Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 21. Jan. 2016 - 32 SA 69/15
Tenor
Sachlich zuständig ist das Amtsgericht Hagen.
1
Gründe:
2I.
3Das Verfahren liegt dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.
4Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage Folgendes vor:
5Er habe bei einem Verkehrsunfall auf dem Weg zur Arbeit, für den ihm die Beklagten – der Beklagte zu 1) als Halter, die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer - dem Grunde nach (unstreitig) schadensersatzpflichtig sind, am 20.02.2013 eine Thoraxprellung und eine Sternum(Brustbein-)fraktur erlitten. Er sei wegen dieser Verletzungen stationär vom 20.02. bis 23.02.2013 und ambulant weiter bis zum 12.07.2013 behandelt worden und insgesamt 5 Monate erwerbsunfähig gewesen. Es bestehe seitdem eine Minderung der Erwerbstätigkeit von 10%, die auch dauerhaft verbleibe. Er leide heute noch verletzungsbedingt – jeweils bei Belastung – unter Schmerzen in der Brust und im Rücken, könne keine Lasten über 20 kg alleine tragen und nicht mehr über dem Kopf arbeiten.
6Der Verkehrsunfall ist durch die zuständige Berufsgenossenschaft als Wegeunfall anerkannt worden.
7Der Kläger hat mit der vor dem Amtsgericht Hagen erhobenen Klage zunächst ein angemessenes Schmerzensgeld von nicht unter 2.000 € (6.000 € abzüglich gezahlter 4.000 €) verlangt.
8Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Amtsgericht Hagen darauf hingewiesen, dass „die Anpassung des Klageantrags an das gesamte Vorbringen gegebenenfalls angezeigt wäre“. Unter Bezugnahme auf die mündliche Verhandlung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 01.07.2015 die Klage um den Antrag erweitert, festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weiteren immateriellen und materiellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 20.02.2013 zu ersetzen, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist.
9Zur Begründung hat er ausgeführt, er leide nach wie vor unter den gesundheitlichen Folgen und eine dauernde Minderung der Erwerbsfähigkeit sei nicht auszuschließen. Ferner heißt es: „Insoweit das Gericht davon ausgeht, dass der Feststellungsantrag mit einem Streitwert über 3.000 € zu bewerten ist, regen wir die Verweisung an das Landgericht an.“
10Das Amtsgericht Hagen hat durch Beschluss vom 06.07.2015 den Streitwert für den Rechtsstreit auf 5.500 € (2.500 plus 3.000 €) festgesetzt.
11Mit Schriftsatz vom selben Tag hat der Klägervertreter „im Hinblick darauf, dass das Gericht den Feststellungsantrag mit über 3.000 € bewertet“, einen Antrag auf Verweisung an das Landgericht gestellt. Mit Schriftsatz vom 24.07.2015 haben die Beklagten ihr Einverständnis mit der beantragten Verweisung erklärt.
12Das Amtsgericht Hagen hat sich durch Beschluss vom 28.07.2015 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Hagen verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: „Im vermuteten Einverständnis des Beklagten erfolgt die Verweisung im schriftlichen Verfahren (§§ 281, 3, 5 ZPO) (Klageerweiterung; Streitwertbeschluss vom 06.07.2015; die Erweiterung vom 29.07.2015 stellt keine rügelose Einlassung dar).“
13Das Landgericht Hagen hat den Parteien mit Schreiben vom 10.08.2015 die Absicht mitgeteilt, die Übernahme des Verfahrens abzulehnen und den Streitwert auf bis zu 5.000 € festzusetzen. Der Kläger hat dazu dahin Stellung genommen, der Verweisungsantrag sei auf Hinweis des Amtsgerichts, dass die Zuständigkeit durch die Bewertung des Feststellungsantrags nicht gegeben sein dürfte, erfolgt. Er könne einer abweichenden Festsetzung nicht entgegentreten.
14Das Landgericht Hagen hat mit Beschluss vom 31.08.2015 die Übernahme der Sache abgelehnt und an das Amtsgericht zurückverwiesen und gleichzeitig den Streitwert für das Verfahren auf 5.000 € festgesetzt.
15Das Amtsgericht selbst sei bis zum Erlass des Streitwertbeschlusses davon ausgegangen, dass der Antrag auf Schmerzensgeld wie durch den Kläger beziffert mit 2.000 € zu bewerten sei. Nach diesem Betrag sei der Vorschuss angefordert worden. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Erhöhung des Schmerzensgeldbetrages im Streitwertbeschluss aus anderen Gründen vorgenommen worden sei als aus dem Grund, die Voraussetzungen einer Verweisung herbeizuführen. Der Feststellungsantrag sei durch den Kläger zutreffend mit 3.000 € bewertet worden. Es sei nicht zu erkennen, warum der Feststellungsantrag einen Betrag in Höhe von 3.500 € rechtfertigen könnte. Üblicherweise liege der Streitwert eines Feststellungsantrages unterhalb des begehrten Schmerzensgelds.
16Das Amtsgericht Hagen hat durch Beschluss 07.09.2015 seinen Streitwertbeschluss vom 06.07.2015 wegen offensichtlicher Schreibfehler berichtigt und das Verfahren dem Landgericht Hagen zurückgesandt. Der Streitwert des Feststellungsantrags belaufe sich nach dem Klägerschriftsatz vom 01.07.2015 auf 3.500 €, da „über 3.000 €“ für den Wert des Feststellungsantrags verlangt würden. Auch die Bewertung des Schmerzensgelds mit 2.500 € sei nicht willkürlich.
17Das Landgericht Hagen hat durch Beschluss vom 07.10.2015 die Übernahme der Sache nach Anhörung der Parteien wiederum abgelehnt und die Sache erneut an das Amtsgericht Hagen gesandt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 21.10.2015 angemerkt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass zukünftig ein materieller oder immaterieller Schaden entstehe, der einen Wert von 3.500 € erreiche oder überschreite. Dem hat die Beklagte sich angeschlossen.
18Mit Verfügung vom 19.11.2015 hat das Amtsgericht Hagen die Sache dem Senat zur Entscheidung nach § 36 ZPO vorgelegt.
19Das Schmerzensgeld sei mit 2.000 € zu bemessen. Das Feststellungsinteresse des Klägers liege auch bei Abschlag für bloße Feststellungen angesichts der zu erwartenden Nachbehandlungen und der dabei entstehenden Aufwendungen und schmerzensgeldauslösenden Umstände bei mindestens 3.500 €.
20II.
21Die Voraussetzungen einer Bestimmung des Gerichtsstands gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
1.
22Das Amtsgericht Hagen und das Landgericht Hagen haben sich beide im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO „rechtskräftig“ für örtlich unzuständig erklärt.
23Das Amtsgericht Hagen hat durch den grundsätzlich gem. § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO unanfechtbaren Beschluss vom 06.07.2015 verwiesen. Das Landgericht Hagen hat durch - den Parteien bekannt gemachte - Beschlüsse vom 31.08.2015 und 07.10.2015 die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Das genügt nach ständiger Rechtsprechung den Anforderungen, die an rechtskräftige Unzuständigerklärungen im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 10.12.1987 - I ARZ 809/87, juris; BGH, Beschluss vom 10.09.2002 - X ARZ 217/02, juris Rn. 6; Senat, Beschluss vom 25.07.2013, 32 SA 46/13, juris Rn. 9).
2.
24Das Oberlandesgericht Hamm ist gem. § 36 Abs. 1 ZPO als das nächsthöhere Gericht über diesen Gerichten zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit berufen.
3.
25Das Amtsgericht Hagen ist gem. den §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständig. Anderes folgt auch nicht aus dem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts, da diesem die Bindungswirkung fehlt.
a)
26Den Amtsgerichten ist gem. § 23 Nr. 1 GVG die Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten mit einem Streitgegenstandswert von nicht mehr als 5.000 € zugewiesen. Die Bestimmung der Streitwerthöhe erfolgt gem. § 2 ZPO nach den §§ 3ff. ZPO.
27Der Streitwert des vorliegenden Verfahrens liegt danach nicht höher als 5.000 €. Abzustellen ist nach der Klageerhöhung wegen § 506 Abs. 1 ZPO auf den Wert der erweiterten Klage (vgl. Wöstmann in: MüKoZPO, 4. Auflage 2013, § 5 ZPO Rn. 5, beck-online).
aa)
28Der nach § 3 ZPO zu bestimmende Streitwert des Antrags auf weiteres Schmerzensgeld ist mit 2.000 € zu bemessen.
29Diesen Betrag hat der Kläger als (Mindest-)vorstellung und als seiner Ansicht nach zugrunde zu legenden Streitwert in der Klageschrift angegeben. Ihn haben die Parteien und auch die beteiligten Gerichte – mit Ausnahme des Amtsgerichts Hagen in dem Streitwertbeschluss vom 06.07.2015 – auch durchgehend zugrunde gelegt. Zwar ist diese Vorstellung des Klägers nicht bindend. Nach oben ist das Gericht streitwertmäßig nicht an die Angaben des Klägers gebunden, da sich der Streitwert am angemessenen Schmerzensgeld auszurichten hat (BGH, Urteil vom 30.04.1996 - Aktenzeichen VI ZR 55/95, BeckRS 1996, 04031, beck-online).
30Ein Schmerzensgeld von insgesamt 6.000 € für die dargestellten Verletzungen und ihre Folgen steht durchaus im Einklang mit - jedenfalls nicht unter der üblichen Bewertung - vergleichbarer Verletzungen (vgl. z.B. die Beispiele unter „Brustbeinfraktur“ und „Brustkorbtrauma (Thoraxverletzungen)“ in Andreas Slizyk, Beck'sche Schmerzensgeld-Tabelle, IMMDAT Stand 17. November 2015, beck-online).
31Ein höherer Streitwert erscheint auch dann nicht gerechtfertigt, wenn die in der Zukunft liegenden, nach dem Vorbringen des Klägers dauerhaft fortbestehenden, Schmerzen und die daraus folgenden immateriellen Beeinträchtigungen (Schmerzen in der Brust und im Rücken, die beim Tragen erheblicher Gewichte und dem Arbeiten über Kopf auftreten und dies erschweren oder unmöglich machen, sowie - von Zeit zu Zeit - in einem Druck auf der Brust, der das Atmen nur unter Schmerzen zulasse) berücksichtigt werden. Zukünftige Beschwerden hat der Kläger auch schon in der Klageschrift behauptet und damit ersichtlich der Bemessung des für angemessen erachteten Schmerzensgeld zugrunde gelegt.
bb)
32Der Feststellungsantrag ist nicht höher als mit maximal 1.600 € zu bewerten.
