen belästige. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich nach Meinung der Beklagten auch nicht bei einer Anwendung der Grundsätze zur Verdachtsberichterstattung, da aufgrund der eigenen (abfälligen) Äußerungen des Klägers über ETE2T2-Kandidatinnen in seinem Blog ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorgelegen habe, keine Vorverurteilung stattfinde und Stellungnahmen des Klägers in ausreichender Weise berücksichtigt worden seien.
87Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 26.8.2014 verwiesen.
88II.
89Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers sind jeweils zulässig und teilweise begründet und führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung des angefochtenen Urteils.
90Die Anschlussberufung des Klägers ist jedenfalls nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen möglicher Versäumung der Einlegungsfrist zulässig.
91Die Klage ist ebenfalls zulässig. Zum einen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger den Rechtsstreit „aus dem Verborgenen“ führt, zumal die Beklagte dem Vorbringen des Klägers, dass er bei Klageerhebung eine aktuelle Adresse angegeben habe, nicht mehr entgegen getreten ist und auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die zuletzt genannte, aus dem Rubrum ersichtliche Anschrift des Klägers unzutreffend ist, so dass es nicht darauf ankommt, inwieweit dies ggf. Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Klage und/oder der Anschlussberufung hätte. Zum anderen begegnet auch die Zulässigkeit der einzelnen Klageanträge, insbesondere der in der Berufungsverhandlung gestellten Hilfsanträge hinsichtlich des erstinstanzlich zugesprochenen Klageantrags zu b) aa) (ältere Dame), keinen rechtlichen Bedenken (§§ 533, 529 ZPO).
92Die danach zulässigen Rechtsmittel sind insoweit begründet, als einerseits der Kläger gemäß dem Klageantrag zu a) einen Anspruch auf Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung in der konkreten Verletzungsform hat, während andererseits vor diesem Hintergrund die übrigen gegen einzelne Äußerungen gerichteten Klageanträge unbegründet sind, weil insoweit ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an einer entsprechenden Verurteilung auch unter Berücksichtigung der Erörterungen in der Berufungsverhandlung nicht erkennbar ist, so dass die Klage hinsichtlich der vom Landgericht zugesprochenen Anträge zu b) aa) (ältere Dame), c) aa) und bb) (Video über M X) und d) (Beziehung zu U E) sowohl hinsichtlich der Haupt- als auch der Hilfsanträge abzuweisen ist. Der vom Landgericht abgewiesene Klageantrag zu b) bb) ist ohnehin nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, nachdem der Kläger die Zurückweisung seines diesbezüglichen PKH-Antrags akzeptiert und seine Anschlussberufung auf den Klageantrag zu a) beschränkt hat.
931. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung wie in der Sendung „F“ vom 24.1.2013 geschehen, weil bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen den betroffenen (Grund-) Rechtspositionen das Anonymitätsinteresse des Klägers gegenüber der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit der Beklagten und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt.
94Zwar tangiert die Berichterstattung den Kläger – allenfalls - in seiner Privatsphäre, wenn nicht sogar „nur“ in seiner Sozialsphäre, weil er mit seinem Blog im Internet bewusst in die Öffentlichkeit getreten ist und das Bestehen darüber hinausgehender privater oder gar intimer Beziehungen zu den Kandidatinnen gerade in Abrede stellt. Der Kläger ist zwar keine in der Öffentlichkeit allgemein bekannte Person, aber Betreiber eines nach eigener Einschätzung „wichtigen“ Blogs im Internet, der sich mit der Sendung „E T E2 T2“ (ETE2T2) befasst und in dem der Kläger sich unter Nennung seines Namens präsentiert. Zudem nimmt er für sich einen publizistischen Ruf in Anspruch, den er durch die Berichterstattung der Beklagten als beeinträchtigt bzw. gefährdet ansieht. Insofern betrifft die Berichterstattung der Beklagten schwerpunktmäßig das öffentliche Wirken des Klägers. In diesem Bereich besteht grundsätzlich ein geringe(re)s Anonymitätsinteresse. Es ist auch ein Informationsinteresse bei den von der Fernsehsendung der Beklagten angesprochenen Zuschauern, insbesondere „Fans“ und sonstigen an der Sendung „E T E2 T2“ interessierten Personen hinsichtlich der in dem Fernsehbeitrag der Beklagten behandelten Auswirkungen einer Teilnahme an der Sendung „E T E2 T2“ anzuerkennen. Die Öffentlichkeit hat insofern ein legitimes Interesse daran zu erfahren, wie sich die Beteiligung an einem solchen Fernsehformat auf die in der Regel zuvor nicht medienerfahrenen Kandidaten/-innen auswirkt und wie das an ihrer Person geweckte Interesse der Medien, der Öffentlichkeit und/oder von Einzelpersonen von den ETE2T2-Teilnehmern selbst empfunden wird. Hierzu gehören auch die Auswirkungen einer intensiven Befassung mit den einzelnen Kandidaten, wie sie im Blog des Klägers stattfindet. Bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen diesem Informationsinteresse der Beklagten und der Öffentlichkeit auf der einen Seite und dem Anonymitätsinteresse des Klägers auf der anderen Seite überwiegt jedoch letzteres, so dass der Kläger nicht hinnehmen muss, dass in der konkreten Art und Weise identifizierend über ihn berichtet wird.
95Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH, Urteil vom 30.10.2012 – VI ZR 4/12, in: NJW 2013, 229 ff. m.w.N.) darf die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden. Verfehlungen - auch konkreter Personen - aufzuzeigen, gehört zu den legitimen Aufgaben der Medien. Bei Tatsachenberichten hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen.
