Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 13. Aug. 2015 - I-16 U 121/14
Tenor
I.
Auf die Berufung des Beklagten zu 1 wird das am 02.07.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert, soweit der Beklagte zu 1 zur Zahlung von 7.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 29.05.2013 verurteilt worden ist. Auch insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die erstinstanzlich entstandenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin, die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 sowie die Gerichtskosten tragen der Beklagte zu 1 zu 40 % und die Klägerin zu 60%.Hinsichtlich der erstinstanzlich entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 verbleibt es bei der Kostentragungspflicht der Klägerin.
II.
Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
III.
Die Kosten der Berufung werden der Klägerin zu 60% und dem Beklagten zu 40% auferlegt.
IV.
Dieses sowie das erstinstanzliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin ist Moderatorin der im Programm des Rundfunksenders 3sat ausgestrahlten Sendung „Kulturzeit“. Der Beklagte ist Journalist, Publizist und Buchautor. Die erstinstanzlich mitverklagte Beklagte zu 2 ist Betreiberin der Internetseite www.achgut.com, auf der der Beklagte Publikationen veröffentlicht. Mehrfach äußerte sich der Beklagte in der Vergangenheit, etwa am 30.08.2012 und 01.09.2012, ausgesprochen kritisch und negativ über die Person der Klägerin und ihre Moderation. Vorwürfe des Beklagten gegen J… A…, dieser denke und argumentiere antisemitisch, nahm die Redaktion der Sendung „Kulturzeit“ zum Anlass, einen eigenen Beitrag über die Vorwürfe und die Frage, was Antisemitismus sei, zu senden. Der Beitrag wurde in der von der Klägerin moderierten Sendung „Kulturzeit“ vom 09.01.2013 öffentlich ausgestrahlt. In ihrer Anmoderation des Beitrages führte die Klägerin folgendes über den Beklagten aus:
4„Muss man Mitleid haben mit H… B…?
5…
6Ein Mann, der sich unwohl fühlt, sich wähnt in einem Land voller Antisemiten und Judenfeinden.
7Ein anderes Bild hält er offenbar nicht aus. Nichts, aber auch gar nichts darf normaler werden, da stand immer B… spitze Feder vor. Eine Waffe sein Antisemitismusvorwurf blieb haften.
8Warum ist er ein armer Mann? Weil es ihn bedrückt, hier zu leben. Er erzählte mir Anfang der Neunzigerjahre in einem Jerusalemer Kaffee, wie er versuchte wegzuziehen. Er ging auch, nahm mehrmals medienwirksam Abschied von Deutschland. Mal zog es ihn endgültig nach New York, dann –lehitraot - nach Jerusalem und immer kam er wieder. Stellte sich zur Verfügung als Mühlstein der Vergangenheitsbewältigung. Und jetzt ist Schluss damit? Ist er mit seinen Anwürfen gegen J… A… zu weit gegangen? B… hat überdreht. Eine Chronologie der B… A… Debatte“.
9Am 11.01.2013 veröffentlichte der Beklagte auf der von der Beklagten zu 2. betriebenen Internetseite unter der Überschrift „Das kleine Luder vom Lerchenberg“ die aus der Anlage K 1 ersichtliche Publikation über die von der Klägerin moderierte Sendung am 09.01.2013. Der Text beginnt mit der Einleitung: „T… – sie ist es nicht, sie heißt nur so – M… neigt ihr Köpfchen zur Seite, damit der Verstand sich in einer Ecke konzentrieren kann“. Nachfolgend gibt der Beklagte zu 1. den Anmoderationstext der Klägerin von der Sendung vom 09.01.2013 wörtlich wieder. Weiter heißt es: „An dieser Moderation muss das kleine Luder vom Lerchenberg lange gefeilt haben, vor allem das Bild mit dem „Mühlstein der Vergangenheitsbewältigung“ ist ihr besonders gut gelungen. Für so was wird die delirierende Hausfrau alle drei Wochen von London nach Mainz eingeflogen, wo sie die „Kulturzeit“ auf 3sat moderiert. Von allen kz-Moderatoren und Moderatorinnen ist sie die dummste und unfähigste, was ihr sogar schon mal von S… A… mitten in einem Interview, das sie zu führen versuchte, bestätigt wurde. Der Besuch mit mir in einem Jerusalemer Cafe (war es das Atara?) Anfang der 90er Jahre muss wohl die absolute Climax ihres ansonsten an Höhepunkten armen Lebens gewesen sein. Wie sonst könnte sie sich an einen Cafehausbesuch vor 20 Jahren erinnern? Allerdings – Anfang der 90er Jahre lebte ich in Berlin und frequentierte Berliner Cafes, vor allem das Einstein, garantiert ohne Frau T…. Und falls Sie bis jetzt nicht wussten, wofür sie ihre GEZ-Beiträge bezahlen, jetzt wissen Sie es: Damit das T… es mir heimzahlen kann. Gründe dafür gibt es genug.“.
10Jeder auf der Internetseite www.achgut.com veröffentlichte Artikel wird chronologisch, d. h. nach dem Veröffentlichungsdatum auf der Startseite bereitgehalten. Über eine Voranzeige der Überschrift und der ersten Zeilen des betreffenden Beitrags gelangt man durch Anklicken des Links „Weiterlesen“ auf den Volltext. Neuste Beiträge werden den alten Beiträgen vorangestellt und über eine scrollbare Leiste am Ende der Startseite mit Paginierung ist jeder Beitrag weiter in Abhängigkeit vom Erscheinungsdatum abrufbar.
11Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.01.2013 forderte die Klägerin die Beklagten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung im Zusammenhang mit der vorstehenden Publikation auf. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 3 (Bl. 12-21 GA) verwiesen. Die Klägerin hat insoweit von den Beklagten als Gesamtschuldnern Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 1.176,91 € verlangt, wobei sie ausgehend von einem Streitwert von 20.000,00 € eine 1,5 Geschäftsgebühr, eine Auslagenpauschale von 20,00 € sowie die Umsatzsteuer geltend gemacht hat. Nachdem die Beklagten eine Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht abgegeben haben, beantragte die Klägerin eine einstweilige Verfügung, die durch Beschluss des Landgerichts vom 13.02.2013 (Anlage K 4, Bl. 22 ff. GA) erlassen wurde. Am 01.03.2013 gaben die Beklagten ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, wenn auch rechtsverbindlich, eine Abschlusserklärung ab. Seit dem 11.3.2013 veröffentlichte der Beklagte einen Beitrag unter der Überschrift „Heiteres Moderatoren-Raten“ der auf das vorstehend angeführte einstweilige Verfügungsverfahren und die dort streitgegenständlichen untersagten Äußerungen Bezug nimmt und diese wiederholt, ohne die Klägerin ausdrücklich zu benennen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anl. K7 verwiesen. Am 09.04.2013 veröffentlichte der Beklagte auf der von der Beklagten zu 2. betriebenen Internetseite eine Publikation mit dem Titel „Filmen macht frei“, in der er auf die öffentliche Berichterstattung über die streitgegenständliche Klage einging und die Klägerin mehrfach als geborene „P…“ bezeichnete. Tatsächlich lautet der Geburtsname der Klägerin „B…“. Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.04.2013 forderte die Klägerin den Beklagten auf es zu unterlassen, zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, ihr Geburtsname laute „P…“ und insoweit eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Klägerin hat insoweit die Erstattung der Abmahnkosten begehrt, wobei sie von einem Streitwert von 2.500,00 € ausgeht und eine 1,3 Geschäftsgebühr, die Post- und Telekommunikationspauschale sowie die Umsatzsteuer geltend macht.
12Die Klägerin hat geltend gemacht, die Äußerungen des Beklagten am 11.01.2013 verletzten sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die materiell-rechtliche Einordnung der Äußerungen als „Schmähkritik“ hätten die Beklagten bereits durch die Abgabe der Abschlusserklärung bestätigt. Die Publikation vom 11.01.2013 diene allein der Diffamierung und Herabwürdigung ihrer Person in der Öffentlichkeit. Es fehle an jeglicher Auseinandersetzung in der Sache. Die Äußerungen des Beklagten ließen auf eine vorsätzliche Schädigungsabsicht schließen. Da es keinen öffentlichen Schlagabtausch zwischen den Parteien gegeben habe, stehe dem Beklagten kein Recht zum Gegenschlag zu. Die Rechtsverletzung sei als schwerwiegend einzustufen, weshalb vorliegend eine Entschädigung in Geld notwendig und geboten sei. Die Falschbezeichnung des Geburtsnamens der Klägerin verletze ebenfalls deren Persönlichkeits- und Namensrechte. Aufgrund der Gesamtumstände und wegen der mehrfachen Befassung mit dem Nachnamen der Klägerin sei die Verletzung zumindest fahrlässig, wenn nicht gar absichtlich erfolgt.
13Die Klägerin hat beantragt,
141.
15den Beklagten zu 1. zu verurteilen, an die Klägerin eine angemessene Geldentschädigung, deren Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, die allerdings einen Betrag von 10.000,00 € nicht unterschreiten sollte, zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz liegender Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
162.
17die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.176,91 € zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz liegender Zinsen seit dem 09.02.2013 für vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten zu zahlen;
183.
19den Beklagten zu 1. zu verurteilen, es bei Androhung eines für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu unterlassen, über die Klägerin zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, dass ihr Geburtsname „P…“ laute;
204.
21den Beklagten zu 1. zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 334,75 € zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz liegender Zinsen seit dem 30.04.2013 für vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten zu zahlen.
22Die Beklagten haben beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, hinsichtlich der angegriffenen Äußerung stehe der Klägerin kein Entschädigungsanspruch zu, weil es sich um Meinungsäußerungen handele, bei denen die Auseinandersetzung in der Sache, nämlich die Äußerung der Klägerin in Bezug auf den Beklagten im Vordergrund stehe. Die Meinungsäußerungsfreiheit sei jedenfalls höher zu bewerten als das Interesse der Klägerin an der Wahrung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Artikel sei weniger als 6000 mal angeklickt worden. Vor der Erstellung des Beitrages „Filmen macht frei“ habe der Beklagte zu 1. mit Dr. U… P…, dem stellvertretenden Chefredakteur der Welt am Sonntag, telefoniert, der ihm den Mädchennamen der Klägerin mitgeteilt habe. Für den Beklagten zu 1. habe sich der tatsächliche Name „B…“ wie der sehr ähnlich klingende Name „P…“ angehört, weil die Phonetik von „B“ und „P“ nahezu identisch sei.
25Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Geldentschädigung i.H.v. 7500 €, von Abmahnkosten in Höhe von 1023,16 € und 334,75 € sowie dazu verurteilt, es zu unterlassen, den Mädchennamen der Klägerin als „P…“ zu bezeichnen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Bei den Äußerungen des Beklagten über die Klägerin in der Publikation „Das Luder vom Lerchenberg“ handele es sich um eine Schmähkritik, die nicht durch die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG gerechtfertigt sei. Die Einordnung als Schmähkritik ergebe sich zwar nicht bereits aus der Abschlusserklärung der Beklagten vom 01.03.2013, da diese ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt sei. Doch sei die Bezeichnung als Luder vom Lerchenberg als Formalbeleidigung anzusehen, durch die die Missachtung der Person der Klägerin zum Ausdruck gebracht worden sei. Durch Verwendung der Bezeichnung als Luder sei die Klägerin als durchtriebene Frau dargestellt worden, mit der nur negative Assoziationen verbunden werden könnten. Durch die Verbindung mit dem Ort des Senders, für den die Klägerin arbeite, sei die negative Assoziationen zugleich auf die Art und Weise bezogen worden, wie die Klägerin ihren Beruf ausübe und der Eindruck erweckt worden, die Klägerin nutze ihre sexuelle Anziehungskraft für berufliche Vorteile. Durch die Formulierung „T…- sie ist es nicht, sie heißt nur so – M… neigt Ihr Köpfchen zur Seite, damit der Verstand sich in einer Ecke konzentrieren kann,…“ werde zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin über so wenig Verstand verfüge, dass sie diesen in einer Ecke sammeln müsse, was als herabwürdigend anzusehen sei. Mit diesem Sprachbild werde der Klägerin ein stark verminderter Verstand zugesprochen. Entscheidend sei, dass keinerlei sachliche Auseinandersetzung erfolge. Dem könne der Beklagte nicht entgegen halten, die Sachnähe ergebe sich aus einer wiederholt von der Klägerin vorgenommenen Kopfhaltung während ihrer Moderation, da entscheidend nicht die Kopfhaltung, sondern das Absprechen der Verstandesreife der Klägerin sei. An der Sachnähe fehle es auch bei der Äußerung, die Klägerin sei eine „delirierende Hausfrau“, die in keinem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Klägerin stehe, sondern erkennbar der Herabwürdigung der Person diene. Auch die Äußerung, die Klägerin sei die dümmste und unfähigste der kZ Moderatoren und Moderatorinnen, sei Schmähkritik, die erkennbar auf die Herabwürdigung der Person der Klägerin ziele, auch wenn sie in Bezug zur beruflichen Tätigkeit der Klägern stehe. Zwar beziehe sich der Beklagte insoweit auf den Ausdruck von S… A…, doch mache er sich die Äußerung ohne weiteres zu eigen. Das vermeintliche Zitat werde als Bestätigung der inhaltlichen Richtigkeit seiner Ausführungen herangezogen. Im Gesamtkontext der Äußerungen überwiege die Herabwürdigung der Person der Klägerin deutlich gegenüber der Auseinandersetzung mit Texten der Klägerin. Aus den vorgelegten Publikationen gehe eine Geringschätzung der Klägerin hervor, welche durch die streitgegenständlichen Äußerungen wiederholt und in sich steigender Form der Öffentlichkeit zur Kenntnis habe gebracht werden sollen. Der Gesamtkontext lasse auf eine beabsichtigte Prangerwirkung schließen. Aus der Anmoderation der Klägerin in der Sendung vom 09.01.2013 ergebe sich kein Recht auf Gegenschlag. Selbst wenn es nicht zu einem Treffen zwischen der Klägerin und dem Beklagten in einem Jerusalemer Kaffee gekommen sein sollte, rechtfertige dies nicht einen öffentlichen Schlagabtausch in der vorgenommenen Form. Soweit die Klägerin die Antisemitismusvorwürfen des Beklagten zu 1 als überdreht dargestellt habe, bestünden zwar Anknüpfungspunkte für ein Gegenschlagsrecht, doch sei der Beklagte auf diesen Vorwurf in keiner Weise eingegangen. Zudem berechtige ein Gegenschlag nicht zur Schmähkritik. Im Rahmen der Abwägung der betroffenen Interessen sei das Recht der Klägerin auf Schutz ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechtes höher einzuordnen, als das Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung. Die Verletzung erfolge auch rechtswidrig und schuldhaft. Auch wenn sich die Klägerin in ihrer Sozialsphäre auf eine Beobachtung und Bewertung einstellen müsse, seien auch in dieser Sphäre schwerwiegende Persönlichkeitsverletzungen, insbesondere Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung und Prangerwirkung verboten. Es handele sich um einen schwerwiegenden Eingriff, der nicht anders als durch die Zahlung einer Geldentschädigung befriedigend aufgefangen werden könne. Es sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte bereits in der Vergangenheit die Klägerin angegriffen und deren Publikationen offenkundig in voller Absicht herabgewürdigt habe. Nach dem Vorbringen des Beklagten sei es jedenfalls zu 6000 Aufrufen des streitgegenständlichen Artikels gekommen, zumal die Herabwürdigung jedenfalls teilweise durch den Teilabdruck des Beitrages nach wie vor zur Kenntnis zu nehmen war. Berücksichtigt worden sei die Dauer der Veröffentlichung und der Umstand, dass der Beitrag wegen der laufenden Voranstellung aktuellerer Beiträge nur kurze Zeit auf der Startseite des Blogs veröffentlicht worden sei. Zu berücksichtigen gewesen sei aber auch, dass der Beklagte die untersagten Äußerungen in ähnlicher Form weiterverbreitet habe. Daher halte die Kammer eine Entschädigungssumme i.H.v. 7500 € für angemessen und erforderlich. Die Erstattung der Kosten für die Abmahnung im Zusammenhang mit dem Beitrag „Das Luder vom Lerchenberg“ sei begründet, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1 richte, wobei eine Mittelgebühr i.H.v. 1,3 als Geschäftsgebühr angemessen sei. Zudem könne die Klägerin vom Beklagten verlangen, dass dieser es unterlasse, ihren Mädchennamen als P… zu bezeichnen. Der Anspruch ergebe sich unter dem Gesichtspunkt der Namensleugnung. Das Bestreiten des Namens sei auch gegeben, wenn der Verletzte die Pflicht zur Erfüllung eines anderen Namens behaupte, wobei das Bestreiten vorsätzlich erfolgt sein müsse und bedingter Vorsatz genüge. Nach dem Vorbringen des Beklagten zur Nachfrage bei Dr. P… sei von einem bedingten Vorsatz auszugehen. Es hätte journalistischer Sorgfalt des Beklagten zu 1 entsprochen, sich durch vollständiges Buchstabieren des Namens über die korrekte Schreibweise zu vergewissern. Da er dies nicht tat, hat er billigend in Kauf genommen, dass er die unrichtige Schreibweise und damit einen unrichtigen Namen gebrauche. Auch insoweit ergebe sich der Anspruch auf die angefallenen Abmahnkosten unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag in Höhe des geltend gemachten Betrages von 334,75 €.
26Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Ein Anspruch auf Geldentschädigung stehe der Klägerin nicht zu, da es bereits an einer Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts fehle. Jedenfalls läge keine Schmähkritik vor. Dass er sich teilweise zugespitzer Formulierungen bedient habe, sei nicht zuletzt seiner Rolle als Kulturkritiker und Journalist geschuldet. Der Verweis auf frühere kritische Artikel über die Klägerin verdeutliche, dass er auch diesen Artikel als inhaltliche Kritik an der Moderation verstanden wissen will. Die Äußerung „Luder vom Lerchenberg“ sei anerkennend, wenn auch widerstrebend und weise einen klaren Sachbezug im Hinblick auf Ihre Anmoderation der Kulturzeit-Sendung auf. Die Äußerung „delirierende Hausfrau“ beziehe sich allein darauf, dass die Klägerin mit ihrer Familie in London wohne, aber in Mainz arbeite und insoweit von der Linie abweiche. Bei der Äußerung dümmste und unfähigste Moderatorin handele es sich lediglich um ein berühmtes Zitat über die Klägerin, dessen sie sich auch schon selbst berühmt habe. Er mache es sich ausdrücklich nicht zu eigen, sondern durch seine ergänzenden Äußerungen deutlich, dass er anderer Auffassung sei. Eine Rechtsverletzung scheide insbesondere deshalb aus, wenn man die Äußerungen im Gesamtkontext des Artikels betrachte. Jedenfalls seien die Äußerungen durch ein ihm zustehendes Gegenschlagsrecht gerechtfertigt, da es die Klägerin selbst gewesen sei, die ihn in der Fernsehsendung Kulturzeit herabgewürdigt und unwahre Äußerungen über ihn verbreitet habe. Ein Anspruch auf Geldentschädigung scheide auch deshalb aus, weil jedenfalls kein besonders schwerwiegender Eingriff in die Rechte der Klägerin erfolgt sei. Der Artikel habe nur eine geringe Aufmerksamkeit erreicht und sei nur rund 6000 mal abgerufen worden. Er sei schon wenige Stunden nach seinem Erscheinen nicht mehr auf der Startseite von achgut.com, sondern nur noch auf einer Unterseite abrufbar gewesen. Der Geldentschädigungsanspruch sei subsidiär und komme nur in Betracht, wenn es keine andere Möglichkeit zum Ausgleich gebe. Die Klägerin aber habe einen Unterlassungsanspruch gegen ihn durchgesetzt und er habe selber darüber informiert, dass ihm untersagt worden sei, die Äußerungen zu tätigen in dem Beitrag „Heiteres Moderatoren-Rennen“. Er habe damit seine juristische Niederlage eingestanden. Der Beitrag habe schließlich auch keinerlei negative Konsequenzen für die Klägerin gehabt. Infolgedessen stehe ihr auch kein Anspruch auf die Abmahnkosten zu. Die Klägerin könne auch keine Unterlassung hinsichtlich der von ihm verwechselten Anfangsbuchstaben ihres Geburtsnamens verlangen, den er nur ein einziges Mal rein irrtümlich falsch verwendet und beim ersten Hinweis umgehend korrigiert habe. Er habe damit klarstellen wollen, dass es sich bei der Klägerin nicht um eine gebürtige Jüdin handele, sondern der jüdische Name „angeheiratet“ sei. Insbesondere könne die Klägerin sich nicht auf eine Namensrechtsverletzung berufen, da sie den Namen gar nicht mehr führe. Es fehle auch an seinem Vorsatz, da er irrtümlich davon ausgegangen sei, dass sich ihr Geburtsname tatsächlich P… schreibe. Seinen journalistischen Sorgfaltspflichten sei er vollumfänglich nachgekommen und habe die Buchstabenverwechslung nicht billigend in Kauf genommen. Bei der Verwechslung handele es sich zudem um einen völlig wertneutralen Fehler, welcher die Klägerin in keiner Weise in ihren Rechten beeinträchtige. Zudem sei die Wiederholungsgefahr durch die zeitnahe freiwillige Veröffentlichung einer Richtigstellung widerlegt, da er den Namen der Klägerin unmittelbar nach Erhalt der Abmahnung korrigiert und den Fehler behoben habe. Zudem sei er gutgläubig gewesen, was der Wiederholungsgefahr entgegenstehe. Auch insoweit scheitere der Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten.
27Der Beklagte beantragt,
28unter Abänderung des am 2.7.2014 verkündeten Urteils des Landgerichtes Düsseldorf Az. 12 O 229/13 die Klage abzuweisen.
29Die Klägerin beantragt,
30die Berufung zurückzuweisen.
31Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil, insbesondere die Einordnung der Äußerungen des Beklagten als Schmähkritik. Auf einen Sachbezug seiner Äußerungen könne der Beklagte sich nicht stützen. Eine Schmähkritik liege vielmehr auch dann vor, wenn der Erklärende einen Anlass dafür ausnutze, um seine Herabwürdigung einer Person zum Ausdruck zu bringen. Der Beitrag des Beklagten erschöpfe sich in der bloßen Aneinanderreihung diffamierender Einzeläußerungen, die jede Auseinandersetzung in der Sache ausschließe. So nenne der Beklagte sie nur beim Vornamen, spreche sogar von das T… und bringen damit zum Ausdruck, dass er sie gezielt in ihrer Frauenehre treffen möchte. Mit den beanstandeten Äußerungen würden durchweg die Verachtung der Klägerin als Frau durch sexuelle Anspielungen zum Ausdruck gebracht, wenn es heiße „das Luder“, „das T…“, „dilirende Hausfrau“, „die absolute Climax ihres ansonsten an Höhepunkten armen Lebens“. Der Beklagte wolle diese Äußerungen auch durchweg als eigene verstanden wissen und bediene sich des Hinweises auf S… A… nicht als Zitatnachweis, sondern als Bekräftigung seiner eigenen Feststellung, in der er sich lediglich bestätigt sehe. Die beanstandeten Äußerungen seien auch nicht mehrdeutig und würden vom Beklagten genauso verstanden wissen wollen, nämlich als glatte Herabwürdigung der Klägerin. Er ziele bewusst darauf ab, die Klägerin nicht nur als öffentliche Person und wegen ihres Verhaltens zu diskreditieren, sondern ihr provokativ und absichtlich verletzend jeden Achtungsanspruch insbesondere als Privatperson und Frau abzusprechen. Die klare Herabwürdigung werde auch daran deutlich, dass der Beklagte am Ende des streitgegenständlichen Beitrages auf seine vorausgegangenen Beiträge verweise und diese damit ausdrücklich auch zum Gegenstand des Beitrags mache. Auch in den entsprechenden, als Anl. K6 vorgelegten Wortbeiträgen des Beklagten gehe es ihm ebenfalls allein um die Diskreditierung der Frauenehre und darum, sich abfällig über sie zu äußern. Bei der öffentlichen Abrechnung handele es sich um eine Form, mit der Zurückweisung, die er in den neunziger Jahren in einem Jerusalemer Kaffee erfahren habe, umzugehen und diese zu verarbeiten. Dies gehe so weit, dass er das tatsächliche Treffen in Abrede stelle und verdränge. Ein Recht zum Gegenschlag als Unterfall der Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB finde dort seine Grenze, wo das Vorhandensein von Beleidigungen bzw. Schmähkritik aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, aus welchen sie geschah, hervorgehe. So sei das Recht zum Gegenschlag kein Freibrief für polemische Ausfälle, die jedes Maß vermissen ließen. Zudem setze das Recht auf Gegenschlag die Absicht voraus, sich gegen eine als unangemessen empfundene Kritik zur Wehr setzen zu wollen. Der Beklagte erwähne jedoch mit keinem Wort die „B… A… Debatte“, sondern beschränke sich auf Angriffe gegen ihren Verstand, die sexuelle Integrität und ihre Frauenehre. Eine Geldentschädigung sei zu gewähren, da ihr keine andere Abwehrmöglichkeit zur Verfügung stehe und bei Schmähschriften ein Widerruf oder eine Richtigstellung nicht in Betracht komme. Die Persönlichkeitsverletzung sei auch schwerwiegend, da anhand der fortgesetzten Herabwürdigung in Wortbeiträgen vor und nach dem streitgegenständlichen Beitrag unter dem Gesichtspunkt der Prävention kein anderes gleich geeignetes und ebenso effizientes Mittel wie die Geldentschädigung zur Verfügung stehe. Auch die Höhe der gewährten Geldentschädigung sei vor dem Hintergrund einer vorsätzlichen Schädigungsabsicht des Beklagten nicht zu beanstanden. Zudem habe der Beklagte selbst neben der Verbreitung über die Internetseite www.achgut.com zu einer weiten Streuung im Internet beigetragen, indem er den Beitrag über seinen Twitter- und seinen Facebook-Account per Deep-Link zusätzlich einem weiteren, neuen Publikum zugänglich gemacht habe. Dass der streitgegenständliche Beitrag während der Veröffentlichungszeit vom 11. Januar 2013 bis 24. Februar 2013 nicht öfter als 6000 mal von Internetnutzern abgerufen worden sei und schon nach wenigen Stunden nicht mehr auf der Startseite abrufbar gewesen sein solle, bleibe bestritten. Die diversen Kommentare und die zeitnahe Aktualisierung des Wikipedia Eintrags der Klägerin als Folge der Berichterstattung des Beklagten sowie die Berichterstattung des Focus belegten ein durchaus großes öffentliches Interesse an den Beiträgen des Beklagten über die Klägerin und damit eine weitreichende Persönlichkeitsverletzung. Sie habe auch einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung eines falschen Geburtsnamens. Auch dieser sei gemäß § 12 BGB geschützt. Für die Namensleugnung genüge es, dass die Verwendung einer falschen Schreibweise hartnäckig erfolge. Obwohl ihr Geburtsname vor der Veröffentlichung des Beklagten der Öffentlichkeit unstreitig nicht bekannt gewesen sei, habe sich der Beklagte bemüßigt gesehen, in seinem beanstandeten Beitrag ihren Geburtsnamen wiederholt und ohne sachlichen Bezug mit falscher Schreibweise anzugeben. Unstreitig hätten dem Beklagten keine Nachweise für den Wahrheitsgehalt und über die Schreibweise des Geburtsnamen vorgelegen, die Veröffentlichung des Geburtsnamens sei vielmehr ins Blaue hinein ohne Prüfung auf den Wahrheitsgehalt der korrekten Schreibweise erfolgt. Wer aber den Namen eines anderen in einer öffentlichen Berichterstattung vorsätzlich falsch schreibe, verletze damit schuldhaft das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, so dass ein Unterlassungsanspruch gegeben sei. Aufgrund des Gesamtverhaltens des Beklagten läge auch auf der Hand, dass er den Geburtsnamen der Klägerin absichtlich falsch geschrieben habe, was die ständigen abfälligen Äußerungen über den Nachnamen M… belegten durch die wiederholte Verwendung der Bezeichnung „T…, sie ist es nicht, sie heißt nur so M…“. Auch indiziere die Erstbegehung eine Wiederholungsgefahr, die nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden könne, deren Abgabe der Beklagte bis heute verweigere.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
33II.
34Die Berufung ist zulässig, hat allerdings nur teilweise Erfolg.
35A.
36Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG. Dem Landgericht ist zwar darin zu folgen, dass die beanstandeten Äußerungen des Beklagten in seiner Veröffentlichung vom 11.01.2013 in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingreifen und nicht von der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit gedeckt sind. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände handelt es sich jedoch nicht um einen derart schweren Eingriff, dass eine Kompensation durch Zahlung einer Geldentschädigung gerechtfertigt ist.
371.
38Der Beklagte hat durch die inkriminierten Äußerungen in der am 11.01.2013 unter der Überschrift „Das kleine Luder vom Lerchenberg“ veröffentlichten Publikation über die von der Klägerin moderierte Sendung vom 09.01.2013 in den Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts der Klägerin eingegriffen. Das Landgericht hat die Äußerungen zutreffend als Meinungskundgabe eingeordnet und ihren Aussagegehalt im Ergebnis zutreffend dahingehend gewürdigt, dass es sich nicht um wertneutrale oder gar teilweise wertschätzende Äußerungen handelt, wie der Beklagte meint. Vielmehr wird die Persönlichkeit der Klägerin herabgesetzt und ihr sozialer Achtungsanspruch wird beeinträchtigt.
39a.)
40Um das betroffene Schutzgut und die Eingriffsintensität zutreffend beurteilen zu können, muss zunächst der Inhalt der Aussage bestimmt werden. Rechtmäßigkeitsvoraussetzung eines gegen eine bestimmte Äußerung gerichteten Eingriffs ist daher zunächst die zutreffende Erfassung ihres Sinns, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2012, 1 BvR 901/11, NJW 2013, 217; Beschluss vom 11. Dezember 2013, 1 BvR 194/13, AfP 2014, 133, Beschluss vom 19. Dezember 2007, Az.: 1 BvR 967/05, NJW 2008, 1654 – 1657; BGH, Urteil vom 14.05.2013, VI ZR 268/12, AfP 2013, 260; Urteil vom 27.05.2014, VI ZR 153/13, AfP 2014, 133). Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und von den erkennbaren Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007, Az.: 1 BvR 967/05, NJW 2008, 1654 - 1657; BGH, Urteil vom 25. März 1997, Az.: VI ZR 102/96, AfP 1997, 634 - 636). Die rein isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine tragfähige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2012, Az.: 1 BvR 901/11, NJW 2013, 217 - 218; Beschluss vom 12. Mai 2009, Az.: 1 BvR 2272/04, NJW 2009, 3016 - 3018; Beschluss vom 19. Dezember 2007, Az.: 1 BvR 967/05, NJW 2008, 1654 - 1657; BGH, Urteil vom 22. November 2005, Az.: VI ZR 204/04, NJW 2006, 601 - 603; Urteil vom 25. November 2003, Az.: VI ZR 226/02, VersR 2004, 343 - 344; Urteil vom 25. März 1997, Az.: VI ZR 102/96, VersR 1997, 842 - 843; vgl auch von Pentz, AfP 2014, S. 8 ff.) Fern liegende Deutungen sind dabei auszuscheiden (von Pentz aa O)
41a.)
42Entgegen der Auffassung des Beklagten in der Berufung sind die beanstandeten Äußerungen des Beklagten in der Publikation vom 11.01.2013 als die Person der Klägerin herabwürdigende Meinungsäußerungen einzuordnen, die in den Schutzbereich ihres Persönlichkeitsrechts eingreifen.
43(1)
44Wie der Beklagte selber einräumt, ist die Bezeichnung „kleines Luder vom Lerchenberg“ nach den obigen Maßstäben vom verständigen Durchschnittspublikum jedenfalls dahingehend zu verstehen, dass es sich bei der Klägerin um eine durchtriebene Person handelt oder sie jedenfalls bei der vorangestellten Anmoderation, d.h. bei ihrer beruflichen Tätigkeit für die 3Sat Redaktion im Sendezentrum des ZDF in Mainz-Lerchenberg, durchtrieben agiert. Da man bei der Moderatorin eines öffentlich – rechtlichen Nachrichtenmagazins mit seriösem Anspruch eine sachliche, qualifizierte und abgewogene Persönlichkeit erwartet, ist die Bezeichnung der Klägerin als „kleines Luder“ eine moralische Abwertung ihrer Person, die massiv in den Achtungsanspruch der Klägerin eingreift. Zwar ist dem Beklagten einzuräumen, dass es für das vom Landgericht angenommene, beim Durchschnittspublikum durchaus vorhandene Verständnis der Bezeichnung „Luder“ als weibliche Person, die ihre sexuelle Anziehungskraft für berufliche Vorteile nutzt, im konkreten Fall an hinreichenden Anhaltspunkten für eine derartige Auslegung fehlt. Denn auch im Gesamtzusammenhang mit den übrigen Äußerungen ist ein eindeutiger sexueller Bezug der Äußerung nicht erkennbar. Andererseits ist der Verwendung der Bezeichnung „kleines Luder“ entgegen der Auffassung des Beklagten aus dem Gesamtzusammenhang her auch nicht zu entnehmen, dass der Beklagte der Klägerin, wenn auch widerstrebend, mit der Bezeichnung in gewisser Weise Anerkennung zollt. Die gesamten Ausführungen des Beklagten über die Klägerin sind vielmehr herabwürdigend und lassen nicht im Geringsten Anerkennung für deren berufliche Leistungen erkennen.
