Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 27. Nov. 2013 - VII-Verg 20/13
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 19. Juli 2013 (VK 1-54/13) aufgehoben.
Den Antragsgegnerinnen wird untersagt, im Vergabeverfahren „dreigleisiger Ausbau der Bahnstrecke Freilassing - Salzburg, Strecke 5703 km 81,19 bis 82,9“ einen Zuschlag zu erteilen.
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer werden zur Hälfte den Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnern, zur weiteren Hälfte der Antragstellerin auferlegt.
Die Kosten des Verfahrens nach § 115 Abs. 2 GWB haben die Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldner zu tragen.
Die der Antragstellerin und den Antragsgegnerinnen im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen Aufwendungen werden gegeneinander aufgehoben.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB werden zur Hälfte den Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnern und im Übrigen der Antragstellerin auferlegt.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 1.050.000 Euro
1
G r ü n d e :
2I. Die Antragsgegnerinnen lassen durch die der Deutschen Bahn angehörige Vergabestelle aufgrund unionsweiter Bekanntmachung vom März 2013 ein offenes Verfahren zur Vergabe des aus zahlreichen Bauleistungen bestehenden dreigleisigen Ausbaus der Bahnstrecke Freilassing - Salzburg durchführen, und zwar eines Teilstücks zwischen Kilometern 81,9 und 82,9. Der Planfeststellungsbeschluss nach § 18 AEG ist am 9. April 2013 durch das Eisenbahn-Bundesamt ergangen und sofort vollziehbar. Die Antragstellerin (eine aus zwei Gesellschaftern bestehende Bietergemeinschaft) die Beigeladene sowie weitere Bieter reichten Angebote ein. Dem Angebot der Antragstellerin liegt der Bietergemeinschaftsvertrag vom 19. April 2013 zugrunde, der in § 2 (Geschäftsführung und Vertretung) vorsieht:
31.1 Die BG wird gegenüber dem Auftraggeber und gegenüber Dritten durch den Gesellschafter M.A. Bau vertreten, dem auch geschäftsführend die Bearbeitung und Verfolgung des Angebots obliegt. Die übrigen Gesellschafter sind zur Mitwirkung berechtigt und verpflichtet.
41.2 Die verbindliche Angebotsabgabe bedarf der vorherigen Zustimmung aller Gesellschafter. Ebenso jede nachträgliche Änderung oder Ergänzung des Angebots, sofern es sich nicht lediglich um unwesentliche technische oder wirtschaftliche Details handelt.
5Mit Schreiben vom 7. Mai 2013 teilte die Vergabestelle der Antragstellerin mit, dass ihrem Angebot geforderte Nachweise/Erklärungen teils nicht beilägen, teils unvollständig seien. Auch die übrigen Angebote seien nicht wertbar. Infolgedessen sei beabsichtigt, das Vergabeverfahren mit den beteiligten Bietern fortzusetzen und ihnen Gelegenheit zu geben, in einem weiteren „Angebotslauf“ ein neues Angebot abzugeben. Durch Schreiben vom 8. Mai 2013 und Angebotsaufforderung vom selben Tag wurde so verfahren. Gemäß der Angebotsaufforderung soll der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot ergehen. Als Kriterien dafür waren angegeben der Preis (Angebotsendsumme) mit einer Gewichtung von 95 % und die Terminplanung mit einem Gewicht von 5 %. Nebenangebote waren zugelassen.
6Die Antragstellerin beteiligte sich an der neuen Angebotsrunde mit einem Haupt- und einem Nebenangebot. Auch die Beigeladene reichte ein Haupt- und ein Nebenangebot ein. Ein weiterer Bieter gab ein Haupt- und mehrere Nebenangebote ab. Bei der Angebotswertung kam erstmals das Hauptangebot der Beigeladenen auf den ersten Rang. Es ist etwa sieben Prozent preiswerter als ihr erstes Hauptangebot und knapp fünf Prozent preiswerter als das nächsthöhere Angebot der Antragstellerin.
7Unter dem 10. Juni 2013 informierte die Vergabestelle die Antragstellerin, dass das Angebot der Beigeladenen den Zuschlag bekommen solle. Mit späterem Schreiben vom 21. Juni 2013 an die Antragstellerin präzisierte die Vergabestelle die Bieterinformation. Mit Schreiben vom 17. Juni 2013 ließ die Antragstellerin durch ihre Anwälte erfolglos verschiedene Rügen am Vergabeverfahren anbringen. Unter dem 20. Juni 2013 ließ die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag stellen.
8Die Antragstellerin hat im Wesentlichen geltend gemacht:
9Der Ausschreibung fehle es an Vergabereife. So sei wegen eingelegter Rechtsbehelfe gegen die Planfeststellung keineswegs sicher, dass der Auftrag überhaupt ausgeführt werden könne. Die Vergabestelle habe rechtsfehlerhaft eine zweite Angebotsrunde eröffnet. Das Vergabeverfahren habe nicht aufgehoben oder unterbrochen werden dürfen. Ihr, der Antragstellerin, erstes Angebot sei allein wertbar gewesen. „Fehlende“ Erklärungen oder Nachweise hätten nachgefordert werden können. Das zweite Angebot der Beigeladenen sei ungewöhnlich niedrig und deshalb auszuschließen. Ihr, der Antragstellerin, Angebot sei fehlerhaft gewertet worden. Schließlich sei die Bieterinformation vom 10. Juni 2013 inhaltlich unzureichend gewesen. Die Antragstellerin hat insbesondere eine erneute Wertung der Angebote, hilfsweise eine Aufhebung des Vergabeverfahrens angestrebt.
10Die Antragsgegnerinnen sind dem Nachprüfungsantrag im Einzelnen entgegen getreten.
11Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag abgelehnt. Auf die Gründe der Entscheidung wird verwiesen.
12Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Prozessziel weiterverfolgt.
13Die Antragstellerin beantragt,
14unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses das Vergabeverfahren in den Stand vor der Wertung ihres, der Antragstellerin, ersten Angebots zurückzuversetzen und den Antragsgegnerinnen aufzugeben, über eine Nachforderung „fehlender“ oder unvollständiger Unterlagen in ihrem, der Antragstellerin, ersten Angebot zu entscheiden sowie den Zuschlag aufgrund der (ersten) bis zum 29. April 2013 eingereichten Angebote zu erteilen,
15hilfsweise,
16das zweite Angebot der Beigeladenen auszuschließen und den Zuschlag auf ihr, der Antragstellerin, zweites Angebot zu erteilen,
17weiterhin hilfsweise,
18die Aufhebung des Vergabeverfahrens anzuordnen.
19Die Antragsgegnerinnen beantragen,
20die Beschwerde zurückzuweisen.
