Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 14. Nov. 2013 - L 5 AS 175/12

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2013:1114.L5AS175.12.0A
14.11.2013

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Leistungen zur Durchführung einer Jugendweihefeier am ... Mai 2010 in Höhe von 407 EUR nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

2

Der am 1996 geborene Kläger bezog im Jahr 2009 gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder als Bedarfsgemeinschaft laufend Leistungen nach dem SGB II. Auf seinen Hilfebedarf rechnete der Beklagte das für ihn bewilligte Kindergeld an. Im August 2009 wurden dem Kläger weitere 100 EUR als zusätzliche Leistung für die Schule nach § 24a SGB II bewilligt (Bescheid vom 23 Dezember 2008, Bescheid vom 8. Juni 2009 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 24. September 2009).

3

Am 10. März 2009 beantragte der Kläger die Übernahme der erwarteten Kosten für eine am ... Mai 2010 durchgeführte Jugendweihefeier, die von den J. H. M. e.V. betreut wurde.

4

Beklagte lehnte die begehrte Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 30. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2009 ab. Der geltend gemachte Bedarf für die Kosten der Teilnahme an einer Jugendweihefeier und an Veranstaltungen der J. H. sei von der Regelleistung (Freizeit, Kultur) umfasst und würde nicht gesondert erbracht. Es bestehe auch kein Anspruch nach § 23 Abs. 1 SGB II auf Bewilligung einer Darlehens wegen eines von den Regelleistungen umfassten und nach den Umständen unabweisbaren Bedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts. Es sei kein Nachweis vorgelegt worden, dass die beantragte Leistung der Vermeidung einer akuten Notsituation diene. Bei der Bewilligung von Leistungen habe der Beklagte die gesetzlich geltenden Regelungen zur Höhe der Regelsätze zu beachten und keinen Ermessensspielraum.

5

Dagegen hat der Kläger am 4. Juni 2009 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben und die Erstattung der entstandenen Kosten, hilfsweise einen Abzug des Betrags vom als Einkommen anzurechnenden Kindergeld, weiter hilfsweise eine darlehensweise Bewilligung bei gleichzeitigem Erlass der Rückzahlungspflicht begehrt. Er hat zunächst allgemein die Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelsätze sowie die Anrechnung des Kindergeldes auf den Hilfebedarf gerügt. Ferner hat er ausgeführt, die Veranstaltungen im Rahmen der Jugendweihefeier dienten dazu, auf die eigentliche Bedeutung der Jugendweihe langfristig und umfangreich vorzubereiten. Sie seien eine erhebliche Bereicherung in der Entwicklung und Bildung der Kinder und Jugendlichen. Diese Kosten kämen nachweislich nicht im Regelsatz vor. Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat der Kläger die Kosten wie folgt beziffert: Jugendweiheanzug und -hemd 120 EUR (keine Belege), Anmeldegebühr 25 EUR, Teilnahmegebühren für mehrere Tagesveranstaltungen 107 EUR und 110 EUR, Feiergebühr 45 EUR. Alle Beträge waren im Jahr 2009 auf das Konto der J. H. M. e.V. überwiesen worden. In der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits hat die gesetzliche Vertreterin des Klägers klargestellt, dass eine darlehensweise Leistung nicht in Betracht komme.

6

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 7. März 2012 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Erstattung der Kosten für die Durchführung der Jugendweihe. Diese seien aus den gewährten Regelleistungen aufzubringen. Darin seien auch Beträge für die Ausstattung mit festlicher Kleidung und für die Durchführung einer Jugendweihe enthalten. Insoweit sei der Kläger gehalten, die Beträge anzusparen oder innerhalb der Regelleistung umzuschichten. Hinsichtlich der Behauptung einer nicht ausreichenden Regelsatzhöhe hat das Sozialgericht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. Februar 2010 (BVL 1/09 W 3/09 und 4/09) verwiesen. Danach müsse eine gegebenenfalls zu niedrige Regelleistung nicht rückwirkend erhöht werden. Die vom BVerfG dort postulierte Härtefallregelung finde keine Anwendung, denn der streitgegenständliche Zeitraum liege vor dessen Urteil. Es handele sich aber auch nicht um einen laufenden Bedarf. Eine Anwendung von § 73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) scheide aus, da von der Regelleistung erfasste Bedarfe regelmäßig nicht in dessen Anwendungsbereich fielen. Es bestünden aber auch Zweifel, ob es sich hier um einen atypischen Bedarf im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handele. Eine in Betracht kommende Darlehensgewährung § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II habe der Kläger ausdrücklich abgelehnt. Das Sozialgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

7

Gegen das ihm am 5. April 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. April 2012 Berufung eingelegt. Unter Auswertung des Urteils des BVerfG vom 9. Februar 2010 ist er der Auffassung, dass im Regelsatz für schulpflichtige Jugendliche keine Leistungen für die vorbereitenden Bildungsveranstaltungen zur Jugendweihefeier und die Feier selbst zur Verfügung stünden. Da die Regelbedarfe verfassungswidrig festgesetzt worden seien, könne er auf diese auch nicht verwiesen werden. Er hat verschiedene Beschlüsse des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen angeführt. Der Kläger beantragt er seinen schriftsätzlichen Vorbringen,

8

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. März 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 30. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2009 aufzuheben und diesen zu verpflichten, ihm die Kosten für die Durchführung der Jugendweihe zu erstatten.

9

Der Beklagte beantragt,

10

die Berufung zurückzuweisen.

11

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

12

Die Beteiligten haben sich mit Erklärungen vom 21. Juni und 11. Juli 2012 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verwaltungsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakte des Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

14

I. Die Berufung ist form - und fristgerecht erhoben gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie ist auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1, 3 SGG, da das Sozialgericht die Berufung zugelassen hat.

15

Der Senat durfte nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

16

II. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Magdeburg und die Bescheide des Beklagten nicht zu beanstanden sind. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der ihm im Jahr 2009 entstandenen Kosten im Zusammenhang mit der Jugendweihefeier.

17

Streitgegenständlich ist allein die Entscheidung des Beklagten, die begehrte Kostenübernahme für Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Jugendweihefeier abzulehnen. Es handelt sich insoweit um einen isolierten Streitgegenstand, über den unabhängig von den laufenden Grundsicherungsleistungen entschieden werden kann. Daher kann er auch isoliert gerichtlich geltend gemacht werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 2010, B 14 AS 81/08 R (11) zur Erstausstattung mit Bekleidung).

18

Das Sozialgericht hat zu Recht nur den Kläger als Prozessbeteiligten gemäß § 69 Nr. 1 SGG angesehen. Die Mutter sowie der Bruder des Klägers können durch die angefochtenen Bescheide nicht in ihren eigenen Rechten verletzt sein (BSG, a.a.O., (12)).

19

Der Kläger war im streitigen Zeitraum dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung.

20

Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten sind nach § 7 Abs.1 SGB II Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

21

Leistungen erhalten nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben.

22

Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

23

Der Kläger hatte das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet, lebte aber in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner leistungsberechtigten und erwerbsfähigen Mutter. Hinweise auf Einkommen oder Vermögen des Klägers, das zum Wegfall der Hilfebedürftigkeit führen würde, hat der Senat nicht.

24

1. Das SGB II enthält keine Anspruchsgrundlage für die von dem Kläger verlangte Kostenübernahme.

25

a. Hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für die Anschaffung von Anzug und Hemd kommt eine Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II im Rahmen einer Erstausstattung für Bekleidung nicht in Betracht.

26

Voraussetzung ist eine besondere Bedarfslage, aufgrund derer so gut wie keine brauchbaren Kleidungsstücke mehr vorhanden sind (BSG, Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 53/10 R (26); BT-Drs. 15/1514 S. 60 zu Art. 1 § 32). Der Anspruch auf Erstausstattung für Bekleidung soll gewährleisten, dass ein Leistungsberechtigter sich in menschenwürdiger Weise kleiden kann. Die Ausstattung mit Kleidung muss einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen. Insofern sind Bedarfe für verschiedene Jahreszeiten oder etwa zum Sport treiben zu berücksichtigen (BSG, a.a.O. (27)).

27

Ein Anzug und ein Hemd für einen Jugendlichen zählen nicht zu dem grundlegenden Bedarf an menschenwürdiger Bekleidung. Vielmehr hatten die Sachen allein den Zweck, sich im Rahmen eines einmaligen Ereignisses feierlich zu kleiden. Der Kläger selbst hat vorgetragen, dass die Kleidungsstücke ausschließlich für den Zweck der Jugendweihefeier angeschafft worden sind. Dem Grundbedürfnis des Bekleidens als Schutz gegen die Unbilden der Witterung dienten die Bekleidungsstücke daher nicht.

28

Für den Senat ist auch nicht erkennbar, dass eine Teilnahme an der Jugendweihefeier in Alltagskleidung, d.h. ohne das Tragen eines gesondert für diesen Zweck angeschafften Anzugs, einen Verstoß gegen die Menschenwürde Sinne von Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 GG bedeutet hätte. Besondere Bekleidungsvorschriften für die Teilnahme an der Veranstaltung hat der Kläger nicht dargelegt.

29

Der Senat kann daher offen lassen, ob dem Kläger tatsächlich Kosten für den Erwerb eines Anzugs und Hemds aus Anlass der am ... Mai 2010 durchgeführten Jugendweihefeier entstanden sind. Es ist - schon wegen des unkalkulierbaren Wachstums von Jugendlichen - anzunehmen, dass diese Kleidungsstücke erst im engen zeitlichen Zusammenhang mit der durchgeführten Feier angeschafft wurden. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger jedoch schon Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Es musste ihm daher klar sein, dass er die geltend gemachten Kosten zu belegen haben würde. Das Fehlen von Kaufbelegen führt somit zu Zweifeln an den behaupteten tatsächlichen Kosten für die Bekleidung.

30

Offen bleiben kann daher auch, ob der Kläger auf die Verwendung von in der Familie bereits vorhandenen Kleidungsstücken hätte verwiesen werden können. Denn möglicherweise hat auch sein am ... 1992 geborener Bruder an einer Jugendweihefeier teilgenommen. Sofern auch er mit einem Anzug ausgestattet worden war, hätte dieser vom Kläger für das einmalige Ereignis aufgetragen werden können.

31

b. Eine Übernahme nach § 23 Abs. 3 SGB II für die im Rahmen der Teilname an mehreren eintägigen Tagesfahrten vor der Jugendweihe entstandenen Kosten kommt nicht in Betracht. Weder handelte es sich um Fahrten im Rahmen der landesrechtlichen Schulbestimmungen, noch waren diese mehrtägig.

32

c. Die in § 22 Abs. 6 SGB II mit Wirkung zum 3. Juni 2010 eingeführte Härtefallregelung ist auf die vor dessen Einführung, nämlich hier im Jahr 2009 entstandenen Bedarfe nicht anwendbar. Die Vorschrift gilt nur für die Zukunft (BSG, Urteil vom 19. August 2010, B 14 AS 13/10 R (24))

33

d. Ein Kostenübernahmeanspruch lässt sich auch nicht aus Verfassungsrecht herleiten. Das BVerfG in der zitierten Entscheidung zwar u.a. das in § 28 Abs. 1 SGB II geregelte Sozialgeld für Kinder und Jugendliche für verfassungswidrig erklärt. Es hat aber nicht feststellen können, dass die gesetzlich festgelegten Regelleistungen evident unzureichend wären (BVerfG, a.a.O., (155)). Der Gesetzgeber ist lediglich verpflichtet worden, bis zum 31. Dezember 2010 die existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsnah zu bestimmen. Bis zu diesem Zeitpunkt war § 28 Abs. 1 SGB II weiterhin anwendbar.

34

Zu Recht hat das Sozialgericht auch einen Kostenübernahmeanspruch aus der vom BVerfG in dem Urteil vom 9. Februar 2010 postulierten Härtefallregelung abgelehnt. Denn das Urteil des BVerfG ist für Zeiten vor dessen Erlass am 9. Februar 2010 nicht anwendbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2010, 1 BvR 395/09 (7)).

35

e. Auch ein Anspruch aus § 73 SGB XII gegen den zuständigen Sozialhilfeträger scheidet hier aus. Der Senat konnte daher davon absehen, diesen nach § 75 Abs. 2 Halbsatz 2 SGG beizuladen.

36

Nach § 73 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel fertigen. Auch bei Leistungsberechtigten nach dem SGB II ist ausnahmsweise ein Rückgriff auf diese Vorschrift möglich (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, B 14 AS 44/08 R zur Schülermonatsfahrkarte).

37

Erforderlich ist zunächst eine atypische Bedarfslage. Diese erfordert, dass es sich nicht um einen typischen, innerhalb des SGB II zu befriedigenden Bedarf handelt. Ferner muss es sich um eine besondere Bedarfslage mit Grundrechtsbezug handeln, die eine gewisse Nähe zu den in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Sachverhalten aufweist. Schließlich müssen die Leistungen auch den Einsatz öffentlicher Mittel i.S.v. § 73 SGB XII rechtfertigen (dazu BSG, Urteil vom 19. August 2010, B 14 AS 13/10 R (15 f.)).

38

Hier liegt schon kein Bedarf vor, der nicht über das System des SGB II zu befriedigen gewesen wäre. Denn in der Regelleistung waren für Bekleidung und Schuhe ca. 10% sowie für Freizeit und Kultur ca. 11% als Bedarfe vorgesehen. Insoweit wäre es dem Kläger zumutbar gewesen, Ansparungen aus den ihm bewilligten Regelleistungen vorzunehmen. Denn spätestens bei Antragstellung am 10. März 2009 wusste er von der im Mai 2010 stattfindenden Jugendweihefeier.

39

Zwar fällt die Teilnahme an einer Jugendweiheveranstaltung in den Schutzbereich von Art. 4 GG. Jedoch ist die dort geregelte Religionsausübungsfreiheit nicht in ihrem Kern tangiert (so auch: Bayerisches LSG, Urteil vom 23. April 2009, L 11 AS 125/08 zu den Kosten einer Familienfeier in einem Gasthaus anlässlich der Erstkommunion). Der Senat hat keinen Hinweis dafür, dass der Kläger ohne die Teilnahme an den angebotenen vorbereitenden Veranstaltungen und/oder ohne Anzug und Hemd von der Teilnahme an der Jugendweihefeier ausgeschlossen gewesen wäre.

40

Darüber hinaus ist keine Nähe zu den in §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Hilfe zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege oder Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten erkennbar.

41

Trotz der hier vorliegenden Grundrechtsbezüge hält der Senat auch den Einsatz öffentlicher Mittel nicht für gerechtfertigt. Denn die Teilnahme an der weltanschaulichen Veranstaltung war dem Kläger auch ohne zusätzliche Förderung aus der ihm zur Verfügung stehenden Regelleistung möglich.

42

Die vom Kläger zitierten Entscheidungen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen stützen seinen geltend gemachten Anspruch ebenfalls nicht. Es handelt sich ausnahmslos um Beschlüsse, die jeweils das Vorliegen von hinreichender Aussicht auf Erfolg einer Klage wegen der Höhe der Regelleistungen im Rahmen der beantragten Prozesskostenhilfe angenommen haben. Feststellungen zur Pflicht der gesonderten Übernahme der geltend gemachten Kosten enthalten die Beschlüsse nicht.

