Landessozialgericht NRW Urteil, 30. Sept. 2015 - L 8 R 584/11
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 21.3.2011 geändert und der Tenor wie folgt gefasst: Der Bescheid vom 30.8.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2008 sowie der Änderungsbescheide vom 23.11.2011 und 30.9.2015 wird aufgehoben, soweit er Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) nach dem Recht der Arbeitsförderung feststellt. Insoweit wird die Berufung zurückgewiesen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Beklagte 4/5 und die Klägerin 1/5 mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird in beiden Rechtszügen auf 25.400,00 Euro festgesetzt.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) darüber, ob der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin als Arzt im Bereitschafts- und Tagesdienst der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
3Bei der Klägerin handelt es sich um die Trägerin des St. F-Hospitals in C, eines Krankenhauses der Grund- und Regelversorgung mit den Fachabteilungen Chirurgie, Innere Medizin, Geriatrie, Urologie, Anästhesiologie und Intensivmedizin sowie einer Belegabteilung im Bereich der Orthopädie. Das Krankenhaus verfügt über ca. 228 Betten und 350 Mitarbeiter. Gesellschafter der Klägerin sind die St. G-Stiftung N (51 % der Anteile) und die Stiftung St. F-Hospital C (49 % der Anteile).
4Seit dem Jahr 1983 ist die Klägerin aufgrund einer "Vereinbarung über die Bereithaltung von Notärzten im Rettungsdienst" mit der Stadt C als Trägerin der Rettungswache nach § 2 des Gesetzes über den Rettungsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen (RettGNW) verpflichtet. In der Vereinbarung heißt es u.a. wörtlich wie folgt:
5"§ 1 Das Krankenhaus verpflichtet sich, einen Arzt für die Notfallversorgung im Rahmen des Notarztwageneinsatzes der Stadt als Notarzt bereitzustellen. Der Notarztbeauftragte des Krankenhauses erstellt verantwortlich in Absprache mit den Beteiligten niedergelassenen Ärzten den Dienstplan der Notärzte. ( ...).
6§ 3 Der Notarzt kann jederzeit von der für das Versorgungsgebiet zuständigen Einsatzzentrale der Stadt eingesetzt werden. Die Einsatznotwendigkeit wird, außer bei unklaren Notrufen, in einem Indikationenkatalog in Absprache mit dem Notarztbeauftragten festgelegt. Das Krankenhaus setzt den diensthabenden Notarzt nur in solchen Arbeitsbereichen ein, in denen eine jederzeitige Abkömmlichkeit gewährleistet ist. [ ...]."
7Im Übrigen wird auf die Vereinbarung sowie auf ihre Ergänzung vom 1.3.2007 Bezug genommen.
8Der 1975 geborene Beigeladene zu 1) ist Facharzt für Allgemeinmedizin. Er war bei der Klägerin zunächst bis zum 30.6.2006 als Assistenzarzt im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung in der Inneren Abteilung tätig. In der Zeit vom 1.7.2006 bis zum 28.2.2007 war er als angestellter Assistenzarzt in einer allgemeinmedizinischen Praxis in I in einem Umfang von 38,5 Stunden in der Woche beschäftigt. Es folgte vom 1.3.2007 bis zum 31.3.2008 eine weitere Anstellung in der Praxis Dr. M in C im gleichen zeitlichen Umfang. Seit dem 1.4.2008 nimmt der Beigeladene zu 1) als zugelassener Vertragsarzt in einer Berufsausübungsgemeinschaft an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
9Die Klägerin und der Beigeladene zu 1) schlossen am 1.7.2006 einen Vertrag über freie Mitarbeit, in dem es wörtlich u.a. wie folgt heißt und auf den im Übrigen Bezug genommen wird:
10"§ 1 Honorarauftrag Die St. F-Hospital GmbH beauftragt Herrn Dr. L mit nachfolgend aufgeführter Tätigkeit:
11Übernahme von ärztlicher Tätigkeit im Tag- wie im Bereitschaftsdienst.
12Die zeitliche und sonstige organisatorische Planung verbleibt beim freien Mitarbeiter. Er ist verpflichtet, den Auftraggeber unverzüglich über eine Verhinderung oder eine mögliche Verzögerung der Ausführung der vereinbarten Tätigkeit zu unterrichten.
13In der Tätigkeit als Arzt erklärt der freie Mitarbeiter, dass er die Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes in der BRD besitzt und als Arzt über die notwendigen fachlichen Kenntnisse zur Erfüllung der ihn übertragenen Aufgaben verfügt. Er erklärt, dass er nicht vorbestraft ist und insbesondere, dass gegen ihn kein Verfahren zur Entziehung der ärztlichen Berufserlaubnis derzeit läuft oder jemals angestrebt wurde.
14§ 2 Weisungsfreiheit Der freie Mitarbeiter ist eigenverantwortlich tätig und unterliegt bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeit keinen Weisungen des Auftraggebers. Ebenfalls hat er gegenüber den anderen Angestellten des Auftraggebers keine Weisungsbefugnis. Er verpflichtet sich, die ihm übertragenen Aufgaben gewissenhaft persönlich wahrzunehmen, mit dem Leitenden Arzt der Abteilung und dem übrigen Personal der Abteilung und den sonstigen Mitarbeitern der Klinik zusammen zu arbeiten.
15§ 3 Tätigkeit bei anderen Auftraggebern Der freie Mitarbeiter kann uneingeschränkt neben der Tätigkeit für das St. F-Hospital auch Tätigkeiten bei anderen Auftraggebern wahrnehmen, soweit hierdurch nicht die vertragsgerechte Ausführung der vereinbarten Tätigkeit beeinträchtigt wird. Er kann uneingeschränkt Werbung zum Zwecke der Akquisierung am Markt betreiben.
16§ 4 Verschwiegenheit Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, über im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt gewordene betriebliche Interna Stillschweigen zu bewahren.
17§ 5 Haftpflichtversicherung Honorarärzte sind durch die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses versichert. Es wird den freien Mitarbeitern jedoch empfohlen zur Abdeckung der Risiken aus seiner Tätigkeit eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen.
18§ 6 Vergütung Der freie Mitarbeiter erstellt über den geleisteten Dienst dem Auftraggeber eine Rechnung, sofern mehrwertsteuerpflichtig, mit ausgewiesener Mehrwertsteuer.
19Er erhält für seine Tätigkeit einen Stundenlohn von 35,00 Euro im Tagdienst und 28,00 Euro für den Bereitschaftsdienst.
20Der Auftraggeber verpflichtet sich, das Honorar auf das vom freien Mitarbeiter angegebene Konto innerhalb von 4 Wochen zu überweisen. Mit der Zahlung des vereinbarten Honorars sind alle Ansprüche des freien Mitarbeiters gegen den Auftraggeber aus diesem Vertrag erfüllt. Die für die Ausführung der vereinbarten Tätigkeit erforderlichen Arbeitsmittel stellt der freie Mitarbeiter selbst.
21§ 7 Steuern/Versicherung Soweit für die Vergütung des freien Mitarbeiters Steuern und sonstige sozialversicherungspflichtige Abgaben anfallen, werden diese vom freien Mitarbeiter getragen und abgeführt. Der freie Mitarbeiter ist verpflichtet, sein Honorar zur Einkommensteuer anzumelden. Sollten Sozialabgaben - gleich aus welchem Rechtsgrund - zu zahlen sein, werden diese ausschließlich vom freien Mitarbeiter entrichtet. Eine gleichwie geartete Beteiligung des St. F-Hospitals als Arbeitgeber findet nicht statt.
22§ 8 Vertretung Der freie Mitarbeiter kann im Benehmen mit dem Auftraggeber die vereinbarte Tätigkeit in Absprache durch andere - geeignete - dem Auftraggeber bekannte - Honorarkräfte ausführen lassen. Kann die vereinbarte Tätigkeit wegen Krankheit oder sonstiger persönlicher Verhinderung des freien Mitarbeiters oder eines seiner Vertretungskräfte nicht ausgeführt werden, entfällt für die ausgefallene Tätigkeit ein Honoraranspruch.
23§ 9 Urlaub Der freie Mitarbeiter hat die Möglichkeit Urlaub nach eigenen Vorstellungen zu nehmen. Ein Anspruch auf bezahlten Urlaub besteht nicht. Gleiches gilt für die Hinzuziehung dritter Personen.
24§ 10 Gesundheitliche Unbedenklichkeit [...].
25§ 11 Dauer des Vertrages Dieser Vertrag wird unbefristet abgeschlossen. Er kann mit einer Frist von 4 Wochen zum Ende eines Monats von beiden Vertragsnehmern durch eingeschriebenen Brief gekündigt werden.
26§ 12 Sonstiges Von der Möglichkeit des Abschlusses einer Anstellung ist in Anwendung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit bewusst kein Gebrauch gemacht worden. Eine Umgehung arbeitsrechtlicher oder arbeitsgesetzlicher Schutzvorschriften ist nicht beabsichtigt. Dem freien Mitarbeiter soll vielmehr die volle Entscheidungsfreiheit bei der Verwertung seiner Arbeitskraft belassen werden. Eine über den Umfang dieser Vereinbarung hinausgehende, persönliche, wirtschaftliche oder soziale Abhängigkeit wird nicht begründet.
27§ 13 Nebenabreden [...]."
28Der Beigeladene zu 1) versah im Januar 2007 am 12., 19., 24. und 25.1.2007 Bereitschaftsdienste in der Abteilung für Innere Medizin und am 17. und 31.1.2007 in der Abteilung für Chirurgie. An den genannten Tagen war er zudem im Bereitschaftsdienstplan für interne Notarzteinsätze vorgesehen. Zudem leistete er vom 8. bis zum 12.1.2007 in der Abteilung für Innere Medizin Tagesdienste. Dies wurden wie folgt abgerechnet:
29Bereitschaftsdienste Datum - Abteilung - Std. - Std.satz in Euro 12.1.2007 - Innere - 19,25 - 28 17.1.2007 - Chirurgie - 16,5 - 28 19.1.2007 - Innere - 19,25 - 28 24.1.2007 - Innere - 16,5 - 28 25.1.2007 - Innere - 16,5 - 28 31.1.2007 - Chirurgie - 16,5 - 28 Insgesamt = 2.926,00 Euro
30interne Notarzteinsätze = 9 Einsätze a 48,57 Euro = insgesamt: 437,13 Euro
31Tagesdienste Datum - Abteilung - Std. - Std.satz in Euro 8.1.2007 - Innere - 8,5 - 35 9.1.2007 - Innere - 8,5 - 35 10.1.2007 - Innere - 8,5 - 35 11.1.2007 - Innere - 8,5 - 35 12.1.2007 - Innere - 4,75 - 35 Insgesamt = 1.356,25 Euro Gesamtsumme Januar 2007 = 4.719,38 Euro
32Am 4.3.2008 stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten einen Antrag auf Statusfeststellung nach § 7a SGB IV mit dem Begehren, dass keine abhängige Beschäftigung als Bereitschafts- und Notarzt vorliege. Er sei hauptberuflich als angestellter Arzt in einer Praxis tätig. Er arbeite zudem freiberuflich als Vertretungsarzt in weiteren Praxen, Krankenhäusern und als Notarzt für Kommunen. Er sei bei der Klägerin weisungsungebunden als Honorarkraft neben seiner angestellten Tätigkeit tätig.
33Mit Schreiben vom 24.7.2008 hörte die Beklagte die Klägerin sowie den Beigeladenen zu 1) zu der beabsichtigten Feststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) als Bereitschaftsarzt ab dem 1.6.2006 an. Seine Dienste würden gemäß dem Bedarf der Klinik und den eigenen zeitlichen Möglichkeiten abgesprochen. Nach Übernahme bestimmter Bereitschaftsdienstzeiten bestehe Anwesenheitspflicht des Beigeladenen zu 1). Als Vergütung werde ein nach geleistetem Dienst bemessenes Honorar gewährt. Dadurch werde nicht der Erfolg der Arbeitsleistung, sondern die Anwesenheit honoriert. Der Beigeladene zu 1) trete gegenüber den Patienten der Klinik ausschließlich im Namen und auf Rechnung der Klägerin auf. Während der Bereitschaftsdienste sei er gegenüber dem Stationspflegepersonal weisungsbefugt. Alle benötigten Arbeits- und Betriebsmittel würden von der Klägerin gestellt. Seine Leistungen rechne er nicht direkt gegenüber der Krankenkasse bzw. dem Patienten ab.
34Die Klägerin nahm mit Schreiben vom 6.8.2008 wie folgt Stellung: Der Beigeladene zu 1) sei nicht abhängig beschäftigt. Es handele sich um eine Nebentätigkeit. Sie sei auch nicht seine alleinige Auftraggeberin. Er sei gegenüber dem Krankenhauspersonal nicht weisungsbefugt. Er könne lediglich auf dessen Mithilfe zurückgreifen. Er bestimme, wann er in der Klinik seine Tätigkeit aufnehme, und werde immer nur nach Anforderung durch den Patienten tätig. Er versteuere seine Einkünfte selbst, leiste Beiträge zur Sozialversicherung sowie zur berufsständigen Ärzteversorgung.
35Der Beigeladene zu 1) nahm mit Schreiben vom 12.8.2008 Stellung. Er unterliege keiner Weisungspflicht in Bezug auf Dauer, Zeit und Art der Tätigkeit. Stattdessen bestehe ein Auftrag zur Patientenversorgung nach den allgemeingültigen medizinischen Leitlinien. Der zeitliche Rahmen der Tätigkeit werde den Kundenwünschen angepasst. Die Tätigkeit sei im Krankenhaus auszuführen, was in der Natur der Sache liege. Er leiste keine Regelversorgung der stationären Patienten, wie planbare Operationen oder andere Eingriffe, sondern lediglich Hilfe bei Notfällen. Zudem komme zu dem Honorar für die Bereitschaftsdienste noch das Honorar für die Notarzteinsätze, welches in Art und Häufigkeit nicht kalkulierbar sei, hinzu. Kleinere Arbeitsmittel - wie persönliche Schutzkleidung, Stethoskop, Orthoskop, etc. - würden von ihm gestellt, sonst greife er auf die Gerätschaften der Klägerin zurück. Eine direkte Abrechnung gegenüber dem Patienten sei vergütungsrechtlich nicht möglich.
36Mit Bescheid vom 30.8.2008 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Bereitschaftsarzt bei der Klägerin seit dem 1.6.2006 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Die Versicherungspflicht dem Grunde nach beginne mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung. Zwar unterliege der Beigeladene zu 1) als Arzt im Rahmen seiner medizinischen Tätigkeit keinen Weisungen. Allerdings ergebe sich die Weisungsgebundenheit bei Diensten höherer Art aus der funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. Er werde zudem in den Räumlichkeiten des Krankenhauses tätig und nutze die dortigen medizinischen Geräte und Medikamente. Er erhalte eine erfolgsunabhängige Pauschalvergütung.
37Dagegen legte die Klägerin am 25.9.2008 Widerspruch ein. Der Beigeladene zu 1) unterstütze lediglich hin und wieder das Krankenhaus im Bereitschaftsdienst. Er sei für mehrere Auftraggeber tätig. Das spreche für seine Unabhängigkeit und Selbständigkeit. Der Beigeladene zu 1) erhob am 23.10.2008 ebenfalls Widerspruch.
38Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 18.12.2008 unter Wiederholung und Vertiefung ihrer bisherigen Argumentation als unbegründet zurück.