21Die Antragsgegnerinnen wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigen die Entscheidung der Vergabekammer.
22Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die Anlagen sowie auf die Verfahrensakten der Vergabekammer und die beigezogenen Vergabeakten Bezug genommen.
23II. Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.
241. Die Antragstellerin ist prozessführungsbefugt. Im Beschluss vom 30. März 2005 - VII-Verg 101/04 (BA 4 f., BeckRS 2005, 04880) - hat der Senat zur Prozessführungsbefugnis eines Bietergemeinschaftsmitglieds ausgeführt:
25„Grundsätzlich ist zwar ein einzelnes Mitglied einer Bietergemeinschaft allein nicht antragsbefugt, einen Nachprüfungsantrag zu stellen. Denn im Nachprüfungsverfahren ist nach dem Wortlaut von § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB nur das Unternehmen antragsbefugt, das (unter anderem) ein Interesse am Auftrag hat. Bewirbt sich (auch in der Form eines Teilnahmeantrags zu einem nicht offenen Verfahren oder einer beschränkten Ausschreibung) eine Bietergemeinschaft um eine Auftragsvergabe, ist deshalb nur die Bietergemeinschaft dasjenige Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat und im Sinne von § 107 Abs. 2 GWB befugt ist, einen Nachprüfungsantrag zu stellen.“ Dies steht mit Unionsrecht im Einklang (vgl. EuGH, Urt. v. 6.5.2010 - C-145/08 und 149/08, Rn. 74 ff., 77).
26Im Beschluss vom 18.11.2009 - VII-Verg 19/09 - hat der Senat zur selben Problematik bemerkt:
27„Analog dem im Prozessrecht anerkannten Institut der gewillkürten Prozessstandschaft (vgl. Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 24. Aufl., vor § 50 ZPO Rn. 42 ff., 44 m.w.N.) ist auch im Vergabenachprüfungsverfahren der Antragsteller befugt, eine Verletzung fremder Bewerber- oder Bieterrechte im eigenen Namen geltend zu machen, sofern er dazu vom Berechtigten ermächtigt worden ist und ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Durchführung des Nachprüfungsverfahrens im eigenen Namen hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30. März 2005 – VII-Verg 101/04, BA 4 f.). Ein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Durchführung des Verfahrens ist anzunehmen, wenn die Entscheidung im Nachprüfungsverfahren Einfluss auf die eigene Rechtslage des Antragstellers hat“ (so ebenfalls OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 23.1.2007 - 11 Verg 11/06 - im Anschluss an die Entscheidung des Senats vom 30.3.2005; OLG Dresden, Beschl. v. 23.7.2013 - Verg 4/13 - im Anschluss an die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main).
28Die Antragstellerin kann eine Ermächtigung, das Nachprüfungsverfahren durchzuführen, vom weiteren Mitglied der Bietergemeinschaft allerdings nicht vorweisen. Im Gegenteil hat das weitere Mitglied gegenüber der Vergabekammer erklärt, die Antragstellerin verfüge über keine Vollmacht, das Nachprüfungsverfahren (auch) in seinem Namen zu betreiben. Jedoch verhalten sich die bisherigen Entscheidungen des Senats über Fallgestaltungen, in denen die Mitglieder der Bietergemeinschaft über die Geschäftsführung und die Stellvertretung im Bietergemeinschaftsvertrag keine besonderen Abreden getroffen hatten. Es galt demgemäß das Prinzip der gemeinschaftlichen Geschäftsführung und der gemeinsamen Vertretung (§ 709 BGB). Dies ist im Streitfall anders. Nach § 2 des Bietergemeinschaftsvertrags (Geschäftsführung und Vertretung) vom 19. April 2013 ist die Antragstellerin berechtigt, die Bietergemeinschaft gegenüber dem Auftraggeber und Dritten zu vertreten. Darin liegt nicht nur die ausdrückliche Verleihung einer unbeschränkten Vertretungsmacht, sondern zugleich eine Übertragung der Geschäftsführung in der Bietergemeinschaft (§ 714 BGB). Dies ist der im tatbestandlichen Teil dieses Beschlusses wiedergegebenen Vereinbarung im Weg der Auslegung zu entnehmen (§§ 133, 157 BGB). Es ergibt sich aus der Überschrift (Geschäftsführung und Vertretung) sowie aus dem Umstand, dass die Erteilung einer unbeschränkten Vertretungsmacht ohne eine gleichzeitige und deckungsgleiche Geschäftsführungsbefugnis keinen rechten Sinn hat. Gleichzeitige Einräumung von Geschäftsführungsbefugnis ist zwar nicht notwendig, in einem solchen Fall in der Regel aber gewollt und mangels entgegenstehender Anhaltspunkte darum auch im Streitfall anzunehmen. Der Zusatz in § 2 Nr. 2.1, „… dem auch geschäftsführend die Bearbeitung und Verfolgung des Angebots obliegt“, schränkt die Geschäftsführungsbefugnis der Antragstellerin nicht ein. Bestimmte Einschränkungen gehen lediglich aus § 2 Nr. 2.2 Bietergemeinschaftsvertrag hervor und betreffen die Abgabe sowie wesentliche Änderungen und Ergänzungen des Angebots, um die es hier freilich nicht geht.
29Vereinen sich bei einem Mitglied der Bietergemeinschaft, hier bei der Antragstellerin, die Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht, ist davon auch eine Prozessführung, im Streitfall die Befugnis, einen Nachprüfungsantrag im Namen der Bietergemeinschaft anzubringen, umfasst. Der Umstand, dass in einem derartigen Fall, wie hier, das weitere Mitglied der Bietergemeinschaft der Prozessführung widerspricht, hat nach außen hin keine Rechtswirkung (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 72. Aufl., 714 BGB Rn. 4; Vorbem. 1 vor § 709 BGB m.w.N.).
302. Die Ausschreibung scheitert - wie die Beschwerde meint - nicht an einer nicht vorhandenen Vergabereife. Vergabereife ist in der Sektorenverordnung, der gemäß das Vergabeverfahren durchzuführen ist, allerdings nicht ausdrücklich gefordert. Eine dahingehende Forderung findet sich nur in § 2 Abs. 5 VOB/A, 1. und 2. Abschnitt. Sie lautet dort:
31Der Auftraggeber soll erst ausschreiben, wenn alle Vergabeunterlagen fertig gestellt sind und wenn innerhalb der angegebenen Fristen mit der Ausführung begonnen werden kann.
32Dabei handelt es sich um eine vom Auftraggeber einzuhaltende Schutzvorschrift zu Gunsten der am Auftrag interessierten Unternehmen. Zur ersten Anforderung der vor einer Ausschreibung fertigzustellenden Vergabeunterlagen zählt auch die Leistungsbeschreibung (vgl. zum Beispiel § 8 Abs. 1 VOB/A-EG). In der Leistungsbeschreibung ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinn verstehen müssen und ihre Preise ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können, so dass vergleichbare Angebote zu erwarten sind. Daran wird im Streitfall von der Beschwerde nichts kritisiert.