96Letzteres ist bei dem in Rede stehenden Fernsehbeitrag der Beklagten, der am frühen Abend auf einem großen deutschen Privatsender ausgestrahlt wurde, also ein großes Fernsehpublikum, insbesondere auch (potentielle) Zuschauer des Sendeformats „E T E2 T2“, erreichen und damit eine erhebliche Breitenwirkung entfalten konnte, nach Überzeugung des Senats der Fall. Der gesamte etwa 5 Minuten lange Sendeteil befasst sich mit der (vermeintlichen) Beziehung des sowohl in Wort und Schrift als auch durch eingeblendete Film- und Fotoaufnahmen wiederholt namentlich genannten bzw. erkennbaren Klägers zu den ETE2T2-Kandidatinnen M X und U E sowie weiteren (nicht namentlich genannten) Teilnehmerinnen dieses Fernsehformats. Die etwa in der Mitte des Beitrags (Timecode 2:20) während der Einblendung eines Filmausschnitts, das den Kläger mit einem Handy in der Hand zeigt, ausdrücklich geäußerte Vermutung, dass der Kläger nicht nur schlecht über M X schreibt, sondern möglicherweise auch „in Webvideos über sie herzieht“, wird zwar nicht als feststehend, sondern nur als möglich bezeichnet, zieht sich jedoch ebenso wie die Vermutung einer Belästigung weiterer Kandidatinnen durch die gesamte Sendung. So werden bereits zu Beginn vom Kläger erstellte facebook-Nachrichten eingeblendet (Timecode 0:35). Im unmittelbaren Anschluss daran wird unter Präsentation eines Fotos und von Filmaufnahmen des als „(allzu) aufdringlicher Fan“ von M X, der intime Fragen stellt, bezeichneten Klägers erörtert, was er mit bösen Beleidigungen und Rotlichtvideos zu tun habe, bevor Szenen beim Antreffen des Klägers durch Reporter der Beklagten gezeigt werden, in denen er mehrfach mit seinem Namen angesprochen wird. Nach den anschließend wiedergegebenen Äußerungen von M X, die Gegenstand des Klageantrags zu b) aa) sind und dort zitiert wurden (Timecode 1:15), werden unter Einblendung von Filmaufnahmen des Klägers und der Mitteilung von als „klar“ bezeichneten Informationen über ihn (z.B. sein Alter und der Satz „Er sieht sich als ETE2T2-Fan.“) die Fragen aufgeworfen „Wer ist L-I U2 M2?“ und „Aber was steckt wirklich hinter seinen unzähligen hartnäckigen Versuchen, Kontakt zu ETE2T2-Kandidatinnen aufzunehmen?“ (Timecode 1:55), bevor Äußerungen von U E eingeblendet werden, die „das“ gruselig findet, „weil man nie weiß, wie weit dieser Mann geht“. Daran schließen sich die Einblendung von schriftlichen Äußerungen des Klägers über M X und die bereits erwähnte Überlegung an, dass die Vermutung naheliege, dass der Kläger möglicherweise auch in Webvideos über die ETE2T2-Kandidaten herzieht. Unmittelbar nach der Einblendung von Ausschnitten des Internetvideos, in dem M X als „Nutte“ bezeichnet wird, erfolgt eine „Nachfrage bei U2 M2“ (Timecode 3:10), indem er zu seinem Blog befragt wird und zu (anderen) YouTube-Videos Stellung nimmt, woran sich die vom Klageantrag zu c) erfassten und dort wiedergegebenen Äußerungen anschließen und festgestellt wird, er wirke „schon ein bisschen ertappt“ (Timecode 3:30). Nach der Frage „Was sagt der Mann, der Kontakt zu mindestens 14 Kandidatinnen gesucht hat, zu den Videos, die M und andere Superstar-Kandidaten verunglimpfen?“ erfolgt die Einblendung von weiteren Äußerungen des Klägers zu YouTube-Videos (Timecode 3:50), und werden ein weiterer O-Ton von M X und die vermeintliche Erwiderung des Klägers eingeblendet, er habe nur die Wahrheit geschrieben (Timecode 4:05). Im Anschluss an die Einleitung „Dabei scheint M nicht das einzige Ziel des 31-jährigen Berufsschülers aus Brandenburg zu sein.“ erfolgen die mit dem Klageantrag zu b) bb) zur Unterlassung begehrten und dort wiedergegebenen Äußerungen von U E und die mit dem Klageantrag zu d) angegriffenen Äußerungen und Texteinblendungen betreffend ein „YouTube-Filmchen“, in dem behauptet wird, dass der Kläger ebenfalls ein ETE2T2-Kandidat gewesen sei und eine Beziehung zu U E gehabt habe (Timecode 4:35), woran sich die Wiedergabe der (vermeintlichen) Stellungnahme des Klägers anschließt, er habe „alles so in den entry reingeschrieben, so wie es ist, ist es auch“ (Timecode 4:50). Nach der Einblendung weiterer Äußerungen von U E erfolgt sodann die abschließende Feststellung, der Kläger habe vieles zugegeben, die Urheberschaft hinsichtlich der Filme allerdings bestritten (Timecode 5:00). Insgesamt vermittelt der Fernsehbeitrag der Beklagten somit ein negatives Bild über den im Unterschied zu den ETE2T2-Teilnehmerinnen M X und U E auch bildlich sowohl vom äußeren Erscheinungsbild her als auch hinsichtlich der durch die Aufnahmen vermittelten („düsteren“) Stimmung in wenig vorteilhafter Weise dargestellten Kläger, der durchgängig als (zumindest) aufdringlicher Fan mehrerer ETE2T2-Kandidatinnen erscheint, der zu ihnen hartnäckig Kontakt sucht, Lügen über sie verbreitet und auf Ablehnung mit negativen Äußerungen – möglicherweise – sogar bis hin zur Erstellung und/oder Veröffentlichung von diffamierenden Videos reagiert.
