Oberlandesgericht Köln Urteil, 09. Sept. 2014 - 14 U 12/11
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin vom 16.5.2011 wird das Urteil der 32. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 29.4.2011 (32 O 290/10) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung und Abweisung der weitergehenden Klage der Klägerin wird der Beklagte zu 1) verurteilt, an die Klägerin aufgrund des Unfalles, Kollision mit dem Pferd „M“ am 3.6.2010, ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2010 sowie weitere 13.462,72 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 10.410,00 € seit dem 1.9.2010 und aus 3.052,72 seit 27.11.2010 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche künftigen immateriellen sowie alle weiteren vergangenen und künftigen materiellen Ansprüche, die ihr aus dem Unfall, Kollision mit dem Pferd „M“ vom 3.6.2010, entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.
3. Von den Gerichtskosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz sowie den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin 52 % und der Beklagte zu 1) 48 %; der Beklagte zu 1) trägt seine außergerichtlichen Kosten; die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich der Kosten der Beklagten zu 2) jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages. Der Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung der Klägerin abwenden, wenn er vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3(gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)
4Die Klägerin macht materielle und immaterielle Ersatzansprüche sowie den aus dem Tenor zu Ziffer 3 ersichtlichen Feststellungsantrag gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) geltend. Sämtliche Ansprüche beruhen auf einem Unfallereignis vom 3.6.2010, bei dem die Klägerin durch das Pferd „M“ – einen damals zwanzigjährigen Fuchswallach – erheblich Verletzungen erlitt. „M“ stand zum Unfallzeitpunkt im Eigentum des einen Reitstall betreibenden Beklagten zu 1); diesen Reitstall suchte die damals 18-jährige Beklagte zu 2) des Öfteren zum Reiten auf; sie ritt „M“ seit mehreren Jahren, verfügt u.a. über das „kleine Reitabzeichen“ und ist heute Eigentümerin von „M“. Auch am Nachmittag des 3.6.2010 war die Beklagte zu 2) zunächst auf „M“ ausgeritten und befand sich anschließend mit ihm auf dem Weg zur Weide, wobei sie ihn an einer Leine führte. Aus ungeklärter Ursache riss sich dann jedoch das Pferd plötzlich los, ging durch und lief dabei in vollem Galopp von hinten in die mit dem Fahrrad auf einem Radweg fahrende Klägerin hinein; „M“ riss die Klägerin um und schleifte sie mit ihrem Fahrrad mehrere Meter mit. Wegen der weiteren Einzelheiten des Unfallgeschehens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Die Klägerin erlitt aufgrund des Unfalls die in den Arztberichten des St.-F-Krankenhauses in L vom 25.6.2010 (Bl. 155 ff. Anlageheft I) und vom 11.10.2010 (Bl. 255 ff. Anlageheft I) dokumentierten Verletzungen, die in besonderer Weise den Bereich der Schultern betreffen; es handelt sich insbesondere um eine mehrfragmentäre Humeruskopfluxationsfraktur links und eine hintere Schulterluxation rechts mit Abriss des Tuberculum majus; ferner erlitt die Klägerin ein Schädelhirntrauma 1. Grades, multiple Schürfwunden und Hämatome, eine mehrfragmentäre Nasenbeinfraktur, einen Weichteilschaden 1. Grades des Kopfes. Die Klägerin leidet bis heute unter Schmerzen, die - teilweise witterungsanhängig – ungewöhnlich stark sind; sie ist bis heute in der Beweglichkeit der Schultern stark eingeschränkt. Die Klägerin befand sich zunächst vom 3.6. bis 25.06.2010 in stationärer Krankenhausbehandlung und wurde auch in der Folgezeit aufgrund der unfallbedingten Verletzungen noch mehrfach operiert. Seit dem Unfalltag ist die Klägerin nicht mehr in der Lage, ihrem bis dahin ausgeübten Beruf als Postzustellerin nachzugehen. Ab dem 16.7.2010 bis zum 31.10.2010 bezog sie seitens der Deutsche C Krankengeld in Höhe von täglich 53,86 €.
5Mit Schreiben vom 5.8.2010 (= Anlage K9 zur Klageschrift vom 4.11.2010, Anlageheft I) hat die Klägerin gegenüber dem damals für den Beklagten zu 1) verhandelnden Versicherer, der I H, ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 €, bereits entstandene materielle Schäden in Höhe von 10.410,00 € sowie zukünftige materielle Schäden von (zunächst) 238.300,00 € unter Setzung einer Zahlungsfrist zum 1.9.2010 geltend gemacht; auf dieses Schreiben wird Bezug genommen. Eine Zahlung erfolgte nicht. Die Klageschrift ist dem Beklagten zu 1) am 26.11.2010 zugestellt worden.
6In erster Instanz hat die Klägerin behauptet, sie habe aufgrund des Unfallereignisses vom 3.6.2010 neben den (unstreitigen) körperlichen Verletzungen erhebliche psychische Schäden erlitten; insbesondere leide sie unter Angstzuständen und Alpträumen. Ferner hat sie behauptet, bis zum 25.10.2010 einen Verdienstausfallschaden in Höhe von 1.400,00 € erlitten zu haben. Nach der Krankenhausentlassung sei sie zudem pflegebedürftig gewesen und habe, da sie sich weder selbständig be- und entkleiden noch habe waschen können, der permanenten Unterstützung ihres Lebensgefährten, des Zeugen N I2, und ihres damals dreizehnjährigen Sohnes, des Zeugen T C2, bedurft. Diesbezüglich hat sie für die Zeit bis zum 25.10.2010 einen Pflegeschaden von insgesamt 10.800,00 € geltend gemacht, ausgehend von einem monatlichen Betrag von 2.700,00 €. Ferner hat sie behauptet, im selben Zeitraum sei ihr ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 2.820,00 € (= vier Monate zu je 705,00 €) entstanden, weil sie auch ihren Haushalt verletzungsbedingt nicht habe führen können. Darüber hinaus hat die Klägerin ihren sonstigen materiellen Schaden wie folgt beziffert: Heilbehandlungskosten (106,50 €), Zuzahlungen und Apothekenkosten (173,34 €), Taxikosten (90,30 €), PKW-Fahrtkosten (3.823,00 €), Parkgebühren (93,80 €), Fahrrad nebst Zubehör und Sonnenbrille (809,00 €), Bekleidung (360,19 €), Schreibwaren und Porto (38,78 €) und sonstige Mehrkosten (34,23 €). Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die in erster Instanz zur Akte gereichten Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, insbesondere auf die Klageschrift vom 4.11.2010, nebst Anlagen (Anlageheft I) verwiesen. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beklagte zu 1) hafte für den ihr entstandenen Schaden, weil sich in dem Unfallereignis die spezifische Tierhaltergefahr verwirklicht habe; der Beklagte könne sich schon deshalb nicht aus § 833 Satz 2 BGB berufen, weil „M“ kein Nutztier sei; zudem habe der Beklagte zu 1) der schon vom Körperbau her für das Beherrschen eines Pferdes ungeeigneten und zudem noch sehr jungen Beklagten zu 2) die Aufsicht über „M“ nicht übertragen dürfen. Die Haftung der Beklagten zu 2) ergebe sich aus § 834 BGB.
7Die Klägerin hat beantragt,
81. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie aufgrund des Unfalles, Kollision mit dem Pferd „M“ am 3.6.2010 ein ange- messenes, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld von mindestens 50.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2010 zu zahlen;
92. die Beklagten weiter als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie weitere 20.567,95 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz, und zwar aus 10.410,00 € seit dem 1.9.2010, aus restlichen 10.157,95 € seit 27.11.2010 (Rechtshängigkeit), zu zahlen und
103. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtliche künftigen immateriellen sowie alle weiteren vergangenen und künftigen materiellen Ansprüche, die ihr aus dem Unfall, Kollision mit dem Pferd M vom 3.6.2010, entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.
11Die Beklagten haben beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Der Beklagte zu 1) hat die Ansicht vertreten, er sei, da er den Reitstall gewerblich betreibe, Nutztierhalter. Daher stünde ihm der Entlastungsbeweis des § 833 Satz 2 BGB offen. Insoweit habe er zum einen die erforderliche Sorgfalt bei der Auswahl der Beklagten zu 2) walten lassen: bei „M“ handele es sich um ein ruhiges und unauffälliges Pferd, die Beklagte zu 2) sei eine erfahrene Reiterin und mit „M“ bestens vertraut gewesen. Selbst wenn er aber die notwendige Sorgfalt bei der Auswahl der Beklagten zu 2) nicht habe walten lassen, hafte er nicht, weil der Schadenseintritt auch bei Beachtung derselben nicht hätte vermieden werden können; denn ein durchgehendes Pferd könne von niemandem aufgehalten und beherrscht werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die erstinstanzlich zur Akte gereichten Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) verwiesen.
14Die Beklagte zu 2) hat die Ansicht vertreten, für das plötzliche und unvorhersehbare Ausbrechen des Pferdes nicht verantwortlich zu sein. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die erstinstanzlich zur Akte gereichten Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2) Bezug genommen.
15Durch das angefochtene Urteil ist die Klage abgewiesen worden. Das Landgericht hat zur Begründung insbesondere darauf abgestellt, dass sich der Beklagte zu 1) nach § 833 Satz 2 BGB exkulpieren könne, da der Schaden selbst bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht habe verhindert werden können; eine Haftung der Beklagten zu 2) scheitere an § 834 Satz 2 BGB. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in den Gründen der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
16Mit der Berufung erstrebt die Klägerin die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und eine ihren erstinstanzlichen Anträgen entsprechende Verurteilung der Beklagten. Zur Begründung wiederholt, vertieft und ergänzt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen, wobei sie eine ungenügende Sachverhaltsaufklärung rügt und insbesondere ergänzend zu den durch das Unfallereignis hervorgerufenen psychischen Schäden ausführt; diesbezüglich legt sie ein im Rahmen eines sozialgerichtlichen Rechtsstreits erstattetes neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr.med. N H2 vom 10.12.2012 (Bl. 426 ff. GA) vor, dessen Inhalt sie sich zu eigen macht und auf das insoweit Bezug genommen wird, sowie eine psychologische Testung der Dipl.-Psych. B M vom 24.8.2014 (Bl. 407 ff. GA), auf die ebenfalls verwiesen wird. Hinsichtlich ihrer körperlichen Schäden legt sie ein ebenfalls im sozialgerichtlichen Verfahren erstelltes fachorthopädisches/unfallchirurgisches Gutachten des Dr.med. T2 vom 10.7.2013 (Bl. 361 ff. GA) vor, auf das Bezug genommen wird. Darüber hinaus legt die Klägerin ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten der Sachverständigen M2 X vom 25.5.2014 (Bl. 543 ff. GA) vor, das einen Haushaltführungsschaden für die Zeit vom 3.6.2010 bis 31.12.2013 berechnet und auf das insoweit verwiesen wird. Ferner behauptet die Klägerin, seit dem 1.9.2011 berufsunfähig zu sein; diesbezüglich legt sie einen Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Rheinland vom 13.11.2013 (Bl. 500 ff. GA) vor, auf den Bezug genommen wird.
17Die Klägerin beantragt,
18unter entsprechender Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 29.4.2011 – 32 O 290/10 – nach den in 1. Instanz zuletzt gestellten Anträgen zu erkennen.
19Die Beklagten beantragen,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Auch der Beklagte zu 1) wiederholt, vertieft und ergänzt sein erstinstanzliches Vorbringen und hält insbesondere an der Ansicht fest, er könne sich auf § 833 Satz 2 BGB berufen. Auf die Berufungsbegründung wird insoweit verwiesen. Die von der Klägerin behaupteten psychischen Schäden bestreitet er; insoweit wird insbesondere auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) vom 11.2.2014 Bezug genommen.
22Die Beklagte zu 2) ist der Ansicht, die Berufung sei bereits nicht zulässig, da die Klägerin das erstinstanzliche Urteil zwar mit der Begründung angreife, es hätte Beweis erhoben werden müssen, nicht jedoch das Beweisthema nenne. Zudem sei die Berufung unbegründet, da sie „M“ ordnungsgemäß geführt habe und ihr ein Pflichtverstoß nicht angelastet werden könne. Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2), insbesondere die Berufungserwiderung vom 16.8.2011, verwiesen.
23Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. T3 vom 12.7.2013 (Bl. 503 ff. GA), auf das wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme Bezug genommen wird, sowie durch Vernehmung der Zeugen N I2 und T C2.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
25II.
261. Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und genügt auch den Voraussetzungen des § 513 ZPO. Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts, indem sie die Ansicht vertritt, das angefochtene Urteil habe im Ergebnis zu Unrecht eine Haftung der Beklagten aus §§ 833 bzw. 834 BGB verneint.
272. Die Berufung ist gegenüber dem Beklagten zu 1) in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; hinsichtlich der Beklagten zu 2) ist sie jedoch unbegründet.
28a) Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch, soweit die Klägerin die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich bereits entstandener Schäden begehrt. Denn dieser Antrag bezieht sich auf solche Schäden, die bei Klageerhebung noch nicht bezifferbar waren, dies vielmehr erst im Laufe des Rechtsstreits geworden sein mögen. Dieser Umstand führt nicht dazu, dass der Feststellungsantrag mangels Feststellungsinteresses hinsichtlich der nunmehr seit dem 26.10.2010 möglicherweise bezifferbaren Schäden unzulässig geworden ist. Ist nämlich eine Feststellungsklage – wie hier – in zulässiger Weise erhoben worden, ist der Kläger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gehalten, zur Leistungsklage überzugehen, wenn der Schaden bezifferbar wird (vgl. BGH, Urteil vom 17.10.2003, V ZR 84/02, bei juris Rz. 26 m.w.N.). Ein Feststellungsinteresse besteht fort.
29b) Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten zu 1) ein Anspruch auf Ersatz ihres materiellen Schadens in Höhe von 13.462,72 € zu.
30aa) Der Anspruch ergibt sich dem Grunde nach aus § 833 Satz 1 BGB.