43

2. Die von dem Kläger hilfsweise geforderte Anrechnung der aufgewendeten Kosten auf das den Hilfebedarf mindernde Kindergeld scheidet ebenfalls aus.

44

Nach § 11 Abs. 1 SGB II ist das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Das Kindergeld soll im Übrigen dem Kind umfassend zur Verfügung stehen, soweit sein Bedarf nicht anderweitig gedeckt ist und solange es in einer Bedarfsmannschaft lebt. Es dient dort der Existenzsicherung des Kindes. Um diesen Zweck nicht zu verfehlen, darf nicht zugleich vor dem Einsatz zur Bedarfsdeckung ein Teil herausgerechnet werden (BSG Urteil vom 10. Mai 2011, B 4 AS 11/10 R (23)). 3. Der Senat hatte nicht zu prüfen, ob der Kläger einen Anspruch auf darlehensweise Bewilligung der Leistungen gemäß § 23 Abs. 1 SGB II hätte. Denn er hat vor dem Sozialgericht ausdrücklich erklärt, dass er eine darlehensweise Bewilligung von Leistungen nicht begehrt (vgl. BSG, Urteil vom 30. August 2010, B 4 AS 97/09 R (11)).

45

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.


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1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren als einmalige Leistung einen Zuschuss für Kosten der Kinderbekleidung.

2

Der am 2.2002 geborene Kläger und die am 3.2003 geborene Klägerin leben gemeinsam mit ihren Eltern sowie ihrem am 6.2006 geborenen Bruder K. in einem Haushalt. Sie bezogen ebenso wie ihre Eltern seit Februar 2005 (ihr Bruder seit seiner Geburt) Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zuletzt bewilligte ihnen die Beklagte für den Zeitraum 1.8.2006 bis 31.1.2007 Leistungen in Höhe von monatlich insgesamt 1423 Euro (Bescheid vom 13.7.2006). Der Leistungsbewilligung legte die Beklagte dabei jeweils einen Bedarf der Kläger zu 1 und 2 in Höhe von 304,60 Euro zu Grunde (207 Euro Regelleistung und 97,60 Euro für die anteiligen monatlichen Kosten der Unterkunft und Heizung).

3

Mit Schreiben vom 6.7.2006 beantragte die Mutter bei der Beklagten eine Beihilfe für Bekleidung als Erstausstattung für die Kläger. Die Kläger benötigten Kleidung in den Konfektionsgrößen 116 und 110, besäßen jedoch lediglich Garderobe in den Größen 104 und 98, die sie nicht weiter tragen könnten. Antrag und Widerspruch blieben ohne Erfolg (Bescheid vom 10.7.2006; Widerspruchsbescheid vom 10.8.2006).

4

Mit ihrer Klage zum Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen haben die Kläger die Gewährung eines einmaligen verlorenen Zuschusses in Höhe von insgesamt 448 Euro zur Beschaffung von Kinderkleidung begehrt. Der Kläger habe bereits eine Winterjacke für 25 Euro und zwei Paar Strumpfhosen für 15 Euro erhalten. Auch für die Klägerin würden für den Winter 2006/2007 eine Winterjacke (im Wert von 25 Euro) und zwei Paar Strumpfhosen (im Wert von 15 Euro) benötigt sowie für jedes Kind zwei Hosen (im Wert von 80 Euro), drei Pullover (im Wert von 90 Euro), drei T-Shirts (im Wert von 48 Euro), ein Satz Unterwäsche (im Wert von 50 Euro), ein Paar Schuhe (im Wert von 50 Euro), ein Paar Pantoffeln (im Wert von 20 Euro) sowie Mütze und Handschuhe (im Wert von 30 Euro).

5

Die Klage ist ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 22.6.2007). Der allgemeine Bedarf, nämlich die Beschaffung von Kleidung, sei auch von Kindern aus deren Regelleistung zu bestreiten, wie die Aufzählung in § 20 Abs 1 SGB II deutlich mache. Auf § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II könne der Anspruch nicht gestützt werden. Der Begriff der Erstausstattung sei abzugrenzen von den Fällen des Erhaltungs- bzw Ergänzungsbedarfs, die vorlägen, wenn es sich nicht um eine erstmalige Ausstattung handele. Die Erstausstattung mit Bekleidung umfasse neben den im Gesetz genannten Ereignissen der Schwangerschaft und Geburt auch einen Bedarf bei Gesamtverlust (zB durch Wohnungsbrand) oder auf Grund "außergewöhnlicher Umstände" (BT-Drucks 15/1514 S 60). Zu den außergewöhnlichen Umständen zählten zB eine Gewichtszu- oder Gewichtsabnahme oder eine unzureichende Bekleidungsausstattung nach einer Haft oder Wohnungslosigkeit. Dass Kinder im Rahmen des Wachstums regelmäßig auf neue Kleidung angewiesen seien, stelle einen normalen, vom Gesetzgeber im Rahmen der Bemessung der Regelleistung berücksichtigten Umstand dar, der die Gewährung eines Mehrbedarfs auf Grund wachstumsbedingter Notwendigkeit der Beschaffung neuer Kleidung ausschließe. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistung nach § 20 SGB II oder des abschließenden Katalogs an einmaligen Leistungen in § 23 Abs 3 SGB II habe das Gericht nicht.Die Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 17.9.2008) und zur Begründung im Wesentlichen nach § 153 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Urteilsgründe des SG Bezug genommen.

6

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger. Die Ausstattung eines Kindes mit Bekleidung nach einem Wachstumsschritt sei nicht von der Regelleistung nach § 28 Abs 1 SGB II iVm § 20 SGB II mit umfasst. In der pauschalen Regelleistung sei ein Anteil von 10 Prozent für die Anschaffung von Kleidung und Schuhen vorgesehen. Die Regelleistung entspreche der Höhe nach den Regelsätzen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und sei damit auf Grund der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe festgesetzt worden. Mit der Datenerhebung sei jedoch ausschließlich der Bedarf eines alleinstehenden Erwachsenen ermittelt worden. Wegen des Bedarfs für Kinder unter 14 Jahren sei lediglich ein Abschlag von 40 Prozent erfolgt, ohne deren konkrete Situation in Blick zu nehmen. Insoweit sei die Regelleistung für Kinder verfassungswidrig. Unabhängig davon bestehe ein Anspruch auf Erstausstattung mit Bekleidung, bei dem es nicht darauf ankomme, ob er erstmals gewährt werden müsse. Es gehe im vorliegenden Fall nicht um einen Erhaltungsbedarf, der vorliegende Sachverhalt erfordere die Neuanschaffung der Kleidungsstücke. Ähnlich wie bei einer Gewichtszunahme bei Erwachsenen, die in der Gesetzesbegründung zu § 31 SGB XII als Beispiel für eine Erstausstattung genannt werde, gehe es nach jedem Wachstumsschritt um einen erstmaligen Bedarf in der neuen Konfektionsgröße, auf die bei der Bemessung der Regelsätze keine Rücksicht genommen worden sei. Die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs 1 SGB II sei von den Klägern nicht beantragt worden, weil die Aufrechnung mit der Darlehensrückforderung - wie im Falle von wiederkehrenden Fahrkosten - zu "einer belastenden Hypothek für die Zukunft" werde.

7

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17.9.2008 und das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.6.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.8.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Klägern zusätzliche Leistungen nach dem SGB II in Form eines verlorenen Zuschusses für die Anschaffung von Kinderbekleidung in Höhe von insgesamt 448 Euro zu gewähren.

8

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässigen Revisionen der Kläger sind unbegründet. Den Klägern stehen die geltend gemachten Kosten für Bekleidung nicht als einmalige Leistung zu.

11

1. Streitgegenstand sind ausschließlich die begehrten Leistungen für Kosten der Kinderbekleidung, die für den Winter 2006/2007 notwendig geworden ist. Bei dem Anspruch auf Leistungen für Erstausstattungen gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II, auf den die Kläger ihr Begehren ausschließlich stützen, handelt es sich um einen Individualanspruch desjenigen, der den entsprechenden Bedarf geltend macht. Gegenstand des Verfahrens sind der Bescheid vom 10.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.8.2006, mit dem der Träger der Grundsicherung eine von der Bewilligung der übrigen Leistungen für den Bewilligungsabschnitt vom 1.8.2006 bis 31.1.2007 gesonderte Entscheidung getroffen hat. Dieses Vorgehen des Trägers der Grundsicherung ist zwar nicht zwingend. Über den Anspruch auf Erstausstattung, der auch ohne ausdrückliche Antragstellung vom Antrag auf insgesamt bedarfsdeckende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den jeweiligen Bewilligungsabschnitt umfasst ist (vgl Urteil des Senats vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R), kann aber isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen entschieden werden. Der Anspruch kann in der Folge isoliert gerichtlich geltend gemacht werden (zum Anspruch auf eine Erstausstattung für die Wohnung gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II vgl BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, jeweils RdNr 12 und BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R, juris RdNr 9, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; zum Anspruch auf Gewährung von Kosten für Klassenfahrten BSGE 102, 68 = SozR 4-4300 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 13). Deshalb war nicht zu überprüfen, ob die im Übrigen gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Höhe nach richtig bemessen waren. Die Höhe der laufenden Regelleistungen für den Bewilligungsabschnitt, für den auch die Sonderbedarfe geltend gemacht werden, haben die Kläger nicht angegriffen. Der Bescheid vom 13.7.2006, den das LSG insoweit in seinem Urteil in Bezug genommen hat, ist bestandskräftig geworden.

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Die Eltern der Kläger sind damit durch die angefochtenen Bescheide nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 54 Abs 1 Satz 2 SGG) und haben die von ihnen ursprünglich geführten Revisionen auf entsprechenden Hinweis des Senats zurückgenommen. § 23 Abs 3 SGB II erfordert ein Vorgehen aller Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft nur für den Fall, dass einer Personenmehrheit weitergehende Ansprüche zustehen können als dem einzelnen Hilfebedürftigen (vgl BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, jeweils RdNr 11). Das ist bei der personenbezogenen Ausstattung mit Bekleidung nicht der Fall.

13

2. Zutreffend haben SG und LSG entschieden, dass die Voraussetzungen für einen von den Klägern als einmalige Leistung geltend gemachten Anspruch auf Erstausstattung wegen Bekleidung nicht vorliegen. Einen solchen Anspruch können sie weder aus § 23 Abs 3 Nr 2 SGB II (dazu unter a) noch aus Verfassungsrecht herleiten (dazu unter b).

14

Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG sind die Kläger leistungsberechtigt nach § 7 Abs 2 SGB II. Danach erhalten Leistungen auch Personen, die mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Die Eltern der Kläger sind erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Ihrem gemeinsamen Haushalt gehören ihre Kinder, die Kläger zu 1 und 2 sowie der am 6.2006 geborene Bruder, an (Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II), woraus sich deren Berechtigung auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Sozialgeld nach §§ 7 Abs 2, 28 Abs 1 SGB II) ableitet.

15

a) Gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II sind Leistungen für Erstausstattung für Bekleidung nicht von der Regelleistung umfasst und werden gemäß § 23 Abs 3 Satz 2 SGB II gesondert erbracht. Mit § 23 Abs 3 Satz 1 SGB II hat der Gesetzgeber normiert, dass trotz der grundsätzlichen Abgeltung auch einmaliger Bedarfe durch die Regelleistung bestimmte Bedarfe weiterhin gesondert gedeckt werden können. Es handelt sich dabei um spezielle Bedarfe, die erheblich vom durchschnittlichen Bedarf abweichen. § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II in der ab dem 1.8.2006 zur Anwendung kommenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (vom 20.7.2006; BGBl I 1706) sieht einen Anspruch auf "Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt" vor.

16

Schon der Vergleich mit § 20 Abs 1 SGB II zeigt, dass § 23 Abs 3 SGB II bedarfsbezogen zu verstehen ist(vgl bereits BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, jeweils RdNr 19 und Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 45/08 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, juris RdNr 14). Entscheidend ist bezogen auf die Erstausstattung mit Bekleidung, ob auf Grund eines besonderen Umstandes erstmals ein Bedarf für die Ausstattung mit Bekleidung entsteht. Demgegenüber unterfallen die Kosten für die laufende Anschaffung und Instandhaltung der Kleidung ausdrücklich der Regelleistung. Zwar entsteht mit jedem Wachstumsschritt bei Kindern ein Bedarf für ein bestimmtes Kleidungsstück in einer bestimmten Größe "erstmalig". Gleichwohl gehört gerade bei Kindern die Notwendigkeit, Kleidungsstücke sowohl wegen des Wachstums als auch wegen des erhöhten Verschleißes in kurzen Zeitabschnitten zu ersetzen, zu dem regelmäßigen Bedarf. Die Ausstattung eines Kindes mit Bekleidung ist laufend, wenn auch in engeren zeitlichen Abständen als bei Erwachsenen zu ergänzen, je nachdem welches Kleidungsstück zu welchem Zeitpunkt von ihm nicht mehr getragen werden kann. Der wachstums- und verschleißbedingte besondere Aufwand, der hier im Unterschied zu Erwachsenen entsteht, ist als kindspezifischer, regelmäßiger Bedarf mit der Regelleistung abzudecken (Bender in Gagel, SGB III mit SGB II, Stand Juni 2009, § 23 SGB II RdNr 75; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 20 RdNr 54; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand März 2008, § 20 RdNr 36; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, Stand November 2009, § 23 RdNr 40; aA Münder, LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 23 RdNr 35; differenzierend nach der allgemein üblichen Tragedauer Lang/Blüggel in Eicher/Spellbrink, aaO, § 23 RdNr 106; differenzierend im Hinblick auf ein "außergewöhnliches" Größenwachstum Behrend in JurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 23 RdNr 82; ähnlich auch Kohte in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 1. Aufl 2009, § 23 SGB II RdNr 15).

17

b) Die Kläger können den geltend gemachten Anspruch auch nicht aus Verfassungsrecht herleiten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09, NJW 2010, 505 = DVBl 2010, 314) zwar ua § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 1. Alt SGB II iVm § 20 Abs 1 SGB II für verfassungswidrig erklärt. Die Regelleistung für Kinder habe der Gesetzgeber von der Höhe der Regelleistung für Erwachsene abgeleitet, ohne zuvor den kindspezifischen Bedarf zu ermitteln. § 28 Abs 1 Satz 1 SGB II, wonach das Sozialgeld für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 60 vom Hundert der Regelleistung für einen alleinstehenden Erwachsenen beträgt, beruhe auf keiner vertretbaren Methode zur Bestimmung des Existenzminimums eines Kindes bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres. Das BVerfG hat aber dabei im Grundsatz die systematische Herleitung der Regelleistung nach einer Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe auf Grundlage des Statistikmodells nicht beanstandet und es ausdrücklich für zulässig erachtet, dass der Gesetzgeber die Leistung im Grundsatz als monatlichen Festbetrag gewährt und sich von dem unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes geltenden System der Bedarfsdeckung durch ein Zusammenspiel von laufenden und einer Vielzahl von einmaligen Leistungen gelöst hat (BVerfG, aaO, RdNr 205). Es hat auch bezogen auf die Regelleistung für Kinder nicht feststellen können, dass die gesetzlich festgesetzten Regelleistungen evident unzureichend sind (aaO, RdNr 155). Der Gesetzgeber ist lediglich verpflichtet, bis zum 31.12.2010 alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsnah zu bemessen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB II weiter anwendbar. Über den Wortlaut des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II hinaus sind die Leistungen für Kinder damit gegenwärtig nicht um einen einmaligen (etwa jährlich zu zahlenden) Betrag für den (regelmäßigen) Bekleidungsbedarf zu erhöhen (in diesem Sinne aber Münder, NZS 2008, 168, 171).