39Dagegen hat die Klägerin am 21.1.2009 vor dem Sozialgericht (SG) Münster Klage erhoben, mit welcher sie ihr Begehren weiterverfolgt hat. Der Beigeladene zu 1) sei nicht in die Betriebsorganisation des Krankenhauses eingegliedert. Dies ergebe sich auch nicht daraus, dass er kostenfrei Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt erhalte und seine Tätigkeit in den Klinikräumen ausübe. Denn wenn er einen Auftrag als Bereitschaftsarzt übernehme, ergebe sich aus der Natur der Sache, dass er vor Ort verfügbar sein müsse. Er sei frei darin gewesen, ihm erteilte Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Er habe frei seinen Urlaub planen können. Er habe das wirtschaftliche Risiko des Einsatzes seiner Arbeitskraft getragen, denn wenn er einen von ihm übernommenen Dienst nicht wahr genommen habe, sei kein Honoraranspruch entstanden. Er sei frei darin gewesen zu entscheiden, für wen und für wie viele Auftraggeber er tatsächlich tätig werde. Zudem sei zu beachten, dass er auch Notarztdienste wahrgenommen habe. Auch die bei der Klägerin angestellten Krankenhausärzte nähmen am Rettungsdienst teil. Der Notarzt werde durch den Krankenwagen der Stadt am Krankenhaus abgeholt. Er sei über die Stadt versichert. Die Vergütung werde über die Klägerin an den Notarzt für seine Tätigkeit gezahlt. Die Kosten würden von der Stadt an die Klägerin erstattet.
40Die Klägerin hat beantragt,
41den Bescheid der Beklagten vom 30.8.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2008 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit als Bereitschaftsarzt in der Ambulanz und Notarzt bei der Klägerin seit dem 1.6.2006 nicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung sozialversicherungspflichtig ist.
42Die Beklagte hat beantragt,
43die Klage abzuweisen.
44Sie hat im Wesentlichen auf ihre Bescheide Bezug genommen und ergänzend vorgetragen, dass es für die Beurteilung des vorliegenden Falles unerheblich sei, ob der Beigeladene zu 1) für mehrere Auftraggeber tätig werde bzw. als niedergelassener Arzt selbständig sei.
45Der durch Beschluss vom 23.1.2009 am Verfahren beteiligte Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt.
46Das SG hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.3.2011 den Beigeladenen zu 1) sowie die Personalleiterin der Klägerin angehört. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
47Das SG hat sodann mit Urteil vom 21.3.2011 die streitigen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit als Bereitschaftsarzt in der Ambulanz und als Notarzt bei der Klägerin seit dem 1.6.2006 nicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung sozialversicherungspflichtig ist. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
48Gegen das der Beklagten am 28.4.2011 zugestellte Urteil hat diese am Montag, dem 30.5.2011 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihren bisherigen Vortrag. Ergänzend trägt sie vor, den Rechnungen des Beigeladenen zu 1) an die Klägerin sei ein umfassender Einsatz im Bereitschaftsdienst auf der Inneren und der Chirurgischen Station zu entnehmen. Zudem ergäben sich daraus interne sowie externe Notarzteinsätze. Die Tätigkeit in der Ambulanz an der Klinik erfordere sachlogisch eine Zusammenarbeit mit weiterem Personal der Klinik. Bereits aus den eigenen Äußerungen des Beigeladenen zu 1) ergebe sich, dass dieser in den Arbeitsablauf der Klägerin eingebunden gewesen sei. Entsprechendes zeige sich im Vertrag vom 1.7.2006. Der durch das SG herangezogene Vergleich einer konsiliarischen Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) sei rechtlich unzutreffend. Nicht glaubhaft sei ebenfalls die Angabe des Beigeladenen zu 1), er sei gegenüber dem Pflegepersonal nicht weisungsbefugt. Unerheblich seien darüber hinaus die anderweitig ausgeübten Nebentätigkeiten des Beigeladenen zu 1), die Gründe, die zu der vertraglichen Gestaltung geführt hätten, sowie der Mangel an Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Ein Unternehmerrisiko könne nicht darin gesehen werden, dass im Falle der Schlechtleistung die Nachfrage nachlasse.
49Die Beklagte hat durch Bescheide vom 23.11.2011 und 30.9.2015 die streitigen Bescheide abgeändert. Sie hat nunmehr festgestellt, dass in der vom 1.7.2006 bis zum 31.1.2011 ausgeübten Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin Versicherungspflicht nach dem Recht zur Arbeitsförderung bestanden habe. In der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung habe demgegenüber Versicherungsfreiheit bestanden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte klargestellt, dass diese Feststellungen ausschließlich die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Arzt im Tages- und Bereitschaftsdienst und innerhalb des internen Notdienstes, nicht hingegen seine externen Notdiensteinsätze betreffen.
50Daraufhin hat die Klägerin ihren Klageantrag dahingehend angepasst, dass sie nunmehr beantragt,
51den Bescheid vom 30.8.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2008 in der Gestalt der Bescheide vom 23.11.2011 und 30.9.2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit im Rahmen von Bereitschaftsdiensten am 12., 17., 19., 24., 25. und 31.1.2007 sowie in seiner Tätigkeit im Tagesdienst der Inneren Abteilung vom 8. bis 12.1.2007 bei der Klägerin nicht der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
52Die Beklagte beantragt vor diesem Hintergrund,
53das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 21.3.2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.
54Die Klägerin beantragt,
55die Berufung zurückzuweisen.
56Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Der Beigeladene zu 1) sei weisungsfrei gewesen. Sie habe sich aufgrund seiner Qualifikation als Arzt darauf verlassen, dass dieser ordnungsgemäße ärztliche Entscheidungen treffe. Ein Letztentscheidungsrecht des Chefarztes bestehe nicht. Der Beigeladene zu 1) habe seine Dienste ohne Einschränkungen tauschen können. Der krankenhausinterne Tausch unterliege demgegenüber immer den Einschränkungen des Arbeitszeitrechtes. Der Gesetzgeber habe mit der Änderung des § 2 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntG) ab dem 1.1.2013 zudem klargestellt, dass der Einsatz von selbständig tätigen Honorarärzten in Krankenhäusern zulässig sei.
57Der Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt.
58Auf Anforderung des Senates hat die Klägerin für den streitigen Zeitraum die Bereitschaftsdienstpläne mit der Notarztdienstplanung sowie die Dienstpläne der Abteilungen für Innere Medizin und Chirurgie, ihre Leitbild-Broschüren und Betriebsprüfungsbescheide sowie die Rechnungen des Beigeladenen zu 1) vorgelegt. Der Beigeladene zu 1) hat auf Anforderung eine Auflistung seiner Honorartätigkeiten, Unterlagen zum Umfang der Absicherung durch eine private Kranken- und Pflegeversicherung sowie seine Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2011 zum Verfahren gereicht. Ferner hat der Senat einen Handelsregisterauszug der Klägerin, deren Qualitätsberichte der Jahre 2008 und 2010 und einen unverschlüsselten Versicherungsverlauf des Beigeladenen zu 1) beigezogen sowie mit Beschluss vom 27.6.2014 die Beigeladenen zu 2) bis 4) an dem Verfahren beteiligt.
59In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Zeugen Dr. C, Chefarzt der Inneren Abteilung der Klägerin, und Dr. P, ehemaliger Chefarzt der Klägerin für Anästhesiologie und Intensivmedizin, vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
60Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
61Entscheidungsgründe:
62Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 4) verhandeln und entscheiden können, da er diese mit ordnungsgemäßer Terminsnachricht auf die Möglichkeit hingewiesen hat.
63Die am Montag, den 30.5.2011, bei dem erkennenden Landessozialgericht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das ihr am 28.4.2011 zugestellte Urteil des SG Münster ist zulässig, insbesondere gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 1 Abs. 2, 63 SGG).
64Streitgegenstand ist, nachdem die Klägerin ihren Antrag entsprechend beschränkt hat, nur noch die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) nach dem Recht der Arbeitsförderung in seiner Tätigkeit als Bereitschaftsarzt im Rahmen von Diensten am 12., 17., 19., 24., 25. und 31.1.2007 sowie in seiner Tätigkeit im Tagesdienst der Inneren Abteilung vom 8. bis 12.1.2007.
65Ausgehend hiervon ist die Berufung der Beklagten erfolglos, soweit die Beklagte sich gegen die Aufhebung der in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellung wendet, dass im Streitzeitraum (durchgängig) Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe (1.). Soweit demgegenüber die Klägerin im Rahmen ihres zulässigerweise nach §§ 153, 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG beschränkten Feststellungsantrages die Feststellung begehrt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit im Rahmen von Bereitschaftsdiensten am 12., 17., 19., 24., 25. und 31.1.2007 in der Inneren und der Chirurgischen Abteilung des St. F-Hospitals sowie in seiner Tätigkeit im Tagesdienst der Inneren Abteilung vom 8. bis 12.1.2007 nicht der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag, ist die Berufung begründet, weil die Klage unbegründet ist (Ziff. 2).
661. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Aufhebung der streitigen Bescheide im beschriebenen Umfang wendet. Denn die auf Aufhebung des Bescheids vom 30.8.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2008 sowie der nach §§ 153, 96 SGG Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheide vom 23.11.2011 und 30.9.2015 gerichtete Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 1. Alt. SGG ist zulässig und begründet. Diese Bescheide beschweren die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, da sie rechtswidrig sind.
67a) Zulässiger Gegenstand einer Statusfeststellung nach § 7a SGB IV ist allein die Feststellung von Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit in der konkreten Rechtsbeziehung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer (BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 2; Urteil v. 4.6.2009, B 12 KR 31/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 3; Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R; Urteil v. 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R, Die Beiträge Beilage 2014, 387). Besteht zwischen ihnen keine Dauerbeziehung, sondern wird der Auftragnehmer auf der Grundlage von Einzelaufträgen für den Auftraggeber tätig, sind nur diese am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (BSG, Urteil v. 30.10.2013, a.a.O., Rdnr. 25; Urteil v. 18.9.2011, a.a.O., juris Rdnr. 17; jeweils m.w.N.; Senat, Urteil v. 17.12.2014, L 8 R 463/11, juris). Die streitgegenständlichen Bescheide sind vom maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont des Adressaten (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) dahingehend auszulegen, dass die Beklagte das Vorliegen eines Dauerrechtsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) festgestellt hat. Für dieses Verständnis sprechen bereits die jeweiligen Verfügungssätze, aber auch - im Umkehrschluss - der Umstand, dass die Beklagte die einzelnen Einsatztage bzw. - zeiträume des Beigeladenen zu 1) nicht gesondert aufgeführt hat.
68b) Die Feststellung eines Dauerschuldverhältnisses ist indes rechtswidrig.
69aa) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Beigeladene zu 1) für die Klägerin im Rahmen von Einzelaufträgen tätig geworden, welche die Beklagte dementsprechend jeweils als rechtlichen Ausgangspunkt der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung hätte zugrunde legen müssen. Denn die jeweils im Vorfeld eines Dienstes getroffenen Absprachen lassen zur Überzeugung des Senats nicht die Annahme zu, dass der Beigeladene zu 1) und die Klägerin eine im Sinne eines Dauerschuldverhältnisses zu würdigende Vertragsbeziehung begründet haben oder begründen wollten. Die monatsweise u.a. durch den Zeugen Dr. C gefertigten Dienstpläne wurden bei der Klägerin ab Mitte des Vormonats für den Folgemonat erstellt. Sie wurden zuletzt an den Chefarzt der Anästhesiologie und Notarztbeauftragten, den Zeugen Dr. P, weitergeleitet, der diese um die Dienste seiner Abteilung anreicherte und im Anschluss den internen Notarzt einteilte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beigeladene zu 1) mit einem Monat Vorlauf in den Sekretariaten der jeweiligen für ihn in Betracht kommenden Abteilungen des Hospitals bereits seine Vakanzen mitgeteilt und konnte bei Bedarf auf dieser Grundlage im Dienstplan Berücksichtigung finden. Dementsprechend ist zwischen dem Beigeladenen zu 1) und der Klägerin als Trägerin des Krankenhauses jeweils neu über die Übernahme einzelner Dienste entschieden worden.
70bb) Ein Dauerschuldverhältnis ergibt sich auch nicht aus dem als Rahmenvertrag zu wertenden Honorarvertrag vom 1.7.2006. Ein solcher eröffnet eine auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung, legt jedoch (im Voraus) nur bestimmte Einzelheiten künftig abzuschließender Verträge fest (BSG, Urteil v. 30.10.2013, a.a.O.; Bundesgerichtshof [BGH], Urteil v. 30.4.1992, VII ZR 159/91 NJW-RR 1992, 977, 978). Vorliegend haben sich die Vertragsparteien nach dem Wortlaut der Vereinbarung in dieser gerade nicht auf eine übergeordnete Leistungspflicht des Beigeladenen zu 1) und damit korrespondierend auf ein allgemeines Heranziehungsrecht der Klägerin, auf welches sich das St. F-Hospital hätte stützen können, geeinigt (hierzu BSG, Urteil v. 20.3.2013, B 12 R 13/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 19). Weder aus den schriftlichen und mündlichen Vereinbarungen noch aus der tatsächlich geübten Praxis der Zusammenarbeit der an der maßgeblichen Rechtsbeziehung beteiligten Personen lässt sich schließen, dass zwischen den konkreten Einsatztagen des Beigeladenen zu 1) eine Verpflichtung zu einer Rufbereitschaft bestehen sollte, kraft derer die Klägerin innerhalb einer vereinbarten Dienstzeit über die Erbringung von Arbeitsleistungen des Beigeladenen zu 1) nach konkretem Arbeitsanfall hätte bestimmen dürfen (Senat, Urteil v. 17.12.2014, a.a.O.; BSG, Urteil v. 20.3.2013, a.a.O.).
71cc) Ebenso wenig hat die zwischen der Klägerin, vertreten durch das St. F-Hospital, und dem Beigeladenen zu 1) praktizierte Rechtsbeziehung das charakteristische Gepräge eines Dauerschuldverhältnisses mit Arbeit auf Abruf aus unbezahlter Freizeit (§ 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz [TzBfG]) gehabt. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Beteiligten auf eine bestimmte Tätigkeit und ein bestimmtes Arbeitsdeputat verständigt hätten, welches die Klägerin kraft eines etwaigen Direktionsrechts in einem bestimmten Bezugszeitraum abrufen können sollte (vgl. hierzu Laux, in: Laux/Schlachter, Teilzeit- und Befristungsgesetz, 2. Aufl. 2011, § 12 Rn. 32; allgemein zur Abgrenzung zwischen Bereitschaftsdienst mit Arbeitseinsätzen innerhalb einer vereinbarten Dienstzeit und Arbeit auf Abruf i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG, der den Abruf aus unbezahlter Freizeit erfasst, auch Linck, in: Schaub, in: Arbeitsrechtshandbuch, 15. Aufl. 2013, § 43 Rn. 21a m.w.N.; Jacobs, in: Annuß/Thüsing, TzBfG, 3. Aufl. 2012, § 12 Rn. 10 m.w.N., Arnold, in: Arnold/Gräfl, TzBfG, 3. Aufl. 2012, § 12 Rn. 26, Senat, Urteil v. 1.4.2015, L 8 R 517/14, juris).
72c) Die streitgegenständlichen Bescheide sind daher im tenorierten Umfang rechtswidrig und aufzuheben. Sie können insbesondere nicht insoweit aufrecht erhalten bleiben, als die Feststellung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung seit dem 1.7.2006 bis zum 31.1.2011 jedenfalls auch die nunmehr noch streitgegenständlichen Einsatztage im Januar 2007 umfasst, in denen der Beigeladene zu 1) tatsächlich für die Klägerin tätig geworden ist.
