Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 26. Jan. 2015 - 1 VAs 70/15
Gericht
Tenor
Für den gestellten Antrag ist der Rechtsweg zum Oberlandesgericht Hamm nach den §§ 23 ff. EGGVG nicht gegeben.
Eine Entscheidung des Senats über das Wiedereinsetzungsgesuch des Antragstellers ist nicht veranlasst.
Die Sache wird gemäß § 17 a Abs. 2 GVG zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht Aachen verwiesen.
1
Gründe:
2I.
3Mit einem an die Staatsanwaltschaft Aachen gerichteten Schreiben vom 22. August 2014 begehrte der Antragsteller unter dem Zusatz „T-Stadtverordneter im Rat der Stadt X“ im Verfahren 501 Js 239/13 Auskunft über das gegen den dortigen Beschuldigten/Angeklagten geführte Strafverfahren mit der Begründung, dieser sei leitender Mitarbeiter im Stadtbetrieb X, es sei notwendig, dass die Mitglieder des Verwaltungsrates des Stadtbetriebes X Kenntnis über ein strafrechtlich relevantes Verhalten eines leitenden Mitarbeiters haben müssten.
4Der Antrag wurde mit Bescheid der Staatsanwaltschaft vom 08. September 2014 unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Gründe abgelehnt. Anschließend wandte sich der Antragsteller an das Amtsgericht Heinsberg, wies darauf hin, dass die Suchfunktion in der NRW Rechtsprechungsdatenbank für das betreffende Verfahren keinen Treffer ergeben habe und forderte die Überlassung einer Entscheidungsabschrift an. Mit Bescheid vom 30. September 2014 teilte der Direktor des Amtsgerichts Heinsberg dem Antragsteller mit, das von ihm angeforderte Urteil sei nicht veröffentlicht worden und werde auch nicht veröffentlicht; aus datenschutzrechtlichen Gründen sei es auch nicht möglich, ihm Auskunft über die Entscheidung zu erteilen. Mit weiterem Schreiben vom 12. November 2014 an das Amtsgericht Heinsberg begehrte der Antragsteller erneut die Überlassung einer Urteilsabschrift bzw. die entsprechende Veröffentlichung in der Rechtsprechungsdatenbank NRW. Dieses Begehren leitete der Direktor des Amtsgericht Heinsberg an die Staatsanwaltschaft Aachen weiter, da diese nach Abschluss des Verfahrens über die Erteilung von Auskünften und/oder Abschriften aus den Strafakten zu entscheiden habe. Gleichzeitig teilte er dem Antragsteller mit, es verbleibe dabei, dass eine Veröffentlichung der Entscheidung durch das Amtsgericht Heinsberg nicht erfolgen werde. Unter dem 09. Dezember 2014 teilte die Staatsanwaltschaft Aachen dem Antragsteller „letztmalig“ mit, dass eine Übersendung der Entscheidung auch in anonymisierter Form nicht in Betracht komme. Auf eine weitere an das Amtsgericht Heinsberg gerichtete Eingabe vom 13. Dezember 2014 teilte dessen Direktor dem Antragsteller am 23. Dezember 2014 mit, nach nochmaliger eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage verbleibe es dabei, dass die vom Antragsteller begehrte Entscheidung nicht veröffentlicht werde, da die Anonymität der dem Antragsteller namentlich bekannten „Beteiligten“ nicht mehr gewahrt sei. Auf die hiergegen gerichtete erneute Einwendung des Antragstellers vom 27. März 2015 teilte der Direktor des Amtsgerichts Heinsberg unter dem 13. April.2015 mit, es verbleibe abschließend bei der Entscheidung, dass eine Veröffentlichung der angeforderten Entscheidung nicht erfolgen werde.