33Der Wert des Feststellungsantrags ist nach § 3 ZPO zu bestimmen. Maßgeblich ist danach grundsätzlich das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der beantragten Feststellung (vgl. Wöstmann in: MüKoZPO, a.a.O., § 3 ZPO Rn. 10, beck-online). Bei einem Antrag auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz künftigen Schadens bemisst sich das konkrete wirtschaftliche Interesse der Partei nicht allein nach der Höhe des drohenden Schadens, sondern auch danach, wie hoch oder wie gering das Risiko eines Schadenseintrittes und einer tatsächlichen Inanspruchnahme durch den Feststellungskläger ist (BGH, Beschluss vom 28.11.1990 - VIII ZB 27/90, NJW-RR 1991, 509, beck-online; BGH, Beschluss vom 22.01.2009 - IX ZR 235/08, NJW 2009, 920, 921, beck-online; OLG München, Beschluss vom 05.01.2009 - 1 W 2818/08, BeckRS 2009, 01934, beck-online).
(1)
34Der Kläger selbst hat bis zum Erlass des Verweisungsbeschlusses durch das Amtsgericht zum Wert des Feststellungsantrags nicht Stellung genommen und erst mit Schriftsatz vom 21.10.2015 erklärt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein materieller oder immaterieller Schaden 3.500 € erreiche oder übersteige. Demgegenüber hat er noch mit Schriftsatz vom 20.08.2015 erklärt, einer beabsichtigten Festsetzung des Streitwerts auf unter 3.500 € könne nicht entgegengetreten werden. Vor diesem Hintergrund kommt den bloßen Bezifferungen, die von einer inhaltlichen Begründung – insbesondere einer Darlegungen möglicher weiterer Schäden - nicht begleitet werden, nur ein geringes Gewicht zu.
(2)
35Bei Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses ist, soweit der Feststellungsantrag sich auf materielle Schäden bezieht, zu berücksichtigen, dass der Kläger keine Behandlungen nach dem Jahr 2013 vorgetragen hat und sich damit seit nunmehr 2 Jahren nicht mehr in Behandlung befindet. Dass eine Behandlung bei den lediglich beklagten belastungsabhängigen Schmerzen beim Tragen schwerer Lasten und beim Arbeiten über Kopf erneut erforderlich wird, ist auf der Grundlage des Klägervortrags gering wahrscheinlich. Auch hohe Kosten sind durch eine dennoch etwa notwendige Behandlung nicht zu erwarten. Unstreitig ist für den Unfall im Übrigen auch die die Berufsgenossenschaft eintrittspflichtig, auf die die Ansprüche des Klägers insoweit gem. § 116 SGB X übergegangen sind. Erhebliche materielle Folgen sind – auch im Hinblick auf eine behauptete Minderung der Erwerbstätigkeit –damit nicht zu erwarten. Weitere Möglichkeiten zukünftiger materieller Schäden zeigt der Kläger nicht auf und hat auch das Amtsgericht nicht zugrunde gelegt.
(3)
36Soweit der Feststellungsantrag sich auf immaterielle Schäden bezieht, ist zu berücksichtigen, dass neben den beklagten Schmerzen und den bereits eingetretenen weiteren immateriellen Beeinträchtigungen auch die für die Zukunft vorhersehbaren Schmerzen in die Bemessung des verlangten Schmerzensgeld einbezogen, von dem Betrag von 2.000 € - auch nach der Darstellung des Klägers in der Klageschrift und den späteren Schriftsätzen - gedeckt sind und daher in die Bestimmung des Werts des Feststellungsantrags nicht einzustellen sind (vgl. Rohn in: Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, I. Streitwerte im gerichtlichen Verfahren im Allgemeinen, 6. Auflage 2013, Rn. 69, beck-online).
37(4)
38Bei der positiven Feststellungsklage ist darüber hinaus in der Regel ein Abschlag von 20 % gegenüber einer entsprechenden Leistungsklage vorzunehmen, weil der Kläger mit einem Feststellungsurteil einen Titel erlangt, der nicht so weittragende Wirkungen wie ein entsprechendes Leistungsurteil hat. Das gilt grundsätzlich auch, wenn – wie hier – der Kläger bei einem stattgebendem Urteil davon ausgehen kann, dass der Beklagte leistet (Wendtland in BeckOK ZPO, 18. Edition Stand 01.09.2015, § 3 ZPO Rn. 19, beck-online; Wöstmann in: MüKoZPO, a.a.O., § 3 ZPO Rn. 72, beck-online; Heinrich in: Musielak, ZPO 12. Auflage 2015, § 3 ZPO Rn. 27 „Feststellungsklagen“, beck-online).
39Unter Berücksichtigung aller Umstände ist nach Auffassung des Senats eine höherer Wert als 1.600 € für den Feststellungsantrag schlechterdings nicht mehr vertretbar.
cc)
40Nach der Addition der Werte beider Anträge gem. § 5 ZPO ergibt sich ein über 5.000 € hinausgehender Streitwert nicht.
b)
41Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Hagen folgt auch nicht aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses.
aa)
42Grundsätzlich ist ein Verweisungsbeschluss durch ein Amtsgericht nach Klageerhöhung gem. § 506 Abs. 1 ZPO i.V.m § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend, da - im Einklang mit der in § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO normierten Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen - im Interesse der Prozessökonomie das Verfahren verzögernde und verteuernde Zuständigkeitsstreitigkeiten vermieden werden sollen.
43Eine Bindung an den Verweisungsbeschluss ist nur ausnahmsweise zu verneinen, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss.
44Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist (st. Rspr., z.B. BGH, Beschluss vom 09.06.2015 – X ARZ 115/15, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 17.05.2011 − X ARZ 109/11, juris Rn. 12; Senat, Beschluss vom 29.07.2011 – 32 SA 57/11, juris Rn. 19). Willkür liegt nur vor, wenn der Verweisungsbeschluss einen über einen einfachen Rechtsfehler hinausgehenden, schwerwiegenden Fehler aufweist, der unter Umständen begangen wurde, die den Verweisungsbeschluss in der Gesamtbetrachtung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und offensichtlich unhaltbar erscheinen lassen (BGH, Beschluss vom 09.06.2015 – X ARZ 115/15, juris Rn. 11f. m.w.N.).
45Ein Verweisungsbeschluss kann als nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar und damit als willkürlich zu beurteilen sein, wenn das verweisende Gericht eine seine Zuständigkeit begründende Norm nicht zur Kenntnis genommen oder sich ohne weiteres darüber hinweggesetzt hat (BGH, Beschluss vom 17.05.2011 − X ARZ 109/11, juris Rn. 12; BGH, Beschluss vom 10.09.2002 – X ARZ 217/02 –, juris Rn. 14ff.). Ein solcher Ausnahmefall ist insbesondere dann gegeben, wenn ein Gericht den Sachverhalt oder den Zuständigkeitsstreitwert evident falsch erfasst (Senat, Beschluss vom 24.07.2012 - 32 SA 62/12, NRWE, Rn. 26 m.w.N.; Greger in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 281 ZPO Rn. 17 m.w.N.).
bb)
46Dies zugrunde gelegt, ist der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hagen nicht bindend.
47Wird die Zuständigkeit - wie vorliegend - aus dem Streitwert der Sache abgeleitet, so setzt die Bindungswirkung der Verweisung voraus, dass die Streitwertfestsetzung nach Lage der Akten aus dem Begehren der klagenden Partei selbst ohne weiteres nachvollziehbar oder jedenfalls durch das Gericht begründet worden ist (Senat, Beschluss vom 16.10.2015, 32 SA 49/15, NRWE, Rn. 33; OLG Hamm, Beschluss vom 11.3.2005 - 1 Sbd 13/05, MMR 2005, 378, beck-online).
48Die Beurteilung des Streitwerts durch das Amtsgericht Hagen weicht von dem unter 2. dargestellten Wert so erheblich ab, dass sie für sich schlechthin unverständlich ist. Sie ist bis zum Erlass des fraglichen Verweisungsbeschlusses auch weder nachvollziehbar begründet worden noch findet sie eine Erklärung in den Umständen, so dass nur von einem einfachen Denkfehler des Gerichts auszugehen wäre.
(1)
49Der Streitwertbeschluss ist wie auch der Verweisungsbeschluss ohne inhaltliche Begründung zur Höhe des festgesetzten Streitwerts ergangen. Ohne Anlass aus dem Parteivortrag und ohne vorherige Anhörung der Parteien - hat das Amtsgericht nach einer mündlichen Verhandlung, in der das Gericht selbst die „Anpassung des Klageantrags an das gesamte Vorbringen“ angeregt hatte, einen erhöhten Streitwert für den Schmerzensgeldantrag und einen (grob) überhöhten Streitwert für den Feststellungsantrag festgesetzt. Auf das konkrete wirtschaftliche Interesse des Klägers nach den von diesem geschilderten Verletzungen und deren Folgen sowie der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Schäden ist das Amtsgericht in keiner Weise eingegangen.
(2)
50Dabei kann dahinstehen, welche Bedeutung der „Berichtigung“ des Streitwertbeschlusses zukommen soll. Denn auch die Begründung des „Berichtigungs“beschlusses ist fehlerhaft. Entgegen den dortigen Ausführungen hat der Kläger gerade keinen Streitwert von über 3.000 € für den Feststellungsantrag angegeben. Er hat mit der Klageerweiterung lediglich (möglicherweise vor dem Hintergrund von Erörterungen im Termin) für den Fall, dass das Gericht von einem höheren Streitwert als 3.000 € ausgehe, Verweisung angeregt. Inhaltliche Ausführungen zur Höhe des Werts, die den vom Amtsgericht angesetzten Wert auch nur ansatzweise rechtfertigen könnten, hat er nicht gemacht. Der Wortlaut des Schriftsatzes des Klägers ist eindeutig und bezieht sich lediglich auf eine mögliche Bewertung des Gerichts. Er lässt gerade nicht erkennen, dass der Kläger eine entsprechende Einschätzung teilen würde. Das hat der Kläger denn auch nach der Verweisung an das Landgericht erklärt. Das spätere Vorbringen des Klägers, Schäden könnten 3.500 € erreichen oder übersteigen, ist schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil es eine dem Verweisungsbeschluss fehlende Bindungswirkung nicht nachträglich herstellen kann. Auch enthält die dann geänderte Einschätzung des Klägers – wie oben bereits dargelegt – keine nachvollziehbare Begründung. Es liegt nahe, dass der Kläger diese Erklärung nach mehrfachem Hin- und Hersenden der Akte schlicht zur Beendigung des Streits zwischen Amts- und Landgericht abgegeben hat.