18

Auch soweit das BVerfG entschieden hat, dass der Gesetzgeber den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zwar durch einen monatlichen Festbetrag decken kann, es aber mit Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm Art 20 Abs 1 GG unvereinbar ist, dass eine Härtefallregelung fehlt, die einen Anspruch zur Deckung eines über den Regelbedarf hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einräumt, folgt daraus ein Anspruch für die Kläger nicht. Dabei kann der Senat offen lassen, ob Leistungen zur Deckung eines solchen Bedarfs auch für Leistungszeiträume vor der Entscheidung des BVerfG in Betracht kommen (so BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, juris RdNr 34). Voraussetzung wäre jedenfalls, dass es sich um einen erheblich von dem durchschnittlichen Bedarf abweichenden Bedarf handelt. Eine solche Sondersituation, die gerade bei den Klägern (etwa aufgrund eines außergewöhnlichen Wachstumsschubes) im Unterschied zu anderen gleichaltrigen Kindern eingetreten ist, haben weder die Kläger geltend gemacht noch hat das LSG dies festgestellt. Bei kurzfristig entstehenden Bedarfsspitzen, die aus der laufenden Regelleistung nicht zu decken sind, kommt schließlich vorrangig die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs 1 SGB II in Betracht, das die Kläger aber ausdrücklich nicht geltend machen. Anders als die Kläger meinen, hat das BVerfG die im Gesetz vorgesehene Tilgung eines solchen Darlehens durch Einbehaltung von 10 Prozent der Regelleistungen in § 23 Abs 1 Satz 3 SGB II nicht beanstandet(aaO, Rz 150).

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Beteiligte am Verfahren sind
1. der Kläger,
2. der Beklagte,
3. der Beigeladene.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Revision des Beigeladenen und die Anschlussrevision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2009 werden zurückgewiesen.

Der Beigeladene hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Erstattung der Kosten für den bei ihm anfallenden Mehrbedarf für Hygiene.

2

Der im Jahre 1968 geborene Kläger ist an HIV erkrankt. Er bezieht neben einer privaten Berufsunfähigkeitsrente vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Durch Bescheid vom 2.11.2007 bzw Änderungsbescheid vom 8.11.2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum von November 2007 bis April 2008 Leistungen in Höhe von monatlich 172,66 Euro. Der Kläger begehrte mit seinem Widerspruch zusätzliche Leistungen wegen vermehrter Aufwendungen für Hygiene im Zusammenhang mit seiner HIV-Erkrankung. Der Beklagte lehnte dies mit Widerspruchsbescheid vom 28.12.2007 ab.

3

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Berlin erhoben. Er hat eine Stellungnahme der Aidshilfe eingereicht, woraus der typische, nicht durch die Regelleistung abgedeckte Bedarf von HIV-Infizierten ersichtlich werde. Er leide krankheitsbedingt an verstärkter Schweißbildung, müsse sich häufiger duschen, mindestens zweimal täglich die Wäsche und alle ein bis zwei Tage die Bettwäsche wechseln. Zudem habe er einen vermehrten Bedarf an Toilettenpapier und müsse Medikamente einnehmen, die er bis zur Zuzahlungsgrenze selbst bezahlen müsse. Der Kläger hatte diesen Mehrbedarf zunächst mit 20,45 Euro monatlich beziffert.

4

Das SG hat das Land Berlin als Träger der Sozialhilfe beigeladen und durch Urteil vom 10.11.2009 den Beigeladenen verurteilt, dem Kläger in der Zeit vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 dem Grunde nach einen Mehraufwand für Hygienebedarf zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage im Hauptantrag gegen den Grundsicherungsträger sei unbegründet. Das SGB II sehe eine Berücksichtigung von krankheitsbedingten Mehraufwendungen gesetzlich nicht vor. Nach § 21 SGB II seien nur die Leistungen für Mehrbedarfe zu gewähren, die dort ausdrücklich normiert worden seien. Auch eine Zuerkennung des geltend gemachten Hygienebedarfs als unabweisbarer Bedarf nach § 23 Abs 1 SGB II komme nicht in Betracht. Jedoch sei der Hilfsantrag zulässig und begründet. Nach § 75 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) könne der Beigeladene als Träger der Sozialhilfe verurteilt werden. Dass der Kläger ein weiteres Klageverfahren direkt gegen den Beigeladenen führe, stünde einer Verurteilung nicht entgegen. Der Anspruch folge aus § 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Der Rückgriff auf das SGB XII sei hier nicht gemäß § 5 Abs 2 SGB II und § 21 SGB XII ausgeschlossen. § 73 SGB XII ermögliche als Auffangklausel in sonstigen Lebenslagen den Einsatz von Sozialhilfemitteln. Auf diese Norm könne dann zurückgegriffen werden, wenn das SGB II einen strukturellen Mangel aufweise, weil es einen bestimmten Bedarfstypus nicht regele. So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Aus den eingereichten Attesten werde ersichtlich, dass der Kläger an den Folgen einer fortgeschrittenen, chronischen HIV-Infektion leide. Es bestünden erhebliche chronische gastrointestinale Beschwerden wie rezidivierender Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, die auch einen dauerhaft erhöhten Hygienebedarf und einen Mehraufwand an Hygienemitteln bedingten. Infolge der Chronizität der Beschwerden des Klägers handele es sich um einen dauerhaft erhöhten Bedarf von nicht lediglich untergeordneter Bedeutung. Der Kläger sei nicht in der Lage, durch Umschichtung der mit der Regelleistung pauschal abgegoltenen Bedarfe die notwendigen Aufwendungen zu bestreiten, ohne dauerhaft eine wesentliche Unterdeckung in anderen Bereichen in Kauf nehmen zu müssen. Die Erkrankung bedinge mithin dauerhaft eine Bedarfslage, die sich von der Bedarfslage anderer erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Normalfall deutlich unterscheide. Soweit § 73 SGB XII dem Sozialhilfeträger Ermessen einräume, sei dieses hier auf die Verpflichtung zur Leistungserbringung reduziert. Nicht zu entscheiden sei, nach entsprechender Klarstellung des Klagebegehrens, in welcher Höhe der Bedarf zuzuerkennen sei. Für die Verurteilung des Beigeladenen reiche es aus, wenn feststehe, dass der Höhe nach überhaupt irgend ein Geldbetrag zu zahlen sei.

5

Hiergegen wendet sich der Beigeladene mit seiner vom SG durch Beschluss vom 23.12.2009 zugelassenen Sprungrevision. Er rügt eine Verletzung der §§ 21 und 73 SGB XII. Die Annahme des SG, bei Vorliegen eines strukturellen Mangels im SGB II könne auf § 73 SGB XII zurückgegriffen werden, sei vom Gesetz nicht gedeckt. Wenn das SGB II strukturelle Mängel aufweisen sollte, dann müssten diese vom Gesetzgeber selbst im Rahmen des SGB II beseitigt werden. Nach dem SGB II werde die Regelleistung als Pauschale gewährt, mit der alle Bedarfstatbestände des täglichen Lebens abgegolten seien. Es fehle im SGB II an einer gesetzlichen Möglichkeit, die Regelleistung an einen bestimmten besonderen Bedarf anzupassen. Für die Gewährung einer Leistung nach § 73 SGB XII sei darüber hinaus zwingend erforderlich, dass eine sonstige Lebenslage, also eine besondere, atypische Bedarfslage vorliege, was etwa der Fall bei neuen, dem Gesetzgeber so bisher überhaupt nicht bekannten Lebens- und Bedarfslagen wäre. Der Kläger zähle hingegen Symptome einer Erkrankung auf, unter denen eine Vielzahl oder sogar jeder HIV-Infizierte/Aidskranke mehr oder weniger leide. Wäre der Kläger leistungsberechtigt nach dem SGB XII, so hätte darüber hinaus auch geprüft werden müssen, ob eine abweichende Bedarfsfeststellung nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in Betracht käme. Hierzu hätte der Kläger im Einzelnen nachweisen müssen, dass er im konkreten Fall einen höheren Bedarf habe. Schließlich stünden Leistungen nach § 73 SGB XII ausdrücklich im Ermessen des Beigeladenen. Die Entscheidung des SG, dass das Ermessen hier "auf Null" reduziert sei, sei inhaltlich nicht nachvollziehbar begründet worden.

6

Der Beigeladene beantragt,
das Urteil des SG Berlin vom 10. November 2009 zu ändern und die Klage auch gegen den Beigeladenen abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision des Beigeladenen zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Beklagten unter Abänderung des Urteils des SG Berlin und des Bescheids vom 2. November 2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 8. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2007 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 dem Grunde nach einen Mehrbedarf für Hygieneaufwendungen zu gewähren.

8

Der Kläger trägt vor, er lege ausdrücklich Anschlussrevision ein, weil die Verurteilung des beigeladenen Trägers der Sozialhilfe gemäß § 75 Abs 2 und Abs 5 SGG nur subsidiär gegenüber einer Verurteilung des Beklagten sei. Sie komme nur dann in Betracht, wenn die vorrangig zu prüfende Klage gegen den Beklagten keinen Erfolg habe. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09) stehe nunmehr aber fest, dass es einen verfassungsrechtlichen Anspruch direkt gegen den Beklagten bei unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfen gebe. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) habe am 18.2.2010 in dem Verfahren B 4 AS 29/09 R entschieden, dass der vom BVerfG nunmehr anerkannte Anspruch aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz (GG) zur Deckung eines solchen wiederkehrenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs auch in einem laufenden und noch nicht abgeschlossenen Verfahren, dh auch für die Vergangenheit, zu berücksichtigen sei. Deshalb sei auch im vorliegenden Fall vorrangig der Beklagte zu verurteilen.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision des Beigeladenen und die Anschlussrevision
des Klägers zurückzuweisen.

10

Das BVerfG habe in einem Beschluss vom 24.3.2010 (1 BvR 395/09) klargestellt, dass die Härtefallregelung nicht für Zeiten vor der Entscheidung des Ersten Senats des BVerfG vom 9.2.2010 gelten solle. Mithin fehle es im vorliegenden Verfahren für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 an einer Anspruchsgrundlage iS des § 31 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), um ihn - den Beklagten - verurteilen zu können.

Entscheidungsgründe

11

Die im Übrigen statthafte und zulässige Sprungrevision des Beigeladenen (§ 161 SGG) ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Beigeladenen dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger den aus seiner Aidserkrankung resultierenden Mehrbedarf für Hygiene gemäß § 73 SGB XII zu gewähren(hierzu unter 2.). Eine Verurteilung des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende gemäß § 6 SGB II kam nicht in Betracht, weil es zum streitgegenständlichen Zeitpunkt keine Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers im SGB II gab (1.). Hieran hat sich auch durch das Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09 - SGb 2010, 227) nichts geändert, weshalb auch die Anschlussrevision des Klägers zurückzuweisen war (3.).

12

Streitgegenstand ist ein Anspruch auf Hygienemehrbedarf für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008. Der Beigeladene konnte hier gemäß § 75 Abs 5 SGG in der ab 1.8.2006 (idF des sog Fortentwicklungsgesetzes vom 20.7.2006, BGBl I 1706) geltenden Fassung verurteilt werden (zur Verurteilung des Sozialhilfeträgers bereits vor Änderung des § 75 Abs 5 SGG vgl BSGE 97, 242 = SozR 4-2200 § 20 Nr 1). Dass der Kläger einen weiteren Rechtsstreit gegen den hier Beigeladenen führt, in dem er dessen (direkte) Verurteilung zur Tragung des Hygienebedarfs auf Grundlage der Vorschriften des Fünften Kapitels des SGB XII fordert (S 47 SO 985/08), steht dem nicht entgegen. Dieser Rechtsstreit berührt die Zulässigkeit der Verurteilung des Beigeladenen nicht, zumal die Klage gegen den Beigeladenen in dem gesonderten Rechtsstreit S 47 SO 945/08 später beim SG eingegangen ist. Entgegen der Rechtsansicht des SG könnte die Klage in jenem Rechtsstreit aber wegen anderweitiger Rechtshängigkeit im Hinblick auf das vorliegende Verfahren unzulässig sein (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 94 RdNr 7c).

13

1. Zu Recht hat das SG die Klage gegen den beklagten Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abgewiesen, weil es für den vom Kläger geltend gemachten Mehrbedarf für Hygieneartikel im streitigen Zeitraum im SGB II keine Rechtsgrundlage gab.

14

Der 7b. Senat des BSG hat im Einzelnen in seinem Urteil vom 7.11.2006 begründet (BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; vgl auch das Urteil des erkennenden Senats vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - Schülermonatskarte - SozR 4-4200 § 7 Nr 15), dass die Regelungen des SGB II keine Erhöhung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts über die gesetzliche Pauschale hinaus zulassen. Die Gewährung eines Mehr- oder Sonderbedarfs im SGB II ist nur in den ausdrücklich gesetzlich normierten Fällen möglich. Weder § 21 SGB II in der zum streitigen Zeitpunkt geltenden Fassung noch § 23 Abs 1 SGB II stellten eine Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers dar. Letzteres folgt schon daraus, dass es sich bei dem vom Kläger geltend gemachten Hygienebedarf um einen wiederkehrenden Bedarf handelt, der nur schwer einer darlehensweisen Gewährung zugänglich ist. Insoweit hat der Senat später klargestellt, dass für fortlaufende bzw wiederkehrende Bedarfe § 23 Abs 1 SGB II mit der Möglichkeit einer Darlehensgewährung ausscheidet(vgl zuletzt Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - RdNr 27).

15

2. Zu Recht hat das SG weiterhin entschieden, dass dem Kläger gegen den Beigeladenen ein Anspruch aus § 73 SGB XII zusteht. Hiernach können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Der 7b. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 7.11.2006 (aaO; vgl auch Urteil des Senats vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - Schülermonatskarte - aaO) im Einzelnen dargelegt, wann ein solcher - ausnahmsweiser - Rückgriff auf § 73 SGB XII möglich ist(vgl aaO RdNr 22 ff; kritisch hierzu allerdings etwa Münder, NZS 2008, 617).

16

a) Erforderlich ist zunächst, dass eine sog atypische Bedarfslage vorliegt, weshalb etwa ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für Schulbücher über § 73 SGB XII ausscheidet, weil es sich hier um einen typischen, innerhalb des SGB II zu befriedigenden Bedarf handelt(vgl Urteil des Senats vom 19.8.2010 - B 14 AS 47/09 R). Durch das Abstellen auf eine sog atypische Bedarfslage soll verhindert werden, dass die Norm zu einer allgemeinen Auffangregelung für Leistungsempfänger des SGB II mutiert.