33Zweite Voraussetzung einer Ausschreibungsreife ist, dass die rechtlichen und tatsächlichen Anforderungen an den Beginn der Leistungsausführung gegeben sind. Dazu gehört zum Beispiel eine gesicherte Finanzierung, aber nicht nur diese. Der Auftraggeber (die Vergabestelle) muss vor der Ausschreibung vielmehr alle rechtlichen - gleichviel ob privat- oder öffentlich-rechtlichen - Voraussetzungen dafür schaffen, dass mit den ausgeschriebenen Leistungen innerhalb der in den Vergabeunterlagen angegebenen Fristen begonnen werden kann (vgl. insoweit auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.9.2004 - VII-Verg 35/04, NZBau 2005, 650; Beschl. v. 17.11.2008 - VII-Verg 52/08, BeckRS 2009, 05996; so auch Wagner-Cardenal/Scharf/Dierkes, NZBau 2012, 74, 75 f.). Bieter dürfen darauf vertrauen, dass der Auftraggeber das Vergabeverfahren zulässigerweise mit einem Zuschlag beenden kann und wird. Und dass dies innerhalb der überschaubaren zeitlichen Frist geschehen kann, die für den Zuschlag in Vergabeverfahren im Allgemeinen zu gelten hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.12.2009 - VII-Verg 39/09, Stadtschloss Berlin m.w.N.; OLG Koblenz, Beschl. v. 21.1.2011 - 1 Verg 35/11; OLG Naumburg, Beschl. v. 18.8.2011 - 2 Verg 3/11). Sofern die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass die ausgeschriebenen Leistungen fristgemäß aufgenommen werden können, nicht gegeben sind, ist dies nicht gewährleistet. Das dient - wie gesagt - dem Schutz der am Auftrag interessierten Unternehmen. So können die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen einer Ausschreibung auch die Angebotsbindefristen berühren. Sind die Voraussetzungen nicht gesichert, und zwar weil der Auftraggeber ihn treffende notwendige Vorbereitungen nicht erbracht hat, können sich die am Auftrag interessierten Unternehmen zum Beispiel tatsächlichen Zwängen ausgesetzt sehen, sich an Angebotspreise zu binden, obwohl die preisliche Entwicklung inzwischen darüber hinweggegangen ist. Dies kennzeichnet Vergabereife der Sache nach als einen Umstand, der vom Auftraggeber in jedem Vergabeverfahren vor der Ausschreibung (Bekanntmachung) herzustellen ist, gleichviel, welchem Rechtsregime das Verfahren unterliegt und ob die jeweilige Verfahrensordnung, hier die SektVO, dies ausdrücklich bestimmt.
34Im vorliegenden Fall ist Vergabereife zu bejahen. Die Vergabestelle hat sich bei der Ausschreibung auf die vorliegende Planfeststellung des Eisenbahn-Bundesamts vom 9. April 2013 gestützt. Sie ist sofort vollziehbar und darf durch die Ausschreibung ausgeführt werden. Die Beschwerde hat nicht vorgetragen, die Planfeststellung oder ihre Vollziehbarkeit seien bestands- oder rechtskräftig aufgehoben oder eingeschränkt worden. Auf dagegen im vorliegenden Fall eingelegte Rechtsbehelfe, über die instanzenabschließend noch nicht entschieden worden ist, kommt es nicht an. Im Vergabenachprüfungsverfahren ist generell kein „In-sich“-Prozess über die Rechtmäßigkeit von Planfeststellungsentscheidungen zu führen, deren Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht komplex gelagert ist, einen besonderen Sachverstand erfordert und deshalb nicht ohne Grund den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit übertragen ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.6.2012 - VII-Verg 7/12 - zur Überprüfung von Kartellrechtsverstößen im Vergabenachprüfungsverfahren). Dies widerspricht dem Zweck von Vergabeverfahren.
353. Das Vergabeverfahren ist von der Vergabestelle rechtsfehlerfrei, vor allem transparent und diskriminierungsfrei, in eine zweite Angebotsrunde zurückversetzt worden. Dazu war die Vergabestelle rechtlich befugt, was vom Bundesgerichtshof zugelassen worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2006 - X ZB 14/06, Rn. 23; genauso die ständige Rspr. des Senats), so dass (etwa wegen einer Abweichung von der Entscheidung des OLG Dresden, Beschl. v. 23.7.2013 - Verg 2/13) eine Divergenzvorlage nach § 124 Abs. 2 GWB nicht veranlasst ist. Der Umstand, dass diese Befugnis des Auftraggebers der Prozessvertretung der Antragstellerin selbst in der Beschwerdeinstanz anscheinend unbekannt ist (vgl. die Rechtsausführungen im nachgereichten Schriftsatz vom 6.11.2013, S. 12 unten), schließt die von der Vergabekammer angenommene Präklusion des gegen die Eröffnung einer zweiten Angebotsrunde gerichteten Vorbringens der Antragstellerin nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB aus. Die Vergabekammer hat Kenntnis der Antragstellerin von einem Vergaberechtsverstoß vorschnell angenommen (vgl. zu den Anforderungen an eine Präklusion nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nach wie vor BGH, Beschl. v. 26.9.2006 - X ZB 14/06, Rn. 35).
36Im Streitfall sind sämtliche Angebote wegen formaler Mängel auszuschließen gewesen. Sie haben unstreitig den Ausschreibungsbedingungen nicht entsprochen. Das rechtfertigt nach allgemeinen Vergabegrundsätzen, aber auch gemäß § 30 Satz 1 SektVO, eine Aufhebung oder teilweise Rückversetzung des Vergabeverfahrens. Das erste Angebot der Bietergemeinschaft, der die Antragstellerin angehört, war unvollständig und auszuschließen, ohne einer Nachforderung nach § 19 Abs. 3 SektVO zugänglich zu sein. Die Antragstellerin hat eingeräumt, in den einen Geräteeinsatz betreffenden Angebotsanlagen 4.6 und 4.7 nicht alle geforderten Angaben gemacht zu haben (Anlage BF 7). Das ließ keine Nachforderung zu. Eine solche ist nur bei körperlich „fehlenden“ - oder wie es in § 19 Abs. 3 SektVO heißt: bei „nicht vorgelegten“ - Erklärungen oder Nachweisen (oder bei Wirksamkeitsmängeln) zugelassen, nicht aber bei solchen, die, wie im Fall der Antragstellerin, tatsächlich vorgelegt und nur inhaltlich unvollständig sind (vgl. z.B. OLG Koblenz, Beschl. v. 30.3.2012 - 1 Verg 1/12, ebenso ständige Rechtsprechung des Senats). Die Antragstellerin hat insoweit keine Rechtsverletzung erlitten. Die Vergabestelle ist transparent und frei von Diskriminierung vorgegangen. Es sind alle beteiligten Bieter benachrichtigt und zugezogen worden.