31(1) Der Beklagte zu 1) haftet gegenüber der Klägerin als Tierhalter des an dem Unfallereignis vom 3.6.2010 beteiligten und damals in seinem Eigentum stehenden „M“ nach § 833 Satz 1 BGB für den durch das Pferd verursachten materiellen Schaden der Klägerin. Dass die Klägerin durch „M“ erhebliche materielle Schäden an ihrem Körper und Eigentum davon getragen hat, steht zwischen den Parteien außer Streit. Auch hat sich in dem Unfall die spezifische Tiergefahr, also die durch das der tierischen Natur entsprechende unberechenbare und selbständige Verhalten des Tieres hervorgerufene Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2005, VI ZR 225/04 = NJW-RR 2006, 813 f. m.w.N.), verwirklicht; die durch das Ausbrechen eines Pferdes hervorgerufene Gefährdung, die sich im Falle der Klägerin tragisch realisiert hat, stellt gleichsam einen „Prototyp“ der Ausgestaltung dieser spezifischen Tiergefahr dar (vgl. dazu Sprau, in: Palandt, BGB, 73. Aufl., Rz. 7 zu § 833 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
32(2) Entgegen der Ansicht des Beklagten zu 1) und in Abweichung von den Ausführungen in den Gründen des angefochtenen Urteils steht dem Beklagten zu 1) eine Exkulpation nach § 833 Satz 2 BGB nicht offen; dies gilt aus den nachfolgend dargestellten Gründen hinsichtlich beider der dort genannten Alternativen:
33(a) Der Senat folgt dem Beklagten zu 1) und dem Landgericht in der Bewertung dahin, dass „M“ ein Reitpferd ist und es sich bei ihm um ein Haustier handelt (vgl. Sprau, in: Palandt, a.a.O., Rz. 16 zu § 833 m.w.N.). Der Senat zweifelt nach Vorlage des Gewerbescheins des Beklagten zu 1) (Bl. 277 Anlagenheft) auch nicht daran, dass das Pferd der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Beklagten zu 1) als Halter dient und insoweit als Nutztier anzusehen ist, so dass der Anwendungsbereich des § 833 Satz 2 BGB grundsätzlich eröffnet ist. Dem steht nicht entgegen, dass „M“ (zunächst) das „Pflegepferd“ der Beklagten zu 2) war; denn dies bedeutet lediglich, dass diese für die täglich notwendige Pflege des Tieres zuständig war, und steht dessen Bezug zur Erwerbstätigkeit des Beklagten zu 1) nicht entgegen.
34(b) Allerdings setzt die eingeschränkte Haftung nach § 833 Satz 2 BGB ferner voraus, dass der Halter entweder das Tier selber hinreichend beaufsichtigt bzw. den faktischen Tieraufseher sorgfältig ausgewählt hat (Alt. 1 - Verschuldensvermutung) oder – so dies nicht der Fall war - der Schaden auch bei Aufwendung dieser Sorgfalt bei der Auswahl entstanden wäre (Alt. 2 - Kausalitätsvermutung) (vgl. Sprau, in: Palandt, a.a.O., Rz. 15 zu § 833 m.w.N.). Insoweit teilt der Senat nicht die Ansicht des Landgerichts, es komme nicht darauf an, ob – was streitig ist - der Beklagte zu 1) die Beklagte zu 2) sorgfältig ausgewählt habe, weil der Schaden auch bei sorgfältiger Auswahl der Aufsichtsperson entstanden wäre und damit die Voraussetzungen des § 833 Satz 2 Alt. 2 BGB vorlägen, da niemand ein durchgehendes Pferd aufhalten könne. Vielmehr kann die Frage, ob der Schadenseintritt im Sinne der zweiten Alternative des § 833 Satz 2 BGB unvermeidbar war, erst beantwortet werden, wenn feststeht, was Ursache für die entsprechende Reaktion des Tieres war, die eine schädigende Verwirklichung der spezifischen Tiergefahr bewirkte. Denn Grund für die strenge Ausgestaltung der Tierhalterhaftung in § 833 BGB als Gefährdungshaftung ist gerade – wie dargestellt - die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens und die dadurch hervorgerufene Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter (vgl. Sprau, a.a.O., Rz. 1 zu § 833 m.w.N.). Ausnahmen hinsichtlich des Nutztierhalters sind vor dem Hintergrund, dass dieser mit der Tierhaltung seine wirtschaftliche Existenzgrundlage schafft und sichert, berechtigt, müssen sich aber stets am Grundsatz der Tierhalterhaftung als Gefährdungshaftung orientieren. Daher obliegt dem Halter eine hohe Sorgfaltspflicht bei der Auswahl der Personen, die das Tier beaufsichtigen. Und nur wenn die Ursache der Reaktion des den Schaden verursachenden Tieres bekannt ist, kann beurteilt werden, ob dieser tatsächlich unvermeidbar war, weil niemand – also auch nicht ein nach best möglichen Kriterien ausgewählter Aufseher - den Schadenseintritt durch eine entsprechende Einflussnahme auf das Tier, sonstige Sicherungsvorkehrungen oder gar das Unterlassen bestimmter Handlungen (wie das Ausführen) hätte verhindern können. Unwägbarkeiten bzgl. der Ursache des schädigenden tierischen Verhaltens - etwa des Durchgehens eines Pferdes - aber gehen zu Lasten des insoweit beweisbelasteten (vgl. Sprau, in: Palandt, a.a.O., Rz. 21 zu § 833 m.w.N.) Tierhalters (vgl. auch OLG Koblenz, Urteil vom 8.5.1991, 5 U 1812/90).
35Diese Risikoverteilung ist auch keineswegs unbillig, denn sie trägt dem Umstand Rechnung, dass der unbeteiligte und in keinerlei faktischer oder rechtlicher Beziehung zu dem Tier stehende verletzte Dritte – hier: die Klägerin - gegenüber dem Tierhalten – hier: dem Beklagten zu 1) – nicht das wesentlich größere Risiko tragen und im Falle einer Realisierung der Gefährdung ersatzlos die eingetretenen körperlichen sowie sonstigen materiellen und immateriellen Schäden tragen soll.
36(c) Welche konkrete Ursache dazu aber führte, dass sich „M“ am 3.6.2010 von der Beklagten zu 2) losriss, anschließend durchging und in Folge dessen die Klägerin als Körper und Eigentum verletzte, ist ungeklärt. Die Beklagte zu 2) hat im Rahmen einer informatorischen Anhörung vor dem Senat am 27.3.2012 angegeben, sie wisse nicht, warum sich „M“ in der beschriebenen Weise verhalten habe; sie habe hierfür keinen Grund erkennen können, es sei eben unvorhersehbar gewesen. Sonstiger Sachvortrag zu dieser Frage fehlt.
37(d) Die demnach entscheidende Frage, ob der Beklagte zu 1) bei der Auswahl der das Pferd zum Unfallzeitpunkt beaufsichtigenden Beklagte zu 2) ausreichend sorgfältig ausgewählt hat, ist jedoch zum Nachteil des Beklagten zu 1) zu beantworten. Trotz eines entsprechenden Hinweises des Senates genügte der Beklagte zu 1) insoweit nicht seiner Darlegung- und Beweispflicht und trägt nicht ausreichend vor; er kann sich daher nicht auf die Exkulpationsmöglichkeit des § 833 Satz 2 Alt. 1 BGB berufen.
38Die Beklagte zu 2) war zum Unfallzeitpunkt ein erst 18-jähriges Mädchen und zudem von – worüber sich der Senat anlässlich der mündlichen Verhandlung durch eigene Anschauung überzeugen konnte – eher schmaler Statur und lediglich durchschnittlicher Größe. Von daher war sie schon rein körperlich nicht in der Lage, ein ausgewachsenes Pferd, das sie an einer Leine führte, zu beherrschen, falls dieses ihren Anweisungen nicht „freiwillig“ Folge leisten, sondern – womit stets zu rechnen ist – sich ihr widersetzen würde.
39Hinsichtlich der konkreten Überwachung der Beklagten zu 2) hat der Beklagte zu 1) lediglich vorgetragen, diese im Rahmen seiner täglichen Arbeit auf Hof, Stall und Reithalle „im Auge“ gehabt zu haben, ohne allerdings darzutun, wie und in welchem Umfang dieses „im Auge Halten“ tatsächlich erfolgte. Näherer Vortrag hierzu aber wäre erforderlich gewesen, zumal die Beklagte zu 2) keineswegs täglich auf dem Reiterhof war. Ferner hat der Beklagte zu 1) angegeben, die Beklagte zu 2) als Reitlehrer zwei Jahre lang betreut und über deren reiterliche Fähigkeiten „bestens Bescheid gewusst zu haben“. Die Beklagte zu 2) mag verschiedene Reiterprüfungen abgelegt und entsprechende Auszeichnungen erworben haben; dies entbindet den Beklagten zu 1) als Inhaber des Reitstalls und (damaligen) Eigentümer von „M“ jedoch nicht davon, durch zusätzliche Maßnahmen – etwa regelmäßige Schulungen und eine konkrete Überwachung der Tätigkeiten der Beklagten zu 2) – dafür Sorge zu tragen, dass sich die jeder Tierhaltung und insbesondere der Großtierhaltung immanente spezifische Tiergefahr während der Zeiten, in denen sie als Aufseherin das Pferd beaufsichtigt, nicht realisiert. Dies gilt auch, soweit der Beklagte zu 1) vorträgt, er habe sich davon überzeugt und dies regelmäßig gelegentlich seiner Arbeit auf dem Hof kontrolliert, dass die Beklagte zu 2) mit „M“ auch umsichtig beim Führen umging. Denn auch aus diesem pauschalen Vortrag erschließt sich gerade nicht, wie konkret der Beklagte zu 1) im Detail seiner Aufsichts-, Überwachungs- und ggf. Anleitungspflicht nachgekommen ist.
40bb) Dem Umfang nach hat die Klägerin mit ihrem Begehren teilweise, nämlich in Höhe von 13.462,72 €, Erfolg; ein weitergehender Anspruch steht ihr nicht zu. Die Schadenssumme setzt sich im Einzelnen wie folgt zusammen:
41(1) Die Klägerin hat zum einen bis zum 31.10.2010 einen Verdienstausfallschaden erlitten, den der Senat anhand der vorgelegten Unterlagen auf 950,00 € schätzt (§ 287 ZPO). Ausweislich der Bescheinigungen der Deutsche C vom 31.8.2010 und 29.9.2010 (Anlage K19, Bl. 172 f. Anlageheft I) erhielt die Klägerin ab dem 16.7.2010 ein Krankengeld von täglich 53,86 €, wobei die Deutsche C einen Kalendermonat mit 30 Tagen berechnet. Dies ergibt für den Zeitraum 16.7.2014 bis 31.10.2010 einen Betrag in Höhe von 5.655,30 € (= 105 x 53,86 €); im Juli 2010 erhielt sie ausweislich der vorgelegten Bezügemitteilung der Deutsche Post (Anlage K18, Bl. 169 Anlageheft I) für die ersten 15 Tage 1.097,67 € und somit insgesamt in der Zeit von 1.7. – 31.10.2010 einen Betrag von 6.752,97 €. In den Monaten Januar bis Juni 2010 erhielt die Klägerin hingegen durchschnittliche Nettobezüge in Höhe von monatlich 1.925,52 € (Betrag ermittelt anhand der Bezügemitteilungen für Januar bis Juni 2010, Bl. 161 ff. Anlageheft I), so dass sich ein auf Bezügebasis berechneter Verdienst für die Zeit 1.7. – 31.10.2010 von 7.702,08 € ergibt. Dies führt zu einem Differenzbetrag von 949,11 €, der Grundlage für die Schadensschätzung in Höhe von 950,00 € ist.
42(2) Ferner ist der Klägerin ein ersatzfähiger sog. Pflegeschaden entstanden, den der Senat auf 8.460,00 € schätzt (§ 287 ZPO). Dieser Schaden liegt in der erhöhten Pflegebedürftigkeit der Klägerin, die aufgrund der durch das Unfallereignis erlittenen Verletzungen eingetreten ist (vgl. Sprau, in Palandt, a.a.O., Rz. 3 zu § 843 m.w.N.). Vorliegend richtet er sich konkret darauf, dass die Klägerin nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus (25.6.2010) in der Zeit bis zum 25.10.2010 nicht in der Lage war, sich selbständig an- und auszuziehen sowie die notwendige Körperpflege zu betreiben und deshalb nahezu „rund um die Uhr“ pflegerischer Betreuung bedurfte. Davon ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt. Die Pflegebedürftigkeit der Klägerin ergibt sich deutlich aus den nachvollziehbaren und überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. med. T3 in seinem schriftlichen Gutachten vom 12.7.2010, die von keiner Partei substantiiert beanstandet worden sind und die der Senat in Bezug nimmt. Soweit der Beklagte zu 1) moniert, dass das Gutachten nur den Zeitraum bis zum 25.10.2010 erfasse, ist ihm entgegen zu halten, dass dies genau dem Beweisbeschluss des Senates entspricht und mit der Klage – mit Ausnahme des Feststellungsantrags – nur bis dahin entstandene Schäden eingeklagt werden. Der Senat ist nach der Vernehmung der Zeugen I2 und C2 zudem davon überzeugt, dass der Lebensgefährte und der Sohn der Klägerin in der fraglichen Zeit die notwendigen Pflegeleistungen erbrachten und zwar im Durchschnitt täglich jedenfalls fünf Stunden. Dabei ist berücksichtigt, dass die Klägerin selber den reinen Pflegeaufwand auf 3,5 Stunden täglich beziffert; der weitere Zeitanteil von 1,5 Stunden – und nicht, wie von der Klägerin angesetzt, weiteren 2,5 Stunden - berücksichtigt als Durchschnittswert in ausreichendem Umfang notwendige Fahrten etwa zu Ärzten und Therapeuten sowie die Fahrten des Zeugen I2 von seinem damaligen Wohnort in E zur Klägerin. Hinsichtlich der eigentlichen Pflegeleistungen hat der Zeuge I2 überzeugend und widerspruchsfrei geschildert, dass und wie er die Klägerin in dieser Zeit habe be- und entkleiden, waschen und kämmen müssen; ferner habe er ihr beim Toilettengang sowie beim Zäheputzen und den sonst erforderlichen Handgriffen der Körperpflege nicht nur behilflich sein, er habe diese Tätigkeiten vielmehr für die Klägerin ausführen müssen. Aufgrund seiner beruflichen Situation habe er damals noch in E gelebt; daher sei er nicht täglich rund um die Uhr bei der Klägerin gewesen. In den Zeiten seiner Abwesenheit seinen die notwendigen Dienste vom damals dreizehnjährigen Sohne der Klägerin, dem Zeugen T C2, übernommen worden. Auch dieser hat vor dem Senat eindrucksvoll bekundet, wie er in seinem jugendlichen Alter die bereits beschriebenen Tätigkeiten für die und an der Klägerin ausgeführt habe. Dies sei für ihn zunächst ungewohnt gewesen, es habe aber ja keine andere Lösung gegeben, da die Krankenkasse die Übernahme der Kosten für eine Pflegekraft verwehrt habe. Am Wahrheitsgehalt der Bekundungen des Zeugen C2, der seine Angaben wie der Zeuge I2 aufgrund eigener Wahrnehmung macht, bestehen ebenfalls keine Zweifel.