17

Voraussetzung eines Anspruchs nach § 73 SGB XII ist mithin eine besondere Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist. Zu Recht hat das SG ausgeführt, dass die vom Kläger geltend gemachten Bedarfe hier eine sachliche Nähe zu den sog Hilfen zur Gesundheit gemäß §§ 47 ff SGB XII aufweisen. Eine derartige Bedarfslage ist hier darin zu sehen, dass die vom Kläger geltend gemachten Hygienebedarfe auch im System des Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht befriedigt werden können. Zugleich ist auch der Bereich der Grundrechtsausübung tangiert. Es handelt sich nicht um hinzunehmende Bagatellbedürfnisse oder Bedürfnisse ohne Grundrechtsbezug (hierzu Urteil des Senats vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - RdNr 21), vielmehr ist das Recht des Klägers auf Leben (Gesundheit) und körperliche Unversehrtheit gemäß Art 2 Abs 2 GG berührt (zur Bedeutung dieses Grundrechts im Sozialrecht vgl insbesondere BVerfGE 115, 25 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5).

18

Entgegen dem Vorbringen der Revision ist es nicht Voraussetzung des Vorliegens eines atypischen Bedarfs iS des § 73 SGB XII, dass ein solcher Bedarf nur im Einzel- oder Ausnahmefall vorliegt. Gerade bei der vom BSG in seinem Grundsatzurteil vom 7.11.2006 (aaO) zu beurteilenden Konstellation der Kosten des Umgangsrechts nach Scheidung oder Trennung der Eltern handelte es sich um einen Bedarf, der in einer Vielzahl von Fällen vorliegt. Maßgebend für die Atypik einer Bedarfslage ist vielmehr, dass ein den Grundrechtsbereich tangierender Bedarf ungedeckt bleibt, der - worauf auch das BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 hinweist - vom Rechtssystem "eigentlich" gedeckt werden müsste. So liegen die Verhältnisse auch hier.

19

Auf Grund des Revisionsvorbringens ist nochmals (vgl bereits BSGE 97, 242, 250 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 22 f) darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei nicht um eine Frage des erhöhten Bedarfs entsprechend § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII handelt. Das BSG hat bereits damals das systematische Argument, dass das SGB XII nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in seinem für SGB II-Leistungsempfänger verschlossenen Dritten Kapitel bereits die Möglichkeit zur Erhöhung der Leistungssätze biete und deshalb im Sozialhilferecht die Anwendung des § 73 SGB XII ausschließe, was in der Folge auch für SGB II-Leistungsbezieher gelte, angesichts der besonderen Bedeutung des betroffenen Grundrechts zurückgewiesen. Dies gilt in gleichem Maße unter Berücksichtigung der Bedeutung des Grundrechts aus Art 2 Abs 2 GG.

20

b) Die Leistungen, die der Sozialhilfeträger an den Kläger zu erbringen hat, rechtfertigen auch den Einsatz öffentlicher Mittel iS des § 73 SGB XII. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 7.11.2006 (aaO) unter dem Prüfungsgesichtspunkt der Rechtfertigung des Einsatzes öffentlicher Mittel ausdrücklich auf die Möglichkeit des Sozialhilfeträgers hingewiesen, im Rahmen der Ermessenserwägungen die Kosten für das Umgangsrecht (etwa bei der Zurücklegung sehr großer Distanzen oder sehr hoher Kosten) zu beschränken. Hieraus kann im Umkehrschluss auch gefolgert werden, dass auch zu geringe Kosten ggf einen Einsatz öffentlicher Mittel nicht mehr rechtfertigen. Macht ein Kläger nur Bagatellbeträge geltend, so kann eine Verurteilung nach § 73 SGB XII möglicherweise hieran scheitern, weil dann trotz vorliegender Grundrechtsbetroffenheit die entsprechenden Kosten selbst zu tragen wären. Letztlich kann dies hier offen bleiben, weil der Kläger seine zusätzlichen Hygienekosten zunächst auf 20,45 Euro monatlich beziffert hat (und nur auf Anraten des SG zu einem Zahlungsantrag dem Grunde nach übergegangen ist). Jedenfalls bei regelmäßig monatlich anfallenden Kosten in dieser Höhe scheitert ein Klagebegehren nicht bereits an einer in § 73 SGB XII unter dem Gesichtspunkt der Rechtfertigung des Mitteleinsatzes enthaltenen "Bagatellgrenze".

21

c) Hinsichtlich des Bestehens des Anspruchs dem Grunde nach hat das SG zu Recht den Beigeladenen direkt zur Leistung verurteilt. Zwar eröffnet § 73 SGB XII dem Leistungsträger (hier dem Beigeladenen) Ermessen. Hier war jedoch das Ermessen auf Null geschrumpft. Die Verurteilung des Beigeladenen rechtfertigt sich im Übrigen auch daraus, dass auf Grund der besonderen rechtlichen Strukturen im Verhältnis von SGB II, SGB XII und Verfassungsrecht es dem Verwaltungsträger nicht mehr möglich sein darf, seine Leistungspflicht nach einer Verurteilung im Rahmen einer Ermessensentscheidung nochmals grundsätzlich in Frage zu stellen. Zu Recht hat das SG allerdings dem Sozialhilfeträger im Rahmen seiner grundsätzlich bestehenden Leistungspflicht die Möglichkeit eingeräumt, die vom Kläger geltend gemachten Kosten der Höhe nach zu überprüfen.

22

3. Auch die Anschlussrevision des Klägers war zurückzuweisen. Soweit der Kläger hilfsweise geltend macht, nunmehr sei auf Grund des Urteils des BVerfG vom 9.2.2010 (aaO) der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu verurteilen, ist dies nicht zutreffend. Es kann von daher dahinstehen, ob dem Kläger insofern überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite gestanden hätte, weil er vor dem SG bereits die Verurteilung des Beigeladenen (ebenfalls ein öffentlich-rechtlicher Träger) erreicht hatte. Der Senat geht davon aus, dass der vom BVerfG geforderte verfassungsrechtliche Anspruch bei unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfen nur dann eingreift, wenn nicht bereits auf Grund einfach-gesetzlicher Regelungen eine Leistungsgewährung möglich ist.

23

Das BVerfG hat in seinem Urteil (insbesondere RdNr 207) klargestellt, dass der von ihm verfassungsrechtlich abgeleitete, zusätzliche Anspruch immer dann notwendig werde, wenn ein bestimmter fortlaufender atypischer Bedarf außerhalb der Regelleistung des § 20 SGB II nicht gedeckt werden könne. Zugleich hat das BVerfG aber deutlich gemacht, dass es die Rechtsprechung des BSG zu § 73 SGB XII billigt(so schon explizit der Beschluss des BVerfG vom 7.11.2007 - 1 BvR 1840/07) und lediglich kritisiert, dass diese Rechtsprechung keine Gewähr dafür biete, "dass sämtliche atypischen Bedarfslagen berücksichtigt werden" (BVerfG Urteil vom 9.2.2010, aaO). Gerade die Unsicherheit des Anwendungsbereichs der Ausnahmevorschrift des § 73 SGB XII hat das BVerfG dazu bewogen, eine eigenständige Rechtsgrundlage im SGB II für Fälle wie den vorliegenden zu fordern. Hieraus folgt zugleich, dass der vom BVerfG geforderte verfassungsrechtliche Anspruch nicht notwendig ist, soweit dem Begehren des Klägers - jedenfalls für die Vergangenheit - bereits durch die Rechtsprechung zu § 73 SGB XII Rechnung getragen werden kann. So liegen die Verhältnisse hier. Da der Kläger bereits einen (einfachgesetzlichen) Anspruch gegen den Beigeladenen aus § 73 SGB XII hat (hierzu soeben unter 2.), stellt sich die weitere Problematik, inwieweit der vom BVerfG ergänzend geforderte verfassungsrechtliche Anspruch auf Deckung fortlaufender atypischer Bedarfe auch für in der Vergangenheit liegende Zeiträume anwendbar sein muss (vgl hierzu insbesondere das Urteil des 4. Senats des BSG vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - SozR 4-1100 Art 1 Nr 7) nicht. Da das BVerfG - wie ausgeführt - die Rechtsprechung des BSG zu § 73 SGB XII ausdrücklich gebilligt hat(vgl auch Beschluss vom 7.11.2007 - 1 BvR 1840/07), ist daher davon auszugehen, dass eine Leistungspflicht gemäß § 73 SGB XII dem zusätzlich - lediglich im Notfall eines aus Verfassungsgründen zu deckenden Bedarfs, der bislang einfachgesetzlich nicht abgedeckt wurde - eingreifenden verfassungsrechtlichen Anspruch vorgeht.

24

Bei dem Anspruch nach § 73 SGB XII handelt es sich um einen von der Rechtsprechung aus verfassungsrechtlichen Gründen geschaffenen Hilfsanspruch für Leistungsempfänger des SGB II, der diesen ausnahmsweise einen Rückgriff auf das SGB XII ermöglicht. Der Kläger wird in Zukunft seinen Anspruch ohnehin unmittelbar auf § 21 Abs 6 SGB II stützen können, der auf Grund der Entscheidung des BVerfG mit Wirkung zum 3.6.2010 (durch das Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 27.5.2010, BGBl I 671) in das SGB II eingefügt worden ist. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/1465 S 9 zu Nr 2) wird ausdrücklich der dauerhafte Hygienebedarf von HIV-Infizierten als Beispielsfall für die neue gesetzliche Härtefallklausel erwähnt. Für den in der Vergangenheit liegenden - hier streitigen Zeitraum - war hingegen eine einfach-rechtliche Anspruchsgrundlage nur in § 73 SGB XII gegeben.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

Leistungen können auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden.

Tenor

Die Revision des Beigeladenen und die Anschlussrevision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2009 werden zurückgewiesen.

Der Beigeladene hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Erstattung der Kosten für den bei ihm anfallenden Mehrbedarf für Hygiene.

2

Der im Jahre 1968 geborene Kläger ist an HIV erkrankt. Er bezieht neben einer privaten Berufsunfähigkeitsrente vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Durch Bescheid vom 2.11.2007 bzw Änderungsbescheid vom 8.11.2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum von November 2007 bis April 2008 Leistungen in Höhe von monatlich 172,66 Euro. Der Kläger begehrte mit seinem Widerspruch zusätzliche Leistungen wegen vermehrter Aufwendungen für Hygiene im Zusammenhang mit seiner HIV-Erkrankung. Der Beklagte lehnte dies mit Widerspruchsbescheid vom 28.12.2007 ab.

3

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Berlin erhoben. Er hat eine Stellungnahme der Aidshilfe eingereicht, woraus der typische, nicht durch die Regelleistung abgedeckte Bedarf von HIV-Infizierten ersichtlich werde. Er leide krankheitsbedingt an verstärkter Schweißbildung, müsse sich häufiger duschen, mindestens zweimal täglich die Wäsche und alle ein bis zwei Tage die Bettwäsche wechseln. Zudem habe er einen vermehrten Bedarf an Toilettenpapier und müsse Medikamente einnehmen, die er bis zur Zuzahlungsgrenze selbst bezahlen müsse. Der Kläger hatte diesen Mehrbedarf zunächst mit 20,45 Euro monatlich beziffert.

4

Das SG hat das Land Berlin als Träger der Sozialhilfe beigeladen und durch Urteil vom 10.11.2009 den Beigeladenen verurteilt, dem Kläger in der Zeit vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 dem Grunde nach einen Mehraufwand für Hygienebedarf zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage im Hauptantrag gegen den Grundsicherungsträger sei unbegründet. Das SGB II sehe eine Berücksichtigung von krankheitsbedingten Mehraufwendungen gesetzlich nicht vor. Nach § 21 SGB II seien nur die Leistungen für Mehrbedarfe zu gewähren, die dort ausdrücklich normiert worden seien. Auch eine Zuerkennung des geltend gemachten Hygienebedarfs als unabweisbarer Bedarf nach § 23 Abs 1 SGB II komme nicht in Betracht. Jedoch sei der Hilfsantrag zulässig und begründet. Nach § 75 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) könne der Beigeladene als Träger der Sozialhilfe verurteilt werden. Dass der Kläger ein weiteres Klageverfahren direkt gegen den Beigeladenen führe, stünde einer Verurteilung nicht entgegen. Der Anspruch folge aus § 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Der Rückgriff auf das SGB XII sei hier nicht gemäß § 5 Abs 2 SGB II und § 21 SGB XII ausgeschlossen. § 73 SGB XII ermögliche als Auffangklausel in sonstigen Lebenslagen den Einsatz von Sozialhilfemitteln. Auf diese Norm könne dann zurückgegriffen werden, wenn das SGB II einen strukturellen Mangel aufweise, weil es einen bestimmten Bedarfstypus nicht regele. So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Aus den eingereichten Attesten werde ersichtlich, dass der Kläger an den Folgen einer fortgeschrittenen, chronischen HIV-Infektion leide. Es bestünden erhebliche chronische gastrointestinale Beschwerden wie rezidivierender Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, die auch einen dauerhaft erhöhten Hygienebedarf und einen Mehraufwand an Hygienemitteln bedingten. Infolge der Chronizität der Beschwerden des Klägers handele es sich um einen dauerhaft erhöhten Bedarf von nicht lediglich untergeordneter Bedeutung. Der Kläger sei nicht in der Lage, durch Umschichtung der mit der Regelleistung pauschal abgegoltenen Bedarfe die notwendigen Aufwendungen zu bestreiten, ohne dauerhaft eine wesentliche Unterdeckung in anderen Bereichen in Kauf nehmen zu müssen. Die Erkrankung bedinge mithin dauerhaft eine Bedarfslage, die sich von der Bedarfslage anderer erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im Normalfall deutlich unterscheide. Soweit § 73 SGB XII dem Sozialhilfeträger Ermessen einräume, sei dieses hier auf die Verpflichtung zur Leistungserbringung reduziert. Nicht zu entscheiden sei, nach entsprechender Klarstellung des Klagebegehrens, in welcher Höhe der Bedarf zuzuerkennen sei. Für die Verurteilung des Beigeladenen reiche es aus, wenn feststehe, dass der Höhe nach überhaupt irgend ein Geldbetrag zu zahlen sei.

5

Hiergegen wendet sich der Beigeladene mit seiner vom SG durch Beschluss vom 23.12.2009 zugelassenen Sprungrevision. Er rügt eine Verletzung der §§ 21 und 73 SGB XII. Die Annahme des SG, bei Vorliegen eines strukturellen Mangels im SGB II könne auf § 73 SGB XII zurückgegriffen werden, sei vom Gesetz nicht gedeckt. Wenn das SGB II strukturelle Mängel aufweisen sollte, dann müssten diese vom Gesetzgeber selbst im Rahmen des SGB II beseitigt werden. Nach dem SGB II werde die Regelleistung als Pauschale gewährt, mit der alle Bedarfstatbestände des täglichen Lebens abgegolten seien. Es fehle im SGB II an einer gesetzlichen Möglichkeit, die Regelleistung an einen bestimmten besonderen Bedarf anzupassen. Für die Gewährung einer Leistung nach § 73 SGB XII sei darüber hinaus zwingend erforderlich, dass eine sonstige Lebenslage, also eine besondere, atypische Bedarfslage vorliege, was etwa der Fall bei neuen, dem Gesetzgeber so bisher überhaupt nicht bekannten Lebens- und Bedarfslagen wäre. Der Kläger zähle hingegen Symptome einer Erkrankung auf, unter denen eine Vielzahl oder sogar jeder HIV-Infizierte/Aidskranke mehr oder weniger leide. Wäre der Kläger leistungsberechtigt nach dem SGB XII, so hätte darüber hinaus auch geprüft werden müssen, ob eine abweichende Bedarfsfeststellung nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in Betracht käme. Hierzu hätte der Kläger im Einzelnen nachweisen müssen, dass er im konkreten Fall einen höheren Bedarf habe. Schließlich stünden Leistungen nach § 73 SGB XII ausdrücklich im Ermessen des Beigeladenen. Die Entscheidung des SG, dass das Ermessen hier "auf Null" reduziert sei, sei inhaltlich nicht nachvollziehbar begründet worden.