5Hiergegen richtet sich der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung vom 22. September 2015, mit welchem er beantragt, das Amtsgericht Heinsberg zu verpflichten, ihm die in Rede stehende Entscheidung anonymisiert zuzustellen oder in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE zu veröffentlichen. Eine entsprechende Verpflichtung ergebe sich insbesondere aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 1997 (6 C 3/96). Gleichzeitig begehrt er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Antragstellung mit der Begründung, dass ihm mit dem Bescheid des Amtsgerichts Heinsberg eine Rechtsmittelbelehrung nicht erteilt worden sei.
6Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zurückzuweisen.
7II.
8Für den Antrag auf Überlassung einer anonymisierten Urteilsabschrift bzw. deren Einstellung in die Rechtsprechungsdatenbank NRW ist der Rechtsweg nach den §§ 23 ff. EGGVG nicht gegeben.
9Gemäß § 23 Abs. 3 EGGVG ist der Rechtsweg gemäß § 23 Abs. 1 GVG zunächst subsidiär, soweit anderweitige Rechtsbehelfe zu den ordentlichen Gerichten zur Verfügung stehen.
10Soweit der Antragsteller die Übersendung einer – anonymisierten – Urteilsabschrift begehrt, handelt es sich (zumindest auch) um einen Unterfall begehrter Auskünfte bzw. Akteneinsicht zu einem Strafverfahren durch Privatpersonen, vgl. § 477 Abs. 1 StPO. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen in Strafsachen Auskunft und Akteneinsicht an Privatpersonen gewährt werden kann, ist in § 475 StPO geregelt. Danach entscheidet nach Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft über die Gewährung von Akteneinsicht, auf welche lediglich bei Vorliegen eines berechtigten Interesses ein Anspruch besteht. Im Fall einer ablehnenden Entscheidung richten sich die Rechtsmittelmöglichkeiten nach der Vorschrift des § 478 Abs. 3 StPO; ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß der §§ 23 ff. EGGVG ist in derartigen Fällen dementsprechend ausgeschlossen. Frühere Rechtsprechung, nach welcher die Verpflichtung zur Überlassung anonymisierter Entscheidungsabschriften aus Strafverfahren dem Bereich des Verfahrens gemäß § 23 EGGVG zuzuordnen war (vgl. z.B. OLG Celle, Beschluss vom 12. Juni 1990 – 1 VAs 4/90 – juris) ist durch die Einführung der Vorschriften der §§ 474 ff. StPO und des Rechtsweges gemäß § 478 Abs. 3 StPO durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts – Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (StVÄG 1999) vom 02. August 2000 gegenstandslos geworden.
11Soweit das Begehren des Antragstellers auf eine anonymisierte Veröffentlichung der Entscheidung in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE durch das Gericht – und (wie mit ergänzendem Schriftsatz vom 10. Dezember 2015 ausdrücklich hervorgehoben) lediglich alternativ hierzu entsprechend den Hinweisen auf der Internetseite der Rechtsprechungsdatenbank NRWE auf Übersendung einer anonymisierten Entscheidung – gerichtet ist, ist der Rechtsweg gemäß § 23 EGGVG ebenfalls nicht eröffnet, sondern vielmehr der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 VwGO gegeben.
12Die nach Bewertung des Senats letztlich auf den Leitgedanken des Informationsfreiheitsgesetzes NRW (IFG NRW) beruhende und mit Erlass des Justizministeriums Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2003 (1544 JK .17) normierte Verpflichtung aller Gerichte in Nordrhein-Westfalen, ihre Entscheidungen, an denen ein öffentliches Interesse besteht, in die Rechtsprechungsdatenbank NRW einzustellen, betrifft die allgemeine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und mithin das allgemeine Verwaltungshandeln der Gerichte. Das jeweilige auf die Einstellung einer anonymisierten Entscheidung in die Rechtsprechungsdatenbank NRW gerichtete Handeln der Gerichte erfolgt nach den zugrunde Regelungen bzw. Anordnungen sowie nach der tatsächlichen Handhabung unabhängig von den etwa für die Gewährung von Akteneinsicht jeweils geltenden speziellen Regelungen der Straf- bzw. Zivilprozessordnung und stellt zumindest im Hinblick auf ein entsprechendes Begehren eines nicht Verfahrensbeteiligten keinen speziellen Justizverwaltungsakt als Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet der Strafrechtspflege im Sinne des § 23 EGGVG dar (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 14. April 1988 – 3 C 65/85 – juris).
