Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 08. Jan. 2015 - I-14 U 111/14


Gericht
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28. März 2014 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (8 O 5/13) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht ihres Vaters (fortan Zedent genannt) Schadensersatz im Zusammenhang mit einem der J R S GmbH & Co. KG (fortan Fondsgesellschaft genannt) gewährten Darlehens geltend, auf das die Beklagte den Zedenten in einer E-Mail vom 10. Dezember 2010 aufmerksam gemacht hatte. Hinsichtlich des Sachverhalts und der Begründung des die Klageforderung im Wesentlichen zusprechenden Urteils wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich die Berufung der Beklagten mit dem Antrag,
4die Klage unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung abzuweisen.
5Die Klägerin beantragt,
6die Berufung zurückzuweisen.
7Der Senat hat mit Beschluss vom 24. November 2014 Hinweise erteilt. Im Übrigen wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
8II.
9Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
10Zur Begründung kann auf die fortgeltenden Gründe des Hinweisbeschlusses vom 24. November 2014 verwiesen werden, die wie folgt lauten:
11Das Rechtsmittel der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Sache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung; auch erfordern die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung durch Urteil des Berufungsgerichts. Schließlich ist nach den Umständen des Falls auch sonst keine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 ZPO).
12Die Berufung kann gemäß §§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Solche Umstände zeigt die Berufungsbegründung nicht in verfahrensrechtlich erheblicher Weise auf.
131)
14Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass der Zedent und die Beklagte stillschweigend einen Auskunftsvertrag geschlossen haben.
15Im Rahmen der Anlagevermittlung kommt zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zumindest stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt (BGH, Urteil vom 8. April 2014 – XI ZR 341/12, NJW 2014, 2348-2351; vom 13. November 2000 – III ZR 62/99, NJW-RR 2000, 998-1000; vom 13. Mai 1993 - III ZR 25/92 = NJW-RR 1993, 1114 jeweils m.w.N.). Die tatsächlichen Voraussetzungen für einen solchen stillschweigenden Vertragsschluss zwischen dem Kläger und dem Beklagten persönlich hat das Landgericht festgestellt. Es hat den Beklagten auch rechtsfehlerfrei als bloßen Anlagevermittler, nicht als Anlageberater, angesehen und danach seine vertraglichen Pflichten im Rahmen des Auskunftsvertrages bestimmt. Die Berufung teilt diesen Ausgangspunkt.
16Der zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler zustande gekommene Auskunftsvertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind. Dazu bedarf es - jedenfalls grundsätzlich - vorab der eigenen Information des Anlagevermittlers hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und der Bonität des Kapitalsuchenden. Denn ohne zutreffende Angaben über die hierfür maßgeblichen Umstände kann der Anlageinteressent sein Engagement nicht zuverlässig beurteilen und keine sachgerechte Anlageentscheidung treffen (BGH, Urteil vom 13. Januar 2000 – III ZR 62/99 – a.a.O.).
172)
18Mit Recht hat das Landgericht in seiner angefochtenen Entscheidung festgestellt, der Geschäftsführer der Beklagten habe den Zedenten bereits in der ihm übersandten E-Mail vom 10. Dezember 2010 (Anlage K13) nicht zutreffend über den für dessen Anlagenentscheidung wesentlichen Umstand aufgeklärt, dass sich die Darlehensnehmerin zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe in einer wirtschaftlichen Krise befunden habe und die Darlehensgewährung Teil eines Finanzierungskonzepts zur Abwendung der infolge einer Liquiditätslücke drohenden Insolvenz gewesen sei.