45(2)
46Auch die Äußerung „T…- sie ist es nicht, sie heißt nur so – M... neigt ihr Köpfchen zur Seite, damit der Verstand sich in einer Ecke konzentrieren kann“, kann nur dahingehend verstanden werden, dass der Klägerin eine geringe/verminderte Verstandesleistung zugesprochen wird. Zutreffend hat das Landgericht darauf abgestellt, dass hiermit ein Bild vermittelt wird, wonach die Klägerin nur deshalb den Kopf zur Seite neigt, damit der Verstand – was physiologisch und anatomisch natürlich unsinnig ist – sich in einer Ecke konzentrieren - sammeln – kann, weil sie eben so wenig Verstand besitzt, dass dies erforderlich ist. Dass hier auf einen geringen Verstand angespielt wird und nicht wie von dem Beklagten behauptet, darauf, dass sich während einer Moderation im Hirnbereich des Stirnlappens die Hirnleistung konzentriert und der Beklagte diesen Vorgang quasi versehentlich als Ecke bezeichnet hat, ergibt sich bereits aus der Verwendung der verniedlichenden und in diesem Zusammenhang ebenfalls herabwürdigenden Bezeichnung „Köpfchen“ statt Kopf. Hierdurch wird die Vorstellung von einer Person gezeichnet, die nicht ihren Kopf, sondern ihr für eine Verstandesleistung klein geratenes Köpfchen neigt, damit der wenige dort befindliche Verstand sich in einer Ecke des Köpfchens, d.h. auf einem kleinen Platz sammeln kann, so dass es für eine Geistesleistung wie die einer Moderation reicht. Eine irgend geartete – wenn auch nur widerstrebende -Anerkennung der Konzentrationsleistung der Klägerin bei ihrer Moderation ist dieser Äußerung keinesfalls zu entnehmen. Nichts anderes ergibt sich, wenn man bei einer gebotenen Gesamtbetrachtung den auf die Wiedergabe der Anmoderation folgenden Satz einbezieht, in dem es heißt: An dieser Moderation muss das kleine Luder vom Lerchenberg lange gefeilt haben, vor allem das Bild mit dem „Mühlstein der Vergangenheitsbewältigung ist besonders gut gelungen.“ Denn hierin liegt keinesfalls die Anerkennung des Verstandes und der Moderationsleistung der Klägerin, sondern für den Durchschnittsleser im Gesamtzusammenhang klar erkennbar eine durch und durch ironische Anmerkung zu dem von der Klägerin gewählten Bild, wonach der Beklagte sich in der Vergangenheit ihrer Auffassung nach stets erneut als Mühlstein, d.h. als Hemmnis einer Vergangenheitsbewältigung zur Verfügung gestellt haben soll. Denn hierdurch bringt der Beklagte keinesfalls zum Ausdruck, dass die Moderation und vor allen Dingen das von der Klägerin gewählte Bild tatsächlich seiner Auffassung nach gut gelungen war, sondern mokiert sich darüber, dass die Klägerin - wiederum bezeichnet als kleines Luder, d.h. unter Hervorhebung ihr zugeschriebener Durchtriebenheit - lange gebraucht und intensiv daran gearbeitet haben müsse, um dieses von ihm offensichtlich nicht geteilte Bild von seinem Verhalten zu zeichnen. Der sich daran anschließende Satz, eingeleitet mit :“ Für so was wird die delirierende Hausfrau ….“zeigt zudem eindeutig, dass er zum einen rein gar nichts von dem von der Klägerin gewählten Bild hält („ für so was“) und zum anderen belegt der erneute, schon in der Formulierung ausfällige Angriff auf die Verstandesleistung der Klägerin („delirierend“) dass diese eben keinesfalls anerkannt, sondern geschmäht wird. Auch im Gesamtkontext ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte seine Äußerung dahingehend verstanden wissen wollte, die Klägerin habe sich vor ihrer Moderation entsprechend fokussiert, um die Anmoderation besonders überzeugend rüberzubringen. Zwar mag er eine typische, auch schon von anderer Seite hervorgehobene Kopfhaltung der Klägerin bei ihrer Moderation zum Anlass für seine Ausführungen genommen haben. Selbst der mit dieser Charakteristika der Klägerin vertraute Leser erkennt jedoch, dass der Beklagte diese typische, von anderer Seite durchaus positiv als Zeichen von Nachdenklichkeit interpretierte Kopfhaltung lediglich als Vorlage/Vorwand für seine die Verstandesleistung der Klägerin herabwürdigende Äußerung nutzt.
47c.)
48Auch die Bezeichnung der Klägerin als „delirierende Hausfrau“ ist nicht nur für sich allein betrachtet, sondern gerade auch im Kontext der weiteren Äußerungen des Beklagten äußerst ehrenrührig und würdigt die Klägerin in ihrem Geltungsanspruch als Person herab. So versteht der Durchschnittsleser den Begriff „delirierend“ im Zusammenhang mit einer Person durchaus als im Delirium sein, verwirrt bzw. irre reden und genauso ist er auch im gewählten Zusammenhang zu verstehen. Hiermit verdeutlicht der Beklagte dem Leser abermals, dass er die Klägerin für geistig nicht zurechnungsfähig und in ihrer Verstandesleistung eingeschränkt hält. Der lateinische Ursprung des Wortes im Sinne von „von der geraden Linie abweichend“ dürfte dagegen nur wenigen Lesern bekannt sein, ist hier aber auch offensichtlich nicht gemeint. Die vom Beklagten nunmehr angebotene Interpretation, er habe zum Ausdruck bringen wollen, die Klägerin sei etwas Besonderes, weil sie – insoweit ungewöhnlich und anders als andere Moderatorinnen - die eigene Familie verlassen und für ihre Sendung jeweils in ein anderes Land fliegen müsse, ist abwegig und findet im Gesamtzusammenhang keinerlei Stütze. Wie bereits ausgeführt, wird der Satz eingeleitet mit „Für so was“, was die von ihm kritisierte Anmoderation der Klägerin, insbesondere das von ihr gewählte Sprachbild des „Mühlsteins der Vergangenheitsbewältigung“ meint. Damit bringt auch die Bezeichnung der Klägerin als „delirierende Hausfrau“, die - für ihn unverständlicherweise, ob der schlechten Leistung - extra von London nach Mainz eingeflogen werde, wiederum allein eine Herabsetzung der Verstandesleistung der Klägerin zum Ausdruck, wobei in dem gewählten Kontext auch die Bezeichnung als Hausfrau die herabwürdigende Beschreibung „delirierend“ verstärkt. Denn hiermit wird der Klägerin zugleich ihre berufliche Befähigung und Eignung als Moderatorin und Journalistin abgesprochen und sie herabsetzend auf die vom Beklagten ersichtlich vergleichsweise gering geschätzte Rolle der Hausfrau und nicht etwa – wie in der Berufung geltend gemacht - die der Mutter reduziert. Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, sie müsse sich die Bezeichnung „delirierend“ im Sinne von verwirrt gefallen lassen, weil sie einen Cafèbesuch in Jerusalem mit ihm erfunden habe, der tatsächlich nicht stattgefunden habe. Denn einerseits hat der Beklagte nicht nachzuweisen vermocht, dass ein solcher Besuch tatsächlich nicht stattgefunden habe und andererseits will er seine Bezeichnung der Klägerin als kleines Luder im Sinne von kalkulierend und durchtrieben doch dahingehend verstanden wissen, dass die Klägerin gezielt eine solche Lüge vorgebracht habe, um den Eindruck größerer Nähe zu ihm hervorzurufen. Dies jedoch stünde in Widerspruch zu der Behauptung, mit delirierende Hausfrau habe er darauf hinweisen wollen, dass die Klägerin ob des fälschlich erinnerten Zusammentreffens verwirrt sei.
49d.)
50Die Äußerung, bei der Klägerin handele es sich um „die dummste und unfähigste von allen kz-Moderatoren und Moderatorinnen“ ist ebenfalls eindeutig eine eigene ehrverletzende Äußerung des Beklagten. Zu Recht hat das Landgericht hierzu ausgeführt, dass es sich hierbei nicht nur um ein Zitat des israelischen Politologen S… A… handelt. Der Beklagte will diese von ihm vorgenommene Einschätzung der Klägerin, die sich ja – wie bereits ausgeführt - auch in den vorangegangenen Äußerungen über die Klägerin eindeutig wiederspiegelt, sozusagen zusammenfassend als eigene Wertung der Person der Klägerin verstanden wissen, die er – und dass ist der zusätzliche zweite Teil seiner Aussage - durch A… gleichlautende Äußerungen anlässlich eines Interviews bestätigt sieht, was die ehrverletzende Wirkung der Äußerung durch den Beklagten jedoch in keiner Weise schmälert.
51e.)
52Danach sind die vorbezeichneten Äußerungen unter Berücksichtigung ihres Gesamtzusammenhangs allesamt im Sinne einer Herabwürdigung der Klägerin zu verstehen und greifen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin ein. Sie beeinträchtigen sie in erheblichem Maß in ihrer Ehre und sozialen Anerkennung. Die Äußerungen sind geeignet, sich abträglich auf ihr Ansehen, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17.12.2013, VI ZR 211/12, juris).
53f.)
54Bei den Äußerungen handelt es sich um Meinungsäußerungen, d.h. um Äußerungen, die durch das Element der Stellungnahme geprägt sind.
552.
56Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ist rechtswidrig. Diese Feststellung beruht auf einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Belange. Eine Schmähkritik, bei der eine solche Abwägung nicht vorzunehmen ist, weil sie per se rechtswidrig ist, liegt nicht vor.
57a.)
58Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (st. Rspr. z.B.: BGH, Urteil vom 17.12.2013, VI ZR 211/12, juris; BGH; Urteil vom 11.12.2012, VI ZR 314/10, juris). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist grundsätzlich nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen, insbesondere das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs die schutzwürdigen Belange der anderen Seite, etwa das in Art. Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Recht des sich Äußernden auf Meinungsfreiheit überwiegt (st. Rspr. z.B.: BGH, Urteil vom 17.12.2013, VI ZR 211/12, juris; BGH, Urteil vom 11.12.2012, VI ZR 314/10, juris).
59b.)
60Meinungsäußerung genießen grundsätzlich ohne Rücksicht auf ihre Qualität den Schutz des Art. 5 Abs.1 GG und dürfen nur in eng begrenzten Fällen untersagt werden. Unerheblich ist insbesondere, ob die Äußerung „wertvoll“, „wertlos“, „richtig“ oder „falsch“, emotional oder rational begründet ist. Vom Schutz umfasst sind grundsätzlich auch scharfe und übersteigerte Äußerungen (BVerG Beschluss vom 17.09.2012, 1 BvR 2979/10, AfP 2012, 549; BGH, Urteil vom 16.12.2014, VI ZR 39/14). Eine Meinungsäußerung stellt daher nur dann eine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung dar, wenn die Belange des Betroffenen durch ihren ehrverletzenden Gehalt in einem mit der Ausübung grundgesetzlich garantierter Meinungsfreiheit nicht mehr zu rechtfertigenden Maß tangiert sind (BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998 - 1 BvR 153/96 - NJW 1999, 1322, 1324; OLG Koblenz, Beschluss vom 12.07.2012 - 2 U 862/06 - ZUM-RD 2007, 522 ff. = MMR 2008, 54 f.; Beschluss vom 28.08.2008 - 2 U 1557/07 - NJW-RR 2009, 920 ff. = MMR 2009, 434; Beschluss vom 16.12.2013 – 3 U 1287/13, zitiert nach juris Rdn.33). Dementsprechend sind Werturteile von dem Recht zur freien Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt, soweit sie nicht zugleich darauf gerichtet sind, die Persönlichkeit herabzusetzen, zu diffamieren oder sie formal beleidigend sind.
61aa.)
62Unzulässig sind Werturteile jedenfalls dann, wenn sie in eine jeder sachlichen Grundlage entbehrende böswillige oder gehässige Schmähkritik übergehen. Hierunter ist eine Äußerung zu verstehen, die primär auf eine Diffamierung der Person und nicht auf eine Auseinandersetzung in der Sache abzielt. Sie ist gekennzeichnet durch die Herabsetzung der Person jenseits polemischer, überspitzter oder sogar ausfallende Kritik. Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 2006,1 BvR 49 / 00, AST 2006,349, BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2014,1 BvR 482 / 13). Eine Schmähung liegt zudem bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (BGH, Urteil vom 16.12.2014, VI ZR 39/14). Im Falle einer Schmähkritik steht die Rechtswidrigkeit der Äußerung grundsätzlich fest, ohne dass eine Abwägung vorgenommen werden müsste (Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 28. Juli 2014,1 BvR 482 / 13). Wegen ihres die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik allerdings eng auszulegen (BGH, Urteil vom 16.12.2014, VI ZR 39/14). Ob eine Äußerung als Schmähkritik zu verstehen ist, ist wiederum von ihrem Sinngehalt her zu beurteilen (BGH Urteil vom 5.12.2006, VI ZR 45 / 5, AfP 2007, 46; BGH Urteil vom 16.12.2014, VI ZR 39 14, von Pentz, AfP 2015,11 ff.). Wie eng der Begriff der Schmähkritik zu verstehen ist, weil die grundrechtliche Gewährung der Meinungsfreiheit unmittelbar tangiert wird, zeigt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hinsichtlich der Bezeichnung der bayerischen Landrätin als „durchgeknallte Frau“. In dieser Bezeichnung hat das Bundesverfassungsgericht eine Verächtlichmachung der Landrätin gesehen, die jeder tatsächlichen Grundlage entbehre und bewusst drauf abziele, ihr provokativ und absichtlich verletzend jeden Achtungsanspruch gerade schon als private Person abzusprechen (BVerfG, Beschluss vom 11. Dezember 2013,1 BvR 194 / 13, AfP 2014,133). Auch wenn diese Formulierungen auf Schmähkritik hindeuten, hat das Bundesverfassungsgericht die angegriffene Bezeichnung nicht als solche qualifiziert, sondern dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Landrätin erst in der Abwägung den Vorrang vor dem Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit eingeräumt. Auch im bereits mehrfach zitierten Fall „Hochleistungsmagnet“ (BGH, Urteil vom 16.12.2014, VI ZR 39/14) hat der BGH die Äußerungen des Beklagten, der dem Kläger „Schwindel“, „Betrug“, „Handel mit Scharlatanerie- Produkten“ und „Unsinn“ vorgeworfen hatte, anders als die Vorinstanz nicht als Schmähkritik angesehen, sondern als scharfe, wenn auch möglicherweise überzogene Kritik, die durch die Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt sei und eine Abwägung der beiderseitigen Interessen erfordere.
63bb.)
64Wenn auch, wie bereits ausgeführt, davon auszugehen ist, dass der Beklagte die Klägerin ganz bewusst mit seinen Äußerungen in ihrem persönlichen Achtungsanspruch herabsetzen wollte, so kann ihnen doch bei der gebotenen Gesamtbetrachtung ein Sachbezug nicht gänzlich abgesprochen werden. So stehen seine Äußerungen nicht losgelöst, sondern in Bezug zu der auch wörtlich wiedergegebenen und seinem Beitrag vorangestellten konkreten Moderatorentätigkeit der Klägerin und ihren Äußerungen über ihn in ihrer Anmoderation des Beitrages über die Vorwürfe des Beklagten gegenüber J... A…. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung stellt er zunächst die sich mit seiner Person befassende und ihn sowie sein Anliegen kritisch sehende Anmoderation der Klägerin dar und gibt anschließend seine Kritik an der Person der Klägerin in scharfer Form wieder. Wenn er auch erkennbar darauf abzielt, die Klägerin mit seinen Äußerungen zu verletzen und verächtlich zu machen, bezieht er sich doch auf konkrete Äußerungen der Klägerin, denen er sein Meinungsbild entgegensetzt. Dass er sich dabei nicht konkret mit dem Inhalt der Moderation und dem Anlass des Berichtes in der Kulturzeit befasst, steht dem nicht entgegen. Es kann ihm jedenfalls nicht abgesprochen werden, dass der Beitrag erkennbar dazu diente, der Beurteilung seiner Person und seines Anliegens durch die Klägerin seinen eigenen Standpunkt entgegenzusetzen. Dass die Äußerungen über die Klägerin überzogen erscheinen, genügt für die Annahme einer Schmähkritik nicht.
65cc.)
66Vorliegend steht die Herabsetzung der Persönlichkeit der Klägerin so sehr im Vordergrund, dass bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen dem Rechtsschutzinteresse der Klägerin der Vorrang einzuräumen ist.
67Abzuwägen sind das Persönlichkeitsrecht der Klägerin, die in ihrer Sozialsphäre betroffen ist, mit dem Recht des Beklagten auf freie Äußerung seiner Meinung. Wie bereits ausgeführt, stellt eine Meinungsäußerung dann eine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung dar, wenn die Belange des Betroffenen durch ihren ehrverletzenden Gehalt in einem mit der Ausübung grundgesetzlich garantierter Meinungsfreiheit nicht mehr zu rechtfertigenden Maß tangiert sind. Dies ist vorliegend der Fall. Dem Beklagten kam es offenkundig darauf an, die Klägerin zu diffamieren. In den mehrfachen unterschiedlichen und stets abwertenden Äußerungen über ihre geringe Verstandesleistung liegt eine Verächtlichmachung der Klägerin, die jeder tatsächlichen Grundlage entbehrt und ganz bewusst darauf abzielt, ihr provokativ und absichtlich verletzend jeden Achtungsanspruch abzusprechen. Seine die Person der Klägerin und insbesondere ihre beruflichen Fähigkeiten und ihre Verstandesleistung herabwürdigenden Äußerungen haben keine sachliche Auseinandersetzung mit ihr oder ihren Leistungen zur Grundlage. Die Äußerungen sind auch nicht im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung des Beklagten mit den von ihr getätigten Äußerungen über ihn und als Antwort auf oder „Gegenschlag“ gegenüber ihren Äußerungen über ihn gefallen. Soweit der Beklagte in der Berufung geltend macht, es sei ihm darum gegangen zu verdeutlichen, dass die Klägerin bei ihrer Anmoderation kalkulierend und durchtrieben agiere, indem sie zum Zwecke der Erzeugung des Anscheins größerer Seriösität und Expertise in Bezug auf seine Person eine erfundene Begegnung in einem Jerusalemer Cafe in den 1990ern Jahren behaupte, liegt eine solche Intention, sollte sie denn tatsächlich bestanden haben, nicht nur für den Leser nicht klar auf der Hand; ein solcher Bezug ist den Äußerungen vielmehr überhaupt nicht zu entnehmen. Denn seine Äußerungen dazu, dass er in den 1990ern in Berlin gelebt und andere Cafes ohne die Klägerin besucht habe, stehen in keinerlei Zusammenhang mit der Bezeichnung der Klägerin als Luder oder als delirierende Hausfrau und erklären diese auch nicht. Zudem verwendet der Beklagte die Bezeichnung kleines Luder vom Lerchenberg nicht nur als Überschrift und im Zusammenhang mit dieser angeblich von ihm als unrichtig angeprangerten Begebenheit in Jerusalem, sondern auch einleitend im Zusammenhang mit der vermeintlichen Anerkennung des von der Klägerin gewählten Bildes mit dem „Mühlstein der Vergangenheit“. Letztlich widerspricht sich der Beklagte auch, wenn er einerseits geltend macht, die Verunglimpfung als „delirierende Hausfrau“ solle darauf hinweisen, dass die Klägerin verwirrt sei, weil sie sich an ein nicht stattgefundenes Treffen in Jerusalem erinnere, andererseits soll es sich dabei um einen Ausfluss ihrer kalkulierenden und durchtriebenen Vorgehensweise handeln, da sie zum Zwecke der Erzeugung größerer Seriösität und Kenntnis über ihn das Treffen erfunden habe. Einen im Öffentlichkeitsinteresse liegenden sachlichen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Antisemitismusdebatte stellt der Beitrag selbst nach der Darstellung des Beklagten nicht dar. Sachliche Bezüge zu Inhalt oder Form der kritisierten Anmoderation oder der Debatte über angebliche antisemitische Äußerungen A… oder dazu, dass er mit seiner Kritik an A… überdreht habe (nicht, dass er überdreht sei) finden sich in den gesamten Ausführungen des Beklagten nicht. In dem Beitrag des Beklagten kommt auch nicht etwa ein Anliegen zum Ausdruck, eine von ihm für unqualifiziert erachtete Debatte über seinen Antisemitismusvorwurf anzuprangern, da sich der Beitrag eben in keiner Form auf die eigentliche Debatte bezieht. Auch Kennern der Moderation der Klägerin erschließt sich nicht einmal über Anspielungen, ob und gegebenenfalls welchen sachlichen Hintergrund die abfälligen Werturteile des Beklagten haben, zumal sie weitgehend nur das wiederholen oder wiedergeben, was der Beklagte schon in dieser oder anderer Form zuvor in anderen Beiträgen aus dem Jahr 2012 über die Klägerin geäußert hat. Die Äußerungen sind auch nicht etwa in eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Moderation der Klägerin eingebettet, sondern erschöpfen sich in dem herabwürdigenden Inhalt. Demgegenüber kann der Beklagte sich auch nicht auf ein Recht auf Gegenschlag berufen. Zwar muss auch derjenige, der Kritik dadurch auf sich lenkt, dass er – wie hier die Klägerin – in der Öffentlichkeit zu Grundfragen allgemein interessierender politischer Fragen, wie vorliegend der Antisemitismuskritik und ihren Vertretern, betont Stellung bezieht, eine scharfe, übersteigerte Kritik an seiner Person durch seine Gegner hinnehmen, die sich in ihrer entgegengesetzten Grundeinstellung angegriffen fühlen und seinen Standpunkt als unangemessen oder anstößig empfinden konnten (BGH, Urteil vom 18.06.1994 – VI ZR 16/73, zitiert nach juris mwN). Allerdings ist auch ein solches "Recht zum Gegenschlag" kein Freibrief für polemische Ausfälle, die jedes Maß vermissen lassen.
68Durch die in der Öffentlichkeit geäußerte Unterstellung von Durchtriebenheit, geringer Verstandesleistung und Unfähigkeit im Beruf liegt eine schwere Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin vor, während der Beklagte von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung in diesem Zusammenhang Gebrauch macht, um die Klägerin gegenüber Dritten herabzusetzen. Er verfolgt mit der Äußerung keine berechtigten, öffentlichen Interessen, sondern lediglich seine Eigeninteressen in Verfolgung seiner bereits in 2012 und damit vor der streitgegenständlichen Anmoderation der Klägerin stattgefundenen Kritik an der Person der Klägerin, wie sie in den als Anlage 6 überreichten Beiträgen des Beklagten zum Ausdruck kommt. In der Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter hat hier das Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung zurückzustehen.
693.
70Doch steht der Klägerin dennoch kein Anspruch auf die vom Landgericht zugesprochene Geldentschädigung zu.
71a.)
72Das allgemeine Persönlichkeitsrecht dient in erster Linie dem Schutz ideeller Interessen, insbesondere dem Schutz des Wert- und Achtungsanspruchs der Persönlichkeit. Dieser Schutz wird dadurch verwirklicht, dass bei einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung – neben negatorischen Schutzansprüchen und Ansprüchen auf Ersatz des materiellen Schadens – auch Ansprüche in Betracht kommen, die auf den Ausgleich immaterieller Beeinträchtigungen durch Zahlung einer Geldentschädigung gerichtet sind.
73Bei schwerwiegenden Verletzungen/Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechtsrechts besteht daher nach ständiger, mittlerweile gewohnheitsrechtlich anerkannter höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Anspruch auf Ausgleich der dadurch verursachten immateriellen Schäden, der unmittelbar aus dem Schutzauftrag der Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG abgeleitet wird (BGH, Urt. v. 29.04.2014 - VI ZR 246/12, Juris, Rn. 9, 11, 14; BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, Juris, Rn. 40; BGH, Urt. v. 24.03.2011 - IX ZR 180/11, Rn. 37; BGH, Urt. v. 05.10.2004 - VI ZR 255/03, Juris, Rn. 13; ferner BT-Drucks. 14/7752, S. 25; Erman/Ebert, a.a.O., § 253 Rn. 15; Erman/Klass, a.a.O., Anh. § 12 Rn. 313; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 253 Rn. 10). Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung beruht dabei auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Bei dieser Entschädigung steht - anders als beim Schmerzensgeld - regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen (vgl. BGH, Urt. v. 05.10.2004 - VI ZR 255/03, Juris, Rn. 13; BGH, Urt. v. 24.03.2011 - IX ZR 180/11, Rn. 40; BGH, Urt. v. 29.04.2014 - VI ZR 246/12, Juris. Rn. 18 - jeweils m.w.N.). Während das Schmerzensgeld den immateriellen Schaden des Verletzten ausgleichen soll, zielt die Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen darauf, dem Schutzauftrag der Art. 1, 2 Abs. 1 GG gerecht zu werden und vor Persönlichkeitsrechtsverletzungen abzuschrecken (Erman/Ebert, a.a.O., § 253 Rn. 19).
74b.)
75Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.2009 –VI ZR 219/08 = GRUR 2010, 171; BGH, Urteil vom GRUR 1995, 224 Erfundenes Exclusiv-Interview; BGH, GRUR 1997, 396 Polizeichef; BGH, GRUR 2005, 179 Tochter von Caroline von Hannover; GRUR 1985, 398 Nacktfoto; NJW-RR 1988, 733 = VersR 1988, 405; GRUR 199, 227 = VersR 1996, 341 Wiederholungsveröffentlichung; vgl. auch BVerfG, NJW 2004, 591 ). Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, kann nur auf Grund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BGH, GRUR 1995, 224 Erfundenes Exclusiv-Interview; GRUR 1970, 370 m. Anm. = Nachtigal; GRUR 1971, 529 m. Anm. = VersR 1971, 845 [846] Dreckschleuder; BGH, Beschl. v. 30. 6. 2009 VI ZR 340/08 = BeckRS 2009, 20080 Rdnr. 3). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können (vgl. BGH, GRUR 1970, 370 m. Anm. = VersR 1970, 675 (677) Nachtigall;BGH, Beschl. v. 30. 6. 2009 VI ZR 340/08, BeckRS 2009, 20080 Rdnr. 3). Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt demnach nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (vgl. BGH, BGHZ 128, 1 [12f.] = GRUR 1995, 224 Erfundenes Exclusiv-Interview; Senat, Beschl. v. 30. 6. 2009 VI ZR 340/08, BeckRS 2009, 20080). Im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit müssen gerichtliche Sanktionen von Äußerungen zudem auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (BGH, Urteil vom 16.12.2014 - VI ZR 39/14, juris).
76c.)
77Nach den oben aufgezeigten Maßstäben liegt kein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die streitgegenständlichen Äußerungen des Beklagten vor, der nicht anders als durch die Zubilligung einer Geldentschädigung kompensiert werden kann. Dabei ist bei der erforderlichen Beurteilung der Gesamtumstände des vorliegenden Falls zu berücksichtigen, dass der Beklagte die gegen ihn ergangene einstweilige Verfügung – wenn auch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – akzeptiert und soweit ersichtlich die angegriffenen Äußerungen, nicht wiederholt hat, zumal der Klägerin in diesem Fall auch die Durchsetzung ihrer Rechte durch entsprechende Ordnungsmittel zur Verfügung stünden. Wenn auch kein Recht zum Gegenschlag anzuerkennen ist, weil die Äußerungen der Klägerin, die Anlass für seine Publikation waren, nicht zu beanstanden, sondern von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt sind, so ist bei der Gesamtwürdigung doch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Debatte um seine Person und seinen Antisemitismusvorwurf um eine hoch emotional geführte Debatte gehandelt hat, in der die Klägerin eine durchaus kritische Einstellung gegenüber dem Beklagten eingenommen hat. Bei der Wertung des Verbreitungsgrades der inkriminierten Äußerungen kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass diese einen besonders hohen Verbreitungsgrad hatten, zumal die Publikation unstreitig alsbald von der Startseite verschwunden ist und insgesamt 6.000 Aufrufe kein Anzeichen für ein besonders großes Interesse an den Stellungnahmen des Beklagten belegen. Belastbare Indizien für eine weitere Verbreitung im Netz oder ein anhaltend großes Interesse gerade an diesem Beitrag des Beklagten über die Klägerin hat auch die Klägerin nicht dargetan. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte in der Folgezeit darauf hingewiesen hat, sich dem Unterlassungsanspruch gefügt zu haben, auch wenn er dies nur geschehen ist, um nochmals die inkriminierten Äußerungen tätigen und erneut Aufmerksamkeit auf sich und die Debatte lenken zu können. Letztlich ist dem Beklagten darin zu folgen, dass der Klägerin kein beruflicher Nachteil aus den Äußerungen erwachsen ist, sie vielmehr nach wie vor das Kulturmagazin bei 3sat moderiert.
78B.
79Der Klägerin steht dagegen der geltend gemachte und vom Landgericht zugesprochene Anspruch auf die der Höhe nach unbestrittenen Abmahnkosten als Rechtsverfolgungskosten zu, weil die Äußerungen - wie dargestellt - rechtswidrig waren und die Abmahnung des Beklagten daher berechtigt war.
80C.
81Die Klägerin hat gegen den Beklagten gem. § 12 S.1. 1. Alt., S.2 BGB auch einen Anspruch darauf, dass dieser es unterlässt, ihren Mädchennamen als „P…“ zu bezeichnen.
821.
83Die Klägerin kann auch für ihren Geburtsnamen den in § 12 BGB normierten Namensschutz beanspruchen. Denn auch ein Ehegatte, der den Namen des anderen Ehegatten als Ehenamen führt (vgl. § 1355), genießt den Namensschutz auch hinsichtlich ihres (seines) Geburtsnamens (MüKo/Säcker, BGB, 6. Auflage 2012, § 12 Rdn.8). Zudem genießt der Ehegatte, der seinen Geburtsnamen zu Gunsten des jetzigen Ehenamens aufgegeben hat, Schutz gegen ein Bestreiten seines Geburtsnamens (Mü/Ko/ Säcker aaO Rdn. 127).
842.
85Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte durch die mehrfache Verwendung der Bezeichnung des Geburtsnamens der Klägerin als P… statt B… eine Namensleugnung begangen hat. Die Berufungsangriffe hiergegen vermögen nicht zu überzeugen.
86a.)
87Eine Namensleugnung liegt vor, wenn das Recht zum Führen eines Namens bestritten oder die Pflicht zum Führen eines anderen Namens behauptet wird (Münch-Komm-BGB-Säcker, 6. Aufl., 2012, § 12 Rdn. 125 f.; Anwaltsgerichtshof Hamm, Urteil vom 23. Januar 2015 – 1 AGH 37/14 –, Rn. 24, juris) Ein solches Bestreiten ist auch dann zu bejahen, wenn dem Berechtigten grundsätzlich der ihm von Rechts wegen zukommende Name versagt und er mit einem ihm nicht zustehenden Namen belegt wird (vgl. Beispiele bei RGRK (Krüger-Nieland) BGB-Kommentar, 12. Aufl., Rdz. 80 f zu § 12; Staudinger-Coing, BGB – Kommentar, 12. Aufl., Rdz. 121 ff zu § 12). Das kann auch stillschweigend und gegenüber Dritten geschehen. Der Verletzungstatbestand verlangt Vorsatz, wenn auch keine kränkende Absicht (Mü-Ko/Säcker aaO Rdn.125).
88b.)
89Unstreitig hat der Beklagte der Klägerin in der im Tenor des Landgerichts wiedergegebenen Publikation mehrfach den Geburtsnamen P… statt B… zugeschrieben. Ob dies eine absichtliche Abwandlung des Namens sein sollte, was schon deshalb nahe liegt, weil es erkennbar keinerlei sachlichen Grund für die Verwendung des Mädchennamens im Kontext gab und sich die Verwendung des falschen Geburtsnamens für den unbefangenen Leser als Fortsetzung des sich in den Publikationen des Beklagten über die Klägerin bei Verwendung ihres Namens M… ständig wiederholenden Hinweises darauf darstellt, dass die Klägerin trotz des jüdischen Nachnamens keine Jüdin sei, sondern nur so heiße, kann dahinstehen, da weder Absicht noch ein direkter Vorsatz erforderlich sind. Die falsche Bezeichnung unter Leugnung des richtigen Geburtsnamens geschah selbst nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten zumindest bedingt vorsätzlich (dolus eventualis), indem er sich zumindest im Bewusstsein eines möglichen Übertragungsfehlers telefonisch den Namen der Klägerin hat durchgeben lassen, und diesen veröffentlicht hat, ohne sich zuvor – wie es journalistische Sorgfalt geboten hätte - zu vergewissern, dass er den mündlich per Telefon übermittelten Namen richtig aufgefasst hat, sei es durch Bestätigung im Wege schriftlicher Kommunikation oder – wie vom Landgericht ausgeführt – durch Buchstabierenlassen des Namens. Dabei kann dahinstehen, ob diese Behauptung des Beklagten wirklich zutrifft, oder auch die Erläuterungen des Beklagten in einer von der Klägerin in der Berufungserwiderung wiedergegebenen Veröffentlichung im Anschluss an die öffentlich geführte Debatte über die fehlerhafte Bezeichnung ihres Mädchennamens, dass er nämlich aufgrund eines Sprachfehlers B von P nicht unterscheiden könne. Indem der Beklagte den Geburtsnamen der Klägerin allein auf der Grundlage einer telefonischen Übermittlung des Namens veröffentlichte und dabei gleich mehrfach verwendete, ohne sich zuvor belastbar zu vergewissern, ob der Name so zutreffend war, nahm er billigend in Kauf, dass der Name unzutreffend und unstreitig erstmals der Öffentlichkeit preis gegeben wurde.
903.
91Der Klägerin steht gegen den Beklagten auch der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 12 S.2 BGB zu, da eine Wiederholungsgefahr dargetan ist.
92Eine Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, soweit die Art und Weise der Beeinträchtigungshandlung die Besorgnis weiterer Rechtsverletzungen nahelegt. Sie ist zudem indiziert, wenn der Verletzer auch noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung den Standpunkt vertritt, dass er rechtmäßig gehandelt habe (Mü/KO aaO Rdn.158 mwN).Dies ist vorliegend der Fall. So vertritt der Beklagte nach wie vor die Auffassung, rechtmäßig gehandelt zu haben und verweigert daher auch die Abgabe einer Unterlassungserklärung. Dass er den unzutreffenden Namen bislang nicht erneut verwandt hat, steht der Wiederholungsgefahr daher nicht entgegen.
93D.
94Da der Beklagte der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet ist, hat er auch die der Klägerin entstandenen und vom Landgericht zugesprochenen Abmahnkosten als Rechtsverfolgungskosten zu tragen.
95E.
96Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs.1ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
97Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
98Streitwert: bis 12.500 €.
99D… S… O…
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 13. Aug. 2015 - I-16 U 121/14
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(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.
Wird das Recht zum Gebrauch eines Namens dem Berechtigten von einem anderen bestritten oder wird das Interesse des Berechtigten dadurch verletzt, dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht, so kann der Berechtigte von dem anderen Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten in Anspruch, die durch die außergerichtliche Geltendmachung eines Gegendarstellungs - und Widerrufsanspruchs entstanden sein sollen.