97Besonders fällt ins Gewicht, dass dem Zuschauer durch die Wiedergabe von einzelnen Äußerungen des Klägers durch Einblendung von dessen Äußerungen und von schriftlichen Angaben des Klägers (z.B. in seinem Blog oder bei facebook) der Eindruck vermittelt wird, dass er die Vorwürfe (jedenfalls teilweise) eingeräumt hat, wie sich etwa aus der gezeigten Antwort auf die Frage nach erstellten YouTube-Videos sowie aus den Aussagen „Ich habe nur die Wahrheit geschrieben“ und „Ich habe alles so in den entry reingeschrieben, so wie es ist, ist es auch.“ ergibt. Dies ist jedoch selbst nach der Feststellung am Ende des Beitrags der Beklagten, der Kläger habe vieles zugegeben, aber bestritten, Urheber der Filme zu sein, obwohl er strafrechtliche Konsequenzen nicht zu befürchten habe, und auch nach dem Vorbringen der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit nicht der Fall. Dass die o.g. sich auf schriftliche Angaben beziehenden Äußerungen des Klägers, die in den Sendebeitrag der Beklagten eingeflossen sind, nicht in den Kontext, in dem sie gesendet wurden, passen, weil es dort um die Urheberschaft und die Veröffentlichung von (YouTube-) Filmen geht, die vermeintlichen „Geständnisse“ des Klägers deshalb tatsächlich in einem anderen Zusammenhang gefallen sein müssen und lediglich durch ein Zusammenschneiden des Filmmaterials an die konkreten Stellen gelangt sein können, erschließt sich dem für die Beurteilung maßgeblichen Zuschauerkreis, der den Fernsehbeitrag lediglich einmalig mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit und Interesse zur Kenntnis nimmt, im Unterschied zu Personen, die wie die Verfahrensbeteiligten und die Senatsmitglieder die Gelegenheit hatten, die Sendung mehrfach in Augenschein zu nehmen und den WoSaut durch Lektüre der zur Akte gereichten Mitschrift eingehend zu analysieren, nicht. Bei einmaliger Betrachtung der Sendung kann und muss jedenfalls ein relevanter Teil des angesprochenen Publikums nicht zwangsläufig zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die „unpassenden“ Zitate des Klägers in anderem Zusammenhang gefallen sind, als sie in den Fernsehbeitrag eingeflossen sind, sondern der insofern maßgebliche Rezipientenkreis nimmt naheliegend an, dass der Kläger auf Darstellungen und Vorhalte des Reporters bzw. der ETE2T2-Teilnehmerinnen, die in der Sendung zu Wort kommen, erwidert hat, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Einblendung seiner Äußerungen standen, und damit die Vorwürfe eingeräumt hat, so dass er durch die Wiedergabe von vermeintlich in einem bestimmten Kontext erfolgter Äußerungen quasi als „Zeuge gegen sich selbst“ präsentiert wird. Dies wird durch die gesamte Art und Weise der Darstellung in Wort und Bild, insbesondere die Schnittführung sowie Licht- und Toneffekte, durch die der Kläger insgesamt als Person erscheint, die ETE2T2-Kandidaten belästigt, ihnen nachstellt und auf Ablehnung beleidigend reagiert, so dass die Betroffenen nach ihren eigenen Äußerungen vor ihm Angst haben (müssen), noch verstärkt. Auch wenn der Kläger - wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat - keinen darauf Anspruch hat, von der Beklagten in einem positive(re)n Licht präsentiert zu werden, handelt es sich bei der in Rede stehenden Berichterstattung um eine ausgesprochen einseitige Darstellung zu Lasten des Klägers, bei der Dementis als vermeintliche Geständnisse präsentiert werden und dem Kläger dadurch quasi „das Wort im Munde verdreht“ wird. Eine solche Art und Weise der Darstellung wie in dem Fernsehbeitrag der Beklagten vom 24.1.2013 muss der Kläger nach Auffassung des Senats nicht hinnehmen.
98Gegenteiliges ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger sich gegenüber Reportern der Beklagten zu einem Interview bereitgefunden hat. Dass der Kläger mit der konkreten Darstellung, insbesondere der o.g. Schnittführung hinsichtlich vermeintlicher „Geständnisse“, einverstanden gewesen wäre, behauptet die Beklagte selbst nicht. Damit musste der Kläger nach Auffassung des Senats auch billigerweise nicht rechnen. Insofern stellt die freiwillige Teilnahme an dem Interview lediglich einen Aspekt dar, der bei der Abwägung der betroffenen (Grundrechts-) Positionen zu Gunsten der Meinungsäußerungsfreiheit zu berücksichtigen ist (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 11.6.2013 – VI ZR 209/12, in: NJW 2013, 3029 ff.), lässt das aus den vorstehend dargestellten Gründen vorrangige Anonymitätsinteresses des Klägers indes nach Auffassung des Senats nicht zurücktreten.
99Zur Wahrung des berechtigten Interesses des Klägers, nicht in einer solchen (stigmatisierenden) Weise wie in dem TV-Beitrag der Beklagten vom 24.1.2013 der Öffentlichkeit gezeigt zu werden, reicht es nicht aus, einzelne – etwa die mit den weiteren Klageanträgen angegriffenen – Passagen zu untersagen, sondern es ist ein Verbot der gesamten Sendung erforderlich und auch unter Berücksichtigung schutzwürdiger Belange der Beklagten angemessen, weil sich der ganze Beitrag – aus verschiedenen Blickwinkeln – mit der Person des Klägers befasst und diesen in der dargestellten Weise, insbesondere durch als vermeintliche „Geständnisse“ präsentierten, jedoch in anderem Zusammenhang gefallenen Äußerungen, durchgängig in negativer Weise darstellt.
100Die aufgrund der Erstbegehung durch die Fernsehsendung vom 24.1.2013 bestehende Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr hat die Beklagte nicht ausgeräumt, da sie insbesondere der Aufforderung des Klägers zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht nachgekommen und dem Klagebegehren auch im vorliegenden Rechtsstreit entgegen getreten ist.
1012. Angesichts des nach dem Vorstehenden zu bejahenden Erfolgs des auf Unterlassung jeglicher identifizierenden Berichterstattung in der konkreten Verletzungsform gerichteten Klageantrags zu a) besteht nach Auffassung des Senats kein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der mit den weiteren Klageanträgen zu b) aa), c) aa) und bb) sowie d) verfolgten Unterlassungsbegehren hinsichtlich bestimmter Passagen des Fernsehbeitrags der Beklagten.