19Wie sich aus den von der Klägerin überreichten Geschäftsberichten der Darlehensnehmerin ergibt, befand sich diese im Zeitpunkt der Anwerbung der Darlehen durch die Beklagte in einer schwierigen wirtschaftlichen Krise. Die Liquidität der Darlehensnehmerin reichte im Jahr 2010 nicht aus, um die laufenden Kosten und die vereinbarte Tilgung des Schiffshypothekendarlehens zu leisten. Zur Verhinderung der Zahlungsunfähigkeit bedurfte die Darlehensnehmerin einer Kapitalzuführung in einer Größenordnung von etwa 2 Mio Euro. (Anlage K4). Von daher lenkte der in der E-Mail vom 10. Dezember 2010 enthaltene Hinweis der Beklagten auf die Absicherung durch einen deutlich höheren Verkehrs-/Marktwert des Schiffs, welche die angebotene Kapitalanlage zu einer „einzigartigen“ machen sollte, von den tatsächlich bestehenden erheblichen Ausfallrisiken ab und täuschte eine vermeintliche Sicherheit der als „exklusiv“ beworbenen Anlage vor, die ihr in keiner Weise zukam. Denn im Fall des Scheiterns des Liquiditätssicherungskonzepts drohte für die Darlehensnehmerin die Insolvenz und einem im Vergleich zu der der aktuellen Beleihung höherem Verkehrswert konnte aus Sicht des Darlehensgebers allenfalls insoweit Bedeutung zukommen, als hierdurch seine theoretische Chance vergrößert worden sein mag, im Insolvenzfall noch eine geringfügige Quotenauszahlung zu erhalten, sofern er mit seinen Ansprüchen wegen des vereinbarten Rangrücktritts nicht sowieso ausfiel. Außerdem ist aufgrund des vom Kläger vorgelegten Berichts der Geschäftsführung zur außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Darlehensnehmerin vom 15. Juni 2012 fraglich, ob das Schiff jemals den im E-Mail-Schreiben angegebenen deutlich höheren Verkehrs-/Marktwert gehabt hat. Vielmehr betrug gut ein Jahr später der charterfreie Wert des Schiffes nur noch 25 Mio USD, der im Falle einer Veräußerung des Schiffes zur Rückführung der Bankdarlehen und der weiteren Verbindlichkeiten nicht ausreichte, selbst wenn man unterstellt, dass sich überhaupt ein interessierter Käufer zu diesem Kaufpreis für das Schiff finden ließ (Anlage K8).
203)
21Ist damit eine Aufklärungspflichtverletzung des Geschäftsführers der Beklagten schon aufgrund des E-Mail-Schreibens vom 10. Dezember 2010 an den Zedenten zu bejahen, ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass ihr Geschäftsführer die irreführenden Angaben in seinem E-Mail-Schreiben an den Zedenten nachträglich richtig gestellt hat. Diesen Nachweis hat die Beklagte nicht geführt.
22Zwar hat die Beklagte in ihrer Klageerwiderungsschrift vom 2. Mai 2013 unter Beweisantritt „Parteivernehmung ihres Geschäftsführers“ behauptet, ihr Geschäftsführer habe dem Zedenten sowohl bei späteren Telefonaten als auch in persönlichen Gesprächen die Anlage umfassend erläutert und ihm insb. die Unterlagen zum Fortführungskonzept der Darlehensnehmerin und der E GmbH persönlich übergeben. Er habe dem Zedenten mitgeteilt, dass durch die Finanzkrise im Jahr 2008/2009 der Schifffahrtsmarkt stark unter Druck geraten sei und zahlreiche Schifffahrtsgesellschaften wie auch die Darlehensnehmerin nicht mehr über genügend Liquidität verfügen würden. Die Darlehen würden eingeworben, um den unerwarteten Liquiditätsengpass zu beseitigen. Dementsprechend handele es sich bei dem Darlehen an die Darlehensnehmerin um eine Sanierungsmaßnahme (Bl. 36 ff GA). Ob das Landgericht auf der Grundlage dieses Vorbringens der