374. Die Vergabestelle hat indes unzulässige Zuschlagskriterien verwendet.
38a) Dem Senat ist bekannt, dass öffentlichen Auftraggebern im Sinn einer „Ausweichstrategie“ gegen die zur Zulässigkeit von Nebenangeboten bei Niedrigstpreisvergaben ergangene Entscheidung des Senats vom 18. Oktober 2010 - VII-Verg 39/10 (und des OLG Jena v. 16.9.2013 - 9 Verg 3/13) - von beteiligten Kreisen mindestens dazu geraten wird, die Bestimmungen der Art. 53 Abs. 1 und 24 Abs. 1 Richtlinie 2004/18/EG (und die im Streitfall maßgebenden, gleichlautenden Art. 55 Abs. 1 sowie Art. 36 Abs. 1 Richtlinie 2004/17/EG) so zu interpretieren und anzuwenden, dass beim Zuschlagskriterium des wirtschaftlichsten Angebots der niedrigste Preis mit 90 oder mehr Prozentpunkten gewertet und daneben zu einem vergleichsweise geringen Prozentsatz ein weiteres Kriterium (beispielsweise die Terminplanung oder der technische Wert) festgelegt werden soll, welches qualitative Elemente aufweist, dies mit dem Ziel, aus einer „Nahezu-Niedrigstpreisvergabe“ beanstandungsfrei eine solche nach dem wirtschaftlich günstigsten Angebot werden zu lassen. In der Entscheidung vom 21.Mai 2012 - VII-Verg 3/12 (BA 5) - hat der Senat rechtliche Bedenken an einem solchen Vorgehen erkennen lassen, die auf zwei älteren Beschlüssen des OLG Dresden und des OLG Düsseldorf beruhen.
39Im Beschluss vom 5. Januar 2001 - WVerg 11/00 (VergabeR 2001, 42) - hatte das OLG Dresden mit einer Ausschreibung nach dem Kriterium des wirtschaftlichsten Angebots zu tun, wobei sich jedoch herausstellte, dass der verwendeten Matrix zufolge der Angebotspreis mit weniger als 2 Prozent die Zuschlagsentscheidung beeinflusste. Dies ist vom OLG Dresden (a.a.O. 44) beanstandet worden. Bei einer Auftragsvergabe nach dem wirtschaftlich günstigsten Angebot sei vom Auftraggeber sicherzustellen, dass der Preis ein wichtiges, die Vergabeentscheidung substantiell beeinflussendes Entscheidungskriterium bleibe und nicht bis zur Bedeutungslosigkeit marginalisiert werde. Ein Wertungsanteil von 30 Prozent beim Angebotspreis solle regelmäßig nicht unterschritten werden. Dies hat das OLG Dresden aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 97 Abs. 5 GWB) abgeleitet.
40In der Entscheidung vom 29. Dezember 2001 - Verg 22/01 (VergabeR 2002, 267) - hat der Senat zwar keine der Wertung des Preises geltende feste Prozentmarge gefordert, sich die grundsätzliche Beurteilung durch das OLG Dresden aber zu Eigen gemacht (OLG Düsseldorf a.a.O. 274): Beim Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot sei der Angebotspreis neben anderen Merkmalen ein bedeutendes Kriterium der Angebotswertung, welches - negativ ausgedrückt - nicht am Rande der Bewertung stehen dürfe, mit der Folge, dass der Zuschlag losgelöst von preislichen Überlegungen erteilt werden könne. Der Auftraggeber habe den Preis in ein angemessenes Verhältnis zu den übrigen Wirtschaftlichkeitskriterien zu bringen.
41In dem der Entscheidung des Senats vom 21. Mai 2012 - VII-Verg 3/12 - zugrundeliegenden Fall sollte der Preis neben anderen Wirtschaftlichkeitskriterien mit 50 Prozent gewertet werden. Dies hat der Senat gebilligt (BA 5). Von den genannten Entscheidungen ist in der Rechtsprechung der Obergerichte, insbesondere der Vergabesenate, soweit zu erkennen bislang nicht abgewichen worden.
42b) Im Streitfall verhält es sich umgekehrt: Die Vergabestelle hat beim Zuschlagskriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebots nicht den Preis, sondern die anderen, der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots geltenden Kriterien auf ein unbedeutendes Maß herabgestuft (nämlich auf 5 Prozent). Da die vorgegebene Terminplanung von den Bietern eingehalten worden ist, richtete sich die Vergabeentscheidung faktisch allein nach dem Angebotspreis. Durch die Terminplanung war die Preiswertung praktisch und in der Regel kaum mehr umzukehren. Das Kriterium der Terminplanung hatte nurmehr eine „Alibifunktion“. Das ist vergaberechtlich unzulässig und geht vice versa aus den genannten Entscheidungen des OLG Dresden und des OLG Düsseldorf hervor. Daran hält der Senat fest. Dies hat mit der Zulässigkeit und Zulassung von Nebenangeboten nichts zu tun und löst darum ebenso wenig eine Vorlagepflicht an den Bundesgerichtshof oder eine Verpflichtung des Senats zu einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union aus. Die Vergabestelle hat schlichtweg unzulässige Zuschlagskriterien verwendet.
43Infolgedessen hat die Vergabestelle gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz des § 97 Abs. 5 GWB verstoßen, jedoch auch gegen das Prinzip, dass sich der Auftraggeber vergaberechtlich an die von ihm selbst festgelegten Wertungskriterien, sofern die Ausschreibungsbedingungen nicht zulässigerweise geändert worden sind (was im Streitfall nicht geschehen ist), gebunden halten muss. So hat die Vergabestelle in der Vergabebekanntmachung angegeben:
44Zuschlagskriterien
45das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien, die in den Ausschreibungsunterlagen, der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder zur Verhandlung aufgeführt sind.
46In der Angebotsaufforderung ist festgelegt worden:
47Für die Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots gelten folgende Kriterien:
48Es folgten die Angaben: Preis mit der Gewichtung von 95 Prozent und Terminplanung mit 5 Prozent. Dies entsprach aber nicht mehr der Festlegung auf das wirtschaftlich günstigste Angebot.
49c) Rechtsfolge ist, dass das bisherige Vergabeverfahren keine Grundlage für einen Zuschlag ist. Zuvor sind die Wertungskriterien in ein angemessenes Verhältnis zueinander zu bringen. Wenn die Vergabestelle das Vergabeverfahren mit einem Zuschlag abschließen will, sind die Zuschlagskriterien zu erneuern.