102Die insoweit angegriffenen auf den Kläger bezogenen Äußerungen bzw. seines Erachtens erweckten Eindrücke, er habe sich auf der Internetplattform „Facebook“ als ältere Dame ausgegeben, um so Frau M X zu kontaktieren, und habe im Gesprächsverlauf aufgedeckt, dass er in Wirklichkeit U2 M2 sei, er habe auf der Internetplattform „YouTube“ ein Video über M X veröffentlicht, in dem diese als „Nutte" bezeichnet wird, und gegenüber der Beklagten bestätigt, derartige Videos auf der Inter
103netplattform „YouTube“ veröffentlicht zu haben, und/oder er würde bestätigen, behauptet zu haben, mit Frau U E zusammen gewesen zu sein, sind bereits aufgrund des vorstehend ausgesprochenen Verbots, über den Kläger - wie geschehen am 24.1.2013 auf dem Fernsehsender S in der Sendung „F“ - identifizierend unter Nennung seines Namens und Verbreitung seines Bildnisses zu berichten, unzulässig. Ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an einem kumulativen Verbot einzelner Passagen des Fernsehbeitrags besteht nach Auffassung des Senats nicht. Die vom Kläger herangezogene Rechtsprechung u.a. des Bundesgerichtshofs und des Senats betrifft andere Fallgestaltungen, weil dort einzelne - wenn auch möglicherweise inhaltlich (teilweise) sich überschneidende bzw. „kerngleiche“ - Äußerungen untersagt wurden, während es vorliegend um ein - umfassendes - Verbot identifizierender Berichterstattung einerseits und im Zusammenhang damit erfolgter Äußerungen andererseits geht. Sollte die Beklagte derartige Äußerungen wiederholen, ohne dass der Kläger als Person erkennbar ist, würde es an dessen Betroffenheit und damit einer Rechtsverletzung fehlen, die ihm die Aktivlegitimation zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen o.ä. verleihen könnte. Inwieweit gleichwohl schutzwürdige Interessen des Klägers durch eine etwaige Wiederholung der einzelnen Äußerungen ohne für den Zuschauer - bei dem insofern anzulegenden (großzügigen) Maßstab - erkennbaren Bezug zum Kläger verletzt würden, ist auch nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung und den Ausführungen im – nicht nachgelassenen – Schriftsatz des Klägers vom 10.9.2014 nicht ersichtlich. Soweit der Kläger auf Zumutbarkeitserwägungen und eventuelle Auswirkungen auf die Kostenentscheidung abstellt, hätte er diesen Aspekten durch eine – seinem Prozessbevollmächtigten in der Berufungsverhandlung auch nahegelegte - Modifikation der Antragstellung in Form von Haupt- und Hilfsanträgen Rechnung tragen können.
104Ob die mit den weiteren Klageanträgen angegriffenen Äußerungen bei isolierter Betrachtung unzulässig wären, was der Senat in seinen Beschlüssen vom 10.10.2013 und vom 19.11.2013 (15 W 58/13) betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe für die insoweit vom Kläger begehrte Richtigstellung verneint, das Landgericht in dem vorliegend angefochtenen Urteil hinsichtlich eines Unterlassungsanspruchs indes anders beurteilt hat, bedarf danach keiner abschließenden Entscheidung. Insoweit kommt es auch auf die zum Klageantrag zu b) aa) zweitinstanzlich gestellten Hilfsanträge nicht an.
105Über die (Un-) Zulässigkeit einer anderweitigen Berichterstattung unter Verwendung des Rohmaterials, aus dem der Beitrag vom 24.1.2013 zusammengeschnitten wurde, insbesondere der mit den Klageanträgen zu b) bis d) angegriffenen Passagen, hat der Senat im vorliegenden Verfahren, das lediglich die konkrete Sendung betrifft, nicht zu entscheiden.
106III.
107Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Senat bemisst das Interesse des Klägers an der Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung ebenso hoch wie das Interesse an dem Unterbleiben einer Wiederholung einzelner Äußerungen, wobei nicht entscheidend ins Gewicht fällt, dass der erstinstanzliche Klageantrag zu b) bb) nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist. Schon angesichts der Vehemenz, mit der der Kläger sein kumulatives Unterlassungsbegehren hinsichtlich sämtlicher Klageanträge auch nach diesbezüglichen Hinweisen des Senats (weiter-) verfolgt, erscheint es nicht gerechtfertigt, das teilweise Unterliegen bei der Kostenentscheidung unberücksichtigt zu lassen.
108Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
109Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, da die Beurteilung des Rechtsstreits auf der Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung beruht. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den vorliegenden Fall hinaus von Interesse sein könnten, waren auch in Bezug auf die Kostenentscheidung nicht zu entscheiden. Vielmehr handelt es sich um eine auf den besonderen Umständen des konkreten Falles beruhende Einzelfallentscheidung.
110Berufungsstreitwert: 60.000,00 €
111Die Streitwertfestsetzung entspricht der für richtig erachteten erstinstanzlichen Festsetzung, wobei die Nichtweiterverfolgung des Klageantrags zu b) bb) im Berufungsverfahren aus den zur Kostenentscheidung dargelegten Gründen nicht zu einem geringeren Streitwert führt. Umgekehrt misst der Senat auch dem zweitinstanzlichen Hilfsantrag des Klägers hinsichtlich des Klageantrags zu b) aa) abgesehen von wirtschaftlicher Identität mit dem diesbezüglichen Hauptantrag keine den Streitwert erhöhende Bedeutung zu.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 23. Sept. 2014 - 15 U 27/14
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 23. Sept. 2014 - 15 U 27/14
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht Köln Urteil, 23. Sept. 2014 - 15 U 27/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der individualisierenden Berichterstattung über ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren in Anspruch.
- 2
- Der Kläger ist "Direktor Finanzen und Controlling" der Gazprom Germania GmbH, der deutschen Tochter des russischen Gazprom-Konzerns. Das Unternehmen beschäftigt 520 Mitarbeiter und erzielte im Jahr 2009 einen Umsatz von 8 Milliarden Euro. In einer Präsentation zur Bilanzpressekonferenz 2008 wurde der Kläger auf der ersten Seite als "Direktor Finanzen" aufgeführt. Er ist auch im Internetauftritt der Gazprom Germania GmbH mit Foto und Lebenslauf vertreten. In dem Internetportal "XING" wird er als CFO der Gazprom Germania GmbH geführt.
- 3
- Im September 1985 verpflichtete sich der Kläger in einer eigenhändig verfassten Erklärung, "im Ministerium für Staatssicherheit Dienst im militärischen Beruf zu leisten", alle seine "Kräfte und Fähigkeiten einzusetzen, um die ehrenvollen Pflichten und Aufgaben eines Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit zu erfüllen" und "die dienstlichen Bestimmungen und Befehle des Ministers für Staatssicherheit und der anderen zuständigen Vorgesetzten einzuhalten und mit schöpferischer Initiative durchzuführen". Aufgrund dieser Verpflichtungserklärung war der Kläger von Ende 1985 bis Ende 1989 als "Offizier im besonderen Einsatz" für das Ministerium für Staatssicherheit tätig, wofür er monatliche Geldzahlungen erhielt. Im September 2007 gab er in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Köln eine eidesstattliche Versicherung ab, in der er erklärte, "niemals Angestellter oder sonst wie hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit" gewesen zu sein. In einer weiteren eidesstattlichen Versicherung vom 4. Dezember 2007 schilderte er die Umstände der Kontaktaufnahme durch die Stasibehörde mit ihm sowie seine Tätigkeit für diese und erklärte erneut, zu keinem Zeitpunkt "hauptamtlich - also als angestellter Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit" tätig gewesen zu sein. Nach Mitteilung des Sachverhalts durch das Landgericht leitete die Staatsanwaltschaft Köln ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der falschen eidesstattlichen Versicherung ein. Hierüber wurde in verschiedenen überregionalen Medien unter namentlicher Bezeichnung des Klägers berichtet. Am 2. Oktober 2008 wurde das Verfahren unter der Auflage, einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen, gemäß § 153a StPO eingestellt. Der Kläger kam der Auflage nach.