6

Der Beigeladene beantragt,
das Urteil des SG Berlin vom 10. November 2009 zu ändern und die Klage auch gegen den Beigeladenen abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision des Beigeladenen zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Beklagten unter Abänderung des Urteils des SG Berlin und des Bescheids vom 2. November 2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 8. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2007 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 dem Grunde nach einen Mehrbedarf für Hygieneaufwendungen zu gewähren.

8

Der Kläger trägt vor, er lege ausdrücklich Anschlussrevision ein, weil die Verurteilung des beigeladenen Trägers der Sozialhilfe gemäß § 75 Abs 2 und Abs 5 SGG nur subsidiär gegenüber einer Verurteilung des Beklagten sei. Sie komme nur dann in Betracht, wenn die vorrangig zu prüfende Klage gegen den Beklagten keinen Erfolg habe. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09) stehe nunmehr aber fest, dass es einen verfassungsrechtlichen Anspruch direkt gegen den Beklagten bei unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfen gebe. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) habe am 18.2.2010 in dem Verfahren B 4 AS 29/09 R entschieden, dass der vom BVerfG nunmehr anerkannte Anspruch aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz (GG) zur Deckung eines solchen wiederkehrenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs auch in einem laufenden und noch nicht abgeschlossenen Verfahren, dh auch für die Vergangenheit, zu berücksichtigen sei. Deshalb sei auch im vorliegenden Fall vorrangig der Beklagte zu verurteilen.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision des Beigeladenen und die Anschlussrevision
des Klägers zurückzuweisen.

10

Das BVerfG habe in einem Beschluss vom 24.3.2010 (1 BvR 395/09) klargestellt, dass die Härtefallregelung nicht für Zeiten vor der Entscheidung des Ersten Senats des BVerfG vom 9.2.2010 gelten solle. Mithin fehle es im vorliegenden Verfahren für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008 an einer Anspruchsgrundlage iS des § 31 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), um ihn - den Beklagten - verurteilen zu können.

Entscheidungsgründe

11

Die im Übrigen statthafte und zulässige Sprungrevision des Beigeladenen (§ 161 SGG) ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Beigeladenen dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger den aus seiner Aidserkrankung resultierenden Mehrbedarf für Hygiene gemäß § 73 SGB XII zu gewähren(hierzu unter 2.). Eine Verurteilung des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende gemäß § 6 SGB II kam nicht in Betracht, weil es zum streitgegenständlichen Zeitpunkt keine Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers im SGB II gab (1.). Hieran hat sich auch durch das Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09 - SGb 2010, 227) nichts geändert, weshalb auch die Anschlussrevision des Klägers zurückzuweisen war (3.).

12

Streitgegenstand ist ein Anspruch auf Hygienemehrbedarf für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008. Der Beigeladene konnte hier gemäß § 75 Abs 5 SGG in der ab 1.8.2006 (idF des sog Fortentwicklungsgesetzes vom 20.7.2006, BGBl I 1706) geltenden Fassung verurteilt werden (zur Verurteilung des Sozialhilfeträgers bereits vor Änderung des § 75 Abs 5 SGG vgl BSGE 97, 242 = SozR 4-2200 § 20 Nr 1). Dass der Kläger einen weiteren Rechtsstreit gegen den hier Beigeladenen führt, in dem er dessen (direkte) Verurteilung zur Tragung des Hygienebedarfs auf Grundlage der Vorschriften des Fünften Kapitels des SGB XII fordert (S 47 SO 985/08), steht dem nicht entgegen. Dieser Rechtsstreit berührt die Zulässigkeit der Verurteilung des Beigeladenen nicht, zumal die Klage gegen den Beigeladenen in dem gesonderten Rechtsstreit S 47 SO 945/08 später beim SG eingegangen ist. Entgegen der Rechtsansicht des SG könnte die Klage in jenem Rechtsstreit aber wegen anderweitiger Rechtshängigkeit im Hinblick auf das vorliegende Verfahren unzulässig sein (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 94 RdNr 7c).

13

1. Zu Recht hat das SG die Klage gegen den beklagten Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abgewiesen, weil es für den vom Kläger geltend gemachten Mehrbedarf für Hygieneartikel im streitigen Zeitraum im SGB II keine Rechtsgrundlage gab.

14

Der 7b. Senat des BSG hat im Einzelnen in seinem Urteil vom 7.11.2006 begründet (BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; vgl auch das Urteil des erkennenden Senats vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - Schülermonatskarte - SozR 4-4200 § 7 Nr 15), dass die Regelungen des SGB II keine Erhöhung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts über die gesetzliche Pauschale hinaus zulassen. Die Gewährung eines Mehr- oder Sonderbedarfs im SGB II ist nur in den ausdrücklich gesetzlich normierten Fällen möglich. Weder § 21 SGB II in der zum streitigen Zeitpunkt geltenden Fassung noch § 23 Abs 1 SGB II stellten eine Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers dar. Letzteres folgt schon daraus, dass es sich bei dem vom Kläger geltend gemachten Hygienebedarf um einen wiederkehrenden Bedarf handelt, der nur schwer einer darlehensweisen Gewährung zugänglich ist. Insoweit hat der Senat später klargestellt, dass für fortlaufende bzw wiederkehrende Bedarfe § 23 Abs 1 SGB II mit der Möglichkeit einer Darlehensgewährung ausscheidet(vgl zuletzt Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - RdNr 27).

15

2. Zu Recht hat das SG weiterhin entschieden, dass dem Kläger gegen den Beigeladenen ein Anspruch aus § 73 SGB XII zusteht. Hiernach können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Der 7b. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 7.11.2006 (aaO; vgl auch Urteil des Senats vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - Schülermonatskarte - aaO) im Einzelnen dargelegt, wann ein solcher - ausnahmsweiser - Rückgriff auf § 73 SGB XII möglich ist(vgl aaO RdNr 22 ff; kritisch hierzu allerdings etwa Münder, NZS 2008, 617).

16

a) Erforderlich ist zunächst, dass eine sog atypische Bedarfslage vorliegt, weshalb etwa ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für Schulbücher über § 73 SGB XII ausscheidet, weil es sich hier um einen typischen, innerhalb des SGB II zu befriedigenden Bedarf handelt(vgl Urteil des Senats vom 19.8.2010 - B 14 AS 47/09 R). Durch das Abstellen auf eine sog atypische Bedarfslage soll verhindert werden, dass die Norm zu einer allgemeinen Auffangregelung für Leistungsempfänger des SGB II mutiert.

17

Voraussetzung eines Anspruchs nach § 73 SGB XII ist mithin eine besondere Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist. Zu Recht hat das SG ausgeführt, dass die vom Kläger geltend gemachten Bedarfe hier eine sachliche Nähe zu den sog Hilfen zur Gesundheit gemäß §§ 47 ff SGB XII aufweisen. Eine derartige Bedarfslage ist hier darin zu sehen, dass die vom Kläger geltend gemachten Hygienebedarfe auch im System des Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht befriedigt werden können. Zugleich ist auch der Bereich der Grundrechtsausübung tangiert. Es handelt sich nicht um hinzunehmende Bagatellbedürfnisse oder Bedürfnisse ohne Grundrechtsbezug (hierzu Urteil des Senats vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - RdNr 21), vielmehr ist das Recht des Klägers auf Leben (Gesundheit) und körperliche Unversehrtheit gemäß Art 2 Abs 2 GG berührt (zur Bedeutung dieses Grundrechts im Sozialrecht vgl insbesondere BVerfGE 115, 25 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5).

18

Entgegen dem Vorbringen der Revision ist es nicht Voraussetzung des Vorliegens eines atypischen Bedarfs iS des § 73 SGB XII, dass ein solcher Bedarf nur im Einzel- oder Ausnahmefall vorliegt. Gerade bei der vom BSG in seinem Grundsatzurteil vom 7.11.2006 (aaO) zu beurteilenden Konstellation der Kosten des Umgangsrechts nach Scheidung oder Trennung der Eltern handelte es sich um einen Bedarf, der in einer Vielzahl von Fällen vorliegt. Maßgebend für die Atypik einer Bedarfslage ist vielmehr, dass ein den Grundrechtsbereich tangierender Bedarf ungedeckt bleibt, der - worauf auch das BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 hinweist - vom Rechtssystem "eigentlich" gedeckt werden müsste. So liegen die Verhältnisse auch hier.

19

Auf Grund des Revisionsvorbringens ist nochmals (vgl bereits BSGE 97, 242, 250 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 22 f) darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei nicht um eine Frage des erhöhten Bedarfs entsprechend § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII handelt. Das BSG hat bereits damals das systematische Argument, dass das SGB XII nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in seinem für SGB II-Leistungsempfänger verschlossenen Dritten Kapitel bereits die Möglichkeit zur Erhöhung der Leistungssätze biete und deshalb im Sozialhilferecht die Anwendung des § 73 SGB XII ausschließe, was in der Folge auch für SGB II-Leistungsbezieher gelte, angesichts der besonderen Bedeutung des betroffenen Grundrechts zurückgewiesen. Dies gilt in gleichem Maße unter Berücksichtigung der Bedeutung des Grundrechts aus Art 2 Abs 2 GG.

20

b) Die Leistungen, die der Sozialhilfeträger an den Kläger zu erbringen hat, rechtfertigen auch den Einsatz öffentlicher Mittel iS des § 73 SGB XII. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 7.11.2006 (aaO) unter dem Prüfungsgesichtspunkt der Rechtfertigung des Einsatzes öffentlicher Mittel ausdrücklich auf die Möglichkeit des Sozialhilfeträgers hingewiesen, im Rahmen der Ermessenserwägungen die Kosten für das Umgangsrecht (etwa bei der Zurücklegung sehr großer Distanzen oder sehr hoher Kosten) zu beschränken. Hieraus kann im Umkehrschluss auch gefolgert werden, dass auch zu geringe Kosten ggf einen Einsatz öffentlicher Mittel nicht mehr rechtfertigen. Macht ein Kläger nur Bagatellbeträge geltend, so kann eine Verurteilung nach § 73 SGB XII möglicherweise hieran scheitern, weil dann trotz vorliegender Grundrechtsbetroffenheit die entsprechenden Kosten selbst zu tragen wären. Letztlich kann dies hier offen bleiben, weil der Kläger seine zusätzlichen Hygienekosten zunächst auf 20,45 Euro monatlich beziffert hat (und nur auf Anraten des SG zu einem Zahlungsantrag dem Grunde nach übergegangen ist). Jedenfalls bei regelmäßig monatlich anfallenden Kosten in dieser Höhe scheitert ein Klagebegehren nicht bereits an einer in § 73 SGB XII unter dem Gesichtspunkt der Rechtfertigung des Mitteleinsatzes enthaltenen "Bagatellgrenze".

21

c) Hinsichtlich des Bestehens des Anspruchs dem Grunde nach hat das SG zu Recht den Beigeladenen direkt zur Leistung verurteilt. Zwar eröffnet § 73 SGB XII dem Leistungsträger (hier dem Beigeladenen) Ermessen. Hier war jedoch das Ermessen auf Null geschrumpft. Die Verurteilung des Beigeladenen rechtfertigt sich im Übrigen auch daraus, dass auf Grund der besonderen rechtlichen Strukturen im Verhältnis von SGB II, SGB XII und Verfassungsrecht es dem Verwaltungsträger nicht mehr möglich sein darf, seine Leistungspflicht nach einer Verurteilung im Rahmen einer Ermessensentscheidung nochmals grundsätzlich in Frage zu stellen. Zu Recht hat das SG allerdings dem Sozialhilfeträger im Rahmen seiner grundsätzlich bestehenden Leistungspflicht die Möglichkeit eingeräumt, die vom Kläger geltend gemachten Kosten der Höhe nach zu überprüfen.

22

3. Auch die Anschlussrevision des Klägers war zurückzuweisen. Soweit der Kläger hilfsweise geltend macht, nunmehr sei auf Grund des Urteils des BVerfG vom 9.2.2010 (aaO) der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu verurteilen, ist dies nicht zutreffend. Es kann von daher dahinstehen, ob dem Kläger insofern überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite gestanden hätte, weil er vor dem SG bereits die Verurteilung des Beigeladenen (ebenfalls ein öffentlich-rechtlicher Träger) erreicht hatte. Der Senat geht davon aus, dass der vom BVerfG geforderte verfassungsrechtliche Anspruch bei unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfen nur dann eingreift, wenn nicht bereits auf Grund einfach-gesetzlicher Regelungen eine Leistungsgewährung möglich ist.

23

Das BVerfG hat in seinem Urteil (insbesondere RdNr 207) klargestellt, dass der von ihm verfassungsrechtlich abgeleitete, zusätzliche Anspruch immer dann notwendig werde, wenn ein bestimmter fortlaufender atypischer Bedarf außerhalb der Regelleistung des § 20 SGB II nicht gedeckt werden könne. Zugleich hat das BVerfG aber deutlich gemacht, dass es die Rechtsprechung des BSG zu § 73 SGB XII billigt(so schon explizit der Beschluss des BVerfG vom 7.11.2007 - 1 BvR 1840/07) und lediglich kritisiert, dass diese Rechtsprechung keine Gewähr dafür biete, "dass sämtliche atypischen Bedarfslagen berücksichtigt werden" (BVerfG Urteil vom 9.2.2010, aaO). Gerade die Unsicherheit des Anwendungsbereichs der Ausnahmevorschrift des § 73 SGB XII hat das BVerfG dazu bewogen, eine eigenständige Rechtsgrundlage im SGB II für Fälle wie den vorliegenden zu fordern. Hieraus folgt zugleich, dass der vom BVerfG geforderte verfassungsrechtliche Anspruch nicht notwendig ist, soweit dem Begehren des Klägers - jedenfalls für die Vergangenheit - bereits durch die Rechtsprechung zu § 73 SGB XII Rechnung getragen werden kann. So liegen die Verhältnisse hier. Da der Kläger bereits einen (einfachgesetzlichen) Anspruch gegen den Beigeladenen aus § 73 SGB XII hat (hierzu soeben unter 2.), stellt sich die weitere Problematik, inwieweit der vom BVerfG ergänzend geforderte verfassungsrechtliche Anspruch auf Deckung fortlaufender atypischer Bedarfe auch für in der Vergangenheit liegende Zeiträume anwendbar sein muss (vgl hierzu insbesondere das Urteil des 4. Senats des BSG vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - SozR 4-1100 Art 1 Nr 7) nicht. Da das BVerfG - wie ausgeführt - die Rechtsprechung des BSG zu § 73 SGB XII ausdrücklich gebilligt hat(vgl auch Beschluss vom 7.11.2007 - 1 BvR 1840/07), ist daher davon auszugehen, dass eine Leistungspflicht gemäß § 73 SGB XII dem zusätzlich - lediglich im Notfall eines aus Verfassungsgründen zu deckenden Bedarfs, der bislang einfachgesetzlich nicht abgedeckt wurde - eingreifenden verfassungsrechtlichen Anspruch vorgeht.