505. Weitere Streitfragen zwischen den Verfahrensbeteiligten müssen nicht entschieden werden (Bindefristfragen; ungewöhnlich niedriges Angebot der Beigeladenen; unzureichende Bieterinformation nach § 101a Abs. 1 GWB - diese hat die Vergabestelle im Übrigen unter dem 21. Juni 2013 im Übrigen hinreichend ergänzt). Sie wirken sich auf die Entscheidung nicht aus, weil den am Auftrag interessierten Unternehmen nach Untersagung des Zuschlags und gegebenenfalls Änderung der Wertungskriterien von der Vergabestelle Gelegenheit zu geben ist, neue Angebote einzureichen.
51Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung von den Verfahrensbeteiligten eingereichten Schriftsätze geben keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung entsprechend § 156 ZPO wiederzueröffnen.
52Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 und 4 GWB sowie auf den §§ 78, 120 Abs. 2 GWB, die Streitwertfestsetzung auf § 50 Abs. 2 GKG. Dass die Antragstellerin mit dem in erster wie in zweiter Instanz hauptsächlich verfolgten Prozessziel, auf ihr erstes Angebot den Zuschlag zu erlangen, nicht durchgedrungen ist, sondern weiterhin einem Bieterwettbewerb ausgesetzt sein wird, wirkt sich bei der Kostenentscheidung als ein erhebliches Unterliegen aus, das der Senat nach seinem Ermessen mit 50 Prozent bewertet. Die Kosten des Verfahrens nach § 115 Abs. 2 GWB haben die Antragsgegnerinnen aufgrund der Antragsrücknahme allein zu tragen. Die Beigeladene ist in die Kostenentscheidung nicht einzubeziehen, weil sie sich am Nachprüfungsverfahren nicht beteiligt hat.
53Dicks Brackmann Barbian
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Dieser Abschnitt ist anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und die Ausrichtung von Wettbewerben durch öffentliche Auftraggeber.
(1) Öffentliche Auftraggeber können das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Unternehmen vorbehalten, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, oder bestimmen, dass öffentliche Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchzuführen sind.
(2) Voraussetzung ist, dass mindestens 30 Prozent der in diesen Werkstätten oder Unternehmen Beschäftigten Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Personen sind.
(1) Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließlich der Bahnfernstromleitungen dürfen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Für das Planfeststellungsverfahren gelten die §§ 72 bis 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Maßgabe dieses Gesetzes. Wird eine bestehende Betriebsanlage einer Eisenbahn erneuert, liegt nur dann eine Änderung im Sinne von Satz 1 vor, wenn der Grundriss oder der Aufriss der Betriebsanlage oder beides wesentlich geändert wird. Eine wesentliche Änderung des Grundrisses oder Aufrisses einer Betriebsanlage im Sinne von Satz 4 liegt insbesondere nicht vor, wenn sie im Zuge des Wiederaufbaus nach einer Naturkatastrophe erforderlich ist, um diese vor Naturereignissen zu schützen, und in einem räumlich begrenzten Korridor entlang des Trassenverlaufs erfolgt.
(1a) Für folgende Einzelmaßnahmen, die den Bau oder die Änderung von Betriebsanlagen einer Eisenbahn vorsehen, bedarf es keiner vorherigen Planfeststellung oder Plangenehmigung, sofern keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht:
- 1.
die Ausstattung einer bestehenden Bahnstrecke mit einer Oberleitung einschließlich dafür notwendiger räumlich begrenzter baulicher Anpassungen, insbesondere von Tunneln mit geringer Länge oder von Kreuzungsbauwerken, - 2.
die im Rahmen der Digitalisierung einer Bahnstrecke erforderlichen Baumaßnahmen, insbesondere die Ausstattung einer Bahnstrecke mit Signal- und Sicherungstechnik des Standards European Rail Traffic Management System (ERTMS), - 3.
der barrierefreie Umbau, die Erhöhung oder die Verlängerung von Bahnsteigen, - 4.
die Errichtung von Lärmschutzwänden zur Lärmsanierung, - 5.
die Herstellung von Überleitstellen für Gleiswechselbetriebe, - 6.
die Herstellung von Gleisanschlüssen bis 2 000 Meter und von Zuführungs- und Industriestammgleisen bis 3 000 Meter.
(2) Ist das Planfeststellungsverfahren eingeleitet, kann die Planfeststellungsbehörde nach Anhörung der betroffenen Gemeinde eine vorläufige Anordnung erlassen, in der vorbereitende Maßnahmen oder Teilmaßnahmen zum Bau oder zur Änderung festgesetzt werden,
- 1.
soweit es sich um reversible Maßnahmen handelt, - 2.
wenn an dem vorzeitigen Beginn ein öffentliches Interesse besteht, - 3.
wenn mit einer Entscheidung zugunsten des Trägers des Vorhabens gerechnet werden kann und - 4.
wenn die nach § 74 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu berücksichtigenden Interessen gewahrt werden.
(3) Unterhaltungsmaßnahmen bedürfen keiner vorherigen Planfeststellung oder Plangenehmigung.
(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen
- 1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen, - 2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung, - 3.
zu Arbeitsverträgen, - 4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.
(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,
- 1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder - 2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
- 1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder - 2.
Leistungen betreffen, die - a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder - b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.
(1) Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft steht den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich.
(2) Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, so ist die Mehrheit im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu berechnen.
Soweit einem Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag die Befugnis zur Geschäftsführung zusteht, ist er im Zweifel auch ermächtigt, die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft steht den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich.
(2) Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, so ist die Mehrheit im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu berechnen.
(1) Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn
- 1.
das Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat, - 2.
das Unternehmen zahlungsunfähig ist, über das Vermögen des Unternehmens ein Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares Verfahren beantragt oder eröffnet worden ist, die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, sich das Unternehmen im Verfahren der Liquidation befindet oder seine Tätigkeit eingestellt hat, - 3.
das Unternehmen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt wird; § 123 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden, - 4.
der öffentliche Auftraggeber über hinreichende Anhaltspunkte dafür verfügt, dass das Unternehmen mit anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, - 5.
ein Interessenkonflikt bei der Durchführung des Vergabeverfahrens besteht, der die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit einer für den öffentlichen Auftraggeber tätigen Person bei der Durchführung des Vergabeverfahrens beeinträchtigen könnte und der durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam beseitigt werden kann, - 6.
eine Wettbewerbsverzerrung daraus resultiert, dass das Unternehmen bereits in die Vorbereitung des Vergabeverfahrens einbezogen war, und diese Wettbewerbsverzerrung nicht durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen beseitigt werden kann, - 7.
das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat, - 8.
das Unternehmen in Bezug auf Ausschlussgründe oder Eignungskriterien eine schwerwiegende Täuschung begangen oder Auskünfte zurückgehalten hat oder nicht in der Lage ist, die erforderlichen Nachweise zu übermitteln, oder - 9.
das Unternehmen - a)
versucht hat, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen, - b)
versucht hat, vertrauliche Informationen zu erhalten, durch die es unzulässige Vorteile beim Vergabeverfahren erlangen könnte, oder - c)
fahrlässig oder vorsätzlich irreführende Informationen übermittelt hat, die die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers erheblich beeinflussen könnten, oder versucht hat, solche Informationen zu übermitteln.