Beklagten in ihrer Klageerwiderungsschrift grundsätzlich gehalten gewesen wäre, deren Geschäftsführer als Partei mündlich anzuhören (§ 141 ZPO), kann dahingestellt bleiben. Im vorliegenden Fall besteht nämlich die Besonderheit, dass die Klägerin mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2013 das Protokoll der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Hamburg vom 24. Juli 2013 betreffend ein „Parallelverfahren“ des Sohnes des Zedenten gegen die Darlehensnehmerin vorgelegt hat, in dem auch die Zeugenaussage des Geschäftsführers der Beklagten enthalten ist, welche die Beratung des Zedenten in Bezug auf das hier streitgegenständliche Darlehen zum Gegenstand hat (Anlage K17) und von der die Beklagte mit Schriftsatz vom 27. Januar 2014 selbst vorgetragen hatte, ihr Geschäftsführer habe bei seiner Zeugenvernehmung vor dem Landgericht Hamburg genau das ausgesagt, was auch im vorliegenden Verfahren vorgetragen worden sei (Bl. 141 GA). Entspricht aber die protokollierte Zeugenaussage des Geschäftsführers der Beklagten vom 24. Juli 2013 dem Sachvortrag der Beklagten und hatte die Beklagte zudem Gelegenheit, zu dem Inhalt der Zeugenaussage ihres Geschäftsführers Stellung zu nehmen, wie die mehrseitigen Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 27. Januar 2014 belegen, ist kein Grund ersichtlich, weshalb die „Zeugenaussage“ des Geschäftsführers der Beklagten aus dem Parallelverfahren nicht als Parteivorbringen der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit verwertet werden sollte. Die Grundsätze, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Verwertung einer protokollierten Zeugenaussage im Urkundsverfahren anstelle der beantragten Zeugenvernehmung gelten (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2013 – V ZR 85/12 – MDR 2013, 1184-1185), finden im vorliegenden Rechtsstreit ohnehin keine Anwendung. Denn der Geschäftsführer der Beklagten ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht Zeuge sondern als ihr gesetzlicher Vertreter wie eine Partei zu behandeln; es liegen im Streitfall noch nicht einmal die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des Geschäftsführers der Beklagten vor, nachdem der Kläger einer Parteivernehmung des Geschäftsführers der Beklagten widersprochen hat (§ 447 ZPO) und die Beklagte – wie die nachstehenden Ausführungen zeigen – auch keine Gründe vorgetragen hat, die die Richtigkeit ihres Vorbringens als wahrscheinlich erscheinen lassen (§ 448 ZPO).
234)
24Dass der Geschäftsführer der Beklagten die irreführenden Angaben in seiner E-Mail vom 10. Dezember 2010 an den Zedenten nachträglich korrigiert hätte, kann der als Sachvortrag der Beklagten geltenden „Zeugenaussage“ ihres Geschäftsführers vom 24. Juli 2013 nicht entnommen werden.
25Der Geschäftsführer der Beklagten hat bei seiner Zeugenvernehmung ausgesagt, er sei vom Zedenten nach Versendung der hier fraglichen E-Mail entweder per Mail oder durch einen Anruf angesprochen worden. Er habe ihm da erklärt, dass es sich um ein Schiff handeln würde und dass die Bank kein weiteres Darlehen mehr gewähren würde. Es sei daher erforderlich, auf anderem Wege Geld, und zwar im Umfang von 2 Mio Euro, aufzunehmen. Er habe erläutert, dass es sich um ein nachrangiges Darlehen handeln würde, weil die Bank an erster Stelle im Schiffsregister steht. Dies habe er dem Zedenten am Telefon mitgeteilt. Material, wie der letzte Geschäftsbericht