43Da vorliegend die Pflegeleistungen durch den Lebensgefährten der Klägerin und deren Sohn erbracht worden sind, nicht aber eine Pflegekraft gegen Entgelt angestellt wurde, orientiert sich die Höhe des Ersatzanspruchs an dem Nettolohn, der für eine solche Pflegekraft hätte aufgewendet werden müssen (vgl. Sprau, in: Palandt, a.a.O., Rz. 5 zu § 843 m.w.N.), wobei grundsätzlich zu berücksichtigen ist, dass eine innerfamiliär ausgeübte Pflege u.U. weniger zeitaufwändig und belastend gestaltet werden kann als eine solche unter Einbeziehung einer familienfremden Pflegekraft; nicht erforderlich ist, dass ein Entgelt tatsächlich entrichtet wird (vgl. Pardey, Der haushaltsführungsschaden, 8. Aufl., Seite 28 m.w.N.). Insoweit hält der Senat ein Vergütung der Pflegeleistungen mit 12,00 € pro Stunde für angemessen. Dabei ist berücksichtigt, dass es auch schon im Jahr 2010 schwer war, schon eine legale beschäftigte reine Haushaltshilfe für einen solchen Stundenlohn zu finden, geschweige denn eine Pflegekraft. Wesentliche Vorteile durch die gleichsam „innerfamiliäre“ Pflege sind vorliegend nicht erkennbar, da der die Pflege vorrangig übernehmende Lebensgefährte der Klägerin in der fraglichen Zeit nicht mit dieser zusammenlebte, sondern täglich von E eine einfache Fahrtstrecke von 96 km zurücklegen musste, um zur Klägerin zu gelangen. Die durch diese Fahrten entstandenen Kosten sind – wie dargestellt - bei der Bemessung des gesamten Pflegeschadens berücksichtigt. Insgesamt ergibt sich der errechnete Pflegeschaden in Höhe von 8.460,00 € (= 12,00 € x 6 x 120 Tage).
44(3) Darüber hinaus hat die Klägerin, ohne hierfür tatsächliche Aufwendungen erbracht zu haben, einen gleichwohl ersatzfähigen Haushaltsführungsschaden (vgl. dazu Sprau, in: Palandt, a.a.O., Rz. 8 zu § 843 m.w.N.; Pardey, a.a.O., Seite 7 ff.; OLG München, Urteil vom 21.3.2014, 10 U 1750/13, bei juris insbes. Rz. 37 ff.) jedenfalls in Höhe der geltend gemachten 2.820,00 € erlitten (§ 287 ZPO). Er stellt einen Ausgleich dafür dar, dass die Klägerin in der fraglichen Zeit nach Überzeugung des Senates verletzungsbedingt nicht in der Lage war, ihren Haushalt zu führen. Auch dies ergibt sich aus dem bereits erwähnten Gutachten des Sachverständigen Dr. med. T3. Zudem haben die Zeugen I2 und C2 im Rahmen der Vernehmung vor dem Senat übereinstimmend und glaubhaft geschildert, dass der gesamt Haushalt während dieser Zeit zunächst vom Lebensgefährten der Klägerin geführt und dass später auch der Sohn der Klägerin hierfür eingesetzt worden ist. Der Senat geht davon aus, dass für die Belange eines Zwei-Personen-Haushaltes wie desjenigen der Klägerin zumindest die von ihr angesetzten 22 Wochenstunden erforderlich waren und der von ihr angeführte Monatsbetrag von 705,00 € der Höhe nach angemessen ist. Dem steht nicht entgegen, dass das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten der Sachverständigen X den Haushaltsführungsschaden für diesen Zeitraum auf 5.143,00 € beziffert, zumal die Klägerin mit Vorlage des Gutachtens ausdrücklich darauf hingewiesen hat, mit der Klage – und folglich auch mit der dort genannten Summe – den Haushaltsführungsschaden nur für die Zeit vom 25.6. – 25.10.2010 beziffert zu haben (Bl. 542 GA). Darauf, dass der von der Klägerin geltend gemachte Betrag tatsächlich nicht seitens der Klägerin gezahlt wurde, kommt es – wie beim Pflegeschaden – nicht an.
45(4) Schließlich hat die Klägerin einen weiteren materiellen Schaden in Gestalt von unfallbedingten Mehraufwendungen erlitten, den der Senat gemäß § 287 ZPO (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18.2.1991, VI ZR 367/90, = NJW-RR 1992, 792 f.) auf insgesamt 1.053,00 € schätzt. Dabei sind folgende, von der Klägerin aufgelistete Schadenspositionen ersatzfähig:
46- von der Klägerin selber aufgebrachten Teil-Kosten für die von ihr während mehrerer Monate getragene Gilchrist-Bandage geltend machen; die Bandage kostete ausweislich der Rechnung des Sanitätshauses I3 vom 1.7.2010 (Bl. 176 Anlageheft I) 242,44 €; den geltend gemachten Teilbetrag vom 106,50 € bekam die Klägerin seitens der Krankenversicherung nicht erstattet und musste ihn selber bezahlen.
47- 173,34 € für diverse seitens der Krankenversicherung nicht erstattete Zuzahlungen und Mehrkosten, die der Klägerin u.a. gegenüber dem Sanitätshaus I3, dem Physiotherapeuten und verschiedenen Apotheken entstanden sind. Der geltend gemachte Betrag ergibt sich aus einer Aufstellung für die Monate Juni bis August 2010 (Anlage K 20, Bl. 177 Anlageheft I), der die Klägerin die entsprechenden Belege beigefügt hat.
48- von der Klägerin aufgewendete und in einer Aufstellung (Anlage K 21, Bl. 188 ff. Anlageheft I) aufgelistete Mehrausgaben für Taxifahrten in Höhe von 90,30 €, für die die Klägerin ebenfalls Belege vorlegt; diese Taxifahrten waren insbesondere notwendig, um Arzt- und Therapietermine wahrzunehmen.
49- Parkgebühren für die Zeit Juni bis August 2010 in Höhe von insgesamt 93,80 €, die die Klägerin in der Aufstellung Anlage K23 (= Bl. 203 ff. Anlageheft I) auflistet und jeweils mit Parkscheinen belegt; diese Schadensposition ist nachvollziehbar angesichts des Umstandes, dass die Klägerin insbesondere in den Monaten nach der Krankenhausentlassung zahlreiche Wegstrecken nur per PKW und nicht zu Fuß oder auf dem Fahrrad zurücklegen konnte und dementsprechend vermehrt den PKW benutzen und parken musste .
50- 550,00 € für die Ersatzbeschaffung des bei dem Unfall zerstörten Fahrrades nebst Zubehör und eine Sonnenbrille mit Sehstärke; der Senat schätzt den genannten Schadensbetrag anhand der vorgelegten Unterlagen betreffend die Anschaffung eines Fahrrades für 499,00 € im Oktober 2008 (= Anlage K24, Bl. 217 Anlageheft I), welches zum Unfallzeitpunkt bereits ca. 20 Monate alt war und daher nicht mit dem Neuwert, sondern mit einem Wert von nur noch 300,00 € angesetzt wird; dass die Klägerin auf dem Fahrrad saß, als sie verunfallte, ist unstreitig. Belege für einen zerstörten Fahrradkorb sowie die beschädigte Sonnenbrille mit Sehstärke legt die Klägerin nicht vor. Der Senat schätzt den Schadensbetrag insoweit insgesamt auf weitere 250,00 €.
51- 38,78 €, die die Klägerin als Mehrausgabe für Schreibwaren und Porto verauslagte und für die sie Belege und eine Aufstellung vorlegt (Anlage K26, Bl. 229 ff. Anlageheft I). Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin jedenfalls in diesem Umfang unfallbedingt ein erhöhtes Aufkommen an – teilweise per Post zu versendendem - Schriftverkehr hatte.
52(5) Für folgende, von ihr darüber hinaus geltend gemachte Positionen hingegen kann die Klägerin keinen Ersatz verlangen:
53- Fahrten des Zeugen I2 in den Monaten Juni bis August 2010, angegeben mit insgesamt 3.823,00 €. Zwar ist davon auszugehen, dass der Zeuge I2 entsprechend der von der Klägerin vorgelegten Aufstellung (Anlage K22, Bl. 194 ff. Anlageheft I) und gemäß seinen Angaben im Rahmen der Beweisaufnahme in der fraglichen Zeit nahezu täglich mit dem PKW von E zur Klägerin gefahren, um diese zu Pflegen, den Haushalt zu führen und sie zu notwendigen Untersuchungen ins Krankenhaus bzw. zum Arzt zu fahren. Der Ersatzfähigkeit der aufgeführten Kosten steht aber zum einen entgegen, dass die Klägerin nicht vorgetragen hat, dem Zeugen I2 Fahrtkosten in dieser Höhe erstattet zu haben, so dass nicht davon auszugehen ist, dass ihr insoweit ein Schaden entstanden ist. Zum anderen wurden – wie dargestellt – notwendige Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Pflege der Klägerin bereits im Rahmen des großzügig geschätzten Pflegeschadens berücksichtigt.
54- Aufwendungen für Bekleidung, wie in Anlage K25 (= Bl. 221 ff. Anlageheft I) angeführt. Die dort präsentierten Belege liefern keine ausreichende Grundlage für eine Schadensschätzung, da nicht ersichtlich ist, dass die Anschaffung der betreffenden Kleidungsstücke wie Röcke, T-Shirts, Hosen unfallbedingt notwendig war und gerade dies beklagtenseits bestritten wird.
55- sonstige Mehrausgaben, wie in Anlage K27 (= Bl. 236 ff. Anlageheft I) angeführt; auch insoweit ist mangels konkreten Vortrags der Klägerin und angesichts des Bestreitens durch den Beklagten zu 1) nicht ersichtlich, inwieweit die getätigten Ausgaben unfallbedingt notwendig geworden sind.
56b) Neben den materiellen hat die Klägerin erhebliche körperliche und psychische Beeinträchtigungen und Schmerzen erlitten, für die sie vom Beklagten zu 1) gemäß § 253 Abs. 2 BGB eine Entschädigung fordern kann, die der Senat mit50.000,00 € als angemessen beziffert ansieht. Dabei erfolgt die Bemessung dieses Schmerzensgeldes unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände. Der von der Klägerin geltend gemachte und vom Senat für verhältnismäßig erachtete Betrag steht in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzungen und deren Folgen für die weitere Lebensgestaltung der Klägerin (vgl. Grüneberg, in: Palandt, a.a.O., Rz. 15 zu § 253 BGB m.w.N.):
57aa) Dabei ergibt sich der konkrete Umfang der von der Klägerin erlittenen körperlichen Beeinträchtigungen zum einen aus den Arztberichten des St.-F-Krankenhauses vom 25.6.2010 (Bl. 155 ff. Anlageheft I) und 11.10.2010 (Bl. 255 ff. Anlageheft I). Die Klägerin ist darüber hinaus bis heute insbesondere im Bereich der Schultern in ihrer Beweglichkeit stark eingeschränkt. Die unfallbedingten Verletzungsfolgen haben dazu geführt, dass sie zwischenzeitlich mit Wirkung zum 1.9.2011 wegen voller Erwerbsminderung verrentet ist, wie sich aus dem Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Rheinland vom 13.11.2013 (Bl. 500 f. GA) ergibt. Dieser Umstand ist ein besonders schwerwiegendes Indiz dafür, wie erheblich die im Jahr 1966 geborene Klägerin durch die Unfallfolgen beeinträchtigt ist. Bis heute leidet die Klägerin zudem unter teils erheblichen und nur mit Medikamenten auszuhaltenden Schmerzen, die insbesondere, aber keineswegs nur bei Wetterumschwüngen auftreten. Zudem hat die Klägerin in der Berufung ihren Vortrag zu den körperlichen Schäden und Unfallfolgen durch ein weiteres unfallchirurgisches Sachverständigengutachten des Prof. Dr. med. S T4 vom 12.10.2013, auf das insoweit Bezug genommen wird, konkretisiert.
58bb) Darüber hinaus beschreibt die Klägerin in der Berufung unter Bezugnahme auf ein ebenfalls von ihr vorgelegtes neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Sachverständigen Dr. med. H2 vom 10.12.2012, das unter besonderer Berücksichtigung chronischer Schmerzen gefertigt wurde, und die Testung der Dipl.-Psych. M das Vorliegen einer unfallbedingten chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Insbesondere auch die in dem als Parteivortrag der Klägerin zu wertenden Gutachten, auf dessen ausführliche Darlegungen insoweit verwiesen wird, beschriebenen psychischen Beeinträchtigungen sind von erheblichem Gewicht und wirken sich enorm belastend und nachteilig auf die Gesamtlebenssituation der Klägerin aus. Erheblich Einwendungen gegen diesen Vortrag hat der Beklagte zu 1) nicht erhoben.
59c) Schließlich hat die Klägerin Anspruch auf die begehrte und tenorierte Feststellung, die sich auf mögliche künftige Ansprüche im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen beziehen. Zur Begründung kann auf die vorstehenden Darlegungen zum Grund des Schadensersatz- und des Schmerzensgeldanspruchs verwiesen werden.
60d) Hingegen hat die Klägerin keine Ersatzansprüche gegenüber der Beklagten zu 2). Insbesondere haftet diese der Klägerin weder aus § 834 BGB noch aus § 823 BGB.