73Wie schon allein die Bestimmungen über die unständige Beschäftigung in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung zeigen (§§ 186 Abs. 2 SGB V, 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III), knüpfen sich ggf. an die Feststellung, ob ein Dauerrechtsverhältnis oder eine Mehrzahl von Einzelaufträgen vorliegt, bereits in versicherungsrechtlicher Hinsicht wesentliche Rechtsfolgen. Gleiches gilt im Einzelfall für die Frage der Geringfügigkeit wegen kurzfristiger Beschäftigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV). Das gilt erst recht eingedenk des Umstandes, dass die Entscheidungen der Versicherungsträger über das Bestehen oder Nichtbestehen von Versicherungspflicht im Falle ihrer Bestandskraft auch beitragsrechtlich verbindlich sind (BSG, Urteil v. 4.6.2009, B 12 R 6/08 R, USK 2009-72). Auch insoweit ist eine Feststellung des genauen Beschäftigungszeitraums von erheblicher Bedeutung (z.B. für die Frage, in welchen Zeiträumen bei Mehrfachbeschäftigungen die anteilige Beitragsbemessungsgrenze zu beachten ist, oder für die Anwendung von §§ 232 SGB V, 163 Abs. 1 SGB VI (Senat, Urteil v. 17.12.2014, a.a.O., juris).
742. Soweit die Beklagte sich mit der Berufung gegen die Feststellung des SG wendet, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin nicht der Versicherungspflicht unterliegt, ist die Berufung im tenorierten Umfang begründet. Denn die nach § 55 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Feststellungsklage der Klägerin ist unbegründet. Der Beigeladene zu 1) unterlag in seiner Tätigkeit im Rahmen von Bereitschaftsdiensten einschließlich der internen Notarzteinsätze am 12., 17., 19., 24., 25. und 31.1.2007 sowie in seiner Tätigkeit im Tagesdienst auf der Inneren Abteilung vom 8. bis zum 12.1.2007 bei der Klägerin der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung.
75a) Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen und unterlagen im Streitzeitraum nach dem Recht der Arbeitsförderung der Versicherungspflicht (§ 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]).
76Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer solchen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil v. 30.12.2013, B 12 KR 17/11 R, juris; Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
77Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl. insoweit insbesondere BSG, Urteil v. 25.4.2012, a.a.O.).
78b) Im Rahmen des festgestellten Sachverhaltes und des o.g. Prüfungsmaßstabs zeigt die Bewertung und Gewichtung der relevanten Abgrenzungsmerkmale, dass das vertraglich vereinbarte und tatsächlich praktizierte Vertragsverhältnis im Wesentlichen dem eines abhängig Beschäftigten entspricht, wogegen Aspekte, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen, nicht in einem im Rahmen der Gesamtabwägung überwiegendem Umfang vorhanden sind.
79aa) Dabei handelt es sich bei den an die Bereitschaftsdienste gekoppelten (internen) Notarztdienste des Beigeladenen zu 1) zunächst nicht um eine separiert zu betrachtende Tätigkeit sondern um ein damit einheitliches Beschäftigungsverhältnis. Ein solches ist dann anzunehmen, wenn eine Tätigkeit mit einer abhängigen Beschäftigung derart verbunden ist, dass sie nur aufgrund der abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden kann (BSG, Urteil v. 31.10.2012, B 12 R 1/11 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 16; BSG, Urteil v. 27.6.2012, B 12 KR 28/10 R, SozR 4-2400 § 8 Nr. 5 m.w.N.). Das ist hier der Fall, denn die internen Notarztdienste wurden durch die diensthabenden Bereitschaftsärzte verrichtet, waren mit diesen insofern zeitlich, organisatorisch und örtlich verbunden.
80bb) Ausgangspunkt der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung ist das praktizierte Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es sich aus den getroffenen Vereinbarungen ergibt bzw. aus der gelebten Beziehung erschließen lässt.
81(1) Bei Vertragsgestaltungen der vorliegenden Art ist dabei nicht auf den gesamten vom Vertrag über freie Mitarbeit erfassten Zeitraum abzustellen, sondern jeweils auf die Verhältnisse, die nach Annahme eines Auftrags durch den Beigeladenen zu 1) während dessen Durchführung herrschen (vgl. BSG Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; Urteil v. 31.3.2015, B 12 KR 17/13 R, juris). Über die einzelnen Einsätze sind keine gesonderten schriftlichen Vereinbarungen getroffen worden. Vielmehr wurden die wesentlichen für sie maßgebenden Vertragsbedingungen zum einen durch den Vertrag über freie Mitarbeit vom 1.7.2006 festgelegt. Zum anderen ergeben sie sich aus der ständigen Vertragspraxis der Beteiligten, so wie sie insbesondere auch in der Beweisaufnahme durch den Senat vom Beigeladenen zu 1) und den hierzu gehörten Zeugen beschrieben worden sind.
82(2) Auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, dass der Beigeladene zu 1) während der von ihm angenommenen Aufträge einem - zumindest im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinerten - Weisungsrecht der Klägerin nach Ort, Zeit, Dauer und Art der Arbeitsleistung unterlegen hat.
83(a) Was den Ort der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) angeht, so war dieser kraft Natur der ärztlichen Tätigkeit im Krankenhaus und zwar dort auf der Inneren Abteilung bzw. der Abteilung für Chirurgie zu verrichten. Zwar führt die Ortsgebundenheit der Tätigkeit für sich genommen noch nicht zur Annahme eines entsprechenden Weisungsrechts. Allerdings wird ein solches dadurch auch nicht ausgeschlossen. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob nach den konkreten Vereinbarungen ein Weisungsrecht hinsichtlich aller Modalitäten (also auch hinsichtlich Zeit, Dauer und Art der Arbeit) besteht oder ob dieses ausgeschlossen ist.
84(b) Hinsichtlich der Arbeitszeit schuldete der Beigeladene zu 1) seine Anwesenheit und Tätigkeit grundsätzlich während der gesamten Schicht, für die er eingeteilt war. Das ergibt sich schon aus der Notwendigkeit einer kontinuierlichen medizinischen Versorgung, wie sie in der Beweisaufnahme durch den Senat von den Zeugen Dres. C und P bestätigt worden ist. Dementsprechend enthält § 1 des Vertrages über freie Mitarbeit auch die Verpflichtung, die Klägerin unverzüglich über eine Verhinderung oder eine mögliche Verzögerung der Ausführung der vereinbarten Tätigkeit zu unterrichten.
85Dem steht nicht entgegen, dass der Beigeladene zu 1) für teilweise von den normalen Bereitschaftsdienstzeiten abweichende Zeiten zur Verfügung gestanden hat, beispielsweise an Dienstagen erst später, da er bis 18:00 Uhr Praxisdienst hatte. Das spricht zur Überzeugung des Senates jedoch nicht entscheidend gegen die Annahme einer Weisungsgebundenheit in zeitlicher Hinsicht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich vorliegend um eine Nebentätigkeit des Beigeladenen zu 1) gehandelt hat. Zudem ist Rücksichtnahme auf individuelle Wünsche zur zeitlichen Einsatzplanung auch bei (sonstigen) Beschäftigten in der modernen Arbeitswelt vorstellbar. Auch bei der Einsatzplanung dieses Personenkreises werden gegebenenfalls in vertretbaren Umfang individuelle Interessen z.B. aus familiären Gründen berücksichtigt werden können (Senat, Urteil v. 26.11.2014, a.a.O.). Dass dies vorliegend auch tatsächlich geschehen ist, zeigt sich an den handschriftlichen Namensänderungen in den vorgelegten Bereitschaftsdienstplänen.
86(c) Es bestand ferner ein Weisungsrecht in inhaltlicher Hinsicht. Dieser Beurteilung steht insbesondere die in § 2 Satz 1 des Vertrages über freie Mitarbeit getroffene Regelung, wonach der Beigeladene zu 1) "eigenverantwortlich tätig" ist und "bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeit keinen Weisungen des Auftraggebers" unterliegt, nicht entgegen. Denn jedenfalls war der Beigeladene zu 1) vereinbarungsgemäß im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe an den Klinikprozessen einem verfeinerten Weisungsrecht der Klägerin ausgesetzt. Dieses wird in ihren groben Zügen bereits in § 2 Satz 3 des Vertrages über freie Mitarbeit dahingehend beschrieben, dass der Beigeladene zu 1) sich verpflichtete, die ihm übertragenen Aufgaben gewissenhaft persönlich wahrzunehmen, mit dem Leitenden Arzt der Abteilung und dem übrigen Personal der Abteilung und den sonstigen Mitarbeitern der Klinik zusammenzuarbeiten.
87Zunächst schloss sich der Berücksichtigung des Beigeladenen zu 1) im Bereitschaftsdienstplan ggf. auch die Einteilung während dieser Schicht als interner Notarzt durch den Zeugen Dr. P an, ohne dass der Beigeladene zu 1) auf diese Tätigkeitserweiterung maßgeblichen Einfluss hätte nehmen können. Die Bestimmung des Notarztes erfolgte unter Berücksichtigung, welche Abteilung im Rotationsverfahren zu dessen Stellung an der Reihe gewesen ist und ob der dort zur Bereitschaft eingeteilte Arzt über einen Rettungsschein verfügte, was bei dem Beigeladenen zu 1) der Fall gewesen ist.
88Hinzu kommt, dass sich der Beigeladene zu 1) grundsätzlich zu Dienstbeginn bei dem zuständigen Ober- oder Chefarzt zu melden hatte, der ihn mit den notwendigen Informationen zur Dienstübernahme versah. Das dies ggf. aufgrund der hauptberuflichen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) zu leicht angepassten Dienstzeiten auch teilweise durch einen Assistenzarzt im Auftrag des bereits die Klinik verlassenen Oberarztes geschehen ist, ist ebenso wenig entscheidend wie, dass der Beigeladene zu 1) zugunsten dieses von dem Zeugen Dr. C als "Kurzübergabe" bezeichneten Procedere nicht an der Intensivübergabe bei Beginn des Dienstes und der Frühbesprechung am nächsten Morgen teilnehmen musste. Denn dies lag nach den Auskünften des Zeugen weniger in seinem Status als in der Tatsache begründet, dass er aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Assistenzarzt die Eigenarten der Klinik, die Leitlinien der Klägerin und die dortigen strukturierten Behandlungspfade nicht nur verinnerlicht sondern teilweise auch mitentwickelt hatte. Vor diesem Hintergrund ging die Klägerin aufgrund seiner Kompetenz - und nicht hingegen aufgrund des gewünschten Status - davon aus, ohne einen Qualitätsverlust befürchten zu müssen, sich von dem üblichen Ablauf lösen zu können. Wäre sich die Klägerin dem nicht sicher gewesen, hätte sie die Kontrolle der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) verschärft, wie sie dies grundsätzlich nach den Bekundungen des Zeugen Dr. C bei Ärzten tat, die ihm "wenig sicher erschienen." Das bedeutet allerdings wiederum nicht, dass der Beigeladene zu 1) nicht verpflichtet gewesen wäre, bei bestimmten schweren Krankheitsbildern, den hintergrunddiensthabenden Ober- oder Chefarzt zu benachrichtigen.
89In der Gesamtbewertung gewinnt damit ebenfalls kein maßgebliches Gewicht, dass die Ausgestaltung der konkret vorzunehmenden Tätigkeiten im Verhältnis zu den Patienten auch aufgrund der dem Arzt zuzugestehenden Therapiefreiheit durch Eigenverantwortlichkeit und Eigenständigkeit des Beigeladenen zu 1) geprägt war. Denn auch eine eigenständige Entscheidungs- und Gestaltungsbefugnis bei der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit führt regelmäßig nicht zur Selbständigkeit im Sinne einer unternehmerischen Tätigkeit. Vielmehr ist es gerade auch für eine abhängige Beschäftigung typisch, dass der Grad der Eigenständigkeit der Ausführung mit dem Grad der Qualifikation des Mitarbeiters und seiner Verantwortung für den Erfolg des Gesamtunternehmens wächst. Dabei wird das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht dadurch beseitigt, dass es nicht in jedem Detail ausgeübt wird. Dies ist bei Diensten höherer Art sogar regelmäßig der Fall, so dass sich das Weisungsrecht des Arbeitgebers zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert, wenn der Betreffende in den Betrieb eingegliedert ist (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 21.2.1990, 12 RK 47/87, SozR 3-2940 § 3 Nr. 1; Senat, Urteil v. 18.6.2014, L 8 R 1052/12, juris).
90(d) Soweit § 9 Satz 1 des Vertrages über freie Mitarbeit es dem Beigeladenen zu 1) gestattet, Urlaub nach eignen Vorstellungen zu nehmen, und die Klägerin ergänzend vorträgt, dass der Beigeladene zu 1) zur Ablehnung von Aufträgen berechtigt gewesen sei, ist das vorliegend kein entscheidendes Kriterium. Da nicht von einer Dauerrechtsbeziehung sondern von der Vereinbarung von Einzelaufträgen hinsichtlich der einzelnen Dienste auszugehen ist, gab es kein grundsätzliches (einseitiges) Heranziehungsrecht der Klägerin. Da jeder Einzelauftrag neu vereinbart werden musste, wird auch nur die Tätigkeit innerhalb dieser Aufträge im Rahmen des Statusverfahrens geprüft. Aus dem Umstand jedoch, dass jemand stets aufs Neue seine Entschließungsfreiheit betätigen kann, einen weiteren Auftrag anzunehmen und damit eine weitere Vertragsbeziehung zu begründen oder nicht, können (zwingende) Schlüsse weder in der einen - abhängige Beschäftigung - noch in der anderen Richtung - selbständige Tätigkeit - gezogen werden (BSG, Urteil v. 20.3.2013, a.a.O.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 22.10.2014, L 2 R 5/14, juris).
91(e) Dass der Beigeladene zu 1) hingegen nach Auftragsannahme entsprechend den getroffenen Vereinbarungen berechtigt gewesen ist, einen Einsatz ohne Begründung und Folgen für spätere Einsatzoptionen abzubrechen, ist nicht ersichtlich (BSG, Urteil v. 25.4.2012, a.a.O.). Ebenso wenig ist erkennbar, dass der Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum einen einmal übernommenen Auftrag tatsächlich nicht mehr durchgeführt und zurückgegeben hat.
92(3) Die in § 8 des Vertrages über freie Mitarbeit geregelte Befugnis, die Tätigkeit auch durch andere Honorarkräfte ausüben zu lassen, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
93(a) Zunächst ist diese Befugnis - für eine selbständigen Unternehmer untypisch - bereits vertraglich dadurch eingeschränkt gewesen, dass die Ersatzkräfte der Klägerin bekannt sein mussten und dass ein Einsatz durch sie nur im Benehmen mit der Klägerin zulässig war.
94(b) Zudem ist nicht ersichtlich, dass der Beigeladene zu 1) von seiner vertraglich eingeräumten Delegationsbefugnis jemals Gebrauch gemacht hätte, erst recht nicht in einem Ausmaß, dass die Delegation als vertragsprägend im Sinne einer unternehmerischen Tätigkeit angesehen werden könnte.
95(4) Der in §§ 8 Satz 2, 9 Satz 2 des Vertrages über freie Mitarbeit geregelte Ausschluss von Ansprüchen auf Urlaubsentgelt bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall führt ebenfalls nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Die Bedeutung solcher Regelungen erschöpft sich darin, den Willen der Vertragsparteien zu dokumentieren, eine selbständige Tätigkeit zu begründen [hierzu unter ff)].
96(5) Mit einer zeitbezogenen Vergütung in Gestalt eines erfolgsunabhängigen Stundenlohns i.H.v. 35,00 EUR im Tagdienst und 28,00 EUR im Bereitschaftsdienst (§ 6 des Vertrages über freie Mitarbeit) sowie der Möglichkeit, die Haftpflichtversicherung der Klägerin in Anspruch zu nehmen (§ 5 des Vertrages über freie Mitarbeit) wurden schließlich Regelungen getroffen, die sich ohne weiteres mit der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses vereinbaren lassen.