und ein Entwurf des Darlehensvertrages, sei dann direkt über die Treuhandgesellschaft versandt worden. Dass dieser Weg gewählt worden sei, hänge damit zusammen, dass die Beklagte als Beratungsgesellschaft über keine Unterlagen verfüge. Diese hätten lediglich der Treuhandgesellschaft zur Verfügung gestanden. Er möchte hervorheben, dass die Beklagte nur eine Vermittlungsgesellschaft sei und keine Beratung durchführe. Er habe veranlasst, dass die Treuhandgesellschaft die Unterlagen an den Zedenten übersende (Protokoll S. 6, Abs. 4 und 5). Zuvor hatte der Geschäftsführer der Beklagten berichtet, dass seine Firma bzw. er dann gleichwohl von der Reederei und der Schifffahrtsgesellschaft gebeten worden seien, neues Kapital für die Schifffonds einzusammeln. Das habe er dann auch getan. Die Situation sei die gewesen, dass der Schiffwert von dafür zuständigen Firmen auf 33 bis 35 Mio USD beziffert worden sei. Das sei Ende 2010 gewesen. Auf den Schiffen hätten Schiffshypotheken von 25 bis 26 Mio USD gelegen und es habe eine Überbrückung für einen Zeitraum von 2 bis 3 Jahren beschafft werden müssen. Dazu hätten Gelder im Umfang von 2 Mio Euro pro Schiff von Anlegern und Interessenten zur Verfügung gestellt werden sollen. Das Ganze habe sich als Sanierungskonzept dargestellt und man sei eigentlich davon ausgegangen, dass sich bald wieder die alten Charterraten erzielen ließen. In diesem Zusammenhang habe es dann die Möglichkeit gegeben, als Darlehensgeber aufzutreten (Protokoll S. 5, Abs. 4, S.6, Abs. 1 und 2).
26Mit keinem Wort hat der Geschäftsführer der Beklagten dagegen den Zedenten auf die für dessen Anlageentscheidung bedeutsame Tatsache hingewiesen, dass im November 2010 die Darlehensnehmerin praktisch zahlungsunfähig war, weil die vorhandene Liquidität zur Bezahlung der laufenden Kosten und der vereinbarten Tilgung des Schiffshypothekendarlehens nicht ausreichte. Ebenso wenig hat er den Zedenten darüber aufgeklärt, in welcher Höhe bereits das zur Abwendung der Zahlungsunfähigkeit benötigte Kapital von außenstehenden Darlehensgebern eingeworben war. Er hat damit die wirtschaftliche Krise und die im Raum stehende Insolvenz der Darlehensnehmerin weiterhin beschönigend dargestellt, wenn er gegenüber dem Zedenten erläutert hat, die Banken würden der Darlehensnehmerin kein weiteres Darlehen mehr gewähren. Auch wenn diese Aussage für sich betrachtet der Wahrheit entsprochen haben sollte, bleibt die danach erteilte Information verharmlosend ohne die gebotene Ergänzung, dass die Weigerung der Banken zur weiteren Kreditfinanzierung zwangsläufig die Zahlungsunfähigkeit der Darlehensnehmerin nach sich ziehen würde, sollte es nicht binnen kürzester Zeit gelingen, eine Überbrückungsfinanzierung in einer Größenordnung von 2 Mio Euro bereitzustellen. Dem Zedenten wurde nicht klar vor Augen geführt, dass er sein Geld in ein praktisch zahlungsunfähiges Unternehmen investieren sollte. Ebenso ist der Hinweis, bei dem Darlehen handle es sich um ein nachrangiges Darlehen, weil die Bank an erster Stelle im Schiffsregister stehe, um eine weitere Verharmlosung der mit der Darlehenshingabe übernommenen Risiken. Denn was eine Insolvenz für einen Gläubiger einer mit einem qualifizierten Rangrücktritt versehenen Darlehensforderung bedeutet, wird aus diesen Erklärungen jedenfalls nicht hinreichend deutlich. Der umfassende Rangrücktritt schuf vielmehr ein drastisch erhöhtes Ausfallrisiko.