61aa) Eine Haftung aus § 834 BGB scheitert schon daran, dass die Beklagte zu 2) nicht als Tieraufseherin im (engen) Sinne des § 834 Satz 1 BGB anzusehen ist. Ersatzpflichtig ist nach dem Wortlaut der Norm, wer für den Tierhalter die Führung der Tieraufsicht durch Vertrag übernimmt. Er darf dabei nicht selber Tierhalter sein, was bei der Beklagten zu 2), der heutigen Eigentümerin von „M“, damals auch nicht der Fall war. An einer ausdrücklichen Aufsichtsübernahme durch Vertrag fehlt es jedoch vorliegend. Weder haben die Beklagten insoweit eine mündliche oder gar schriftliche Vereinbarung getroffen, noch hat die insoweit beweispflichtige (vgl. Sprau, in: Palandt, a.a.O., Rz. 4 zu § 834 BGB) Klägerin hinreichend dargelegt, dass insoweit konkludent ein Vertrag zustande kam. Allein die tatsächliche Aufsicht – wie die Beklagte zu 2) sie am Unfalltag über „M“ führte – genügt jedoch zur Haftungsbegründung nicht. Dementsprechend werden in der Rechtsprechung zwar der Viehtreiber (vgl. RG, Urteil vom 9.12.1941, VI 74/41 = RGZ 168, 331, 333) oder der ein Pferd in Pension Nehmende (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 28.10.1975, 13 U 156/73 = VersR 1975, 865) als Tieraufseher im Sonne des § 834 BGB angesehen, nicht aber der nur auf Anweisung handelnde Bedienstete, wie etwa ein Stallbursche, oder der angestellt Reitlehrer (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.6.2002, 4 U 207/01 = VersR 2003, 871). Angesichts dieser Vergleichsgruppen ist auch die gerade volljährige Beklagte zu 2), die lediglich Pferde aus dem Stall des Beklagten zu 1) gelegentlichen, wenn auch regelmäßig, ritt und zur Weide führte nicht als Tieraufseherin anzusehen; denn sie handelte insoweit ohne den für einen Tieraufseher typischen eigenständigen Verantwortungsbereich. Dem steht nicht entgegen, dass etwa derjenige, der ein Pferd zum selbständigen Ausreiten anmietet, als Tierhalter angesehen wird (so etwa BGH, Urteil vom 30.9.1986, VI ZR 161/85 = NJW 1987, 949 ff.). Denn an der in dieser Konstellation vorliegenden Selbständigkeit des Anmietenden, die nicht zuletzt auch durch die Vereinbarung eines entsprechenden Mietzinses zum Ausdruck kommt, fehlt es hier gerade.
62bb) Die Beklagte zu 2) haftet der Klägerin auch nicht aus § 823 BGB. Eine vorsätzliche Verletzungshandlung bzw. ein vorsätzliches Unterlassen der ausreichenden Sicherung des Pferdes lastet selbst die Klägerin ihr nicht an. Der Beklagten zu 2) kann aber insoweit auch kein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden. Denn es ist nicht vorgetragen oder sonst erkennbar, dass die Beklagte zu 2) Anhaltspunkte für ein Durchgehen von „M“ gehabt hätte, sich darauf jedoch nicht angemessen eingestellt habe; vielmehr liegt der Sachverhalt ja gerade so, dass nicht bekannt ist, welche Ursache das Pferd zum Durchgehen veranlasste.
633. Der zugesprochene Zinsanspruch steht der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1) hinsichtlich der Teilforderung in Höhe von 10.410,00 € sowie hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruchs seit dem 1.9.2010 zu aus § 286 BGB. Insoweit wurde der Beklagte zu 1) durch das an die seine Belange damals regelnde Versicherung, die I H, vom 5.8.2010 gerichtete Schreiben in Verzug gesetzte, in dem eine Zahlungsfrist zum 31.8.2010 gesetzt wurde, die der Beklagte zu 1) ungenutzt verstreichen ließ. Hinsichtlich der restlichen Forderung ergibt sich der Zinsanspruch aus § 291 BGB, nachdem dem Beklagten zu 1) die Klage am 26.11.2010 zugestellt worden ist.
644. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 1, 711 ZPO.
655. Anlass für eine Zulassung der Revision besteht nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO). Weder erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Insbesondere stellt sich keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist nämlich nur dann gegeben, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. die allgemein von Bedeutung ist. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist, weil sie vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden ist und in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird oder wenn sie in der Literatur in gewissem Umfang umstritten ist (BGH, Beschluss vom 24. September 2013 in dem Verfahren II ZR 396/12, ZIP 2014, 191 Rn. 2; BGH, Beschluss vom 21. September 2009 - II ZR 264/08, ZIP 2010, 27 Rn. 3; Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 54/09, ZIP 2010, 985 Rn. 3; Beschluss vom 21. Juni 2010 - II ZR 219/09, ZIP 2010, 2397 Rn. 3). Derartige Unklarheiten bestehen vorliegend nicht, und die Entscheidung des Senats in dem vorliegenden, in den wesentlichen Teilen tatrichterlich zu beurteilenden Einzelfall berücksichtigt die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auch und gerade zur Tierhalterhaftung.
66Streitwert für das Berufungsverfahren: 170.567,95 €
67[Antrag zu 1): 50.000,00 €, Antrag zu 2): 20.567,95 €, Antrag zu 3): 100.000,00 €]
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 09. Sept. 2014 - 14 U 12/11
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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist für den Schaden verantwortlich, den das Tier einem Dritten in der im § 833 bezeichneten Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist für den Schaden verantwortlich, den das Tier einem Dritten in der im § 833 bezeichneten Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte, deren Anteile von der Stadt Köln und dem Land Nordrhein -Westfalen gehalten werden, ist mit der Verwirklichung des Stadtentwicklungsprojekts "M. P. " auf einem etwa 20 ha großen, ehemals als Güterbahnhof genutzten Gelände in Köln befaßt. Ihr oblag die Projektsteuerung. Ziel war es, das Gesamtprojekt bis Anfang 1993 fertigzustellen. Zu diesem Zweck
wurde den Investoren zusammen mit dem Grundstückserwerb Bauverpflichtun- gen mit engen zeitlichen Vorgaben, gesichert durch Vertragsstrafen, auferlegt.
Der Kläger erwarb 1990 ein Grundstück aus dem Gesamtareal und errichtete dort den Block 4, den er zu großen Teilen an die A. -G. AG vermietet hat. Wegen Schlechterfüllung bei der Realisierung und Koordinierung des Gesamtprojekts und wegen Verschuldens bei Vertragsschluß, nämlich wegen Täuschung über die Defizite hinsichtlich des Entwicklungsstands des Gesamtprojekts , hat der Kläger von der Beklagten Schadensersatz verlangt, und zwar durch Zahlungsklage in Höhe von 13.378.232,06 DM nebst Zinsen sowie im Wege der Feststellungsklage hinsichtlich weiterer noch nicht bezifferbarer Schäden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von 13 Mio. DM dem Grunde nach unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß stattgegeben. Den Feststellungsantrag hat es als nicht gestellt betrachtet. Der Senat hat die Revisionen beider Parteien gegen dieses Urteil nicht angenommen und klargestellt, daß die angefochtene Entscheidung so zu verstehen sei, daß über den auf positive Forderungsverletzung gestützten Feststellungsantrag noch nicht entschieden sei.
Der Kläger hat im Betragsverfahren seinen Zahlungsanspruch in Höhe von 19.518.084 DM weiter verfolgt und die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Nichtfertigstellung bzw. der nicht vertragsgemäßen Nutzung der Blöcke 1, 2, 3, 5, 6b, 7, 8, 12 und 13 bzw. aus der nicht- oder nicht ordnungsgemäßen
Erfüllung der sonstigen von der Beklagten eingegangenen Vertragspflichten entsteht.
Das Oberlandesgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von 14.396.704,12 DM stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den bezifferten Klageantrag im Umfang der Abweisung weiter. Den weiteren Antrag hat er eingeschränkt und auf die Feststellung präzisiert, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm jeden weiteren mit der Entscheidung über den Zahlungsantrag nicht verbrauchten Schaden zu ersetzen, der entstehe, solange die Blöcke 1, 2, 3, 5, 6b, 7, 8, 12 und 13 nicht fertiggestellt seien oder nach Errichtung nicht gemäß den vertraglichen Vereinbarungen , insbesondere nicht nach der vertraglich vorgesehenen Nutzungsbindung, genutzt würden.
Der Senat hat die Revision des Klägers hinsichtlich des Zahlungsantrags und hinsichtlich des Feststellungsantrags angenommen, soweit es um eine nicht rechtzeitige Fertigstellung der Blöcke 1, 5 und 6b geht. Im übrigen hat er die Revision des Klägers wie auch die Revision der Beklagten, die die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels beantragt, nicht angenommen.
Entscheidungsgründe:
A. Zahlungsantrag
I.
1. Das Berufungsgericht billigt dem Kläger entsprechend dem rechtskräftigen Grundurteil Schadensersatz wegen unzutreffender vorvertraglicher Erklärungen der Beklagten bezüglich Block 2 und Block 5 in Höhe des Wertes zu, um den der Kläger das von ihm mit Block 4 bebaute Grundstück infolge seiner Fehlvorstellungen zu teuer erworben hat. Es schätzt diese Wertdifferenz , sachverständig beraten, auf 10,7 Mio. DM und zieht davon im Wege des Vorteilsausgleichs einen sogenannten Overrent-Ertrag von (rund) 1,7 Mio. DM ab. Denn der Kläger habe von der A. -G. AG einen um 2 DM/qm höheren Mietzins erhalten, als es dem von dem Sachverständigen als lageangemessen veranschlagten Mietzins entspreche.
2. Als Schaden spricht das Berufungsgericht dem Kläger hilfsweise geltend gemachte kapitalisierte Verzugszinsen in Höhe von 5.396.704,12 DM zu, versagt ihm aber den in erster Linie verfolgten Anspruch auf Ersatz des Zinsaufwandes , der dem Kläger zur Finanzierung des von ihm bei vertragsgerechtem Verhalten nicht geschuldeten Kaufpreisanteils erwachsen ist und den er mit 8.818.084 DM beziffert hat. Es meint, es fehle an einer hinreichenden Darlegung dieses Anspruchs, da der Kläger nichts zu anrechenbaren Steuervorteilen vorgetragen habe, die er infolge der Kreditbelastung gehabt habe.
3. Hinsichtlich des weiterhin hilfsweise geltend gemachten Mietausfalls wegen des nicht vertragsgerecht verwirklichten Projekts "L. " (Ansiedlung von Künstlern und Kulturschaffenden in Block 4) verneint das Berufungsgericht einen Schaden mit der Begründung, der Kläger habe nicht dargelegt, daß er überhaupt einen Mietausfall erlitten habe.
II.
Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten den Angriffen der Revision stand.
1. Nachdem der Senat die Revision der Beklagten nicht angenommen hat, ist davon auszugehen, daß der Kläger das Grundstück infolge der unzutreffenden , von der Beklagten zu vertretenden Angaben zum Entwicklungsstand des Gesamtprojekts bezüglich Block 2 und Block 5 um 10,7 Mio. DM zu teuer erworben hat. Daß dieser Betrag, der den nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluß zu ersetzenden Schaden beziffert, nach den Regeln der Vorteilsausgleichung gemindert sein kann, steht außer Zweifel. Die für die Schadensberechnung maßgebliche Differenzhypothese (BGHZ 98, 212, 217) bedingt die den Schaden mindernde Berücksichtigung von Vorteilen, die dem Geschädigten infolge des Schadensereignisses zugeflossen sind. Dabei besteht heute Einigkeit, daß nicht generell jeder Vorteil den Schaden mindert, sondern daß eine Anrechnung dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht entsprechen muß, mithin den Geschädigten nicht unzumutbar belasten und den Schädiger nicht unbillig begünstigen darf. Der einzelne Vorteil muß, soll er zur Anrechnung führen, mit dem einzelnen Nachteil kongruent sein, d.h. ihm seiner Art nach entsprechen (Senat, Urt. v. 6. Juni 1997, V ZR 115/96, NJW 1997, 2378 m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen gegen die von dem Berufungsgericht vorgenommene Vorteilsausgleichung an sich keine Bedenken. Da der den Schaden bestimmende Minderwert auf der von dem noch nicht intakten Umfeld geprägten Ertragseinbuße beruht, ist es grundsätzlich gerechtfertigt,
Mehrerträge im Einzelfall schadensmindernd zu berücksichtigen. Zwar hätte dies, worauf die Revision zu Recht hinweist, bei der gebotenen wertenden Betrachtung zu unterbleiben, wenn der Mehrertrag auf eine besondere Geschäftstüchtigkeit des Klägers zurückzuführen wäre, die dem Schädiger nicht zugute kommen dürfte (vgl. MünchKomm-BGB/Oetker, 4. Aufl., Band 2a, § 249 Rdn. 263). Die Revision verweist aber nicht auf Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen , wonach die über dem lageangemessenen Durchschnitt liegende Miete der Geschäftstüchtigkeit des Klägers zuzuschreiben ist. Möglich, wenn nicht sogar näher liegend ist, daß die Miete im Hinblick auf die Vorstellung von Mieter und Vermieter vereinbart wurde, daß das Stadtentwicklungsprojekt in dem vorgesehenen zeitlichen Rahmen verwirklicht werden würde. Dann aber gäbe es keinen Grund, den Vorteil dem Kläger zu belassen.
Etwas anderes gilt aber, wenn der Vortrag des Klägers zutrifft, er habe den höheren Mietzins von der A. -G. AG nur deswegen bekommen, weil er im Hinblick auf sonst gerechtfertigte Mietminderungen finanzielle Zugeständnisse bei einem früheren Mietverhältnis in Düsseldorf gemacht habe. Diese Zugeständnisse überstiegen den in Köln erwirtschafteten "Overrent". Trifft dies zu, so hat sich der Kläger den ursprünglichen Vorteil nur durch anderweitige wirtschaftliche Zugeständnisse erhalten können. Im Saldo bliebe kein anrechenbarer Vorteil.
Dem kann man entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht entgegen halten, eine Mietminderung sei gar nicht gerechtfertigt gewesen. Wenn der Sachverständige wegen der Situation im Umfeld einen geringeren Mietertrag zugrunde legt, so deswegen, weil die noch fehlende Fertigstellung des Gesamtprojekts Einfluß auf den angemessenen Mietzins hat. Das beruht
nicht lediglich auf der rein subjektiven Einschätzung potentieller Mieter, sondern auf Umständen, die die Nutzung objektiv erschweren und wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen. Gründe dafür sind beschwerlichere Zugänge, fehlende Einbindung in eine funktionierende Infrastruktur und ein insgesamt weniger attraktives Erscheinungsbild. Solche Nachteile können die Abläufe in einem Gewerbebetrieb erschweren, seine Außendarstellung beeinträchtigen und sein Ansehen mindern. Der Mieter, der Büro- oder Gewerberäume unter der vertragsgemäßen Voraussetzung eines intakten Umfelds mietet, kann daher die Miete mindern, wenn solche Umstände die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache nicht nur unerheblich beeinflußen (§ 536 Abs. 1 BGB a.F.). Daß dies hier der Fall war, liegt angesichts der von dem Sachverständigen ermittelten allgemeinen Ertragseinbußen nicht fern. Jedenfalls konnte das Berufungsgericht einen solchen Nachteil für den Kläger deswegen nicht verneinen, weil er und die Mieterin dem von dieser geltend gemachten Minderungsrecht wirtschaftliche Bedeutung beigemessen und dies - nach dem Klägervortrag - zum Gegenstand eines Vergleichs gemacht haben. Danach verzichtete der Kläger auf Forderungen aus dem früheren Mietverhältnis mit der A. -G. AG, und diese verzichtete auf Minderungsansprüche. Dies dokumentiert den wirtschaftlichen Wert dieser Ansprüche. Mit Blick darauf kann auch - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht in analoger Anwendung des § 539 Satz 1 BGB a.F. von einem Verlust des Minderungsrechts wegen fehlender Geltendmachung ausgegangen werden. Die Mietvertragsparteien sind, wie der Vergleich zeigt, nicht von einem Verlust des Minderungsrechts ausgegangen. Der Kläger hat vielmehr seinem Vortrag zufolge mit Rücksicht auf die angedrohte Minderung auf Mietzinsforderungen in erheblichem Umfang verzichtet. Dies läßt, wenn es zutrifft, den von dem Sachverständigen ermittelten "Over-
rent-Ertrag" wieder entfallen und steht einer Berücksichtigung im Wege des Vorteilsausgleichs entgegen.
2. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Zinsaufwand, der auf den Kaufpreisanteil entfällt, der bei vertragsgemäßem Verhalten der Beklagten nicht entstanden wäre, einen ersatzfähigen Schaden darstellt. Soweit es indes eine nicht hinreichende Darlegung des Klägers zu anrechenbaren Steuervorteilen bemängelt, verkennt es - wie die Revision zu Recht rügt - die Darlegungs- und Beweislast.
Für Vorteile, die den Schaden mindern, ist grundsätzlich der Schädiger, hier also die Beklagte, darlegungs- und beweispflichtig (Senat, Urt. v. 3. Mai 2002, V ZR 115/01, NJW-RR 2002, 1280 m.w.N.). Zwar gibt es Beweiserleichterungen , die bis zur Umkehr der Darlegungs- und Beweislast gehen können, wenn es sich um Geschehnisse aus dem Vermögensbereich der anderen Partei handelt. Das ist insbesondere bei der Berücksichtigung von Steuervorteilen angenommen worden (BGH, Urt. v. 10. Februar 1987, VI ZR 17/86, NJW 1987, 1814, 1815; Senat, Urt. v. 15. April 1983, V ZR 152/82, NJW 1983, 2137, 2139). Doch muß zunächst der Schädiger überhaupt geltend machen, daß ein Vorteil anzurechnen ist. Diese Darlegung ist ihm nicht erlassen (BGH, Urt. v. 10. Februar 1987, VI ZR 17/86 aaO). Daran fehlt es. Die Revisionserwiderung verweist zwar auf Tatsachenvortrag, in dem darauf hingewiesen wird, daß nach einer Entscheidung des Senats vom 26. September 1997 (V ZR 29/96, WM 1997, 2309) bei der Ermittlung des Schadens eine Gesamtbetrachtung stattzufinden habe. Darin liegt jedoch auf den konkreten Fall bezogen keine Geltendmachung von Steuervorteilen, die dem Kläger infolge seines durch den Zinsaufwand entstandenen Schadens zugeflossen sein sollten. Eine nähere
Darlegung hätte dazu schon deswegen erfolgen müssen, weil ein etwaiger Steuervorteil des Klägers dadurch wieder ausgeglichen sein kann, daß der zugesprochene Schadensersatzbetrag seinerseits zu versteuern ist (vgl. BGHZ 74, 103, 114; BGH, Urt. v. 25. Februar 1988, VII ZR 152/87, NJW-RR 1988, 788; Urt. v. 9. Dezember 1987, IVa ZR 204/86, NJW-RR 1988, 856).
3. Sollte es nach den nachzuholenden Feststellungen des Berufungsgerichts gleichwohl bei einer Nichtberücksichtigung des von dem Kläger auf 8.818.084 DM bezifferten Schadensbetrages bleiben, gilt für die hilfsweise geltend gemachten Forderungen folgendes:
Die kapitalisierten Verzugszinsen, die das Berufungsgericht in Höhe von 5.396.704,12 DM berücksichtigt hat, würden sich erhöhen, wenn der Grundschadensbetrag nicht 9 Mio. DM - wie vom Berufungsgericht angenommen -, sondern 10,7 Mio. DM betragen sollte. Der Kläger beziffert sie auf 6.321.244,44 DM.
Hinsichtlich des von dem Kläger geltend gemachten Mietausfalls wegen des nicht vertragsgerecht verwirklichten Projekts "L. " bleiben die Angriffe der Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts ohne Erfolg. Zwar ist es richtig, daß § 252 Satz 2 BGB dem Geschädigten die Darlegungslast erleichtert. Die Revision verweist aber nicht auf Tatsachenvortrag, dem zu entnehmen wäre, daß nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre, daß der Markt eine Vermietung zu einem Quadratmeterpreis von 29 DM, den der Kläger seiner Berechnung zugrunde gelegt hat, überhaupt hergegeben hätte. Wie der Sachverständige festgestellt hat, war ein Quadratmeterpreis von 29 DM angesichts der besonderen Situati-
on mehr, als man an sich hätte erzielen können. Nur die A. -G. AG war bereit, diesen Mietzins zu zahlen. Daß der Kläger wegen der unzureichenden Projektbegleitung der Beklagten nicht mehr an Miete erzielen konnte (vom "Overrent-Ertrag" abgesehen), mag richtig sein. Diesen Schaden deckt aber der Anspruch aus culpa in contrahendo ab; denn der Kläger erhält die auf dem geringeren Ertragswert beruhende Werteinbuße erstattet.
B. Feststellungsantrag
I.
1. Das Berufungsgericht verneint das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse, soweit der Feststellungsantrag noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, sich also auf die nicht bzw. nicht rechtzeitige Fertigstellung der Blöcke 1, 5 und 6b bezieht. Der Kläger habe den Schaden beziffern und daher zur Leistungsklage übergehen können.
2. Im übrigen hält es den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aber auch für nicht begründet.
a) Hinsichtlich Block 1 fehle es an der Kausalität zwischen einem etwaigen Fehlverhalten der Beklagten und dem eingetretenen Schaden. Wegen Liquiditätsschwierigkeiten des Investors hätten auch vertraglich geschuldete frühere Bemühungen der Beklagten, die Bauverpflichtung durchzusetzen, keinen Erfolg gehabt.
b) Hinsichtlich Block 5 und 6b verneint das Berufungsgericht ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten.
II.
1. Der Umstand, daß der Schaden während des Prozesses bezifferbar geworden sein mag, führt nicht dazu, daß der Feststellungsantrag mangels Feststellungsinteresses nicht mehr zulässig wäre. Ist eine Feststellungsklage - wie hier - in zulässiger Weise erhoben worden, so ist der Kläger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gehalten, zur Leistungsklage überzugehen, wenn der Schaden bezifferbar wird (BGH, Urt. v. 31. Januar 1952, III ZR 131/51, LM ZPO § 256 Nr. 5; Urt. v. 15. November 1977, VI ZR 101/76, NJW 1978, 210, bei BGHZ 70, 39 nicht abgedruckt).
2. a) Bei der Frage, ob die nicht rechtzeitige Fertigstellung von Block 1 auf eine schuldhafte Vertragsverletzung der Beklagten zurückzuführen ist, verkennt das Berufungsgericht die Darlegungs- und Beweislast, wenn es annimmt, daß nichts dafür spreche, daß die Beklagte eine Fertigstellung bis zum 31. Dezember 1994 durchgesetzt hätte, wenn sie frühzeitig, und nicht erst im September 1995 eine Vertragsstrafe verhängt hätte. Denn es ist nicht Sache des Klägers darzulegen, daß der Schaden bei vertragsgemäßem Verhalten vermieden worden wäre. Vielmehr muß die Beklagte darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, daß der Investor auch dann, wenn sie sich rechtzeitig um eine zügige Bebauung gekümmert hätte, wegen seiner Liquiditätsschwierigkeiten außerstande gewesen wäre, den Block vertragsgemäß zu erstellen (vgl. BGHZ 143, 362, 365 f.; BGH, Urt. v. 11. Oktober 2001, III ZR 288/00, NJW 2002, 888, 890; MünchKomm-BGB/Oetker, § 249 Rdn. 218 m.w.N.). Daran fehlt es, und davon geht auch das Berufungsgericht nicht aus. Es erwägt selbst, daß die Beklagte auch von ihrem Rücktrittsrecht hätte Gebrauch machen und den Block - wie später auch geschehen - anderweit vergeben kön-
nen. Mit einer Wahrscheinlichkeitsprognose läßt sich aber weder in dem einen noch in dem anderen Fall die Kausalität des Fehlverhaltens der Beklagten verneinen. Hierzu bedarf es konkreter Feststellungen.
b) Hinsichtlich Block 5 macht die Revision zu Recht geltend, das Berufungsgericht habe bei der Verneinung eines schuldhaften Verhaltens der Beklagten Sachvorbringen des Klägers übergangen.
Das gilt allerdings nicht für den unter Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellten Vortrag, die Entscheidung, den Block in Teilen zu vermarkten, sei falsch gewesen. Dem brauchte das Berufungsgericht , weil dieses Vorbringen zu wenig auf die konkrete Situation eingeht, nicht nachzugehen. Die Beklagte hatte - wie sie im einzelnen unter Beweisantritt dargelegt hat - zunächst versucht, den Block als solchen zu vermarkten, was aber wegen des großen Volumens nicht gelang. Die Revision verweist nicht auf Vortrag des Klägers, der hierauf eingegangen wäre. Die Frage, ob eine Vermarktung durch Aufteilung sachgerecht ist, kann aber nicht generell, etwa durch Sachverständigengutachten, geklärt werden, sondern muß vor dem Hintergrund der konkreten Verhältnisse beurteilt werden.
Berechtigt ist die Rüge aber hinsichtlich des Vortrags, wonach die Beklagte eine sichere Möglichkeit der Vermarktung habe scheitern lassen, um eine vage Hoffnung auf ein anderes Geschäft (mit R. ) aufrechterhalten zu können. Wenn das Berufungsgericht meint, daß es der Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, wenn sie an R. festgehalten habe, da dies dem Gesamtkonzept des "M. -P. " entsprochen habe, so ist dies zwar eine mögliche Erwägung, die aber nicht ohne vorherige Aufklärung der Tatsa-
chen angestellt werden durfte. Der Kläger behauptet hierzu nämlich unter Beweisantritt , daß das Geschäft mit einem Investor deswegen gescheitert sei, weil die Beklagte ihn abgelehnt habe, obwohl dieser auch an R. habe vermieten wollen. Trifft dies zu, kommt eine schuldhafte Pflichtverletzung in Betracht, durch die eine erhebliche Verzögerung eingetreten wäre. Die Ablehnung soll nämlich im Mai 1992 erklärt worden sein; die jetzige Realisierung des Projekts hat das Berufungsgericht für 2003 angenommen.
Bei der Schadensberechnung wird, soweit das Berufungsgericht dem Grunde nach zu einem Anspruch kommen wollte, zu berücksichtigen sein, daß nur der Schaden erfaßt wird, der nicht schon Gegenstand der Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluß ist. Ein solcher weiterer Schaden, der durch eine verzögerte Fertigstellung des Blocks 5 verursacht wurde, ist nicht von vornherein notwendigerweise mit dem von der culpa in contrahendo verursachten Vertrauensschaden deckungsgleich.
Hinsichtlich von Block 6b läßt das Berufungsgericht vom rechtlichen Ansatz her die Haftung der Beklagten zwar daran scheitern, daß es an einer schuldhaften Pflichtverletzung fehle. Es heißt nämlich, es könne nicht von Versäumnissen der Beklagten ausgegangen werden. Die weiteren Ausführungen zeigen aber, daß es - wie bei Block 1 - um Fragen der Kausalität geht. Insoweit leidet das Urteil an demselben Rechtsfehler, wie er zu Block 1 unterlaufen ist.
III.
Soweit Ansprüche wegen positiver Forderungsverletzung von dem Kläger "äußerst hilfsweise" auch zur Auffüllung des Zahlungsanspruchs geltend gemacht und vom Berufungsgericht abgewiesen worden sind, geht die Revision hierauf nicht gesondert ein, da es aus ihrer Sicht darauf nicht ankommt. Der Senat brauchte daher nicht im einzelnen zu prüfen, ob solche Ansprüche bestehen und insbesondere der Höhe nach schlüssig dargelegt sind. Soweit es um den Haftungsgrund geht, kommen Ansprüche wegen der nicht rechtzeitigen Fertigstellung der Blöcke 1, 5 und 6b in Betracht. Das hierzu bei der Behandlung des Feststellungsantrags Ausgeführte gilt in gleicher Weise auch für daraus abgeleitete Zahlungansprüche.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Pferdekutschenunfall. Dieser ereignete sich bei einem Geländefahrturnier des Reitund Fahrvereins R. e.V., bei dem der Kläger als ehrenamtlicher Schiedsrichter (Bockrichter) auf dem Fahrzeug des Beklagten mitfuhr, der seine Pferde Romeo und Lavinia, für die er haftpflichtversichert ist, selbst lenkte. Beim Durchfahren eines Geländehindernisses wurde die Kutsche instabil und kippte auf die linke Seite. Dabei wurde der Kläger vom Bock geschleudert und verletzte sich schwer.