(3)
51Auch der Umstand, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 06.07.2015 einen Verweisungsantrag gestellt hat, schließt Willkür vorliegend nicht aus. Wenn das Gericht durch die Verweisung des Rechtsstreits einem übereinstimmenden Verlangen beider Parteien entspricht, kann dies zwar in manchen Fällen geeignet sein, einen rechtsfehlerhaft zustande gekommenen Verweisungsbeschluss nicht willkürlich erscheinen zu lassen. Das gilt aber nicht, wenn ein unzweifelhaft zuständiges Gericht die Parteien, die sich bislang zur Frage einer Verweisung noch nicht geäußert haben, von sich aus auf die angeblich bestehende Möglichkeit einer Verweisung hinweist (BGH, Beschluss vom 10. September 2002 – X ARZ 217/02 –, juris Rn. 17). Der Kläger hat den Verweisungsantrag in seinem Schriftsatz vom 06.07.2015 ausdrücklich im Hinblick auf die Bewertung des Streitwerts durch das Amtsgericht Hagen gestellt. Der Antrag war aus anwaltlicher Sicht auch durchaus geboten, um der Gefahr einer Klageabweisung als unzulässig zu begegnen. Der Antrag nimmt der Verweisung daher die Einordnung als willkürlich nicht.
(4)
52Entsprechend kommt dem Einverständnis der Beklagten mit der Verweisung, das auf den bereits - ohne Anhörung - vorgenommenen Streitwertbeschluss des Amtsgerichts erfolgte, eine die Annahme eines groben Fehlers ausschließende Wirkung - auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagten gem. § 506 Abs. 1 ZPO einen Verweisungsantrag hätten stellen können -, nicht zu.
53Nach alledem ist das Amtsgericht Hagen in Ermangelung einer bindenden Verweisung sachlich zuständig.
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(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.
(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.
(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.
(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.
(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I. Auf Antrag der Klägerin hat das Amtsgericht H. gegen die Beklagte einen Mahnbescheid wegen angeblicher Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich im Bezirk des Amtsgerichts W. ereignet hat, erlassen. Nach Widerspruchserhebung durch die Beklagte ist der Rechtsstreit am 18. Februar 2002 an das Amtsgericht S. abgegeben worden. Die Klägerin hat im Mahnantrag dieses Gericht, in dessen Bezirk die Beklagte ihren Sitz hat, als für ein streitiges Verfahren zuständig bezeichnet.
Das Amtsgericht S. hat am 27. Februar 2002 ein Schreiben an die Klägerin mit folgendem Zusatz verfügt: "Sofern sich der Unfall nicht im Bereich der Zuständigkeit des Amtsgerichts S. ereignet hat und Verweisung an das Gericht des Unfallorts beantragt wird, möge erklärt werden, ob die Verweisung im schriftlichen Verfahren erfolgen kann." Daraufhin hat die Klägerin die
Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht W. beantragt. Sie hat sich dabei auf einen gleichlautenden, mit Telefax vom 25. Februar 2002 beim Amtsgericht H. eingereichten Antrag bezogen. Auf Befragen hat die Beklagte kei- ne Einwände gegen eine Verweisung im schriftlichen Verfahren erhoben. Daraufhin hat sich das Amtsgericht S. mit Beschluß vom 27. März 2002 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht W. verwiesen. Dieses hat die Übernahme mit Beschluß vom 22. April 2002 abgelehnt.
Das Oberlandesgericht S. , dem das Amtsgericht S. die Sache gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung vorgelegt hat, hält den Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts S. für bindend und somit die Zuständigkeit des Amtsgerichts W. für gegeben. Dem stehe die Angabe im Mahnbescheid, das streitige Verfahren solle vor dem Amtsgericht S. durchgeführt werden, nicht entgegen. Zwar sei gemäß § 696 Abs. 1 Satz 1, § 700 Abs. 3 Satz 1 ZPO eine Korrektur der im Mahnantrag getroffenen Zuständigkeitswahl nur durch übereinstimmendes, bereits vor der Abgabe an das Empfangsgericht erklärtes Verlangen der Parteien möglich. Der Verweisungsbeschluß entbehre jedoch auch im vorliegenden Fall, in dem die übereinstimmenden Erklärungen erst nach der Abgabe erfolgten, nicht jeder rechtlichen Grundlage und sei daher nicht willkürlich.
Weil sich das Oberlandesgericht hierbei in Widerspruch zu einer Rechtsauffassung sieht, die in Entscheidungen des Oberlandesgerichts Schleswig (MDR 2001, 50) und des Bayerischen Obersten Landesgerichts (MDR 1994, 94) vertreten wird, hat es die Sache gemäß § 36 Abs. 3 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II. Auf Grund der zulässigen Divergenzvorlage ist das Amtsgericht S. als zuständiges Gericht zu bestimmen.
1. Die in § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO genannten Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung liegen vor. Das Amtsgericht S. , in dessen Bezirk die Beklagte ihren Sitz hat und das deshalb - wegen Fehlens eines abweichenden ausschließlichen Gerichtsstands - gemäß §§ 12, 17 ZPO für den Rechtsstreit örtlich zuständig ist, hat sich durch einen gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbaren Beschluß für unzuständig erklärt. Das Amtsgericht W. hat im Beschlußweg die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Das genügt, um zur Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu gelangen (BGHZ 102, 338, 339 f.).
2. Das Amtsgericht S. ist für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig.
a) Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts S. wird durch die nach § 32 ZPO bestehende konkurrierende örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts W. nicht berührt. Der Klägerin stand insoweit ein Wahlrecht im Sinne des § 35 ZPO zu. Davon hat sie dadurch Gebrauch gemacht, daß sie in dem Mahnantrag das örtlich zuständige Amtsgericht S. gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO als das für ein streitiges Verfahren zuständige Gericht bestimmt hat. Seit der Neufassung dieser Vorschrift durch das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Rechtspflegevereinfachungsgesetz vom 17. Dezember 1990 (BGBl I, 2847) muß nicht mehr zwingend der allgemeine Gerichtsstand des Antragsgegners als zuständiges Gericht angeben werden. Daher gibt es heute
keinen Grund mehr für die zum früheren Recht vertretene Auffassung, wonach diese Angabe keine Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen bedeute und das Wahlrecht daher noch im Verlauf des weiteren Verfahrens ausgeübt werden könne.
Die Parteien hätten zwar übereinstimmend verlangen können, daß das Verfahren vom Mahngericht, dem Amtsgericht H. , nicht an das Amtsgericht S. , sondern an ein anderes Gericht abgegeben werde (§ 696 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz ZPO). Ein solcher übereinstimmender Antrag ist jedoch beim Mahngericht bis zur Abgabe an das Amtsgericht S. nicht eingegangen. Nach deren Vollzug ist die von der Klägerin getroffene Wahl unwiderruflich und verbindlich (Sen.Beschl. v. 19.01.1993 - X ARZ 845/92, NJW 1993, 1273).
b) Das Amtsgericht S. konnte den Rechtsstreit demgemäß nicht an das Amtsgericht W. verweisen. Eine Verweisung kommt nur dann in Betracht, wenn bei dem Gericht, bei dem die Sache rechtshängig ist, ein Gerichtsstand nicht eröffnet ist. Dies gilt auch, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Rechtshängigkeit erst durch Abgabe gemäß § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO begründet wurde. Zwar wird das Gericht, an das der Rechtsstreit abgegeben wird, durch diese Abgabe nicht in gleicher Weise wie durch eine Verweisung wegen fehlender Zuständigkeit nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO gebunden (vgl. § 696 Abs. 5 ZPO); es hat vielmehr seine Zuständigkeit nach den allgemeinen Vorschriften zu prüfen. Eine Verweisung ist ihm danach jedoch nur im Fall seiner Unzuständigkeit eröffnet; ist es - wie hier - zumindest auch für die Entscheidung zuständig, scheidet eine Verweisung aus.
c) Dem Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts S. kommt auch keine Bindungswirkung zu.
Zwar sind im Interesse der Prozeßökonomie und zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten und dadurch bewirkten Verzögerungen und Verteuerungen des Verfahrens Verweisungsbeschlüsse gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbar. Dies entzieht auch einen sachlich zu Unrecht ergangenen Verweisungsbeschluß und die diesem Beschluß zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung (BGHZ 102, 338, 340; BGH, Beschl. v. 08.04.1992 - XII ARZ 8/92, NJW-RR 1992, 902 f.; Sen.Beschl. v. 22.06.1993 - X ARZ 340/93, NJW 1993, 2810).
Nach ständiger Rechtsprechung kommt einem Verweisungsbeschluß jedoch dann keine Bindungswirkung zu, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann (RGZ 119, 379, 384; BGHZ 2, 278, 280), etwa weil er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht oder weil er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muß (BGHZ 71, 69, 72 ff.; BGH, Beschl. v. 04.12.1991 - XII ARZ 29/91, NJW-RR 1992, 383; Sen.Beschl. v. 09.07.2002 - X ARZ 110/02, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht S. den Parteien zwar rechtliches Gehör gewährt. Dem Beschluß haftet jedoch ein schwerwiegender Rechtsfehler an, der ihn als willkürlich erscheinen läßt. Zwar läßt der Beschluß jegliche Begründung vermissen; der rechtliche Ausgangspunkt des Amtsgerichts ist aber aus dem Akteninhalt, insbesondere aus der Verfügung vom 27. Februar 2002, deutlich zu erkennen. Das Gericht ist offensichtlich davon
ausgegangen, trotz seiner eigenen örtlichen Zuständigkeit könne die Klägerin auch noch nach Abgabe der Sache durch das Mahngericht ein anderes zuständiges Gericht wählen, weshalb auf entsprechenden Antrag die Verweisung an dieses Gericht auszusprechen sei. Sonst hätte das Amtsgericht nicht der Klägerin von sich aus anheimgestellt, einen Verweisungsantrag zu stellen.
Dem dahinter stehenden Rechtsstandpunkt ist jedenfalls durch die Neufassung des § 696 Abs. 1 Nr. 5 ZPO die Grundlage entzogen worden. Diese mit der Rechtsänderung verbundene Folge hat das Gericht entweder nicht zur Kenntnis genommen oder es war nicht gewillt, sich an die Änderung der gesetzlichen Voraussetzungen einer Verweisung im Mahnverfahren zu halten. Jedenfalls lassen sich aus der Akte keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß sich das Amtsgericht mit der geltenden Rechtslage auseinandergesetzt und nach Gründen für die Zulässigkeit einer Verweisung gesucht haben könnte.
Unter diesen Umständen kann der Verweisungsbeschluß nicht hingenommen werden. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist eine Verweisung willkürlich, wenn ein Gericht eine bereits vor längerer Zeit vorgenommene Gesetzesänderung , mit der gerade solche Verweisungen unterbunden werden sollen, offenbar nicht zur Kenntnis genommen hat (Sen.Beschl. v. 19.01.1993 - X ARZ 845/92, NJW 1993, 1273). Dies gilt in besonderem Maße, wenn die betreffende Gesetzesänderung - wie im vorliegenden Fall - bereits mehr als zehn Jahre zurückliegt und ihre Konsequenzen für die Verweisung des Rechtsstreits nach § 281 ZPO in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur ausführlich erörtert worden sind. Nicht minder schwerwiegend wäre der Gesetzesverstoß , wenn das Gericht das geänderte Gesetz zwar gekannt, sich jedoch ohne weiteres darüber hinweggesetzt haben sollte. Aus diesem Grund kann
der Verweisungsbeschluß schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden.