24

Bei dem Anspruch nach § 73 SGB XII handelt es sich um einen von der Rechtsprechung aus verfassungsrechtlichen Gründen geschaffenen Hilfsanspruch für Leistungsempfänger des SGB II, der diesen ausnahmsweise einen Rückgriff auf das SGB XII ermöglicht. Der Kläger wird in Zukunft seinen Anspruch ohnehin unmittelbar auf § 21 Abs 6 SGB II stützen können, der auf Grund der Entscheidung des BVerfG mit Wirkung zum 3.6.2010 (durch das Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 27.5.2010, BGBl I 671) in das SGB II eingefügt worden ist. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/1465 S 9 zu Nr 2) wird ausdrücklich der dauerhafte Hygienebedarf von HIV-Infizierten als Beispielsfall für die neue gesetzliche Härtefallklausel erwähnt. Für den in der Vergangenheit liegenden - hier streitigen Zeitraum - war hingegen eine einfach-rechtliche Anspruchsgrundlage nur in § 73 SGB XII gegeben.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 3. Dezember 2009 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Übernahme der Kosten für Schulbedarf der drei Kläger im Schuljahr 2006/2007 als Leistung nach dem SGB II oder SGB XII.

2

Die Kläger zu 1 und 2 besuchten im benannten Schuljahr die Grund- bzw Sekundarschule. Der Kläger zu 3 wurde im Schuljahr 2006/2007 eingeschult. Der Beklagte bewilligte ihnen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Mutter sowie weiteren Geschwistern durch Bescheid vom 27.6.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.12.2006. Auf den Antrag der Kläger vom 30.6.2006 lehnte der Beklagte die Übernahme von Aufwendungen für Schulbedarf (ua Arbeitsmittel, Arbeitsmaterialien, Schulbücher, Turnzeug, Schultüte und Einschulungsfeier) der drei Kläger durch Bescheid vom 5.7.2006 ab. Den Widerspruch hiergegen wies er durch Widerspruchsbescheid vom 9.8.2006 zurück.

3

Im vorläufigen Rechtsschutz verpflichtete das SG Magdeburg den Beklagten, den Klägern 198,65 Euro darlehensweise zur Bestreitung des geltend gemachten Bedarfs zu gewähren. Der Beklagte führte diese Anordnung durch Bescheid vom 15.9.2006 aus und bestimmte eine Tilgungsverpflichtung aufgeteilt in zwei Monatsraten ab Oktober 2006.

4

Im Klageverfahren verurteilte das SG den Beklagten, die darlehensweise gewährten Leistungen als Beihilfe zu zahlen. Einer Rückzahlungsverpflichtung stehe entgegen, dass es sich um Bildungsbedarf handele, was Verfassungsrang habe und daher das Ermessen des Grundsicherungsträgers im Hinblick auf die Rückzahlungsverpflichtung auf Null reduziert sei. Allerdings sei die Klage unbegründet, soweit Bedarfe für die Einschulungsfeier, die Schultüte und das Turnzeug geltend gemacht würden (Urteil vom 22.5.2007).

5

Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG Sachsen-Anhalt das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass den Klägern kein rückzahlungsfreies Darlehen nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II zustehe. Die Tilgung sei dort zwingend vorgeschrieben und Gründe für einen Erlass der Rückzahlungsverpflichtung seien nicht gegeben. Ebenso wenig folge ein Anspruch auf die Übernahme der geltend gemachten Aufwendungen aus § 23 Abs 3 SGB II. Bei den dort benannten "Sonderbedarfen" handele es sich nicht um schulisch bedingte Aufwendungen. Dieses gelte auch für Leistungen für Mehrbedarfe nach § 21 SGB II. Ein Anspruch gegen den - vom LSG beigeladenen - Sozialhilfeträger aus § 73 SGB XII scheitere bereits daran, dass es sich hier weder um eine atypische Bedarfslage handele, noch es an einer Anspruchsgrundlage im SGB II mangele, denn die darlehensweise Gewährung von Leistungen zur Deckung der Schulbedarfe sei möglich und hier auch erfolgt(§ 23 Abs 1 Satz 1 SGB II). Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 SGB XII, also einer Behinderung oder drohenden Behinderung seien nicht vorhanden. Aus der UN-Kinderrechtskonvention könne kein Individualleistungsanspruch abgeleitet werden (Urteil vom 3.12.2009).

6

Die Kläger haben die vom LSG zugelassene Revision zum BSG eingelegt. Sie rügen eine Verletzung von §§ 11, 20 SGB II und 73 SGB XII. Durch die Regelleistung seien keine "Schulbedarfe" von Kindern und Jugendlichen gedeckt. Die Abteilung 10 (Bildung) der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe sei bei der Bemessung des Regelsatzes außer Betracht geblieben. Dennoch seien Lernmittel ein unabweisbarer Bedarf - sie seien Grundvoraussetzung für die Wahrnehmung des Rechts auf Bildung und Teilnahme am Schulunterricht. In der Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur) seien zwar Bestandteile für Bücher, Broschüren und Schreibwaren sowie Sportartikel enthalten. Der hierfür angesetzte Betrag reiche jedoch nicht aus, um den "Schulbedarf" zu decken und müsse zudem auch für den Freizeitbedarf eines Kindes insoweit genutzt werden. Ein Ansparen sei den Klägern nicht möglich gewesen. Schulbedarf stelle zudem auch einen atypischen Bedarf dar, denn nur 11,2 % der Bevölkerung besuchten eine Schule, sodass im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung insoweit nicht von einem Regelbedarf ausgegangen werden könne. Dieser atypische Bedarf rechtfertige auch den Einsatz öffentlicher Mittel, sodass zumindest § 73 SGB XII eine Anspruchsgrundlage für die Deckung des geltend gemachten Bedarfs sei. Folge man dem nicht, so müsse wenigstens die Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen der Kinder in Höhe des Schulbedarfs außer Betracht bleiben.

7

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 3. Dezember 2009 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Mai 2007 zurückzuweisen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

9

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend. Ergänzend weist er darauf hin, dass das Kindergeld den individuellen Bedarf eines jeden Kindes decke und keine Anrechnung von Einkommen bei minderjährigen Kindern erfolge.

10

Der Beigeladene schließt sich dem Antrag des Beklagten an.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässigen Revisionen sind unbegründet.

12

Zu Recht hat das LSG einen Anspruch der Kläger auf Übernahme der Aufwendungen für Schulbedarfe für das Schuljahr 2006/2007 als Zuschussleistung nach dem SGB II verneint. Der Senat schließt sich der Entscheidung des 14. Senats des BSG vom 19.8.2010 (B 14 AS 47/09 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 2) an und nimmt, um Wiederholungen zu vermeiden, auf deren Begründung ausdrücklich und vollständig Bezug (3.). Auch über die in dieser Entscheidung abgehandelten Anspruchsgrundlagen der §§ 21, 23 Abs 3 und 24a SGB II, § 73 SGB XII und einem Anspruch direkt aus der Verfassung auf Grundlage der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09 - BVerfGE 125, 175 ff) hinaus ist keine Rechtsgrundlage für die von den Klägern begehrte Leistung vorhanden. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die begehrte Leistung als rückzahlungsfreies Darlehen nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II(4.). Der Schulbedarf ist auch nicht vom Kindergeld als zur Bedarfsdeckung bei den Klägern dienendes Einkommen vorab in Abzug zu bringen (5.).

13

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig(vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua - B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

14

Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt(BSG Urteile vom 18.1.2011, ua - B 4 AS 99/10 R).

15

2. Streitgegenstände sind die Ansprüche der Kläger auf Übernahme des geltend gemachten Schulbedarfs über die der Beklagte mit dem Bescheid vom 5.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.8.2006 allein entschieden hat. Dabei handelt es sich um eigenständige abtrennbare Streitgegenstände, die isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden können (vgl BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 13; s auch BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2 ). Die Ansprüche stünden allein den Klägern zu. Zwar bilden die Kläger mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II, Leistungen für Schulbedarfe sind jedoch individuell nur ihnen zuzuordnen, vergleichbar denen für Klassenfahrt(vgl BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2; s jedoch zur mangelnden Abtrennbarkeit bei Mehrbedarfsleistungen nach § 21 SGB II, die hier jedoch nicht in Betracht kommen: BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 44/09 R; BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9).

16

3. Unter Bezugnahme auf die Einzelheiten der Begründung der Entscheidung des 14. Senats vom 19.8.2010 (B 14 AS 47/09 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 2) weist der erkennende Senat darauf hin, dass er mit dem 7b. Senat (Urteil vom 7.11.2006 - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1) und dem 14. Senat des BSG (Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 15) davon ausgeht, dass eine abweichende Festsetzung der pauschalierten Regelleistung nach § 20 SGB II durch die Gerichte - etwa in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII - grundsätzlich nicht möglich ist. Für die von den Klägern begehrten Kosten für Schulbedarf fehlte es im streitigen Zeitraum im System der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auch sonst an einer Anspruchsgrundlage. Schulbücher waren weder als Mehrbedarfe in § 21 SGB II gesondert normiert, noch als Sonderbedarfe nach § 23 Abs 3 SGB II vorgesehen. § 23 Abs 3 Nr 3 SGB II enthält lediglich eine ausdrückliche Regelung für eine Kostenpflicht bei mehrtägigen Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen. Diese Abgeschlossenheit des Systems des SGB II hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) nochmals betont. In das Gesetz wurde § 3 Abs 3 Satz 1 Halbs 2 und Satz 2 SGB II eingefügt. Hiernach decken die nach dem SGB II vorgesehenen Leistungen den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Eine davon abweichende Festlegung der Bedarfe ist ausgeschlossen (vgl hierzu auch BSG Urteil vom 28.10.2009 - SozR 4-4200 § 7 Nr 15 RdNr 17).

17

Zutreffend ist auch eine Verurteilung des Beigeladenen auf Grundlage von § 73 SGB XII unterblieben. Der hier geltend gemachte Schulbedarf war Teil des existenziellen Bedarfs der Kläger, der auch im Jahre 2006 durch das SGB II und ggf die Regelleistung in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB II hätte gedeckt werden müssen. Zwar normiert das SGB II keine ausreichende Leistung bzw keinen gesetzlichen Anspruch für den Schulbedarf. Gleichwohl ist ein Anspruch auf Leistungen für Schulbedarf jedoch auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gegeben. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 9.2.2010 (aaO), in dem es die Regelungen über die Regelleistung nach dem SGB II für unvereinbar mit Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG erklärt hat, zugleich klargestellt, dass eine rückwirkende Leistungsgewährung nicht notwendig ist (vgl insbesondere RdNr 217). Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 9.2.2010 (aaO) lediglich gefordert, dass für unabweisbare, laufende, nicht nur einmalige, besondere Bedarfe ein zusätzlicher verfassungsrechtlicher Anspruch auf Leistungsgewährung besteht. Der erkennende Senat hat diesen oder einen derartigen Anspruch auch für bereits abgelaufene Zeiträume während eines noch laufenden Rechtsstreits bejaht (BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7; vgl auch BVerfG Beschluss vom 24.3.2010 - 1 BvR 395/09). Dieser verfassungsrechtliche Anspruch greift hier jedoch schon deshalb nicht ein, weil es sich bei dem von den Klägern geltend gemachten Erstattungsansprüchen wegen Schulbedarfs nicht um einen solchen besonderen Bedarf handelt. Vielmehr geht es um einen Anspruch, der vom BVerfG (aaO, RdNr 192, siehe oben unter 3.) dem grundgesetzlich geschützten Existenzminimum zugerechnet wurde. Für solche "typischen" Bedarfe ist der neue verfassungsrechtliche Anspruch ersichtlich nicht gedacht. Eine rückwirkende Anwendung des § 24a SGB II kommt ebenfalls nicht in Betracht.

18

4. Zutreffend hat das LSG auch einen Anspruch der Kläger auf ein rückzahlungsfreies Darlehen zur Deckung des geltend gemachten Schulbedarfs verneint. Nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II kann die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis, soweit im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung erbringen und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Das Darlehen wird durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 vom Hundert der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB II). Weitergehende Leistungen sind ausgeschlossen (§ 23 Abs 1 Satz 4 SGB II). Die Regelung des § 23 Abs 1 SGB II sieht mithin eine Tilgung des Darlehens zwingend vor. Der Gewährung einer von vornherein rückzahlungsfreien Darlehensleistung fehlt es im SGB II an einer Rechtsgrundlage.

19

Soweit das LSG an dieser Stelle den Erlass der Darlehenstilgung iS des § 44 SGB II prüft, ist ein derartiger Erlassanspruch nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Zwar kann ggf durch einen Erlass nach § 44 SGB II - möglichen, wie oben dargelegten verfassungswidrigen - Bedarfsunterdeckungen durch die Darlehenstilgung entgegengewirkt werden(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1). Der Erlass kann jedoch regelmäßig erst nachträglich erfolgen, denn würde er mit der Darlehensgewährung verbunden, würde er diese damit ad absurdum führen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1). Der Erlass iS des § 44 SGB II, der im Ermessen des Trägers von Leistungen nach dem SGB II steht, wenn die Einziehung der Ansprüche unbillig wäre, setzt zudem eine Verwaltungsentscheidung des Trägers hierüber voraus, woran es vorliegend bisher mangelt. Der Bescheid vom 15.9.2006, mit dem der Beklagte nicht nur den Beschluss des SG Magdeburg ausgeführt, sondern auch eine selbstständige Verfügung im Hinblick auf die Tilgung des Darlehens getroffen hat, ist bindend geworden.

20

Die Rückzahlungsfreiheit des Darlehens kann auch nicht auf einen aus § 44 SGB II zu ziehenden Schutzgedanken gegründet werden(vgl hierzu BSG Urteil vom 31.10.1991 - 7 RAr 60/89 - SozR 1300 § 45 Nr 10). Eine solche Anknüpfung wäre im Ergebnis eine Umgehung der vom Gesetzgeber ausgeschlossenen Erhöhung der Regelsätze [Es wird auf die Ausführungen unter Nr 3. verwiesen.] sowie der zwingend vorgesehen Tilgung des Darlehens. Im Hinblick auf die auch vom BVerfG anerkannten Spielräume, die die pauschalierte Regelleistung belässt, und die von ihm befundenen Einspar- und Ansparmöglichkeiten gefährdet eine Tilgung aus der Grundsicherungsleistung auch nicht per se die Existenz. Daher sind in erster Linie die sich aus § 23 Abs 1 Satz 3 SGB II folgenden Spielräume bei der Entscheidung über die Tilgungsmodalitäten vom Grundsicherungsträger zu nutzen und ist bei der Bestimmung der Höhe der Tilgungsraten darauf abzustellen, dass durch die Tilgung des Darlehens der Zweck der SGB II-Leistungen die Existenzsicherung nicht gefährdet wird. Der Heranziehung eines Schutzgedankens aus § 44 SGB II, wie er etwa von der Rechtsprechung § 76 SGB IV im Hinblick auf die Durchsetzung von Forderungen der Sozialversicherungsträger gegen Versicherte(vgl BSG Urteil 10.6.1980 - 4 RJ 115/79 - BSGE 50, 144 = SozR 2200 § 1301 Nr 13)entnommen worden ist, bedarf es im SGB II mithin nicht. Insoweit trägt das Gesetz selbst - mit der Möglichkeit, die Höhe der Tilgungsraten individuell zu bestimmen sowie den gesetzlichen Vorgaben des Erlasses nach § 44 SGB II - dem Schutz des Leistungsempfängers vor existenzgefährdenden Belastungen bereits Rechnung.