(2) § 21 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, § 98c des Aufenthaltsgesetzes, § 19 des Mindestlohngesetzes, § 21 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und § 22 des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 2959) bleiben unberührt.
(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen
- 1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen, - 2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung, - 3.
zu Arbeitsverträgen, - 4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.
(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,
- 1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder - 2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
- 1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder - 2.
Leistungen betreffen, die - a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder - b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.
(1) Der Auftraggeber stellt den interessierten Unternehmen auf deren Anfrage die technischen Anforderungen zur Verfügung, auf die er sich in seinen Aufträgen regelmäßig bezieht oder die er anzuwenden beabsichtigt.
(2) Diese technischen Anforderungen sind elektronisch uneingeschränkt, vollständig, unentgeltlich und unmittelbar zugänglich zu machen.
(3) Können die technischen Anforderungen nicht gemäß Absatz 2 elektronisch zugänglich gemacht werden, so wählt der Auftraggeber einen anderen Weg, um die technischen Anforderungen zugänglich zu machen. Dies gilt auch für den Fall, dass der Auftraggeber Anforderungen an die Vertraulichkeit von durch ihn den Bewerbern oder Bietern zur Verfügung gestellten Unterlagen oder Dokumenten nach § 41 Absatz 4 stellt.
(1) Der Abschluss einer Rahmenvereinbarung erfolgt im Wege einer nach dieser Verordnung geltenden Verfahrensart. Das in Aussicht genommene Auftragsvolumen ist so genau wie möglich zu ermitteln und bekanntzugeben, braucht aber nicht abschließend festgelegt zu werden. Eine Rahmenvereinbarung darf nicht missbräuchlich oder in einer Art angewendet werden, die den Wettbewerb behindert, einschränkt oder verfälscht.
(2) Auf einer Rahmenvereinbarung beruhende Einzelaufträge werden nach vom Auftraggeber festzulegenden objektiven und nichtdiskriminierenden Regeln und Kriterien vergeben. Dazu kann auch die Durchführung eines erneuten Wettbewerbs zwischen denjenigen Unternehmen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses Vertragspartei der Rahmenvereinbarung sind, gehören. Die Regeln und Kriterien sind in den Vergabeunterlagen oder der Bekanntmachung für die Rahmenvereinbarung festzulegen.
(3) Mit Ausnahme angemessen begründeter Sonderfälle, in denen dies insbesondere aufgrund des Gegenstands der Rahmenvereinbarung gerechtfertigt werden kann, beträgt die Laufzeit einer Rahmenvereinbarung maximal acht Jahre.
Tenor
1. Auf sofortige Beschwerde des Auftraggebers wird der Beschluss der 1. Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 26. Januar 2012 aufgehoben, soweit dem Auftraggeber aufgegeben wurde, das Angebot der Antragstellerin zu werten.
2. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen, soweit über ihn noch nicht bestandskräftig entschieden ist.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Auftraggebers.
4. Der Auftraggeber und die Beigeladene zu 1 tragen die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer (Gebühren und Auslagen) als Gesamtschuldner zu 2/3, die Antragstellerin zu 1/3. Die Beigeladene zu 1 und der Auftraggeber haben der Antragstellerin je 1/3 der notwendigen Auslagen der Antragstellerin zu erstatten. Die Antragstellerin trägt 1/3 der notwendigen Auslagen des Auftraggebers. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre Auslagen selbst.
5. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Auftraggeber und die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer war notwendig.
6. Der Beschwerdewert wird auf 68.302 € festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
1. Der Beschwerdeführer (Auftraggeber) ist ein gemeinnütziger Verein. Er betreibt in B. ein Krankenhaus, das umgestaltet und erweitert werden soll. Die geschätzten Gesamtkosten in einer Größenordnung von 8,3 Mio. € sollen zu mehr als 50% aus staatlichen Fördermitteln finanziert werden.
- 2
Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist das Los „Lüftungsinstallation“. Nebenangebote sind nicht zugelassen.
- 3
Im Leistungsverzeichnis sind unter der Ordnungsziffer 01.02 die Lieferung, die Roh- und Endmontage sowie die Inbetriebnahme (einschließlich verschiedener Prüfungen) von 3 Filterflächendecken (Reinluftdecken) für Operationsräume näher beschrieben. Zum vorgegeben Lieferumfang gehören auch je 8 „Filter der Filterklasse H14 gemäß DIN EN“. Als technische Daten sind u.a. vorgegeben:
- 4
Volumenstrom:
9100 m³/h
Außenabmessungen
Länge:
3185 mm
Breite:
3185 mm
Einbauhöhe
450 mm
Abströmgeschwindigkeit
ca. 0,26 m/s
Filterklasse
H14
Anzahl/Abmessungen Filter
4 Stk. 1.220 x 1.220 mm
4 Stk. 1.220 x 610 mm
- 5
Die Bieter mussten die technischen Daten der angebotenen Decken dem Angebot beifügen sowie Fabrikat und Typ bezeichnen.
- 6
Die Beschwerdegegnerin trug in ihr Angebot ein:
- 7
„V. CG3-P-93-H13-3170x3170“.
- 8
Aus dem beigefügten Produktdatenblatt ergibt sich, dass die Reinluftdecke CG3-P ein variierbares Standardprodukt des Herstellers V. ist. Zu der Filtertechnologie ist zu lesen:
- 9
„Unsere Filter halten zuverlässig Keime und Partikel zurück. Die üblicherweise verwendeten H13 Filter halten 99,95 % der Partikel und Keime zurück, H14 Filter 99,995% beim MPPS.“
- 10
Die von der Antragstellerin vorgenommene Eintragung ist auf mangelnde Sorgfalt beim Ausfüllen des Angebots zurückzuführen. V. hatte ihr auf Anfrage als „reine Kalkulationsgröße“ das Produkt „CG3-P-93-H13-3170x3170“ und den entsprechenden Preis benannt. Diese Produktbezeichnung wurde von der Antragstellerin unverändert übernommen.