- 2
- Die Beklagte ist Verlegerin einer deutschen Tageszeitung, die Klägerin war Chefredakteurin einer anderen deutschen Tageszeitung. Mit der Klägerin führten die Autoren des Buches "Die vierte Gewalt" ein Interview, das Eingang in das Buch finden sollte. Die Klägerin verweigerte in der Folgezeit aber die Autorisierung des Interviews sowie ihr Einverständnis mit seinem Abdruck. Sie wies - zeitlich nach der Verweigerung der Autorisierung - gegenüber den Autoren allerdings auch darauf hin, dass das Interview "gut transkribiert" sei.
- 3
- Die Beklagte berichtete in der Ausgabe vom 9. Oktober 2008 der von ihr verlegten Zeitung über diesen Vorgang unter voller Namensnennung der Klägerin wie folgt: "Die vierte Gewalt […]-Chefin lässt Buch stoppen B. M., die Chefredakteurin der […], hat das […] Buch "Die vierte Gewalt" stoppen lassen, in dem sich ein Interview mit ihr befindet. Die Autoren […] versammeln in ihrem Band Interviewsmit 26 Medienleuten, die sie nach ihren professionellen Maßstäben und privaten Ansichten befragen. Über die Autorisierung des Gesprächs mit B. M. kam es zum Streit. Die […]-Chefredakteurin fühlte sich von den Autoren schlecht behandelt, wie sie im Gespräch mit dieser Zeitung sagte. Die Autoren wiederum verwiesen darauf, dass M. die Abschrift des Gesprächs zunächst sogar gelobt habe und erst nach Monaten Probleme aufgetaucht seien. Strittig ist zwischen den Parteien die Frage, ob es der ausdrücklichen Autorisierung B. Ms. bedurfte, um das Interview abdrucken zu können oder nicht. Das ist vor dem Hintergrund, dass die [Name der Zeitung, deren Chefredakteurin die Klägerin war] vor fünf Jahren eine Kampagne gegen den Autorisierungswahn bei Presseinterviews betrieb, nicht ohne Pikanterie. Der Ver- lag muss das Interview nun aus dem Buch heraustrennen, […]."
- 4
- Mit dem Vorwurf, die dem Artikel zu entnehmende Aussage, sie habe die Abschrift des Gesprächs zunächst gelobt und erst nach Monaten seien Probleme aufgetaucht, sei erweislich falsch, weil sie, zeitlich umgekehrt, zuerst die Autorisierung verweigert und erst dann die Transkription gelobt habe, nahm die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung und - mit gesondertem Rechtsanwaltsschreiben vom 10. Oktober 2008 - auf Widerruf sowie Abdruck einer Gegendar- stellung in Anspruch. Die Beklagte gab die geforderte Unterlassungserklärung ab, weigerte sich aber, die Gegendarstellung abzudrucken und den geforderten Widerruf zu erklären. Die Klägerin, die diese Ansprüche nicht weiterverfolgt hat, nimmt die Beklagte nunmehr auf Freistellung von der Forderung ihrer Rechts- anwälte in Höhe von 1.419,19 € zuzüglich Zinsen in Anspruch, die durch die anwaltliche Geltendmachung des Gegendarstellungs- und des Widerrufsanspruchs entstanden sein soll.
- 5
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe dem Grunde nach zwar ein Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Denn die Beklagte habe das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Die von der Klägerin vorliegend geltend gemachten Kosten stellten aber keinen ersatzfähigen Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB dar. Ein Anspruch auf Erstattung der für die Aufforderung zur Gegendarstellung angefallenen Kosten scheitere jedenfalls daran, dass die Beklagte zum Abdruck einer der beiden ihr zugeleiteten Versionen der Gegendarstellung nicht verpflichtet gewesen sei. Denn beide Versionen beschränkten sich nicht auf eine Erwiderung auf die Ausgangsmitteilung. Die erste Version der Gegendarstellung sei darüber hinaus auch ihrem Umfang nach nicht angemessen. Erstattung der für die Aufforderung zum Widerruf angefallenen Kosten könne die Klägerin nicht verlangen, da die Beklagte lediglich die Äußerung eines Dritten wiedergegeben habe. In Betracht komme insoweit lediglich eine Distanzierung, die die Klägerin aber nicht verlangt habe.
II.
- 7
- Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
- 8
- 1. Entgegen der Auffassung der Revision unterliegt das Berufungsurteil nicht wegen unterbliebener Wiedergabe der Berufungsanträge der Aufhebung.
- 9
- Zutreffend ist freilich, dass ein Berufungsurteil, das das Berufungsbegehren nicht erkennen lässt, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Revisionsinstanz bereits aus diesem Grund aufzuheben ist (Senatsurteil vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02, BGHZ 156, 216, 217 f.; BGH, Urteile vom 25. Mai 2011 - IV ZR 59/09, VersR 2011, 1005 Rn. 8 f.; vom 13. Januar 2004 - XI ZR 5/03, NJW-RR 2004, 573 f.; vom 22. Dezember 2003 - VIII ZR 122/03, NJW-RR 2004, 494; vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02, BGHZ 154, 99, 100 f.). Es bedarf dabei aber nicht zwingend einer wörtlichen Wiedergabe der Berufungsanträge. Vielmehr reicht es aus, wenn dem Berufungsurteil das Berufungsbegehren mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden kann (BGH, Urteil vom 25. Mai 2011 - IV ZR 59/09, VersR 2011,1005 Rn. 10). Dies ist vorliegend (noch) der Fall.
- 10
- Im Berufungsurteil wird ausgeführt, das angefochtene Urteil sei zu bestätigen , weil das Amtsgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen habe, denn die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Freistellung von den geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Diese Ausführungen und das gleichzeitige Fehlen jeglicher Anhaltspunkte im Berufungsurteil , dass die Klägerin zweitinstanzlich mehr oder weniger als in erster Instanz gefordert haben könnte, lassen einen noch hinreichend sicheren Schluss darauf zu, dass die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren, das sich aus den vom Berufungsurteil in Bezug genommenen tatbestandlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils ergibt, in zweiter Instanz unverändert weiterverfolgt hat.
- 11
- 2. In der Sache steht der Klägerin der geltend gemachte Freistellungsanspruch bereits dem Grunde nach nicht zu.
- 12
- a) Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG besteht nicht. Es fehlt bereits an einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin.
- 13
- aa) Zu den Schutzgütern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zählt die soziale Anerkennung des Einzelnen. Es umfasst den Schutz des Einzelnen vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 21 mwN; BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2013 - XII ZB 176/12, NJW 2014, 61 Rn. 28). Ob eine Äußerung eine solche Eignung besitzt, hängt davon ab, welcher Aussagegehalt ihr zukommt. Bei der mithin notwendigen Sinndeutung , die in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. nur Senatsurteile vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07, VersR 2009, 555 Rn. 12; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rn. 11; vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04, VersR 2006, 382 Rn. 14; jeweils mwN), ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. Senatsurteile vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, VersR 2009, 1545 Rn. 11; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, VersR 2008, 793 Rn. 20; vom 28. Juni 1994 - VI ZR 252/93, VersR 1994, 1120, 1121; BVerfG, NJW 2013, 217 Rn. 20 jeweils mwN).
- 14
- bb) Danach ist die angegriffene Berichterstattung nicht geeignet, sich abträglich auf das Bild der Klägerin in der Öffentlichkeit auszuwirken. Zwar mag es zutreffen, dass der von der Klägerin beanstandete Satz isoliert betrachtet den Eindruck vermittelt, die Klägerin habe sich widersprüchlich verhalten, indem sie die Veröffentlichung eines von ihr ursprünglich für gut befundenen Beitrags plötzlich aus nicht weiter nachvollziehbaren Motiven verhindert habe, was auf die - gerade in der beruflichen Position der Klägerin - negativen Charaktereigenschaften der Unzuverlässigkeit und der Wankelmütigkeit hindeuten könnte. Im Gesamtzusammenhang des Artikels tritt dieser Aussagegehalt aber völlig in den Hintergrund. Aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsempfängers (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 6 mwN) ist Gegenstand des Artikels die - zunächst neutrale - Darstellung eines Streits über die Autorisierung des von der Klägerin gegebenen Interviews. Hierzu werden dem Leser die unterschiedlichen Positionen der Klägerin einerseits und der Autoren des Buches "Die vierte Gewalt" andererseits mitgeteilt. Daran anknüpfend wird darauf hingewiesen, dass sich die Klägerin mit ihrem Verhalten in Widerspruch zu einer von "ihrer" Zeitung betriebenen "Kampagne gegen den Autorisierungswahn bei Presseinterviews" setzt. Hierin liegt der eigentliche im Artikel gegenüber der Klägerin erhobene Vorwurf. Er knüpft alleine daran an, dass die Klägerin durch die Verweigerung der Autorisierung eines von ihr gegebenen Interviews dessen Veröffentlichung verhindert hat, sie sich also, wenn es um sie persönlich geht, in einer Weise verhält, die gerade von "ihrer" Zeitung im Rahmen einer "Kampagne" kritisiert wurde. Dieser Vorwurf ist aber völlig unabhängig von der Frage, in welcher zeitlichen Reihenfolge sie einerseits die Autorisierung verweigert und andererseits die Transkription gelobt hat.
- 15
- b) Da der streitgegenständlichen Äußerung ein die Klägerin herabwürdigender Aussagegehalt nicht entnommen werden kann, scheidet auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB aus. Galke Diederichsen Stöhr von Pentz Offenloch
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 05.10.2012 - 22 C 259/11 -
LG Berlin, Entscheidung vom 26.02.2013 - 27 S 13/12 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Kläger, ein katholisches Erzbistum, dessen Kardinal und ein Prälat, nehmen den Beklagten, einen Journalisten, auf Unterlassung wörtlicher oder sinngemäßer Tatsachenbehauptungen dahingehend in Anspruch, den Klägern sei es aufgrund eines an sie gerichteten Briefes einer Frau D. vom 18. September 1996 möglich gewesen, den Schwangerschaftsabbruch einer angeblich von einem Pfarrer geschwängerten Minderjährigen zu verhindern, außerdem hätten sie den Pfarrer, der die angebliche Sexualbeziehung zu der Minderjährigen erpresst habe, aus seinem Amt entfernen können. Sie behaupten, der Beklagte habe diese Tatsachenbehauptungen versteckt in zwei Zeitungsartikeln und einem Rundfunkbeitrag, die alle Ende 1996 erschienen sind, aufgestellt.
- 2
- Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das in NJW-RR 1998, 1175 veröffentlichte Berufungsurteil, mit dem die Berufung des Beklagten nur hinsichtlich des Klägers zu 3 wegen fehlender Aktivlegitimation erfolgreich gewesen , im übrigen jedoch zurückgewiesen worden war, ist vom Bundesverfassungsgericht (NJW 2004, 1942) wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen worden. Die Kläger haben den Beklagten nunmehr auf Unterlassung verschiedener Äußerungen in Anspruch genommen, aus denen sie die versteckten Aussagen im Sinne des ursprünglichen Antrages herleiten. Die Berufung ist weitgehend ohne Erfolg geblieben; das Berufungsgericht hat der Unterlassungsklage stattgegeben mit der Einschränkung, dass dem Beklagten die Verbreitung der beanstandeten verdeckten Tatsachenbehauptungen, wie in den zwei 1996 erschienenen Artikeln und dem am 24. November 1996 gesendeten Rundfunkbeitrag geschehen, verboten werde ohne den klarstellenden Zusatz, dass den Klägern weder der Name des betroffenen Mädchens noch der des Pfarrers bekannt gewesen, weil von Frau D. nicht mitgeteilt worden sei. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Klageabweisung auch gegenüber den Klägern zu 1, 2 und 4.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht bejaht einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 BGB, § 186 StGB, da der Beklagte in den zwei 1996 veröffentlichten Artikeln und dem am 24. November 1996 ausgestrahlten Rundfunkbeitrag in verdeckter Form unrichtige Tatsachenbehauptungen aufgestellt habe, welche geeignet seien, das Ansehen der Kläger in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen.
- 4
- So habe der Kläger im Radiobeitrag die verdeckten und unrichtigen Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die Kläger hätten aufgrund eines Schreibens von Frau D. vom 18. September 1996, in dem diese das Bistum darüber informierte , dass eine Jugendliche aufgrund einer erpressten Sexualbeziehung zu einem katholischen Pfarrer schwanger geworden sei und nach Beratung diese Schwangerschaft in den nächsten Tagen abbrechen werde, die Möglichkeit gehabt , unmittelbar Kontakt mit der Betroffenen aufzunehmen und den Schwangerschaftsabbruch zu verhindern, sowie, den Klägern sei der Name des beschuldigten Pfarrers bekannt gewesen, so dass sie ihn aus dem Amt hätten entfernen können.
- 5
- In dem Artikel für die Zeitschrift "Die Woche" seien die beiden verdeckten Behauptungen ebenfalls aufgestellt worden, während im Artikel in der Zeitschrift "Kirche intern" nur die erste (bezüglich der Kontaktaufnahmemöglichkeit) aufgestellt worden sei.
- 6
- Der Beklagte habe dabei verschwiegen, dass der Kläger zu 4 unstreitig in einem dem Schreiben vorangegangenen Telefonat mit Frau D. nach dem Namen des Pfarrers und der betroffenen Minderjährigen gefragt und keine Antwort erhalten hatte und dass der Brief diese Informationen unstreitig ebenfalls nicht enthielt. Das Verschweigen wesentlicher Umstände und damit die unvollständige Darstellung des Sachverhalts begründe eine verdeckte Tatsachenbehauptung , die dadurch unrichtig sei.
II.
- 7
- Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Den Klägern steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 BGB, § 186 StGB mit der im Tenor des Berufungsgerichts erfolgten Einschränkung zu.
- 8
- 1. Die Revision rügt erfolglos die Aktivlegitimation des Klägers zu 2 (Erzbistum K.).
- 9
- a) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts wie das klagende Bistum zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Angriffen in Anspruch nehmen können, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt wird. Zwar haben sie weder eine "persönliche" Ehre noch können sie wie eine natürliche Person Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein; sie genießen jedoch, wie § 194 Abs. 3 StGB zeigt, im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben - hier im Bereich der Seelsorge und der Verbreitung und Vertretung von Glaubensinhalten - strafrechtlichen Ehrenschutz , der über §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. StGB zivilrechtliche Unterlassungsansprüche begründen kann (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1982 - VI ZR 251/80 - NJW 1982, 2246 und vom 16. November 1982 - VI ZR 122/80 - NJW 1983, 1183, jeweils m.w.N.; BVerfGE 93, 266, 291).
- 10
- b) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist weiterhin die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Kläger zu 2 durch die Berichterstattung selbst betroffen ist.
- 11
- Wenn die Revision meint, dass nur Mitarbeiter einer juristischen Person von einer Äußerung betroffen sein könnten, trifft dies für den vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Auch wenn die juristische Person durch ihre Mitarbeiter bzw. gesetzlichen Vertreter handelt, kann sie doch - wie soeben ausgeführt - selbst Rechtsträger sein und deshalb Unterlassungsansprüche geltend machen , wenn sie in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt wird. Dies gilt im vorliegenden Fall bereits deshalb, weil das Erzbistum als Institution mehrfach direkt benannt bzw. angesprochen ist.
- 12
- Soweit die Revision mit der Unterscheidung zwischen Erzbistum und Erzdiözese in Zweifel zieht, ob das Erzbistum eine juristische Person sei, kann zur Beseitigung dieser Zweifel auf BGHZ 124, 173, 174 f. verwiesen werden, wonach im Bereich der katholischen Kirche dem Bistum als der maßgeblichen Territorialgliederung die grundgesetzlich geschützte Rechtsstellung (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 WRV) als Körperschaft öffentlichen Rechts zukommt (vgl. auch Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz , 10. Auflage, Art. 140, Rn. 12).
- 13
- 2. Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht bei Ermittlung des Aussagegehalts der drei Presseberichte deren Gesamtzusammenhang außer Acht gelassen und deshalb ihren Sinn nicht zutreffend erfasst habe.
- 14
- a) Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Sie unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. Senatsurteile BGHZ 78, 9, 16; 132, 13, 21; vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99 - VersR 2000, 327, 330; vom 30. Mai 2000 - VI ZR 276/99 - VersR 2000, 1162, 1163; vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - VersR 2004, 343, 344). Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenomme- nen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder Zuschauer erkennbar sind. Hingegen wird die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfGE 93, 266, 295; Senatsurteile vom 25. März 1997 - VI ZR 102/96 - VersR 1997, 842, 843 m.w.N.; vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - VersR 2004, 343, 344).
- 15
- b) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist diese revisionsrechtliche Überprüfung auch im Streitfall vorzunehmen und nicht etwa durch das Bundesverfassungsgericht (NJW 2004, 1942) abschließend erfolgt. Vielmehr erstreckt sich die Bindungswirkung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts nur auf den Umfang der Feststellung nach § 95 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Feststellung im Sinne dieser Vorschriften ist jedenfalls die Entscheidungsformel, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergänzt um die tragenden Gründe der Entscheidung (BVerfGE 1, 14, 37; 19, 377, 392; 20, 56, 87; 40, 88, 93; 96, 375, 404; 104, 151, 197; Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. A., § 31 Rn. 58). Jedoch erfasst die Bindungswirkung nur die Auslegung der Verfassung, nicht die einfachrechtlicher Normen (Umbach/Clemens/Dollinger aaO, Rn. 60). Hierzu ist dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts lediglich zu entnehmen, dass die Rechtsprechung der Fachgerichte, wonach bei der Annahme von verdeckten Aussagen eine besondere Zurückhaltung geboten sei und deshalb die dem Leser nahe gelegte Schlussfolgerung unabweislich sein müsse, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sei.
- 16
- c) Mit Recht hat sich das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Aussagegehalts nicht auf "offene" Behauptungen beschränkt, sondern die Prüfung auf ehrenkränkende Beschuldigungen erstreckt, die im Gesamtzusammenhang der offenen Einzelaussagen "versteckt" bzw. "zwischen den Zeilen" stehen könnten (vgl. Senatsurteile BGHZ 78, 9, 14; vom 28. Juni 1994 - VI ZR 273/93 - VersR 1994, 1123, 1124; vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - VersR 2004, 343, 344). Das Berufungsgericht gibt auch die Grundsätze zur Nachprüfung solcher verdeckter Aussagen zutreffend wieder.
- 17
- Danach ist bei der Ermittlung so genannter verdeckter Aussagen zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich "verdeckten" Aussage , mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahe legt. Unter dem Blickpunkt des Art. 5 Abs. 1 GG kann nur im zweiten Fall die "verdeckte" Aussage einer "offenen" Behauptung des Äußernden gleichgestellt werden. Denn der Betroffene kann sich in aller Regel nicht dagegen wehren, dass der Leser aus den ihm "offen" mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen Anhaltspunkte bieten, der von dem sich Äußernden so aber weder offen noch verdeckt behauptet worden ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 1994 - VI ZR 273/93 - aaO und vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 aaO).
- 18
- d) Ob das Berufungsgericht im Streitfall mit Recht die dem Leser nahegelegten Schlussfolgerungen für so unabweislich gehalten hat, dass sie eine verdeckte Äußerung beinhalten, kann letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls liegt eine bewusst unvollständige Berichterstattung vor, die ebenfalls unzulässig ist. Wenn nämlich - wie die Revision geltend macht - dem Leser Tatsachen mitgeteilt worden sind, aus denen er erkennbar eigene Schlussfolgerungen ziehen soll, so durften hierbei keine wesentlichen Tatsachen verschwiegen werden, die dem Vorgang ein anderes Gewicht geben könnten (vgl. BVerfGE 12, 113, 130; Senatsurteile BGHZ 31, 308, 318; vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193) und deren Kenntnis für den Leser unerlässlich ist, der sich im Kernpunkt ein zutreffendes Urteil bilden will (vgl. Senatsurteile vom 20. Juni 1961 - VI ZR 222/60 - VersR 1961, 980, 982; vom 9. November 1965 - VI ZR 276/64 - VersR 1966, 85, 87; vom 30. Januar 1979 - VI ZR 163/77 - VersR 1979, 520, 521; vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193; ebenso Soehring, Presserecht, 3. A., Rn. 16.44b; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. A., Kap. 5 Rn. 81). Liegt es - wie im Streitfall auch von der Revision nicht in Abrede gestellt - nahe, aus mehreren unstreitigen Tatsachen eine bestimmte (ehrverletzende) Schlussfolgerung zu ziehen, so ist jedenfalls eine bewusst unvollständige Berichterstattung rechtlich wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln, wenn die Schlussfolgerung bei Mitteilung der verschwiegenen Tatsache weniger nahe liegend erscheint und deshalb durch das Verschweigen dieser Tatsache beim unbefangenen Durchschnittsleser ein falscher Eindruck entstehen kann (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193). Eine Tatsachenbehauptung , die nur Teilwahrheiten vermittelt und dadurch beim Adressaten der Äußerung zu einer Fehleinschätzung des Angegriffenen führt, ist schon aus diesem Grund rechtswidrig (vgl. Senatsurteile BGHZ 31, 308, 316; vom 18. Juni 1974 - VI ZR 16/73 - NJW 1974, 1762, 1763 und vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193, 195 m.w.N.). Es dürfen also nicht solche Fakten verschwiegen werden, deren Mitteilung beim Adressaten zu einer dem Betroffenen günstigeren Beurteilung des Gesamtvorgangs hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - aaO).
- 19
- Insoweit gelten für die Vollständigkeit einer solchen Berichterstattung die gleichen Grundsätze wie für die Verdachtsberichterstattung. Auch hier ist näm- lich eine vollständige Berichterstattung erforderlich, so dass dem Leser auch die entlastenden Umstände mitgeteilt werden müssen (vgl. Senatsurteil vom 26. November 1996 - VI ZR 323/95 - VersR 1997, 325, 327). So darf bei einem Bericht, der sich mit einer namentlich genannten Person besonders beschäftigt, die Kürzung des mitgeteilten Sachverhalts nicht so weit gehen, dass der Zuschauer oder Leser ein nach der negativen Seite entstelltes Bild dieser Person erhält, weil ihm nur einseitige Ausschnitte mitgeteilt werden (vgl. Senatsurteile BGHZ 31, 308, 316 und vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193, 195).
- 20
- e) Um solche Umstände handelt es sich hier. Es liegt auf der Hand, dass die Tatsache, dass den Klägern weder der Name des Mädchens noch der Name des Pfarrers mitgeteilt worden waren, geeignet ist, die mitgeteilten Vorgänge und insbesondere den Vorwurf verspäteten Handelns bzw. der Untätigkeit in den Augen des unbefangenen Durchschnittslesers in einem anderen, den Klägern günstigeren Licht erscheinen zu lassen. Denn während es bei Bekanntheit der Personalien aller an dem Vorfall beteiligten Personen beim Durchschnittsleser auf Unverständnis stoßen dürfte, dass weder der Minderjährigen umgehend Hilfe angeboten noch gegen den Pfarrer vorgegangen wurde, erscheint eine entsprechende Schlussfolgerung bei Wissen darum, dass die Namen und Personalien der Beteiligten den Klägern nicht bekannt waren, wesentlich ferner liegend. Deshalb durften hier diese Umstände, die eine Entlastung bewirken konnten , im Rahmen der konkreten Berichterstattung nicht verschwiegen werden.
- 21
- Unstreitig sind den Klägern weder durch den Brief noch durch das vorausgegangene Telefonat die Namen des betroffenen Mädchens und des Pfarrers mitgeteilt worden. Das reicht unter den gegebenen Umständen für die Annahme einer bewusst unvollständigen Berichterstattung aus, weil der Beklagte nach den tatrichterlichen Feststellungen keinen Anhaltspunkt für eine Kenntnis der Kläger hatte, die unstreitig auch nicht vorhanden war.
- 22
- f) Ist mithin diese bewusst unvollständige Berichterstattung der Verbreitung einer unwahren Tatsachenbehauptung gleichzustellen, greift der Grundsatz ein, dass an solchen Äußerungen kein berechtigtes Interesse besteht (vgl. BVerfGE 61, 1, 8 f.; 85, 1, 15); der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB steht dem Beklagten nicht zur Seite. Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob der Beklagte bei seinen Recherchen hinsichtlich der Frage der nachfolgenden Informationsmöglichkeiten der Kläger über Frau D. die publizistische Sorgfalt gewahrt hat oder nicht. Dem durch Art. 5 GG geschützten Anliegen des Beklagten , durch seine Berichterstattung aufzuzeigen, dass die Kläger von sich aus keinen Versuch unternommen hätten, mit dem betroffenen Mädchen in Kontakt zu treten oder die Identität des Pfarrers in Erfahrung zu bringen, wird durch die jetzige Tenorierung des Berufungsurteils ausreichend Rechnung getragen , die auch im übrigen nicht zu beanstanden ist.
Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 11.06.1997 - 28 O 44/97 -
OLG Köln, Entscheidung vom 01.07.2004 - 15 U 126/97 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von den Beklagten Ersatz von Verdienstausfall und Zahlung einer Geldentschädigung wegen einer von ihm behaupteten schwerwiegenden Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Am 24. August 1998 strahlte die Beklagte zu 1, eine öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt, in der Sendung "WISO" den Beitrag "Klinik Monopoly" aus. Der Beklagte zu 2 war für den Beitrag verantwortlicher Redakteur. Es wurde u.a. über die berufliche Tätigkeit des Klägers bis 31. März 1997 als Leiter einer Un-ternehmensgruppe "Kompetenz in Kliniken" (im folgenden: UG KIK) in B., zu der auch die Firma GSD gehörte, und über die im Anschluß daran ab 1. April 1997 ausgeübte Tätigkeit als Krankenhausdirektor des Klinikums in K. berichtet. Im Hinblick auf die bevorstehende Ernennung zum kaufmännischen Vorstand des Klinikums in G. hatte der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Sendung den Dienstvertrag mit dem Klinikum in K. mit Wirkung zum 31. Oktober 1998 in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst. Nach der Sendung und aufgrund mehrerer kritischer Berichte im lokalen Tagblatt in G. über seine frühere Tätigkeit in B. zog der Kläger seine Bewerbung für die Stelle in G. zurück. Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers verlangten, nachdem sie sich vor der Sendung mit einer eigenen Sachverhaltsdarstellung an den Beklagten zu 2 gewandt hatten, in einem Schreiben vom 31. August 1998 von der Beklagten zu 1 erfolglos die Ausstrahlung einer Gegendarstellung. Der Kläger wendet sich noch gegen folgende Äußerungen: 1. ....... 2. Als Modernisierer hat man ihn (den Kläger) nach K. geholt. Doch jetzt stehen die K.er Politiker belämmert vor einem verschuldeten Haus. 3. – 6. ...... 7. In B. sorgte er (der namentlich genannte Direktor einer Klinik in B.) unter den Augen der Politik dafür, daß die Unternehmensgruppe KIK bis zu ihrem Zusammenbruch bestens in seinen Kliniken beschäftigt wurde. Es bestanden rund 30 Millionen schwere Verträge. Der Verbleib dieses Geldes ist teilweise ungeklärt. Der Landesrechnungshof sucht noch heute 4,8 Millionen DM. Sie wurden an die M.-Firma GSD gezahlt, ohne daß die Firma eine wirtschaftliche Leistung erbracht hätte.
8. .... Der Kläger ist der Ansicht, er werde durch die unwahren und zum Teil ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen in schwerer Weise in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Er habe deswegen die Stelle in G. nicht antreten können. Die Beklagten berufen sich auf ihr Recht zur freien Meinungsäußerung und behaupten, soweit die Aussagen Tatsachen enthielten, seien sie wahr. Das Landgericht hat dem Kläger in einem Teilurteil eine Geldentschädigung zugesprochen. Nach Aufhebung dieses Urteils und Zurückverweisung der Sache durch das Berufungsgericht hat es die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht eine Persönlichkeitsrechtsverletzung wegen der in Ziffer 2 und in Ziffer 7 Satz 4 und 5 enthaltenen Äußerungen bejaht und eine Geldentschädigung von insgesamt ! #"$ %'&)( * +, #"- . / 10$+, 324 # 65 !" - 20.451,68 urückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils durch vollständige Klagabweisung.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, daß die erste wiedergegebene Äußerung den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht erheblich verletze, weil sie seine fachliche Eignung in Frage stelle. Es werde "zwischen den Zeilen" der Vorwurf erhoben, der Kläger habe die Verschuldung des Klinikums K. durch fehlerhafte Entscheidungen herbeigeführt. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme sei dieser Vorwurf unzutreffend, weil der Kläger durch die von ihm getätigten Ausgaben einem aufgelaufenen Investitionsbedarf nachgekommen sei und Budgetkürzungen hinzugekommen seien. Auch die zweite Äußerung beeinträchtige das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers erheblich. Durch die Behauptung, an die M.-Firma GSD seien 4,8 Mio. DM ohne wirtschaftliche Gegenleistung geflossen, werde der unzutreffende Verdacht geweckt, der Kläger habe öffentliche Gelder veruntreut. Für den Durchschnittsempfänger komme in der Äußerung der Vorwurf des Geldflusses ohne jegliche Gegenleistung zum Ausdruck. Die beanstandete Äußerung halte die Information zurück, daß jedenfalls ein Computerprogramm entwickelt worden sei, auch wenn sich der Vertrag wegen der mangelnden Verwendbarkeit des Programms im Nachhinein als unwirtschaftlich darstelle. Die Beklagten könnten sich nicht darauf berufen, daß der Prüfungsgebietsleiter des Landesrechnungshofes in einem persönlichen Gespräch mit dem Beklagten zu 2 vor der Sendung die Frage, ob der Landesrechnungshof 4,8 Millionen DM noch immer suche, bejaht habe und auf die Frage, ob berichtet werden könne, daß keine Leistung der klägerischen Firma erbracht worden sei, geäußert habe, man solle besser dahin formulieren, daß keine wirtschaftliche Leistung erbracht worden sei. Da sich die Beklagten die Aussagen dieses Zeugenzu eigen gemacht hätten, komme es allein darauf an, ob die betreffende Äußerung inhaltlich richtig sei. Dies sei aber nicht der Fall. Da der Kläger durch diese Äußerungen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht schwerwiegend beeinträchtigt worden sei, sei eine Geldentschä- # /758 digung von insgesamt 20.451,68 rtigt. Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz von Verdienstausfall sei schon deshalb zu verneinen, weil nach dem Beweisergebnis die Berichterstattung der Beklagten den behaupteten Verdienstausfall nicht verursacht habe.
II.
Die Erwägungen des Berufungsgerichts zum Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen eines schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 1. Die Revision rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht bei Ermittlung des Aussagegehalts der ersten Äußerung deren Gesamtzusammenhang außer Acht gelassen und deshalb ihren Sinn nicht zutreffend erfaßt hat.a) Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Sie unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. Senatsurteile , BGHZ 78, 9, 16; 132, 13, 21; vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99 - VersR 2000, 327, 330 und vom 30. Mai 2000 - VI ZR 276/99 - VersR 2000, 1162, 1163). Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Ver-
ständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder Zuschauer erkennbar sind. Hingegen wird die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfGE 93, 266, 295; Senatsurteile, BGHZ 139, 95, 102 und vom 25. März 1997 - VI ZR 102/96 - VersR 1997, 842, 843 m.w.N.).
b) Nicht zu beanstanden ist, daß sich das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Aussagegehalts nicht auf „offene“ Behauptungen beschränkt hat, sondern die Prüfung auf ehrenkränkende Beschuldigungen erstreckt hat, die im Gesamtzusammenhang der offenen Einzelaussagen "versteckt" bzw. "zwischen den Zeilen" stehen könnten (vgl. Senatsurteile BGHZ 78, 9, 14 ff. sowie vom 28. Juni 1994 – VI ZR 273/93 – VersR 1994, 1123, 1124). Das Berufungsgericht gibt auch die Grundsätze zur Nachprüfung solcher verdeckter Aussagen zutreffend wieder. Danach ist bei der Ermittlung sogenannter verdeckter Aussagen zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich "verdeckten" Aussage , mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlußfolgerung nahelegt. Unter dem Blickpunkt des Art. 5 Abs. 1 GG kann nur im zweiten Fall die "verdeckte" Aussage einer "offenen" Behauptung des Äußernden gleichgestellt werden. Denn der Betroffene kann sich in aller Regel nicht dagegen wehren, daß der Leser aus den ihm "offen" mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen An-
haltspunkte bieten, der von dem sich Äußernden so aber weder offen noch verdeckt behauptet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 1994 - VI ZR 273/93 - aaO).
c) Mit Recht beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht nach diesen Grundsätzen eine verdeckte Sachaussage dahin angenommen hat, daß der Kläger die Verschuldung durch fehlerhafte Entscheidungen herbeigeführt habe. Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, durch die Verknüpfung „als Modernisierer hatte man ihn (Kläger) nach K. geholt“ mit der weiteren Äußerung „doch jetzt stehen die K. Politiker belämmert vor einem verschuldeten Haus“ erhalte der Zuschauer nicht lediglich einen Denkanstoß, sondern die bereits fertige Schlußfolgerung, daß der mit einer bestimmten Absicht („Modernisierer“) geholte Kläger die an ihn gestellten Erwartungen nicht erfüllte („belämmert“) und ein verschuldetes Haus hinterlassen habe, läßt außer Acht, daß diese Verknüpfung nicht zwingend ist.
d) Bei der Ermittlung des Aussagegehalts ist nämlich auch der Gesamtzusammenhang der Äußerung zu berücksichtigen. Darauf weist die Revision mit Recht hin. Bei der gebotenen Betrachtung des gesamten Textes unter Einbeziehung der begleitenden Aussagen, ist die Äußerung keineswegs nur so zu verstehen, wie das Berufungsgericht meint. Der Begleittext lautet: "K. am B. - malerisch gelegen. Doch im Krankenhaus am Rande der Stadt gibt es ein Problem: Nach kurzer Zeit ist der Klinikdirektor abhanden gekommen. H.M. kehrt dem Haus nach nur 16 Monaten den Rücken. Als den großen Modernisierer hatte man ihn nach K. geholt.