27Der als Sachvortrag der Beklagten geltenden Zeugenaussage ihres Geschäftsführers vom 24. Juli 2013 kann weiterhin nicht entnommen werden, dass dieser die irreführenden Angaben in seiner E-Mail vom 10. Dezember 2010 zumindest bei späteren persönlichen Gesprächen mit dem Zedenten korrigiert hätte. Allein die Tatsache, dass bei diesen Gesprächen, welche der Geschäftsführer der Beklagten auf November oder Dezember 2010 datiert, das Gespräch darauf kam, weshalb die Verzinsung 10 % betragen würde, wo doch der Markt ansonsten nur 3 % hergeben würde (Protokoll S. 3, Abs. 3), belegt die unzureichende und Risiken verharmlosende Erläuterung der vorgestellten Kapitalanlage durch den Geschäftsführer der Beklagten. Es kann unterstellt werden, dass ein wirtschaftlich denkender Kapitalanleger diese Frage nicht mehr gestellt hätte, wenn ihm zuvor unmissverständlich erläutert worden wäre, dass seine Darlehenshingabe der Abwendung der bestehenden Zahlungsunfähigkeit der Darlehensnehmerin dienen sollte. Dass ihr Geschäftsführer die angesprochene Zinshöhe seinerseits zum Anlass genommen hätte, diese mit dem auf der Hand liegenden Risiko einer möglichen Insolvenz zu erläutern, kann der Zeugenaussage des Geschäftsführers der Beklagten ebenfalls nicht entnommen werden. Zwar hatte ihr Geschäftsführer über das Gespräch Notizen gefertigt. Er wusste jedoch nicht mehr, was er genau zur Erläuterung erklärt hatte, als auf die Divergenz zwischen den hier zu erzielenden Zinsen und den marktüblichen Zinsen hingewiesen worden ist. Er hat bekundet, er wisse zwar, dass über diese Divergenz gesprochen worden sei. Er könne jedoch auch nicht ansatzweise erläutern, wie er diese Divergenz erklärt habe. Zu dieser Zeit habe er eine Vielzahl von Gesprächen geführt. Er führe Buch über Kundengespräche und mache dazu Notizen in elektronischer Form in einem Kundenverwaltungsprogramm. Zu seiner denkbaren Erläuterung der Zinsdivergenz habe er dazu aber nichts notiert (Protokoll S. 7, Abs. 3).
28Auch der Umstand, dass die Darlehenshingabe nach der Zeugenaussage des Geschäftsführers der Beklagten in dem Gespräch mit dem Zedenten unter dem Aspekt diskutiert worden ist, dass die Anlage auch etwas für dessen Kinder sei (Protokoll S. 7 Abs. 1), ist ein weiterer Beleg für die vorhandene Risiken verharmlosende Erläuterung der vorgestellten Kapitalanlage. Denn dass eine Darlehenshingabe an ein zahlungsunfähiges Unternehmen keine geeignete Kapitalanlage für Kinder in der Ausbildung darstellt, liegt auf der Hand.
29Der weiter bekundete Hinweis auf das Risiko eines Schiffsuntergangs wirkte sich in ähnlicher Weise als irreführend und verharmlosend aus. Das eher fernliegende Risiko eines solchen Ereignisses, das zudem versicherungsmäßig abgedeckt gewesen sein dürfte, war dazu angetan, von den ungleich näherliegenden Ausfallrisiken für ein nachrangiges Darlehen bei einer ohnehin notleidenden Geschäftslage abzulenken.
30Insgesamt vermitteln die Bekundungen des Geschäftsführers das Bild einer anpreisenden und verharmlosenden Anlegerakquise, bei der sich die erkennbare Tendenz, von den bestehenden Risiken abzulenken und diese zu verharmlosen unschwer dadurch erklären lassen, dass der Geschäftsführer als Beiratsmitglied der Fondsgesellschaft in einer betonten Nähe zu deren Belangen befand.