Auch der Umstand, daß die Klägerin einen Verweisungsantrag gestellt hat und die Beklagte mit der Verweisung einverstanden gewesen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Wenn das Gericht durch die Verweisung des Rechtsstreits einem übereinstimmenden Verlangen beider Parteien entspricht, kann dies zwar nach teilweise vertretener Auffassung in manchen Fällen geeignet sein, einen rechtsfehlerhaft zustandegekommenen Verweisungsbeschluß nicht willkürlich erscheinen zu lassen (BGH, Beschl. v. 23.03.1988 - IVb ARZ 8/88, FamRZ 1988, 943; OLG Koblenz, OLG-Report 1997, 74 f.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 696 Rdn. 9a). Dies kann aber jedenfalls dann nicht gelten, wenn ein unzweifelhaft zuständiges Gericht die Parteien, die sich bislang zur Frage einer Verweisung noch nicht geäußert haben, von sich aus auf die angeblich bestehende Möglichkeit einer Verweisung hinweist. Wenn die Parteien daraufhin die Verweisung beantragen bzw. sich mit ihr einverstanden erklären, liegt die Annahme nicht fern, daß sie durch die rechtlich unzutreffende Information dazu veranlaßt worden sind. Schon aus diesem Grund sind die Erklärungen der Parteien nicht geeignet, der rechtswidrigen Verweisung den Willkürcharakter zu nehmen.
Melullis Jestaedt RiBGH Scharen ist urlaubsbedingt ortsabwesend und daher gehindert zu unterschreiben Melullis
Keukenschrijver Asendorf
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfaßt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit sie nicht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten zugewiesen sind:
- 1.
Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von fünftausend Euro nicht übersteigt; - 2.
ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes: - a)
Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses; diese Zuständigkeit ist ausschließlich; - b)
Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirten, Fuhrleuten, Schiffern oder Auswanderungsexpedienten in den Einschiffungshäfen, die über Wirtszechen, Fuhrlohn, Überfahrtsgelder, Beförderung der Reisenden und ihrer Habe und über Verlust und Beschädigung der letzteren, sowie Streitigkeiten zwischen Reisenden und Handwerkern, die aus Anlaß der Reise entstanden sind; - c)
Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes; diese Zuständigkeit ist ausschließlich; - d)
Streitigkeiten wegen Wildschadens; - e)
(weggefallen) - f)
(weggefallen) - g)
Ansprüche aus einem mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung stehenden Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils- oder Auszugsvertrag.
Kommt es nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Wert des Streitgegenstandes, des Beschwerdegegenstandes, der Beschwer oder der Verurteilung an, so gelten die nachfolgenden Vorschriften.
(1) Wird durch Widerklage oder durch Erweiterung des Klageantrages (§ 264 Nr. 2, 3) ein Anspruch erhoben, der zur Zuständigkeit der Landgerichte gehört, oder wird nach § 256 Abs. 2 die Feststellung eines Rechtsverhältnisses beantragt, für das die Landgerichte zuständig sind, so hat das Amtsgericht, sofern eine Partei vor weiterer Verhandlung zur Hauptsache darauf anträgt, durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das Landgericht zu verweisen.
(2) Die Vorschriften des § 281 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 gelten entsprechend.
Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 11.481,19 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Klägerin begehrt gegenüber dem beklagten Schuldner die Feststellung, ihre zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Schuldners. Ihre Beschwer beträgt, wie vom Berufungsgericht in tatrichterlich vertretbarer Würdigung angenommen , 11.481,19 € und erreicht nicht den für die Zulässigkeit der Beschwerde maßgeblichen Wert von über 20.000 € (§ 26 Nr. 8 EGZPO). Der Heraufsetzungsantrag der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
- 2
- 1. Die Frage, nach welchen Maßstäben der Streitwert einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (§ 184 InsO), zu bestimmen ist, wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Einhelligkeit besteht nur darin, dass die Bestimmung des § 182 InsO, nach der für den Wert der Insolvenzfeststellungsklage gegen den Insolvenzverwalter oder einen bestreitenden Gläubiger ausschließlich die zu erwartende Insolvenzquote maßgeblich ist, auf die Klage nach § 184 InsO nicht anzuwenden ist (FK-InsO/Kießner, 5. Aufl. § 182 Rn. 11; MünchKomm-InsO/ Schumacher, 2. Aufl. § 182 Rn. 4; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 182 Rn. 10; Graf-Schlicker, InsO § 182 Rn. 6; HmbKomm-InsO/Herchen, 2. Aufl. § 182 Rn. 3; Braun/Specovius, InsO 3. Aufl. § 182 Rn. 11).
- 3
- a) Eine Ansicht geht davon aus, der Streitwert bemesse sich nach dem Nominalwert der geltend gemachten Forderung abzüglich einer etwaigen Insolvenzquote. Das Interesse des Feststellungsklägers bestehe in erster Linie darin zu verhindern, dass der Insolvenzschuldner nach Abschluss der Wohlverhaltensperiode von der - bereits titulierten - Schuld befreit wird. Dieses Interesse, den titulierten Anspruch materiell zu erhalten, werde unabhängig von den konkreten Befriedigungsmöglichkeiten durch dessen Höhe bestimmt. Der Streitwert sei daher nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 2, 3 ZPO) zu bestimmen (OLG Hamm NZI 2007, 249; OLG Karlsruhe JurBüro 2007, 648; LG Mühlhausen ZVI 2004, 504; FK-InsO/Kießner, aaO § 182 Rn. 11a; MünchKomm-InsO/ Schumacher, aaO § 184 Rn. 3; HmbKomm-InsO/Herchen, aaO; Braun/ Specovius, aaO; Musielak/Heinrich, ZPO 6. Aufl. § 3 Rn. 30 Stichwort Insolvenzverfahren ).
- 4
- b) Nach anderer Auffassung ist nicht der Nominalwert der Insolvenzforderung maßgeblich, sondern auf die späteren Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung abzustellen. Auch müsse berücksichtigt werden, dass es sich lediglich um eine Feststellungsklage handele und der Schuldner nicht die Forderung an sich bestreite, sondern nur die geltend gemachte vorsätzliche Begehungsweise. Müssten die künftigen Vollstreckungsaussichten "eher zurückhaltend" beurteilt werden, so sei ein deutlicher Abschlag von 75 % gerechtfertigt (OLG Celle ZInsO 2007, 42 [4. ZS]; NZI 2007, 473 [7. ZS]). Diesem Ansatz folgt auch das OLG Rostock (NZI 2007, 358). Es hat jedoch aus einzelfallbezogenen Erwägungen in der angeführten Entscheidung die späteren Vollstreckungsaussichten als sehr günstig angesehen und deshalb nur einen Abschlag von 20 % für gerechtfertigt angesehen. Das LG Kempten (ZInsO 2006, 888) hat den Abschlag auf 80 % bemessen. Auch im Schrifttum wird diese Beurteilung geteilt (HK-InsO/Depré, 5. Aufl. § 182 Rn. 1; Pape, in Kübler/Prütting/ Bork, InsO, § 184 Rn. 113 f).
- 5
- 2. Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend.
- 6
- In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass sich bei einer Feststellungsklage die Beschwer des Beklagten danach bemisst, wie hoch oder gering das Risiko einer tatsächlichen Inanspruchnahme durch den Feststellungskläger ist (vgl. BGH, Urt. v. 14. Februar 1958 - VI ZR 43/57, VersR 1958, 318; Beschl. v. 28. November 1990 - VIII ZB 27/90, AnwBl 1992, 451; Urt. v. 13. Dezember 2000 - IV ZR 279/99, NJW-RR 2001, 316, 317). Die zweifelhafte Realisierbarkeit des festzustellenden Anspruchs ist auch für die Festsetzung des Streitwerts maßgeblich (Hk-ZPO/Kayser, 2. Aufl. § 3 Rn. 15 Feststellungsklage ; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl. Stichwort Feststellungsklagen). Dies gilt ebenfalls für die hier in Rede stehende Feststellungsklage nach § 184 InsO. Bei der Mehrzahl der insolventen Verbraucher wird dann, wenn ein Vollstreckungstitel von der Restschuldbefreiung ausgenommen wird, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens eine Vollstreckung gegen den Schuldner nicht möglich sein, so dass das wirtschaftliche Interesse an der Feststellung des Anspruchsgrundes als auf unerlaubter Handlung beruhend nicht allzu hoch ist. Dieser allgemein bekannten Erfahrung muss bei der Bemessung des Streitwerts einer Feststellungsklage angemessen Rechnung getragen werden, indem die späteren Vollstreckungsaussichten des Feststellungsklägers nach Erteilung der Restschuldbefreiung für den Schuldner konkret bewertet werden. Können diese anhand der voraussichtlichen wirtschaftlichen Lage des Schuldners auch für die Zeit nach Erteilung der Restschuld nicht als günstig angesehen werden, sind deutliche Abschläge vom Nominalwert der Deliktsforderung sachlich gerechtfertigt.
- 7
- Diesen 3. Maßstäben entspricht die Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts. Sie beruht offensichtlich auf den aus dem Prozessstoff erkennbaren wirtschaftlichen Gegebenheiten des Schuldners. Der Umstand, dass diese, den landgerichtlichen Beschluss abändernde Entscheidung verfahrensfehlerhaft erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung getroffen wurde, hat sich nicht zum Nachteil der Klägerin ausgewirkt. Sie hat weder in ihrer Streitwertbeschwerde noch in der Nichtzulassungsbeschwerde Anknüpfungstatsachen vorgetragen oder Gesichtspunkte aufgezeigt, nach denen die Vollstreckungsaus- sichten gegenüber dem Beklagten günstiger beurteilt werden könnten. Es besteht mithin keine Veranlassung, ihr Feststellungsinteresse abweichend von der berufungsgerichtlichen Wertfestsetzung zu beurteilen.
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 13.07.2007 - 10 O 537/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 23.04.2008 - 7 U 180/07 -
(1) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Dazu gehören auch
- 1.
die Beiträge, die von Sozialleistungen zu zahlen sind, und - 2.
die Beiträge zur Krankenversicherung, die für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld unbeschadet des § 224 Abs. 1 des Fünften Buches zu zahlen wären.
(2) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch Gesetz der Höhe nach begrenzt, geht er auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit er nicht zum Ausgleich des Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.