Doch jetzt stehen die K.er Politiker belämmert vor einem verschuldeten Haus. H.F. (B90/Grüne) Oberbürgermeister von K.: "Die Sachen, die er angestoßen hat, sind sicher nur teilweise auf den Weg. Und es wird jetzt nicht einfach sein, die Dinge fertig zu machen."" Der Text berichtet nach dem Gesamtzusammenhang vorrangig nicht über wirtschaftliche Fehlentscheidungen des Klägers als Klinikdirektor, sondern über die Konsequenzen seines vorzeitigen Ausscheidens aus den Diensten des Krankenhauses. Das wird bestätigt durch die anschließende Äußerung des Oberbürgermeisters von K., daß der Kläger "Sachen angestoßen habe" und "Dinge fertig zu machen seien." In der Äußerung werden damit zum einen Folgen des vorzeitigen Ausscheidens des Klägers aus den Diensten des Krankenhauses aufgezeigt, zum anderen wird die Bewältigung dieser Folgen angesprochen. Darauf weist die Revision zu Recht hin.
e) Die Auffassung des Berufungsgerichts, "zwischen den Zeilen" werde der Vorwurf erhoben, der Kläger habe die Verschuldung durch fehlerhafte Entscheidungen herbeigeführt, ist zwar nicht unvertretbar, doch ist die eben dargestellte Sinndeutung mindestens ebenso naheliegend. Sind indessen mehrere sich nicht gegenseitig ausschließende Deutungen des Inhalts einer Äußerung möglich, so ist der rechtlichen Beurteilung diejenige zugrunde zu legen, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (vgl. Senatsurteil, BGHZ 139, 95, 104). Das ist die hier aufgezeigte Alternative. Folglich liegt eine verdeckte Tatsachenbehauptung, wie das Berufungsgericht sie annehmen will, nicht vor, so daß hierauf kein Entschädigungsanspruch gestützt werden kann. Vielmehr steht den Beklagten das Recht auf
freie Meinungsäußerung und Berichterstattung im Rahmen der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Pressefreiheit zu. Soweit das Berufungsgericht von offenen Aussagen ausgeht, legt es diesen nichts Ehrenkränkendes bei und hat der Kläger darauf auch keinen Anspruch gestützt. 2. Auch die zweite Äußerung vermag einen Anspruch des Klägers auf Geldentschädigung nicht zu rechtfertigen.
a) Die Äußerung, an die M.-Firma GSD seien 4,8 Millionen DM gezahlt worden, ohne daß die Firma eine wirtschaftliche Leistung erbracht habe, beinhaltet - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – schon keine reine Tatsachenbehauptung. aa) Ist die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich, handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung. Bei Meinungsäußerungen scheidet hingegen naturgemäß dieser Beweis aus, weil sie durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt sowie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet werden und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. BVerfGE 90, 241, 247 m.w.N.; 94, 1, 8; Senatsurteile, BGHZ 132, 13, 21;139, 95, 102). bb) Nach diesen Kriterien ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß die Gesamtaussage der beanstandeten Äußerung einen Tatsachengehalt aufweist, der mit den Mitteln des Beweises auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüft werden kann (vgl. BGHZ 132, 13, 21). Neben der Tatsache, daß 4,8 Millionen DM an die GSD geflossen seien, enthält die Aussage aber auch die Mitteilung, daß die entsprechende Gegenleistung nicht wirtschaftlich gewesen
sei. Insoweit ist für die Äußerung das Verständnis maßgeblich, das ihr ein unvoreingenommenes Durchschnittspublikum zumißt (vgl. Senatsurteil, BGHZ 139, 95, 102 unten). Danach ist der Aussagegehalt hinsichtlich der „wirtschaftlichen Gegenleistung“ erkennbar durch eine subjektive Bewertung des Äußernden geprägt und enthält wertende Elemente einer Meinungsäußerung. Insoweit ist zu bedenken, daß im Hinblick auf die meinungsbildende Aufgabe der Medien , über Angelegenheiten kritisch zu berichten, an denen ein ernsthaftes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, die Zulässigkeit der Äußerung aufgrund einer Güterabwägung zwischen dem mit der Veröffentlichung erstrebten Zweck und dem Schutz der Ehre des einzelnen zu beurteilen ist. So bestand im vorliegenden Fall wegen der Kostenexplosion auf dem Sektor der Gesundheitsfürsorge ein hoch einzuschätzendes Bedürfnis der Allgemeinheit und ein berechtigtes Interesse der Presse und der Medien, vor der Öffentlichkeit Fragen der Kostenverursachung im Gesundheitswesen anzusprechen und Mißstände aufzuzeigen. Gleichwohl bleibt auch bei einer solchen aus Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung zusammengesetzten Aussage im Interesse des Ehrenschutzes des Betroffenen zu prüfen, ob mit ihr unwahre Tatsachen behauptet werden. Dies bejaht das Berufungsgericht, geht dabei jedoch von einer zu einseitigen Deutung des Aussagegehalts aus.
b) Es meint, die Äußerung sei inhaltlich falsch, weil sie verschweige, daß von der GSD tatsächlich eine wirtschaftliche Leistung erbracht worden sei, die lediglich möglicherweise nicht in einem adäquaten Verhältnis zur Gegenleistung stand. Durch diese unvollständige Berichterstattung werde der unzutreffende Verdacht erweckt, der Kläger habe öffentliche Gelder veruntreut. aa) Hierbei läßt das Berufungsgericht außer Betracht, daß die in der zweiten Äußerung getroffene Aussage inhaltlich zutrifft, wenn das Wort „wirtschaftlich“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch (vgl. hierzu Senatsurteil,
BGHZ 132, 95, 102) dahin verstanden wird, daß für eine Geldzahlung eine angemessene Gegenleistung gefordert werden kann. Darauf weist die Revision mit Recht hin. Da - wie bereits dargelegt - bei mehreren sich nicht gegenseitig ausschließenden möglichen Deutungen, diejenige der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (vgl. Senatsurteil, BGHZ 139, aaO, 104), ist von dieser Bedeutung auszugehen. bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird der Kläger auch nicht dadurch in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, daß die Beklagten den Zuschauern nicht mitgeteilt haben, es sei von der GSD vertragsgemäß gegen Bezahlung von 4,8 Millionen DM ein Computerprogramm entwickelt und geliefert worden, das aber nach seiner Übergabe nicht mehr entsprechend eingesetzt werden konnte. (1) Zwar kann eine pauschale Tatsachenbehauptung, die nur Teilwahrheiten vermittelt und dadurch beim Adressaten der Äußerung zu einer Fehleinschätzung des Angegriffenen führt, schon aus diesem Grund rechtswidrig sein (vgl. Senatsurteile BGHZ 31, 308, 316; vom 18. Juni 1974 – VI ZR 16/73 – NJW 1974, 1762, 1763 und vom 26. Oktober 1999 – VI ZR 322/98 – VersR 2000, 193, 195 m.w.N.). Bei einem Bericht, der sich mit einer namentlich genannten Person besonders beschäftigt, darf die Kürzung des mitgeteilten Sachverhalts auch nicht so weit gehen, daß der Zuschauer oder Leser ein nach der negativen Seite entstelltes Bild dieser Person erhält, weil ihm nur einseitige Ausschnitte mitgeteilt werden (vgl. Senatsurteile, BGHZ 31, 308, 316 und vom 26. Oktober 1999 – VI ZR 322/98 – aaO). (2) Das kann hier jedoch nicht angenommen werden. Während in dem vom Senat im Urteil vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 – entschiedenen Fall
der in der Berichterstattung verschwiegene Umstand den Vorgang in den Augen des unbefangenen Durchschnittslesers in einem anderen Licht erscheinen lassen und eine Entlastung bewirken konnte, erscheint im vorliegenden Fall die vom Berufungsgericht als möglich angenommene belastende Schlußfolgerung des Zuschauers auch bei Mitteilung der verschwiegenen Tatsachen nicht weniger naheliegend. (3) Die von der GSD erbrachte Gegenleistung hält auch das Berufungsgericht in der Gesamtbetrachtung im nachhinein für unwirtschaftlich, weil die entwickelte Software nicht zweckentsprechend eingesetzt werden konnte. Das dadurch begründete Mißverhältnis zwischen dem Geldfluß von 4,8 Millionen DM und der hierfür erbrachten unbrauchbaren Gegenleistung hätte selbst bei einer Information über das zugrundeliegende Geschäft bei einem unbefangenen Zuschauer, an den sich die Sendung der Beklagten richtete, den Eindruck entstehen lassen können, daß an dem Geschäft Beteiligte sich bereichert haben könnten. Die nach Ansicht des Berufungsgerichts mit der zweiten Äußerung verbundene Fehleinschätzung des Klägers durch den einzelnen Zuschauer wäre deshalb auch bei vollständiger Information nicht vermieden worden. 3. Bei dieser Sachlage muß der Frage nicht weiter nachgegangen werden , ob die als Voraussetzung für einen Ausgleich in Form einer Geldentschädigung erforderliche besondere Schwere der Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Klägers im vorliegenden Fall mit Recht bejaht worden ist (vgl. zu den Voraussetzungen, Senatsurteile BGHZ 35, 363, 369 und vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83 - NJW 1985, 1617, 1619).
III.
Das Berufungsurteil war aufzuheben, soweit es zum Nachteil der Be- klagten ergangen ist. Der Senat hat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache zu entscheiden, da der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Berichterstattung über seine angebliche Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in Anspruch.
- 2
- Der Kläger war Professor an der Universität Leipzig, Fraktionsvorsitzender der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) im Sächsischen Landtag und Spitzenkandidat dieser Partei für die Landtagswahl am 19. September 2004. Die Beklagte verlegt die Zeitungen "Sächsische Zeitung", "Dresdner Mor- genpost" und "Dresdner Morgenpost am Sonntag". In diesen Zeitungen wurde in der Zeit vom 8. bis 17. August 2004 in fünf Artikeln über den Verdacht berichtet , der Kläger habe seit 1970 als inoffizieller Mitarbeiter "IM Christoph" mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet und dabei insbesondere seine damalige Freundin und jetzige Frau bespitzelt.
- 3
- Der Kläger sieht sich durch die Veröffentlichungen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Er behauptet, er habe keine Kenntnis davon gehabt , dass das Ministerium für Staatssicherheit ihn als "IM Christoph" geführt habe. Er sei ohne sein Wissen "abgeschöpft" worden.
- 4
- Das Landgericht hat die Beklagte zur Unterlassung der Verbreitung verschiedener Passagen der Artikel verurteilt. Die Berufung der Beklagten war erfolglos. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die vom Kläger beanstandeten Textpassagen seien jeweils Teil einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung und verletzten den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Ihre Veröffentlichung sei insbesondere nicht deshalb zulässig, weil die darin als Verdacht geäußerten Behauptungen zutreffend seien. Es sei nicht erwiesen, dass der Kläger wissentlich und willentlich mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR zusammengearbeitet habe. Die Beweislast für die Wahrheit der Behauptungen liege bei der Beklagten. Der Beweis sei durch die vorgelegten Dokumente der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR (nachfolgend: Bundesbeauftragte) und die Aussagen der Zeugen nicht erbracht worden. Zwar bleibe ein erheblicher Verdacht, dass die Behauptung des Klägers, nicht gewusst zu haben, dass die Zeugen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen seien, nicht zutreffe. Denn den vorgelegten Unterlagen und den Aussagen der Zeugen sei zu entnehmen, dass der Kläger über Jahre vielfach und unter konspirativen Umständen Kontakt mit Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes gehabt und er diesen gegenüber höchst private und politisch brisante Einzelheiten über Freunde, Bekannte und seine damalige Lebensgefährtin berichtet habe. Sie ließen aber nicht den zwingenden Schluss zu, dass dem Kläger bekannt gewesen sei, wer seine Gesprächspartner waren. Der Möglichkeit, dass der Kläger unwissentlich mit Vertretern der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) gesprochen habe, stehe insbesondere nicht zwingend entgegen, dass die HVA im Jahre 1970 für den Kläger eine Karteikarte mit dem Decknamen "IM Christoph" angelegt habe und dass in der Aktennotiz des Zeugen O. vom 5. März 1984 festgehalten worden sei, dass der Kläger bei der HVA positiv erfasst sei und zuverlässig arbeite. Hieraus ergäben sich zwar erhebliche Verdachtsmomente. Eine Gewissheit über eine positive Kenntnis des Klägers bestehe hingegen nicht.
- 6
- Die Berichterstattung sei auch nicht etwa deshalb zulässig, weil es sich um die Verbreitung eines Verdachts gehandelt habe. Ihre Zulässigkeit scheitere jedenfalls daran, dass die Beklagte, die ihre Informationen ausschließlich Berichten des Nachrichtenmagazins "FOCUS" entnommen habe, vor der Veröffentlichung keine eigenen Recherchen durchgeführt habe. In Anbetracht der Konsequenzen, die der Vorwurf, der Kläger sei als "IM" der "Stasi" tätig gewesen , für diesen hätte haben müssen, habe die Beklagte selbst die im Nachrichtenmagazin "FOCUS" auszugsweise zitierten Dokumente der Bundesbeauftragten überprüfen und den Verfasser der darin enthaltenen Berichte, den Zeugen O., zu den Umständen ihrer Entstehung befragen müssen. Die Tatsache, dass sich der Kläger im Landtagswahlkampf befunden habe, stehe dem nicht entge- gen, sondern habe im Gegenteil wegen der absehbaren schwerwiegenden Folgen für den Kläger zu einer genaueren Überprüfung führen müssen. Die Beklagte habe sich nicht gänzlich auf die Einschätzung der Bundesbeauftragten verlassen dürfen, die die Voraussetzungen für eine Herausgabe der Unterlagen an die Presse für gegeben hielt, sondern die ihr zur Verfügung stehenden eigenen Recherchemöglichkeiten nutzen müssen. Die Beklagte habe nicht vorgetragen , dass sie irgendein Dokument der Bundesbeauftragten in den Händen gehabt habe.
- 7
- In der Abhaltung einer Pressekonferenz am 19. August 2004 durch den Kläger liege keine Einwilligung in die Veröffentlichungen. Da sie erst nach dem Erscheinen der Beiträge stattgefunden habe, entfalle durch sie nicht die Rechtswidrigkeit der Berichterstattung. Es bestehe auch weiterhin Wiederholungsgefahr , zumal die Beklagte nicht konkret vorgetragen habe, zu welchen konkreten Äußerungen der Kläger sich mit welchen Worten in dieser Pressekonferenz geäußert habe.
II.
- 8
- Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , dem Kläger stehe gegen die Beklagte wegen der angegriffenen Äußerungen ein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.
- 9
- 1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass die angegriffenen Äußerungen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellen. Es hat den Sinngehalt der beanstandeten Äußerungen zutreffend erfasst, indem es angenommen hat, die Beklagte habe dadurch in jeweils unterschiedlichen Formen den Verdacht geäußert, der Kläger habe als informeller Mitarbeiter (IM) mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) zusammengearbeitet und "Spitzeldienste" erbracht. Es hat die Äußerungen auch zu Recht als Tatsachenbehauptungen eingestuft. Die Äußerung des Verdachts, mit dem MfS zusammengearbeitet zu haben, ist geeignet, sich abträglich auf das Ansehen des Klägers, insbesondere sein Bild in der Öffentlichkeit , auszuwirken (vgl. BVerfGE 114, 339, 346; BVerfGE 119, 1, 24, jeweils mwN; siehe auch Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 20 f.; BVerfG, AfP 2010, 562 Rn. 56; EGMR, NJW 2012, 1058 Rn. 83).
- 10
- 2. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers werde durch die angegriffenen Äußerungen in rechtswidriger Weise verletzt.
- 11
- a) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 35; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, z.V.b., Rn. 10, jeweils mwN).
- 12
- Im Streitfall sind das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen (vgl. Se- natsurteile vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 24; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 14, jeweils mwN; BVerfG, NJW 2012, 756 Rn. 18; NJW 2012, 1500 Rn. 33). Bei Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Fall hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 37; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, z.V.b., Rn. 12, jeweils mwN; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN; NJW 2012, 1500 Rn. 39). Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (vgl. Senatsurteil vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 34; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62, jeweils mwN).
- 13
- b) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , die angegriffenen Äußerungen seien nicht (erweislich) wahr.
- 14
- aa) Die Revision macht allerdings ohne Erfolg geltend, bei der Wiedergabe der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe durch die Beklagte handele es sich nicht um eine Verdachtsberichterstattung, sondern um eine wahrheitsgemäße und deshalb zulässige Berichterstattung über das Zeitgeschehen, nämlich über die Berichterstattung des Nachrichtenmagazins "FOCUS" und die bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Ergebnisse der Bundesbeauftragten. Denn die Beklagte hat sich die Erkenntnisse des "FOCUS" bzw. der Bundesbeauftragten über den Verdacht einer IM-Tätigkeit des Klägers jeweils zu Eigen gemacht. Sie hat die jeweiligen Artikel selbst verfasst und sich mit den fremden Äußerungen identifiziert, so dass sie als eigene erscheinen; sie hat sie zum Be- standteil eigener Verdachtsberichterstattungen gemacht (vgl. Senatsurteile vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 19; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 11; vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, VersR 2012, 992 Rn. 11; BVerfG, NJW 2004, 590, 591 jeweils mwN).
- 15
- bb) Mit Erfolg rügt die Revision aber die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht bewiesen, dass die von ihr als Verdacht geäußerten Behauptungen wahr seien. Das Berufungsgericht ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass die Beweislast für die Wahrheit der Tatsachenbehauptungen nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB der auf Unterlassung in Anspruch genommenen Beklagten als Äußernden obliegt (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23; vom 22. April2008 - VI ZR 83/07, BGH 176, 175 Rn. 21; vom 28. Februar 2012 - VI ZR 79/11, VersR 2012, 502 Rn. 13; BVerfGE 114, 339, 352). Wie die Revision jedoch zu Recht beanstandet, beruht die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht bewiesen, dass der Kläger wissentlich und willentlich mit dem Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet habe, auf einer Verletzung von § 286 Abs. 1 ZPO.
- 16
- (1) Nach dieser Vorschrift hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht nach § 559 ZPO gebunden. Revisionsrechtlich ist lediglich zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10, VersR 2012, 454 Rn. 13 mwN; vom 10. Juli 2012 - VI ZR 341/10, VersR 2012, 1261 Rn. 28 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
- 17
- Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt ferner das Beweismaß. Nach § 286 ZPO hat der Tatrichter ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Jedoch setzt das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06, VersR 2008, 1265 Rn. 22; vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 241/09, VersR 2011, 223 Rn. 21; BGH, Urteile vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 255 f.; vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91, NJW 1993, 935, 937; vom 13. März 2003 - X ZR 100/00, GRUR 2003, 507, 508, jeweils mwN). Zweifel, die sich auf lediglich theoretische Möglichkeiten gründen, für die tatsächliche Anhaltspunkte nicht bestehen, sind nicht von Bedeutung (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06, aaO).
- 18
- (2) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet.
- 19
- (a) Die Beweiswürdigung ist unvollständig und verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Die Revision beanstandet zu Recht, dass die Deutung der in den Akten des MfS verwendeten Begriffe durch das Landgericht, auf dessen Würdigung das Berufungsgericht Bezug genommen hat, zum Teil weit hergeholt und mit dem natürlichen Sprachempfingen kaum in Einklang zu bringen ist. So rügt die Revision mit Erfolg, dass das Berufungsgericht, das insoweit auf die Würdigung des Landgerichts Bezug genommen hat, den Bericht der Bezirksverwaltung Leipzig des Ministeriums für Staatssicherheit vom 9. März 1984 als mit dem Vortrag des Klägers, er sei lediglich ohne sein Wissen "abgeschöpft" worden, vereinbar angesehen hat. Der Bericht vom 9. März 1984 betrifft nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die erste Kontaktaufnahme der Bezirksverwaltung Leipzig mit dem Kläger, der bis zu dieser Zeit nur bei der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) als inoffizieller Mitarbeiter erfasst war. In diesem Bericht führt Oberleutnant O. von der Bezirksverwaltung Leipzig aus: "Entsprechend der Mitteilung der HVA konnte mit diesem IM die Verbindung zur zeitweiligen Nutzung aufgenommen werden. Dazu wurden die Telefonnummer des IM und ein Erkennungswort mitgeteilt. Die Verbindungsaufnahme zum IM erfolgte telefonisch und geschah ohne Schwierigkeiten." Die Revision beanstandet mit Recht, dass die Würdigung des Landgerichts, unter dem Erkennungswort könne auch der Arbeitsname zu verstehen sein, unter dem alle durch den Kläger erlangten Informationen zwischen der Hauptverwaltung und der Bezirksverwaltung Leipzig auszutauschen seien, unvertretbar ist. Sie trägt insbesondere dem anerkannten Grundsatz nicht Rechnung, wonach der Sinngehalt von Erklärungen unter Berücksichtigung des Wortlautes und des Zusammenhangs zu erfassen und hierbei das übliche Verständnis der betroffenen Verkehrskreise zu berücksichtigen ist. Nach dem Gesamtzusammenhang der Äußerung erfolgte die Mitteilung des Erkennungswortes an die Bezirksverwaltung gemeinsam mit der Bekanntgabe der Telefonnummer des IM zum Zwecke der Kontaktaufnahme mit diesem. Im unmittelbar auf die Verwendung des Erkennungswortes folgenden Satz wird mitgeteilt, dass die Kontaktaufnahme telefonisch erfolgt und ohne Schwierigkeiten geschehen sei. Weshalb in diesem Zusammenhang das Erkennungswort den Arbeitsnamen bezeichnen soll, unter dem die Informationen zwischen der Hauptverwaltung und der Bezirksverwal- tung auszutauschen waren, ist schlechterdings nicht nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, wenn man die Aussage der Mitarbeiterin derBundesbeauftragten in der Sitzung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten des Sächsischen Landtags vom 10. Januar 2006 berücksichtigt, wonach es üblich gewesen sei, zur Herstellung des Kontakts mit einem dem inoffiziellen Mitarbeiter bislang unbekannten Offizier des Ministeriums für Staatssicherheit Kennwörter zu vereinbaren.
- 20
- (b) Die Revision rügt auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an die richterliche Überzeugung überspannt hat. Das Landgericht hat rechtfehlerhaft eine mathematische, jede Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ausschließende Gewissheit gefordert. Es hat die Hinweise in den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes jeweils isoliert gewürdigt und theoretische Erklärungen dafür gefunden, warum es nicht "gänzlich undenkbar", "nicht unmöglich" oder "nicht gänzlich unplausibel" sei, dass die Darstellung des Klägers zutreffend sei und er nicht gewusst habe, dass er seine umfassende Spitzeltätigkeit tatsächlich für den Staatssicherheitsdienst erbrachte. Die erheblichen Verdachtsmomente wiesen nicht "zwingend" darauf hin, dass der Kläger Kenntnis von der Identität seiner Gesprächspartner gehabt habe.
- 21
- Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend ausgeführt, dass für die richterliche Überzeugungsbildung ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit genüge, der Zweifeln Schweigen gebiete, ohne sie völlig auszuschließen. In der Sache hat es aber keine geringeren Anforderungen an die Überzeugungsbildung als das Landgericht gestellt. Es hat sich uneingeschränkt dessen rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung angeschlossen und ebenfalls darauf abgestellt, dass die "durchaus erheblichen Verdachtsmomente" nicht den "zwingenden" bzw. "alleinigen Schluss" auf eine Kenntnis des Klägers zuließen bzw. seiner Unkenntnis "nicht zwingend entgegen" ständen.
- 22
- c) Die Revision wendet sich darüber hinaus mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angegriffenen Äußerungen seien auch nicht nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zulässig.
- 23
- aa) Soweit die Berichterstattung in den Artikeln vom 9., 10., 11. und 17. August 2004 betroffen ist, rügt die Revision zu Recht, dass das Berufungsgericht entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten bei seiner Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt hat. Die Beklagte hatte in der Klageerwiderung unter Benennung eines Zeugen und unter Verweis auf Anlagen vorgetragen , dass sich der Kläger in einer Pressekonferenz vom 8. August 2004, zu der sämtliche Medien eingeladen worden seien, ausführlich zu den angekündigten FOCUS-Enthüllungen und den darin enthaltenen Verdachtsmomenten geäußert habe. Er habe insbesondere ausgeführt, dass er keine Stasi-Vergangenheit als IM Christoph habe, "nie bewusst" mit dem MfS zusammengearbeitet und "nie wissentlich" einen Stasioffizier getroffen habe. Zu dem - unter Bezugnahme auf den Bericht in den Stasi-Unterlagen erhobenen - konkreten Vorwurf, dass er als IM Christoph über eine Lesung der Autorin Christa Moog berichtet habe, habe er spekuliert, bei seinen "öffentlichen Reden über diese Veranstaltung" von der Stasi "abgeschöpft" worden zu sein. Die Beklagte hatte darüber hinaus in der Klageerwiderung vorgetragen, die vom Kläger als Fraktionschef gesteuerte PDS habe in ihrem Internetportal eine Meldung vom 8. August 2004 zum Abruf bereit gehalten, in der u.a. Folgendes ausgeführt gewesen sei: "Der PDSFraktionschef im Landtag von Sachsen, P., hat Stasi-Vorwürfe zurückgewiesen. … Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "FOCUS" soll P. von Mai 1970 bis in die 80er Jahre als "IM Christoph" der DDR - Auslandsspionage Informationen geliefert und außerdem seine damalige Freundin und heutige Ehefrau R. bespitzelt haben."
- 24
- Dieser Vortrag der Beklagten ist entscheidungserheblich. Die Beklagte hat damit geltend gemacht, der Kläger habe sich - vor der Berichterstattung durch die Beklagte in den Artikeln vom 9., 10., 11. und 17. August 2004 - gezielt an die Öffentlichkeit gewandt, um seine Reaktion auf die Vorwürfe bekannt zu geben, und über die PDS eine Berichterstattung veranlasst, in der die angegriffenen Verdachtsäußerungen bereits verbreitet worden seien. Dieses Verhalten des Klägers kann entweder als eine die Rechtswidrigkeit ausschließende Einwilligung in die Berichterstattung der Beklagten zu werten sein oder jedenfalls dazu führen, dass sein Interesse an einem Schutz seiner Persönlichkeit im Rahmen der Abwägung hinter dem Interesse der Beklagten an einer Berichterstattung zurückzutreten hat (vgl. zur Einwilligung in eine Persönlichkeitsbeeinträchtigung : BVerfGE 106, 28, 45 f.; Senatsurteile vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03, VersR 2005, 83 mwN; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 86; LG Köln, AfP 1989, 766 f.; siehe auch OLG Karlsruhe, OLGR 2006, 598, 599; OLG Frankfurt, ZUM 2007, 915, 916; LG München, ZUM-RD 2008, 309; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 249; vgl. zur Berücksichtigung bei der Abwägung: Senatsurteile vom 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74, NJW 1977, 1288, 1289, insoweit in BGHZ 68, 331 nicht abgedruckt; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 191/08, VersR 2009, 1085 Rn. 26; BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 32; BVerfGK 9, 54, 62). Denn haben der Kläger bzw. auf seine Veranlassung und mit seinem Wissen die PDS sich mit den für seine StasiVergangenheit sprechenden Verdachtsmomenten öffentlich auseinandergesetzt , kann es der Presse nicht untersagt sein, diese Vorwürfe anschließend zum Gegenstand einer Berichterstattung zu machen.
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- bb) Die Revision rügt auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der in den Artikeln vom 10., 11. und 17. August 2004 enthaltenen Äußerungen die Anforderungen an eine zulässige Verdachtsberichterstattung überspannt hat.
- 26
- (1) Das Berufungsgericht ist im Ansatz allerdings zutreffend davon ausgegangen , dass eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden darf, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass der auf Unterlassung in Anspruch Genommene vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt hat (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23 mwN; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 35; BVerfGE 114, 339, 353; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62). Erforderlich ist ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Die Darstellung darf keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 203 f. mwN).
- 27
- (2) Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht den erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der angegriffenen Äußerungen sprechen, verneint und zu hohe Anforderungen an die von der Beklagten einzuhaltende Sorgfalt gestellt hat.
- 28
- (a) Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Mei- nungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so den freien Kommunikationsprozess einschnüren. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt. Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind deshalb an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen. Allerdings ist auch das Interesse der Öffentlichkeit an derartigen Äußerungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN, sowie Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 203 f.; BVerfGE 114, 339, 353 f.; BVerfGK 9, 317, 321; BVerfGK 10, 485, 489; siehe auch EGMR, NJW 2000, 1015 Rn. 66; NJW 2006, 1645 Rn. 78; NJW 2012, 1058 Rn. 82).
- 29
- (b) Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht die Stellungnahme des Pressesprechers der Bundesbeauftragten, Herrn B., vom 9. August 2004 rechtsfehlerhaft nicht als privilegierte Quelle gewertet hat, der die Beklagte ein gesteigertes Vertrauen entgegenbringen durfte. Wie die Beklagte in der Klageerwiderung geltend gemacht und was das Berufungsgericht durch Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts seiner Entscheidung als unstreitig zugrunde gelegt hat, hatte der Pressesprecher der Bundesbeauftragten erklärt, aus den gefundenen Unterlagen gehe zweifelsfrei hervor, dass der Kläger als "IM Christoph" für den Staatssicherheitsdienst tätig gewesen sei.
- 30
- Bei dem Bundesbeauftragten handelt es sich gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 StUG um eine Bundesoberbehörde. In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (vgl. BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 35; OLG Hamburg, ArchPR 1972, 86; OLG Stuttgart, AfP 1990, 145, 147; NJW-RR 1993, 733, 734; KG, AfP 1992, 302, 303; ZUM-RD 2011, 468, 472; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, 732, 733; OLG Dresden, NJW 2004, 1181, 1183; LG Oldenburg , AfP 1988, 79, 80; siehe auch EGMR, NJW 2000, 1015 Rn. 72; NJW 2012, 1058 Rn. 105; Peters, NJW 1997, 1334, 1336; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 6 Rn. 136; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rn. 986). Denn Behörden sind in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte, namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, gebunden und zur Objektivität verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, 1951; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35; BeckOK GG/ Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 156 ff. [Stand: 1. Oktober 2012]).
- 31
- Der Berücksichtigung der Auskünfte steht nicht entgegen, dass es sich dabei nur um sekundäre Quellen handelt. Der Bundesbeauftragte ist für solche Auskünfte besonders kompetent und kann das Vorliegen einer IM-Tätigkeit in aller Regel besser beurteilen als Presseorgane. Die Unterrichtung der Öffentlichkeit , die gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG zu seinen Aufgaben und Befugnissen gehört, setzt fundierte und umfassende Kenntnisse über den Staatssicherheitsdienst und seinen Wirkungsbereich voraus (vgl. Pietrkiewicz/Burth in Geiger /Klinghardt, StUG, 2. Aufl., § 37 Rn. 15). Deshalb ist beim Bundesbeauftragten auch eine Forschungsabteilung gebildet worden (Stoltenberg/Bossack, StUG, 1. Aufl., § 37 Rn. 11).
III.
- 32
- Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der freien Beweiswürdigung unterlie- gen; im Einzelfall kann ihnen durchaus ein hoher Beweiswert zukommen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 23. September 1998 - 2 L 5/96, S. 12 mwN, und vom 18. November 1998 - 2 L 76/97, juris Rn. 20; OLG Brandenburg , Urteil vom 13. November 2007 - 10 UF 161/07, juris Rn. 32; RappLücke in Geiger/Klinghardt, StUG, 2. Aufl., § 19 Rn. 69; siehe auch BVerfGE 96, 189, 202 f.; BAGE 74, 257, 265; VG Meiningen, LKV 1995, 298, 299 f.). Vorsorglich weist der Senat auch darauf hin, dass der Tenor des Landgerichtsurteils zu weit gefasst ist. Ein Verbot der angegriffenen Äußerungen setzt eine Abwägung zwischen dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit unter Berücksichtigung des Kontextes der Äußerungen voraus. Ein Verbot ohne Bezugnahme auf den Kontext geht daher grundsätzlich zu weit (vgl. auch OLG Hamburg, ZUM 2010, 606, 609; für die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen Senatsur- teile vom 13. November 2007 - VI ZR 265/06, BGHZ 174, 262 Rn. 13 f.; vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 314/08, VersR 2009, 1675 Rn. 7 mwN).
Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 15.08.2008 - 324 O 774/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 12.10.2010 - 7 U 89/08 -
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Berichterstattung über seine angebliche Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in Anspruch.
- 2
- Der Kläger war Professor an der Universität Leipzig, Fraktionsvorsitzender der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) im Sächsischen Landtag und Spitzenkandidat dieser Partei für die Landtagswahl am 19. September 2004. Die Beklagte verlegt die Zeitungen "Sächsische Zeitung", "Dresdner Mor- genpost" und "Dresdner Morgenpost am Sonntag". In diesen Zeitungen wurde in der Zeit vom 8. bis 17. August 2004 in fünf Artikeln über den Verdacht berichtet , der Kläger habe seit 1970 als inoffizieller Mitarbeiter "IM Christoph" mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet und dabei insbesondere seine damalige Freundin und jetzige Frau bespitzelt.
- 3
- Der Kläger sieht sich durch die Veröffentlichungen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Er behauptet, er habe keine Kenntnis davon gehabt , dass das Ministerium für Staatssicherheit ihn als "IM Christoph" geführt habe. Er sei ohne sein Wissen "abgeschöpft" worden.
- 4
- Das Landgericht hat die Beklagte zur Unterlassung der Verbreitung verschiedener Passagen der Artikel verurteilt. Die Berufung der Beklagten war erfolglos. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die vom Kläger beanstandeten Textpassagen seien jeweils Teil einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung und verletzten den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Ihre Veröffentlichung sei insbesondere nicht deshalb zulässig, weil die darin als Verdacht geäußerten Behauptungen zutreffend seien. Es sei nicht erwiesen, dass der Kläger wissentlich und willentlich mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR zusammengearbeitet habe. Die Beweislast für die Wahrheit der Behauptungen liege bei der Beklagten. Der Beweis sei durch die vorgelegten Dokumente der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR (nachfolgend: Bundesbeauftragte) und die Aussagen der Zeugen nicht erbracht worden. Zwar bleibe ein erheblicher Verdacht, dass die Behauptung des Klägers, nicht gewusst zu haben, dass die Zeugen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen seien, nicht zutreffe. Denn den vorgelegten Unterlagen und den Aussagen der Zeugen sei zu entnehmen, dass der Kläger über Jahre vielfach und unter konspirativen Umständen Kontakt mit Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes gehabt und er diesen gegenüber höchst private und politisch brisante Einzelheiten über Freunde, Bekannte und seine damalige Lebensgefährtin berichtet habe. Sie ließen aber nicht den zwingenden Schluss zu, dass dem Kläger bekannt gewesen sei, wer seine Gesprächspartner waren. Der Möglichkeit, dass der Kläger unwissentlich mit Vertretern der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) gesprochen habe, stehe insbesondere nicht zwingend entgegen, dass die HVA im Jahre 1970 für den Kläger eine Karteikarte mit dem Decknamen "IM Christoph" angelegt habe und dass in der Aktennotiz des Zeugen O. vom 5. März 1984 festgehalten worden sei, dass der Kläger bei der HVA positiv erfasst sei und zuverlässig arbeite. Hieraus ergäben sich zwar erhebliche Verdachtsmomente. Eine Gewissheit über eine positive Kenntnis des Klägers bestehe hingegen nicht.