97cc) Auf dieser Grundlage ist der Beigeladene zu 1) in dem streitbefangenen Zeitraum eingegliedert in einem fremden Betrieb, nämlich in dem von der Klägerin getragenen St. F-Hospital tatsächlich tätig geworden.
98(1) Der Beigeladene zu 1) hat die von dem Krankenhaus der Klägerin bereitgestellte organisatorische, personelle und sächliche Infrastruktur nicht etwa zur Erbringung eigener Leistungen im eigenen Namen genutzt. Vielmehr ist er von der Klägerin zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber ihren Patienten im Sinne funktionsgerecht dienender Teilnahme am therapeutischen Prozess eingesetzt worden. Dies entspricht auch dem sich aus den Qualitätsberichten sowie dem Leitbild der Klägerin ergebenden Selbstverständnis, die sich danach als kompetenter Anbieter in der medizinischen Betreuung von Patienten versteht und deren Abteilungen mit Schnittstellen wie der Notfall-Ambulanz und der interdisziplinären Intensivstation untereinander vernetzt sind. Letzteres wurde nicht zuletzt durch die Aussage des Zeugen Dr. C bestätigt, wonach der Bereitschaftsdienst nicht nur die jeweilige Abteilung sondern auch die Intensivstation mit betreut. Die umfassende und systematische Integration auch nur kurzzeitig im Tages- und Bereitschaftsdienst eingesetzter Ärzte in die personelle und organisatorische Klinikstruktur der Klägerin ist dabei zur Überzeugung des Senates insbesondere deshalb unverzichtbar, weil der umfassende Wissenstransfer zwischen allen für die medizinische Betreuung der Patienten Verantwortlichen maßgeblicher Teil des Qualitätssicherungsprozesses ist. Dies ist Standard eines jeden Qualitätsmanagements in diesem Bereich. Nicht zuletzt deshalb sind im Rahmen der Qualitätsberichte der Klägerin Fragen der Prozessorientierung und des Risikomanagements zentrale Schwerpunkte.
99(2) Die Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die Funktionsabläufe der Klägerin wird dabei auch durch die Möglichkeit und Notwendigkeit unterstrichen, auf deren Pflegepersonal zurückzugreifen. Dass der Beigeladene zu 1) nach dem klägerischen Vortrag bei der Ausübung seiner Tätigkeit lediglich auf die freiwillige Kooperation des Pflegepersonals angewiesen war, ist lebensfremd. Der Beigeladene zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst die automatisierten Abläufe bei Einlieferung eines Notfalls geschildert. Allein die Tatsache jedoch, dass Abläufe routiniert durchgeführt und nicht hinterfragt werden, bedeutet nicht, dass im Fall einer (auch vor den sich ggf. anschließenden strafrechtlichen Konsequenzen fragwürdigen) Weigerung des Pflegepersonals eine ärztliche Anweisung des Beigeladenen zu 1) nicht durchsetzbar gewesen wäre. Dementsprechend hat der Beigeladene zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem SG erklärt, dass regelmäßig gemacht werde, was er sage.
100(3) Nicht ins Gewicht fällt weiterhin, dass der Beigeladene zu 1) während der übernommenen Tagesdienste nicht an den dort stattfindenden Röntgen- und Stationsbesprechungen teilzunehmen hatte. Zunächst nahmen auch die angestellten Ärzte nur teilweise an der erstgenannten Besprechungsform teil. Darüber hinaus hat sich der Beigeladene zu 1) in dieser Zeit stattdessen nach der Aussage des Zeugen Dr. C als einer der klägerischen "Gastärzte [ ...] auf der Station weiter um den Routinekram gekümmert". Dies spricht nicht gegen eine abhängige Beschäftigung. Im Gegenteil zeigt sich hier, dass die Klägerin die ihr in Form des Beigeladenen zu 1) zur Verfügung stehenden zeitlichen Kapazitäten optimal ausnutzte, indem sie ihn gerade nicht für ihn nicht tangierende Besprechungen sondern für die Patientenbetreuung entlohnen wollte.
101dd) Der Senat hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) während eines übernommenen Tages- und Bereitschaftsdienstes von dem eines angestellten Arztes unterschied. Vielmehr wurde er statt eines angestellten Arztes eingesetzt, da aufgrund von Personalengpässen der Einsatz solcher nicht in Betracht kam. Er verrichtete damit unter Berücksichtigung der Dienstpläne nicht nur in Zusammenarbeit mit angestellten Ärzten seine Dienste sondern trat auch an ihre Stelle und erledigte nach beschriebener Übergabe ihre Tätigkeit fort.
102ee) Hinzu kommt, dass für eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sprechende Gesichtspunkte nicht in einem Maße vorhanden sind, die die vorangegangenen Gesichtspunkte im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung aller für die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit relevanten Umstände überwiegen würden.
103Weder verfügte der Beigeladene zu 1) im Streitzeitraum über eine eigene Betriebsstätte - in Bezug auf die Tages- und Bereitschaftsdienste -, noch ist ein eigenes maßgebliches Unternehmerrisiko bei ihm zu erkennen. Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl. BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.) ist maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen (Segebrecht in: jurisPK-SGB IV, 2. Auflage, § 7 Rdnr. 117). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (vgl. BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.).
104Der Beigeladene zu 1) hat zunächst keine wesentlichen sächlichen Mittel mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt Das gilt namentlich für den Einsatz eigener Betriebsmittel. Das wesentliche Equipment, insbesondere die behandlungsrelevanten medizintechnischen Instrumente und Geräte, das Verbrauchsmaterial sowie die erforderlichen Medikamente sind ihm von der Klägerin gestellt worden. Die wenigen von ihm selbst beschafften bzw. ihm von dritter Seite zugewandten Arbeitsmittel (Stethoskop, Arbeitskleidung, etc.) rechtfertigen nicht die Annahme eines Unternehmerrisikos von wesentlichem Gewicht, zumal eine Erweiterung seiner unternehmerischen Chancen daraus nicht ersichtlich ist.
105Ein Vergütungsrisiko ist mit Ausnahme des auch von einem abhängig Beschäftigten zu tragenden Insolvenzrisikos des Gläubigers gleichfalls nicht ersichtlich. Der Beigeladene zu 1) wurde für die Tages- und Bereitschaftsdienste stundenweise und für die Tätigkeit als Notarzt pro Einsatz vergütet. Da der interne Notarztdienst im Rahmen der Bereitschaftsdienste stattfand, wurden ihm dadurch auch die Wartezeiten mit vergütet.
106Eigenes Kapital hat der Beigeladene zu 1) in Bezug auf die Tätigkeit bei der Klägerin nicht in Form von Investitionen in Werbung etc. eingesetzt. Unerheblich ist, dass während der Ausübung der einzelnen Dienste das durch langjährige Ausbildung und mit hohen Investitionen erworbene Fachwissen nicht vermarktet werden kann.
107ff) Der Wille und die Vereinbarung der Beteiligten, dass der Beigeladene zu 1) selbständig tätig sein solle, sind grundsätzlich allerdings nicht geeignet, Selbständigkeit zu begründen. Entscheidend sind allein die maßgeblichen Grundlagen. Nur wenn der Abwägungsprozess - was hier nicht der Fall ist - kein Überwiegen von Gesichtspunkten für einen Status ergibt, gibt der Wille der Beteiligten den Ausschlag. Ansonsten unterliegt der sozialversicherungsrechtliche Status keiner uneingeschränkten Dispositionsfreiheit der Beteiligten (BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Sozialversicherungsrecht ist öffentliches Recht und steht auch nicht mittelbar dadurch zur Disposition der am Geschäftsleben Beteiligten, dass diese durch die Bezeichnung ihrer vertraglichen Beziehungen über den Eintritt oder Nichteintritt sozialrechtlicher Rechtsfolgen verfügen können (Segebrecht in: jurisPK, SGB IV, 2.Auflage, § 7 Rn. 116). Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es grundsätzlich aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen hierüber zu entscheiden (BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 9/14 R, WM 2014, 1883).
108gg) Weitere in die Gesamtabwägung einzustellende Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich aus der ab dem 1.1.2013 in Kraft getretenen Änderung des § 2 Abs. 1, 3 KHEntgG keine gesetzgeberische Wertung entnehmen, die entscheidend zur Statusbestimmung des Beigeladenen zu 1) herangezogen werden könnte. Zunächst ist die Änderung erst nach Ablauf des noch streitigen Zeitraums erfolgt. Zudem kann offen bleiben, ob der Schluss zu ziehen ist, wenn § 2 Abs. 1, 3 KHEntgG von "nicht fest angestellten Ärztinnen und Ärzten" spricht, dass damit auch ärztliche Behandlungen durch nicht angestellte Ärzte zulässig sein sollen. Denn jedenfalls kann dem für die Unterscheidung der jeweiligen Tätigkeitsarten nichts entnommen werden (vgl. BT-Drucksache 17/9992, S. 26; Berchtold, Aktuelle Abgrenzungsprobleme der abhängigen Beschäftigung § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV, DAI, 26. Sozialrechtliche Jahresarbeitstagung, S. 241, 257).
109c) Die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) nach dem Recht der Arbeitsförderung entfällt auch nicht nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III, weil es sich nicht um eine unständige Beschäftigung in diesem Sinne handelt. Danach sind versicherungsfrei Personen in einer unständigen Beschäftigung, die sie berufsmäßig ausüben. Unständig ist eine Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im Voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist (§ 27 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 SGB III). Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht allerdings zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin grundsätzlich davon ausging, dass sie bei festgestellten Kapazitätsengpässen versuchen würde, auf den Beigeladenen zu 1) zurückzugreifen. Dafür spricht insbesondere die Aussage des Zeugen Dr. C, der die dringende Bedarfssituation der Klägerin nach geeigneten Ärzten und die Vorzüge des Beigeladenen zu 1) beschrieben hat, die ihn zu einem sehr willkommenen Bereitschaftsarzt gemacht haben.
110Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Senat hat diesbezüglich das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten berücksichtigt.
111Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
112Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 52 Abs. 1, 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht NRW Urteil, 30. Sept. 2015 - L 8 R 584/11
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht NRW Urteil, 30. Sept. 2015 - L 8 R 584/11
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenLandessozialgericht NRW Urteil, 30. Sept. 2015 - L 8 R 584/11 zitiert oder wird zitiert von 14 Urteil(en).
(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.
(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.
(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.
(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.
(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.
(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.
(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.
(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte
- 1.
zustimmt und - 2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.
(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.
(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.
(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.
(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.
(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.
(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden, - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird, - 3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.
(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.
(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.
(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.
(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.
(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.
(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.
(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.
(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.
(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.
(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.
(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.
(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte
- 1.
zustimmt und - 2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.
(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.
Tenor
-
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
-
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.
-
Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
-
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 6500 Euro festgesetzt.
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1. in der von ihr für einen privaten "Pflegedienst" ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung unterlag.
- 2
-
Die Klägerin gehört zu einer Unternehmensgruppe, die im Bereich der ambulanten "Pflege und Betreuung" bundesweit tätig ist. Ihr Unternehmensziel ist darauf gerichtet, zumeist älteren und gesundheitlich eingeschränkten Personen ("Pflegebedürftigen"; im Folgenden: Betreuten) einen ua bis zu 24 Stunden täglich dauernden, umfassenden Service durch einen hauswirtschaftlichen Familienbetreuer bzw eine hauswirtschaftliche Familienbetreuerin ("Pflegepartner") anzubieten. Nach Unterweisung in einer von der Unternehmensgruppe betriebenen Aus- und Weiterbildungseinrichtung, die von den Pflegepartnern teilweise selbst bezahlt werden muss, und nach Herstellung eines Kontakts zu den Betreuten durch eine bei der Klägerin angestellte examinierte Krankenschwester führen die Pflegepartner im Rahmen eines regelmäßig 14-tägigen Einsatzes den Haushalt der Betreuten im heimischen Umfeld und übernehmen ggf weitere Dienstleistungen - auch im Sinne von "Gesellschaft" und "Unterhaltung" - nach den jeweiligen Bedürfnissen des Betreuten. Die Pflegepartner erbrachten in den Jahren 2001 und 2002 keine Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Auch war die Klägerin seinerzeit keine durch Versorgungsvertrag zugelassene ambulante Pflegeeinrichtung.
- 3
-
Die Beigeladene zu 1., die nach ihrer - wie vorbeschrieben durchgeführten - Unterweisung ein Gewerbe "Hauswirtschaftliche Betreuung" angemeldet hatte, übte vom 18.1.2001 bis 1.7.2002 mit Unterbrechungen allein für die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden vereinfachend: Klägerin) eine Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin aus. Später - nach ihrer Lösung von der Klägerin - arbeitete sie parallel für mehrere andere private Pflegedienste. Während zwischen der Klägerin und den Betreuten ein schriftlicher Pflege- und Betreuungsvertrag abgeschlossen wurde, erfolgten die "Einsatzaufträge" der Klägerin an die Beigeladene zu 1. lediglich fernmündlich von Mal zu Mal. Die Beigeladene zu 1. erteilte hierüber schriftliche Auftragsbestätigungen. Weitergehende schriftliche Verträge über die einzelnen Einsätze bestanden nicht, ebenso wenig existierte eine schriftliche Rahmenvereinbarung. Eine Verpflichtung der Klägerin, "Einsatzaufträge" zu erteilen, bestand nicht. Ebenso konnte die Beigeladene zu 1. ihr angebotene Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen ablehnen oder abbrechen oder verlängern. Aus einem laufenden Einsatz konnte sie von der Klägerin nicht abgezogen und einem anderen Kunden zugeteilt werden. Die Beigeladene zu 1. kalkulierte den Aufwand für sich selbst - gemessen an den an ihre Tätigkeit gestellten Anforderungen - ggf neu, verhandelte mit der Klägerin über die Vergütung und stellte dieser stets nach Abschluss ihrer Einsätze Rechnungen auf der Grundlage der - entsprechend vorher vereinbarten - pauschalierten Vergütung in Form von Tagessätzen (150 bis 170 DM bzw 87 Euro) aus. Während des Einsatzes dokumentierte die Beigeladene zu 1. die von ihr erbrachten Leistungen ("Pflegenachweis, Leistungsnachweis"). Eine vertragliche Verpflichtung zur Führung solcher Dokumentationen bestand im Verhältnis zur Klägerin nicht. Die examinierte Kraft ("Leitung des Pflegedienstes", "Einsatzleitung") kontrollierte diese Dokumentationen nicht. Eine Aufnahme der Beigeladenen zu 1. in einen von der Klägerin aufgestellten, alle Pflegepartner umfassenden Einsatzplan erfolgte nicht. Im Verhinderungsfall durfte sie - in Absprache mit der Klägerin - eine entsprechend qualifizierte Vertretung einsetzen. Für den Fall der "Kundeninsolvenz" hatten Klägerin und Beigeladene zu 1. einen Selbstbehalt Letzterer von 200 Euro je Rechnung ("Gewährleistungssumme") vereinbart, ebenso, dass bei Honorarkürzungen wegen Schlechtleistung diese von der Klägerin als Abzüge von der Vergütung an die Beigeladene zu 1. weitergegeben werden durften. Die Beigeladene zu 1. erzielte in den Jahren 2001 und 2002 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 19 706 DM bzw 6686 Euro.