13Bei der Frage, ob gegebenenfalls aus der entsprechenden ministeriellen Anordnung zur Einstellung von Entscheidungsabschriften in die Rechtsprechungsdatenbank ein entsprechendes unmittelbares subjektiv-öffentliches Recht des Antragstellers auf Veröffentlichung resultiert oder sich der von ihm geltend gemachte Anspruch gegebenenfalls aus § 4 Abs. 1 IFG NRW herleiten lässt, handelt es sich dementsprechend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 VwGO.
14Die Sache war daher nach der hierzu erfolgten Anhörung des Betroffenen gemäß § 17 a Abs. 2 GVG an das zuständige Verwaltungsgericht Aachen zu verweisen. Diesem bleibt auch gemäß § 17 b Abs. 2 GVG eine Kostenentscheidung vorbehalten.
15Mit der gebotenen Verweisung infolge Unzulässigkeit des gewählten Rechtsweges entfällt auch die Notwendigkeit einer Entscheidung des Senats über das Wiedereinsetzungsgesuch des Antragstellers, über welches ebenfalls nach verwaltungsprozessualen Grundsätzen zu entscheiden sein wird.
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Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfaßt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit sie nicht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten zugewiesen sind:
- 1.
Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von fünftausend Euro nicht übersteigt; - 2.
ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes: - a)
Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses; diese Zuständigkeit ist ausschließlich; - b)
Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirten, Fuhrleuten, Schiffern oder Auswanderungsexpedienten in den Einschiffungshäfen, die über Wirtszechen, Fuhrlohn, Überfahrtsgelder, Beförderung der Reisenden und ihrer Habe und über Verlust und Beschädigung der letzteren, sowie Streitigkeiten zwischen Reisenden und Handwerkern, die aus Anlaß der Reise entstanden sind; - c)
Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes; diese Zuständigkeit ist ausschließlich; - d)
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(1) Von Amts wegen dürfen personenbezogene Daten aus Strafverfahren Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichten für Zwecke der Strafverfolgung sowie den zuständigen Behörden und Gerichten für Zwecke der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten übermittelt werden, soweit diese Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle hierfür erforderlich sind.
(2) Eine von Amts wegen erfolgende Übermittlung personenbezogener Daten aus Strafverfahren ist auch zulässig, wenn die Kenntnis der Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist für
- 1.
die Vollstreckung von Strafen oder von Maßnahmen im Sinne des § 11 Absatz 1 Nummer 8 des Strafgesetzbuches oder für die Vollstreckung oder Durchführung von Erziehungsmaßregeln oder von Zuchtmitteln im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes, - 2.
den Vollzug von freiheitsentziehenden Maßnahmen oder - 3.
Entscheidungen in Strafsachen, insbesondere über die Strafaussetzung zur Bewährung oder deren Widerruf, oder in Bußgeld- oder Gnadensachen.
(1) Für eine Privatperson und für sonstige Stellen kann unbeschadet des § 57 des Bundesdatenschutzgesetzes ein Rechtsanwalt Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. Auskünfte sind zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.
(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann Akteneinsicht gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern oder nach Darlegung dessen, der Akteneinsicht begehrt, zur Wahrnehmung des berechtigten Interesses nicht ausreichen würde.
(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 können amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigt werden.
(4) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 können auch Privatpersonen und sonstigen Stellen Auskünfte aus den Akten erteilt werden.
Auskünfte nach den §§ 474 bis 476 und Datenübermittlungen von Amts wegen nach § 477 können auch durch Überlassung von Kopien aus den Akten erfolgen.
(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.
(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.
(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.
(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.
(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.
(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.