- 6
- Die Berichterstattung sei auch nicht etwa deshalb zulässig, weil es sich um die Verbreitung eines Verdachts gehandelt habe. Ihre Zulässigkeit scheitere jedenfalls daran, dass die Beklagte, die ihre Informationen ausschließlich Berichten des Nachrichtenmagazins "FOCUS" entnommen habe, vor der Veröffentlichung keine eigenen Recherchen durchgeführt habe. In Anbetracht der Konsequenzen, die der Vorwurf, der Kläger sei als "IM" der "Stasi" tätig gewesen , für diesen hätte haben müssen, habe die Beklagte selbst die im Nachrichtenmagazin "FOCUS" auszugsweise zitierten Dokumente der Bundesbeauftragten überprüfen und den Verfasser der darin enthaltenen Berichte, den Zeugen O., zu den Umständen ihrer Entstehung befragen müssen. Die Tatsache, dass sich der Kläger im Landtagswahlkampf befunden habe, stehe dem nicht entge- gen, sondern habe im Gegenteil wegen der absehbaren schwerwiegenden Folgen für den Kläger zu einer genaueren Überprüfung führen müssen. Die Beklagte habe sich nicht gänzlich auf die Einschätzung der Bundesbeauftragten verlassen dürfen, die die Voraussetzungen für eine Herausgabe der Unterlagen an die Presse für gegeben hielt, sondern die ihr zur Verfügung stehenden eigenen Recherchemöglichkeiten nutzen müssen. Die Beklagte habe nicht vorgetragen , dass sie irgendein Dokument der Bundesbeauftragten in den Händen gehabt habe.
- 7
- In der Abhaltung einer Pressekonferenz am 19. August 2004 durch den Kläger liege keine Einwilligung in die Veröffentlichungen. Da sie erst nach dem Erscheinen der Beiträge stattgefunden habe, entfalle durch sie nicht die Rechtswidrigkeit der Berichterstattung. Es bestehe auch weiterhin Wiederholungsgefahr , zumal die Beklagte nicht konkret vorgetragen habe, zu welchen konkreten Äußerungen der Kläger sich mit welchen Worten in dieser Pressekonferenz geäußert habe.
II.
- 8
- Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , dem Kläger stehe gegen die Beklagte wegen der angegriffenen Äußerungen ein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.
- 9
- 1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass die angegriffenen Äußerungen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellen. Es hat den Sinngehalt der beanstandeten Äußerungen zutreffend erfasst, indem es angenommen hat, die Beklagte habe dadurch in jeweils unterschiedlichen Formen den Verdacht geäußert, der Kläger habe als informeller Mitarbeiter (IM) mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) zusammengearbeitet und "Spitzeldienste" erbracht. Es hat die Äußerungen auch zu Recht als Tatsachenbehauptungen eingestuft. Die Äußerung des Verdachts, mit dem MfS zusammengearbeitet zu haben, ist geeignet, sich abträglich auf das Ansehen des Klägers, insbesondere sein Bild in der Öffentlichkeit , auszuwirken (vgl. BVerfGE 114, 339, 346; BVerfGE 119, 1, 24, jeweils mwN; siehe auch Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 20 f.; BVerfG, AfP 2010, 562 Rn. 56; EGMR, NJW 2012, 1058 Rn. 83).
- 10
- 2. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers werde durch die angegriffenen Äußerungen in rechtswidriger Weise verletzt.
- 11
- a) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 35; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, z.V.b., Rn. 10, jeweils mwN).
- 12
- Im Streitfall sind das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen (vgl. Se- natsurteile vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 24; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 14, jeweils mwN; BVerfG, NJW 2012, 756 Rn. 18; NJW 2012, 1500 Rn. 33). Bei Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Fall hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 37; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, z.V.b., Rn. 12, jeweils mwN; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN; NJW 2012, 1500 Rn. 39). Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (vgl. Senatsurteil vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 34; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62, jeweils mwN).
- 13
- b) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , die angegriffenen Äußerungen seien nicht (erweislich) wahr.
- 14
- aa) Die Revision macht allerdings ohne Erfolg geltend, bei der Wiedergabe der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe durch die Beklagte handele es sich nicht um eine Verdachtsberichterstattung, sondern um eine wahrheitsgemäße und deshalb zulässige Berichterstattung über das Zeitgeschehen, nämlich über die Berichterstattung des Nachrichtenmagazins "FOCUS" und die bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Ergebnisse der Bundesbeauftragten. Denn die Beklagte hat sich die Erkenntnisse des "FOCUS" bzw. der Bundesbeauftragten über den Verdacht einer IM-Tätigkeit des Klägers jeweils zu Eigen gemacht. Sie hat die jeweiligen Artikel selbst verfasst und sich mit den fremden Äußerungen identifiziert, so dass sie als eigene erscheinen; sie hat sie zum Be- standteil eigener Verdachtsberichterstattungen gemacht (vgl. Senatsurteile vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 19; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 11; vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, VersR 2012, 992 Rn. 11; BVerfG, NJW 2004, 590, 591 jeweils mwN).
- 15
- bb) Mit Erfolg rügt die Revision aber die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht bewiesen, dass die von ihr als Verdacht geäußerten Behauptungen wahr seien. Das Berufungsgericht ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass die Beweislast für die Wahrheit der Tatsachenbehauptungen nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB der auf Unterlassung in Anspruch genommenen Beklagten als Äußernden obliegt (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23; vom 22. April2008 - VI ZR 83/07, BGH 176, 175 Rn. 21; vom 28. Februar 2012 - VI ZR 79/11, VersR 2012, 502 Rn. 13; BVerfGE 114, 339, 352). Wie die Revision jedoch zu Recht beanstandet, beruht die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht bewiesen, dass der Kläger wissentlich und willentlich mit dem Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet habe, auf einer Verletzung von § 286 Abs. 1 ZPO.
- 16
- (1) Nach dieser Vorschrift hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht nach § 559 ZPO gebunden. Revisionsrechtlich ist lediglich zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10, VersR 2012, 454 Rn. 13 mwN; vom 10. Juli 2012 - VI ZR 341/10, VersR 2012, 1261 Rn. 28 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
- 17
- Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt ferner das Beweismaß. Nach § 286 ZPO hat der Tatrichter ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Jedoch setzt das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06, VersR 2008, 1265 Rn. 22; vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 241/09, VersR 2011, 223 Rn. 21; BGH, Urteile vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 255 f.; vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91, NJW 1993, 935, 937; vom 13. März 2003 - X ZR 100/00, GRUR 2003, 507, 508, jeweils mwN). Zweifel, die sich auf lediglich theoretische Möglichkeiten gründen, für die tatsächliche Anhaltspunkte nicht bestehen, sind nicht von Bedeutung (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06, aaO).
- 18
- (2) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet.
- 19
- (a) Die Beweiswürdigung ist unvollständig und verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Die Revision beanstandet zu Recht, dass die Deutung der in den Akten des MfS verwendeten Begriffe durch das Landgericht, auf dessen Würdigung das Berufungsgericht Bezug genommen hat, zum Teil weit hergeholt und mit dem natürlichen Sprachempfingen kaum in Einklang zu bringen ist. So rügt die Revision mit Erfolg, dass das Berufungsgericht, das insoweit auf die Würdigung des Landgerichts Bezug genommen hat, den Bericht der Bezirksverwaltung Leipzig des Ministeriums für Staatssicherheit vom 9. März 1984 als mit dem Vortrag des Klägers, er sei lediglich ohne sein Wissen "abgeschöpft" worden, vereinbar angesehen hat. Der Bericht vom 9. März 1984 betrifft nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die erste Kontaktaufnahme der Bezirksverwaltung Leipzig mit dem Kläger, der bis zu dieser Zeit nur bei der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) als inoffizieller Mitarbeiter erfasst war. In diesem Bericht führt Oberleutnant O. von der Bezirksverwaltung Leipzig aus: "Entsprechend der Mitteilung der HVA konnte mit diesem IM die Verbindung zur zeitweiligen Nutzung aufgenommen werden. Dazu wurden die Telefonnummer des IM und ein Erkennungswort mitgeteilt. Die Verbindungsaufnahme zum IM erfolgte telefonisch und geschah ohne Schwierigkeiten." Die Revision beanstandet mit Recht, dass die Würdigung des Landgerichts, unter dem Erkennungswort könne auch der Arbeitsname zu verstehen sein, unter dem alle durch den Kläger erlangten Informationen zwischen der Hauptverwaltung und der Bezirksverwaltung Leipzig auszutauschen seien, unvertretbar ist. Sie trägt insbesondere dem anerkannten Grundsatz nicht Rechnung, wonach der Sinngehalt von Erklärungen unter Berücksichtigung des Wortlautes und des Zusammenhangs zu erfassen und hierbei das übliche Verständnis der betroffenen Verkehrskreise zu berücksichtigen ist. Nach dem Gesamtzusammenhang der Äußerung erfolgte die Mitteilung des Erkennungswortes an die Bezirksverwaltung gemeinsam mit der Bekanntgabe der Telefonnummer des IM zum Zwecke der Kontaktaufnahme mit diesem. Im unmittelbar auf die Verwendung des Erkennungswortes folgenden Satz wird mitgeteilt, dass die Kontaktaufnahme telefonisch erfolgt und ohne Schwierigkeiten geschehen sei. Weshalb in diesem Zusammenhang das Erkennungswort den Arbeitsnamen bezeichnen soll, unter dem die Informationen zwischen der Hauptverwaltung und der Bezirksverwal- tung auszutauschen waren, ist schlechterdings nicht nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, wenn man die Aussage der Mitarbeiterin derBundesbeauftragten in der Sitzung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten des Sächsischen Landtags vom 10. Januar 2006 berücksichtigt, wonach es üblich gewesen sei, zur Herstellung des Kontakts mit einem dem inoffiziellen Mitarbeiter bislang unbekannten Offizier des Ministeriums für Staatssicherheit Kennwörter zu vereinbaren.
- 20
- (b) Die Revision rügt auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an die richterliche Überzeugung überspannt hat. Das Landgericht hat rechtfehlerhaft eine mathematische, jede Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ausschließende Gewissheit gefordert. Es hat die Hinweise in den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes jeweils isoliert gewürdigt und theoretische Erklärungen dafür gefunden, warum es nicht "gänzlich undenkbar", "nicht unmöglich" oder "nicht gänzlich unplausibel" sei, dass die Darstellung des Klägers zutreffend sei und er nicht gewusst habe, dass er seine umfassende Spitzeltätigkeit tatsächlich für den Staatssicherheitsdienst erbrachte. Die erheblichen Verdachtsmomente wiesen nicht "zwingend" darauf hin, dass der Kläger Kenntnis von der Identität seiner Gesprächspartner gehabt habe.
- 21
- Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend ausgeführt, dass für die richterliche Überzeugungsbildung ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit genüge, der Zweifeln Schweigen gebiete, ohne sie völlig auszuschließen. In der Sache hat es aber keine geringeren Anforderungen an die Überzeugungsbildung als das Landgericht gestellt. Es hat sich uneingeschränkt dessen rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung angeschlossen und ebenfalls darauf abgestellt, dass die "durchaus erheblichen Verdachtsmomente" nicht den "zwingenden" bzw. "alleinigen Schluss" auf eine Kenntnis des Klägers zuließen bzw. seiner Unkenntnis "nicht zwingend entgegen" ständen.
- 22
- c) Die Revision wendet sich darüber hinaus mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angegriffenen Äußerungen seien auch nicht nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zulässig.
- 23
- aa) Soweit die Berichterstattung in den Artikeln vom 9., 10., 11. und 17. August 2004 betroffen ist, rügt die Revision zu Recht, dass das Berufungsgericht entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten bei seiner Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt hat. Die Beklagte hatte in der Klageerwiderung unter Benennung eines Zeugen und unter Verweis auf Anlagen vorgetragen , dass sich der Kläger in einer Pressekonferenz vom 8. August 2004, zu der sämtliche Medien eingeladen worden seien, ausführlich zu den angekündigten FOCUS-Enthüllungen und den darin enthaltenen Verdachtsmomenten geäußert habe. Er habe insbesondere ausgeführt, dass er keine Stasi-Vergangenheit als IM Christoph habe, "nie bewusst" mit dem MfS zusammengearbeitet und "nie wissentlich" einen Stasioffizier getroffen habe. Zu dem - unter Bezugnahme auf den Bericht in den Stasi-Unterlagen erhobenen - konkreten Vorwurf, dass er als IM Christoph über eine Lesung der Autorin Christa Moog berichtet habe, habe er spekuliert, bei seinen "öffentlichen Reden über diese Veranstaltung" von der Stasi "abgeschöpft" worden zu sein. Die Beklagte hatte darüber hinaus in der Klageerwiderung vorgetragen, die vom Kläger als Fraktionschef gesteuerte PDS habe in ihrem Internetportal eine Meldung vom 8. August 2004 zum Abruf bereit gehalten, in der u.a. Folgendes ausgeführt gewesen sei: "Der PDSFraktionschef im Landtag von Sachsen, P., hat Stasi-Vorwürfe zurückgewiesen. … Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "FOCUS" soll P. von Mai 1970 bis in die 80er Jahre als "IM Christoph" der DDR - Auslandsspionage Informationen geliefert und außerdem seine damalige Freundin und heutige Ehefrau R. bespitzelt haben."
- 24
- Dieser Vortrag der Beklagten ist entscheidungserheblich. Die Beklagte hat damit geltend gemacht, der Kläger habe sich - vor der Berichterstattung durch die Beklagte in den Artikeln vom 9., 10., 11. und 17. August 2004 - gezielt an die Öffentlichkeit gewandt, um seine Reaktion auf die Vorwürfe bekannt zu geben, und über die PDS eine Berichterstattung veranlasst, in der die angegriffenen Verdachtsäußerungen bereits verbreitet worden seien. Dieses Verhalten des Klägers kann entweder als eine die Rechtswidrigkeit ausschließende Einwilligung in die Berichterstattung der Beklagten zu werten sein oder jedenfalls dazu führen, dass sein Interesse an einem Schutz seiner Persönlichkeit im Rahmen der Abwägung hinter dem Interesse der Beklagten an einer Berichterstattung zurückzutreten hat (vgl. zur Einwilligung in eine Persönlichkeitsbeeinträchtigung : BVerfGE 106, 28, 45 f.; Senatsurteile vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03, VersR 2005, 83 mwN; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 86; LG Köln, AfP 1989, 766 f.; siehe auch OLG Karlsruhe, OLGR 2006, 598, 599; OLG Frankfurt, ZUM 2007, 915, 916; LG München, ZUM-RD 2008, 309; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 249; vgl. zur Berücksichtigung bei der Abwägung: Senatsurteile vom 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74, NJW 1977, 1288, 1289, insoweit in BGHZ 68, 331 nicht abgedruckt; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 191/08, VersR 2009, 1085 Rn. 26; BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 32; BVerfGK 9, 54, 62). Denn haben der Kläger bzw. auf seine Veranlassung und mit seinem Wissen die PDS sich mit den für seine StasiVergangenheit sprechenden Verdachtsmomenten öffentlich auseinandergesetzt , kann es der Presse nicht untersagt sein, diese Vorwürfe anschließend zum Gegenstand einer Berichterstattung zu machen.
- 25
- bb) Die Revision rügt auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der in den Artikeln vom 10., 11. und 17. August 2004 enthaltenen Äußerungen die Anforderungen an eine zulässige Verdachtsberichterstattung überspannt hat.
- 26
- (1) Das Berufungsgericht ist im Ansatz allerdings zutreffend davon ausgegangen , dass eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden darf, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass der auf Unterlassung in Anspruch Genommene vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt hat (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23 mwN; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 35; BVerfGE 114, 339, 353; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62). Erforderlich ist ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Die Darstellung darf keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 203 f. mwN).
- 27
- (2) Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht den erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der angegriffenen Äußerungen sprechen, verneint und zu hohe Anforderungen an die von der Beklagten einzuhaltende Sorgfalt gestellt hat.
- 28
- (a) Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Mei- nungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so den freien Kommunikationsprozess einschnüren. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt. Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind deshalb an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen. Allerdings ist auch das Interesse der Öffentlichkeit an derartigen Äußerungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN, sowie Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 203 f.; BVerfGE 114, 339, 353 f.; BVerfGK 9, 317, 321; BVerfGK 10, 485, 489; siehe auch EGMR, NJW 2000, 1015 Rn. 66; NJW 2006, 1645 Rn. 78; NJW 2012, 1058 Rn. 82).
- 29
- (b) Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht die Stellungnahme des Pressesprechers der Bundesbeauftragten, Herrn B., vom 9. August 2004 rechtsfehlerhaft nicht als privilegierte Quelle gewertet hat, der die Beklagte ein gesteigertes Vertrauen entgegenbringen durfte. Wie die Beklagte in der Klageerwiderung geltend gemacht und was das Berufungsgericht durch Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts seiner Entscheidung als unstreitig zugrunde gelegt hat, hatte der Pressesprecher der Bundesbeauftragten erklärt, aus den gefundenen Unterlagen gehe zweifelsfrei hervor, dass der Kläger als "IM Christoph" für den Staatssicherheitsdienst tätig gewesen sei.
- 30
- Bei dem Bundesbeauftragten handelt es sich gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 StUG um eine Bundesoberbehörde. In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (vgl. BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 35; OLG Hamburg, ArchPR 1972, 86; OLG Stuttgart, AfP 1990, 145, 147; NJW-RR 1993, 733, 734; KG, AfP 1992, 302, 303; ZUM-RD 2011, 468, 472; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, 732, 733; OLG Dresden, NJW 2004, 1181, 1183; LG Oldenburg , AfP 1988, 79, 80; siehe auch EGMR, NJW 2000, 1015 Rn. 72; NJW 2012, 1058 Rn. 105; Peters, NJW 1997, 1334, 1336; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 6 Rn. 136; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rn. 986). Denn Behörden sind in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte, namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, gebunden und zur Objektivität verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, 1951; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35; BeckOK GG/ Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 156 ff. [Stand: 1. Oktober 2012]).
- 31
- Der Berücksichtigung der Auskünfte steht nicht entgegen, dass es sich dabei nur um sekundäre Quellen handelt. Der Bundesbeauftragte ist für solche Auskünfte besonders kompetent und kann das Vorliegen einer IM-Tätigkeit in aller Regel besser beurteilen als Presseorgane. Die Unterrichtung der Öffentlichkeit , die gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG zu seinen Aufgaben und Befugnissen gehört, setzt fundierte und umfassende Kenntnisse über den Staatssicherheitsdienst und seinen Wirkungsbereich voraus (vgl. Pietrkiewicz/Burth in Geiger /Klinghardt, StUG, 2. Aufl., § 37 Rn. 15). Deshalb ist beim Bundesbeauftragten auch eine Forschungsabteilung gebildet worden (Stoltenberg/Bossack, StUG, 1. Aufl., § 37 Rn. 11).
III.
- 32
- Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der freien Beweiswürdigung unterlie- gen; im Einzelfall kann ihnen durchaus ein hoher Beweiswert zukommen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 23. September 1998 - 2 L 5/96, S. 12 mwN, und vom 18. November 1998 - 2 L 76/97, juris Rn. 20; OLG Brandenburg , Urteil vom 13. November 2007 - 10 UF 161/07, juris Rn. 32; RappLücke in Geiger/Klinghardt, StUG, 2. Aufl., § 19 Rn. 69; siehe auch BVerfGE 96, 189, 202 f.; BAGE 74, 257, 265; VG Meiningen, LKV 1995, 298, 299 f.). Vorsorglich weist der Senat auch darauf hin, dass der Tenor des Landgerichtsurteils zu weit gefasst ist. Ein Verbot der angegriffenen Äußerungen setzt eine Abwägung zwischen dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit unter Berücksichtigung des Kontextes der Äußerungen voraus. Ein Verbot ohne Bezugnahme auf den Kontext geht daher grundsätzlich zu weit (vgl. auch OLG Hamburg, ZUM 2010, 606, 609; für die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen Senatsur- teile vom 13. November 2007 - VI ZR 265/06, BGHZ 174, 262 Rn. 13 f.; vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 314/08, VersR 2009, 1675 Rn. 7 mwN).
Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 15.08.2008 - 324 O 774/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 12.10.2010 - 7 U 89/08 -
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tenor
-
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Mai 2013 aufgehoben.
-
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin stellt Hochleistungsmagneten zur Einsparung von fossilen Brennstoffen bei dem Betrieb von Heizungsanlagen her. Sie ist Inhaberin des beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Patents über die "Anordnung zur magnetischen Ionisierung eines kohlenwasserstoffhaltigen Treibstoffs sowie deren Verwendung". Nach der Patentschrift liegt die Aufgabe der Erfindung darin, den Verbrennungswirkungsgrad des behandelten Treibstoffes signifikant zu erhöhen. Der Beklagte hat Physik und Architektur studiert. Er ist der Auffassung, dass die von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Vorrichtungen keine Energieeinsparung bewirkten und die Klägerin dies wisse. Am 7. Juni 2011 teilte er einer Kundin der Klägerin unter voller Nennung der im Folgenden abgekürzt wiedergegebenen Namen per E-Mail mit:
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"Sehr geehrte Damen und Herren,
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ich schreibe derzeit an einem Artikel über einen groß angelegten Schwindel durch eine Firma S. GmbH, die unter dem Markennamen E. Magnete vermarktet, die an die Brennstoffleitung einer Heizungsanlage geklemmt auf wundersame Weise enorme Energieeinsparungen bewirken sollen. Die Wirkung dieser Magnete entspricht der eines Perpetuum Mobiles, die vom Hersteller herbeigezerrte wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung der Magnete ist völliger Unsinn.
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Zu den Opfern dieses Betruges gehört auch Ihr Unternehmen. Wie Herr J. vom Facility Management Ihres Unternehmens berichtet, wurden Heizungsanlagen in Ihren Niederlassungen A. und W. mit diesen Magneten ausgestattet.
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Ich würde mich freuen, wenn Sie zu dieser Angelegenheit Stellung beziehen könnten. Mich interessiert dabei insbesondere, ob Sie durch Ihren Heizungslieferanten oder Energieberater zu diesen Magneten zum Kauf dieser Magnete motiviert wurden, oder ob sich diese nach Kauf dazu geäußert haben. Besonders interessant ist auch, wie die Messung der angeblichen Effizienzsteigerung durchgeführt wurde. Gerne wird Ihnen dazu jeder Schornsteinfeger bestätigen, dass solch eine Effizienzsteigerung nach einer normalen Wartung und Reinigung, die eventuell beim Einbau der Magnete erfolgte, problemlos messbar ist.
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Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, dass sich Ihr Unternehmen durch die Bereitstellung des Anwenderberichts zu Werbezwecken für dieses Scharlatanerieprodukt (http://www.e.com/pressemeldungen/pdf/anwenderbericht_e..pdf) gegenüber dadurch beeinflussten weiteren Opfern des Betrugs eventuell schadensersatzpflichtig macht.
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Vielen Dank und herzliche Grüße
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T. B.
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Wissenschaftsjournalist"
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Nachdem die Klägerin den Beklagten abgemahnt und seine Äußerungen als Schmähkritik bezeichnet hatte, teilte der Beklagte mit E-Mail vom 17. Juni 2011 unter Angabe eines Links mit, das Abmahnschreiben habe ihn veranlasst, den Betrug durch die Klägerin auch im Usenet bekannt zu machen.
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Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, die Behauptungen zu unterlassen, die Klägerin initiiere mit der Vermarktung ihres unter dem Markennamen "E." hergestellten Produktes einen "groß angelegten Schwindel" bzw. "Betrug", bei den Kunden der Klägerin handele es sich um "Opfer dieses Betrugs", bei den "E."-Produkten der Klägerin handele es sich um "Scharlatanerieprodukte", die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines "Perpetuum-Mobiles", die vom Hersteller herbeigezerrte wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei völliger Unsinn. Das Landgericht hat den Beklagten darüber hinaus verurteilt, es zu unterlassen, unmittelbar an Kunden der Klägerin mit den vorgenannten Behauptungen heranzutreten, und an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.974,40 € zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
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I.
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Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin Unterlassungsansprüche gegen den Beklagten aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1, § 824 BGB zu. Durch die beanstandeten Äußerungen habe der Beklagte die unternehmensbezogenen Interessen des Unternehmens der Klägerin betroffen, die sowohl durch ihr Persönlichkeitsrecht als auch durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt seien. Die Äußerungen des Beklagten genössen nicht den Schutz der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, weil sie als unzulässige Schmähkritik zu qualifizieren seien. Ausweislich seiner E-Mail vom 7. Juni 2011 gehe es dem Beklagten vorrangig nicht um eine Auseinandersetzung mit der von ihm behaupteten Wirkungslosigkeit der von der Klägerin verwendeten Technik. Hierzu enthielten seine Ausführungen kaum einen brauchbaren Anhaltspunkt. Vielmehr gehe es dem Beklagten ersichtlich darum, das Unternehmen der Klägerin in den Augen auch von Kunden herabzusetzen. Während der Leser der E-Mail - anders als aus dem Bericht des Bayerischen Landesamtes für Umwelt - keinerlei Informationen erlange, aus welchen Gründen die Technik der Klägerin unbrauchbar sein solle, werde er ohne nähere Darlegungen mit angeblich betrügerischen Machenschaften der Klägerin konfrontiert. Dies habe mit einer Auseinandersetzung in der Sache nichts zu tun, sondern ziele einzig und allein darauf ab, die Klägerin als Betrügerin darzustellen und den Adressaten vor ihr zu warnen. Der Beklagte habe die Klägerin gleichsam als Betrügerin an den Pranger gestellt. Das Landgericht habe sich auch nicht mit den vom Beklagten behaupteten journalistischen und verbraucherschützenden Motiven für sein Verhalten auseinandersetzen müssen, da er sich erstinstanzlich nicht auf diese Motive berufen habe. Soweit er sie mit der Berufungsbegründung geltend gemacht habe, sei er mit dem Vortrag ausgeschlossen. Abgesehen davon habe er seine Motive bereits nicht nachvollziehbar und glaubhaft dargetan. Er habe zu keinem Zeitpunkt einen Artikel verfasst, ohne dass er dargelegt habe, was ihn daran gehindert habe, journalistisch tätig zu werden. Aber auch dann, wenn seine Motive tatsächlich journalistischer Art gewesen wären, würde es an der Bewertung seiner Äußerungen als Schmähkritik nichts ändern.
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II.
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Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen und Verhaltensweisen nicht bejaht werden.
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1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen nicht aus § 824 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 824 Abs. 1 BGB sind nicht erfüllt, da die angegriffenen Äußerungen nicht als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren sind.
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a) Gemäß § 824 Abs. 1 BGB hat derjenige, der der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, dem anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss. Die Vorschrift setzt danach voraus, dass unwahre Tatsachen und nicht bloß Werturteile mitgeteilt werden. Vor abwertenden Meinungsäußerungen und Werturteilen bietet § 824 Abs. 1 BGB keinen Schutz (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2011 - VI ZR 120/10, AfP 2011, 259 Rn. 9; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 62; Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 12 Rn. 60; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 5 Rn. 246; Palandt/Sprau, BGB, 74. Auflage, § 824 Rn. 2 ff.).
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b) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ist (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 15; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 72 m.w.N.). Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt (BVerfGE 90, 241, 247; 94, 1, 8; BVerfG NJW 2000, 199, 200; NJW 2008, 358, 359). Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. Senatsurteile vom 22. Februar 2011 - VI ZR 120/10, AfP 2011, 259 Rn. 10; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 15; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 63; BVerfGE 90, 241, 247; BVerfG NJW 2008, 358, 359). Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 12, 18; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 70; BVerfGE 85, 1, 15; BVerfG, NJW 2008, 358, 359). Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (BVerfGE 85, 1, 15 f. m.w.N.; BVerfG, NJW 1993, 1845, 1846).
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Die zutreffende Einstufung einer Äußerung als Wertung oder Tatsachenbehauptung setzt die Erfassung ihres Sinns voraus (Senatsurteile vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 15; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05, AfP 2007, 46 Rn. 14; BVerfGK 10, 485, 489). Bei der Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 20; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 27. Mai 2014 - VI ZR 153/13, AfP 2014, 449 Rn. 13; BVerfG, NJW 2013, 217, 218).
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c) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Aussagen als Meinungsäußerungen zu qualifizieren. Die Äußerungen, die Klägerin betreibe mit der Vermarktung ihres unter dem Markennamen E. hergestellten Produktes einen "groß angelegten Schwindel" bzw. "Betrug", bei den Kunden der Klägerin handele es sich um "Opfer dieses Betrugs", bei den E.-Produkten der Klägerin handele es sich um "Scharlatanerieprodukte", die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines "Perpetuum-Mobiles" und die vom Hersteller "herbeigezerrte" wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei "völliger Unsinn", sind entscheidend durch das Element des Dafürhaltens und Meinens geprägt. Zwar weisen alle Teilaussagen in ihrer Gesamtheit betrachtet auch tatsächliche Elemente auf. So bringt der Beklagte mit den Begriffen "Schwindel", "Betrug", "Scharlatanerieprodukte" und "Unsinn" im vorliegenden Zusammenhang zum Ausdruck, dass die von der Klägerin bei der Vermarktung ihres Produkts hervorgehobene energieeinsparende Wirkung der Magnete tatsächlich nicht gegeben sei. Die von der Klägerin zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungsweise treffe nicht zu, die (angeblich) gemessenen Einsparungen könnten auch auf eine beim Einbau der Magnete erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen sein und die Klägerin habe hiervon Kenntnis. Hierin erschöpfen sich die Aussagen aber nicht; sie bringen vielmehr in erster Linie die Missbilligung des geschäftlichen Verhaltens der Klägerin durch den Beklagten zum Ausdruck und enthalten damit eine subjektive Wertung, die mit den tatsächlichen Bestandteilen der Äußerungen untrennbar verbunden ist. Auch dem Begriff "Betrug" kommt im vorliegenden Zusammenhang kein weitergehender Aussagegehalt zu. Er wird hier erkennbar nicht im fachspezifischen, sondern in einem alltagssprachlichen Sinne verwendet (vgl. dazu Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 14; BVerfGE 85, 1, 19; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 42). Ein durchschnittlicher Leser versteht unter dieser Behauptung nicht die Verwirklichung eines rechtlich präzise bestimmten Straftatbestandes, sondern den weiter gefassten Vorwurf der bewussten Verbrauchertäuschung.
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2. Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen und Verhaltensweisen aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zu.
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a) Zwar ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin eingreifen. Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen (vgl. Senatsurteile vom 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85, BGHZ 98, 94, 97; vom 8. Februar 1994 - VI ZR 286/93, AfP 1994, 138 f.; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 9). Denn die Verwendung der beanstandeten Begriffe ist geeignet, ihr unternehmerisches Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen.
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Die angegriffenen Äußerungen berühren darüber hinaus das durch Art. 12 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Betroffen ist das Interesse der Klägerin daran, dass ihre wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihr abgehalten werden (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 9; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 98; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711; NJW 2008, 358, 359 f.). Die angegriffenen Äußerungen sind geeignet, eine Verunsicherung der Kunden der Klägerin zu bewirken mit der Folge, dass diese die angebotenen Leistungen nicht (mehr) nachfragen.
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Das zuletzt genannte Interesse der Klägerin wird zusätzlich dadurch betroffen, dass der Beklagte mit den angegriffenen Äußerungen unmittelbar an Kunden der Klägerin herangetreten ist.
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b) Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen aber nicht die Annahme, dass die Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin und ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb rechtswidrig sind.
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aa) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben (Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 12; vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 318; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 97; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Gleiches gilt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Senatsurteile vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, juris Rn. 19, z.V.b.; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 12). Bei der Abwägung sind die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich des jeweiligen Rechts ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, juris Rn. 19, z.V.b.; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22 = AfP 2014, 135).
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bb) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die danach erforderliche Abwägung sei vorliegend entbehrlich, weil die angegriffenen Äußerungen als Schmähkritik zu qualifizieren seien und deshalb nicht am Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG teilhätten.
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(1) Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Eine Schmähung liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; BVerfG, AfP 2013, 388 Rn. 15; NJW 2014, 3357 Rn. 11; NJW-RR 2004, 1710, 1712, jeweils m.w.N.). Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (Senatsurteile vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 171; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 16).
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(2) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Äußerungen nicht als Schmähkritik zu qualifizieren. Auch hier ist nämlich zu beachten, dass eine Aussage nicht isoliert gewürdigt werden darf, sondern in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05, AfP 2007, 46 Rn. 19). Der E-Mail des Beklagten vom 7. Juni 2006 kann bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung ein Sachbezug nicht abgesprochen werden. Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage. Der Beklagte setzt sich - wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form - kritisch mit der gewerblichen Leistung und dem Geschäftsgebaren der Klägerin auseinander. Ihm geht es erkennbar darum, die aus seiner Sicht gegebene völlige Wirkungslosigkeit der Produkte der Klägerin aufzudecken und zur Unterrichtung der Marktteilnehmer und zur Markttransparenz beizutragen. Zu diesem Zweck bittet er den angeschriebenen Kunden der Klägerin um nähere Informationen, wie es zu dem Anwenderbericht des Kunden gekommen ist, den die Klägerin zu Werbezwecken für ihr Produkt verwendet. So bittet er insbesondere um Mitteilung, wie die Messung der angeblichen Effizienzsteigerung der Heizung durchgeführt wurde, und weist darauf hin, dass eine Effizienzsteigerung bereits nach einer normalen Wartung und Reinigung zu erwarten sei.
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cc) Im Streitfall sind deshalb die unter a) genannten Schutzinteressen der Klägerin mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen.