- 11
Die Angabe „3170x3170“ bezieht sich auf die Innenabmessung des Deckenfeldes; die entsprechende Außenabmessung ist 3272 mm x 3272 mm. Nach einer Mitteilung von V. an die Vergabekammer ist das Unternehmen auch in der Lage, jedem Anlagenbauer Elemente für Reinluftdecken mit den von der Beschwerdeführerin gewünschten Maßen (3185 mm x 3185 mm) zu liefern.
- 12
2. Nachdem der Auftraggeber mitgeteilt hatte, er beabsichtigte, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 zu erteilen und eine Rüge erfolglos geblieben war, beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 18. November 2011 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
- 13
Ihr Ziel war der Ausschluss der in der Wertung an erster bzw. zweiter Stelle liegenden Angebote der Beigeladenen. Dieses Ziel hat sie auch erreicht; mit Beschluss vom 26. Januar 2012, der insoweit bestandskräftig ist, hat die Vergabekammer den Auftraggeber verpflichtet, die Angebote der Beigeladenen aus der Wertung zu nehmen.
- 14
Während des Nachprüfungsverfahrens berief sich der Auftraggeber erstmals darauf, auch das - preislich an dritter Stelle liegende - Angebot der Antragstellerin sei nicht zuschlagsfähig, weil es hinsichtlich der Filterflächendecken nicht ausschreibungskonform sei, und müsse deshalb ausgeschlossen werden. Die Antragstellerin erweiterte daraufhin ihren Nachprüfungsantrag entsprechend und wehrte sich gegen den Angebotsausschluss.
- 15
Nachdem diese Frage in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer vom 18. Januar 2012 erörtert worden war, erklärte die Antragstellerin auf Anregung der Vorsitzenden mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 24. Januar 2012 „hilfsweise“ die Anfechtung der Produktbezeichnung wegen eines durch einen Schreibfehler des Herstellers hervorgerufenen Erklärungsirrtums.
- 16
3. Mit Beschluss vom 26. Januar 2012 hat die Vergabekammer u.a. den Auftraggeber verpflichtet, das Angebot der Antragstellerin zu werten: Zwar spreche einiges dafür, dass die Antragstellerin ein Aliud angeboten habe. Dies beruhe aber auf einem Erklärungsirrtum, der die Antragstellerin zur Anfechtung gemäß § 119 Abs. 1 BGB berechtige. Mit der Anfechtungserklärung sei die Typenbezeichnung weggefallen, weshalb sie fehle und vom Auftraggeber gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nachgefordert werden müsse. Weil die Antragstellerin inzwischen klargestellt habe, dass sie das vom Auftraggeber Gewollte anbiete, sei ihr Angebot zu werten.
II.
- 17
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Auftraggebers hat Erfolg.
- 18
1. Die Antragstellerin hat keine Abweichung von einer technischen Spezifikation im Sinne des § 7 Abs. 5 VOB/A (siehe dazu OLG München v. 28.07.2008 - Verg 10/08 - VergabeR 2008, 965) unterbreitet, sondern ein nicht zuschlagsfähiges Aliud angeboten, das auch als Nebenangebot schon deshalb nicht gewertet werden kann, weil Varianten nicht zugelassen sind.
- 19
a) Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin spielen im vorliegenden Verfahren „erklärungsbedürftige komplexe technische“ Fragen nicht die geringste Rolle. Es ist unerheblich, dass - wovon der Senat ausgeht - die Fa. V. in der Lage wäre, die Antragstellerin mit allen Elementen zu beliefern, die eine Herstellung der Filterflächendecken exakt nach den Wünschen des Auftraggebers ermöglichten. Ebenso ist es irrelevant, dass die Filter erst am Ende des Herstellungsprozesses vor Ort eingebaut werden und es z.B. problemlos möglich wäre, Filter der falschen Filterklasse auszutauschen. Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob der Wert der Filter in Relation zum Gesamtpreis einer Filterflächendecke gering ist.
- 20
b) Entscheidend ist einzig und alleine die Frage: Entspräche die vertraglich geschuldete Leistung exakt dem, was der Auftraggeber haben will, wenn er den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin erteilte? Die Antwort ist Nein, denn es kommt nicht darauf an, was technisch möglich wäre, sondern allein darauf, was im Angebot steht und wie dies zu verstehen ist.
- 21
Die Angabe „V. CG3-P-93-H13-3170x3170” ist eindeutig und unmissverständlich: Angeboten werden Filterflächendecken mit H13-Filtern und von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abweichenden Maßen. Im Angebot selbst finden sich keine Anknüpfungspunkte dafür, dass etwas anderes angeboten werden sollte als das, was dem Wortlaut entspricht. Auch aus dem beigefügten Produktdatenblatt ergibt sich nichts anders; vielmehr ist dort zu lesen, dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn CG3-P-Filterflächendecken mit H13-Filtern ausgestattet werden. Dies entspricht im Übrigen der DIN 1946-4, die für Räume der Raumklasse I, wozu auch Operationsräume gehören, Schwebstofffilter der Filterklasse H13 ausreichen lässt.
- 22
Die Praxis zeigt, dass es auch keinen Erfahrungssatz des Inhalts gibt, dass Unternehmen immer genau das anbieten wollen, was der Auftraggeber über die Leistungsbeschreibung „bestellt“ hat und Abweichungen im Angebot auf einem - vom Auftraggeber als solches erkennbarem - Versehen beruhen.
- 23
Es gab somit für einen verständigen und redlichen Erklärungsempfänger keinen Anlass anzunehmen, die Eintragung „CG3-P-93-H13-3170x3170“ beruhe auf einem Schreibfehler o.ä., und daraus den Schluss zu ziehen, nach dem wahren Willen des Erklärenden werde entgegen dem Wortlaut der Eintragung doch ausschreibungskonform angeboten.
- 24
c) Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass aus dem Umstand, dass sich der Auftraggeber erst nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens auf die Mangelhaftigkeit des Angebots der Antragstellerin berufen hat, nicht geschlossen werden kann, er habe deren Angebot zunächst „richtig“ (im Sinne der Antragstellerin) verstanden. Dieses Angebot lag in der Wertung an dritter Stelle und kam deshalb zunächst für den Zuschlag nicht in Betracht. Erst als sich abzeichnete, dass die besser bewerteten Angebote wegen Abweichungen von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses ausschlussgefährdet waren, wurden mehrere Angebote, darunter das der Antragstellerin, erstmals mit der gebotenen Sorgfalt überprüft und der neu entdeckte Mangel im Angebot der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 12. Januar 2012 vorgetragen.
- 25
2. Die mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 24. Januar 2012 erklärte Irrtumsanfechtung der Antragstellerin kann ihrem Angebot nicht mehr zum Erfolg verhelfen.