- 2
- Nachdem der Kläger in erster Instanz behauptet hatte, der Beklagte habe den Unfall durch einen Fahrfehler verschuldet, hat er im Berufungsverfahren diesen Vorwurf nicht mehr aufrechterhalten. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Durch rechtskräftiges Urteil vom 28. März 2003 hat das Sozialgericht U. eine Pflicht der Berufsgenossenschaft des Reit- und Fahrvereins zur Übernahme der Krankheitskosten mangels einer Arbeitnehmereigenschaft des Klägers in dem Verein verneint.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht lehnt einen Anspruch des Klägers aus § 833 BGB ab, auch wenn sich bei dem Unfall unter Zugrundelegung des Vortrags beider Parteien die von den Pferden des Beklagten ausgehende Tiergefahr verwirklicht habe. Zur Begründung führt es aus, es sei ein Haftungsausschluss unter dem Gesichtspunkt der bewussten Risikoübernahme gegeben. Zwar liege zwischen den Parteien ein vertraglicher Haftungsausschluss nicht vor. Dafür fehle zum einen eine klare Absprache. Der Kläger habe zudem ohne eigene Einwirkungsmöglichkeit auf die Pferde und nicht im eigenen Interesse oder in Ausübung seines Berufes an dem Turnier teilgenommen. Außerdem stehe hinter dem Beklagten eine Haftpflichtversicherung. Doch habe der Kläger auf eigene Gefahr gehandelt. Der Fahrvorgang, der zum Schaden geführt habe, gehe über die mit der normalen Tiergefahr verbundene Risikolage weit hinaus. Der Kläger habe auf dem Gespann des Beklagten an einem Fahrturnier teilgenommen, das als Wettrennen zu qualifizieren sei, weil es dabei darauf ankomme, in möglichst kurzer Zeit die Strecke zu durchfahren. Das Hindernis, bei dessen Durchfahrt es zum Unfall gekommen sei, habe als letzte Station vor der Zeitschranke des Ziels mit mehreren Wendungen und auch unterschiedlicher Lauffläche (feuchtem Gras, Wassergraben) erhöhte Anforderungen an Ross und Reiter gestellt und zugleich ein stark erhöhtes Gefährdungspotential gehabt. Da das Turnier in die Kategorie der "Anforderungen im Anfängerstadium" gefallen sei, habe der Kläger mit unfertigen Pferden und unerfahrenen Lenkern rechnen müssen. Der Fahrer müsse binnen Sekunden auf die typischen Erscheinungsformen der Tiergefahr reagieren, die durch die Eigenwilligkeit der Tiere, durch möglicherweise mangelnde Übung, Scheu vor dem Wasser, unzulängliche Lenkhilfen oder mit dem anderen Zugtier unabgestimmtes Verhalten bedingt sei. Auch hänge das Gelingen nicht nur vom Können des Kutschenlenkers ab, dem der Kläger als Bockrichter ohne eigene Einflussmöglichkeit und Einschätzbarkeit von dessen Fähigkeiten kurz vor dem Start zugewiesen worden sei. Entscheidend seien auch die Erfahrung und das koordinierte Verhalten des Beifahrers auf dem rückwärtigen Trittbrett, der für die geeignete Schwerpunktverlagerung zu sorgen habe. Der Kläger habe sich deshalb auf ein Rennen mit vielen Risikofaktoren eingelassen, die das von einem Pferd ausgehende normale Gefährdungspotenzial , wie es sich auch in einem Ausritt zu manifestieren pflege, überstiegen. Diese hohe Risikolage werde sinnfällig dadurch belegt, dass jede zehnte bis dreizehnte Kutsche bei solchen Turnieren umgeworfen werde.
II.
- 4
- Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Erwägungen des Berufungsgerichts rechtfertigen unter den konkreten Umständen des Streitfalles nicht einen vollständigen Haftungsausschluss zu Lasten des Klägers.
- 5
- 1. Zutreffend ist der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts, dass sich bei dem Unfall eine typische Tiergefahr verwirklicht hat, für die der Beklagte als Halter der Pferde nach § 833 Satz 1 BGB grundsätzlich einstehen muss.
- 6
- a) Das wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger im zweiten Rechtszug keinen Fahrfehler des Beklagten mehr geltend gemacht hat, sondern seinen Anspruch ausschließlich auf die Tierhalterhaftung stützt. Schon nach dem Vortrag des Beklagten hatte die Kutsche vor dem Unfall einen starken Zug nach links gehabt, was nach seiner Darstellung auf die von ihm nicht gewollten Laufwege der Pferde zurückzuführen gewesen sei. Dieses Verhalten entsprang aus der tierischen Eigenwilligkeit. Demnach entsprach die Bewegung der Pferde trotz der Steuerung durch den Beklagten nicht dessen Willen. Dass das Berufungsgericht unter solchen Umständen die Verwirklichung einer typischen Tiergefahr angenommen hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
- 7
- b) Eine typische Tiergefahr äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten des Tieres (vgl. grundlegend Senat BGHZ 67, 129, 132 f. sowie Urteile vom 13. Juli 1976 - VI ZR 99/75 - VersR 1976, 1175, 1176; vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - VersR 1977, 864, 865; vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - VersR 1982, 366, 367; vom 6. März 1990 - VI ZR 246/89 - VersR 1990, 796, 797; vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - VersR 1992, 371, 372; vom 9. Juni 1992 - VI ZR 49/91 - VersR 1992, 1145, 1146; vom 6. Juli 1999 - VI ZR 170/98 - VersR 1999, 1291, 1292). Diese Voraussetzung kann zwar fehlen, wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt und nur daraus der Schaden resultiert, weil er in einem solchen Fall allein durch den Menschen verursacht wird (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1966 - VI ZR 11/65 - VersR 1966, 1073, 1074; vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - aaO; vom 27. Mai 1986 - VI ZR 275/85 - NJW 1986, 2501; vom 30. September 1986 - VI ZR 161/85 - VersR 1987, 198, 200; BGH, Urteil vom 25. September 1952 - III ZR 334/51 - VersR 1952, 403; RGZ 50, 180 f.; 60, 103 f.; 80, 237, 239; ebenso Geigel/Haag, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap. 18 Rdn. 12; a.A. Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 2003, § 833 Rdn. 10; MünchKommBGB/Wagner, 4. Aufl., § 833 Rdn. 11 f.; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl., § 833 Rdn. 7; Staudinger/Belling/Eberl-Borges, BGB, Neubearbeitung 2002, § 833 Rdn. 57; Wussow/Terbille, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 11 Rdn. 14 f.). Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn ein Pferd auf die - unter Umständen fehlerhafte - menschliche Steuerung anders als beabsichtigt reagiert. Denn diese Reaktion des Tieres und die daraus resultierende Gefährdung haben ihren Grund in der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens (vgl. Senatsurteile vom 9. Juni 1992 - VI ZR 49/91 - und vom 6. Juli 1999 - VI ZR 170/98 - beide aaO; Soergel/Zeuner, aaO, § 833 Rdn. 8). Das tierische Verhalten muss auch nicht die einzige Ursache des eingetretenen Unfalles sein. Es genügt vielmehr, wenn das Verhalten des Tieres für die Entstehung des Schadens adäquat mitursächlich geworden ist (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2001, 19; OLG Oldenburg, VersR 2002, 1166; Geigel/Haag, aaO, Kap. 18 Rdn. 8; Soergel/Zeuner, aaO, § 833 Rdn. 4).
- 8
- c) Unter den Umständen des Streitfalles hat das Berufungsgericht - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - zu Recht das Verhalten der Pferde als unfallursächlich angesehen. Denn zu dem Sturz ist es gekommen , weil sie die Lenkvorgaben des Beklagten nicht befolgt haben. Ob sich der Beklagte mit seiner Fahrweise im Rahmen des ihm nach den Turnierregeln Erlaubten gehalten hat, ist hierfür nicht entscheidend.
- 9
- 2. a) Soweit das Berufungsgericht einen stillschweigend vereinbarten Haftungsausschluss verneint hat, wird dies von den Parteien nicht in Zweifel gezogen und ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
- 10
- b) Jedoch begegnet durchgreifenden Bedenken, dass das Berufungsgericht einen vollständigen Haftungsausschluss unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr angenommen hat.
- 11
- aa) Grundlage eines solchen Haftungsausschlusses ist der Grundsatz von Treu und Glauben und das sich hieraus ergebende Verbot widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium"). Hiernach ist es nicht zulässig , dass der Geschädigte den beklagten Schädiger in Anspruch nimmt, wenn er sich bewusst in eine Situation drohender Eigengefährdung begeben hat. Nur bei derartiger Gefahrexponierung kann von einer bewussten Risikoübernahme mit der Folge eines vollständigen Haftungsausschlusses für den Schädiger ausgegangen werden (BGHZ 34, 355, 363; 39, 156, 161; 63, 140, 144; 154, 316, 322 ff.).
- 12
- bb) Bei der Tierhalterhaftung hat der erkennende Senat eine vollständige Haftungsfreistellung auch des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erwogen, wenn beispielsweise der Geschädigte sich mit der Übernahme des Pferdes oder der Annäherung an ein solches bewusst einer besonderen Gefahr aussetzt, die über die normalerweise mit dem Reiten oder der Nähe zu einem Pferd verbundenen Gefahr hinausgeht. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Tier erkennbar böser Natur ist oder erst zugeritten werden muss oder wenn der Ritt als solcher spezifischen Gefahren unterliegt, wie beispielsweise beim Springen oder bei der Fuchsjagd (vgl. Senatsurteile vom 24. November 1954 - VI ZR 255/53 - VersR 1955, 116; vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - und vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - jeweils aaO und m.w.N.). Davon geht auch das Berufungsgericht zutreffend aus.
- 13
- cc) Zwar wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass der Gesichtspunkt des Handels auf eigene Gefahr erst im Rahmen der Abwägung nach § 254 BGB zu berücksichtigen sei und zu keinem vollständigen Haftungsausschluss als Begrenzung der Tierhalterhaftung führen könne (vgl. Bamberger /Roth/Spindler, aaO, § 833 Rdn. 21; Staudinger/Belling/Eberl-Borges, aaO, § 833 Rdn. 192, 197 ff.; Bornhövd, JR 1978, 50, 51 f.). Nach anderer Ansicht setzt ein Haftungsausschluss voraus, dass der Reiter die Tiergefahr erkannt und wissentlich übernommen hat (MünchKommBGB/Wagner, aaO, § 833 Rdn. 19; für eine teleologische Reduktion Kipp, VersR 2000, 1348, 1349 f.).
- 14
- dd) Demgegenüber hält der erkennende Senat auch nach nochmaliger Überprüfung an seiner bisherigen Auffassung fest. Danach kann der Umstand, dass sich der Geschädigte der Gefahr selbst ausgesetzt hat, regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB Berücksichtigung finden und übrigens auch hier im Ergebnis dazu führen, dass der Verursachungsbeitrag des Tierhalters völlig zurücktritt. Doch sind auch Sachverhalte denkbar, bei denen die Tierhalterhaftung bereits im Anwendungsbereich ausgeschlossen ist, weil deren Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstieße (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1966 - VI ZR 11/65 - aaO und vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - aaO, 865).
- 15
- (1) Mit Fragen des Haftungsausschlusses außerhalb des Bereichs der Haftung des Tierhalters hat sich der Senat insbesondere bei Verletzungen in Ausübung sportlicher Kampfspiele im Bereich der Verschuldenshaftung befasst.
- 16
- (2) Auch hier handelt der Geschädigte selbstwidersprüchlich, wenn er sich Risiken bewusst aussetzt, die über die normale Tiergefahr hinausgehen und er bei Verwirklichung der besonderen Gefahr den Halter aus dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung auf Schadensersatz in Anspruch nimmt (vgl. Senat, Urteil vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - aaO; Urteil vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - aaO; ebenso OLG Frankfurt, VersR 1976, 1138; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2001, 390, 391 mit Nichtannahmebeschluss des Senats vom 10. Oktober 2000 - VI ZR 88/00; Bemmann, VersR 1958, 583, 585; Schmid, JR 1976, 274, 277; Dunz, NJW 1987, 63, 67; zu § 242 BGB als Grundlage des Handelns auf eigene Gefahr Geigel/Hübinger, aaO, Kap. 12 Rdn. 38; vgl. auch Müller, VersR 2005, 1461, 1464; kritisch Staudinger /Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 254 Rdn. 66). Das Bewusstsein der besonderen Gefährdung ist mithin stets Voraussetzung, um ein Handeln des Geschädigten auf eigene Gefahr annehmen zu können. Ob unter diesem Blickpunkt die Haftung des Tierhalters von vornherein entfällt, kann nur nach einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - aaO).
- 17
- c) Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht im Streitfall bei der erforderlichen umfassenden Abwägung wesentliche Umstände nicht berücksichtigt hat.
- 18
- aa) Zwar wertet das Berufungsgericht es im Ausgangspunkt zu Recht als erheblich, dass der Kläger bei einem Turnier mitfuhr, welches aufgrund seines Renncharakters und der erheblichen Anforderungen an "Ross und Reiter" durch das schwierige Hindernis am Ende der Strecke ein stark erhöhtes Gefährdungspotential gegenüber einer sonstigen Kutschfahrt aufwies. Doch hat es die Unterschiede des Streitfalls zu den Fällen vernachlässigt, in denen regelmäßig in der Rechtsprechung des Senats ein Haftungsausschluss wegen der Teilnahme an Wettkämpfen mit erheblichem Gefahrenpotential angenommen worden ist.
- 19
- bb) So war der Kläger nicht aktiv als Wettkämpfer beteiligt, sondern versah das Amt eines Bockrichters ohne eigene Herrschaft über das Gespann. Deshalb fehlt im Streitfall der den Haftungsausschluss rechtfertigende Gesichtspunkt der gegenseitigen Gefährdung durch eine gegeneinander gerichtete oder parallel ausgeübte sportliche Betätigung (vgl. auch OLG Karlsruhe, OLGR Karlsruhe 2005, 9, 11), deretwegen beim Wettkampf im allgemeinen für jeden Teilnehmer die Gefahr besteht, durch eigenes Verhalten sowohl Schädiger als auch Geschädigter zu werden (Senat BGHZ 63, 140, 145). Hingegen ist die Rolle des Klägers als ehrenamtlicher Schiedsrichter und sein Mitwirken am Wettkampf mit der Rolle eines aktiven Wettkämpfers nicht vergleichbar, der sich um des Kampfes und Sieges willen auch selbst gefährdet.
- 20
- cc) Auch hat das Berufungsgericht außer Betracht gelassen, dass der Kläger überwiegend im Fremdinteresse handelte. Nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts schreibt die für den Hindernisparcours einschlägige Leistungsprüfungsordnung der Deutschen reiterlichen Vereinigung (LPO) das Vorhandensein von Schiedsrichtern bei Fahrveranstaltungen vor, so dass derartige Fahrturniere ohne den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer nicht stattfinden könnten. Die Mitfahrt des Klägers als Schiedsrichter auf dem Kutschbock diente deshalb vor allem dem Interesse der Wettkampfteilnehmer , hier also auch des Beklagten. Während der Turnierfahrer selbst an dem Wettkampf vorwiegend in eigenem Interesse, nämlich um des Sieges willen oder aus Freude an der sportlichen Betätigung teilnimmt, handelt der ehrenamtliche Schiedsrichter durch seinen Einsatz in erster Linie fremdnützig und ermöglicht erst die wettkampfmäßige Austragung des Turniers. Ein Wettkampf ohne den Einsatz des Schiedsrichters wäre nicht möglich. Diese Interessenlage der Beteiligten spricht entscheidend gegen einen vollständigen Haftungsausschluss , zumal eine Haftpflichtversicherung besteht (vgl. hierzu Senat BGHZ 39, 156, 161; 154, 316, 322, 325).