- 4
-
Im November 2000 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Deutsche Rentenversicherung Bund) ua die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status". Mit zwei Bescheiden vom 10.2.2003 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. fest, dass die Beigeladene zu 1. ihre Tätigkeit als hauswirtschaftliche Pflegerin und Betreuerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Beigeladene zu 1. für die Klägerin selbstständig tätig gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheiden vom 17.12.2004 wies die Beklagte die Widersprüche zurück.
- 5
-
Mit Urteil vom 4.6.2007 hat das SG der von der Klägerin erhobenen Klage stattgegeben und den sie betreffenden Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben sowie festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. "im Zeitraum ihrer Tätigkeit für die Klägerin nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zu dieser gestanden hat". Während der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren hat die Beklagte die genannten Bescheide mit Bescheid vom 10.6.2009 "ergänzt" und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. "in der Zeit zwischen dem 18.1.2001 bis zum 1.7.2002 mit Unterbrechungen in den Zeiten ihrer Beschäftigung für die Klägerin versicherungspflichtig zu allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung war" und "Beginn der Versicherungspflicht … der 18.1.2001 ist".
- 6
-
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG - nach umfangreichen Ermittlungen - mit Urteil vom 10.6.2009 das Urteil des SG geändert. Über die im erstinstanzlichen Verfahren angefochtenen Bescheide hinaus hat es auch den "ergänzenden" Bescheid vom 10.6.2009 aufgehoben. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin in den im Tenor näher bezeichneten Zeiträumen "nicht als Arbeitnehmerin versicherungspflichtig zur gesetzlichen Renten-, Krankenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung war". Es hat seine zurückweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beigeladene zu 1. habe in der streitigen Zeit nach dem Gesamtbild ihrer Tätigkeit in keinem die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden. Die mündlichen Abreden zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. sprächen als starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Die vereinbarten Einzelheiten machten den Willen der Beteiligten deutlich, eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. zu begründen. Die - gewollte - sozialversicherungsrechtliche Selbstständigkeit sei auch tatsächlich umgesetzt worden. So habe die Beigeladene zu 1. angebotene Einsätze ablehnen können, über die Höhe des Vergütungsanspruchs verhandelt und nach Abschluss des Einsatzes wie ein Unternehmer Rechnungen geschrieben. Der Klägerin habe - auch über die von ihr eingesetzte examinierte Kraft - keine Weisungsbefugnis zugestanden. Eine ständige Dienstbereitschaft der Beigeladenen zu 1. sei nicht erwartet gewesen; diese habe ihre Dienstleistungen auch nicht in den Betriebsräumen der Klägerin erbracht. Die Beigeladene zu 1. habe schließlich ein Unternehmerrisiko getragen, etwa weil sie bei "Kundeninsolvenz" weniger Vergütung erhalten und Ausbildung und Fortbildungen selbst bezahlt habe. Dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen Auftrags von der Klägerin und von den Betreuten vorgegeben gewesen seien, stehe der Annahme von Selbstständigkeit indes nicht entgegen, ebenso wenig, dass die Beigeladene zu 1. Pflegedokumentationen geführt habe. Im konkreten, hier allein zu entscheidenden Fall seien diese von der Klägerin bzw der für sie tätigen examinierten Kraft lediglich zur Kenntnis genommen worden. Auch könne aus der Begründung aufeinanderfolgender, relativ kurzer Vertragsverhältnisse nicht auf das Vorliegen von Beschäftigung geschlossen werden. In diesem Sinne habe die Beigeladene zu 1. nur stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigt, eine weitere Vertragsbeziehung begründen zu wollen.
- 7
-
Die Beklagte wendet sich hiergegen mit der vom LSG zugelassenen Revision und rügt sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV: Nach dem Gesamtbild sprächen die Kriterien überwiegend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Die Beigeladene zu 1. sei in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingeordnet, weisungsgebunden und ohne Unternehmerrisiko tätig gewesen. Die Führung der Pflegedokumentationen, zu der die Beigeladene zu 1. aufgrund des mit den Betreuten abgeschlossenen Pflege- und Betreuungsvertrags mittelbar verpflichtet gewesen sei, und das Prozedere beim Wechsel der Pflegepartner zeigten, dass die Beigeladene zu 1. Teil in der Kette der den jeweiligen Betreuten zur Verfügung gestellten Pflegepartner und damit in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen sei. Das ergebe sich auch aus deren Teilnahme am Gruppenversicherungsvertrag der Klägerin für die Berufshaftpflichtversicherung. Weil sie ihre Aufträge ausschließlich durch Vermittlung der Klägerin erhalten und sich die Betreuungstätigkeit nach den Wünschen der Betreuten gerichtet habe, sei die Beigeladene zu 1. auch - im Verhältnis zu diesen - weisungsgebunden gewesen. Ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. habe schließlich nicht bestanden. Dieses folge weder aus dem Umstand, dass die Beigeladene zu 1. Aufträge habe ablehnen dürfen, noch daraus, dass von der Klägerin eine "Gewährleistungssumme" für den Fall der "Kundeninsolvenz" habe einbehalten werden dürfen.
- 8
-
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 und des Sozialgerichts Duisburg vom 4. Juni 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 9
-
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
- 10
-
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Aus dem Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1. lasse sich eine Weisungs- und/oder Kontrollbefugnis nicht herleiten. Pflegedokumentationen seien ein Arbeitsmittel der professionellen Pflege und ließen keinen Rückschluss auf den Status der sie Führenden zu. Ebenso wenig spreche die Teilnahme an einem Gruppenversicherungsvertrag für eine abhängige Beschäftigung.
- 11
-
Die Beigeladenen stellen keine Anträge und äußern sich auch nicht in der Sache.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers (Deutsche Rentenversicherung Bund) ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG zunächst - auf Klage - auch den während des Berufungsverfahrens erlassenen "ergänzenden" Bescheid der Beklagten vom 10.6.2009 aufgehoben. Ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden ist, hat es sodann die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG mit den im Tenor genannten, auf die Zeiten der einzelnen Betreuungseinsätze vorgenommenen Einschränkungen zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil insoweit geändert. Der ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 10.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2004 und ihres "ergänzenden" Bescheids vom 10.6.2009 ist rechtswidrig. Wie das LSG ohne Rechtsfehler entschieden hat, hat sie darin unzutreffend festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in den streitigen Zeiträumen in ihrer für den privaten "Pflegedienst" der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden vereinfachend: Klägerin) ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Pflegerin und Betreuerin wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.
- 13
-
1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen ist vom Senat auch der während der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren von der Beklagten erlassene Bescheid vom 10.6.2009. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen (vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, Leitsatz und RdNr 11 ff; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - Juris RdNr 13 ff) Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht und ihres Beginns "ergänzt". Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element zu einer vollständigen Feststellung ergänzt - und damit auch erst einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht -, so liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt.
- 14
-
Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob die Beigeladene zu 1. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin nicht festzustellen ist, bei den jeweils von ihr Betreuten versicherungspflichtig beschäftigt war. Ebenso ist hier nicht zu überprüfen, ob die Beigeladene zu 1. - was bei Annahme einer selbstständigen Tätigkeit in Betracht kommt - jedenfalls der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 Satz 1 SGB VI unterlag. Zutreffend hat das LSG insoweit ausgeführt, dass in dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV allein geklärt werden sollte, ob die Beigeladene zu 1. bei der Klägerin wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war, und dass eine Feststellung des (Nicht-)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der Voraussetzungen der § 2 Satz 1, § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI erfordert, deshalb vom Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst ist.
- 15
-
2. Die Beklagte ist in ihren Bescheiden in dem von der Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32), auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller tatsächlichen Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den vom LSG für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen -rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offenlassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in den streitigen Zeiträumen auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen und ob die Beklagte - bei Bestehen von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung - über den Zeitpunkt ihres Eintritts zutreffend entschieden hat.
- 16
-
a) In den Jahren 2001 und 2002, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III)der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfacheren Arbeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen (vgl zur Beurteilung von Familienhelfern im Arbeitsrecht BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 27.7.2011 - B 12 KR 10/09 R, RdNr 17, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
- 17
-
b) Im vorliegenden Rechtsstreit ist das LSG - für die hier (allein) zu beurteilende Fallkonstellation - auf Grund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung, ohne dass dies vom Senat zu beanstanden wäre, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin bei der Klägerin nicht beschäftigt war. Die vom Berufungsgericht hierbei in seinem Ausgangspunkt zu Grunde gelegten rechtlichen Grundsätze sind zutreffend. So ist das LSG bei seiner Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit zu Recht (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 15 f; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - Juris RdNr 22) davon ausgegangen, dass dem in den - hier allein mündlich getroffenen - Abreden dokumentierten Willen der Beteiligten, keine Beschäftigung zu wollen, nur dann keine - indizielle - Bedeutung zukommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarungen rechtlich relevant abwichen, und dann maßgebend ist, wie die Rechtsbeziehung (tatsächlich) praktiziert wurde. Als rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erfasst hat das LSG auch, dass aus dem Umstand, dass - ohne (mündliche oder schriftliche) Rahmenvereinbarung - jeweils einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse von in der Regel 14 Tagen mit Diensten "rund um die Uhr" begründet wurden, zwingende Schlüsse weder in der einen - Beschäftigung - noch in der anderen Richtung - selbstständige Tätigkeit - gezogen werden können, sondern stets eine Bewertung der einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu erfolgen hat (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff). Als Ausgangsüberlegung richtig ist schließlich, dass eine Tätigkeit wie die eines hauswirtschaftlichen Familienbetreuers bzw einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin grundsätzlich sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden kann (vgl zur Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Hauskrankenpflegerin auch im Rahmen abhängiger Beschäftigung aus der Zeit vor Einführung der Pflegeversicherung LSG Berlin, Urteil vom 26.11.1986 - L 9 Kr 8/85 - Breith 1987, 345; ferner zur Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Tagesmutter als Beschäftigte und Selbstständige Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - Juris RdNr 11, mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Sowohl die Befristung der Arbeitseinsätze der Beigeladenen zu 1. als auch ihr Einsatz "rund um die Uhr" lassen dabei nicht schon den Schluss zu, dass ein (rechtlich zulässiger) Einsatz von vornherein überhaupt nur im Rahmen einer frei ausgestalteten selbstständigen Tätigkeit in Betracht kam. Zwar waren (und sind) kurzzeitige Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber nur begrenzt zulässig (vgl § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz vom 21.12.2000, BGBl I 1966), aber immerhin nicht generell ausgeschlossen. Auch unter dem Blickwinkel des Arbeitszeitrechts bestanden (und bestehen) für Beschäftigungen auf diesem Gebiet keine engen Vorgaben hinsichtlich der maximalen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit (vgl § 18 Abs 1 Nr 3 Arbeitszeitgesetz vom 6.6.1994, BGBl I 1170: keine Geltung des Gesetzes für "Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen").
- 18
-
c) Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen, auf der Grundlage umfangreicher Ermittlungen getroffenen detaillierten Feststellungen des LSG zu den im vorliegenden Fall zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. getroffenen Vereinbarungen und deren - hiermit übereinstimmender - (tatsächlicher) Umsetzung rechtfertigen dessen Annahme, die Beigeladene zu 1. sei in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin bei dieser nicht beschäftigt gewesen. Das Berufungsgericht hat ausgehend von zutreffenden (allgemeinen) rechtlichen Erwägungen begründet, dass und warum hiernach starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit sprechen. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass das LSG für das hier (allein) zu beurteilende Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit umfassendes Weisungsrecht der Klägerin sowie eine Eingliederung in deren "Betrieb" verneint, demgegenüber aber ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. angenommen hat. Ebenso ist es beanstandungsfrei, dass das LSG diesen Befund - unter Einbeziehung weiterer, für eine selbstständige Tätigkeit sprechender Umstände - bei der Gesamtwürdigung seiner Statusbewertung maßgebend zugrunde gelegt und der Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von (allgemeinen) Vorgaben der Klägerin, der Vergütung in Form (pauschaler) Tagessätze sowie der Führung einer Pflegedokumentation durch die Beigeladene zu 1. hierbei keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat.
- 19
-
aa) Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung unterlag die Beigeladene zu 1. bei der Durchführung ihrer einzelnen "Einsatzaufträge" keinem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin. Sie unterlag auch keinem solchen der von ihr Betreuten. Unter Berücksichtigung der im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung von Lehrtätigkeiten entwickelten Rechtsprechung des BSG (vgl BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris RdNr 29, mwN) hat das Berufungsgericht den Umständen hier rechtsfehlerfrei keine entscheidende Bedeutung beigemessen, dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen "Einsatzauftrags" wie Beginn und Ende des Einsatzes und "grober" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin vorgegeben waren und sich die Betreuungstätigkeit (allgemein) nach den Bedürfnissen und Wünschen der Betreuten oder ihrer Angehörigen auszurichten hatte. Wie die Betreuung im Einzelnen ausgestaltet ist, richtet sich nach den individuellen Erfordernissen, die sowohl inhaltlich als auch in zeitlicher Hinsicht die zu erbringenden Leistungen bestimmen. Das gilt für Tätigkeiten hauswirtschaftlicher Art wie für Pflegetätigkeiten (im weiteren Sinne) gleichermaßen. Der hierbei - gerade auch im Hinblick auf die zeitliche Dimension des "Einsatzauftrags" (14-Tage-Einsatz, 24-Stunden-Service) - geforderten Fähigkeit des Pflegepartners zur Reaktion auf die - sich ggf ständig verändernde - aktuelle Betreuungs- und/oder Pflegesituation steht zwangsläufig eine Flexibilität im Handeln gegenüber, die diesem gerade wegen der Individualität und Einzigartigkeit dieser Situation prinzipiell einen großen Entscheidungsbereich belässt. Hiervon ausgehend und nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall unterlag die Beigeladene zu 1. keiner arbeitnehmertypischen Leistungspflicht, weil sich für sie bei ihrer Tätigkeit für einen Arbeitnehmer uncharakteristische Handlungsspielräume ergaben (vgl insoweit - im Arbeitsrecht - zum Gesichtspunkt einer möglichen Einflussnahme des Betroffenen auf Art und zeitliche Lage der konkreten Tätigkeit in einer Betreuungssituation BAG AP Nr 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Leitsatz 1 und Bl 413 ff). Allein aus der im Hinblick auf die genannten (allgemeinen) Vorgaben der Klägerin und der Betreuten bestehenden "Minderung" der "Autonomie" der Pflegepartner bei der Durchführung der einzelnen Einsätze kann daher nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne und damit eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von der Klägerin und/oder der Betreuten geschlossen werden (zur Übertragung der für die Beurteilung von Lehrtätigkeiten aufgestellten Grundsätze auf als sog Freelancer tätige Flugzeugführer vgl BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Ob die Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin, den Betreuten und der Beigeladenen zu 1. - wie die Beklagte unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 18.6.2008 (L 1 RA 257/05 - Juris RdNr 60 f) meint - einem Leiharbeitsverhältnis ähnelten mit der Besonderheit, dass hier das "Weisungsrecht" wie dort auf die Betreuten "delegiert" war, ist vor diesem Hintergrund ohne Bedeutung.