- 26
a) Wäre die Produktbezeichnung - wovon möglicherweise die Vergabekammer ausging - lediglich eine gesondert zu betrachtende Erläuterung zu der Willenserklärung Angebot, ginge die Anfechtungserklärung in Leere, weil nur Willenserklärungen und rechtsgeschäftsähnliche Handlungen anfechtbar sind.
- 27
b) Ist die Produktbezeichnung - wovon der Senat ausgeht - integraler Bestandteil der Willenserklärung Angebot, weil mit ihr die angebotene (Teil-)Leistung entsprechend dem Wunsch des Auftraggebers konkretisiert wird, kommt zumindest nach Ablauf der Angebotsfrist eine Teilanfechtung (mit der Folge der Teilnichtigkeit entsprechend § 139 BGB) schon deshalb nicht in Betracht, weil ansonsten eine vergaberechtlich unzulässige nachträgliche Änderung des Angebotsinhalts vorläge. Bei unterstellter Zulässigkeit und Wirksamkeit der Anfechtung hat diese vielmehr zur Folge, dass die Antragstellerin so zu behandeln ist, als habe sie nie ein Angebot abgegeben.
- 28
d) § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A findet keine Anwendung, wenn eine geforderte Erklärung formgerecht, lesbar und vollständig abgegeben wird, aber inhaltlich nicht geeignet ist, dem Angebot zum Erfolg zu verhelfen.
III.
- 29
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Auftraggebers trägt die Antragstellerin als Unterlegene (§ 78 Satz 1 GWB). Die Beigeladenen bleiben außer Betracht, weil sie sich nicht aktiv am Beschwerdeverfahren beteiligt haben.
- 30
Die Kostenentscheidung der Vergabekammer (§128 GWB) ist dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens anzupassen. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag insgesamt zurückzuweisen gewesen wäre, weil die Antragstellerin kein wertbares Angebot abgegeben hatte und auch keinen Anspruch auf eine „zweite Chance“ hat, da es noch Angebote gibt, auf die der Auftraggeber den Zuschlag erteilen kann. Andererseits ist der die Beigeladenen und insoweit auch den Auftraggeber belastende Teil der Entscheidung der Vergabekammer bestandskräftig. Weil es letztlich nur Verlierer gibt, ist die tenorierte Quotelung angemessen. Die Beigeladene zu 2 bleibt außen vor, weil sie sich nicht aktiv am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt hat.
- 31
Weil der Beschwerdeführer „Gelegenheitsauftraggeber“ im Sinne des § 98 Nr. 5 GWB ist, war die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch ihn für das Verfahren vor der Vergabekammer notwendig. Hinsichtlich der Antragstellerin verbleibt es bei dem entsprechenden Ausspruch der Vergabekammer.
- 32
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.
(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.
(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.
(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.
(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.
(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.
(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
(1) Unternehmen haben bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen einzuhalten und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die nach dem Mindestlohngesetz, einem nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag oder einer nach § 7, § 7a oder § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder einer nach § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden.
(2) Öffentliche Auftraggeber können darüber hinaus besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (Ausführungsbedingungen) festlegen, sofern diese mit dem Auftragsgegenstand entsprechend § 127 Absatz 3 in Verbindung stehen. Die Ausführungsbedingungen müssen sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Sie können insbesondere wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange oder den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen umfassen.
(1) Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann von den am Beschwerdeverfahren Beteiligten durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden.
(2) Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluss, der zu begründen ist. Der Beschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.
(4) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts zu begründen. Die Frist kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden verlängert werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde müssen die Zulassungsgründe des § 77 Absatz 2 dargelegt werden.
(5) Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; dies gilt nicht für Nichtzulassungsbeschwerden der Kartellbehörden.
(6) Wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, so wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts mit der Zustellung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs rechtskräftig. Wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, so wird das Verfahren als Rechtsbeschwerdeverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Rechtsbeschwerde. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde.
(1) Ein dynamisches Beschaffungssystem ist ein zeitlich befristetes, ausschließlich elektronisches Verfahren zur Beschaffung marktüblicher Leistungen, bei denen die allgemein auf dem Markt verfügbaren Merkmale den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers genügen.
(2) Eine elektronische Auktion ist ein sich schrittweise wiederholendes elektronisches Verfahren zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots. Jeder elektronischen Auktion geht eine vollständige erste Bewertung aller Angebote voraus.
(3) Ein elektronischer Katalog ist ein auf der Grundlage der Leistungsbeschreibung erstelltes Verzeichnis der zu beschaffenden Liefer-, Bau- und Dienstleistungen in einem elektronischen Format. Er kann insbesondere beim Abschluss von Rahmenvereinbarungen eingesetzt werden und Abbildungen, Preisinformationen und Produktbeschreibungen umfassen.
(4) Eine zentrale Beschaffungsstelle ist ein öffentlicher Auftraggeber, der für andere öffentliche Auftraggeber dauerhaft Liefer- und Dienstleistungen beschafft, öffentliche Aufträge vergibt oder Rahmenvereinbarungen abschließt (zentrale Beschaffungstätigkeit). Öffentliche Auftraggeber können Liefer- und Dienstleistungen von zentralen Beschaffungsstellen erwerben oder Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge mittels zentraler Beschaffungsstellen vergeben. Öffentliche Aufträge zur Ausübung zentraler Beschaffungstätigkeiten können an eine zentrale Beschaffungsstelle vergeben werden, ohne ein Vergabeverfahren nach den Vorschriften dieses Teils durchzuführen. Derartige Dienstleistungsaufträge können auch Beratungs- und Unterstützungsleistungen bei der Vorbereitung oder Durchführung von Vergabeverfahren umfassen. Die Teile 1 bis 3 bleiben unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über Beschwerden gegen Verfügungen der Kartellbehörden und über Rechtsbeschwerden (§§ 73 und 77 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen), - 2.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde und über Rechtsbeschwerden (§§ 75 und 86 des Energiewirtschaftsgesetzes oder § 35 Absatz 3 und 4 des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes), - 3.
über Beschwerden gegen Verfügungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (§ 48 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes und § 113 Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes), - 4.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der zuständigen Behörde und über Rechtsbeschwerden (§§ 13 und 24 des EU-Verbraucherschutzdurchführungsgesetzes) und - 5.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der Registerbehörde (§ 11 des Wettbewerbsregistergesetzes).
(2) Im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer (§ 171 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen) einschließlich des Verfahrens über den Antrag nach § 169 Absatz 2 Satz 5 und 6, Absatz 4 Satz 2, § 173 Absatz 1 Satz 3 und nach § 176 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beträgt der Streitwert 5 Prozent der Bruttoauftragssumme.
Dieser Abschnitt ist anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und die Ausrichtung von Wettbewerben durch öffentliche Auftraggeber.