- 21
- 4. Die Klage scheitert entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch nicht an einer Haftungsbefreiung des Beklagten nach § 104 Abs. 1 SGB VII, da kein versicherter Arbeitsunfall gemäß den §§ 8, 2 Abs. 2 SGB VII vorliegt. Eine Haftungsprivilegierung käme dem Beklagten nur dann zugute, wenn die Beteiligten im Zeitpunkt der Schädigung selbst Versicherte der gesetzlichen Unfallversicherung gewesen wären (vgl. Senatsurteile BGHZ 148, 209, 212; vom 23. März 2004 - VI ZR 160/03 - VersR 2004, 1045 ff. und vom 24. Juni 2003 - VI ZR 434/01 - VersR 2003, 1260, 1261; BGH, BGHZ 151, 198, 201 f.
- 22
- Im Verhältnis der Parteien zueinander käme ebenfalls nur ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII in Betracht. Hierfür wäre Voraussetzung , dass der Kläger im Verhältnis zum Beklagten als "Wie-Beschäftigter" tätig geworden ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom 23. März 2004 - VI ZR 160/03 - aaO). Dafür fehlen im Streitfall ersichtlich die erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen. Bei Tätigkeiten, die von ihrer Zweckbestimmung her nicht fremdwirtschaftlich geprägt sind, sondern gleichermaßen dem fremden wie dem eigenen Unternehmen dienen sollen, ist in der Regel davon auszugehen, dass sie allein zur Förderung der Interessen des Unternehmens übernommen worden sind, von dem der Beschäftigte damit anfänglich beauftragt worden ist. Erst wenn die Tätigkeit nicht mehr als Wahrnehmung einer Aufgabe des ursprünglichen Unternehmens bewertet werden könnte, stellt sich die Frage nach einer Zuordnung der Tätigkeit zu dem fremden Unternehmen (vgl. Senatsurteil vom 23. März 2004 - VI ZR 160/03 - aaO, 1046 m.w.N.). Die Tätigkeit des Klägers als Schiedsrichter lässt sich danach nicht zugleich wie eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII für den beklagten Wettkampfteilnehmer qualifizieren.
- 23
- Ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis des Klägers zum Beklagten scheidet schon deshalb aus, weil dieser die Aufgabe des Bockrichters in Erfüllung seiner Pflichten als Mitglied des Reit- und Fahrvereins S. wahrgenommen hat. Die Aufgabe des Klägers bestand darin, die Einhaltung der Turnierregeln zu überprüfen und die Leistungen des Beklagten im Rahmen des vom Reit- und Fahrverein R. e.V. veranstalteten Turniers zu beurteilen. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit lag demnach nicht in der Unterstützung des Beklagten bei der Teilnahme an dem Wettkampf, sondern in dessen Bewertung und Überwachung.
III.
- 24
- Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht über eine möglicher- weise gegebene Mitverantwortlichkeit des Klägers im Rahmen des § 254 BGB und die Höhe der geltend gemachten Schäden entscheiden kann.
Vorinstanzen:
LG Ravensburg, Entscheidung vom 26.02.2004 - 2 O 282/03 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 05.08.2004 - 2 U 56/04 -
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
Wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist für den Schaden verantwortlich, den das Tier einem Dritten in der im § 833 bezeichneten Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist für den Schaden verantwortlich, den das Tier einem Dritten in der im § 833 bezeichneten Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Zulassungsgründe liegen nicht vor; die Revision der Beklagten hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
- 2
- 1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt.
- 3
- a) Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache, anders als das Berufungsgericht meint, nicht bereits deshalb zu, weil bislang keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu der Frage vorliegt, ob eine BGB-Gesellschaft gegenüber einem Gesellschafter zur Auskunftserteilung über Namen und Anschriften der Mitgesellschafter verpflichtet ist. Grundsätzlichkeit gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist nur dann gegeben, wenn eine Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und die deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, wobei insbesondere erforderlich ist, dass die betreffende Rechtsfrage in einem gewissen Umfang umstritten ist (st. Rspr. siehe nur BGHZ 154, 288, 291 m.w.Nachw.). Bis auf eine abweichende Entscheidung (OLG Hamburg, Urt. v. 26. Juni 2009 - 11 U 75/09) ist die Rechtsfrage jedoch weder in der Rechtsprechung (siehe nur LG Berlin, NZG 2001, 375 ff.; OLG Frankfurt, Urt. v. 12. Dezember 2002 - 23 U 132/07, juris Tz. 34; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 8. Mai 2009 - 2-21 O 78/08, juris Tz. 43 ff.) noch - soweit sie überhaupt behandelt wird - in der Literatur umstritten (siehe nur Baumbach/Hopt, HGB 33. Aufl. Anh. § 177 a Rdn. 72; Gola/Schomerius, BDSG 9. Aufl. § 28 Rdn. 27 a - zum Verein).
- 4
- b) Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts geboten (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO). Der vorliegende Einzelfall gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. In Rechtsprechung und Literatur sind die Grundlagen des Auskunftsrechts eines Gesellschafters einer BGB-Gesellschaft ausreichend geklärt. Diese Grundsätze sind lediglich auf den vorliegenden Auskunftsanspruch anzuwenden.
- 5
- c) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Zulassung nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Divergenz zur Senatsentscheidung vom 20. Juni 1983 (II ZR 85/82, WM 1983, 910 ff.) geboten. Der Senat hat dort lediglich entschieden, dass einem Kommanditisten in ähnlicher Weise wie bei § 118 HGB und § 716 BGB ein Auskunftsrecht dann zuzubilligen ist, wenn die erforderlichen Angaben nicht aus den Büchern oder Papieren der Gesellschaft ersichtlich sind und sich demgemäß der Berechtigte nicht ohne die Auskunft Klarheit über die Angelegenheit der Gesellschaft verschaffen kann. Zu diesem vom Senat entschiedenen Fall hat das Berufungsgericht ersichtlich keinen abweichenden Obersatz im Sinne einer Divergenz (siehe hierzu BGHZ 154 aaO Seite 292 f.) aufgestellt.
- 6
- 2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
- 7
- Das Berufungsgericht hat der Klägerin zu Recht einen Anspruch gegen die Beklagte auf Auskunft bezüglich der Namen und Anschriften ihrer Mitgesellschafter aus § 716 Abs. 1 BGB zugesprochen.
- 9
- b) Sind - wie hier - die erforderlichen Informationen in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert, kann der Gesellschafter zum Zwecke der Unterrichtung einen Ausdruck über die geforderten Informationen verlangen (MünchKommBGB / Ulmer/Schäfer 5. Aufl. § 716 Rdn. 8).
- 10
- c) § 28 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages steht dem Auskunftsrecht nicht entgegen. Diese Regelung ist unwirksam. Sie hält der - auf den Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft anwendbaren (siehe bereits BGHZ 64, 238, 241 f.) - Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB nicht stand. - Auch - bei einer Publikumsgesellschaft in Form einer BGB-Gesellschaft handelt es sich um ein "Schuldverhältnis", d.h. die jeweiligen Gesellschafter schließen untereinander einen Vertrag, mit dem sie sich zur Verwirklichung und Förderung eines gemeinsamen Zwecks zusammenschließen (§ 705 BGB). Das Recht, seinen Vertragspartner zu kennen, ist in jedem Vertragsverhältnis derart selbstverständlich , dass es nicht wirksam ausgeschlossen werden kann.
- 11
- Hier kommt hinzu, dass § 28 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages u.a. ein wesentliches Gesellschafterrecht, nämlich dasjenige, eine außerordentliche Gesellschafterversammlung einzuberufen, faktisch beseitigt. Die 5 %, die gemäß § 13 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages für eine solche Einberufung erforderlich sind, kann ein Gesellschafter - soweit er nicht ausnahmsweise schon allein diese Schwelle mit seiner Beteiligung überschreitet - nur erlangen, wenn er sich mit anderen Mitgesellschaftern zusammenschließt, was zwingend voraussetzt , dass er deren Namen und Anschriften kennt.
- 12
- Da die Vorschrift des § 28 schon der Inhaltskontrolle des § 242 BGB nicht standhält, braucht nicht entschieden zu werden, ob nicht auch § 716 Abs. 2 BGB dem gesellschaftsvertraglichen Ausschluss des Auskunftsrechts entgegensteht.
- 13
- d) Zu Recht hat das Berufungsgericht den Mitgesellschaftern auch jegliches berechtigte "Geheimhaltungsinteresse" abgesprochen, auf das sich die Beklagte als angebliche Sachwalterin von deren Interessen u.a. zur Begründung ihrer Auskunftsverweigerung berufen hat. Ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse besteht weder allgemein noch unter datenschutzrechtlichen Gründen (siehe zu letzterem Gola/Schomerius aaO; im Übrigen auch MünchKommHGB /Enzinger 2. Aufl. § 118 Rdn. 16). Derjenige, der mit einem anderen einen Vertrag, wie vorliegend den Gesellschaftsvertrag, schließt, hat keinen schützenswerten Anspruch darauf, dies anonym zu tun, worauf es hinausliefe, wenn er seinem Mitgesellschafter Namen und Anschrift verschweigen dürfte. Falls ein Gesellschafter die ihm mitgeteilten Namen der Mitgesellschafter missbräuchlich verwenden sollte, ist er diesen gegenüber aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht ggf. zur Unterlassung und zum Schadensersatz verpflichtet. Eine solche abstrakte Missbrauchsgefahr rechtfertigt es allein nicht, dem einen gegenüber dem anderen Vertragspartner das Recht zuzugestehen, seinen Namen und seine Anschrift zu verheimlichen.
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 21.05.2008 - 163 C 28651/07 -
LG München I, Entscheidung vom 13.11.2008 - 30 S 10664/08 -
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Zulassungsgründe liegen nicht vor; die Revision des Klägers hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
- 2
- 1. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts geboten.
- 3
- a) aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche , klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist (siehe grundlegend hierzu BGHZ 151, 221, 223 f.; 154, 288, 291 ff.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (s. MünchKommZPO/ Wenzel 3. Aufl. § 543 Rdn. 7; Musielak/Ball, ZPO 7. Aufl. § 543 Rdn. 5 a, jew. m.w.Nachw.). Derartige Unklarheiten bestehen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (s. nur BVerfG, NJW-RR 2009, 1026 Tz. 14).
- 4
- bb) Danach hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob Vereinsvorstände analog §§ 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1 GmbHG n.F.), 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. 92 Abs. 3 AktG, 99 Abs. 2 i.V.m. 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG für masseschmälernde Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife des Vereins haften, ist - jedenfalls jetzt - nicht mehr klärungsbedürftig, sondern nach dem geltenden Recht eindeutig zu beantworten.
- 5
- Die vereinzelt in der Literatur (Passarge, ZInsO 2005, 176; ders. NZG 2008, 605; Wischemeyer, DZWIR 2005, 230; ihnen regelmäßig ohne eigene Begründung folgend MünchKommBGB/Reuter 5. Aufl. § 64 Rdn. 17; ebenso Werner, ZEV 2009, 366, 369 f.; Roth/Knof, KTS 2009, 173, 179 f.; Hirte, FS Werner, 222, 228 - letztere alle für Stiftungsvorstände) reklamierte "planwidrige" Regelungslücke in § 42 Abs. 2 BGB besteht de lege lata offensichtlich nicht. Ihr angebliches Vorhandensein war auf der Grundlage des geltenden Rechts vom Gesetzgeber selbst spätestens schon widerlegt worden, als dieser - mit entsprechender Begründung (BT-Drucks. 16/6140 S. 55) - § 42 Abs. 2 BGB unverändert ließ, als § 15 a InsO geschaffen wurde (s. hierzu auch Haas/Goetsch in Beuthin/Gummert, MünchHdB GesR Bd. 5, 3. Aufl. § 60 Rdn. 41); erst Recht ist die These von der "planwidrigen" Regelungslücke unvertretbar geworden, als der Gesetzgeber seine gegenteiligen Vorstellungen durch das "Gesetz zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereins - und Stiftungsvorständen" vom 28. September 2009 (BGBl. I, 3161) zum Ausdruck gebracht hat: Der Gesetzgeber hält die ehrenamtliche Tätigkeit der Bevölkerung für das Gemeinwesen für unabdingbar, er will sie fördern und hat zu diesem Zweck als Reaktion auf die negativen Folgen der Haftungsrisiken ehrenamtlich tätiger Vereinsvorstände für die Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland mit diesem Gesetz Haftungserleichterungen geschaffen mit dem Ziel, die Haftungsrisiken der Vorstände auf ein zumutbares Maß zu begrenzen (BT-Drucks. 16/10120, S. 1, 6; BT-Drucks. 16/13537, S. 1). Auch wenn der durch das genannte Gesetz mit Wirkung ab 3. Oktober 2009 eingefügte § 31 a BGB die hier zugrunde liegende Haftungsproblematik nicht unmittelbar betrifft, so spricht doch der darin zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers eine eindeutige Sprache gegen eine Ausdehnung der Haftung von Vereinsvorständen (ebenso Klasen, BB 2009, 690; Hangebrauck, EWiR 2009, 699; Kunkel, jurisPR-HaGesR 8/2009 Anm. 3). Denn damit stünde die gesetzlich nicht fundierte Haftung für Masseschmälerungen - sie passt ohnehin schwerlich zur Struktur eines Vereins, der anders als GmbH oder Aktiengesellschaft keine Kapitalschutzregeln kennt - in einen unauflösbaren Wertungswiderspruch. Mit Recht wird deswegen de lege lata eine Massesicherungspflicht von Vereinsvorständen und eine Haftung für Masseschmälerungen im Schrifttum abgelehnt (vgl. Koza, DZWIR 2008, 98; Roth, EWiR 2009, 331; Umbeck, GWR 2009, 10; Kunkel aaO; Klasen aaO; Hangebrauck aaO; eine Analogie ebenfalls ablehnend Erman/H.P.Westermann, BGB 12. Aufl. § 42 Rdn. 6; Schwarz/Schöpflin in Bamberger/Roth, BGB-BeckOK § 42 Rdn. 9; Palandt/Ellenberger, BGB 69. Aufl. § 42 Rdn. 4; Haas/Goetsch in Beuthin/Gummert aaO).
- 6
- Diese klarstellende Wertentscheidung des Gesetzgebers konnte das Berufungsgericht bei seiner Zulassungsentscheidung, die vor dem 28. September 2009 ergangen ist, noch nicht berücksichtigen.
- 7
- Ob de lege ferenda eine Haftung für masseschmälernde Zahlungen nach Insolvenzreife, die allenfalls für sog. "großwirtschaftliche Vereine" und Stiftungen ernsthaft diskutiert werden könnte, sinnvoll sein kann, hat der Senat nicht zu entscheiden.