- 4
- Die Beklagte betreibt das Internetportal www.welt.de. Dort hält sie auf den für Altmeldungen vorgesehenen Seiten einen auf den 6. Mai 2008 datierten Artikel mit dem Titel "Gazprom-Manager im Visier der deutschen Justiz" zum freien Abruf durch die Öffentlichkeit bereit, in dem unter namentlicher Bezeichnung des Klägers über dessen Stasivergangenheit und das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren berichtet wird. Die Meldung enthält einen "Nachtrag", in dem darauf hingewiesen wird, dass das Verfahren am 2. Oktober 2008 gegen Geldauflage gemäß § 153a StPO eingestellt wurde.
- 5
- Der Kläger sieht in dem weiteren Bereithalten der seinen Namen enthaltenden Altmeldung zum Abruf im Internet eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Mit der Klage verlangt er von der Beklagten, es zu unterlassen , über das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren unter Namensnennung oder in identifizierender Weise zu berichten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG zustehe, weil das weitere Bereithalten der den Kläger identifizierenden Meldung zum Abruf im Internet diesen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze. Es erscheine bereits zweifelhaft, ob die Meldung im Zeitpunkt der Veröffentlichung rechtmäßig gewesen sei. Das dem Kläger zur Last gelegte Delikt berühre die Öffentlichkeit nur gering und sei der weniger schweren Kriminalität zuzurechnen. Individuelle Rechtsgüter anderer Personen seien durch die dem Kläger zur Last gelegte Tat nicht betroffen. Der Kläger, der in einem bedeutenden Unternehmen mit erheblichem Umsatz als Finanzmanager eine hohe Position einnehme, sei jenseits dieser beruflichen Tätigkeit in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Das vom Kläger begehrte Verbot betreffe auch nicht unmittelbar die Aufarbeitung des Überwachungssystems der Staatssicherheit , sondern wende sich ausschließlich gegen die Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung.
- 7
- Diese Frage könne allerdings offenbleiben. Denn die Beklagte habe den Beitrag jedenfalls dann entfernen müssen, als ihr bekannt geworden sei, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei. Denn zu diesem Zeitpunkt habe die beanstandete Meldung ihre Aktualität verloren. Es habe festgestanden, dass nicht geklärt werden würde, ob der strafrechtliche Vorwurf zu Recht erhoben worden sei. Die Einstellung des Verfahrens zeige, dass die Staatsanwaltschaft der Tat kein besonderes öffentliches Verfolgungsinteresse beigemessen habe. Damit habe sich auch das Berichterstattungsinteresse verringert. Etwas anderes ergebe sich nicht daraus, dass die Beklagte in einem Nachtrag über die Einstellung des Verfahrens berichtet habe. Zwar könne im Bereich der Berichterstattung in Printmedien ein Anspruch auf ergänzende Berichterstattung den Unterlassungsanspruch ausschließen. Dies gelte aber nicht, wenn im Internet Meldungen dauerhaft zum Abruf bereitgehalten würden. Die angegriffene Veröffentlichung stelle trotz des Nachtrags eine perpetuierende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers in dem Sinne dar, dass dem Leser der Seite bekannt werde, dass das bezeichnete Ermittlungsverfahren gelaufen und gemäß § 153a StPO eingestellt worden sei. Jedenfalls nach der Abmah- nung durch den Kläger vom 7. Februar 2011 sei die Beklagte gehalten gewesen , den Beitrag zu löschen, soweit der Kläger als Person darin identifizierbar genannt werde. Zu diesem Zeitpunkt habe das dem Kläger zur Last gelegte mutmaßliche Delikt bereits mehr als drei Jahre zurückgelegen, das Ermittlungsverfahren sei bereits seit mehr als zwei Jahren eingestellt gewesen und einen aktuellen Anlass für eine Aufrechterhaltung der Berichterstattung habe es nicht gegeben. Das berechtigte Interesse des Klägers, mit der ihm zur Last gelegten Tat nicht weiter konfrontiert zu werden, überwiege das Berichterstattungsinteresse der Beklagten. Zwar sei die Mitteilung eines Verdachts für den Betroffenen weniger belastend als die Bekanntgabe einer strafrechtlichen Verurteilung. Auf der anderen Seite lege der Bericht dem Leser nahe, dass der Kläger die Tat begangen habe. Auch wenn es sich nur um eine abrufbar im Netz stehende Meldung handele, deren mangelnde Aktualität aus dem Erscheinungsdatum ersichtlich sei, stelle sie eine erhebliche Belastung dar, weil sie nicht nur weltweit dauerhaft abrufbar sei, sondern insbesondere mittels Suchmaschine von jedem, der sich für die Person des Klägers interessiere, ohne Umstände leicht aufgefunden werden könne. Nach der Abmahnung durch den Kläger sei es für die Beklagte zumutbar gewesen, die gesamte Veröffentlichung oder zumindest den Namen des Klägers und weitere diesen identifizierende Merkmale aus der Veröffentlichung zu entfernen.
II.
- 8
- Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Dem Kläger steht kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.
- 9
- 1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass das Bereithalten der angegriffenen Meldung zum Abruf im Internet einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellt. Denn die Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten beeinträchtigt zwangsläufig dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufes, weil sie sein mögliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 202 f.; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 34; BVerfG, AfP 2012, 143 Rn. 36; EGMR, Urteil vom 7. Februar 2012 - 39954/08, K & R 2012, 187 Rn. 83, 96 - Axel Springer AG gegen Deutschland, jeweils mwN). Dies gilt nicht nur bei aktiver Informationsübermittlung durch die Medien, wie es im Rahmen der herkömmlichen Berichterstattung in Tagespresse, Rundfunk oder Fernsehen geschieht, sondern auch dann, wenn - wie im Streitfall - den Beschuldigten identifizierende Inhalte lediglich auf einer passiven Darstellungsplattform im Internet zum Abruf bereitgehalten werden. Diese Inhalte sind nämlich grundsätzlich jedem interessierten Internetnutzer zugänglich (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, aaO).