- 20
-
Die Beigeladene zu 1. war auch nicht - gleichwohl - wegen der von ihr in der Gestalt von "Pflegeberichten", "Pflegeprotokollen" und "Checklisten für die Pflegepartner zur Durchführung einer Ablösung" geführten Pflegedokumentationen von der Klägerin weisungsabhängig. Die Beklagte behauptet dieses auch selbst nicht, sondern stützt sich auf diesen Umstand (nur) für ihre Annahme, die Beigeladene zu 1. sei in eine von der Klägerin vorgegebene Ordnung eingegliedert gewesen. Das LSG hat in dem hier (allein) zu entscheidenden Fall festgestellt, dass sich die bei der Klägerin angestellte examinierte Krankenschwester in die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. tatsächlich nicht eingemischt, insbesondere deren Arbeitsergebnisse - etwa beim Wechsel von Pflegepartnern - nicht anhand der Pflegedokumentationen kontrolliert hat, und hieraus den Schluss gezogen, dass der Klägerin über diese Kraft keine Weisungsbefugnis zustand. Diese Schlussfolgerung ist nicht zu beanstanden, zumal - wie das Berufungsgericht ebenfalls festgestellt hat - der Klägerin keine Rechtsmacht zur Kontrolle zustand, weil im Verhältnis zu ihr eine (vertragliche) Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. zur Dokumentation nicht bestand und diese jedenfalls nach dem mit den Betreuten abgeschlossenen Pflege- und Betreuungsvertrag (dort Punkt 1.6) nur als "Pflege"- bzw "Leistungsnachweis" (der Klägerin) gegenüber den Betreuten dienen sollte. Eine - von der Beklagten angenommene - auf Grund "mittelbarer" Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. hierzu dieser gegenüber bestehende Weisungsbefugnis der Klägerin etwa dahingehend, dass und wie sie ihre Dienstleistung optimieren könne, lässt sich daraus nicht entnehmen.
- 21
-
Schließlich greift das Vorbringen der Beklagten auch insoweit nicht durch, als sie sich für die Annahme eines Weisungsrechts der Klägerin darauf stützt, dass diese die Beigeladene zu 1. in einer speziellen Bildungsmaßnahme geschult und so auf ihre Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin vorbereitet, dieser dann die Aufträge vermittelt und (allein) mit den Betreuten "Erstverhandlungen" über den Umfang der Betreuungsleistungen geführt habe. Warum sich hieraus - bezogen auf die Verhältnisse, die nach Annahme eines "Einsatzauftrags" bestehen - ein für eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. sprechendes Weisungsrecht der Klägerin ergeben soll, erläutert die Beklagte nicht. Demgegenüber fallen als relevant auf eine (weitgehend) autonome Durchführung der einzelnen Einsätze hindeutende Umstände ins Gewicht, dass die Beigeladene zu 1. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall übernommene Aufträge (vorzeitig) abbrechen oder verlängern und sie nach Übernahme eines bestimmten Auftrags (und vor dessen Beendigung) von der Klägerin nicht gegen ihren Willen "umgesetzt", also zur Annahme eines anderen Auftrags veranlasst werden konnte.
- 22
-
bb) Die Beigeladene zu 1. war auch nicht wie eine Beschäftigte in den "Betrieb" der Klägerin eingegliedert. Ebenso fehlte eine entsprechende arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von den Betreuten vorgegebene betriebliche Ordnung. Soweit das LSG diese Annahme damit begründet hat, dass von der Beigeladenen zu 1. mangels Aufnahme der Pflegepartner in einen bei der Klägerin geführten Dienstplan keine ständige Dienstbereitschaft erwartet worden sei und diese - im Gegenteil - die Übernahme von "Einsatzaufträgen" eher an eigenen Bedürfnissen ausgerichtet hat, ist sein Prüfungsansatz indessen unzutreffend. Denn auch für die Beurteilung, ob die Beigeladene zu 1. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden. Im Übrigen lässt die Würdigung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht jedoch Rechtsfehler nicht erkennen. Zu Recht hat das LSG auf der Grundlage seiner Feststellungen entschieden, dass die Beigeladene zu 1. in den "Betrieb" der Klägerin nicht eingegliedert war (vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter die Einbindung der Beigeladenen zu 1. in den Haushalt des jeweils Betreuten (mit den dort zur Verfügung gestellten sächlichen Mitteln) nicht als funktionsgerechte Einordnung in eine von dieser Seite vorgegebene Ordnung betrachtet, in der fremdbestimmte Arbeit geleistet werden kann (vgl - zur Möglichkeit des Fehlens einer Eingliederung von Dozenten in den Lehr-/Bildungsbetrieb einer Volkshochschule - BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris RdNr 18 ff; ferner - zum Fehlen einer Eingliederung von als sog Freelancer tätigen Flugzeugführern in den Betrieb eines Luftfahrtunternehmens - BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff).
- 23
-
Das Revisionsvorbringen der Beklagten greift demgegenüber nicht durch. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung folgt aus dem - vom LSG festgestellten - Ablauf beim Wechsel der Pflegepartner und der Organisation der Folgepflege sowie der hierauf bezogenen Funktion der Pflegedokumentationen (Checkliste) nicht schon, dass die Beigeladene zu 1. wegen ihrer Eigenschaft als "ein Teil in der Kette der den jeweiligen Kunden zur Verfügung gestellten Pflegepersonen" in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert war. Dass jemand zu einem "Pool" von Einsatzkräften gehört, die zur Erfüllung anderen Personen obliegender Verpflichtungen gegenüber Dritten bereitstehen, besagt über deren Eingliederung in den "Betrieb" der insoweit Verpflichteten nichts (vgl - zum Status in einem "Personalpool" zusammengefasster, als sog Freelancer tätiger Flugzeugführer als Selbstständige - BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris). Ebenso wenig kann für eine Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin daraus etwas hergeleitet werden, dass ihr und das Auftreten der Beigeladenen zu 1. im Rechtsverkehr von den Betreuten so wahrgenommen wurden, als sei die Beigeladene zu 1. nicht (ihrerseits) Unternehmerin, sondern befinde sich in einem Anstellungsverhältnis zur Klägerin.
- 24
-
Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung spricht für eine entsprechende Eingliederung schließlich nicht, dass die Klägerin für die Pflegepartner zur Absicherung in einer Berufshaftpflichtversicherung einen Gruppenversicherungsvertrag angeboten hat. Zutreffend hat die Klägerin in diesem Zusammenhang nämlich darauf hingewiesen, dass Angebote zur Teilnahme an einer Gruppenversicherung allgemein auch Selbstständigen (etwa Rechtsanwälten) gemacht werden, ohne dass eine Teilnahme hieran für eine Eingliederung in den "Betrieb" des Anbieters als Indiz wirkt.
- 25
-
cc) Nicht zu beanstanden ist des Weiteren, dass das LSG ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. angenommen hat. Zutreffend hat es darauf hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass die Beigeladene zu 1. - wie das für Dienstleistungen in der Hauswirtschaft typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft und weniger Kapital eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.
- 26
-
Richtig ist allerdings, dass - so die Beklagte unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 8.8.2006 (L 11 R 2987/05) - aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung der einzelnen Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, kein Unternehmerrisiko wegen der einzelnen Einsätze folgt (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Die Annahme eines Unternehmerrisikos ist indessen gerechtfertigt, weil die Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes bei "Kundeninsolvenz" in der Gestalt eines Selbstbehalts ("Gewährleistungssumme") trug. Die vom LSG im gleichen Zusammenhang genannte Vereinbarung über Abzüge für Schlechtleistungen stellt demgegenüber kein Indiz für ein Unternehmerrisiko dar, weil eine solche "Haftung" für Schlechtleistungen, wenn auch eingeschränkt, Arbeitnehmer gleichermaßen trifft (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36). Zu dem Risiko des Verdienstausfalls bei "Kundeninsolvenz" tritt - wenn auch in geringerem Umfang - ein Kapitalrisiko hinzu, weil sich der Einsatz von Reisekosten bei (vorzeitigem) Abbruch des "Einsatzauftrags", etwa bei Versterben von Kunden oder deren Verlegung ins Krankenhaus oder Heim nicht lohnen konnte. Auch amortisierten sich in einem solchen Fall die von der Beigeladenen zu 1. aufgewandten Ausbildungs- und Fortbildungskosten nicht.
- 27
-
Der Belastung der Beigeladenen zu 1. mit diesen Risiken stand auf der anderen Seite, was - wie dargestellt - erforderlich ist, bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des einzelnen Einsatzes eine größere Freiheit und Flexibilität gegenüber. Die Beigeladene zu 1. war nämlich nicht wie ein klassischer Arbeitnehmer gehalten, Arbeitsanweisungen zur Vermeidung vertragsrechtlicher Sanktionen und/oder von Schadensersatzansprüchen Folge zu leisten, sondern konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft entsprechend ihren Bedürfnissen sehr weitreichend selbst steuern. So konnte sie nach den nicht mit Revisionsgründen angegriffenen Feststellungen des LSG in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise die ihr von der Klägerin angebotenen Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen abbrechen oder verlängern; sie konnte auch nicht von der Klägerin aus einem laufenden Einsatz gegen ihren Willen abgezogen und nach den Bedürfnissen einer fremden betrieblichen Organisation anderen Kunden zugeteilt werden.
- 28
-
Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist ein Unternehmerrisiko hier auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Beigeladene zu 1. für ihre Einsätze vereinbarungsgemäß und tatsächlich pauschal - nach Tagessätzen - vergütet wurde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kalkulierte die Beigeladene zu 1. ihren Aufwand ggf neu und hat diese Kalkulation in die Verhandlungen mit der Klägerin um die Höhe des Vergütungsanspruchs eingebracht. Damit hing in dem hier zu beurteilenden Fall der Beigeladenen zu 1. die Höhe ihres Verdienstes in der Form höherer Tagessätze weitestgehend vom Umfang und der Intensität des Einsatzes ihrer Arbeitskraft bei dem jeweiligen Auftrag ab. Sie konnte durch die Gestaltung der "Einsatzaufträge" die wirtschaftliche Verwertung ihrer Arbeitskraft in hohem Maße selbst steuern und andererseits durch besondere Anstrengungen ihre Verdienstchancen erhöhen bzw einen Mehrverdienst erzielen.
- 29
-
3. Nach alledem ist die Beigeladene zu 1. in den streitigen Zeiträumen in ihrer für den privaten "Pflegedienst" der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin nicht als versicherungspflichtig Beschäftigte iS von § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV anzusehen. Denn für den hier (allein) zu beurteilenden Sachverhalt ist das LSG ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. selbstständig tätig war. Dahinter kann zurücktreten, dass die Klägerin - und nicht die Beigeladene zu 1. - Kundenwerbung betrieb und "Einsatzaufträge" aquirierte, weil sie jene damit lediglich an die Beigeladene zu 1. vermittelte und in diesem Zusammenhang für diese den Kontakt zu den Betreuten herstellte.
- 30
-
Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet indessen nicht, dass eine Tätigkeit, wie sie die Beigeladene zu 1. im hauswirtschaftlichen und "pflegenahen" Bereich ausgeübt hat, stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wäre. Maßgebend für die Beurteilung sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese Feststellungen sind bindend, wenn sie - wie hier - nicht mit durchgreifenden Revisionsgründen, insbesondere mit Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl § 163 SGG). Von daher ist es durchaus möglich, dass andere LSG in ihren Entscheidungen zu Tätigkeiten ähnlicher Art, wie sie von der Beigeladenen zu 1. verrichtet wurden, auf der Grundlage der in ihren Verfahren festgestellten tatsächlichen entscheidungserheblichen Umstände zu anderen Ergebnissen gelangen.
- 31
-
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Beigeladenen haben sich am Verfahren nicht beteiligt. Ihre außergerichtlichen Kosten sind daher nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs 3 VwGO).
- 32
-
Der Streitwert für das Revisionsverfahren ist nach § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des vom LSG schon für das Berufungsverfahren angenommenen Streitwerts festzusetzen.
Tenor
-
Auf die Revision der Klägerin zu 1. werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 und der Bescheid vom 31. März 2011 aufgehoben, soweit beide die Klägerin zu 1. betreffen.
-
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 wird insoweit zurückgewiesen.
-
Die Beklagte hat der Klägerin zu 1. deren außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren und das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
-
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.
- 2
-
Die Klägerin zu 1. bot unter einer zentralen Telefonnummer Dienstleistungen in Form von telefonischen Kontakten zu für sie tätigen "telefonischen Gesprächspartnern/Gesprächspartnerinnen" an. Diese führten, wenn sie im Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. "aktiviert" waren, über dieses System gebührenpflichtige Telefonate mit anrufenden Kunden.
- 3
-
Die 1970 geborene Klägerin zu 2., die seinerzeit studierte, war in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 als "telefonische Gesprächspartnerin" für die Klägerin zu 1. tätig. Sie arbeitete in dieser Zeit als "telefonische Gesprächspartnerin" auch für die Unternehmen S. GmbH und G. GmbH. Zur Erreichung des Unternehmensziels schlossen die Klägerinnen als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" im November 2000 einen "Auftragsvertrag" ua mit folgendem Inhalt:
"§ 3
Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer erhält ihre Vergütung ausschließlich für die Zeiten, in denen sie/er gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufen über das System des Telekommunikationsservices geführt hat. Zeiten in dem die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer zwar im System des Telekommunikationsservices aktiviert war, allerdings keine gebührenpflichtigen Telefonate mit Anrufen über dieses System geführt hat, werden nicht vergütet.
…
Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass mit Abrechnung und Ausgleich sämtliche gegenseitigen Ansprüche in voller Höhe abgegolten sind.
§ 4
Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer ist/sind nicht verpflichtet, die Aufträge in Person auszuführen. Sie/er kann sich auch der Hilfe von Erfüllungsgehilfen bedienen.
Tritt die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer als Subunternehmer auf, ist dies der Auftraggeberin unverzüglich anzuzeigen.
In diesem Fall hat die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer die dort beschäftigten freien Mitarbeiter auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien aufzuklären und ihre/seine eigenen Mitarbeiter auf Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen mit der Auftraggeberin hinzuweisen.
…
§ 5
Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer hat das Recht, auch für dritte Arbeitgeber tätig zu sein.
Die Vertragsparteien sind sich bewusst, dass die in § 1 genannten Aufgaben der freien Mitarbeiterin bzw. des freien Mitarbeiters auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden könnten.
Von dieser Gestaltungsmöglichkeit haben sie aber bewusst keinen Gebrauch gemacht, sondern in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften die Form des freien-Mitarbeiter-Vertrages gewählt, um der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter die volle Entscheidungsfreiheit bei Verwertung ihrer/seiner Arbeitskraft zu belassen, soweit diese durch den vorstehenden Vertrag nicht belegt ist.
…
Vor Aufnahme der Tätigkeit verpflichtet sich die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer ein Gewerbe als Telekommunikationsagentur anzumelden, insbesondere bei dem für sie zuständigen Finanzamt zur Mehrwertsteuer zu optieren, wenn die Mehrwertsteuer ausgezahlt wird…
…
§ 8
…
Das gleichzeitige Schalten bei mehreren Firmen ist nicht gestattet, wenn einer der ersten beiden Plätze an die Auftragnehmerin bzw. den Auftragnehmer vergeben wurde. Es steht der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer frei, sich auf hintere Plätze schalten zu lassen, sofern dies mindestens 6 Wochen vorher schriftlich angezeigt wird und keine berechtigten In der Auftraggeberin dem entgegenstehen. Außerhalb der Routingzeit bleibt es der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer überlassen, sich bei anderen Firmen schalten zu lassen.
Für jeden Fall des Verstoßes gegen vorbezeichnete Vereinbarungen wird eine Vertragsstrafe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig…
…
Das Abwerben von Kunden auf andere gebührenpflichtige Nummern (gleichgültig ob die der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers bzw. die anderer Auftraggeber der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers) ist verboten. Für den Fall der Zuwiderhandlung ist gleichfalls eine Vertragsstrafe in Höhe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig.
§ 9
Den Vertragsschließenden ist bekannt, dass der Vertrag nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 09.06.1998 - Az: XI ZR 192/97) als sittenwidrig und damit nichtig gem. § 138 Abs. 1 BGB angesehen werden kann.