(3) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch ein mitwirkendes Verschulden oder eine mitwirkende Verantwortlichkeit des Geschädigten begrenzt, geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe von dem nach Absatz 1 bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch der Anteil über, welcher dem Vomhundertsatz entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist. Dies gilt auch, wenn der Ersatzanspruch durch Gesetz der Höhe nach begrenzt ist. Der Anspruchsübergang ist ausgeschlossen, soweit der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches werden.
(4) Stehen der Durchsetzung der Ansprüche auf Ersatz eines Schadens tatsächliche Hindernisse entgegen, hat die Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten und seiner Hinterbliebenen Vorrang vor den übergegangenen Ansprüchen nach Absatz 1.
(5) Hat ein Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe auf Grund des Schadensereignisses dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen keine höheren Sozialleistungen zu erbringen als vor diesem Ereignis, geht in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 und 2 der Schadenersatzanspruch nur insoweit über, als der geschuldete Schadenersatz nicht zur vollen Deckung des eigenen Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.
(6) Ein nach Absatz 1 übergegangener Ersatzanspruch kann bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch eine Person, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft lebt, nicht geltend gemacht werden. Ein Ersatzanspruch nach Absatz 1 kann auch dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schädiger mit dem Geschädigten oder einem Hinterbliebenen nach Eintritt des Schadensereignisses die Ehe geschlossen oder eine Lebenspartnerschaft begründet hat und in häuslicher Gemeinschaft lebt. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 kann ein Ersatzanspruch bis zur Höhe der zur Verfügung stehenden Versicherungssumme geltend gemacht werden, wenn der Schaden bei dem Betrieb eines Fahrzeugs entstanden ist, für das Versicherungsschutz nach § 1 des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter oder § 1 des Gesetzes über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger besteht. Der Ersatzanspruch kann in den Fällen des Satzes 3 gegen den Schädiger in voller Höhe geltend gemacht werden, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich verursacht hat.
(7) Haben der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen von dem zum Schadenersatz Verpflichteten auf einen übergegangenen Anspruch mit befreiender Wirkung gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe Leistungen erhalten, haben sie insoweit dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe die erbrachten Leistungen zu erstatten. Haben die Leistungen gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe keine befreiende Wirkung, haften der zum Schadenersatz Verpflichtete und der Geschädigte oder dessen Hinterbliebene dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe als Gesamtschuldner.
(8) Weist der Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nicht höhere Leistungen nach, sind vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 je Schadensfall für nicht stationäre ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln 5 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu ersetzen.
(9) Die Vereinbarung einer Pauschalierung der Ersatzansprüche ist zulässig.
(10) Die Bundesagentur für Arbeit und die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch gelten als Versicherungsträger im Sinne dieser Vorschrift.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.
(1) Wird durch Widerklage oder durch Erweiterung des Klageantrages (§ 264 Nr. 2, 3) ein Anspruch erhoben, der zur Zuständigkeit der Landgerichte gehört, oder wird nach § 256 Abs. 2 die Feststellung eines Rechtsverhältnisses beantragt, für das die Landgerichte zuständig sind, so hat das Amtsgericht, sofern eine Partei vor weiterer Verhandlung zur Hauptsache darauf anträgt, durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das Landgericht zu verweisen.
(2) Die Vorschriften des § 281 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 gelten entsprechend.
(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.
(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.
(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I. Auf Antrag der Klägerin hat das Amtsgericht H. gegen die Beklagte einen Mahnbescheid wegen angeblicher Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich im Bezirk des Amtsgerichts W. ereignet hat, erlassen. Nach Widerspruchserhebung durch die Beklagte ist der Rechtsstreit am 18. Februar 2002 an das Amtsgericht S. abgegeben worden. Die Klägerin hat im Mahnantrag dieses Gericht, in dessen Bezirk die Beklagte ihren Sitz hat, als für ein streitiges Verfahren zuständig bezeichnet.
Das Amtsgericht S. hat am 27. Februar 2002 ein Schreiben an die Klägerin mit folgendem Zusatz verfügt: "Sofern sich der Unfall nicht im Bereich der Zuständigkeit des Amtsgerichts S. ereignet hat und Verweisung an das Gericht des Unfallorts beantragt wird, möge erklärt werden, ob die Verweisung im schriftlichen Verfahren erfolgen kann." Daraufhin hat die Klägerin die
Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht W. beantragt. Sie hat sich dabei auf einen gleichlautenden, mit Telefax vom 25. Februar 2002 beim Amtsgericht H. eingereichten Antrag bezogen. Auf Befragen hat die Beklagte kei- ne Einwände gegen eine Verweisung im schriftlichen Verfahren erhoben. Daraufhin hat sich das Amtsgericht S. mit Beschluß vom 27. März 2002 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht W. verwiesen. Dieses hat die Übernahme mit Beschluß vom 22. April 2002 abgelehnt.
Das Oberlandesgericht S. , dem das Amtsgericht S. die Sache gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung vorgelegt hat, hält den Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts S. für bindend und somit die Zuständigkeit des Amtsgerichts W. für gegeben. Dem stehe die Angabe im Mahnbescheid, das streitige Verfahren solle vor dem Amtsgericht S. durchgeführt werden, nicht entgegen. Zwar sei gemäß § 696 Abs. 1 Satz 1, § 700 Abs. 3 Satz 1 ZPO eine Korrektur der im Mahnantrag getroffenen Zuständigkeitswahl nur durch übereinstimmendes, bereits vor der Abgabe an das Empfangsgericht erklärtes Verlangen der Parteien möglich. Der Verweisungsbeschluß entbehre jedoch auch im vorliegenden Fall, in dem die übereinstimmenden Erklärungen erst nach der Abgabe erfolgten, nicht jeder rechtlichen Grundlage und sei daher nicht willkürlich.
Weil sich das Oberlandesgericht hierbei in Widerspruch zu einer Rechtsauffassung sieht, die in Entscheidungen des Oberlandesgerichts Schleswig (MDR 2001, 50) und des Bayerischen Obersten Landesgerichts (MDR 1994, 94) vertreten wird, hat es die Sache gemäß § 36 Abs. 3 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II. Auf Grund der zulässigen Divergenzvorlage ist das Amtsgericht S. als zuständiges Gericht zu bestimmen.
1. Die in § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO genannten Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung liegen vor. Das Amtsgericht S. , in dessen Bezirk die Beklagte ihren Sitz hat und das deshalb - wegen Fehlens eines abweichenden ausschließlichen Gerichtsstands - gemäß §§ 12, 17 ZPO für den Rechtsstreit örtlich zuständig ist, hat sich durch einen gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbaren Beschluß für unzuständig erklärt. Das Amtsgericht W. hat im Beschlußweg die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Das genügt, um zur Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu gelangen (BGHZ 102, 338, 339 f.).
2. Das Amtsgericht S. ist für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig.
a) Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts S. wird durch die nach § 32 ZPO bestehende konkurrierende örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts W. nicht berührt. Der Klägerin stand insoweit ein Wahlrecht im Sinne des § 35 ZPO zu. Davon hat sie dadurch Gebrauch gemacht, daß sie in dem Mahnantrag das örtlich zuständige Amtsgericht S. gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO als das für ein streitiges Verfahren zuständige Gericht bestimmt hat. Seit der Neufassung dieser Vorschrift durch das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Rechtspflegevereinfachungsgesetz vom 17. Dezember 1990 (BGBl I, 2847) muß nicht mehr zwingend der allgemeine Gerichtsstand des Antragsgegners als zuständiges Gericht angeben werden. Daher gibt es heute
keinen Grund mehr für die zum früheren Recht vertretene Auffassung, wonach diese Angabe keine Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen bedeute und das Wahlrecht daher noch im Verlauf des weiteren Verfahrens ausgeübt werden könne.
Die Parteien hätten zwar übereinstimmend verlangen können, daß das Verfahren vom Mahngericht, dem Amtsgericht H. , nicht an das Amtsgericht S. , sondern an ein anderes Gericht abgegeben werde (§ 696 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz ZPO). Ein solcher übereinstimmender Antrag ist jedoch beim Mahngericht bis zur Abgabe an das Amtsgericht S. nicht eingegangen. Nach deren Vollzug ist die von der Klägerin getroffene Wahl unwiderruflich und verbindlich (Sen.Beschl. v. 19.01.1993 - X ARZ 845/92, NJW 1993, 1273).
b) Das Amtsgericht S. konnte den Rechtsstreit demgemäß nicht an das Amtsgericht W. verweisen. Eine Verweisung kommt nur dann in Betracht, wenn bei dem Gericht, bei dem die Sache rechtshängig ist, ein Gerichtsstand nicht eröffnet ist. Dies gilt auch, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Rechtshängigkeit erst durch Abgabe gemäß § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO begründet wurde. Zwar wird das Gericht, an das der Rechtsstreit abgegeben wird, durch diese Abgabe nicht in gleicher Weise wie durch eine Verweisung wegen fehlender Zuständigkeit nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO gebunden (vgl. § 696 Abs. 5 ZPO); es hat vielmehr seine Zuständigkeit nach den allgemeinen Vorschriften zu prüfen. Eine Verweisung ist ihm danach jedoch nur im Fall seiner Unzuständigkeit eröffnet; ist es - wie hier - zumindest auch für die Entscheidung zuständig, scheidet eine Verweisung aus.
c) Dem Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts S. kommt auch keine Bindungswirkung zu.
Zwar sind im Interesse der Prozeßökonomie und zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten und dadurch bewirkten Verzögerungen und Verteuerungen des Verfahrens Verweisungsbeschlüsse gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbar. Dies entzieht auch einen sachlich zu Unrecht ergangenen Verweisungsbeschluß und die diesem Beschluß zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung (BGHZ 102, 338, 340; BGH, Beschl. v. 08.04.1992 - XII ARZ 8/92, NJW-RR 1992, 902 f.; Sen.Beschl. v. 22.06.1993 - X ARZ 340/93, NJW 1993, 2810).
Nach ständiger Rechtsprechung kommt einem Verweisungsbeschluß jedoch dann keine Bindungswirkung zu, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann (RGZ 119, 379, 384; BGHZ 2, 278, 280), etwa weil er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht oder weil er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muß (BGHZ 71, 69, 72 ff.; BGH, Beschl. v. 04.12.1991 - XII ARZ 29/91, NJW-RR 1992, 383; Sen.Beschl. v. 09.07.2002 - X ARZ 110/02, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht S. den Parteien zwar rechtliches Gehör gewährt. Dem Beschluß haftet jedoch ein schwerwiegender Rechtsfehler an, der ihn als willkürlich erscheinen läßt. Zwar läßt der Beschluß jegliche Begründung vermissen; der rechtliche Ausgangspunkt des Amtsgerichts ist aber aus dem Akteninhalt, insbesondere aus der Verfügung vom 27. Februar 2002, deutlich zu erkennen. Das Gericht ist offensichtlich davon
ausgegangen, trotz seiner eigenen örtlichen Zuständigkeit könne die Klägerin auch noch nach Abgabe der Sache durch das Mahngericht ein anderes zuständiges Gericht wählen, weshalb auf entsprechenden Antrag die Verweisung an dieses Gericht auszusprechen sei. Sonst hätte das Amtsgericht nicht der Klägerin von sich aus anheimgestellt, einen Verweisungsantrag zu stellen.