- 10
- 2. Im Ausgangspunkt zutreffend hat es das Berufungsgericht auch für geboten erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Men- schenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, aaO Rn. 35; EGMR, Urteil vom 7. Februar 2012 - 39954/08, aaO Rn. 89 ff., jeweils mwN).
- 11
- 3. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch das Bereithalten der beanstandeten Inhalte zum Abruf im Internet in rechtswidriger Weise verletzt wird. Das Berufungsgericht hat die besonderen Umstände des Streitfalles nicht ausreichend berücksichtigt und das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung mit einem zu geringen Gewicht in die Abwägung eingestellt.
- 12
- a) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, aaO Rn. 37; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61 f.; AfP 2010, 365 Rn. 27 ff.; AfP 2012, 143 Rn. 36, 39, jeweils mwN). Danach darf die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden (vgl. BVerfG, AfP 2009, 46 Rn. 12; AfP 2012, 143 Rn. 39). Verfehlungen - auch konkreter Personen - aufzuzeigen, gehört zu den legitimen Aufgaben der Medien (BVerfG, AfP 2012, 143 Rn. 39; Wenzel /Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 10 Rn. 154). Bei Tatsachenberichten hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. BVerfGE 97, 391, 404 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17).
- 13
- Geht es um eine Berichterstattung über eine Straftat, so ist zu berücksichtigen , dass eine solche Tat zum Zeitgeschehen gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft begründen ein anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und Täter (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204; vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04, VersR 2006, 274 Rn. 14; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, aaO Rn. 38; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 18; AfP 2010, 365 Rn. 32; EGMR, Urteil vom 7. Februar 2012 - 39954/08, aaO Rn. 96). Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts muss aber im angemessenen Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens und seiner sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen. Danach ist die Identifizierung des Täters nicht immer zulässig; insbesondere in Fällen der Kleinkriminalität oder bei Jugendlichen wird dies regelmäßig nicht der Fall sein. Ein an sich geringeres Interesse der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung über leichte Verfehlungen kann im Einzelfall aber aufgrund von Besonderheiten - etwa in der Person des Täters oder den Umständen der Tatbegehung - in einem Maße gesteigert sein, dass das Interesse des Täters an einem Schutz seiner Persönlichkeit dahinter zurückzutreten hat (vgl. Senatsurteile vom 30. November 1971 - VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325, 326; vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO S. 207; vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04, aaO Rn. 13 ff.; BVerfG, AfP 2006, 354, 355; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 20). Für die Abwägung bedeutsam ist auch, ob die Berichterstattung allein der Befriedigung der Neugier des Publikums dient oder ob sie einen Beitrag zur Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft leistet und die Presse mithin ihre Funktion als "Wachhund der Öffentlichkeit" wahrnimmt (vgl. BVerfGK 1, 285, 288; AfP 2006, 354, 356; EGMR, Urteil vom 7. Februar 2012 - 39954/08, aaO Rn. 79, 90).
- 14
- Handelt es sich um ein noch laufendes Ermittlungsverfahren, so ist im Rahmen der Abwägung auch die zugunsten des Betroffenen sprechende, aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung zu berücksichtigen. Diese Vermutung schützt den Beschuldigten vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist (vgl. BVerfGE 74, 358, 371; 82, 106, 114 f.). Dementsprechend ist bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen auch die Gefahr in Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und deshalb im Fall einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder eines Freispruchs vom Schuldvorwurf "etwas hängenbleibt" (vgl. BVerfG, AfP 2006, 354, 355; AfP 2009, 46 Rn. 15; AfP 2009, 365 Rn. 20; EGMR, Urteil vom 7. Februar 2012 - 39954/08, aaO Rn. 96).
- 15
- Mit zeitlicher Distanz zum Strafverfahren und nach Befriedigung des aktuellen Informationsinteresses der Öffentlichkeit gewinnt das Interesse des Betroffenen , von einer Reaktualisierung seiner (möglichen) Verfehlung verschont zu bleiben, zunehmende Bedeutung (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, aaO Rn. 40; BVerfGE 35, 202, 233; BVerfG, AfP 2006, 354, 355; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 21, jeweils mwN). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht bietet Schutz vor einer zeitlich uneingeschränkten Befassung der Medien mit der Person des Straftäters bzw. Beschuldigten. Hat die das öffentliche Interesse veranlassende Tat mit dem Abschluss des Strafverfahrens die gebotene Reaktion der Gemeinschaft erfahren und ist die Öffentlichkeit hierüber hinreichend informiert worden, so lassen sich fortgesetzte oder wiederholte Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich des Betroffenen mit Blick auf sein Interesse an der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft nicht ohne Weiteres rechtfertigen. Eine vollständige Immunisierung vor der ungewollten Darstellung persönlichkeitsrelevanter Geschehnisse ist damit jedoch nicht gemeint (vgl. BVerfGE 35, 202, 233; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 21). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt dem Betroffenen keinen uneingeschränkten Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit seiner (möglichen) Verfehlung konfrontiert zu werden (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, aaO, mwN).
- 16
- b) Nach diesen Grundsätzen hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs vorliegend hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten.
- 17
- aa) Die namentliche Bezeichnung des Klägers in dem streitgegenständlichen Beitrag war entgegen der vom Berufungsgericht geäußerten Zweifel zum Zeitpunkt seiner erstmaligen Veröffentlichung im Mai 2008 rechtmäßig. In dem Beitrag, den der Kläger nur hinsichtlich der ihn identifizierenden Angaben, nicht aber im Übrigen angreift, wird wahrheitsgemäß und sachlich ausgewogen über die Einleitung und die Hintergründe des Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger berichtet. Sowohl die frühere Tätigkeit des Klägers für das Ministerium für Staatssicherheit als auch Anlass und Inhalt der von ihm gegenüber dem Landgericht Köln abgegebenen eidesstattlichen Versicherung als auch die von dem Landgericht veranlasste Weiterleitung der Akten an die Staatsanwaltschaft werden zutreffend dargestellt.