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(1) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 12 m.w.N.). Danach fällt bei Äußerungen, in denen sich - wie im vorliegenden Fall - wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 18; vom 20. November 2007 - VI ZR 144/07, VersR 2008, 1081 Rn. 12; BVerfGE 90, 241, 248 f.; 94, 1, 8; BVerfG, NJW 1993, 1845, 1846; NJW 2008, 358, 359 f., 38; NJW 2012, 1643 Rn. 34). Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse (BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33; NJW 2013, 217, 218). Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 12 m.w.N.; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33). Dementsprechend muss sich ein Gewerbetreibender wertende, nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen verbundene Kritik an seiner gewerblichen Leistung in der Regel auch dann gefallen lassen, wenn sie scharf formuliert ist (vgl. Senatsurteile vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 171; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 21; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 - Steel und Morris/Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 = ÖstJZ 1995, 436, 438 f. - Fayed/Vereinigtes Königreich).
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(2) Auf der Grundlage des mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags des Beklagten hat das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs als Wirtschaftsunternehmen und ihrer unternehmensbezogenen Interessen nach diesen Grundsätzen hinter dem Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit zurückzutreten. Nach dem - u.a. durch Vorlage zweier Privatgutachten und eines Warnschreibens des Bayerischen Landesamtes für Umwelt konkretisierten - Sachvortrag des Beklagten sind die tatsächlichen Elemente seiner insgesamt als Meinungsäußerungen zu qualifizierenden Aussagen wahr. Denn danach sind die von der Klägerin mit dem Versprechen der Energieeinsparung bei dem Betrieb von Heizungsanlagen vertriebenen Magnete wirkungslos. Die angeblich energieeinsparende Wirkung der Magnete ist tatsächlich nicht gegeben. Etwaige Energieeinsparungen nach dem Einbau eines Magneten sind auf eine beim Einbau des Magneten erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen. Die von der Klägerin durchgeführten, eine Effizienzsteigerung belegenden Messungen sind nicht aussagekräftig, da sie nicht unter standardisierten Bedingungen und von objektiven Dritten durchgeführt worden sind. Die zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungsweise trifft nicht zu; der als Beleg für die Wirkung der Magnete hergestellte Bezug zur Kernspinresonanz ist frei erfunden und dient der bewussten Täuschung potentieller Kunden.
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Zu Gunsten des Beklagten ist weiter zu berücksichtigen, dass er seine Äußerungen nicht im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen gemacht, sondern ein Informationsanliegen im Zusammenhang mit einer die Verbraucher wesentlich berührenden Frage verfolgt hat (vgl. Senatsurteile vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 2. Dezember 2008 - VI ZR 219/06, AfP 2009, 55 Rn. 18; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 21; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1712; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 - Steel und Morris/Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 = ÖstJZ 1995, 436, 438 f. - Fayed/Vereinigtes Königreich). Auch an wirtschaftlichen Fragen kann ein schutzwürdiges Informationsinteresse der Allgemeinheit, insbesondere der vom Verhalten eines Unternehmens betroffenen Kreise, bestehen. Eine marktwirtschaftliche Ordnung setzt voraus, dass die Marktteilnehmer über ein möglichst hohes Maß an Informationen über marktrelevante Faktoren verfügen (vgl. BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Wie sich bereits aus der E-Mail des Beklagten vom 7. Juni 2006 ergibt, ging es ihm ungeachtet seiner überspitzten Formulierungen darum, über fragwürdige Geschäftspraktiken aufzuklären. Darüber hinaus ergab sich für den Empfängerkreis bereits aus der Art der Darstellung, dass ein subjektives Werturteil formuliert wurde. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Meinungsfreiheit des Beklagten im Kern betroffen wird, wenn ihm die Äußerung seiner Meinung gerichtlich untersagt wird. Die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung muss aber im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (vgl. BVerfGK 2, 325, 329; BVerfG, AfP 2012, 549 Rn. 35).
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3. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren im Revisionsverfahren erhobenen Einwendungen der Parteien auseinanderzusetzen.
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Galke Diederichsen Stöhr
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v. Pentz Oehler
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Mai 2013 aufgehoben.
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Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin stellt Hochleistungsmagneten zur Einsparung von fossilen Brennstoffen bei dem Betrieb von Heizungsanlagen her. Sie ist Inhaberin des beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Patents über die "Anordnung zur magnetischen Ionisierung eines kohlenwasserstoffhaltigen Treibstoffs sowie deren Verwendung". Nach der Patentschrift liegt die Aufgabe der Erfindung darin, den Verbrennungswirkungsgrad des behandelten Treibstoffes signifikant zu erhöhen. Der Beklagte hat Physik und Architektur studiert. Er ist der Auffassung, dass die von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Vorrichtungen keine Energieeinsparung bewirkten und die Klägerin dies wisse. Am 7. Juni 2011 teilte er einer Kundin der Klägerin unter voller Nennung der im Folgenden abgekürzt wiedergegebenen Namen per E-Mail mit:
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"Sehr geehrte Damen und Herren,
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ich schreibe derzeit an einem Artikel über einen groß angelegten Schwindel durch eine Firma S. GmbH, die unter dem Markennamen E. Magnete vermarktet, die an die Brennstoffleitung einer Heizungsanlage geklemmt auf wundersame Weise enorme Energieeinsparungen bewirken sollen. Die Wirkung dieser Magnete entspricht der eines Perpetuum Mobiles, die vom Hersteller herbeigezerrte wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung der Magnete ist völliger Unsinn.
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Zu den Opfern dieses Betruges gehört auch Ihr Unternehmen. Wie Herr J. vom Facility Management Ihres Unternehmens berichtet, wurden Heizungsanlagen in Ihren Niederlassungen A. und W. mit diesen Magneten ausgestattet.
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Ich würde mich freuen, wenn Sie zu dieser Angelegenheit Stellung beziehen könnten. Mich interessiert dabei insbesondere, ob Sie durch Ihren Heizungslieferanten oder Energieberater zu diesen Magneten zum Kauf dieser Magnete motiviert wurden, oder ob sich diese nach Kauf dazu geäußert haben. Besonders interessant ist auch, wie die Messung der angeblichen Effizienzsteigerung durchgeführt wurde. Gerne wird Ihnen dazu jeder Schornsteinfeger bestätigen, dass solch eine Effizienzsteigerung nach einer normalen Wartung und Reinigung, die eventuell beim Einbau der Magnete erfolgte, problemlos messbar ist.
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Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, dass sich Ihr Unternehmen durch die Bereitstellung des Anwenderberichts zu Werbezwecken für dieses Scharlatanerieprodukt (http://www.e.com/pressemeldungen/pdf/anwenderbericht_e..pdf) gegenüber dadurch beeinflussten weiteren Opfern des Betrugs eventuell schadensersatzpflichtig macht.
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Vielen Dank und herzliche Grüße
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T. B.
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Wissenschaftsjournalist"
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Nachdem die Klägerin den Beklagten abgemahnt und seine Äußerungen als Schmähkritik bezeichnet hatte, teilte der Beklagte mit E-Mail vom 17. Juni 2011 unter Angabe eines Links mit, das Abmahnschreiben habe ihn veranlasst, den Betrug durch die Klägerin auch im Usenet bekannt zu machen.
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Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, die Behauptungen zu unterlassen, die Klägerin initiiere mit der Vermarktung ihres unter dem Markennamen "E." hergestellten Produktes einen "groß angelegten Schwindel" bzw. "Betrug", bei den Kunden der Klägerin handele es sich um "Opfer dieses Betrugs", bei den "E."-Produkten der Klägerin handele es sich um "Scharlatanerieprodukte", die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines "Perpetuum-Mobiles", die vom Hersteller herbeigezerrte wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei völliger Unsinn. Das Landgericht hat den Beklagten darüber hinaus verurteilt, es zu unterlassen, unmittelbar an Kunden der Klägerin mit den vorgenannten Behauptungen heranzutreten, und an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.974,40 € zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
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I.
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Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin Unterlassungsansprüche gegen den Beklagten aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1, § 824 BGB zu. Durch die beanstandeten Äußerungen habe der Beklagte die unternehmensbezogenen Interessen des Unternehmens der Klägerin betroffen, die sowohl durch ihr Persönlichkeitsrecht als auch durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt seien. Die Äußerungen des Beklagten genössen nicht den Schutz der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, weil sie als unzulässige Schmähkritik zu qualifizieren seien. Ausweislich seiner E-Mail vom 7. Juni 2011 gehe es dem Beklagten vorrangig nicht um eine Auseinandersetzung mit der von ihm behaupteten Wirkungslosigkeit der von der Klägerin verwendeten Technik. Hierzu enthielten seine Ausführungen kaum einen brauchbaren Anhaltspunkt. Vielmehr gehe es dem Beklagten ersichtlich darum, das Unternehmen der Klägerin in den Augen auch von Kunden herabzusetzen. Während der Leser der E-Mail - anders als aus dem Bericht des Bayerischen Landesamtes für Umwelt - keinerlei Informationen erlange, aus welchen Gründen die Technik der Klägerin unbrauchbar sein solle, werde er ohne nähere Darlegungen mit angeblich betrügerischen Machenschaften der Klägerin konfrontiert. Dies habe mit einer Auseinandersetzung in der Sache nichts zu tun, sondern ziele einzig und allein darauf ab, die Klägerin als Betrügerin darzustellen und den Adressaten vor ihr zu warnen. Der Beklagte habe die Klägerin gleichsam als Betrügerin an den Pranger gestellt. Das Landgericht habe sich auch nicht mit den vom Beklagten behaupteten journalistischen und verbraucherschützenden Motiven für sein Verhalten auseinandersetzen müssen, da er sich erstinstanzlich nicht auf diese Motive berufen habe. Soweit er sie mit der Berufungsbegründung geltend gemacht habe, sei er mit dem Vortrag ausgeschlossen. Abgesehen davon habe er seine Motive bereits nicht nachvollziehbar und glaubhaft dargetan. Er habe zu keinem Zeitpunkt einen Artikel verfasst, ohne dass er dargelegt habe, was ihn daran gehindert habe, journalistisch tätig zu werden. Aber auch dann, wenn seine Motive tatsächlich journalistischer Art gewesen wären, würde es an der Bewertung seiner Äußerungen als Schmähkritik nichts ändern.
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II.
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Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen und Verhaltensweisen nicht bejaht werden.
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1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen nicht aus § 824 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 824 Abs. 1 BGB sind nicht erfüllt, da die angegriffenen Äußerungen nicht als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren sind.
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a) Gemäß § 824 Abs. 1 BGB hat derjenige, der der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, dem anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss. Die Vorschrift setzt danach voraus, dass unwahre Tatsachen und nicht bloß Werturteile mitgeteilt werden. Vor abwertenden Meinungsäußerungen und Werturteilen bietet § 824 Abs. 1 BGB keinen Schutz (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2011 - VI ZR 120/10, AfP 2011, 259 Rn. 9; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 62; Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 12 Rn. 60; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 5 Rn. 246; Palandt/Sprau, BGB, 74. Auflage, § 824 Rn. 2 ff.).
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b) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ist (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 15; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 72 m.w.N.). Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt (BVerfGE 90, 241, 247; 94, 1, 8; BVerfG NJW 2000, 199, 200; NJW 2008, 358, 359). Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. Senatsurteile vom 22. Februar 2011 - VI ZR 120/10, AfP 2011, 259 Rn. 10; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 15; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 63; BVerfGE 90, 241, 247; BVerfG NJW 2008, 358, 359). Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 12, 18; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 70; BVerfGE 85, 1, 15; BVerfG, NJW 2008, 358, 359). Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (BVerfGE 85, 1, 15 f. m.w.N.; BVerfG, NJW 1993, 1845, 1846).
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Die zutreffende Einstufung einer Äußerung als Wertung oder Tatsachenbehauptung setzt die Erfassung ihres Sinns voraus (Senatsurteile vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 15; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05, AfP 2007, 46 Rn. 14; BVerfGK 10, 485, 489). Bei der Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 20; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 27. Mai 2014 - VI ZR 153/13, AfP 2014, 449 Rn. 13; BVerfG, NJW 2013, 217, 218).
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c) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Aussagen als Meinungsäußerungen zu qualifizieren. Die Äußerungen, die Klägerin betreibe mit der Vermarktung ihres unter dem Markennamen E. hergestellten Produktes einen "groß angelegten Schwindel" bzw. "Betrug", bei den Kunden der Klägerin handele es sich um "Opfer dieses Betrugs", bei den E.-Produkten der Klägerin handele es sich um "Scharlatanerieprodukte", die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines "Perpetuum-Mobiles" und die vom Hersteller "herbeigezerrte" wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei "völliger Unsinn", sind entscheidend durch das Element des Dafürhaltens und Meinens geprägt. Zwar weisen alle Teilaussagen in ihrer Gesamtheit betrachtet auch tatsächliche Elemente auf. So bringt der Beklagte mit den Begriffen "Schwindel", "Betrug", "Scharlatanerieprodukte" und "Unsinn" im vorliegenden Zusammenhang zum Ausdruck, dass die von der Klägerin bei der Vermarktung ihres Produkts hervorgehobene energieeinsparende Wirkung der Magnete tatsächlich nicht gegeben sei. Die von der Klägerin zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungsweise treffe nicht zu, die (angeblich) gemessenen Einsparungen könnten auch auf eine beim Einbau der Magnete erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen sein und die Klägerin habe hiervon Kenntnis. Hierin erschöpfen sich die Aussagen aber nicht; sie bringen vielmehr in erster Linie die Missbilligung des geschäftlichen Verhaltens der Klägerin durch den Beklagten zum Ausdruck und enthalten damit eine subjektive Wertung, die mit den tatsächlichen Bestandteilen der Äußerungen untrennbar verbunden ist. Auch dem Begriff "Betrug" kommt im vorliegenden Zusammenhang kein weitergehender Aussagegehalt zu. Er wird hier erkennbar nicht im fachspezifischen, sondern in einem alltagssprachlichen Sinne verwendet (vgl. dazu Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 14; BVerfGE 85, 1, 19; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 42). Ein durchschnittlicher Leser versteht unter dieser Behauptung nicht die Verwirklichung eines rechtlich präzise bestimmten Straftatbestandes, sondern den weiter gefassten Vorwurf der bewussten Verbrauchertäuschung.
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2. Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen und Verhaltensweisen aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zu.
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a) Zwar ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin eingreifen. Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen (vgl. Senatsurteile vom 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85, BGHZ 98, 94, 97; vom 8. Februar 1994 - VI ZR 286/93, AfP 1994, 138 f.; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 9). Denn die Verwendung der beanstandeten Begriffe ist geeignet, ihr unternehmerisches Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen.
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Die angegriffenen Äußerungen berühren darüber hinaus das durch Art. 12 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Betroffen ist das Interesse der Klägerin daran, dass ihre wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihr abgehalten werden (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 9; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 98; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711; NJW 2008, 358, 359 f.). Die angegriffenen Äußerungen sind geeignet, eine Verunsicherung der Kunden der Klägerin zu bewirken mit der Folge, dass diese die angebotenen Leistungen nicht (mehr) nachfragen.
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Das zuletzt genannte Interesse der Klägerin wird zusätzlich dadurch betroffen, dass der Beklagte mit den angegriffenen Äußerungen unmittelbar an Kunden der Klägerin herangetreten ist.
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b) Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen aber nicht die Annahme, dass die Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin und ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb rechtswidrig sind.
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aa) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben (Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 12; vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 318; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 97; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Gleiches gilt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Senatsurteile vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, juris Rn. 19, z.V.b.; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 12). Bei der Abwägung sind die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich des jeweiligen Rechts ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, juris Rn. 19, z.V.b.; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22 = AfP 2014, 135).
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bb) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die danach erforderliche Abwägung sei vorliegend entbehrlich, weil die angegriffenen Äußerungen als Schmähkritik zu qualifizieren seien und deshalb nicht am Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG teilhätten.
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(1) Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Eine Schmähung liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; BVerfG, AfP 2013, 388 Rn. 15; NJW 2014, 3357 Rn. 11; NJW-RR 2004, 1710, 1712, jeweils m.w.N.). Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (Senatsurteile vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 171; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 16).
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(2) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Äußerungen nicht als Schmähkritik zu qualifizieren. Auch hier ist nämlich zu beachten, dass eine Aussage nicht isoliert gewürdigt werden darf, sondern in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05, AfP 2007, 46 Rn. 19). Der E-Mail des Beklagten vom 7. Juni 2006 kann bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung ein Sachbezug nicht abgesprochen werden. Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage. Der Beklagte setzt sich - wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form - kritisch mit der gewerblichen Leistung und dem Geschäftsgebaren der Klägerin auseinander. Ihm geht es erkennbar darum, die aus seiner Sicht gegebene völlige Wirkungslosigkeit der Produkte der Klägerin aufzudecken und zur Unterrichtung der Marktteilnehmer und zur Markttransparenz beizutragen. Zu diesem Zweck bittet er den angeschriebenen Kunden der Klägerin um nähere Informationen, wie es zu dem Anwenderbericht des Kunden gekommen ist, den die Klägerin zu Werbezwecken für ihr Produkt verwendet. So bittet er insbesondere um Mitteilung, wie die Messung der angeblichen Effizienzsteigerung der Heizung durchgeführt wurde, und weist darauf hin, dass eine Effizienzsteigerung bereits nach einer normalen Wartung und Reinigung zu erwarten sei.
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cc) Im Streitfall sind deshalb die unter a) genannten Schutzinteressen der Klägerin mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen.
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(1) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 12 m.w.N.). Danach fällt bei Äußerungen, in denen sich - wie im vorliegenden Fall - wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 18; vom 20. November 2007 - VI ZR 144/07, VersR 2008, 1081 Rn. 12; BVerfGE 90, 241, 248 f.; 94, 1, 8; BVerfG, NJW 1993, 1845, 1846; NJW 2008, 358, 359 f., 38; NJW 2012, 1643 Rn. 34). Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse (BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33; NJW 2013, 217, 218). Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 12 m.w.N.; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33). Dementsprechend muss sich ein Gewerbetreibender wertende, nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen verbundene Kritik an seiner gewerblichen Leistung in der Regel auch dann gefallen lassen, wenn sie scharf formuliert ist (vgl. Senatsurteile vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 171; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 21; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 - Steel und Morris/Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 = ÖstJZ 1995, 436, 438 f. - Fayed/Vereinigtes Königreich).
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(2) Auf der Grundlage des mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags des Beklagten hat das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs als Wirtschaftsunternehmen und ihrer unternehmensbezogenen Interessen nach diesen Grundsätzen hinter dem Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit zurückzutreten. Nach dem - u.a. durch Vorlage zweier Privatgutachten und eines Warnschreibens des Bayerischen Landesamtes für Umwelt konkretisierten - Sachvortrag des Beklagten sind die tatsächlichen Elemente seiner insgesamt als Meinungsäußerungen zu qualifizierenden Aussagen wahr. Denn danach sind die von der Klägerin mit dem Versprechen der Energieeinsparung bei dem Betrieb von Heizungsanlagen vertriebenen Magnete wirkungslos. Die angeblich energieeinsparende Wirkung der Magnete ist tatsächlich nicht gegeben. Etwaige Energieeinsparungen nach dem Einbau eines Magneten sind auf eine beim Einbau des Magneten erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen. Die von der Klägerin durchgeführten, eine Effizienzsteigerung belegenden Messungen sind nicht aussagekräftig, da sie nicht unter standardisierten Bedingungen und von objektiven Dritten durchgeführt worden sind. Die zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungsweise trifft nicht zu; der als Beleg für die Wirkung der Magnete hergestellte Bezug zur Kernspinresonanz ist frei erfunden und dient der bewussten Täuschung potentieller Kunden.
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Zu Gunsten des Beklagten ist weiter zu berücksichtigen, dass er seine Äußerungen nicht im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen gemacht, sondern ein Informationsanliegen im Zusammenhang mit einer die Verbraucher wesentlich berührenden Frage verfolgt hat (vgl. Senatsurteile vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 2. Dezember 2008 - VI ZR 219/06, AfP 2009, 55 Rn. 18; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 21; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1712; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 - Steel und Morris/Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 = ÖstJZ 1995, 436, 438 f. - Fayed/Vereinigtes Königreich). Auch an wirtschaftlichen Fragen kann ein schutzwürdiges Informationsinteresse der Allgemeinheit, insbesondere der vom Verhalten eines Unternehmens betroffenen Kreise, bestehen. Eine marktwirtschaftliche Ordnung setzt voraus, dass die Marktteilnehmer über ein möglichst hohes Maß an Informationen über marktrelevante Faktoren verfügen (vgl. BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Wie sich bereits aus der E-Mail des Beklagten vom 7. Juni 2006 ergibt, ging es ihm ungeachtet seiner überspitzten Formulierungen darum, über fragwürdige Geschäftspraktiken aufzuklären. Darüber hinaus ergab sich für den Empfängerkreis bereits aus der Art der Darstellung, dass ein subjektives Werturteil formuliert wurde. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Meinungsfreiheit des Beklagten im Kern betroffen wird, wenn ihm die Äußerung seiner Meinung gerichtlich untersagt wird. Die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung muss aber im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (vgl. BVerfGK 2, 325, 329; BVerfG, AfP 2012, 549 Rn. 35).
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3. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren im Revisionsverfahren erhobenen Einwendungen der Parteien auseinanderzusetzen.
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Galke Diederichsen Stöhr
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v. Pentz Oehler
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
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- Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Der von den Klägern als verletzt gerügte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet die Gerichte dazu, die Ausführungen einer Partei zur Kenntnis zu nehmen, nicht aber dazu, diesen Ausführungen zu folgen (BVerfGE 64, 1, 12; 87, 1, 33). Der Senat hat den mit der Beschwerdebegründung gehaltenen Vortrag umfassend zur Kenntnis genommen.
- 2
- Einen ausreichend dargelegten Zulassungsgrund hat er verneint. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger liegt darin nicht. Die Glaubwürdigkeit der Zeugin P. war für die Frage, ob ein Vertrag zwischen den Klägern und dem Beklagten zustande kam, unerheblich, weil das Zustandekommen des von der Zeugin P. für die Kläger abgeschlossenen Vertrages unstreitig ist. Die Kläger stützen ihren Anspruch auf diesen Vertrag. Der nähere Inhalt des Vertrages ergibt sich aus den vorgelegten Urkunden.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
LG Augsburg, Entscheidung vom 25.06.2010 - 3 O 5072/08 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 18.10.2011 - 30 U 519/10 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Geldentschädigung für Bildveröffentlichungen in Anspruch. Die Beklagte ist Verlegerin der Zeitschriften "die aktuelle" und "die zwei". In der Zeit vom 28. Juli 1999 bis zum 10. Juli 2000 veröffentlichte sie in diesen Zeitschriften neun Artikel, die jeweils ohne Zustimmung der Eltern, Prinzessin Caroline von Hannover und Prinz Ernst August von Hannover, mit Bildern der im Sommer 1999 geborenen Klägerin illustriert wurden. Unter anderem handelte es sich dabei um einen im August 1999 veröffentlichten Artikel, der unter der Schlagzeile "Caroline. Die ersten Fotos. Das heimliche Babyglück" auf der Titelseite und im Innenteil des Heftes Fotos enthielt, die heimlich aus großer Ent-fernung auf einem Anwesen der Eltern der Klägerin aufgenommen worden waren. Im Juli 2000 veröffentlichte die Beklagte auf der gesamten Titelseite unter der Schlagzeile "Caroline & Ernst August Scheidung?" ein Foto, welches die Klägerin nach dem Schwimmen mit Schwimmflügeln in ein Handtuch gewickelt auf dem Arm ihrer Mutter zeigte. Auf den Innenseiten folgten sechs weitere Fotos der Klägerin, die sie gleichfalls beim Baden mit ihren Eltern zeigten. Die Beklagte gab nach jeweils zeitnaher Abmahnung - teilweise unter dem Druck entsprechender einstweiliger Verfügungen - jeweils Unterlassungsverpflichtungserklärungen ab. Unter anderem wegen zwei der hier streitgegenständlichen Veröffentlichungen, darunter den im August 1999 veröffentlichten Fotos, wurde sie zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 125.000 DM an die Mutter der Klägerin verurteilt. Die Klägerin selbst hat u.a. wegen der Veröffentlichung dieser Fotos gegenüber zwei anderen Verlagen Geldentschädigungen erstritten. Das Landgericht hat der auf Zahlung einer Geldentschädigung von mindestens 300.000 DM gerichteten Klage in Höhe von 150.000 DM stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Kammergericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht führt aus, der Klägerin stehe gegen die Beklagte wegen der durch die Veröffentlichungen erfolgten wiederholten Eingriffe in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht eine Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1BGB, Art. 1 und Art. 2 GG zu. In Bezug auf sämtliche beanstandeten Fotos könne sich die Beklagte nicht auf die Abbildungsfreiheit gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG berufen, wobei im Ergebnis dahinstehen könne, ob die Klägerin als relative Person der Zeitgeschichte im Sinne der Vorschrift zu behandeln sei, nur weil ihre Mutter eine absolute Person der Zeitgeschichte sei. Selbst dann wäre im Rahmen der nach § 23 Abs. 2 KUG vorzunehmenden Abwägung zu beachten , daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin Vorrang genieße, zumal bei Minderjährigen wegen der sich erst entfaltenden Persönlichkeit und der Schutzbedürftigkeit ihres Entwicklungsprozesses regelmäßig ein strengerer Maßstab an die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen anzulegen sei. Sowohl die Veröffentlichung der heimlich aufgenommenen Fotos im August 1999 als auch die im Juli 2000 beeinträchtige das Persönlichkeitsrecht der Klägerin so schwerwiegend, daß eine Geldentschädigung erforderlich sei. Die weiteren Veröffentlichungen zeigten zwar heimlich, jedoch an öffentlich zugänglichen Orten entstandene Fotos, die für sich genommen keine Zuerkennung einer Geldentschädigung rechtfertigten, aber doch zeigten, mit welcher Hartnäckigkeit die Beklagte unerlaubt Fotos der Klägerin veröffentliche. Bei der Höhe der Geldentschädigung könne deren Genugtuungsfunktion auch bei einem Kleinkind nicht völlig außer Acht bleiben, weil die Veröffentlichungen geeignet gewesen seien, die Eltern-Kind-Beziehung zu stören und dabei unmittelbar auf die Lebensbedingungen der Klägerin negativen Einfluß zu nehmen. In erster Linie aber rechtfertige sich die Höhe der Entschädigung aufgrund ihrer spezialpräventiven Wirkung. Wegen der gesteigerten Bedeutung des Persönlichkeitsschutzes bei einem Minderjährigen müsse in derartigen Fällen eine Geldentschädigung für den Schädiger fühlbar sein und der Berichter-
stattung den wirtschaftlichen Vorteil nehmen. Dem stehe nicht entgegen, daß die Mutter der Klägerin ihrerseits bereits eine Geldentschädigung erstritten habe. In jenem Verfahren sei es um das Persönlichkeitsrecht der Mutter gegangen , vorliegend gehe es aber um das Persönlichkeitsrecht der Klägerin selbst. Daß die Beklagte nunmehr nur noch solche Fotos veröffentlichen wolle, die die Klägerin in Begleitung ihrer Eltern bei offiziellen Anlässen zeigten, stehe angesichts ihrer bisherigen Hartnäckigkeit der zugesprochenen Geldentschädigung nicht entgegen. Deren Herabsetzung sei auch nicht wegen der von der Klägerin bereits gegen andere Verlage erstrittenen Entschädigungen geboten, weil diese Veröffentlichungen eigenständige Persönlichkeitsrechtsverletzungen darstellten. Für die Höhe der Geldentschädigung sei auch die Wirtschaftsmacht der hinter der Beklagten stehenden Gruppe von Bedeutung. Diese gebe 500 Printmedien in verschiedenen europäischen Ländern heraus, darunter über 4 Millionen Exemplare einer Tageszeitung und verfüge über Umsatzrenditen in zweistelliger Prozenthöhe.
II.
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. 1. Die Revision macht geltend, der Zubilligung einer Geldentschädigung an die Klägerin stehe das Grundrecht der Beklagten aus Art. 103 Abs. 3 GG entgegen, nicht wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft zu werden. Es sei ein Strafklageverbrauch eingetreten, weil sechs der neun Bildveröffentlichungen bereits in anderen Verfahren mit einer Geldentschädigung geahndet worden seien.Entgegen dem Ansatz der Revision handelt es sich bei der Zubilligung einer Geldentschädigung jedoch nicht um eine Strafe im Sinne des Art. 103 GG. Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof sehen den Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts vielmehr als ein Recht an, das auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Demgemäß wird der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 und Art. 2 GG hergeleitet (vgl. BVerfGE 34, 269, 292 – Soraya = NJW 1973, 1221, 1226; Senatsurteile BGHZ 128, 1, 15; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94 - VersR 1996, 339, 340 und vom 12. Dezember 1995 – VI ZR 223/94 – VersR 1996, 341, 342; so auch BGHZ 143, 214, 218 f.). Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung beruht auf dem Gedanken, daß ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, daß der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Bei dieser Entschädigung steht - anders als beim Schmerzensgeld - regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen (vgl. Senatsurteile, BGHZ 128, 1, 15; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94 – aaO und vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - aaO). Auch unter Berücksichtigung kritischer Stimmen in der Literatur, die teilweise geltend machen, daß der Präventionszweck als Mittel der Verhaltenssteuerung ein pönales Element darstelle, und die deshalb die Frage aufwerfen, ob es sich nicht um eine Norm mit Strafcharakter handele (vgl. Deutsch, Anm. zum Urteil des Senats vom 5. Dezember 1995, LM § 823 (Ah) Nr. 122; Gounalakis, AfP 1998, 10, 14 ff.; Funkel, Schutz der Persönlichkeit durch Ersatz immaterieller Schäden in Geld, 2001, S. 164 ff.; Hoppe, Persönlichkeitsschutz durch Haftungsrecht, 2001, S. 123 ff., 133 ff.; Seitz, NJW 1996, 2848), hält der erkennende Senat an dem grundlegenden Ansatz fest, daß die Zubilligung einer Geldentschädigung ihre Wurzel im Verfassungsrecht
und Zivilrecht findet und keine strafrechtliche Sanktion darstellt (vgl. dazu auch Steffen, NJW 1997, 10; Körner, NJW 2000, 241 ff.). Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, daß die zivilgerichtliche Verurteilung zu einem immateriellen Schadensersatz bei einer Persönlichkeitsverletzung - mögen ihr auch "pönale Elemente" nicht ganz fremd sein - keine Strafe im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG ist (vgl. BVerfGE 34, 269, 293 – Soraya = NJW 1973, 1221, 1226). Im Gegensatz zum staatlichen Strafanspruch soll die Zubilligung einer Geldentschädigung im Zivilrecht in Fällen der vorliegenden Art den Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG im Interesse des konkret Betroffenen gewährleisten. Dies wird bei der hier vorliegenden Verletzung des Rechts am eigenen Bild besonders deutlich, weil dem Verletzten - anders als in anderen Fällen , in denen er etwa den Widerruf oder die Richtigstellung einer sein Persönlichkeitsrecht beeinträchtigenden Äußerung verlangen kan n - gegen eine solche Rechtsverletzung keine anderen Abwehrmöglichkeiten als ein Anspruch auf eine Geldentschädigung zur Verfügung stehen (vgl. Senatsurteil vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - aaO). Deshalb unterliegt es keinem Zweifel , daß die Zivilgerichte zur Gewährleistung dieses Interesses des Betroffenen berufen sind. Der Präventionsgedanke stellt lediglich einen Bemessungsfaktor für die Entschädigung dar, der sich je nach Lage des Falles unterschiedlich auswirken kann. Soweit im Schrifttum für den "Strafcharakter" einer solchen Entschädigung auf eine Entscheidung zur Vollstreckbarerklärung eines USSchadensersatzurteils (BGHZ 118, 312, 344 ff.) verwiesen wird, betraf jenes Urteil einen ganz anders gelagerten Sachverhalt, der keine Parallele zum Streitfall aufweist.
2. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin sei nicht, jedenfalls nicht so schwerwiegend beeinträchtigt , daß dies eine Geldentschädigung rechtfertige.
a) Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Beklagte durch die Veröffentlichung der Fotos der Klägerin deren Recht am eigenen Bild und damit ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt hat. Bildnisse einer Person dürfen grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Ist der Abgebildete minderjährig, bedarf es der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (vgl. Löffler/Steffen, Presserecht , Bd. I, 4. Aufl., Rdn. 125 zu § 6 LPG; Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 7, Rdn. 69 m.w.N.). Eine solche Einwilligung liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die die Revision nicht angreift, nicht vor.
b) In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht den Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG verneint, wonach Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte ohne Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht werden dürfen. Daß die Klägerin selbst nicht zu einem Kreis von Personen gehört, deren Bildnisse allein schon der Person wegen grundsätzlich einwilligungsfrei verbreitet werden dürfen, zieht auch die Revision nicht in Zweifel. Unter den Umständen des vorliegenden Falles kann es auch auf sich beruhen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Klägerin dadurch zu einer Person der Zeitgeschichte werden könnte, daß sie auf Fotos zusammen mit ihrer Mutter abgebildet wird. Weil mit der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ein Rechtsverlust verbunden ist, ist es erforderlich, Kinder von Personen der Zeitgeschichte allenfalls dann in diesen Personenkreis einzubeziehen, wenn sie als deren Angehörige in
der Öffentlichkeit auftreten oder im Pflichtenkreis ihrer Eltern öffentliche Funktionen wahrnehmen (vgl. Senatsurteile vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - VersR 1996, 341 und vom 9. März 2004 - VI ZR 217/03 - VersR 2004, 863 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedürfen Kinder eines besonderen Schutzes vor den Gefahren, die von dem Interesse der Medien und ihrer Nutzer an einer Berichterstattung über sie oder an Abbildungen von ihnen ausgehen. Ihre Persönlichkeitsentfaltung kann durch die Berichterstattung in Medien empfindlicher gestört werden als diejenige von Erwachsenen , so daß der Bereich, in dem sie sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, umfassender geschützt sein muß. Dieser Schutz verwirklicht sich nicht nur über das elterliche Erziehungsrecht des Art. 6 Abs. 1 GG, sondern folgt auch aus dem eigenen Recht des Kindes auf ungehinderte Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 101, 361, 385 f. = NJW 2000, 1021, 1023; BVerfG, NJW 2000, 2191; NJW 2000, 2191 f. und NJW 2003, 3262 f.). Nach diesen Grundsätzen genießt im Streitfall das besondere Schutzbedürfnis der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung der Klägerin grundsätzlich den Vorrang vor der Berichterstattung in den Medien. Die beanstandeten Fotos zeigen die Klägerin und deren Eltern im Alltagsleben, also bei rein privaten Tätigkeiten. Sie tragen in keiner Weise zu einer wichtigen öffentlichen Auseinandersetzung in einer demokratischen Gesellschaft bei, die den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG in Anspruch nehmen könnte, sondern dienen nur dem Zweck, die Neugier eines bestimmten Publikums im Hinblick auf Einzelheiten aus dem Privatleben der Betroffenen zu befriedigen, wobei sich das Interesse an der Kläge-
rin ausschließlich aus der Einstufung ihrer Eltern als sogenannte Prominente ableitet. Auch wenn die Reichweite des Persönlichkeitsschutzes eines Kindes vom Schutzzweck her unter Berücksichtigung der Entwicklungsphasen des Kindes zu bestimmen ist, steht dem nicht entgegen, daß die Klägerin zum Zeitpunkt der Veröffentlichungen noch ein Kleinkind war. Eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts kann nämlich nicht nur dann vorliegen, wenn das Kind die persönlichkeitserheblichen Einwirkungen Dritter bemerkt, sondern auch dann, wenn andere Gründe den Schutz der Persönlichkeitsentwicklung erfordern (vgl. BVerfG, NJW 2003, 3262 f.). Hier kann die Persönlichkeitsentwicklung der Klägerin schon dadurch beeinträchtigt werden, daß wegen der ständigen Verfolgung durch die Presse eine natürliche Eltern-Kind-Beziehung gefährdet ist. Wenn sich die Eltern im Zusammenleben mit dem Kind nicht unbefangen verhalten können, weil sie befürchten müssen, daß auch gegen ihren Willen Fotos veröffentlicht werden, die den privaten Bereich betreffen, kann sich dies nachteilig auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes auswirken. Insoweit reicht bereits die Gefährdung aus, ohne daß es, wie die Revision meint, der Darlegung bedarf, daß tatsächlich bereits eine Störung des Eltern-KindVerhältnisses eingetreten sei.
c) Die Angriffe der Revision bleiben auch insoweit ohne Erfolg, als sie die Voraussetzungen für die Zubilligung einer Geldentschädigung in Zweifel zieht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung , wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Das hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs,
ferner von Anlaß und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (vgl. Senatsurteile BGHZ 128, 1, 12; 132, 13, 27 und vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - VersR 1996, 341; vgl. auch BVerfG, NJW 2004, 591). Eine wiederholte und hartnäckige Verletzung des Rechts am eigenen Bild, die um des wirtschaftlichen Vorteils willen erfolgt, kann sich als schwere , einen Anspruch auf Geldentschädigung rechtfertigende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen darstellen, auch wenn die einzelne Bildveröffentlichung - jeweils für sich betrachtet - nicht als schwerwiegend einzustufen ist. Die Besonderheit einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild besteht nämlich darin, daß dem Verletzten gegen eine solche Rechtsverletzung keine anderen Abwehrmöglichkeiten als ein Anspruch auf eine Geldentschädigung zur Verfügung stehen. Daraus folgt, daß in einem solchen Fall an die Zubilligung eines Entschädigungsanspruchs geringere Anforderungen als in anderen Fällen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung zu stellen sind (Senatsurteil vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - aaO, 342). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht beachtet und unter den Umständen des vorliegenden Falles zu Recht die Voraussetzungen für die Zubilligung einer Geldentschädigung bejaht. Ebenso wie in dem dem vorstehend zitierten Senatsurteil zugrundeliegenden Fall läßt die Vorgehensweise der Beklagten eine besondere Hartnäckigkeit erkennen, indem sie die wiederholten Bildveröffentlichungen vorgenommen hat, obwohl sie nach dem Erscheinen der Fotos von den Eltern jeweils zeitnah abgemahnt worden ist, sie jeweils Unterlassungsverpflichtungserklärungen abgegeben hat und gegen sie mehrfach einstweilige Verfügungen erlassen worden sind.
d) Unter diesen Umständen ist auch die Höhe der zugebilligten Geldentschädigung , die in erster Linie Sache des Tatrichters ist, nicht unverhältnismäßig. In Fällen, in denen der Schädiger die Verletzung der Persönlichkeit seines
Opfers als Mittel zur Auflagensteigerung und damit zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt hat, ist die Erzielung von Gewinnen aus der Rechtsverletzung als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung mit einzubeziehen. In solchen Fällen muß von der Höhe der Geldentschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehen; als weiterer Bemessungsfaktor kann die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung berücksichtigt werden, der hier angesichts der nachhaltigen Störung des Privatlebens ein hohes Gewicht zukommt. Zudem darf die Geldentschädigung nicht eine Höhe erreichen, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt (vgl. Senatsurteile BGHZ 128, 1, 16 und vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94 - VersR 1996, 339, 340). Im Hinblick darauf ist die Bemessung der Entschädigung durch das Berufungsgericht in Anbetracht der besonderen Hartnäckigkeit der Beklagten und der vom Berufungsgericht festgestellten Wirtschaftsmacht der hinter ihr stehenden Gruppe nicht zu beanstanden. Selbst wenn für diese keine rechtliche Verpflichtung besteht, etwaige Verluste wegen der Verurteilung zu einer Geldentschädigung zu ersetzen, dürfen die faktischen wirtschaftlichen Verhältnisse der Konzerngruppe hinter einem Presseorgan bei der Beurteilung, wie der Persönlichkeitsschutz gewährleistet werden kann, nicht außer Betracht bleiben. Im übrigen läßt der Beklagtenvortrag nicht erkennen, inwieweit die hier zuerkannte Geldentschädigung die Pressefreiheit gefährden könnte. Auch die weiteren Rügen der Revision stehen der zuerkan nten Entschädigung nicht entgegen. Wie vom Berufungsgericht zu Recht angenommen, stellen sowohl die Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Mutter der Klägerin als auch die Veröffentlichungen durch andere Verlage eigenständige Persönlichkeitsrechtsverletzungen dar. Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Mutter betrifft das Rechtsgut einer anderen Person, deren Persönlichkeitsschutz
ebenso wie der der Klägerin zu gewährleisten ist. Könnte sich ein später in Anspruch genommener Schädiger darauf berufen, daß bereits eine Entschädigung wegen einer Veröffentlichung durch einen anderen Verlag zuerkannt worden ist, bliebe eine eigenständige weitere Persönlichkeitsrechtsverletzung ohne ausreichenden Schutz des Betroffenen. Den Vortrag der Beklagten, sie wolle nunmehr nur noch solche Fotos der Klägerin veröffentlichen, die diese in Begleitung ihrer Eltern bei offiziellen Anlässen zeige, hat das Berufungsgericht berücksichtigt. Es hat jedoch gemeint, die Beklagte könne nur durch eine fühlbare Entschädigung in ihrem Verhalten beeinflußt werden. Diese tatrichterliche Wertung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Der von den Klägern als verletzt gerügte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet die Gerichte dazu, die Ausführungen einer Partei zur Kenntnis zu nehmen, nicht aber dazu, diesen Ausführungen zu folgen (BVerfGE 64, 1, 12; 87, 1, 33). Der Senat hat den mit der Beschwerdebegründung gehaltenen Vortrag umfassend zur Kenntnis genommen.
- 2
- Einen ausreichend dargelegten Zulassungsgrund hat er verneint. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger liegt darin nicht. Die Glaubwürdigkeit der Zeugin P. war für die Frage, ob ein Vertrag zwischen den Klägern und dem Beklagten zustande kam, unerheblich, weil das Zustandekommen des von der Zeugin P. für die Kläger abgeschlossenen Vertrages unstreitig ist. Die Kläger stützen ihren Anspruch auf diesen Vertrag. Der nähere Inhalt des Vertrages ergibt sich aus den vorgelegten Urkunden.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
LG Augsburg, Entscheidung vom 25.06.2010 - 3 O 5072/08 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 18.10.2011 - 30 U 519/10 -
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin verlangt Geldentschädigung wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch den Roman "Esra", dessen Verlegerin die Beklagte zu 1 und dessen Autor der Beklagte zu 2 ist.
- 2
- Der im Frühjahr 2003 erschienene Roman erzählt die Liebesgeschichte von "Adam" und "Esra", einem Schriftsteller und einer Schauspielerin. Die Liebesbeziehung zwischen den beiden Hauptfiguren wird über einen Zeitraum von etwa vier Jahren von "Adam" als Ich-Erzähler geschildert.
- 3
- Die Klägerin und ihre Mutter, die sich in den Romanfiguren "Esra" und "Lale" wieder erkennen, beantragten kurz nach Erscheinen des Romans gegen die Beklagte zu 1 den Erlass einer auf ein Verbot der Verbreitung des Romans gerichteten einstweiligen Verfügung. Im Verlauf dieses Verfahrens gab die Beklagte zu 1 mehrere Unterlassungsverpflichtungserklärungen ab, mit denen sie anbot, es bei Vermeidung einer Vertragsstrafe zu unterlassen, den Roman ohne bestimmte Streichungen oder Änderungen zu veröffentlichen. Das Verfahren ist mit einer Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Hinblick auf die zwischenzeitlich abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärungen beendet worden. Nach Abschluss des einstweiligen Verfügungsverfahrens veröffentlichte die Beklagte zu 1 eine "geweißte" Fassung des Romans, die bestimmte Auslassungen aufwies.
- 4
- Im nachfolgenden Hauptsacheverfahren, in dem die Beklagte zu 1 am 18. August 2003 eine letzte - noch über die "geweißte" Fassung hinausgehende - Unterlassungsverpflichtungserklärung abgab, mit der sie insbesondere anbot , die Bezeichnung der an die Romanfiguren Esra und Lale verliehenen Preise und den Grund hierfür zu ändern, haben die Klägerin und ihre Mutter weiterhin die Auffassung vertreten, der Inhalt des Romans verletze ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht, weil sich die Schilderung der Romanfiguren Esra und Lale eng an ihrem Leben orientiere. Das Landgericht, dessen Urteil u.a. in ZUM 2004, 234 veröffentlicht worden ist, hat der Unterlassungsklage in der nach der Verpflichtungserklärung vom 18. August 2003 verbliebenen Fassung stattgegeben. Dieses Urteil haben das Oberlandesgericht und der erkennende Senat mit Urteil vom 21. Juni 2005 (VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403) bestätigt. Die Verfassungsbeschwerde der Beklagten zu 1 hat das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Klägerin mit Beschluss vom 13. Juni 2007 zurückgewiesen (vgl. BVerfGE 119, 1 = NJW 2008, 39).
- 5
- Im vorliegenden Verfahren hat das Landgericht München I die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin eine Geldentschädigung in Höhe von 50.000 € zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in AfP 2009, 140 und ZUM 2008, 984 veröffentlicht ist, steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Geldentschädigung gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, § 840 Abs. 1 BGB nicht zu, weil zwar objektiv eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin vorliege, ein schweres Verschulden der Beklagten jedoch fehle und auch die Würdigung der sonstigen Umstände nicht ergebe, dass die Zubilligung einer Geldentschädigung erforderlich sei.
- 7
- Die Beklagten hätten zwar das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin objektiv schwer und rechtswidrig verletzt, weil diese wegen der Erkennbarkeit für einen engeren Bekanntenkreis in ihrer Intimsphäre und ihrer MutterKind -Beziehung verletzt worden sei.
- 8
- Es liege aber kein schweres Verschulden der Beklagten vor. Die Klägerin habe weder dargelegt noch nachgewiesen, dass die Beklagten im Bewusstsein der Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin gehandelt haben. Die Kunstfreiheit schließe die Verwendung von Vorbildern aus der Lebenswirklichkeit ein. Zudem sei ein literarisches Werk, das sich als Roman ausweise, zunächst einmal als Fiktion anzusehen, das keinen Faktizitätsanspruch erhebe. Es sei nicht ersichtlich, dass den Beklagten bewusst gewesen sei, es ermangele bei der Schilderung der Intimszenen und der Mutter-Kind-Beziehung an einer ausreichenden Zuordnung zum Fiktionalen. Dies habe das Bundesverfassungsgericht als Ausnahme zu der Regel nur mit der Argumentation angenommen, bei einer hohen Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung - wie im konkreten Fall durch die Darstellung des Intimund Sexualbereichs sowie der Krankheit des Kindes - greife die Vermutung der Fiktionalität nicht mehr. Es treffe zwar zu, dass die Beklagten seit dem Unterlassungsausspruch des Landgerichts München I hinsichtlich der objektiven Erkennbarkeit in einer verschärften Spannungslage agiert hätten. Dass sich die Beklagten subjektiv rücksichtslos der Grenze zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Kunstfreiheit angenähert hätten, ergebe die Würdigung aber nicht. Auch der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht hätten um die schwierige Grenzziehung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit gerungen und teilweise neu bestimmt. Den Beklagten könne daher nur der Vorwurf gemacht werden, auf einem "außerordentlich schwierigen Gebiet eine rechtliche Grenzziehung fahrlässig verfehlt zu haben".
- 9
- Es sei zu berücksichtigen, dass der Roman vollständig verboten worden sei, obwohl die die Klägerin erkennbar machenden Rechtsverletzungen nur Teile des Romans beträfen, sei den Beklagten die - auch wirtschaftliche - Verwertung des künstlerischen Schöpfungsakts gänzlich genommen worden.
II.
- 10
- Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Geldentschädigung gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu Recht nicht zuerkannt.
- 11
- 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (vgl. Senatsurteile BGHZ 128, 1, 12; 132, 13, 27; 160, 298, 306; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83 - VersR 1985, 391, 393; vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87 - VersR 1988, 405; vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - VersR 1996, 341; vgl. auch BVerfG NJW 2004, 591, 592). Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (vgl. Senatsurteile BGHZ 128, 1, 13; vom 17. März 1970 - VI ZR 151/68 - VersR 1970, 675, 676; vom 25. Mai 1971 - VI ZR 26/70 - VersR 1971, 845, 846; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08 - juris Rn. 3). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1970 aaO, 677; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08 - aaO). Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt demnach nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (vgl. Senat, BGHZ 128, 1, 12 f.; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08 - aaO).
- 12
- 2. Diese Rechtsprechung betrifft die Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit dem Recht der freien Meinungsäußerung, insbesondere bei Presseberichterstattungen (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), das unter dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG steht. Die dazu entwickelten Grundsätze können nicht ohne weiteres auf das Verhältnis zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) übertragen werden. Das würde den Besonderheiten des zuletzt genannten Grundrechts nicht gerecht.
- 13
- Bei einem Kunstwerk handelt es sich um eine freie schöpferische Gestaltung , in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache, hier des Romans, zur Anschauung gebracht werden (BVerfGE 119, 1, 20). Kunst ist mithin auf das Schaffen von Neuem, auch Grenzen Überschreitendem, angelegt und eine höchst individuelle Gestaltung und Bewältigung von - nicht selten autobiographischem - Erleben. Das Grundgesetz hat der Freiheit der Kunst einen herausgehobenen Rang verliehen. Die Kunstfreiheit wird in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vorbehaltlos garantiert. Dementsprechend ist auch im Widerstreit zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Grundrecht der Kunstfreiheit in besonderem Maße darauf zu achten, dass dem Künstler der verfassungsrechtlich garantierte Freiraum verbleibt. Es dürfen an den Künstler keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so die schöpferische künstlerische Freiheit, die Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vorbehaltlos gewährleisten will, einschnüren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2009 - 1 BvR 134/03 Rn. 62). Staatliche Maßnahmen dürfen nicht zu einer Einschüchterung des Künstlers und des für die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks Verantwortlichen führen. Das ist auch bei der Frage zu bedenken, ob im Fall eines persönlichkeitsrechtsverletzenden Kunstwerks - zusätzlich zu dem gerichtlichen Unterlassungsgebot - eine Inanspruchnahme des Künstlers auf Geldentschädi- gung in Betracht kommen kann. Dem Künstler darf das Risiko einer solchen Haftung jedenfalls nicht in einem Umfang zugewiesen werden, dass er sich gezwungen sähe, von künstlerischem Wirken abzusehen, den ihm von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Freiraum also nicht auszuschöpfen, wenn er bloß in die Nähe einer Persönlichkeitsrechtsverletzung gerät. Mit der Geldentschädigung wäre dann ein vom Grundrechtsgebrauch abschreckender Effekt verbunden, der aus Gründen der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vorbehaltlos garantierten Kunstfreiheit vermieden werden muss (vgl. BVerfG aaO). Dies ist von besonderer Bedeutung, weil die Grenze zwischen erlaubter Ausübung der künstlerischen Freiheit und einem verbotenen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht - insbesondere auch bei literarischen Werken, bei denen der Autor wie im Streitfall auf Erfahrungen aus dem realen Leben zurückgreift - regelmäßig nur schwer zu bestimmen ist. Ansonsten könnte die im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unerwünschte Folge eintreten, dass "schadensanfällige" Lebensbereiche in Kunstwerken weitgehend ausgeblendet werden oder die Verbreiter, etwa der Verleger, davor zurückschrecken, solche Werke herauszugeben (vgl. Fornasier/Frey, AfP 2009, 110, 112). Im Allgemeinen wird daher eine Persönlichkeitsrechtsverletzung , die bereits zu einem gegen den Künstler ergangenen Unterlassungsgebot geführt hat, in der Abwägung mit dem Recht der Kunstfreiheit nicht zusätzlich die Zubilligung einer Geldentschädigung rechtfertigen können.
- 14
- Das hier gegebene Verbot eines Romans stellt einen besonders starken Eingriff in die Kunstfreiheit dar (BVerfGE 119, 1, 22). Dies gilt auch dann, wenn der diesbezüglich erwirkte Unterlassungstitel nur gegen den Verleger als Verbreiter ergangen ist. Denn der Titel wirkt faktisch auch gegenüber dem Künstler, weil dieser grundsätzlich darauf angewiesen ist, dass sein Verleger den Roman veröffentlicht. Den Verfasser trifft das ausgesprochene Verbot besonders, weil das Verbot eines Romans für den Autor eines literarischen Werks zugleich die Vernichtung seiner Arbeit und der Präsenz in der Öffentlichkeit bedeutet, indem er in Zukunft bei Veröffentlichungen eines neuen Werks nicht mehr an den verbotenen Roman anknüpfen kann (vgl. Ladeur, ZUM 2008, 540, 541). Neben der ideellen Beeinträchtigung wird ihm durch das Verbot auch die wirtschaftliche Verwertung des künstlerischen Schöpfungsakts gänzlich genommen. Angesichts der Tatsache, dass bereits das Verbot faktisch eine schwerwiegende Sanktion gegen den Verlag und den Autor darstellt, kann auch eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrecht eine Geldentschädigung nur unter ganz besonderen Umständen rechtfertigen, etwa wenn die Kunstform zu einer persönlichen Abrechnung missbraucht wird und ein Kunstwerk allein darauf zielt, den Betroffenen zu beleidigen oder zu verleumden (vgl. Fornasier/Frey, AfP 2009, 110, 112).
- 15
- 3. Nach den Gesamtumständen des Streitfalls rechtfertigt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin nicht die Zahlung einer Geldentschädigung.
- 16
- a) Bei der gebotenen Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin und dem Grundrecht der Kunstfreiheit auf Seiten der Beklagten fällt zugunsten des Persönlichkeitsrechts der Klägerin ins Gewicht, dass ein objektiv schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vorliegt, weil die Klägerin durch den Roman in ihrer Intimsphäre und ihrer Mutter-KindBeziehung schwer verletzt wurde. Durch ihre Erkennbarkeit für einen engeren Bekanntenkreis und ihre Rolle in dem Roman als Partnerin des Ich-Erzählers wurden diese besonders geschützten Lebensbereiche der öffentlichen Spekulation preisgegeben und dadurch der soziale Wert- und Achtungsanspruch der Klägerin verletzt. Dies wiegt schwer, weil durch die Verletzung der Intimsphäre ein Bereich des Persönlichkeitsrechts berührt ist, der zu dessen Menschenwürdekern gehört (vgl. BVerfGE 109, 279, 313; 119, 1, 34). Ebenso ist die Schilde- rung der lebensbedrohlichen Krankheit der Tochter als schwerwiegend anzusehen , weil die Darstellung der Krankheit und der dadurch gekennzeichneten Beziehung von Mutter und Kind bei zwei eindeutig identifizierbaren Personen in der Öffentlichkeit nichts zu suchen hat (vgl. BVerfGE 119, 1, 34 f.).
- 17
- b) Trotz dieses objektiv schweren Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht ergibt die den unter 2. beschriebenen Grundsätzen folgende Abwägung unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit, dass die Zubilligung einer Geldentschädigung nicht erforderlich und auch nicht angemessen ist.
- 18
- Der Beklagte zu 2 hat die Kunstform eines Romans nicht zu einer persönlichen Abrechnung mit der Klägerin missbraucht, um diese zu beleidigen oder herabzuwürdigen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Revision angeführten Widmung des Beklagten zu 2 bei Übersendung eines Exemplars des Buches an die Klägerin. Die Widmung lässt zwar erkennen, dass das Buch seinen Ursprung in der Beziehung des Autors zur Klägerin hat. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass der Beklagte zu 2 aus seiner persönlichen Beziehung zur Klägerin unter bewusster Verletzung von deren Intimsphäre eigenen Profit schlagen wollte. Die Beklagten haben sich nicht rücksichtslos der Grenze zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Kunstfreiheit angenähert. Ihnen kann vielmehr nur der Vorwurf gemacht werden, auf einem außerordentlich schwierigen Gebiet eine rechtliche Grenzziehung fahrlässig verfehlt zu haben. Dies folgt bereits daraus, dass die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung des Romans im Schrifttum sowie innerhalb des Bundesverfassungsgerichts umstritten war (vgl. BVerfGE 119, 1, 36 ff.; zu den literaturwissenschaftlichen Stellungnahmen aaO, 46 f.).
- 19
- 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
LG München I, Entscheidung vom 13.02.2008 - 9 O 7835/06 -
OLG München, Entscheidung vom 08.07.2008 - 18 U 2280/08 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Gehörsrüge ist nicht begründet.
- 2
- Nach Art. 103 Abs. 1 GG sind die Gerichte verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte brauchen jedoch nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.; BGH, Beschluss vom 24. Februar 2005 - III ZR 263/04 - NJW 2005, 1432 f.). Artikel 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl. BVerfGE 21, 191, 194; 70, 288, 294; st.Rspr.). Nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO kann das Revisionsgericht von einer Begründung des Beschlusses, mit dem es über die Nichtzulassungsbeschwer- de entscheidet, absehen, wenn diese nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Von dieser Möglichkeit hat der Senat im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht. Bei der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde hat er das mit der Anhörungsrüge der Klägerin als übergangen beanstandete Vorbringen in vollem Umfang geprüft, ihm aber keine Gründe für eine Zulassung der Revision entnehmen können.
- 3
- Die Frage, ob ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen hartnäckiger schwerwiegender Verletzung des Rechts am eigenen Bild nach dem Subsidiaritätsgrundsatz ausscheidet, wenn der in Anspruch Genommene in der Vergangenheit bereits unter Androhung von Ordnungsmitteln rechtskräftig verurteilt wurde, es generell zu unterlassen, Fotos des Betroffenen zu veröffentlichen und der Betroffene daher die Möglichkeit hat, im Falle von Bildrechtsverletzungen Ordnungsmittel gegen den Verletzer festsetzen zu lassen, ist über die bereits vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung nicht weiter klärungsbedürftig, sie ist auch nicht abstrakt klärungsfähig. Im Urteil vom 25. Mai 1971 - VI ZR 26/70 - VersR 1971, 845 (Dreckschleuder) hat der Senat bereits darauf hingewiesen , dass in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob dem Betroffenen, dessen nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, gerechterweise eine Genugtuung in Geld zuzusprechen ist. Ob ein derart schwerer Eingriff in den Eigenwert der Persönlichkeit anzunehmen ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Hierbei sind besonders die Art sowie Schwere der zugefügten Beeinträchtigung und der Grad des Verschuldens, auch Anlass und Beweggrund des Handelns zu berücksichtigen. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist auch zu berücksichtigen , ob ein Unterlassungstitel erwirkt worden ist. Dass ein Unterlassungstitel geeignet sein kann, die Entscheidung für eine Geldentschädigung zu beeinflussen , entspricht allgemeiner Rechtsmeinung. Soweit die Klägerin meint, dass in der Literatur (vgl. Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung , 5. Aufl., Kap. 14, Rn. 125) diese Auffassung kritisiert worden sei, sieht der Senat keine Veranlassung, deshalb von seiner Auffassung abzurücken. Die von der Klägerin in Bezug genommene Fundstelle bezieht sich im Übrigen nur auf die Wortberichterstattung und nicht auf die unzulässige Bildveröffentlichung. Im Streitfall wird die Klägerin durch die Abbildungen in ihrem Recht am eigenen Bild nicht in schwerwiegender Weise betroffen. Sie ist auf den Fotos nur über die Abbildung ihrer Eltern und die dazugehörige Wortberichterstattung identifizierbar. Wegen der vorliegenden Bildveröffentlichungen wird sie deshalb bei anderer Gelegenheit kaum wieder erkannt werden. Für die Berichterstattung bestimmendes Thema war außerdem in keinem Fall die Person der Klägerin, sondern die Beziehung ihrer Eltern, die Auswirkungen des Scheiterns von deren Ehe auf die Familie und die beruflichen Dispositionen ihres Vaters. Dass Unterlassungstitel und damit zusammenhängende Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können, hat der Senat bereits im Urteil vom 25. Mai 1971 - VI ZR 26/70 - aaO ausgeführt. Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsverletzung fehlt (Senat, BGHZ 128, 1, 12 f.). Zwar kann die Persönlichkeitsentfaltung von Kindern durch die Berichterstattung in Medien empfindlicher gestört werden als diejenige von Erwachsenen, so dass der Bereich in dem sie sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, umfassender geschützt sein muss. Die Genugtuungsfunktion der Geldentschädigung würde indessen zu wirtschaftlich gesehen, würde sie erfordern , dass dem Betroffenen selbst die finanziellen Mittel zufließen. Im vorliegenden Fall kann auch durch das Ordnungsmittelverfahren hinreichend Genugtuung erlangt werden. Müller Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
LG Hamburg, Entscheidung vom 11.07.2008 - 324 O 1172/07 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 04.11.2008 - 7 U 71/08 -
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Mai 2013 aufgehoben.
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Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin stellt Hochleistungsmagneten zur Einsparung von fossilen Brennstoffen bei dem Betrieb von Heizungsanlagen her. Sie ist Inhaberin des beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Patents über die "Anordnung zur magnetischen Ionisierung eines kohlenwasserstoffhaltigen Treibstoffs sowie deren Verwendung". Nach der Patentschrift liegt die Aufgabe der Erfindung darin, den Verbrennungswirkungsgrad des behandelten Treibstoffes signifikant zu erhöhen. Der Beklagte hat Physik und Architektur studiert. Er ist der Auffassung, dass die von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Vorrichtungen keine Energieeinsparung bewirkten und die Klägerin dies wisse. Am 7. Juni 2011 teilte er einer Kundin der Klägerin unter voller Nennung der im Folgenden abgekürzt wiedergegebenen Namen per E-Mail mit:
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"Sehr geehrte Damen und Herren,
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ich schreibe derzeit an einem Artikel über einen groß angelegten Schwindel durch eine Firma S. GmbH, die unter dem Markennamen E. Magnete vermarktet, die an die Brennstoffleitung einer Heizungsanlage geklemmt auf wundersame Weise enorme Energieeinsparungen bewirken sollen. Die Wirkung dieser Magnete entspricht der eines Perpetuum Mobiles, die vom Hersteller herbeigezerrte wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung der Magnete ist völliger Unsinn.
-
Zu den Opfern dieses Betruges gehört auch Ihr Unternehmen. Wie Herr J. vom Facility Management Ihres Unternehmens berichtet, wurden Heizungsanlagen in Ihren Niederlassungen A. und W. mit diesen Magneten ausgestattet.
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Ich würde mich freuen, wenn Sie zu dieser Angelegenheit Stellung beziehen könnten. Mich interessiert dabei insbesondere, ob Sie durch Ihren Heizungslieferanten oder Energieberater zu diesen Magneten zum Kauf dieser Magnete motiviert wurden, oder ob sich diese nach Kauf dazu geäußert haben. Besonders interessant ist auch, wie die Messung der angeblichen Effizienzsteigerung durchgeführt wurde. Gerne wird Ihnen dazu jeder Schornsteinfeger bestätigen, dass solch eine Effizienzsteigerung nach einer normalen Wartung und Reinigung, die eventuell beim Einbau der Magnete erfolgte, problemlos messbar ist.
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Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, dass sich Ihr Unternehmen durch die Bereitstellung des Anwenderberichts zu Werbezwecken für dieses Scharlatanerieprodukt (http://www.e.com/pressemeldungen/pdf/anwenderbericht_e..pdf) gegenüber dadurch beeinflussten weiteren Opfern des Betrugs eventuell schadensersatzpflichtig macht.
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Vielen Dank und herzliche Grüße
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T. B.
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Wissenschaftsjournalist"
- 2
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Nachdem die Klägerin den Beklagten abgemahnt und seine Äußerungen als Schmähkritik bezeichnet hatte, teilte der Beklagte mit E-Mail vom 17. Juni 2011 unter Angabe eines Links mit, das Abmahnschreiben habe ihn veranlasst, den Betrug durch die Klägerin auch im Usenet bekannt zu machen.
- 3
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Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, die Behauptungen zu unterlassen, die Klägerin initiiere mit der Vermarktung ihres unter dem Markennamen "E." hergestellten Produktes einen "groß angelegten Schwindel" bzw. "Betrug", bei den Kunden der Klägerin handele es sich um "Opfer dieses Betrugs", bei den "E."-Produkten der Klägerin handele es sich um "Scharlatanerieprodukte", die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines "Perpetuum-Mobiles", die vom Hersteller herbeigezerrte wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei völliger Unsinn. Das Landgericht hat den Beklagten darüber hinaus verurteilt, es zu unterlassen, unmittelbar an Kunden der Klägerin mit den vorgenannten Behauptungen heranzutreten, und an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.974,40 € zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
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I.
- 4
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Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin Unterlassungsansprüche gegen den Beklagten aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1, § 824 BGB zu. Durch die beanstandeten Äußerungen habe der Beklagte die unternehmensbezogenen Interessen des Unternehmens der Klägerin betroffen, die sowohl durch ihr Persönlichkeitsrecht als auch durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt seien. Die Äußerungen des Beklagten genössen nicht den Schutz der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, weil sie als unzulässige Schmähkritik zu qualifizieren seien. Ausweislich seiner E-Mail vom 7. Juni 2011 gehe es dem Beklagten vorrangig nicht um eine Auseinandersetzung mit der von ihm behaupteten Wirkungslosigkeit der von der Klägerin verwendeten Technik. Hierzu enthielten seine Ausführungen kaum einen brauchbaren Anhaltspunkt. Vielmehr gehe es dem Beklagten ersichtlich darum, das Unternehmen der Klägerin in den Augen auch von Kunden herabzusetzen. Während der Leser der E-Mail - anders als aus dem Bericht des Bayerischen Landesamtes für Umwelt - keinerlei Informationen erlange, aus welchen Gründen die Technik der Klägerin unbrauchbar sein solle, werde er ohne nähere Darlegungen mit angeblich betrügerischen Machenschaften der Klägerin konfrontiert. Dies habe mit einer Auseinandersetzung in der Sache nichts zu tun, sondern ziele einzig und allein darauf ab, die Klägerin als Betrügerin darzustellen und den Adressaten vor ihr zu warnen. Der Beklagte habe die Klägerin gleichsam als Betrügerin an den Pranger gestellt. Das Landgericht habe sich auch nicht mit den vom Beklagten behaupteten journalistischen und verbraucherschützenden Motiven für sein Verhalten auseinandersetzen müssen, da er sich erstinstanzlich nicht auf diese Motive berufen habe. Soweit er sie mit der Berufungsbegründung geltend gemacht habe, sei er mit dem Vortrag ausgeschlossen. Abgesehen davon habe er seine Motive bereits nicht nachvollziehbar und glaubhaft dargetan. Er habe zu keinem Zeitpunkt einen Artikel verfasst, ohne dass er dargelegt habe, was ihn daran gehindert habe, journalistisch tätig zu werden. Aber auch dann, wenn seine Motive tatsächlich journalistischer Art gewesen wären, würde es an der Bewertung seiner Äußerungen als Schmähkritik nichts ändern.
-
II.
- 5
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Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen und Verhaltensweisen nicht bejaht werden.
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1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen nicht aus § 824 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 824 Abs. 1 BGB sind nicht erfüllt, da die angegriffenen Äußerungen nicht als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren sind.
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a) Gemäß § 824 Abs. 1 BGB hat derjenige, der der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, dem anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss. Die Vorschrift setzt danach voraus, dass unwahre Tatsachen und nicht bloß Werturteile mitgeteilt werden. Vor abwertenden Meinungsäußerungen und Werturteilen bietet § 824 Abs. 1 BGB keinen Schutz (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2011 - VI ZR 120/10, AfP 2011, 259 Rn. 9; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 62; Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 12 Rn. 60; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 5 Rn. 246; Palandt/Sprau, BGB, 74. Auflage, § 824 Rn. 2 ff.).
- 8
-
b) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ist (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 15; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 72 m.w.N.). Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt (BVerfGE 90, 241, 247; 94, 1, 8; BVerfG NJW 2000, 199, 200; NJW 2008, 358, 359). Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. Senatsurteile vom 22. Februar 2011 - VI ZR 120/10, AfP 2011, 259 Rn. 10; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 15; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 63; BVerfGE 90, 241, 247; BVerfG NJW 2008, 358, 359). Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 12, 18; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 70; BVerfGE 85, 1, 15; BVerfG, NJW 2008, 358, 359). Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (BVerfGE 85, 1, 15 f. m.w.N.; BVerfG, NJW 1993, 1845, 1846).
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Die zutreffende Einstufung einer Äußerung als Wertung oder Tatsachenbehauptung setzt die Erfassung ihres Sinns voraus (Senatsurteile vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 15; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05, AfP 2007, 46 Rn. 14; BVerfGK 10, 485, 489). Bei der Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 20; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 27. Mai 2014 - VI ZR 153/13, AfP 2014, 449 Rn. 13; BVerfG, NJW 2013, 217, 218).