Dem dahinter stehenden Rechtsstandpunkt ist jedenfalls durch die Neufassung des § 696 Abs. 1 Nr. 5 ZPO die Grundlage entzogen worden. Diese mit der Rechtsänderung verbundene Folge hat das Gericht entweder nicht zur Kenntnis genommen oder es war nicht gewillt, sich an die Änderung der gesetzlichen Voraussetzungen einer Verweisung im Mahnverfahren zu halten. Jedenfalls lassen sich aus der Akte keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß sich das Amtsgericht mit der geltenden Rechtslage auseinandergesetzt und nach Gründen für die Zulässigkeit einer Verweisung gesucht haben könnte.
Unter diesen Umständen kann der Verweisungsbeschluß nicht hingenommen werden. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist eine Verweisung willkürlich, wenn ein Gericht eine bereits vor längerer Zeit vorgenommene Gesetzesänderung , mit der gerade solche Verweisungen unterbunden werden sollen, offenbar nicht zur Kenntnis genommen hat (Sen.Beschl. v. 19.01.1993 - X ARZ 845/92, NJW 1993, 1273). Dies gilt in besonderem Maße, wenn die betreffende Gesetzesänderung - wie im vorliegenden Fall - bereits mehr als zehn Jahre zurückliegt und ihre Konsequenzen für die Verweisung des Rechtsstreits nach § 281 ZPO in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur ausführlich erörtert worden sind. Nicht minder schwerwiegend wäre der Gesetzesverstoß , wenn das Gericht das geänderte Gesetz zwar gekannt, sich jedoch ohne weiteres darüber hinweggesetzt haben sollte. Aus diesem Grund kann
der Verweisungsbeschluß schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden.
Auch der Umstand, daß die Klägerin einen Verweisungsantrag gestellt hat und die Beklagte mit der Verweisung einverstanden gewesen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Wenn das Gericht durch die Verweisung des Rechtsstreits einem übereinstimmenden Verlangen beider Parteien entspricht, kann dies zwar nach teilweise vertretener Auffassung in manchen Fällen geeignet sein, einen rechtsfehlerhaft zustandegekommenen Verweisungsbeschluß nicht willkürlich erscheinen zu lassen (BGH, Beschl. v. 23.03.1988 - IVb ARZ 8/88, FamRZ 1988, 943; OLG Koblenz, OLG-Report 1997, 74 f.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 696 Rdn. 9a). Dies kann aber jedenfalls dann nicht gelten, wenn ein unzweifelhaft zuständiges Gericht die Parteien, die sich bislang zur Frage einer Verweisung noch nicht geäußert haben, von sich aus auf die angeblich bestehende Möglichkeit einer Verweisung hinweist. Wenn die Parteien daraufhin die Verweisung beantragen bzw. sich mit ihr einverstanden erklären, liegt die Annahme nicht fern, daß sie durch die rechtlich unzutreffende Information dazu veranlaßt worden sind. Schon aus diesem Grund sind die Erklärungen der Parteien nicht geeignet, der rechtswidrigen Verweisung den Willkürcharakter zu nehmen.
Melullis Jestaedt RiBGH Scharen ist urlaubsbedingt ortsabwesend und daher gehindert zu unterschreiben Melullis
Keukenschrijver Asendorf
(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.
(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.
(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.
Tenor
Zuständig ist das Landgericht Münster.
1
Gründe:
2I.
3Der Rechtsstreit liegt dem Senat zur Bestimmung des Gerichtsstands gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.
4Die Kläger und die Beklagten sind Eigentümer aneinandergrenzender Reihenhausgrundstücke. Die Beklagten haben vor dem Amtsgericht Münster Klage erhoben, mit der sie mit dem Hauptantrag beantragen, die Beklagten zu verurteilen, einen an der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken der Kläger und der Beklagten verlaufenden Zaun zu beseitigen. Mit dem Hilfsantrag beantragen sie, die Beklagten zu verurteilen, den Zaun auf eine im Klageantrag angegebene abgestufte Höhe zurückzubauen oder die Zaunanlage mit vorgegebenen Höhen neu zu erstellen. In der Klageschrift ist ohne nähere Begründung eine Schätzung des Gegenstandswertes auf gegenwärtig 3.000 € genannt.
5Das Amtsgericht Münster hat n dem ersten Termin mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass Zweifel an der sachlichen Zuständigkeit gegeben seien, da angesichts des gestellten Hilfsantrags bezüglich eines Rückbaus verbunden mit einem Neubau die sachliche Zuständigkeitsgrenze des Landgerichts erreicht sein dürfte.
6Nachdem eine durch das Amtsgericht Münster angeregte gütliche Einigung nicht zu Stande gekommen war, hat das Amtsgericht Münster erneut Termin anberaumt und in diesem seinen Hinweis wiederholt, im Hinblick auf den gestellten Hilfsantrag sei die sachliche Zuständigkeit des Gerichts nicht gegeben. Die Beklagtenvertreterin hat daraufhin die Zuständigkeit gerügt. Der Klägervertreter hat erklärt, dass der entsprechende Antrag einen Streitwert von 5.000 € nicht übersteigen dürfte. Gleichzeitig hat der Klägervertreter für den Fall, dass das Gericht bei seiner Auffassung bleibe, Verweisung beantragt.
7Das Amtsgericht Münster hat durch Beschluss vom 10.06.2015 den Streitwert auf über 5.000 € festgesetzt und sich durch weiteren Beschluss vom 10./12.06.2015 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Münster verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kostenaufwand für den Rückbau der streitgegenständlichen Zaunbebauung und gegebenenfalls den abgestuften Neubau nach Wahl der Beklagten 5.000 € übersteige. Es folgen Ausführungen zu den Kosten der Beseitigung des Zauns und des Neuaufbaus.
8Das Landgericht Münster hat die Parteien daraufhin gewiesen, dass es sich ebenfalls für sachlich unzuständig erachte, da der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Beseitigung oder Veränderung des Zustandes zu bestimmen sei und die Kosten der Beseitigung für die Bemessung des klägerischen Interesses irrelevant seien. Der verweisende Beschluss des Amtsgerichts Münster sei nicht bindend, da die Verweisung offenbar gesetzeswidrig oder sonst grob rechtsfehlerhaft und unter Verletzung rechtlichen Gehörs ergangen sei. Im deutschen Zivilprozessrecht bestimme sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs. Davon sei das Amtsgericht, das auf die auf Beklagtenseite anfallenden Kosten der Beseitigung abgestellt habe, ohne nähere Begründung und unvertretbar abgewichen. Die Kosten für das Versetzen bzw. Kürzen des Zauns seien unvertretbar hoch angesetzt worden. Da das Amtsgericht Münster die Parteien auf seine von der ganz allgemeinen Rechtsansicht abweichende Auffassung nicht hingewiesen habe, sei der Beschluss auch unter Verletzung des rechtlichen Gehörs erfolgt.
9Die Parteien haben nicht Stellung genommen. Das Landgericht Münster hat sich daraufhin durch Beschluss vom 16.07.2015 unter Wiederholung seiner Rechtsauffassung in dem Hinweisbeschluss ebenfalls für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Münster zurückverwiesen.
10Das Amtsgericht Münster hat sich durch Beschluss vom 10.08.2015 erneut für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren dem Senat zur Entscheidung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt.
11II.
121.
13Das Landgericht Münster und das Amtsgericht Münster haben sich beide rechtskräftig für sachlich unzuständig erklärt.
142.
15Das Oberlandesgericht Hamm ist gem. § 36 Abs. 1 ZPO als das nächsthöhere Gericht über diesen Gerichten zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit berufen.
163.
17Zuständig ist das Landgericht Münster, dessen Zuständigkeit aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Münster folgt.
18a)
19Grundsätzlich ist ein Verweisungsbeschluss gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend, da - im Einklang mit der in § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO normierten Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen - im Interesse der Prozessökonomie das Verfahren verzögernde und verteuernde Zuständigkeitsstreitigkeiten vermieden werden sollen.
20Die Bindungswirkung ist auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten. Als zuständig ist daher dasjenige Gericht zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten Verweisungsbeschluss gelangt ist, wenn diesem die Bindungswirkung nicht ausnahmsweise fehlt (st. Rspr.,vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 13.03.1964 – Ib ARZ 44/64, juris Rn. 16; BGH, Beschluss vom 15.03.1978 – IV ARZ 17/78, BGHZ 71, 69-75, juris Rn. 4; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, § 36 ZPO Rn. 28 m.w.N [juris].).
21Eine Bindung ist ausnahmsweise zu verneinen, wenn der Verweisungsbeschluss nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist (st. Rspr., z.B. BGH, Beschluss vom 09.06.2015 – X ARZ 115/15, juris Rn. 9; Senat, Beschluss vom 29.07.2011 – 32 SA 57/11, juris Rn. 19). Eine Ausnahme von der Bindungswirkung kommt daher in Betracht, wenn die Verweisung jeder rechtlichen Grundlage entbehrt, so dass sie objektiv als willkürlich erscheint (st. Rspr., z.B. BGH, Beschluss vom 09.06.2015 – X ARZ 115/15, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 15.03.1978 – IV ARZ 17/78, BGHZ 71, 69-75, juris Rn. 4; BGH, Beschluss vom 13.03.1964 – Ib ARZ 44/64, juris Rn. 16). Für die Bewertung als willkürlich genügt es allerdings nicht, dass der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Es bedarf vielmehr zusätzlicher Umstände, die die getroffene Entscheidung als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen (BGH, Beschluss vom 09.06.2015 – X ARZ 115/15, juris Rn. 12 m.w.N.). Einer Verweisung kann ferner die Bindungswirkung fehlen, wenn sie gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstößt oder nicht durch den gesetzlichen Richter ergangen ist (BGH, Beschluss vom 09.06.2015 – X ARZ 115/15, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 27.05.2008 – X ARZ 45/08 –, juris Rn. 6).
22b)
23Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Verweisung durch das Amtsgericht Münster bindend.
24aa)
25Zu Recht weist das Landgericht Münster allerdings darauf hin, dass der Streitwert durch das Amtsgericht Münster fehlerhaft bestimmt worden ist.
26Die Berechnung des Zuständigkeitsstreitwerts gem. § 23 GVG richtet sich nach den §§ 48 ff. GKG (Zimmermann in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 23 GVG Rn. 4 [beck-online]).