- 18
- Zwar stand im Zeitpunkt der Berichterstattung nicht fest, ob der Kläger den Straftatbestand einer (vorsätzlichen oder fahrlässigen) falschen Versicherung an Eides Statt (§§ 156, 161 StGB) verwirklicht hatte. Ob seine Versicherung , er sei "niemals Angestellter oder sonst wie hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit" gewesen, inhaltlich unrichtig war, hing von der Wertung ab, ob der Kläger aufgrund seiner Funktion als "Offizier im besonderen Einsatz" bzw. "Angehöriger des Ministeriums für Staatssicherheit" als "hauptamtlicher Mitarbeiter" oder "Angestellter des Ministeriums für Staatssicherheit" zu qualifizieren war. Der Bericht über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der falschen Versicherung an Eides Statt war jedenfalls nicht geeignet, den Kläger an den Pranger zu stellen, ihn zu stigmatisieren oder ihm in sonstiger Weise Nachteile zuzufügen, die einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommen (vgl. BVerfGE 82, 106, 114 f.; BVerfG, AfP 2009, 46 Rn. 14).
- 19
- Die durch die Berichterstattung hervorgerufene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers stand auch im Übrigen nicht außer Verhältnis zur Bedeutung seines Verhaltens für die Öffentlichkeit. Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, begründeten die besonderen Umstände der dem Kläger vorgeworfenen Straftat ein gewichtiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit , hinter dem das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit zurückzutreten hat. Zwar kann der Straftatbestand der falschen Versicherung an Eides Statt (§ 156 StGB) nur dem Bereich der mittleren Kriminalität zugeordnet werden. Abgesehen davon, dass dieser Umstand nicht nur für das öffentliche Informationsinteresse von Relevanz ist, sondern zugleich die Bedeutung der Persönlichkeitsbeeinträchtigung mindert (vgl. BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 32; AfP 2012, 143 Rn. 41), darf bei der Gewichtung des Informationsinteresses entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aber nicht allein auf die Schwere der dem Kläger vorgeworfenen Straftat abgestellt werden (vgl. Se- natsurteil vom 30. November 1971 - VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325, 326; BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 30). Vielmehr sind auch die Besonderheiten des vorliegend zu beurteilenden Sachverhalts, insbesondere die Vorgeschichte des Ermittlungsverfahrens , die nunmehrige Funktion des Klägers, Anlass und Zweck der von ihm abgegebenen eidesstattlichen Versicherung sowie der Umstand zu berücksichtigen, dass sich die Meldung kritisch mit der Frage auseinandersetzt, wie der Kläger mit seiner Stasi-Vergangenheit umgeht, und damit einen Beitrag zur Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft leistet.
- 20
- Der Kläger bekleidet eine herausgehobene, mit erheblichem Einfluss verbundene Stellung in der Gazprom Germania GmbH - einem großen Wirtschaftsunternehmen , das aufgrund seiner zunehmenden Bedeutung für die Energieversorgung in Deutschland und der Diskussion um die Stasi-Vergangenheit seines deutschen Spitzenpersonals im Blickpunkt des öffentlichen Interesses steht. Anlass für die Einleitung des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch den Kläger war eine Berichterstattung im August 2007 über die Verbindungen der Führungskräfte der Gazprom Germania GmbH zum Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, begründet der Versuch des Finanzchefs eines im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Unternehmens, mit Hilfe einer möglicherweise falschen eidesstattlichen Versicherung gegenüber den Justizbehörden eine Berichterstattung über Art und Umfang seiner früheren Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit zu unterbinden und die Intensität seiner Einbindung in das Ministerium zu vertuschen , im Hinblick auf die besondere Bedeutung der Aufarbeitung des Überwachungssystems der Staatssicherheit ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, das sich auch auf das aus diesem Grund eingeleitete Ermittlungsverfahren erstreckt (vgl. BVerfGE 94, 351, 368; BVerfG, AfP 2000, 445, 448; Soehring, Presserecht, 4. Aufl., § 19 Rn. 21 ff.).
- 21
- Für das Bestehen eines erheblichen öffentlichen Interesses an einer Information über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger spricht auch der Umstand, dass hierüber nicht nur in der von der Beklagten verlegten Tageszeitung und dem von ihr betriebenen Internetportal, sondern auch in anderen überregionalen Medien berichtet wurde (vgl. BVerfG AfP 2010, 365 Rn. 30 mwN).
- 22
- bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist das weitere Bereithalten der den Kläger identifizierenden Meldung zum Abruf nicht durch die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a StPO am 2. Oktober 2008 rechtswidrig geworden.
- 23
- (1) Die Meldung entspricht nach wie vor der Wahrheit. Insbesondere hat sich die Darstellung der tatsächlichen Vorgänge, die zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens geführt hatten, nicht nachträglich als unrichtig erwiesen. Dem Umstand, dass die Veröffentlichung aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO unvollständig und deshalb unzutreffend erscheinen könnte (vgl. dazu Senatsurteil vom 30. November 1971 - VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325, 327 ff.; OLG Düsseldorf, NJW 2011, 788, 789 ff.; BVerfG, AfP 1997, 619, 620), hat die Beklagte durch Beifügen eines Nachtrags Rechnung getragen, in dem auf die Einstellung des Verfahrens hingewiesen wird.
- 24
- (2) Entgegen der Auffassung des Klägers steht dem weiteren Bereithalten der Meldung auch nicht die Unschuldsvermutung entgegen. Zwar wird diese Vermutung durch eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO nicht widerlegt. Mit der Einstellung wird keine Entscheidung darüber getroffen, ob der Beschuldigte die ihm durch die Anklage vorgeworfene Tat begangen hat oder nicht; das Gesetz verlangt lediglich das hypothetische Urteil, dass die Schuld des Täters nicht als zu schwer anzusehen wäre (BVerfGE 82, 106, 116 ff.; BVerfG, NJW 1991, 1530, 1531; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 153a Rn. 2, 7, jeweils mwN). Die Unschuldsvermutung schützt den Betroffenen aber nur vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, ohne dass ihm in dem gesetzlich dafür vorgeschriebenen Verfahren strafrechtliche Schuld nachgewiesen worden ist (vgl. BVerfGE 74, 358, 371; 82, 106, 114 f., 117, 119 f.). Sie schließt dagegen nicht aus, dass eine Verdachtslage beschrieben und bewertet wird (vgl. BVerfGE 82, 106, 117; BVerfG, NJW 1991, 1530, 1532; StV 2008, 368, 369). Die Mitteilung der Einleitung des Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der falschen Versicherung an Eides Statt war, wie bereits ausgeführt, nicht geeignet, dem Kläger Nachteile zuzufügen, die einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommen.