315)
32Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsschrift darauf verweist, ihr Geschäftsführer habe in seiner Zeugenvernehmung vor dem Landgericht Hamburg vom 24. Juli 2013 naturgemäß nicht die gesamten Gesprächsinhalte detailliert und chronologisch vorgetragen, sondern nach einleitenden, nicht chronologischen Ausführungen lediglich auf Fragen des Gerichts und der dortigen Parteivertreter geantwortet, fehlt es an einem substantiierten Sachvortrag der Beklagten, zu welchen Punkten die protokollierte Zeugenaussage unvollständig ist und welche ergänzenden Ausführungen dieser auf entsprechende Nachfragen getätigt hätte. In das Wissen des Geschäftsführers werden keine konkreten Tatsachen gestellt, die den Gesprächsverlauf in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten. Nach dem gegebenen Sachstand sind ohnehin keine weiterführenden Angaben zu erwarten, denn schon bei seiner Zeugenvernehmung hat ihr Geschäftsführer Erinnerungslücken zugestanden und hierzu angegeben, dass er keine ausführlichen Aufzeichnungen über das Gespräch mit dem Zedenten habe (Protokoll S. 8, Abs. 2). Er habe zu jedem Kunden eine Kundenmappe, in der sich Schmierzettel befänden. Diese Zettel würden während der Gespräche geschrieben. Er habe sich diese durchgesehen, auch zu dem von ihm soeben geschilderten Gespräch. Es sei dort nichts zu der erwähnten Zinsdivergenz von 10/3 % aufgezeichnet. Auf den Zetteln sei lediglich notiert worden, welche Unterlagen versandt werden sollten, welche Zeichnungssummen gewollt seien und was im Hinblick auf die beabsichtigte Anlage noch zu erledigen sei (Protokoll S. 7, Abs. 3, S. 8, Abs. 1).
33Schließlich kann sich die Beklagte zum Nachweis dafür, dass ihr Geschäftsführer die irreführenden Angaben in seinem E-Mail-Schreiben an den Zedenten nachträglich richtig gestellt hat, nicht auf überlassene Kopien von Unterlagen berufen, die den Gesellschaftern zur Vorbereitung der Gesellschafterversammlung zur Verfügung gestellt worden sein sollen (Protokoll S. 9, Abs. 2 und 3). Selbst wenn zu diesen Unterlagen auch der Bericht der Treuhänderin zum Liquiditätssicherungskonzept der Darlehensnehmerin gehört haben sollte, würde dies die Beklagte nicht entlasten. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Übergabe eines die Chancen und Risiken einer Kapitalanlage hinreichend verdeutlichenden Prospekts kein Freibrief für den Vermittler darstellt, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit seinen Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt entwertet oder für die Entscheidungsbildung des Anlegers mindert (BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 – III ZR 83/06, NJW-RR 2007, 1690-1691). Nichts anderes gilt für die von der Beklagten nach ihrer Darstellung überlassenen Unterlagen, wobei insoweit zu berücksichtigen ist, dass es sich herbei noch nicht einmal um Prospekte im eigentlichen Sinne, sondern lediglich um Informationsmaterial handelt, das keine für die Information eines Anlegers aufbereitete Zusammenstellung der Chancen und Risiken enthält.
34Bei dieser Sachlage kann bereits aufgrund ihres eigenen Sachvortrags nicht davon ausgegangen werden kann, dass ihr Geschäftsführer seine irreführenden und eine Aufklärungspflichtverletzung begründenden Angaben in seinem E-Mail-Schreiben vom 10. Dezember 2010 an den Zedenten nachträglich mit der gebotenen Deutlichkeit korrigiert hat.
35Die Stellungnahme der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 18. Dezember 2014 gibt ‑ soweit sie sich überhaupt mit den Ausführungen des Senats in seinem vorgenannten Hinweisbeschluss auseinander setzt - zu einer hiervon abweichenden Beurteilung der Rechtslage keine Veranlassung.