Die Parteien schließen diesen Vertrag in Kenntnis dieser Problematik ab und verzichten wechselseitig auf das Recht, sich gegenüber der anderen Vertragspartei auf die etwaige Sittenwidrigkeit zu berufen.
…"
- 4
-
Die Klägerin zu 2. übte ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" von zu Hause aus und über die eigene Telefonanlage aus, indem sie sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählte und sodann "aktiviert" war. Die Einrichtung der eigenen Telefonanlage wurde durch die Klägerin zu 1. nicht mitfinanziert. Die Klägerin zu 2. teilte der Klägerin zu 1. jeweils im Voraus mit, wann sie zur Entgegennahme von Anrufen bereit sei und wurde sodann nach ihren Vorgaben freigeschaltet; diese Bereitschaftszeiten bestimmte sie selbst und richtete sie an den Anforderungen ihres Studiums aus. Einen verbindlichen Terminplan über die Einsatzzeiten der Klägerin zu 2. gab es nicht; Mindestzeiten der Anwesenheit oder eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe verlangte die Klägerin zu 1. ebenfalls nicht. Meldete die Klägerin zu 2. weniger Zeit an oder konnte sie angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten, sprach die Klägerin zu 1. keine Sanktionen aus. Urlaub zeigte die Klägerin zu 2. der Klägerin zu 1. lediglich an. Ihre Vergütung errechnete sich aus dem ermittelten Zeiteinsatz der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufern über den Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. Auf der Grundlage dieser ihr im Folgemonat mitgeteilten Daten erstellte die Klägerin zu 2. ihre Rechnung. Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld erhielt die Klägerin zu 2. nicht. Um sich einen eigenen Kundenstamm aufzubauen, ließ sich die Klägerin zu 2. später im Einverständnis mit der Klägerin zu 1. eine zweite, ausschließlich für sie bestimmte Telefonnummer in deren Telekommunikationssystem einrichten, die sie in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Gesprächskunden konnten sie auf diese Weise, nachdem sie sie auf ihre Bereitschaftszeiten hingewiesen hatte, direkt anwählen und wurden bei Abwesenheit nicht an eine andere Gesprächspartnerin vermittelt.
- 5
-
Im Juni 2001 beantragte die Klägern zu 2. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; im Folgenden einheitlich: Beklagte) die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status" und stellte sich auf den Standpunkt, dass "ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs 1 SGB IV" nicht vorliege. Mit zwei Bescheiden vom 14.10.2002 stellte die Beklagte gegenüber den Klägerinnen fest, dass die Klägerin zu 2. ihre bei der Klägerin zu 1. ausgeübte Tätigkeit als Telefonistin seit Oktober 2000 (1.10.2000) im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Klägerin zu 2. selbstständig tätig sei; mit Widerspruchsbescheiden vom 24.9.2003 wies die Beklagte ihre Widersprüche zurück.
- 6
-
Auf die verbundenen Klagen der beiden Klägerinnen hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 17.9.2008).
- 7
-
Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. Nach Ermittlungen zur Höhe der von der Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum erhaltenen Vergütung, insbesondere einer Auswertung von der Klägerin zu 1. übersandter "Honorarrechnungen" der Klägerin zu 2. aus dem Jahr 2001 und beigezogener Einkommensteuerbescheide der Klägerin zu 2. aus den Jahren 2000 bis 2005 hat die Beklagte die ursprünglichen Bescheide mit an die Klägerinnen gerichteten Bescheiden vom 31.3.2011 geändert und festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der von ihr in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Beschäftigung als Telefonistin sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Tatbestände, die Versicherungsfreiheit begründeten oder Versicherungspflicht ausschlössen, lägen nicht vor. Die Entscheidung zur Versicherungspflicht sei auf der Grundlage allgemeiner Beweislastregeln zu treffen.
- 8
-
Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 25.8.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. wegen einer Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Die Klägerin zu 2. habe sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen müssen und sei erst damit als telefonische Gesprächspartnerin im Auftrag der Klägerin zu 1. "aktiviert" gewesen. Zwar habe die Klägerin zu 2. von der Klägerin zu 1. keine ins Einzelne gehenden Weisungen erhalten, ihre konkrete Aufgabenstellung habe sich indessen aus dem Vertrag ergeben. Auch sei die Leistungserbringung der Klägerin zu 2. über die Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten durch das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. kontrolliert worden. Im Hinblick auf die Notwendigkeit, das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem zu nutzen, reichten diese Umstände für die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit durch Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Gewerbes der Klägerin zu 1. aus. Die Klägerin zu 2. habe auch kein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie eigene Betriebsmittel nicht habe einsetzen müssen. Auch die Zuteilung einer zweiten Telefonnummer und die hierfür betriebene Eigenwerbung hätten keine Initiative in Richtung "unternehmerisches Risiko" dargestellt. Der Aufbau eines eigenen Kundenstammes habe nur im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1. stattgefunden. Die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung mit den Stammkunden nicht etwa selbst aushandeln können. Da im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen nicht erweislich sei, ob die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum geringfügig beschäftigt und deshalb versicherungsfrei gewesen sei, müsse nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast von Versicherungspflicht ausgegangen werden. Diese Beweislast treffe die Klägerinnen, weil sie im Statusfeststellungsverfahren beantragt hätten, dass die Klägerin zu 2. nicht als Beschäftigte sozialversicherungspflichtig sei. Das LSG hat die Revision im Tenor seines Urteils zugelassen, in den Entscheidungsgründen jedoch ausgeführt, dass die Revision nicht zuzulassen sei, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorlägen.
- 9
-
Mit ihrer Revision rügt (nur) die Klägerin zu 1. eine Verletzung von § 7 Abs 1 und § 7a SGB IV. Die Klägerin zu 2. habe bei ihr eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt. Die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Indizien überwögen bei Weitem. Die Klägerin zu 2. habe die im "Auftragsvertrag" beschriebene und tatsächlich auch so praktizierte Tätigkeit bei voller Entscheidungsfreiheit über die Verwertung ihrer Arbeitskraft in eigenen Räumlichkeiten ohne Kontrolle ausgeübt. Sie habe die Tätigkeit als telefonische Gesprächspartnerin nicht in Person ausführen müssen und für dritte Arbeitgeber tätig sein dürfen. Weder habe sie - die Klägerin zu 1. - bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit verlangt noch eine Mindestanzahl getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. habe auch ein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie mit ihrer Wohnung und Telefonanlage eigene Betriebsmittel eingesetzt habe und über die Anzahl der entgegengenommenen Anrufe und deren Länge den Umfang ihres persönlichen Einkommens bestimmt habe. Unternehmerische Verantwortung zeige sich auch darin, dass sie mittels einer zweiten, von ihr beworbenen Rufnummer eigene Kunden bedient habe. Die Klägerin zu 1. meint darüber hinaus, hinsichtlich der von ihm zu beantwortenden Fragen nach dem Bestehen von Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung/selbstständiger Tätigkeit habe das LSG Beweislosigkeit nicht annehmen dürfen. Die vorgelegten Unterlagen legten es zumindest nahe, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. durchschnittlich nur 270 Euro monatlich verdient habe und deshalb wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei gewesen sei.
- 10
-
Mit Beschluss vom 29.11.2011 hat das LSG die Entscheidungsgründe des angefochtenen Berufungsurteils dahin berichtigt, dass es heißen muss: "Die Revision wird gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen."
- 11
-
Die Klägerin zu 1. beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 zurückzuweisen.
- 12
-
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zu 1. zurückzuweisen.
- 13
-
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin zu 1. setze sich mit der Argumentation des LSG nicht hinreichend auseinander. Im Übrigen habe das LSG festgestellt, dass sie - die Beklagte - alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und die Beweislastregeln rechtsfehlerfrei angewandt habe. Die Berichtigung sei unwirksam, weil der Berichtigungsbeschluss vom 29.11.2011 nicht auf der Urschrift des Urteils und den Ausfertigungen vermerkt worden sei.
- 14
-
Auch die Beigeladene zu 3. hält das angefochtene Urteil für zutreffend; sie stellt jedoch keinen Antrag. Die Beigeladenen zu 1. und 2. äußern sich im Revisionsverfahren nicht.
- 15
-
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
- 16
-
Die zulässige Revision der Klägerin zu 1. ist begründet.
- 17
-
1. Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - statthaft, weil sie in der Entscheidung des LSG zugelassen worden ist (§ 160 Abs 1 SGG).
- 18
-
Zwar hat das LSG die Revision im Tenor des Berufungsurteils zugelassen, während in den Entscheidungsgründen - hiermit widersprechend - ausgeführt wird "Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorliegen." Bei Abweichungen zwischen Urteilstenor und Entscheidungsgründen erweist sich jedoch die Aussage im Urteilstenor als maßgebend; denn die Entscheidungsgründe dienen der Auslegung des Urteilstenors, nicht aber dessen Änderung (vgl BGH NJW 1997, 3447, 3448, mit Nachweisen aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur; auch BGH NJW 2003, 140, 141; ferner Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand der Einzelkommentierung März 2008, § 118 RdNr 4). Das muss jedenfalls dann gelten, wenn der Urteilstenor eindeutig ist und sich ein weiteres Indiz für die Absicht der Revisionszulassung - wie hier - aus der Rechtsmittelbelehrung als eines nach § 136 Abs 1 Nr 7 SGG notwendigen Bestandteils des Urteils ergibt(vgl - bei Divergenzfällen mit in sich widersprüchlichen Entscheidungsgründen und einer Teilübereinstimmung von Entscheidungsgründen mit der Urteilsformel - BGH NJW 1997, 3447, 3448, und BGH NJW 2003, 140, 141). Im Hinblick hierauf muss der Senat die von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht beantworten, ob das - von ihr angenommene - Fehlen eines Vermerks des Berichtigungsbeschlusses vom 29.11.2011 auf dem Urteil und den Ausführungen die Wirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses und damit des Eintritts der Berichtigung der Entscheidungsgründe hindert oder nicht (im letztgenannten Sinne jedenfalls BVerwG NJW 1975, 1795, 1796).
- 19
-
2. In der Sache hat das LSG das der Anfechtungsklage der Klägerin zu 1. stattgebende Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten hin zu Unrecht aufgehoben und - auf Klage - den während des Berufungsverfahrens an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheid der Beklagten vom 31.3.2011 bestätigt. Der die Klägerin zu 1. betreffende ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 14.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.9.2003 und ihres "abändernden" Bescheides vom 31.3.2011 sind rechtswidrig. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft entschieden, die Beklagte habe darin zutreffend festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" (Telefonistin) wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.
- 20
-
a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin zu 1. gerichtete Bescheid vom 31.3.2011. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 31.3.2011 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).
- 21
-
Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob für die Klägerin zu 2. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. nicht festzustellen ist, jedenfalls eine Versicherungspflicht als selbstständig Tätige in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 S 1 SGB VI in Betracht kommt. In dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV sollte (und darf) allein geklärt werden, ob die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war; eine Feststellung des (Nicht)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der (weiteren) Voraussetzungen der § 2 S 1, § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI erfordert, ist deshalb vom Streitgegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst(vgl schon BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 14).
- 22
-
b) Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt. Die Beklagte hat in ihren an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheiden in dem von der Klägerin zu 2. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32) rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offen lassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 möglicherweise auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen oder die Versicherungspflicht in einem Zweig der Sozialversicherung aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Nicht zu beantworten ist daher auch die im Revisionsverfahren zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Beklagte und das LSG hinsichtlich der Voraussetzungen der (Zeit- und/oder Entgelt)Geringfügigkeit Beweislosigkeit und in Anwendung des Grundsatzes objektiver Beweislast Versicherungspflicht der Klägerin zu 2. annehmen durften.
- 23
-
aa) In den Jahren 2000 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).
- 24
-
bb) Im vorliegenden Rechtstreit ist das Berufungsgericht aufgrund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung in revisionsrechtlich zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" bei dieser beschäftigt war. Das LSG hat zwar - ausgehend von (insoweit jedenfalls) zutreffenden allgemeinen rechtlichen Erwägungen - begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände überwiegen. Es hat sich vor allem darauf gestützt, dass die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. eingegliedert und weisungsunterworfen gewesen sei; ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Klägerin zu 2. hat es demgegenüber verneint. Diese Würdigung des Sachverhalts, insbesondere die Zuordnung der Tätigkeit nach ihrem Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung durch das Berufungsgericht, ist aber zu beanstanden. Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG zum Inhalt des (schriftlichen) "Auftragsvertrags" und die - hiermit übereinstimmende - (tatsächliche) Umsetzung des Vertrags gebieten - in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden konkreten Fall einer "telefonischen Gesprächspartnerin" - vielmehr die Annahme, dass die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. nicht als Beschäftigte tätig war.
- 25
-
cc) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Klägerin zu 2. ist zunächst, dass der "Auftragsvertrag" nach seinem Gepräge eine Rahmenvereinbarung darstellt, die zwar eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung eröffnen, dabei jedoch nur (im Voraus) bestimmte Einzelheiten künftig noch abzuschließender Verträge festlegen sollte (vgl zur Struktur von Rahmenverträgen etwa BGH NJW-RR 1992, 977, 978 mwN). Werden aber "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse begründet, sind jeweils nur diese einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff; ferner BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17). Einer solchen Beurteilung zu unterziehen sind hier daher jeweils nur die Phasen der "Aktivierung" der Klägerin zu 2. durch (Frei)Schalten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. (sog Routingzeit), die die Möglichkeit eröffnete, unter Entgegennahme ankommender Telefonverbindungen mit Dritten Gesprächsinhalte auszutauschen. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Ausgangsüberlegungen ferner, dass Personen, die in dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld im weiteren Sinne Sprachkommunikationsleistungen erbringen, grundsätzlich sowohl als Beschäftigte als auch aufgrund freier Dienstverhältnisse tätig sein können (vgl etwa zur Möglichkeit der Führung von Bildschirmdialogen sexuellen Inhalts in Form von Frage- und Antwortspielen im Rahmen einer Beschäftigung BSGE 87, 53 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15). Davon, dass die Aufgaben der Klägerin zu 2. alternativ durchaus auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden konnten, gingen auch die Klägerinnen aus (vgl § 5 des "Auftragsvertrags").
- 26
-
dd) Zutreffend wendet die Klägerin zu 1. ein, dass auch das zwischen ihr und der Klägerin zu 2. bestehende (Rahmen)Vertragsverhältnis - und dessen (tatsächliche) Umsetzung - eine Zuordnung der Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" zum Typus der Beschäftigung nicht gestattet. Wäre also nicht (nur) der jeweilige "Einsatzauftrag", sondern darüber hinaus das Dauerrechtsverhältnis zu bewerten, müsste berücksichtigt werden, dass für die Klägerin zu 2. arbeitnehmertypische Leistungspflichten nicht begründet wurden. Wie das LSG festgestellt hat, verlangte die Klägerin zu 1. von der Klägerin zu 2. weder bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit noch eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. konnte ihre Bereitschaftszeiten vielmehr selbst bestimmen und sie sowohl hinsichtlich der zeitlichen Verteilung und Lage sowie hinsichtlich des Umfangs nach ihren eigenen Vorstellungen ausrichten; es stand ihr außerdem frei, sich im Telekommunikationssystem auf "vordere" oder "hintere" Plätze schalten zu lassen (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sprach die Klägerin zu 1. schließlich keine Sanktionen aus, wenn die Klägerin zu 2. weniger Zeit anmeldete oder angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten konnte. Im Hinblick hierauf ist jedenfalls eine im Einzelnen vereinbarte, zeitlich fixierte Arbeitspflicht der Klägerin zu 2. "unter dem Dach" des Rahmenvertrags nicht anzunehmen. Letztere konnte vielmehr stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigen, einen weiteren "Einsatzauftrag" anzunehmen oder nicht.