21

5. Eine Berücksichtigung des Schulbedarfs bei der Höhe des Betrags des Kindergeldes, das zur Bedarfsdeckung der leistungsberechtigten Kinder nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II einzusetzen ist, führt hier ebenfalls nicht zum Erfolg der Revisionen.

22

Ein derartiges Begehren hat eine Minderung des Einkommens bei der Berechnung der Regelleistung - hier Sozialgeld der Kläger - und damit die Gewährung einer höheren Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts zum Ziel. Der Anspruch auf höheres Sozialgeld ist jedoch nicht Streitgegenstand des Verfahrens. Die Kläger haben mit der Klage, die diesem Revisionsverfahren zu Grunde liegt, nur den auf eine Leistung für Schulbedarfe begrenzten Bescheid vom 5.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.8.2006 angefochten. Es wird insoweit auf die Ausführungen zu 2. verwiesen. Über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch den Bescheid vom 27.6.2006 ist hier nicht zu befinden.

23

Die Kläger könnten mit ihrem Begehren jedoch auch materiell-rechtlich nicht durchdringen. Nach § 11 Abs 1 SGB II ist das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Kindergeld soll gemäß § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II vorrangig zur Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes verwendet werden. Daher nimmt das Kindergeld ebenso wie das sonstige Einkommen und Vermögen des minderjährigen Kindes nicht an der Einkommensverteilung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II teil (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 4; Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 39/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 23). Das Kindergeld soll dem jeweiligen Kind in der Bedarfsgemeinschaft umfassend zur Verfügung stehen, soweit sein Bedarf nicht anderweitig gedeckt ist und solange das Kind in der Bedarfsgemeinschaft lebt. Das Kindergeld dient dort der Existenzsicherung des Kindes, wie die Kläger selbst zutreffend ausführen, also auch zur Deckung des Schulbedarfs. Soll es diesen Zweck nicht verfehlen, darf nicht zugleich, bevor es zur Bedarfsdeckung eingesetzt wird, ein Teil herausgerechnet werden.

24

Auch mit der Auffassung, das Kindergeld sei in Höhe des Schulbedarfs als zweckbestimmte Einnahme anzusehen und daher nicht als Einkommen bei der Berechnung des Sozialgeldes zu berücksichtigen, vermögen die Kläger nicht durchzudringen. Das Kindergeld ist aufgrund seiner Bindung zur Bedarfsdeckung beim Kind zwar eine an die Person gebundene Leistung, die allerdings dem selben Zweck wie die SGB II-Leistung dient, nämlich der Sicherung des Lebensunterhalts (s zur Zweckidentität BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 67/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 28). Deshalb ist das Kindergeld auch nicht ganz oder teilweise von der Einkommensberücksichtigung als zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 SGB II auszunehmen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. August 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.1.2008 - über Leistungen für Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 Nr 2 SGB II hinaus - während ihrer Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin.

2

Die am 1956 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und lebt mit ihrer 1990 geborenen Tochter in einer Bedarfsgemeinschaft. Die Klägerin absolvierte zwischen 1989 und 1995 ein Studium, das sie mit der Prüfung zur Diplom-Ingenieurin im Bereich Architektur beendete. In den letzten Jahren vor dem hier streitigen Zeitraum arbeitete sie nicht mehr in diesem Beruf. Zwischen 24.10.2005 und 31.3.2006 bezog sie erstmals Leistungen nach dem SGB II, damals noch in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann. Durch Bescheid vom 31.3.2006 hob die Beklagte die Bewilligung vom 19.1.2006 mit der Begründung auf, der Bedarf der Familie sei durch Einkommen aus der selbstständigen Erwerbstätigkeit des Ehemannes gedeckt.

3

Am 28.12.2006 beantragte die Klägerin erneut Leistungen nach dem SGB II, nachdem ihr Ehemann und sie sich getrennt hatten und dieser keinen Unterhalt mehr zahlte. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 4.5.2007 für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2007 Leistungen für Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 Nr 2 SGB II und der Tochter Sozialgeld einschließlich der kopfteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Für die Zeit vom 28.12.2006 bis 31.1.2007 lehnte sie eine Leistungsgewährung mit der Begründung ab, der Bedarf der Klägerin und ihrer Tochter sei durch Vermögen des Kindes gedeckt. Weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Klägerin gewährte die Beklagte nicht, weil die Klägerin nach § 7 Abs 5 SGB II - mit Ausnahme der Leistungen für Mehrbedarf - von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Bei dieser Auffassung verblieb sie auch für den hier streitigen Zeitraum (Bescheid vom 2.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2008). Die Klägerin hatte am 1.9.2006 eine Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin an den H-Schulen in B begonnen. Die Ausbildung ist nach Auskunft der Bezirksregierung K und der Schulleitung nach § 2 BAföG förderfähig. Die schulische Ausbildung war bis Ende August 2008 geplant. Danach sollte ein halbjähriges Apothekenpraktikum (1.9.2008 bis 28.2.2009) folgen. Für diese außerbetriebliche Ausbildung stellte ihr die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Bonn - am 21.6.2006 einen Bildungsgutschein gemäß § 77 Abs 3 SGB III aus, mit Zusage der Übernahme der Lehrgangskosten bis zu 24 Monaten, einschließlich eines notwendigen Betriebspraktikums in Vollzeit sowie Fahrtkosten.

4

Das SG Köln hat die Klage auf Alg II für die Klägerin abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 10.9.2008). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 2.7.2007 sei zwar entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verspätet eingelegt worden. Die Klägerin habe jedoch gleichwohl keinen Anspruch auf weitere SGB II-Leistungen. Sie habe eine dem Grunde nach, gemäß § 2 Abs 1 Nr 2 BAföG förderfähige Ausbildung durchlaufen und sei daher nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Ausnahme der Leistungen für Mehrbedarf ausgeschlossen. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Klägerin hiergegen mit der gleichen Begründung zurückgewiesen (Urteil vom 10.8.2009). Ergänzend hat es ausgeführt, im Falle der Klägerin führten lediglich individuelle Versagensgründe - hier die Überschreitung der maximalen Altersgrenze für Förderleistungen nach dem BAföG - zum Ausschluss von Ausbildungsleistungen zur Lebensunterhaltssicherung. Die Gewährung von Alg II würde mithin im Falle der Klägerin zu einer Ausbildungsförderung auf einer weiteren Ebene (neben BAföG/SGB III) führen, was dem reinen Existenzsicherungszweck der Leistungen nach dem SGB II zuwider laufe. Es sei hier auch nicht deswegen eine Ausnahme zu machen, weil die Maßnahme mit einem Bildungsgutschein der BA nach § 77 SGB III gefördert worden sei. Unter Heranziehung von objektiven Kriterien zur Bestimmung des Charakters der Maßnahme im Sinne der Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung von Aus- und Weiterbildung (SozR 4-4300 § 77 Nr 2; B 11a AL 23/05 R und B 7/7a AL 68/06 R) handele es sich hier um Ausbildung und nicht um Weiterbildung. Die staatlicher Regelung unterliegende Schulung ziele auf den Erwerb von Kenntnissen in einem anerkannten Ausbildungsberuf ab. Sie setze zwar einen mittleren Berufsabschluss, jedoch keine berufliche Vorerfahrung oder Qualifikation voraus. Insoweit seien die Entscheidungen des LSG Berlin-Brandenburg vom 16.8.2005 (L 5 B 52/05 AS ER) und des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 4.7.2008 (L 3 AS 47/07) nicht übertragbar. Daher könne es auch dahinstehen, ob und ggf aus welchem Grund der Gesetzgeber von einem Leistungsausschluss nach dem SGB II im Falle von nach § 77 SGB III förderbaren Maßnahmen Abstand genommen habe.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 7 Abs 5 SGB II. Diese Vorschrift sei im Falle einer beruflichen Weiterbildung nach ihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck nicht anwendbar. Jede andere Handhabung würde dem Prinzip des Forderns und Förderns zuwider laufen, denn die Ablehnung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bedeute letztlich, dass sie die Ausbildung abbrechen müsse, um ggf mit einer anderen Fördermaßnahme zu einer Chance zu gelangen die Arbeitslosigkeit zu überwinden. Zudem könne es nicht darauf ankommen, dass die Maßnahme nach Auffassung des LSG keine zur Weiterbildung sei, denn insoweit müsse ihr Vertrauensschutz iS des Vertrauens in die Richtigkeit der sie begünstigenden Entscheidung der BA zugestanden werden.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10.8.2009 und den Gerichtsbescheid des SG Köln vom 10.9.2008 aufzuheben, den Bescheid vom 2.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2008 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr im Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.1.2008 Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe - über die Leistungen für Mehrbedarf für Alleinerziehung hinaus - als Zuschuss zu gewähren.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie verweist auf die Ausführungen des LSG und führt ergänzend aus, bereits die Förderfähigkeit der Ausbildung der Klägerin nach den Vorschriften des BAföG schließe eine Leistungsgewährung nach dem SGB II aus. Die Klägerin habe zudem nicht auf die Entscheidung der BA vertrauen können, denn die Weiterbildungsleistung sei unter der Bedingung bewilligt worden, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln sicher stellen könne. Der Klägerin sei in einem Vermittlungsgespräch bei der Beklagten vor Antritt der Maßnahme auch bereits dargelegt worden, dass eine Förderung der Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin durch den SGB II-Leistungsträger nicht erfolgen könne. Leistungen in Darlehensform habe sie nicht begehrt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet.

10

Der Senat vermochte nicht abschließend zu entscheiden, ob der Klägerin im Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.1.2008 Alg II nach dem Gesetz über die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) - über die bereits bewilligten Leistungen für Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 Nr 2 SGB II hinaus - zustehen.

11

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 2.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2008, mit dem die Beklagte für den Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.1.2008 ua die Gewährung von Alg II an die Klägerin - über Leistungen für Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 Nr 2 SGB II hinaus - abgelehnt hat. Zwar betreffen auch die Bescheide vom 15.11.2007 und 20.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2008 und der Überprüfungsbescheid nach § 44 SGB X vom 4.5.2007 Leistungen für die Klägerin im zuvor benannten Zeitraum. Die Beteiligten haben jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG und schriftlich sowie zur Niederschrift der mündlichen Verhandlung gegenüber dem erkennenden Senat erklärt, sich insoweit der rechtskräftigen Entscheidung über den eingangs benannten Bescheid zu unterwerfen. Die Klägerin hat den Streitgegenstand durch ihren Antrag bereits im Klageverfahren auf Leistungen für sich und durch den Berufungsantrag auf den Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.1.2008 begrenzt. In der mündlichen Verhandlung vor dem BSG hat sie zudem auf ein Darlehen nach § 7 Abs 5 Satz 2 SGB II verzichtet, sodass nur noch Zuschussleistungen im Streit stehen. Bescheide für weitere Leistungszeiträume sind auch nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden. § 96 SGG greift in Angelegenheiten des SGB II nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht durch(s nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; BSG Urteil vom 29.3.2007 - B 7b AS 4/06 R; BSG Urteil vom 25.6.2008 - B 11b AS 45/06 R).

12

Der Anspruch der Klägerin auf die begehrten Leistungen scheitert nicht bereits daran, dass der Bescheid vom 2.7.2007 bindend geworden wäre, weil sie den Widerspruch nicht innerhalb der Frist des § 84 Abs 1 Satz 1 SGG bei der Beklagten eingelegt hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG hat die Klägerin innerhalb der Widerspruchsfrist Widerspruch bei der Oberbürgermeisterin der Stadt B eingelegt. Damit hat sie fristgerecht Widerspruch erhoben, denn nach § 84 Abs 2 Satz 1 SGG gilt die Frist zur Erhebung des Widerspruchs auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde eingegangen ist. Die Ausführungen des LSG zur Fristwahrung dieser Handlung sind nicht zu beanstanden.

13

Die Klägerin ist auch grundsätzlich leistungsberechtigt nach dem SGB II. Aus den bindenden Feststellungen des LSG in Verbindung mit dem Akteninhalt folgt, dass sie, wie nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt(BGBl I 2003, 2954) erforderlich, das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, 2. erwerbsfähig und 3. hilfebedürftig ist sowie 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Sie ist damit eine erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne der zuvor benannten Norm.

14

Allerdings vermochte der Senat nicht abschließend zu entscheiden, ob dem Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II entgegensteht. Insoweit gilt hier: Die nach den Feststellungen des LSG dem Grunde nach im Rahmen des BAföG förderungsfähige Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin an den H-Schulen bewirkt grundsätzlich einen Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II. Unerheblich ist, dass die Klägerin gleichwohl keine Leistungen nach dem BAföG erhält, denn hierfür sind nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II unbeachtliche, in ihrer Person liegende Gründe verantwortlich (1.). Unabhängig von der grundsätzlichen Förderfähigkeit der Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin nach dem BAföG könnte die Klägerin allerdings dann einen Anspruch auf die Regelleistung sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung haben, wenn sie diese Ausbildung nicht als schulische Berufsausbildung, sondern im Rahmen einer beruflichen Weiterbildung iS des § 77 SGB III absolviert haben sollte. Die Förderung einer "Ausbildung" nach § 77 SGB III führt nicht zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II. Ob es sich im konkreten Fall um eine "Weiterbildungsmaßnahme" handelt, wird das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren zu klären haben (2.).

15

1. Die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses sind im vorliegenden Fall grundsätzlich erfüllt. Keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist. Sollte es sich bei der von der Klägerin am 1.9.2006 begonnenen Maßnahme um eine Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin handeln, wäre diese dem Grunde nach förderungsfähig im Sinne dieser Vorschrift.

16

Nach den bindenden Feststellungen des LSG befindet sich die Klägerin seit dem 1.9.2006 in einer Bildungsmaßnahme zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin. Als Ausbildung ist die Maßnahme grundsätzlich nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BAföG förderfähig. Nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BAföG idF des 13. Gesetzes zur Änderung des BAföG vom 20.12.1990 (BGBl I 2982 , mWv 1.8.1990) wird Ausbildungsförderung geleistet für den Besuch von Berufsfachschulklassen und Fachschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, sofern sie in einem zumindest zweijährigen Bildungsgang einen berufsqualifizierenden Abschluss vermitteln. Diesen Voraussetzungen entspricht die Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin nach den vom LSG beigezogenen Auskünften der Bezirksregierung K vom 11.10.2008 und der Schulleitung der H-Schulen vom 14.1.2008 dem Grunde nach. Die Klägerin wäre damit grundsätzlich von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen.