27Vorliegend handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit gem. § 48 Abs. 1 GKG. Nichtvermögensrechtlich ist eine Streitigkeit, die sich nicht auf Geldansprüche oder geldwerte Ansprüche bezieht, wobei es nicht darauf ankommt, ob das zugrundeliegende Rechtsverhältnis vermögensrechtlicher oder nichtvermögensrechtlicher Art ist (Dörndorfer in: Binz u.a., GKG, FamGKG, JVEG, 3. Auflage 2014, § 48 GKG Rn. 3 [beck-online]; Rohn in: Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 6. Auflage 2013, I. Streitwerte im gerichtlichen Verfahren im Allgemeinen, Rn. 88 [beck-online]). Da der Zaun nach dem Vortrag der Kläger zum einen deren Rechte an der Grenzeinrichtung, zum anderen den Wert des Grundstücks beeinträchtigt, liegt ohne weiteres eine vermögensrechtliche Streitigkeit vor.
28§ 48 Abs. 1 GKG verweist auf die Vorschriften für die Streitwertberechnung bezüglich der Zuständigkeit des Prozessgerichts, die §§ 1 ff. ZPO. Zu Recht hat das Amtsgericht Münster die wirtschaftlich zusammenhängenden Werte von Haupt- und Hilfsantrag nicht zusammengerechnet, sondern die Zuständigkeit nach dem jeweils höheren Streitwert bestimmt (vgl. Rohn in: Mayer/Kroiß, a.a.O., Rn. 75; Zimmermann in: MüKoZPO, a.a.O., § 23 GVG Rn. 4).
29Unzutreffend hat es jedoch den im Rahmen des § 3 ZPO zu bestimmenden Wert des Hilfsantrags ermittelt. Maßgeblich ist das mit der Klage verfolgte (wirtschaftliche) Interesse des Klägers an der Beseitigung des Zustandes (BGH, Urteil vom 24.04.1998 – V ZR 225/97 –, juris Rn. 6 zur Unterlassungsklage; Wendtland in: BeckOK ZPO, 17. Edition, Stand: 01.06.2015, § 3 ZPO Rn. 1 [beck-online]; Herget in: Zöller, a.a.O., § 3 ZPO, Rn. 16]; Wöstmann in: MüKoZPO, a.a.O., § 3 ZPO Rn. 4). Grundlagen der Prüfung sind der Tatsachenvortrag und die Sachanträge des Klägers (Wöstmann in: MüKoZPO, a.a.O., § 1 ZPO Rn. 24). Den Wertangaben der Parteien, insbesondere des Klägers, kommt dabei zwar erhebliches Gewicht zu (Wendtland in: BeckOK ZPO, a.a.O., § 3 ZPO Rn. 1; Wöstmann in: MüKoZPO, a.a.O., § 1 ZPO Rn. 24). Sie sind aber für das Gericht nicht bindend (BGH, Beschluss vom 08. 10.2012 – X ZR 110/11, GRUR 2012, 1288 [beck-online]), selbst wenn sie der Beklagte nicht bestreitet (Wöstmann in: MüKoZPO, a.a.O., § 1 ZPO Rn. 24). Das Gericht kann bei der Ermittlung des maßgeblichen Werts im Wege der Schätzung vorgehen (Wendtland in: BeckOK ZPO, a.a.O., § 3 ZPO, Rn. 1).
30Das Interesse an der Beseitigung von Beeinträchtigungen eines Grundstücks entspricht in der Regel der Wertminderung des Grundstücks. Die Folgen für den Beklagten, insbesondere die Kosten der Beseitigung, sind dagegen für die Bestimmung des Streitwerts der auf Beseitigung der Störung gerichteten Klage nicht erheblich (BGH, Beschluss vom 17.05.2006 - VIII ZB 31/05, NJW 2006, 2639, 2640 [beck-online]; Wöstmann in: MüKoZPO, a.a.O., § 3 ZPO Rn. 48; Heinrich in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Auflage 2015, § 3 ZPO Rn. 39 „Beseitigung“; siehe auch Wendtland in: BeckOK ZPO, a.a.O., § 3 ZPO, Rn. 36; Herget in: Zöller, a.a.O., § 3 ZPO, Rn. 16 „Besitzstörung“ und „Eigentumsstörung“). Anhaltspunkte, warum das im vorliegenden Fall anders sein sollte, sind nicht erkennbar und zeigt auch das Amtsgericht Münster nicht auf.
31bb)
32Dennoch ist die Entscheidung des Amtsgerichts nicht in dem oben dargestellten Sinne derart fehlerhaft und willkürlich, dass ihr die Bindungswirkung zu versagen wäre.
33Wird die Zuständigkeit - wie vorliegend - aus dem Streitwert der Sache abgeleitet, so setzt die Bindungswirkung der Verweisung allerdings voraus, dass die Streitwertfestsetzung nach Lage der Akten aus dem Begehren der klagenden Partei selbst ohne weiteres nachvollziehbar oder jedenfalls durch das Gericht begründet worden ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn die gerichtliche Streitwertbemessung deutlich von der begründeten Bewertung des wirtschaftlichen Interesses durch die klagende Partei abweicht (OLG Hamm, Beschluss vom 11.3.2005 - 1 Sbd 13/05, MMR 2005, 378, [beck-online]).
34Das ist hier noch der Fall. Das Amtsgericht Münster hat seine Streitwertannahme in dem verweisenden Beschluss ausführlich begründet. Zwar fußt diese Begründung auf der fehlerhaften Annahme, das Interesse des Klägers sei nach Maßgabe der Kosten für die Beseitigung des Zauns zu bestimmen. Anhaltspunkte dafür, dass sich das Amtsgericht Münster um eine richtige Rechtsanwendung nicht bemüht hätte oder sich aufdrängende Zweifel an seiner Rechtsauffassung ausgeblendet hätte, fehlen jedoch.
35Das Amtsgericht Münster hat bereits in dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung auf Zweifel an der sachlichen Zuständigkeit im Hinblick auf den Antrag „bezüglich eines Rückbaues verbunden mit einem Neubau“ hingewiesen und damit jedenfalls zu erkennen gegeben, dass es insoweit zur Streitwertbestimmung im Rahmen der sachlichen Zuständigkeit auf den Wert der von den Beklagten vorzunehmenden Handlungen abstellte. Hätte es allein auf die Wertminderung durch den Grundstückszaun abgestellt, wäre eine Erörterung des Werts von Haupt- und Hilfsantrag schlechthin überflüssig gewesen. Dem folgt auch die Begründung des Verweisungsbeschlusses.
36Die Kläger haben über die in der mündlichen Verhandlung am 10.06.2015 protokollierte Äußerung des Prozessbevollmächtigten der Kläger hinaus, er „erachte die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts weiterhin für gegeben“, weil er der Auffassung sei, „dass der entsprechende Antrag ein[en] Streitwert von 5.000 Euro nicht übersteigen dürfte“, inhaltlich nicht zur Bestimmung des Streitwerts Stellung bezogen. Insbesondere enthält auch die Klageschrift nur die pauschale Äußerung, man „schätze den Gegenstandswert gegenwärtig auf € 3.000,00, vorbehaltlich einer anderen Festsetzung durch das Gericht.“ Auf welcher Grundlage die Kläger diesen Gegenstandswert angenommen haben, war für das Gericht nicht erkennbar. Die Wertbeeinträchtigung des Grundstücks ist in der Klageschrift im Zusammenhang mit den physischen Beeinträchtigungen des Grundstücks wie der Verschattung und des Wegfalls des „Blicks in den Horizont“ sowie der schmaleren Wahrnehmung des Reihenmittelhausgrundstücks benannt und wie diese unter Beweis durch Sachverständigengutachten gestellt. Aus den Angaben des Klägers drängte sich daher dem Amtsgericht Münster nicht auf, dass eine andere als die von ihm irrtümlich zugrunde gelegte Grundlage der Beseitigungskosten richtig war. Vielmehr wies die Äußerung des Klägervertreters in dem zweiten Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.06.2015 darauf hin, dass er zur Bestimmung des Werts der Klage ebenfalls zwischen Haupt- und Hilfsantrag differenzierte. Das wäre aber nicht geboten gewesen, hätte er auf die Wertminderung durch die behauptete Beeinträchtigung durch den Zaun abgestellt.
37Der Fehler des Amtsgerichts ist schließlich auch im Übrigen nicht derart grob, dass er zu einer fehlenden Bindungswirkung führte. Der Blick auf die Beseitigungskosten – die für das Abwehrinteresse des Beklagten auch in der Kommentierung häufig unmittelbar neben dem Beseitigungsinteresse des Klägers behandelt werden – lag nicht derart fern, dass jeder verständige Richter die Fehlerhaftigkeit der getroffenen Erwägungen ohne weiteres hätte erkennen müssen. Diese Annahme ist für sich vielmehr durch einen schlichten Denk- oder Rechtsfehler erklärbar, da sie auf einer ungenauen Differenzierung zwischen den Interessen der Parteien beruht. Ein Fehler dieser Art ist, wie sich auch der Rechtsprechung zu der Frage der Bewertung des Interesses bei Beseitigungsklagen entnehmen lässt, nicht ungewöhnlich und nicht derart grob, dass er die Bindungswirkung der Verweisung entfallen ließe. Schließlich ist auch die Bewertung der Beseitigungs- und Neuerstellungskosten mit über 5.000 € eingehend begründet und nachvollziehbar.
38cc)
39Entgegen der Ansicht des Landgerichts Münster liegt auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs gebietet keine Darlegung der Rechtsauffassung in Einzelheiten. Das Amtsgericht Münster hat den Parteien seine Auffassung bekannt gegeben, der Streitwert liege höher als durch die Kläger angenommen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine solche ist, wie ausgeführt, nur pauschal erfolgt. Wenn die Kläger die Gelegenheit, ihre Rechtsauffassung zu begründen und deren Grundlage darzulegen, nicht genutzt haben, begründet dies jedoch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I. Auf Antrag der Klägerin hat das Amtsgericht H. gegen die Beklagte einen Mahnbescheid wegen angeblicher Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich im Bezirk des Amtsgerichts W. ereignet hat, erlassen. Nach Widerspruchserhebung durch die Beklagte ist der Rechtsstreit am 18. Februar 2002 an das Amtsgericht S. abgegeben worden. Die Klägerin hat im Mahnantrag dieses Gericht, in dessen Bezirk die Beklagte ihren Sitz hat, als für ein streitiges Verfahren zuständig bezeichnet.