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c) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Aussagen als Meinungsäußerungen zu qualifizieren. Die Äußerungen, die Klägerin betreibe mit der Vermarktung ihres unter dem Markennamen E. hergestellten Produktes einen "groß angelegten Schwindel" bzw. "Betrug", bei den Kunden der Klägerin handele es sich um "Opfer dieses Betrugs", bei den E.-Produkten der Klägerin handele es sich um "Scharlatanerieprodukte", die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines "Perpetuum-Mobiles" und die vom Hersteller "herbeigezerrte" wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei "völliger Unsinn", sind entscheidend durch das Element des Dafürhaltens und Meinens geprägt. Zwar weisen alle Teilaussagen in ihrer Gesamtheit betrachtet auch tatsächliche Elemente auf. So bringt der Beklagte mit den Begriffen "Schwindel", "Betrug", "Scharlatanerieprodukte" und "Unsinn" im vorliegenden Zusammenhang zum Ausdruck, dass die von der Klägerin bei der Vermarktung ihres Produkts hervorgehobene energieeinsparende Wirkung der Magnete tatsächlich nicht gegeben sei. Die von der Klägerin zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungsweise treffe nicht zu, die (angeblich) gemessenen Einsparungen könnten auch auf eine beim Einbau der Magnete erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen sein und die Klägerin habe hiervon Kenntnis. Hierin erschöpfen sich die Aussagen aber nicht; sie bringen vielmehr in erster Linie die Missbilligung des geschäftlichen Verhaltens der Klägerin durch den Beklagten zum Ausdruck und enthalten damit eine subjektive Wertung, die mit den tatsächlichen Bestandteilen der Äußerungen untrennbar verbunden ist. Auch dem Begriff "Betrug" kommt im vorliegenden Zusammenhang kein weitergehender Aussagegehalt zu. Er wird hier erkennbar nicht im fachspezifischen, sondern in einem alltagssprachlichen Sinne verwendet (vgl. dazu Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 14; BVerfGE 85, 1, 19; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 42). Ein durchschnittlicher Leser versteht unter dieser Behauptung nicht die Verwirklichung eines rechtlich präzise bestimmten Straftatbestandes, sondern den weiter gefassten Vorwurf der bewussten Verbrauchertäuschung.
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2. Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen und Verhaltensweisen aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zu.
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a) Zwar ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin eingreifen. Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen (vgl. Senatsurteile vom 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85, BGHZ 98, 94, 97; vom 8. Februar 1994 - VI ZR 286/93, AfP 1994, 138 f.; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 9). Denn die Verwendung der beanstandeten Begriffe ist geeignet, ihr unternehmerisches Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen.
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Die angegriffenen Äußerungen berühren darüber hinaus das durch Art. 12 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Betroffen ist das Interesse der Klägerin daran, dass ihre wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihr abgehalten werden (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 9; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 98; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711; NJW 2008, 358, 359 f.). Die angegriffenen Äußerungen sind geeignet, eine Verunsicherung der Kunden der Klägerin zu bewirken mit der Folge, dass diese die angebotenen Leistungen nicht (mehr) nachfragen.
- 14
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Das zuletzt genannte Interesse der Klägerin wird zusätzlich dadurch betroffen, dass der Beklagte mit den angegriffenen Äußerungen unmittelbar an Kunden der Klägerin herangetreten ist.
- 15
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b) Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen aber nicht die Annahme, dass die Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin und ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb rechtswidrig sind.
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aa) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben (Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 12; vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 318; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 97; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Gleiches gilt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Senatsurteile vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, juris Rn. 19, z.V.b.; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 12). Bei der Abwägung sind die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich des jeweiligen Rechts ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, juris Rn. 19, z.V.b.; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22 = AfP 2014, 135).
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bb) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die danach erforderliche Abwägung sei vorliegend entbehrlich, weil die angegriffenen Äußerungen als Schmähkritik zu qualifizieren seien und deshalb nicht am Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG teilhätten.
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(1) Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Eine Schmähung liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; BVerfG, AfP 2013, 388 Rn. 15; NJW 2014, 3357 Rn. 11; NJW-RR 2004, 1710, 1712, jeweils m.w.N.). Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (Senatsurteile vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 171; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 16).
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(2) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Äußerungen nicht als Schmähkritik zu qualifizieren. Auch hier ist nämlich zu beachten, dass eine Aussage nicht isoliert gewürdigt werden darf, sondern in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05, AfP 2007, 46 Rn. 19). Der E-Mail des Beklagten vom 7. Juni 2006 kann bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung ein Sachbezug nicht abgesprochen werden. Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage. Der Beklagte setzt sich - wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form - kritisch mit der gewerblichen Leistung und dem Geschäftsgebaren der Klägerin auseinander. Ihm geht es erkennbar darum, die aus seiner Sicht gegebene völlige Wirkungslosigkeit der Produkte der Klägerin aufzudecken und zur Unterrichtung der Marktteilnehmer und zur Markttransparenz beizutragen. Zu diesem Zweck bittet er den angeschriebenen Kunden der Klägerin um nähere Informationen, wie es zu dem Anwenderbericht des Kunden gekommen ist, den die Klägerin zu Werbezwecken für ihr Produkt verwendet. So bittet er insbesondere um Mitteilung, wie die Messung der angeblichen Effizienzsteigerung der Heizung durchgeführt wurde, und weist darauf hin, dass eine Effizienzsteigerung bereits nach einer normalen Wartung und Reinigung zu erwarten sei.
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cc) Im Streitfall sind deshalb die unter a) genannten Schutzinteressen der Klägerin mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen.
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(1) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 12 m.w.N.). Danach fällt bei Äußerungen, in denen sich - wie im vorliegenden Fall - wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 18; vom 20. November 2007 - VI ZR 144/07, VersR 2008, 1081 Rn. 12; BVerfGE 90, 241, 248 f.; 94, 1, 8; BVerfG, NJW 1993, 1845, 1846; NJW 2008, 358, 359 f., 38; NJW 2012, 1643 Rn. 34). Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse (BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33; NJW 2013, 217, 218). Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 12 m.w.N.; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33). Dementsprechend muss sich ein Gewerbetreibender wertende, nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen verbundene Kritik an seiner gewerblichen Leistung in der Regel auch dann gefallen lassen, wenn sie scharf formuliert ist (vgl. Senatsurteile vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 171; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 21; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 - Steel und Morris/Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 = ÖstJZ 1995, 436, 438 f. - Fayed/Vereinigtes Königreich).
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(2) Auf der Grundlage des mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags des Beklagten hat das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs als Wirtschaftsunternehmen und ihrer unternehmensbezogenen Interessen nach diesen Grundsätzen hinter dem Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit zurückzutreten. Nach dem - u.a. durch Vorlage zweier Privatgutachten und eines Warnschreibens des Bayerischen Landesamtes für Umwelt konkretisierten - Sachvortrag des Beklagten sind die tatsächlichen Elemente seiner insgesamt als Meinungsäußerungen zu qualifizierenden Aussagen wahr. Denn danach sind die von der Klägerin mit dem Versprechen der Energieeinsparung bei dem Betrieb von Heizungsanlagen vertriebenen Magnete wirkungslos. Die angeblich energieeinsparende Wirkung der Magnete ist tatsächlich nicht gegeben. Etwaige Energieeinsparungen nach dem Einbau eines Magneten sind auf eine beim Einbau des Magneten erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen. Die von der Klägerin durchgeführten, eine Effizienzsteigerung belegenden Messungen sind nicht aussagekräftig, da sie nicht unter standardisierten Bedingungen und von objektiven Dritten durchgeführt worden sind. Die zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungsweise trifft nicht zu; der als Beleg für die Wirkung der Magnete hergestellte Bezug zur Kernspinresonanz ist frei erfunden und dient der bewussten Täuschung potentieller Kunden.
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Zu Gunsten des Beklagten ist weiter zu berücksichtigen, dass er seine Äußerungen nicht im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen gemacht, sondern ein Informationsanliegen im Zusammenhang mit einer die Verbraucher wesentlich berührenden Frage verfolgt hat (vgl. Senatsurteile vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 2. Dezember 2008 - VI ZR 219/06, AfP 2009, 55 Rn. 18; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 21; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1712; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 - Steel und Morris/Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 = ÖstJZ 1995, 436, 438 f. - Fayed/Vereinigtes Königreich). Auch an wirtschaftlichen Fragen kann ein schutzwürdiges Informationsinteresse der Allgemeinheit, insbesondere der vom Verhalten eines Unternehmens betroffenen Kreise, bestehen. Eine marktwirtschaftliche Ordnung setzt voraus, dass die Marktteilnehmer über ein möglichst hohes Maß an Informationen über marktrelevante Faktoren verfügen (vgl. BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Wie sich bereits aus der E-Mail des Beklagten vom 7. Juni 2006 ergibt, ging es ihm ungeachtet seiner überspitzten Formulierungen darum, über fragwürdige Geschäftspraktiken aufzuklären. Darüber hinaus ergab sich für den Empfängerkreis bereits aus der Art der Darstellung, dass ein subjektives Werturteil formuliert wurde. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Meinungsfreiheit des Beklagten im Kern betroffen wird, wenn ihm die Äußerung seiner Meinung gerichtlich untersagt wird. Die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung muss aber im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (vgl. BVerfGK 2, 325, 329; BVerfG, AfP 2012, 549 Rn. 35).
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3. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren im Revisionsverfahren erhobenen Einwendungen der Parteien auseinanderzusetzen.
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Galke Diederichsen Stöhr
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v. Pentz Oehler
Wird das Recht zum Gebrauch eines Namens dem Berechtigten von einem anderen bestritten oder wird das Interesse des Berechtigten dadurch verletzt, dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht, so kann der Berechtigte von dem anderen Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, die die Klägerin betreffende Eintragung in dem von der Beklagten geführten elektronischen Verzeichnis der in ihrem Bezirk zugelassenen Rechtsanwälte dahingehend zu ergänzen, dass als Berufsname auch „L“ aufgenommen wird.
Weiter wird die Beklagte verurteilt, diese Angaben auch in ein von der Rechtsanwaltskammer geführtes Gesamtverzeichnis einzugeben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
1
Tatbestand
2Der Klägerin, die nach ihrer Eheschließung, bei der sie den Nachnamen des Ehemannes angenommen hat, weiterhin unter ihrem Geburtsnamen als Berufsnamen als Rechtsanwältin tätig ist, geht es darum, dass sie in das Rechtsanwaltsverzeichnis nach § 31 BRAO mit diesem Berufsnamen eingetragen wird.
3Die Klägerin ist seit dem 23.06.2009 bei der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Eheschließung am 21.09.2012 hat sie den Nachnamen ihres Ehemannes „C“ angenommen. Sowohl vor als auch nach der Eheschließung praktizierte die Klägerin anwaltlich unter ihrem Geburtsnamen „L“. Auf eine Anfrage, ob die Klägerin nach Eheschließung und Annahme des Nachnamens des Ehemannes weiterhin unter ihrem bisherigen Nachnamen praktizieren könne, teilte ihr die Beklagte schriftlich mit, dass ihr dies unbenommen sei. In das Anwaltsregister nach § 31 BRAO könne aber nur der „amtliche Familienname“ aufgenommen werden, so dass bei Weiterverwendung des Geburtsnamens „vermehrt Anfragen“ kommen könnten. Mit Schreiben vom 18.10.2012 übersandte die Klägerin an die Beklagte eine Kopie ihrer „Eheurkunde“, wies auf den neuen Ehenamen hin und bat darum, zu „vermerken“, dass sie weiterhin unter ihrem Geburtsnamen „L“ anwaltlich tätig sein werde. In der zweiten Jahreshälfte 2013 begehrte die Klägerin von der Beklagten nach Ablauf ihres bisherigen bundeseinheitlichen Rechtsanwaltsausweises einen europäischen bundeseinheitlichen Anwaltsausweis auf den Namen „L“ zu erhalten. Dies wurde von der Beklagten abgelehnt, weil dieser namensidentisch mit dem Personalausweis sein müsse. Mit Schreiben vom 21.01.2014 begehrte die Klägerin, ihren – zwischenzeitlich auf den Nachnamen „C“ lautenden – Eintrag im Anwaltsregister rückgängig zu machen und wieder auf „L“ umzustellen. Einen entsprechenden förmlichen Antrag, nebst Antrag die korrigierten Daten in das von der Bundesrechtsanwaltskammer geführte Gesamtverzeichnis einzugeben, stellte sie mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17.04.2014. Diesen Antrag lehnte die Beklagte
4– nach zwischenzeitlicher weiterer wechselseitiger Korrespondenz und einem Gespräch mit dem - mit einer entsprechenden Rechtsmittelbelehrung versehenen - Bescheid vom 16.09.2014, der den Prozessbevollmächtigten am 20.09.2014 zugestellt wurde ab. Zur Begründung führte die Beklagte u.a. an, dass § 31 Abs. 3 BRAO die Eintragung des Familiennamens verlange. Die Eintragung eines Geburtsnamens oder Berufsnamens sehe die Vorschrift nicht vor. Eine Auslegung der Vorschrift, dass dort anstelle des Familiennamens der Geburtsname einzutragen sei, verbiete sich. Familienname sei aber der personenstandsrechtlich zu führende Name. „Familienname“ sei ein Oberbegriff für „Geburts- und Ehe- sowie Begleitname“. Mit der Heirat und Annahme des Namens des Ehemannes ändere sich der Familienname.
5Die Klägerin meint, der Begriff des „Familiennamens“ sei nicht eindeutig. Eine Legaldefinition enthalte die BRAO nicht. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei „Familienname“ der Name, der die Zugehörigkeit zu einer Familie ausdrücke, wobei der Geburtsname die Zugehörigkeit zur Elternfamilie, der Ehename die Zugehörigkeit zur Familie des Ehepartners und ein Doppelname die Zugehörigkeit zu beiden Familien ausdrückten. Auch im rechtlichen Sprachgebrauch gebe es Unterschiede. So erfasse § 1757 Abs. 1 S. 2 BGB nicht den Begleitnamen, während z.B. § 5 Abs. 2
6Nr. 1 PAuswG auf den personenstandsrechtlichen Familiennamen abstelle, welcher auch den Begleitnamen erfasse (Bl. 14). Auch erfasse § 3 Abs. 1 NamÄndG unter dem Begriff „Familiennamen“ sowohl den Geburtsnamen, als auch Ehe- und Begleitnamen. In § 298 Abs. 1 S. 1 SGB VI sei bestimmt, dass eine Mutter, die Rentenleistungen für Kindererziehung beansprucht, u.a. „ihren Familiennahmen (jetziger und früherer Name mit Namenbestandteilen“ nachweisen müsse, ähnlich sei § 2 Abs. 2 Nr. 1 der II. Bundesmeldedatenübermittlungsverordnung (II. BMeldDÜV) formuliert. Daraus schließt die Klägerin, dass unter Familienname auch der frühere Familienname zu verstehen sei. In systematischer Hinsicht verweist die Klägerin u.a. darauf, dass § 31 Abs. 3 BRAO eine Differenzierung zwischen Geburts- und Familienname, wie sie § 5 PAuswG gerade nicht enthält. Schließlich sei es Sinn- und Zweck der Vorschrift des § 31 BRAO, Dritten die Prüfung zu ermöglichen, ob jemand anwaltlich tätig werden darf. Deswegen müsse unter Familienname auch der Nachname verstanden werden, unter dem der Anwalt zulässigerweise im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit nach außen hin auftritt. Nur eine solche Auslegung sei auch verfassungskonform, da sie eine praktische Konkordanz zwischen dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse an der Fortführung des Geburtsnamens als Berufsnamen und dem durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Interesse an der – gem. dem gesetzlichen Leitbild des § 1355 Abs. 1 S. 1 BGB – Führung eines gemeinsamen Ehenamens herstelle.
7Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift nebst Anlagen verwiesen. Nach Erörterung der Sache in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2015 hat die Klägerin den Hilfsantrag (Ziffer 2) in der nachfolgend wiedergegebenen, gegenüber dem angekündigten Antrag leicht modifizierten Fassung gestellt.
8Die Klägerin beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung ihres Beschlusses vom 16. September 2014 (Az. ER I/264/2014) zu verpflichten,
101.
11die Frau L betreffende Eintragung in dem von der Beklagten geführten elektronischen Verzeichnis der in ihrem Bezirk zugelassenen Rechtsanwälte dahingehend zu berichtigen, dass als Familienname statt des Ehenamens „C“ der Geburtsname „L“ aufgenommen wird.
122.
13hilfsweise zu 1. die Frau L betreffende Eintragung in dem von der Beklagten geführten elektronischen Verzeichnis der in ihrem Bezirk zugelassenen Rechtsanwälte dahingehend zu ergänzen, dass auch der Geburts- und Berufsname „L“ aufgenommen wird, und
143.
15die so korrigierten Daten in das von der Bundesrechtsanwaltskammer geführte Gesamtverzeichnis einzugeben.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Die Kopien des Verwaltungsvorgangs der Beklagten ER I/264/2014 lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
19Entscheidungsgründe
I.
20Die Klage ist zulässig. Die Verpflichtungsklage der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten ist ohne Vorverfahren (§ 68 VwGO, § 110 JustizG NW) zulässig (§ 42 VwGO, §§ 112a Abs. 1, 112 c Abs. 1 BRAO). Sie wurde fristgerecht am 15.10.2014 erhoben.
21Die Verpflichtungsklage ist die richtige Klageart. Die Verpflichtungsklage wäre zwar dann nicht die statthafte Klageart, wenn die Klägerin den begehrten begünstigenden Verwaltungsakt bereits früher besessen hätte und ihr dieser später durch einen noch nicht bestandskräftigen Verwaltungsakt entzogen worden wäre (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 42 Rdn. 6). Das ist aber hier nicht der Fall. Die Klägerin hatte nie einen Verwaltungsakt derart erhalten, dass sie trotz Änderung des Ehenamens mit dem Geburtsnamen im Anwaltsregister eingetragen bleiben kann, und der ihr dann (mit der Eintragung des Ehenamens) entzogen worden wäre. Die bloße faktische Namenänderung im Anwaltsverzeichnis, welche die Beklagte nach Eheschließung vorgenommen hat, stellt keinen Verwaltungsakt dar, sondern ist lediglich ein Realhandeln (dementsprechend ist der Klägerin dies offenbar auch nie förmlich bekannt gemacht worden, sondern sie hat es anlässlich der Beantragung eines neuen Anwaltsausweises „zufällig“ erfahren), denn es wurde nicht etwa ein zuvor gewährtes Recht auf Führung des Geburtsnamens als Berufsnamen entzogen bzw. für den Bereich des Anwaltsverzeichnisses bestritten, sondern lediglich die personenstandsrechtliche Änderung des Familiennamens der Klägerin im Anwaltsverzeichnis nachvollzogen. Gleichwohl geht es aber jetzt (mit der vorliegenden Klage) nicht um Vornahme eines bloßen Realaktes (welcher ggf. mit der allgemeinen Leistungsklage zu erstreiten wäre), weil es nunmehr um eine Entscheidung der Beklagten zur Regelung eines Einzelfalls (nämlich Recht der Klägerin allein – bzw. gem. Hilfsantrag jedenfalls auch – mit dem Geburts- bzw. Berufsnamen im Anwaltsverzeichnis eingetragen zu werden) auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, welche auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen (nämlich hinsichtlich des Rechts auf Verwendung des durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Berufsnamens im Anwaltsverzeichnis) gerichtet ist.
22II.
23Die Klage ist im Hilfsantrag Antrag zu Ziff. 2) nebst Annexantrag (Antrag zu Ziff. 3) begründet, weil die vollständige Ablehnung der Eintragung des Berufsnamens „L“ in das Anwaltsverzeichnis rechtswidrig war und die Klägerin in ihren Rechten verletzte. Im Hauptantrag ist die Klage (Antrag zu Ziff. 1) hingegen unbegründet.
241.
25Die Klägerin hat nicht den mit dem Hauptantrag (Antrag zu Ziff. 1) geltend gemachten Anspruch, dass allein der Geburtsname „L“ als Familienname in das Anwaltsverzeichnis nach § 31 BRAO eingetragen wird.
26§ 31 Abs. 3 BRAO gebietet die Eintragung des „Familiennamens“. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass der Begriff des Familiennamens in verschiedenen gesetzlichen Regelungen unterschiedliche Verwendung findet und insbesondere auch der Geburtsname darunter fallen kann. Dass „Familienname“ i.S.d. § 31 Abs. 3 BRAO aber nur den aktuellen Familiennamen meint und nicht etwa den Geburtsnamen, der früher einmal (vor der Eheschließung) Familienname der Klägerin war ergibt sich aus Folgendem:
27§ 24 Abs. 1 Nr. 1 BORA verpflichtet den Rechtsanwalt zur unverzüglichen Anzeige (u.a.) einer Namensänderung. Dies macht deutlich, dass die bei der Rechtsanwaltskammer gespeicherten Daten aktuell gehalten werden sollen. § 31 Abs. 3 BRAO differenziert zudem - anders als die von der Klägerin angeführten Vorschriften des § 298 SGB VI und des § 2 der II. BMeldDÜV – gerade nicht zwischen „früheren und jetzigen Familiennamen“.
28Die Gesamtschau des Regelungsgefüges von § 31 Abs. 3 BRAO und § 24 Abs. 1 Nr. 1 BORA in Verbindung mit der Nichtdifferenzierung in § 31 Abs. 3 BRAO zwischen früherem (Geburtsnamen) und jetzigem Familiennamen (welche in einigen anderen Vorschriften, wie z.B. in § 298 Abs. 1 SGB VI, § 1 Abs. 2 Nr. 1 BPAuswG oder § 2 Abs. 2 Nr. 1 II. BMeldDÜV vorgesehen ist), macht deutlich, dass es in § 31 Abs. 3 BRAO nur um den aktuellen Familiennamen gehen kann. Anderenfalls käme man auch zu Ergebnissen, die der von der Klägerin zutreffend geschilderten Informationsfunktion des Anwaltsverzeichnisses, nämlich schnell Klarheit über die Zulassung als Anwalt zu verschaffen, eine Transparenz des Rechtsdienstleistungsmarktes zu schaffen und den Verbraucher zu schützen (vgl. BT-Drs. 16/513 S. 15) zuwiderliefen. Wäre nämlich immer (§ 31 Abs. 3 BRAO ist eine zwingende Vorschrift „sind“) ein Anwalt nicht mit dem aktuellen Familiennamen, gar einem früheren Familienamen und einem Geburtsnamen in das Verzeichnis aufzunehmen, so würde dessen Klarheit darunter leiden, denn dann müssten entweder für einen Anwalt mehrere Eintragungen angelegt werden oder bei der Eintragung zu einem Anwalt verschiedene Familiennamen aufgeführt werden. Eine solche Mehrfacheintragung wird aber von der Klägerin mit dem Hauptantrag nicht begehrt. Stünde aber allein ein vom aktuellen Familiennamen abweichender Berufsname im Anwaltsverzeichnis eingetragen, so würde dessen Informationsfunktion wesentlich beeinträchtigt. Würde die Klägerin dann nämlich unter ihrem tatsächlichen aktuellen Familiennamen z.B. Verhaltensweisen an den Tag legen, die Mitteilungspflichten nach MiZi (Nr. XXIII) oder Mistra (Nr. 23) auslösen, so könnten solche Mitteilungen ggf. von vornherein unterbleiben, weil die zur Mitteilung verpflichtete Stelle nach Einsicht in das Anwaltsverzeichnis davon ausgeht, dass die Klägerin keine Anwältin ist. Auch der rechtssuchende Bürger, der gegen die Klägerin, die – was ihr niemand verwehren könnte – unter ihrem Familiennamen als Anwältin aufgetreten ist, könnte von einer Anzeige bei der Rechtsanwaltskammer abgehalten werden, wenn er die Klägerin im Anwaltsverzeichnis wegen der dort abweichenden alleinigen Eintragung eines Berufsnamens gar nicht als Anwältin verzeichnet gefunden hat.
29Verfassungsrechtlich ist eine Auslegung des § 31 Abs. 3 BRAO in dem Sinne, dass der vom Anwalt gewählte Berufsname als Familienname in das Anwaltsverzeichnis einzutragen ist ebenfalls nicht geboten. Die praktische Konkordanz der Rechte des betroffenen Anwalts aus Art. 6 Abs. 1 GG und aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG kann – wie nachfolgend noch aufgezeigt wird – hinreichend dadurch hergestellt werden, dassneben dem (aktuellen) Familiennamen auch der vom Anwalt geführte Berufsname in das Anwaltsverzeichnis aufgenommen wird.
302.
31Im Hilfsantrag (Antrag zu Ziff. 2 nebst Annexantrag zu Ziff. 3) ist die Klage hingegen im Wesentlichen begründet.
32Die Klägerin hat einen Anspruch auf Eintragung ihres Geburtsnamens „L“ als Berufsnamen in das von der Beklagten geführte Anwaltsverzeichnis aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) sowie aus einer analogen Anwendung von § 12 BGB.
33Das Bundesverfassungsgericht sieht das Interesse an der Führung (und ggf. auch Eintragung eines Berufsnamens, z.B. in den Personalausweis) als durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt an (BVerfG, Beschl. v. 13.03.1992 – 1 BvR 311/92; BVerfG, Beschl. v. 08.03.1988 – 1 BvL 9/85 u.a.). Voraussetzungen hierfür – die bei der Klägerin unstreitig vorliegen - sind lediglich die Annahme und der Gebrauch eines unterscheidungsfähigen Namens in der Öffentlichkeit.
34§ 12 BGB schützt vor einer Namensleugnung durch Dritte. Eine Namensleugnung liegt vor, wenn das Recht zum Führen eines Namens bestritten oder die Pflicht zum Führen eines anderen Namens behauptet wird (Münch-Komm-BGB-Säcker, 6. Aufl., 2012, § 12 Rdn. 125 f.). Hier wird in dem Teilbereich der Eintragung in das Anwaltsverzeichnis das Recht der Klägerin zum Führen ihres Berufsnamens bestritten und die Pflicht zum Führen des aktuellen Familiennamens behauptet. § 12 BGB ist zwar eine privatrechtliche Vorschrift. Sie ist aber analog auch im Verhältnis von öffentlichem Träger zu Privatem anzuwenden, denn ansonsten bestünde in diesem Bereich eine Lücke, welche – angesichts des umfassenden Namensschutzes im Privatrecht planwidrig erscheint. Die Interessenlagen des Namensschutzes Privater gegenüber anderen Privaten und gegenüber Trägern hoheitlicher Gewalt ist vergleichbar. Für den Fall der Verletzung des Namensrechts einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft durch eine andere ist die Anwendung des § 12 BGB anerkannt (BVerwG NJW 1974, 1207). Es ist kein Grund ersichtlich, warum im vorliegenden Fall, in dem auf der einen Seite ein Privater steht, anderes gelten sollte.
35Art. 6 Abs. 1 GG gebietet zwar nicht die Wahl eines gemeinsamen Ehenamens. Die Vorschrift unterstützt aber den Wunsch von Ehegatten, ihre Zusammengehörigkeit in einem gemeinsamen Ehenamen zum Ausdruck bringen zu können (BVerfG, Urteil vom 05. Mai 2009 – 1 BvR 1155/03). Art. 6 Abs. 1 GG enthält eine Wertung, wonach das Prinzip der Einheit der Familie gewährleistet und die Familiengemeinschaft geschützt wird (BVerfG, Beschluss vom 08. März 1988 – 1 BvL 9/85, 1 BvL 43/86 –). Die Klägerin hat also ein grundgesetzlich geschütztes Interesse daran, einen gemeinsamen Ehenamen mit ihrem Ehemann zu führen. Durch die Regelung des
36Art. 31 Abs. 3 BRAO, wenn man sie so auslegte, dassallein der (aktuelle) Familienname eintragungsfähig ist, wäre die Klägerin zwar nicht gehindert, einen gemeinsamen Ehenamen zu führen, sie müsste aber ggf. berufliche Nachteile in Kauf nehmen, die ihr z.B. dadurch entstehen, dass sie sich am Markt bereits einen Namen gemacht hat, den sie nunmehr nicht mehr werbeträchtig verwenden kann, oder dadurch, dass möglicherweise potentielle Mandanten sie bei der Anwaltswahl übergehen, weil der deutsche Ehename den auf eine bestimmte Herkunft hindeutenden ausländischen Geburtsnamen ersetzt hat. Der dadurch entstehende faktische Druck stellt einen (unzulässigen) Eingriff in den Schutzbereich der Grundrechtsnorm dar, denn er ist nicht gerechtfertigt und unverhältnismäßig, weil es mit der Eintragung eines Berufsnamens neben dem Familiennamen ein milderes, ebenso geeignetes Mittel gibt, den Adressaten des Anwaltsverzeichnisses Aufschluss über Identität und Zulassung eines Anwalts, der unter seinem Geburtsnamen als Berufsnamen praktiziert, zu geben.
37Beide rechtlich geschützten Interessen der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG lassen sich hingegen mit einer Auslegung des Art. 31 Abs. 3 BRAO vereinbaren, die eine Eintragung eines Berufsnamens, der dem Geburtsnamen entspricht, unter dem der Anwalt bis zur Eheschließung seine Tätigkeit ausgeübt hat, neben der Eintragung eines Familiennamens gestattet. Sie müssen bei der Auslegung des § 31 Abs. 3 BRAO im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung Berücksichtigung finden. § 31 Abs. 3 BRAO ist für eine solche Auslegung unter Berücksichtigung der rechtlich durch Art. 6 Abs. 1 GG bzw. das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte Interessen offen. Die Vorschrift ist nicht etwa so formuliert, dass es hieße: „In das Verzeichnis sind nur der Familienname, […] einzutragen“. Der Wortlaut der Vorschrift lässt also eine Auslegung dahingehend, dass die dort genannten Daten zwar zwingend einzutragen sind, eine Eintragung weiterer Daten bei einem entsprechenden rechtlichen Interesse nicht ausgeschlossen ist, zwanglos zu. Für diese Auslegung spricht auch, dass die Vorschrift – anders als andere Regelungen, wie z.B. § 5 Abs. 2 PAuswG – eben einschränkende Zusätze wie „nur“ oder „ausschließlich“ gerade nicht enthält.
38Die Eintragung weiterer Daten wird – jedenfalls im vorliegenden Fall – auch nicht durch andere Gesetzesvorschriften ausgeschlossen. Insoweit käme zwar § 4 Abs. 1 i.V.m. § 2 DSG NW als Begrenzungsnorm in Betracht, welche auch im öffentlichen Bereich Anwendung finden kann (Wollf/Brink-Kühling, Datenschutzrecht, 2013, § 4 BDSG Rdn. 5 ff.). Eine Datenverarbeitung ist danach aber auch dann (ohne gesetzliche Ermächtigung) zulässig, wenn die betroffene Person eingewilligt hat. Eine solche Einwilligung liegt jedenfalls mit dem Schreiben der Klägerin an die Beklagte vom 21.01.2014, mit dem sie gerade die Eintragung des Geburtsnamens „L“ in das Anwaltsverzeichnis begehrt (also eine Erhebung und Speicherung dieses Datums), vor. Die Regelung in § 31 Abs. 1 BRAO, dass die Rechtsanwaltskammer die datenschutzrechtliche Verantwortung für die von ihr in das Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer eingegebenen Daten, insbesondere für die Rechtmäßigkeit der Erhebung und ihre Richtigkeit trägt, lässt eher den Schluss zu, dass insoweit sich die Datenverarbeitung nach den datenschutzrechtlichen Vorschriften richten soll, welche – s.o. – aber gerade eine Verarbeitung zusätzlicher Daten mit Zustimmung des Betroffenen ermöglicht.
39Die Gesetzesmaterialien geben schließlich ebenfalls keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber die einzutragenden Daten in § 31 Abs. 3 BRAO abschließend regeln wollte.
40Die so gefundene Auslegung harmoniert auch mit der Auslegung zu § 2 Abs. 1 PartGG zum Begriff des „Namens“ eines Partners einer Partnerschaftsgesellschaft von Angehörigen der freien Berufe. Danach ist unter dem „Namen“ eines Partners zwar primär dessen bürgerliche Name (Familienname) zu verstehen. Ist aber einer der Partner aber unter einem anderen Namen als seinem Familiennamen in den beteiligten Verkehrskreisen bekannt geworden, so soll auch die Nutzung dieses Berufsnamens im Rahmen des Namens der Partnerschaftsgesellschaft zulässig sein (OLG Frankfurt NJW 2003, 364; Münch-Komm-BGB-Schäfer, 6. Aufl., 2013, § 2 PartGG Rdn. 9).
41b) Der Folgeantrag (Eintragung der korrigierten Daten in das Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer) ist im Hinblick auf eine Korrektur im Sinne des Hauptantrages unbegründet, im Sinne einer Korrektur (Ergänzung) gemäß dem Hilfsantrag aber begründet aus § 31 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 3 BRAO.
42c) Die Beklagte ist nunmehr gehalten, das Führen des Berufsnamens „L“ auch durch entsprechenden Eintrag im Anwaltsverzeichnis anzuerkennen, was sie etwa durch Zusätze, wie „C, beruflich genannt L“ oder „C, Berufsname: L“ tun kann.
43III.
441.
45Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 112c BRAO, 155 VwGO und §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
462.
47Der Streitwert ist in Ermangelung anderweitiger Anhaltspunkte mit dem Auffangstreitwert nach §§ 194 Abs. 1 BRAO, 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000 Euro anzusetzen. Haupt- und Hilfsantrag sind gleichwertig und betreffen, wirtschaftlich gesehen, denselben Gegenstand, so dass der (höhere) Streitwert maßgeblich ist, hier also nur einmal 5.000 Euro anzusetzen sind (§ 45 Abs. 1 GKG). Der Antrag zu Ziff. 3) als bloßer Annex zu Haupt- bzw. Hilfsantrag hat keinen eigenständigen Wert.
483.
49Die Berufung war nach §§ 124a Abs. 1 S. 1; 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 c Abs. 1 BRAO zuzulassen, weil die Sache im Hinblick auf die Auslegung des § 31 Abs. 3 BRAO grundsätzliche Bedeutung hat.
50Rechtsmittelbelehrung
51Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist bei dem Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Heßlerstraße 53, 59065 Hamm, einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils ist die Berufung zu begründen. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen.
52Vor dem Anwaltsgerichtshof und dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Das gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein nach dem Vorstehenden Vertretungsberechtigter kann sich selbst vertreten; es sei denn, dass die sofortige Vollziehung einer Widerrufsverfügung angeordnet und die aufschiebende Wirkung weder ganz noch teilweise wiederhergestellt worden ist. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
53Die Festsetzung des Streitwerts ist unanfechtbar.
Wird das Recht zum Gebrauch eines Namens dem Berechtigten von einem anderen bestritten oder wird das Interesse des Berechtigten dadurch verletzt, dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht, so kann der Berechtigte von dem anderen Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.