17

Unerheblich ist insoweit, dass sie tatsächlich - aus den Gründen des § 10 Abs 3 Satz 1 BAföG(idF des BAföG vom 6.6.1983, BGBl I 645) - kein BAföG erhält. Nach § 10 Abs 3 Satz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung nicht geleistet, wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den er Ausbildungsförderung beantragt, das 30. Lebensjahr vollendet hat. Das war am 1.9.2006 - dem Beginn der Ausbildung - bei der am 21.4.1956 geborenen Klägerin der Fall. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme hiervon nach Satz 2 des Abs 3 dieser Vorschrift idF des 21. Gesetzes zur Änderung des BAföG ( vom 2.12.2004, BGBl I 3127 mWv 8.12.2004) erfüllt die Klägerin nicht. Das Vorliegen individueller Versagensgründe steht dem Leistungsausschluss iS des § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II jedoch nicht entgegen. Entscheidend ist nicht die tatsächliche Förderung der betreffenden Person, sondern die Förderfähigkeit der Ausbildung selbst. Allein letztere zieht bereits die Folge des § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II nach sich (BSG Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6; BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 28/07 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 9; s auch zum Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gemäß § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II eines Studenten, dessen Hochschulstudium nach § 2 BAföG abstrakt förderungsfähig ist, der aber Ausbildungsförderung nicht bezieht, ua weil er die Altersgrenze des § 10 Abs 3 BAföG überschritten hat, BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 67/08 R; vgl auch Brühl/Schoch in Münder, SGB II, 3. Aufl 2007, § 7 RdNr 114; S. Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2009, § 7 SGB II RdNr 36 auch im Hinblick auf die Altersgrenze; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 95; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Feb IV/08, RdNr 87). Eine der in § 7 Abs 6 SGB II geregelten Ausnahmen liegt hier nicht vor(vgl hierzu BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 28/07 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 9; BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 61/08 R, zur Veröffentlichung vorgesehen ).

18

2. Die Klägerin könnte allerdings dann von der Wirkung des § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II ausgenommen sein, wenn die Ausbildungsförderung nach den Regeln der §§ 77 ff SGB III erfolgt ist. Denn Maßnahmen im Rahmen der beruflichen Weiterbildung begründen keinen Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dieses gilt unabhängig von der grundsätzlichen Förderfähigkeit der schulischen Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin nach dem BAföG.

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Die Ausnahme vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II bei Weiterbildungsmaßnahmen folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Es werden dort ausdrücklich nur die Förderungen nach dem BAföG und der beruflichen Ausbildung nach §§ 60 bis 62 SGB III erwähnt(vgl Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 7 RdNr 119; Valgolio in Hauck/Noftz SGB II, Stand IV/2008, § 7 RdNr 90 ff). Als gesetzgeberisches Versehen kann dies nicht gewertet werden.

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Die Gesetzesbegründung legt nahe, dass vom Leistungsausschluss nur diejenigen Personen erfasst werden sollen, deren Ausbildung tatsächlich nach dem BAföG oder den §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderfähig ist. In der Gesetzesbegründung wird auf den Gleichklang des SGB II mit dem Referenzsystem des SGB XII Bezug genommen (Ausschussbericht BT-Drucks 15/1749, S 31). Auch dort wird heute (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB XII) ausschließlich auf die Förderfähigkeit der Ausbildung nach dem BAföG bzw den §§ 60 bis 62 SGB III abgestellt. Insoweit knüpft das SGB XII an die Regelungen des § 26 BSHG an. Doch nicht erst zu § 26 BSHG in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung, sondern bereits zu den Vorfassungen, in denen der Leistungsausschluss in Abhängigkeit zur Förderfähigkeit von "Ausbildung" im Rahmen des BAföG oder AFG stand, hat das BVerwG in ständiger Rechtsprechung entschieden, die berufliche Weiterbildung sei nicht unter den Begriff der "Ausbildung" zu subsumieren (so auch Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 25; Niewald in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 22 RdNr 21). Zur Begründung führt es aus: Mit dem, mit Wirkung vom 1.1.1982 durch Art 21 Nr 8 und 10 2. HStruktG neu eingefügten § 26 BSHG werde zwar das Ziel verfolgt, die Sozialhilfe (ursprünglich in der Gestalt der Ausbildungshilfe, später in der Gestalt der Hilfe zum Lebensunterhalt) von Kosten zu befreien, die mit der Finanzierung von Ausbildungen verbunden seien. Angesichts dessen hätte es jedoch einer ausdrücklichen und eindeutigen gesetzlichen Verlautbarung bedurft, nach der auch Personen, die sich im Rahmen des AFG einer dem Grunde nach förderungsfähigen Umschulung unterziehen, im Regelfall von der Leistung von Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen sein sollten. Aus dem verwendeten Wort "Ausbildung" lasse sich weder nach dessen Inhalt (Sinn), noch dem allgemeinen Sprachgebrauch herleiten, etwa eine Umschulung werde von § 26 Satz 1 BSHG erfasst; denn der Ausschluss vom Anspruch auf die Hilfe zum Lebensunterhalt solle nur für eine Ausbildung gelten, die entweder im Rahmen des BAföG oder im Rahmen des AFG dem Grunde nach förderungsfähig sei. Daher müsse der Begriff "Ausbildung" aus der Sicht des einen oder des anderen Gesetzes interpretiert werden. Insbesondere das AFG differenziere jedoch zwischen "Ausbildung" und "Fort- bzw Weiterbildung". Sie unterschieden sich konzeptionell, begrifflich und inhaltlich. Unter dem Begriff "Ausbildung im Rahmen des AFG" in § 26 Satz 1 BSHG sei in Abgrenzung zur beruflichen Fortbildung und zur beruflichen Umschulung allein die berufliche Ausbildung zu verstehen. Sie müsse als berufliche Ausbildung nach dem AFG dem Grunde nach förderungsfähig sein (BVerwG Urteil vom 7.6.1989 - 5 C 3/86, BVerwGE 82, 125; BVerwG Urteil vom 14.10.1993 - 5 C 1/91, NZS 1994, 240; BVerwG Beschluss vom 28.08.1998 - 5 B 53/98; s auch OVG Hamburg Beschluss vom 4.1.1995 - Bs IV 245/94, FEVS 46, 167). Wenn der Gesetzgeber in Kenntnis dieser langjährigen Rechtsprechung auf das Referenzsystem des SGB XII verweist, muss davon ausgegangen werden, dass auch im SGB II zumindest die Förderung der heutigen "Weiterbildung" nach §§ 77 ff SGB III zu keinem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II führt.

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Dieses Ergebnis wird durch einen Blick auf die systematischen Zusammenhänge innerhalb des SGB II bestätigt. Dabei ist nicht nur abzustellen auf den Grundsatz des Förderns und Forderns (§ 1 Abs 1 SGB II) oder das Ziel des SGB II, die Leistungen auf die Überwindung oder Minderung der Hilfebedürftigkeit auszurichten (§ 1 Abs 1 Satz 4 Nr 1 SGB II; vgl LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 16.8.2005 - L 5 B 52/05 AS ER). Entscheidend ist das Zusammenwirken dieser Grundsätze mit der konkreten Ausgestaltung der Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs 1 SGB II. Nach § 16 Abs 1 Satz 2 SGB II in der zum Zeitpunkt der Antragstellung der Klägerin geltenden Fassung(Art 1a Gesetz zur Anpassung des Dienstrechts der BA vom 19.7.2007 BGBl I 1457, mWv 26.7.2007 u d Art 2 4. Gesetz zur Änderung des SGB III vom 10.10.2007 BGBl I 2329, mWv 1.10.2007) kann der Grundsicherungsträger die Übrigen im Dritten Kapitel, im Ersten bis Dritten und Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels, im Fünften Kapitel, im Ersten, Fünften und Siebten Abschnitt des Sechsten Kapitels und die in den §§ 417, 421f, 421g, 421i, 421k, 421m, 421n, 421o, 421p und 421q SGB III geregelten Leistungen erbringen. Er kann mithin auch Leistungen zur beruflichen Weiterbildung - anders als berufliche Ausbildungsleistungen - als Eingliederungsmaßnahme gewähren (6. Abschnitt 4. Kapitel SGB III). Alsdann wäre es jedoch systemwidrig, die Teilnehmer an solchen Maßnahmen zugleich von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (durch Subsumtion unter § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II) auszuschließen. Denn auch die Gewährung von Eingliederungsleistungen setzt im Regelfall voraus, dass Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II vorliegt(vgl ausführlich BSG Urteil vom 13.7.2010 - B 8 SO 14/09 R). Dann sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in dem zur Bedarfsdeckung erforderlichen Umfang jedoch immer - gleichsam als "Annex" - mit den Eingliederungsleistungen verbunden.

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Die Überprüfung der Rechtsqualität der von der Klägerin durchlaufenen Maßnahme ist auch nicht deswegen überflüssig, weil die Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin, wenn sie als "Regelausbildung" durchlaufen wird, dem Grunde nach nach dem BAföG förderfähig ist und damit grundsätzlich einen Leistungsausschluss nach dem § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II nach sich zieht. Erfüllt die konkrete Maßnahme die Voraussetzungen der §§ 77 ff SGB III fällt sie - aus den oben benannten systematischen Gründen - aus dem Anwendungsbereich des § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II heraus(vgl OVG Hamburg Beschluss vom 4.1.1995 - Bs IV 245/94, FEVS 46, 167 und Beschluss vom 26.2.1993 - Bs IV 1/93 , FEVS 44, 337).

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Mit dem LSG geht der erkennende Senat jedoch davon aus, dass die Leistungsbewilligung nach §§ 77 ff SGB III durch die BA - für sich genommen - nicht ausreicht, um die Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin hier als Weiterbildungsmaßnahme zu qualifizieren. Auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin insoweit nicht berufen. Anderenfalls würde die gesetzlich nicht vorgesehene Möglichkeit eröffnet, dass die BA, die keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt für die Klägerin zu erbringen hatte, mit ihrer Qualifizierung der Maßnahme als Weiterbildungsmaßnahme den Grundsicherungsträger im Hinblick auf die Gewährung von Alg II bindet. Insofern birgt die Bezeichnung der Maßnahme als "Ausbildung" zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin noch keine abschließende Aussage über die Art der Maßnahme, denn im technischen Sinn stellt jede Maßnahme der beruflichen Bildung eine Form von Ausbildung dar, wenn man darunter die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten mit dem Ziel einer bestimmten beruflichen Befähigung versteht. Infolgedessen ist weder wegen der Bezeichnung "Ausbildung" allein, noch der Förderfähigkeit einer "Ausbildung" eine Aussage über die Maßnahmeart möglich. Vielmehr kommt es auf die Abgrenzungsmerkmale im Einzelnen an (vgl BSG Urteil vom 19.3.1974 - 7 RAr 9/73, BSGE 37, 163 = SozR 4100 § 41 Nr 1). Nach der langjährigen Rechtsprechung des BSG ist die Abgrenzung zwischen Aus- und Weiterbildung ausschließlich unter Berücksichtigung des Charakters der Maßnahme nach objektiven Kriterien vorzunehmen (vgl BSG Urteil vom 29.1.2008 - B 7/7a AL 68/06 R, BSGE 100, 6 = SozR 4-4300 § 60 Nr 1; s auch BSG Urteil vom 27.1.2005 - B 7a/7 AL 20/04 R, SozR 4-4300 § 77 Nr 2; BSG Urteil vom 17.11.2005 - B 11a AL 23/05 R ). Entscheidend für die Abgrenzung ist dabei nicht das Ziel der Maßnahme, sondern der Weg auf dem das Ziel erreicht werden soll (vgl insoweit B. Schmid in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand VIII/09, Vor §§ 77 - 96 RdNr 2b). Die Weiterbildungsangebote sollen grundsätzlich auf dem bereits vorhandenen beruflichen Wissen aufbauen. Es handelt sich insoweit um die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach dem Abschluss der ersten Ausbildungsphase (vgl insoweit B. Schmid in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand VIII/09, Vor §§ 77 - 96 RdNr 1)oder sonstiger beruflicher Betätigung ohne vorherigen Berufsabschluss (Zur Bedeutung der Erstmaligkeit der Bildungsmaßnahme vgl Eicher in Udsching/Rolfs , Jahrbuch des Sozialrechts der Gegenwart, Band 27, S 363, 371 - § 77 Abs 2 SGB III), die deswegen vielfach mit einer verkürzten Ausbildungsdauer einhergeht (§ 85 Abs 2 SGB III).

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Nach der Ausbildungsverordnung handelt es sich bei der Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin um eine bundesweit einheitlich geregelte schulische Ausbildung, die einen mittleren Bildungsabschluss voraussetzt (vgl www.berufsnet.arbeitsagentur.de - Stichwort PTA - Steckbrief; Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Pharmazeutisch-technische Assistenten/Assistentinnen vom 23.9.1997, BGBl I 2352; § 2 Abs 1 Nr 4 Gesetz über den Beruf des Pharmazeutisch-technischen Assistenten, BGBl I 1997, 2350). Weitere Voraussetzungen sind nicht geregelt. Daraus schließt das LSG, dass die Ausbildung somit keine berufliche Vorerfahrungen oder andere berufliche Qualifikationen voraussetze (vgl insoweit B. Schmid in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand VIII/09, Vor §§ 77 - 96 RdNr 2b), sodass eine Qualifizierung als Weiterbildungsmaßnahme ausscheide. Allein nach den Vorschriften einer Ausbildungsverordnung ist jedoch nicht zu beurteilen, ob ein bestimmtes Lernziel im Wege der Ausbildung oder der Weiterbildung erreicht wird. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung der konkreten Maßnahme angezeigt, die sowohl die einschlägigen Ausbildungsvorschriften als auch die Ausbildungswirklichkeit in den Blick nimmt, insbesondere, ob Vorkenntnisse eines Lernwilligen verwertbar sind (vgl BSG Urteil vom 6.3.1991 - 9b RAr 5/90, SozR 3-4100 § 47 Nr 2 zur Abgrenzung Fortbildung - Umschulung nach dem AFG) und die Ausgestaltung der konkreten Ausbildung mitbeeinflusst haben. Hieran mangelt es vorliegend. Das LSG hat lediglich festgestellt, dass auch die von der Klägerin absolvierte Maßnahme einen mittleren Bildungsabschluss voraussetze. Zur Begründung verweist es jedoch nicht auf eine Auskunft über die konkret von der Klägerin durchlaufene Maßnahme, sondern auf die Ausführungen der BA im Internet zu der Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin. Hieraus kann aber lediglich auf den Regelfall geschlossen werden, nicht jedoch, ob das auch im konkreten Fall zutrifft. So fehlt es insbesondere an Feststellungen dazu, ob die Bildungsmaßnahme der Klägerin etwa auf einen kürzeren Zeitraum als nach der Ausbildungsverordnung vorgesehen angelegt war oder andere Veränderungen des Lehrstoffs auf Grund von beruflicher Vorbildung erfolgt sind. Diese Feststellungen wird das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

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Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.