Das Amtsgericht S. hat am 27. Februar 2002 ein Schreiben an die Klägerin mit folgendem Zusatz verfügt: "Sofern sich der Unfall nicht im Bereich der Zuständigkeit des Amtsgerichts S. ereignet hat und Verweisung an das Gericht des Unfallorts beantragt wird, möge erklärt werden, ob die Verweisung im schriftlichen Verfahren erfolgen kann." Daraufhin hat die Klägerin die
Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht W. beantragt. Sie hat sich dabei auf einen gleichlautenden, mit Telefax vom 25. Februar 2002 beim Amtsgericht H. eingereichten Antrag bezogen. Auf Befragen hat die Beklagte kei- ne Einwände gegen eine Verweisung im schriftlichen Verfahren erhoben. Daraufhin hat sich das Amtsgericht S. mit Beschluß vom 27. März 2002 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht W. verwiesen. Dieses hat die Übernahme mit Beschluß vom 22. April 2002 abgelehnt.
Das Oberlandesgericht S. , dem das Amtsgericht S. die Sache gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung vorgelegt hat, hält den Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts S. für bindend und somit die Zuständigkeit des Amtsgerichts W. für gegeben. Dem stehe die Angabe im Mahnbescheid, das streitige Verfahren solle vor dem Amtsgericht S. durchgeführt werden, nicht entgegen. Zwar sei gemäß § 696 Abs. 1 Satz 1, § 700 Abs. 3 Satz 1 ZPO eine Korrektur der im Mahnantrag getroffenen Zuständigkeitswahl nur durch übereinstimmendes, bereits vor der Abgabe an das Empfangsgericht erklärtes Verlangen der Parteien möglich. Der Verweisungsbeschluß entbehre jedoch auch im vorliegenden Fall, in dem die übereinstimmenden Erklärungen erst nach der Abgabe erfolgten, nicht jeder rechtlichen Grundlage und sei daher nicht willkürlich.
Weil sich das Oberlandesgericht hierbei in Widerspruch zu einer Rechtsauffassung sieht, die in Entscheidungen des Oberlandesgerichts Schleswig (MDR 2001, 50) und des Bayerischen Obersten Landesgerichts (MDR 1994, 94) vertreten wird, hat es die Sache gemäß § 36 Abs. 3 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II. Auf Grund der zulässigen Divergenzvorlage ist das Amtsgericht S. als zuständiges Gericht zu bestimmen.
1. Die in § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO genannten Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung liegen vor. Das Amtsgericht S. , in dessen Bezirk die Beklagte ihren Sitz hat und das deshalb - wegen Fehlens eines abweichenden ausschließlichen Gerichtsstands - gemäß §§ 12, 17 ZPO für den Rechtsstreit örtlich zuständig ist, hat sich durch einen gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbaren Beschluß für unzuständig erklärt. Das Amtsgericht W. hat im Beschlußweg die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Das genügt, um zur Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu gelangen (BGHZ 102, 338, 339 f.).
2. Das Amtsgericht S. ist für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig.
a) Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts S. wird durch die nach § 32 ZPO bestehende konkurrierende örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts W. nicht berührt. Der Klägerin stand insoweit ein Wahlrecht im Sinne des § 35 ZPO zu. Davon hat sie dadurch Gebrauch gemacht, daß sie in dem Mahnantrag das örtlich zuständige Amtsgericht S. gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO als das für ein streitiges Verfahren zuständige Gericht bestimmt hat. Seit der Neufassung dieser Vorschrift durch das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Rechtspflegevereinfachungsgesetz vom 17. Dezember 1990 (BGBl I, 2847) muß nicht mehr zwingend der allgemeine Gerichtsstand des Antragsgegners als zuständiges Gericht angeben werden. Daher gibt es heute
keinen Grund mehr für die zum früheren Recht vertretene Auffassung, wonach diese Angabe keine Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen bedeute und das Wahlrecht daher noch im Verlauf des weiteren Verfahrens ausgeübt werden könne.
Die Parteien hätten zwar übereinstimmend verlangen können, daß das Verfahren vom Mahngericht, dem Amtsgericht H. , nicht an das Amtsgericht S. , sondern an ein anderes Gericht abgegeben werde (§ 696 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz ZPO). Ein solcher übereinstimmender Antrag ist jedoch beim Mahngericht bis zur Abgabe an das Amtsgericht S. nicht eingegangen. Nach deren Vollzug ist die von der Klägerin getroffene Wahl unwiderruflich und verbindlich (Sen.Beschl. v. 19.01.1993 - X ARZ 845/92, NJW 1993, 1273).
b) Das Amtsgericht S. konnte den Rechtsstreit demgemäß nicht an das Amtsgericht W. verweisen. Eine Verweisung kommt nur dann in Betracht, wenn bei dem Gericht, bei dem die Sache rechtshängig ist, ein Gerichtsstand nicht eröffnet ist. Dies gilt auch, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Rechtshängigkeit erst durch Abgabe gemäß § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO begründet wurde. Zwar wird das Gericht, an das der Rechtsstreit abgegeben wird, durch diese Abgabe nicht in gleicher Weise wie durch eine Verweisung wegen fehlender Zuständigkeit nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO gebunden (vgl. § 696 Abs. 5 ZPO); es hat vielmehr seine Zuständigkeit nach den allgemeinen Vorschriften zu prüfen. Eine Verweisung ist ihm danach jedoch nur im Fall seiner Unzuständigkeit eröffnet; ist es - wie hier - zumindest auch für die Entscheidung zuständig, scheidet eine Verweisung aus.
c) Dem Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts S. kommt auch keine Bindungswirkung zu.
Zwar sind im Interesse der Prozeßökonomie und zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten und dadurch bewirkten Verzögerungen und Verteuerungen des Verfahrens Verweisungsbeschlüsse gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbar. Dies entzieht auch einen sachlich zu Unrecht ergangenen Verweisungsbeschluß und die diesem Beschluß zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung (BGHZ 102, 338, 340; BGH, Beschl. v. 08.04.1992 - XII ARZ 8/92, NJW-RR 1992, 902 f.; Sen.Beschl. v. 22.06.1993 - X ARZ 340/93, NJW 1993, 2810).
Nach ständiger Rechtsprechung kommt einem Verweisungsbeschluß jedoch dann keine Bindungswirkung zu, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann (RGZ 119, 379, 384; BGHZ 2, 278, 280), etwa weil er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht oder weil er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muß (BGHZ 71, 69, 72 ff.; BGH, Beschl. v. 04.12.1991 - XII ARZ 29/91, NJW-RR 1992, 383; Sen.Beschl. v. 09.07.2002 - X ARZ 110/02, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht S. den Parteien zwar rechtliches Gehör gewährt. Dem Beschluß haftet jedoch ein schwerwiegender Rechtsfehler an, der ihn als willkürlich erscheinen läßt. Zwar läßt der Beschluß jegliche Begründung vermissen; der rechtliche Ausgangspunkt des Amtsgerichts ist aber aus dem Akteninhalt, insbesondere aus der Verfügung vom 27. Februar 2002, deutlich zu erkennen. Das Gericht ist offensichtlich davon
ausgegangen, trotz seiner eigenen örtlichen Zuständigkeit könne die Klägerin auch noch nach Abgabe der Sache durch das Mahngericht ein anderes zuständiges Gericht wählen, weshalb auf entsprechenden Antrag die Verweisung an dieses Gericht auszusprechen sei. Sonst hätte das Amtsgericht nicht der Klägerin von sich aus anheimgestellt, einen Verweisungsantrag zu stellen.
Dem dahinter stehenden Rechtsstandpunkt ist jedenfalls durch die Neufassung des § 696 Abs. 1 Nr. 5 ZPO die Grundlage entzogen worden. Diese mit der Rechtsänderung verbundene Folge hat das Gericht entweder nicht zur Kenntnis genommen oder es war nicht gewillt, sich an die Änderung der gesetzlichen Voraussetzungen einer Verweisung im Mahnverfahren zu halten. Jedenfalls lassen sich aus der Akte keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß sich das Amtsgericht mit der geltenden Rechtslage auseinandergesetzt und nach Gründen für die Zulässigkeit einer Verweisung gesucht haben könnte.
Unter diesen Umständen kann der Verweisungsbeschluß nicht hingenommen werden. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist eine Verweisung willkürlich, wenn ein Gericht eine bereits vor längerer Zeit vorgenommene Gesetzesänderung , mit der gerade solche Verweisungen unterbunden werden sollen, offenbar nicht zur Kenntnis genommen hat (Sen.Beschl. v. 19.01.1993 - X ARZ 845/92, NJW 1993, 1273). Dies gilt in besonderem Maße, wenn die betreffende Gesetzesänderung - wie im vorliegenden Fall - bereits mehr als zehn Jahre zurückliegt und ihre Konsequenzen für die Verweisung des Rechtsstreits nach § 281 ZPO in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur ausführlich erörtert worden sind. Nicht minder schwerwiegend wäre der Gesetzesverstoß , wenn das Gericht das geänderte Gesetz zwar gekannt, sich jedoch ohne weiteres darüber hinweggesetzt haben sollte. Aus diesem Grund kann
der Verweisungsbeschluß schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden.
Auch der Umstand, daß die Klägerin einen Verweisungsantrag gestellt hat und die Beklagte mit der Verweisung einverstanden gewesen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Wenn das Gericht durch die Verweisung des Rechtsstreits einem übereinstimmenden Verlangen beider Parteien entspricht, kann dies zwar nach teilweise vertretener Auffassung in manchen Fällen geeignet sein, einen rechtsfehlerhaft zustandegekommenen Verweisungsbeschluß nicht willkürlich erscheinen zu lassen (BGH, Beschl. v. 23.03.1988 - IVb ARZ 8/88, FamRZ 1988, 943; OLG Koblenz, OLG-Report 1997, 74 f.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 696 Rdn. 9a). Dies kann aber jedenfalls dann nicht gelten, wenn ein unzweifelhaft zuständiges Gericht die Parteien, die sich bislang zur Frage einer Verweisung noch nicht geäußert haben, von sich aus auf die angeblich bestehende Möglichkeit einer Verweisung hinweist. Wenn die Parteien daraufhin die Verweisung beantragen bzw. sich mit ihr einverstanden erklären, liegt die Annahme nicht fern, daß sie durch die rechtlich unzutreffende Information dazu veranlaßt worden sind. Schon aus diesem Grund sind die Erklärungen der Parteien nicht geeignet, der rechtswidrigen Verweisung den Willkürcharakter zu nehmen.
Melullis Jestaedt RiBGH Scharen ist urlaubsbedingt ortsabwesend und daher gehindert zu unterschreiben Melullis
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(1) Wird durch Widerklage oder durch Erweiterung des Klageantrages (§ 264 Nr. 2, 3) ein Anspruch erhoben, der zur Zuständigkeit der Landgerichte gehört, oder wird nach § 256 Abs. 2 die Feststellung eines Rechtsverhältnisses beantragt, für das die Landgerichte zuständig sind, so hat das Amtsgericht, sofern eine Partei vor weiterer Verhandlung zur Hauptsache darauf anträgt, durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das Landgericht zu verweisen.
(2) Die Vorschriften des § 281 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 gelten entsprechend.