- 25
- Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist der Kläger auch nicht wie ein Freigesprochener zu behandeln. Der Beschuldigte wird durch eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO zwar nicht für schuldig befunden; er wird aber auch nicht in einer dem Freispruch vergleichbaren Weise rehabilitiert (vgl. BVerfGE 82, 106, 118; Meyer-Goßner, aaO Rn. 2, 7). Vielmehr setzt die Anwendung dieser Bestimmung einen hinreichenden Tatverdacht voraus (vgl. BVerfGE 82, 106, 118; Meyer-Goßner, aaO Rn. 7; Scheinfeld in FS Herzberg 2008, S. 843, 845, jeweils mwN). Vor diesem Hintergrund ist die untechnische Formulierung in dem Nachtrag, bei einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO sehe die Staatsanwaltschaft "trotz vermuteter Schuld" von der Erhebung der öffentlichen Klage ab, nicht zu beanstanden.
- 26
- (3) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Meldung vom 6. Mai 2008 durch die Einstellung des Strafverfahrens am 2. Oktober 2008 auch nicht ihre Aktualität verloren. Die Revision wendet sich in diesem Zusammenhang mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Einstellung durch die Staatsanwaltschaft zeige, dass diese der Tat kein besonderes öffentliches Verfolgungsinteresse beigemessen habe, wodurch sich auch das Berichterstattungsinteresse verringert habe. Wie die Revision mit Recht beanstandet , wurde das Verfahren ausweislich der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen und von den Parteien inhaltlich nicht in Frage gestellten Meldung der Beklagten und dem Vortrag des Klägers in der Klageschrift nicht durch die Staatsanwaltschaft, sondern erst - nach Erhebung der öffentlichen Klage - gemäß § 153a Abs. 2 StPO durch das Amtsgericht eingestellt (Az. 536 Ds 308/08). Das Berufungsgericht berücksichtigt auch nicht hinreichend, dass das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, sondern zu unterscheiden sind (vgl. Meyer-Goßner, aaO Rn. 13; Scheinfeld in FS Herzberg 2008, S. 843, 866). Die Beseitigung des Strafverfolgungsinteresses durch die Anordnung von Auflagen oder Weisungen gemäß § 153a StPO führt nicht automatisch dazu, dass ein bis zu diesem Zeitpunkt bestehendes gewichtiges Interesse der Öffentlichkeit an einer Information über den Strafvorwurf so weit herabgesetzt wird, dass es nunmehr hinter dem Interesse des Betroffenen an einem Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs zurückzutreten hätte.
- 27
- cc) Eine Verpflichtung der Beklagten zur Entfernung der den Kläger identifizierenden Angaben in der Meldung vom 6. Mai 2008 ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch weder durch das Abmahnschreiben des Klägers vom 7. Februar 2011 noch durch die gerichtliche Geltendmachung seines vermeintlichen Unterlassungsanspruchs begründet worden. Zwar lag das dem Kläger zur Last gelegte Delikt zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als drei Jahre zurück; das Ermittlungsverfahren war seit mehr als zwei Jahren abgeschlossen. Andererseits ist die Persönlichkeitsbeeinträchtigung, die durch die weitere Abrufbarkeit der Meldung über die Einleitung und die nachfolgende Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der falschen Versicherung an Eides Statt verursacht wird, nicht schwerwiegend; sie ist nicht geeignet, dem Kläger einen erheblichen Persönlichkeitsschaden zuzufügen. Denn sie entfaltet eine nur geringe Breitenwirkung. Eine Kenntnisnahme von ihrem Inhalt setzt eine gezielte Suche voraus. Die Meldung wird nur auf einer als passive Darstellungsplattform geschalteten Website zum Abruf bereitgehalten, die typischerweise nur von solchen Nutzern zur Kenntnis genommen wird, die sich selbst aktiv informieren (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, aaO Rn. 43, mwN; BVerfG AfP 2000, 445, 448; NJW 2003, 2818, 2819; NJW 2008, 1298 Rn. 20). Ausweislich der Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, ist sie nur noch auf den für Altmeldungen vorgesehenen Seiten des Internetauftritts der Beklagten zugänglich und als Altmeldung erkennbar.
- 28
- Demgegenüber besteht ein gewichtiges Interesse der Öffentlichkeit an der Möglichkeit, sich durch eine aktive Suche nach der Meldung über die darin dargestellten Vorgänge und Zusammenhänge zu informieren; dieses Informationsinteresse erstreckt sich auch auf das gemäß § 153a StPO eingestellte Strafverfahren gegen den Kläger. Der Streitfall ist maßgeblich dadurch gekennzeichnet , dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht allein durch die dem Kläger vorgeworfene Straftat, sondern durch den Zusammenhang, in dem sein Verhalten steht, und durch das Zusammenwirken verschiedener - unter aa) im Einzelnen aufgezeigter - Umstände begründet wird, die für die öffentliche Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft bis heute von wesentlicher Bedeutung sind. Die Meldung setzt sich kritisch mit der Reaktion des in herausgehobener Funktion für die Gazprom Germania GmbH tätigen Klägers auf die Aufdeckung seiner Stasi-Vergangenheit auseinander; sie leistet einen Beitrag zur Aufarbeitung des Überwachungssystems der Staatssicherheit und damit zu einer die Öffentlichkeit besonders berührenden Frage (vgl. BVerfG, AfP 2000, 445, 448). Die Aufarbeitung des Überwachungssystems der Staatssicherheit ist noch nicht abgeschlossen. Hinzu kommt, dass die Gazprom Germania GmbH und ihre russische Mutter aufgrund ihrer zunehmenden Bedeutung für die Energieversorgung in Deutschland nach wie vor im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen.
- 29
- Bei dieser Sachlage hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten.
- 30
- 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Galke Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
LG Hamburg, Entscheidung vom 12.08.2011 - 324 O 203/11 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.11.2011 - 7 U 80/11 -
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.