361)
37Der Beklagten war es nicht schlechthin verwehrt, die in ihrem E-Mail-Schreiben vom 10. Dezember 2013 vorgestellte Kapitalanlage zu bewerben. Solche Werbe-E-Mails dienen nach der Verkehrsanschauung noch nicht einer umfassenden Aufklärung des Anlegers über die mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken. Durch die Darstellung in der betreffenden E-Mail durfte jedoch das Gesamtbild der „Beteiligung“ an der Fondsgesellschaft durch Gewährung eines Darlehens nicht derart irreführend verzerrt werden, dass die drohende Insolvenz gegenüber dem Anleger völlig verschleiert wurde, weil diesem die für seine Anlageentscheidung bedeutsame Information unterschlagen wurde, dass sich die Fondsgesellschaft zum Zeitpunkt des E-Mail-Schreibens in einer schweren wirtschaftlichen Krise befand und die Darlehenseinwerbung Teil eines Finanzierungskonzepts zur Abwendung der infolge einer Liquiditätslücke zum Jahresende 2010 drohenden Insolvenz war. Nach dem bereits im Hinweisbeschluss behandelten Zusammenhang ließ das Schreiben den Zedenten über die tatsächlichen Hintergründe der Darlehensakquise völlig im Unklaren und suggerierte fälschlich eine besonders günstige Anlagemöglichkeit.
382)
39Der Senat verkennt auch nicht die wechselseitigen Darlegungspflichten. Im Ansatz zutreffend ist, dass derjenige, der Schadensersatz wegen einer fehlerhaften Beratung geltend macht, dafür die Darlegungs- und Beweislast trägt, wobei aber die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zu beachten sind (st. Rspr., vgl. u.a. BGH, Urteil vom 27. Juni 2000 - XI ZR 174/99, WM 2000, 1685, 1686 m.w.N.). Die Beklagte lässt aber nach wie vor unberücksichtigt, dass vorliegend die Auskunftspflichtverletzung aufgrund des irreführenden E-Mail-Schreibens feststeht. In diesem Fall entfällt die Pflichtverletzung nur dann, wenn der Anlagevermittler diesen Fehler berichtigt hat. Dafür, dass er dies getan hat, ist aber die Beklagte und nicht etwa die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 17. September 2009 – XI ZR 264/08, BKR 2009, 471-472; vom 5. März 2009 - III ZR 17/08, WM 2009, 739). Diesen Nachweis hat die Beklagte aus den im Hinweisbeschluss angeführten Gründen nicht geführt.
403)
41Die Beklagte führt auch in ihrem Schriftsatz vom 18. Dezember 2014 keine überzeugenden Gründe dafür an, weshalb die nach ihrem eigenen Eingeständnis ihrem Sachvortrag entsprechende protokollierte Zeugenaussage ihres Geschäftsführers vom 24. Juli 2013 aus dem Parallelverfahren nicht als ihr Parteivorbringen im vorliegenden Rechtsstreit verwertet werden sollte. Die Beklagte hat Gelegenheit gehabt, zu dem Inhalt der Zeugenaussage ihres Geschäftsführers Stellung zu nehmen, wovon sie - wie die mehrseitigen Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 27. Januar 2014 belegen - auch umfassend Gebrauch gemacht hat. Vor diesem Hintergrund musste das Landgericht die Beklagte nicht ausdrücklich von seiner Verwertungsabsicht in Bezug auf die Zeugenaussage ihres Geschäftsführers in Kenntnis setzen, denn es hat lediglich den von den Parteien urkundlich eingeführten Prozessstoff verwertet. Eine weitergehende Sachaufklärung war nicht veranlasst, weil die Beklagte nicht vorträgt, zu welchen Punkten die protokollierte Zeugenaussage ihres Geschäftsführers unvollständig sein soll und welche ergänzenden Ausführungen dieser auf entsprechende Nachfragen tätigen würde. Von daher besteht auch für den Senat keine Veranlassung, den Geschäftsführer der Beklagten persönlich anzuhören.
42Die Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
43Streitwert: 22.500,00 €

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Annotations
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.
(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.
(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
Das Gericht kann über eine streitige Tatsache auch die beweispflichtige Partei vernehmen, wenn eine Partei es beantragt und die andere damit einverstanden ist.
Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)