- 8
- b) Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts scheidet schon deswegen aus, weil die Bejahung einer Analogie zu den gesetzlich geregelten, auf ganz andere Verhältnisse zugeschnittenen Fällen auf eine Rechtsfortbildung contra legem hinausliefe.
- 9
- c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt auch der Frage, auf welchen Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung hinsichtlich der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden bei dem Schadensersatzanspruch gemäß § 42 Abs. 2 BGB abzustellen ist, mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung zu: Es entspricht seit BGHZ 29, 100, 102 ff. ständiger Rechtsprechung und der einhelligen Ansicht in der Literatur (s. insoweit nur Baumbach/Hueck, GmbHG 19. Aufl. § 64 Rdn. 132; MünchKommAktG/Spindler, 3. Aufl. § 92 Rdn. 47 jew. m.w.Nachw.), dass der Quotenschaden des Gläubigers danach zu berechnen ist, was er im Vergleich zu der tatsächlich erhaltenen Quote erhalten hätte, wenn der Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt worden wäre.
- 10
- 2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
- 11
- a) Mangels Anspruchsgrundlage kommt, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, eine Haftung der Beklagten für masseschmälernde Zahlungen nicht in Betracht.
- 12
- b) Soweit - was durchaus zweifelhaft erscheint - der Vortrag des Klägers sich überhaupt dahin auslegen lässt, dass er (auch) den Quotenschaden der Gläubiger gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 92 Satz 1 InsO geltend gemacht hat, hat das Berufungsgericht auch diesen Anspruch mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, dass der Kläger einen Quotenschaden in Höhe der Klageforderung schon nicht ansatzweise ordnungsgemäß dargelegt hat (s. dazu nur BGHZ 138, 211, 221).
Löffler Bender
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 17.08.2007 - 310 O 431/06 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 05.02.2009 - 6 U 216/07 -
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Berufungsgericht hat die Revision zu Unrecht zugelassen. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
- 2
- 1. Klärungsbedürftige Grundsatzfragen stellen sich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht.
- 3
- Anders als das Berufungsgericht meint, kommt der Rechtssache nicht schon deshalb grundsätzliche Bedeutung zu, weil der Bundesgerichtshof bisher noch nicht entschieden hat, ob einzelne Mitglieder eines Vereins die Offenbarung von Daten der übrigen Mitglieder nur im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 37 BGB verlangen können oder bei einem berechtigten Interesse auch unabhängig von einem konkreten Minderheitsbegehren. Grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist nur dann gegeben, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist (st.Rspr. vgl. nur BGHZ 151, 221, 223 f.; 154, 288, 291 ff.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist, weil sie vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden ist und in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird oder wenn sie in der Literatur in gewissem Umfang umstritten ist (BGH, Beschl. v. 21. September 2009 - II ZR 264/08, ZIP 2010, 27 Tz. 3; v. 8. Februar 2010 - II ZR 54/09, ZIP 2010, 985 Tz. 3). Derartige Unklarheiten bestehen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (BGH, Beschl. v. 8. Februar 2010 aaO).
- 4
- Dies ist hier nicht der Fall. Nach nahezu einhelliger Meinung in der Literatur steht einem Vereinsmitglied kraft seines Mitgliedschaftsrechts ein Recht auf Einsicht in die Bücher und Urkunden des Vereins zu, wenn und soweit es ein berechtigtes Interesse darlegen kann, dem kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegenstehen (Soergel/Hadding, BGB 13. Aufl. § 38 Rdn. 17; Sauter/Schweyer/ Waldner, Der eingetragene Verein 18. Aufl. Rdn. 336; Burhoff, Vereinsrecht 7. Aufl. Rdn. 143 a; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts 10. Aufl. Rdn. 1380; ders. Vereins- und Verbandsrecht 12. Aufl. Rdn. 1478; Palandt/Ellenberger, BGB 69. Aufl. § 38 Rdn. 1 a; kritisch Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht 9. Aufl. Rdn. 306; a.A. wohl Haas-Scholl, Festschrift Hadding 2004, S. 365, 379 f., nach deren Meinung die Ausübung der Mitwirkungsrechte auf die Mitgliederversammlung beschränkt ist). Zu den Büchern und Urkunden des Vereins zählt auch die Mitgliederliste (so ausdrücklich Burhoff aaO; Sauter/ Schweyer/Waldner aaO; BGH, Beschl. v. 21. September 2009 aaO Tz. 8). Sind die Informationen, die sich das Mitglied durch Einsicht in die Unterlagen des Vereins beschaffen kann, in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert, kann es zum Zwecke der Unterrichtung einen Ausdruck der geforderten Informationen oder auch deren Übermittlung in elektronischer Form verlangen (BGH, Beschl. v. 21. September 2009 aaO Tz. 9; MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer 5. Aufl. § 716 Rdn. 8, jeweils zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts; Schaffland, NJW 1994, 503, 504 zur Genossenschaft).
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- In Übereinstimmung mit der Literatur billigt auch die Rechtsprechung, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, nahezu einstimmig dem einzelnen Vereinsmitglied einen Anspruch auf Einsicht bzw. Herausgabe der Mitgliederliste jedenfalls dann zu, wenn es ein berechtigtes Interesse geltend machen kann (OLG Saarbrücken, NZG 2008, 677 f.; OLG München, Urt. v. 15. November 1990 - 19 U 3483/90 juris Tz. 6 ff.; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 18. Februar 1991 - 1 BvR 185/91 juris Tz. 3; a.A. AG Bremen, Urt. v. 28. November 2005 - 1 C 61/05 juris Tz. 12 f., 16). Aus der von der Revision angeführten Entscheidung des LG Frankfurt (NZG 2009, 986 Tz. 53 ff.) ergibt sich ebenso wenig Gegenteiliges wie aus dem vom Berufungsgericht erwähnten Urteil des Kammergerichts (NZG 2005, 83). Abgesehen davon, dass beide Entscheidungen keinen Verein, sondern eine Publikums-KG betreffen, hat das Kammergericht in der letztgenannten Entscheidung einen - im Verfahren der einstweiligen Verfügung - geltend gemachten Anspruch auf Herausgabe der Gesellschafterliste lediglich deshalb verneint, weil kein Verfügungsgrund gegeben sei. Schließlich lässt sich auch der von der Revision angeführten Entschei- dung des Senats (BGHZ 152, 339) nichts Abweichendes entnehmen. Der Senat hat dort ausgesprochen, dass den Vereinsmitgliedern in der Mitgliederversammlung ein Auskunftsrecht über alle wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des Vereins zusteht. Damit ist über ein Einsichtsrecht der Vereinsmitglieder in die Unterlagen des Vereins außerhalb der Mitgliederversammlung nichts gesagt.
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- Unter welchen Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse des einzelnen Vereinsmitglieds anzunehmen ist, Kenntnis von Namen und Anschriften der anderen Vereinsmitglieder zu erhalten, ist keiner abstrakt generellen Klärung zugänglich, sondern aufgrund der konkreten Umstände des einzelnen Falles zu beurteilen. Ein solches Interesse ist jedenfalls gegeben, wenn es darum geht, das nach der Satzung oder nach § 37 BGB erforderliche Stimmenquorum zu erreichen, um von dem in dieser Vorschrift geregelten Minderheitenrecht, die Einberufung einer Mitgliederversammlung zu verlangen, Gebrauch zu machen. Es kann jedoch selbstverständlich auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 37 BGB zu bejahen sein, wenn aufgrund der Umstände des konkreten Falles die in der Mitgliederliste enthaltenen Informationen ausnahmsweise erforderlich sind, um das sich aus der Mitgliedschaft ergebende Recht auf Mitwirkung an der vereinsrechtlichen Willensbildung wirkungsvoll ausüben zu können (OLG Saarbrücken aaO; OLG München, Urt. v. 15. November 1990 - 19 U 3483/90 juris Tz. 7).
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- 2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
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- Das Berufungsgericht hat den Klägern ohne Rechtsfehler einen Anspruch auf Herausgabe der Mitgliederliste in Form einer elektronischen Datei an einen Treuhänder zuerkannt.
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- a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass den Klägern als Mitgliedern des Beklagten ein Anspruch auf Herausgabe der Mitgliederliste zusteht, wenn sie ein berechtigtes Interesse daran haben. Zu Unrecht beruft sich die Revision für ihre gegenteilige Ansicht auf den angeblichen Willen des Gesetzgebers bei der Reform des § 31 GenG durch das Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung registerrechtlicher und anderer Verfahren (Registerverfahrensbeschleunigungs -Gesetz v. 24. Dezember 1993, BGBl. I S. 2182), wonach ein Genosse zwar Einsicht in das Genossenschaftsregister, eine Abschrift jedoch nur für die seine Person betreffenden Daten verlangen kann. Aus der Gesetzesbegründung zu § 31 GenG (BT-Drucks. 360/93 S. 336) ergibt sich das Gegenteil. Denn dort wird gerade klargestellt, dass das Recht der Genossenschaftsmitglieder unberührt bleibt, jedenfalls dann eine Abschrift der gesamten Adressen zu erhalten, wenn ein rechtfertigender Anlass dazu besteht (vgl. Schaffland, NJW 1994, 503 f.).
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- Ebenso wenig verhilft der Revision der Hinweis auf § 67 Abs. 6 AktG zum Erfolg, der das Auskunftsrecht des Namensaktionärs über die im Aktienregister eingetragenen Daten - in Abänderung von § 67 Abs. 5 AktG a.F., der ein allgemeines Einsichtsrecht des Aktionärs in das Aktienbuch statuierte - auf seine eigenen Daten beschränkt. Hierbei handelt es sich um eine Besonderheit des Aktienrechts, die auf das Vereinsrecht nicht übertragbar ist.
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- Ferner lässt sich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in § 31 GenG und § 67 Abs. 5 AktG a.F., ebenso auch in § 51 a GmbHG, das Einsichtsrecht - anders als beim Verein - positiv geregelt hat(te), nichts herleiten. Hierbei handelt es sich um historisch bedingte Zufälligkeiten, die nicht die Annahme rechtfertigen können, das Fehlen entsprechender Regelungen sei Ausdruck eines anders lautenden gesetzgeberischen Willens.
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- b) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler ein - in ihrem Mitgliedschaftsrecht begründetes - rechtliches Interesse der Kläger an der Überlassung der Mitgliederliste an einen Treuhänder bejaht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bietet die Mitgliederversammlung des Beklagten, an der nur ein verschwindend kleiner Teil der mehr als 50.000 Mitglieder teilnimmt, den Klägern kein ausreichendes Forum, um aus Anlass einer - aus ihrer Sicht vom neuen Vorstand vollzogenen - Richtungsänderung des Beklagten einen maßgeblichen Teil der anderen Vereinsmitglieder zu dem Zweck zu erreichen, diesen ihre hiergegen gerichteten Bedenken zur Kenntnis bringen und gegebenenfalls eine Opposition gegen die eingeschlagene Richtung organisieren zu können.
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- Entgegen der Auffassung der Revision müssen sich die Kläger nicht darauf verweisen lassen, mit anderen Mitgliedern über das vom Beklagten eingerichtete Internetforum oder die Mitgliederzeitung in Kontakt zu treten oder ihr Anliegen durch Beteiligung an dem Mitgliederbeirat zu verfolgen. Vielmehr hat das Berufungsgericht fehlerfrei entschieden, dass es unter den hier gegebenen Umständen den Klägern überlassen bleiben muss, auf welchem Weg und an welche Mitglieder sie herantreten wollen, um - aus ihrer Sicht - Erfolg versprechend auf die vereinsrechtliche Willensbildung Einfluss nehmen zu können (vgl. OLG München, Urt. v. 15. November 1990 - 19 U 3483/90 juris Tz. 7).
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- c) Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Beklagten und seinen Mitgliedern berechtigte, dem Anspruch der Kläger auf Herausgabe der Mitgliederliste an einen Treuhänder entgegenstehende Interessen abgesprochen, auf die der Beklagte - auch als angeblicher Sachwalter der Interessen seiner Mitglieder - seine Weigerung gestützt hatte, dem Verlangen der Kläger nachzukommen. Solche schützenswerte Belange sind hier schon deshalb nicht ersichtlich, weil das Berufungsgericht antragsgemäß den Beklagten lediglich zur Herausgabe der Mitgliederliste an einen Treuhänder verurteilt hat, die Kläger selbst somit keinen Einblick in die Liste erhalten und zudem der Treuhänder einen etwaigen Widerspruch einzelner Mitglieder gegen die Weiterleitung der von den Klägern verfassten Schreiben zu beachten hat. Ein weitergehendes schützenswertes Geheimhaltungsinteresse des Beklagten oder seiner Mitglieder ist weder allgemein noch unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten anzuerkennen (BVerfG, Beschl. v. 18. Februar 1991 - 1 BvR 185/91 juris Tz. 3; Gola/ Schomerus, BDSG 9. Aufl. § 28 Rdn. 27 a). Die Vereinsmitglieder sind mit ihrem Beitritt zum Beklagten, der einen bestimmten Zweck verfolgt - insoweit vergleichbar mit dem Beitritt zu einer Publikumspersonengesellschaft (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 21. September 2009 aaO) - in eine gewollte Rechtsgemeinschaft zu den anderen, ihnen weitgehend unbekannten Mitgliedern des Beklagten getreten, zu denen auch die Kläger zählen (Reichert, Handbuch des Vereins - und Verbandsrechts aaO Rdn. 657; OLG Saarbrücken aaO; vgl. auch BayVGH, Urt. v. 5. Oktober 1998 - 21 ZE 98.2707 juris Tz. 13). Sie haben es deshalb jedenfalls hinzunehmen, dass die Kläger in berechtigter Verfolgung vereinspolitischer Ziele mittelbar über einen Treuhänder an sie herantreten, wenn sie nicht von dem ihnen eingeräumten Widerspruchsrecht Gebrauch machen (vgl. OLG München, Urt. v. 15. November 1990 aaO Tz. 6; BVerfG, Beschl. v. 18. Februar 1991 - 1 BvR 185/91 aaO Tz. 3). Dies ist ihnen, anders als die Revision meint, ohne weiteres zuzumuten, wenn sie ungeachtet der zu den Klägern bestehenden Rechtsgemeinschaft eine solche Kontaktaufnahme ablehnen.
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss vom 25. Oktober 2010 erledigt worden.
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 03.01.2008 - 319 O 135/07 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 27.08.2009 - 6 U 38/08 -