- 27
-
Den Vereinbarungen im Rahmenvertrag ist Indizwirkung gegen eine Beschäftigung auch deshalb beizulegen, weil die Klägerin zu 2. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld nicht erhielt, ihr die - selbstständige - Rechnungsstellung oblag, sie die Sprachkommunikation nicht in Person vornehmen musste, sondern sich Erfüllungsgehilfen bedienen oder als Subunternehmer auftreten durfte (vgl § 4 des "Auftragsvertrags"), und einem Vertragsstrafenreglement unterlag, wenn sie Vertragspflichten verletzte (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Obwohl diese rahmenvertraglichen Abreden - für sich allein betrachtet - keine starken Indizien gegen das Vorliegen einer Beschäftigung sind, ist ihnen indessen in ihrer Gesamtheit (doch) zu entnehmen, dass das wirtschaftliche Ergebnis der Gestaltung ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. die Klägerin zu 2. nach dem Rahmenvertrag unmittelbar selbst treffen sollte.
- 28
-
Die Beklagte hat bis in das Berufungsverfahren hinein vorgetragen, den dargestellten rahmenvertraglichen "Optionen" dürfe deshalb keine indizielle Wirkung gegen eine Beschäftigung entnommen werden, weil der Rahmenvertrag gerade unter der "Prämisse" gestanden habe, dass eine Beschäftigung nicht gewollt sei. Die Beklagte sieht hierin einen Zirkelschluss der Klägerin zu 1. und weist darauf hin, dass es bei einer Beurteilung der Tätigkeit als Beschäftigung nach deren tatsächlicher Gestaltung auf die vertraglichen Vereinbarungen nicht ankommen könne. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 21). Zum einen gehören auch die getroffenen Vereinbarungen als rechtlich relevante Umstände zu den tatsächlichen Verhältnissen, nach denen sich das Gesamtbild der Tätigkeit bestimmt (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17 mwN). Zum anderen liegt die von der Beklagten aufgestellte Voraussetzung, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2. im Hinblick auf die tatsächliche Praxis der Rechtsbeziehung als Beschäftigung zu werten ist, hier - wie gerade erörtert wird - nicht vor.
- 29
-
ee) Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. bei der Durchführung der - gesondert zu beurteilenden - "Einsatzaufträge" auf der Grundlage des Rahmenvertrags nicht wie eine Beschäftigte in eine von der Klägerin zu 1. vorgegebene betriebliche Ordnung eingegliedert. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. zeigt sich nicht schon allein darin, dass sich die Klägerin zu 2. in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen musste, um "aktiviert" zu sein. Anders als das LSG meint, reicht es für die Annahme einer Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin zu 1. nicht aus, dass diese mit ihrem Gewerbe erst die Möglichkeit (an)bot, "telefonisch Gespräche mit Frauen zu führen", und die Klägerin zu 2. das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem (be)nutzte. Die bloße Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems bzw Netzes (Logistik) durch einen "Systempartner" oder Diensteanbieter ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des "Systemgebers" oder Netzbetreibers sprechender Umstände zwingt nicht (von vornherein) zu der Annahme, es liege eine arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von anderen vorgegebene betriebliche Ordnung vor, in der die "Systempartner" oder Diensteanbieter fremdbestimmte Arbeit leisteten (vgl etwa zu Handelsvertretern, die sich ein Handelsvertreternetz zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 8, 13 und 15; zu Franchise-Nehmern, die sich eine Vertriebskette in einem Franchise-System zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 12; zu Piloten, die sich ein Charterflug-Netz zunutze machen: BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris; zu hauswirtschaftlichen Familienbetreuern, die sich die Dienste einer privaten Pflege-Agentur zunutze machen: BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris).
- 30
-
Umstände von Gewicht, die jenseits der (bloßen) Nutzung des Telekommunikationssystems der Klägerin zu 1. für eine Eingliederung der Klägerin zu 2. in deren "Betrieb" sprechen könnten, liegen nicht vor. Das LSG hat vielmehr festgestellt, dass sich die Klägerin zu 2. bei der Durchführung ihrer "Einsatzaufträge" zu Hause und nicht in Betriebsräumen der Klägerin zu 1. aufhielt; sie benutzte jedenfalls teilweise - in der Gestalt ihrer eigenen Telefonanlage - eigene Geräte. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung hat das BSG für einen solchen Fall nicht bereits "deutlich gemacht", dass eine Eingliederung in die betriebliche Ordnung des Netzbetreibers (gleichwohl und allgemein) anzunehmen sei; das BSG hat diese Frage vielmehr bisher unentschieden gelassen (vgl BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 46). Zutreffend weist die Klägerin zu 1. im Übrigen darauf hin, dass die Klägerin zu 2. mit der Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer zwar noch auf das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1., jedoch nicht mehr auf ihr "Verteilersystem" angewiesen war; denn es war nunmehr die Klägerin zu 2. (selbst), die den anrufenden Kunden gegenüber auftrat.
- 31
-
Soweit die Klägerin zu 1. gegen die Annahme einer Eingliederung der Klägerin zu 2. in ihren "Betrieb" anführt, dass es einen verbindlichen Terminplan über deren Einsatzzeiten nicht gegeben habe und somit eine ständige Dienstbereitschaft von dieser nicht erwartet worden sei, ist ihr Ansatz allerdings unzutreffend. Denn für die Beurteilung, ob die Klägerin zu 2. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 22).
- 32
-
ff) Die Klägerin zu 2. unterlag nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" auch nicht - wie LSG und Beklagte meinen - einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin zu 1.
- 33
-
Das Berufungsgericht räumt selbst ein, dass die Klägerin zu 2. keine Weisungen erhielt, wie sie im Einzelnen ihren "Leistungsauftrag, telefonische Gesprächspartnerin" zu sein, zu erbringen gehabt habe, geht jedoch davon aus, dass (bereits) die "vertragliche Aufgabenstellung", nämlich "die Wünsche der Anrufenden weitmöglichst mittels eines telefonischen Gesprächs zu erfüllen", für die Annahme persönlicher Weisungsunterworfenheit ausreiche. Allein daraus aber, dass gewisse "Eckpunkte" wie etwa der "grobe" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin zu 1. vorgegeben waren und insoweit eine "geminderte Autonomie" bestand, kann nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne geschlossen werden (vgl bereits - mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 19, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Nach Entgegennahme bzw Herstellung ankommender Telefonverbindungen richtete sich die Tätigkeit der Klägerin zu 2. (allgemein) an den Bedürfnissen und Wünschen der anrufenden Kunden aus. Wie die Gesprächsinhalte im Einzelnen ausgestaltet waren und wie lange die Telefongespräche dauerten, bestimmte sich nach den jeweiligen individuellen Erfordernissen; dies verlangte von der Klägerin zu 2. eine Flexibilität bzw die Fähigkeit zu entsprechender Reaktion beim Austausch von Gesprächsinhalten und beließ ihr einen großen Entscheidungsbereich (zu den Voraussetzungen von Weisungsgebundenheit/Weisungsfreiheit, dh Arbeitnehmereigenschaft/Selbstständigkeit bei Tätigkeiten in einem Nachtclub aus steuerrechtlicher Sicht vgl FG München EFG 2011, 56, 57 ff).
- 34
-
Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. auch nicht wegen der Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. weisungsabhängig. Woraus das Berufungsgericht schließt, dass die Ermittlung des Zeiteinsatzes der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate der (auch inhaltlichen) Kontrolle ihrer Leistungserbringung diente, nachdem es zuvor festgestellt hat, dass diese (lediglich) für die Errechnung der Vergütung Bedeutung hatte, begründet es nicht. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt des "Auftragsvertrags" stand der Klägerin zu 1. jedenfalls vertraglich keine (Rechts)Macht zur Kontrolle mit dem Ziel zu, die Klägerin zu 2. zur Optimierung ihrer Dienstleistungen anzuhalten; diese konnte Häufigkeit, Inhalt und Dauer ihrer "Einsatzaufträge" nach der Rahmenvereinbarung vielmehr selbst bestimmen.
- 35
-
gg) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht schließlich davon aus, die Klägerin zu 2. habe (überhaupt) kein eigenes, für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko getragen. Zutreffend hat es allerdings daraufhin hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass die Klägerin zu 2. - wie das für Dienstleistungen im Bereich der Individual- bzw Sprachkommunikation typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.
- 36
-
Die Annahme eines gewissen Unternehmerrisikos ist gerechtfertigt, weil die Klägerin zu 2. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft bei der Durchführung der "Einsatzaufträge" das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes trug. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen (vgl § 3 des "Auftragsvertrags") - und deren (tatsächlicher) Umsetzung - erhielt die Klägerin zu 2. ihre Vergütung nicht dafür, dass sie sich nach "Aktivierung" (wie innerhalb einer festen Arbeitszeit) bereithielt, sondern nur für den auf gebührenpflichtige Telefonate innerhalb der sog Routingzeit entfallenden Zeiteinsatz. Führte sie keine oder weniger Telefonate, etwa weil gebührenpflichtige Anrufe ausblieben oder sie im Telekommunikationssystem auf "hintere" Plätze geschaltet war, erzielte sie keine oder weniger Vergütung; insoweit musste sie auch befürchten, dass sie zeitweise überhaupt nichts verdiente. Der Erfolg des Einsatzes ihrer Arbeitskraft nach einer "Aktivierung" war also ungewiss.
- 37
-
Dieser Belastung mit dem Ausfallrisiko stand auf der anderen Seite bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft eine größere Freiheit gegenüber; die Klägerin zu 2. konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft nach Annahme eines "Einsatzauftrags" in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern. Zutreffend weist die Klägerin zu 1. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Klägerin 2. durch eine entsprechende Ausgestaltung der Gesprächsinhalte auf die Dauer der gebührenpflichtigen Telefonate und die Anzahl der Anrufe und anrufenden Kunden Einfluss nehmen und so - durch besondere Anstrengungen - ihre Verdienstchancen erhöhen konnte. Letztlich stellt auch die Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. nichts anderes als eine Reaktion darauf dar, dass bei (bestimmten) anrufenden Kunden infolge für sie attraktiver Gesprächsinhalte bei früheren Telefonverbindungen ein Bedürfnis nach unmittelbarer Kontaktaufnahme mit der Klägerin zu 2. sowie danach entstanden war, nicht (mehr) an eine andere, vom Betroffenen nicht favorisierte "Gesprächspartnerin" vermittelt zu werden. Mit der Heranbildung eines eigenen Kundenstammes nutzte die Klägerin zu 2. die bei den Gesprächseinsätzen bestehenden Optionen und steigerte ihre Verdienstchancen (noch) weiter. Diese Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft ist nicht - wie das Berufungsgericht meint - deshalb ohne Bedeutung, weil diese und die Möglichkeit zur Erhöhung der Gewinnchancen nur "im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1." bestanden und die Klägerin zu 2. damit "keine eigenen Betriebsmittel erhalten" hat. Wie bereits erörtert (dazu oben 2 b ee)), schließt allein die (bloße) Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems/Netzes (Logistik) selbstständige Tätigkeit (bei Verbindung zu diesem System/Netz) nicht von vornherein aus.
- 38
-
Zu dem Risiko des Verdienstausfalls, das über dasjenige bei umsatzorientierter Entlohnung in Arbeitsverhältnissen hinausging, trat allerdings nicht deshalb ein Kapitalrisiko der Klägerin zu 2. hinzu, weil sie ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" aus der eigenen Wohnung heraus und über die eigene Telefonanlage ausübte. Zutreffend führt das LSG insoweit aus, dass sie hiermit eigene (sächliche) Betriebsmittel nicht einsetzte, weil eine eigene Wohnung und eine eigene Telefonanlage (vor allem) der allgemeinen Lebensführung dienen und auch von Arbeitnehmern auf eigene Kosten vorgehalten werden. Ein für Arbeitnehmer untypisches (wenn auch geringes) Kapitalrisiko ging die Klägerin zu 2. jedoch ein, als sie die zweite, im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. ausschließlich für sie eingerichtete Telefonnummer in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Soweit das Berufungsgericht ein hierin liegendes Kapitalrisiko mit der Begründung verneint, die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung gleichwohl mit den anrufenden Kunden nicht unmittelbar selbst aushandeln können, berücksichtigt dies zwei Umstände nicht: dass - erstens - im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Rechtsbeziehung der Klägerin zu 2. zu ihren Kunden einer sozialversicherungsrechtlichen Bewertung zu unterziehen ist und dass - zweitens - sich die Höhe der Vergütung allgemein und damit auch des gegen die Klägerin zu 1. gerichteten Vergütungsanspruchs der Klägerin zu 2. bei einheitlichen Gebührensätzen (allein) über die Dauer der Telefonate und deren Anzahl (und gerade nicht über variable, etwa leistungsbezogene Entgelte) bestimmte.
- 39
-
hh) Der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin zu 2. steht schließlich nicht entgegen, dass die Klägerinnen die Form des freien Mitarbeitervertrags "in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften" vereinbart hatten (vgl § 5 des "Auftragsvertrags"). Hieraus ergibt sich - trotz der missverständlichen Wortwahl - der Sache nach lediglich, dass die Vertragspartner ihre Rechte und Pflichten als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" - was rechtlich zulässig ist (dazu oben 2 b cc)) - den Bindungen eines (alternativ auch möglichen) Arbeitsverhältnisses gerade nicht unterwerfen wollten; dagegen kann daraus nicht gefolgert werden, dass nach dem Willen der Vertragspartner zwar ein Arbeitsverhältnis bestehen sollte, dies aber ohne die gerade für ein solches Rechtsverhältnis geltenden gesetzlichen und ggf tariflichen Bindungen und Mindestbedingungen (vgl auch § 32 SGB I).
- 40
-
Keine Bedeutung für die hier vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung hat auch, dass der abgeschlossene "Auftragsvertrag" - wie die Klägerinnen damals meinten - im Hinblick auf Rechtsprechung des BGH (vgl BGH NJW 1998, 2895) wegen der Vermittlung und Vermarktung bestimmter Gesprächsinhalte (Telefonsexdienstleistungen) möglicherweise sittenwidrig und nichtig war (vgl allgemein zur Anwendung der Grundsätze zum faktischen Arbeitsverhältnis bei nichtigen Dienstverträgen Selbstständiger BSGE 87, 53, 60 f = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 50 f). Der BGH hat die von den Klägerinnen zitierte Rechtsprechung im Hinblick auf das am 1.1.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 (BGBl I 3983) ohnehin mittlerweile aufgegeben (vgl BGH NJW 2008, 140, 141; im Übrigen schon BGH NJW 2002, 361).
- 41
-
3. Nach alledem war die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" nicht iS von § 7 Abs 1 SGB IV bei dieser beschäftigt, sondern aufgrund eines freien Dienstverhältnisses selbstständig tätig. Das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin zu 2. im vorliegenden Fall entspricht damit dem in der Rechtsprechungspraxis des BGH vorherrschenden Verständnis, wonach (auch) sog (Mehrwert)Diensteanbieter ihren Kunden gegenüber aufgrund eines mit diesen bestehenden eigenen Vertrags (vgl zu den Rechtsverhältnissen grundlegend BGH NJW 2002, 361) regelmäßig als selbstständige Unternehmer - und nicht als Mitarbeiter im Unternehmen des Netzbetreibers - auftreten (vgl etwa zu Telefonsex-Diensteanbietern als Telefonsex-Unternehmern expliziert BGH NJW 2002, 361).
- 42
-
Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet allerdings nicht, dass Leistungen der Sprachkommunikation auf dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld, wie sie die Klägerin zu 2. erbrachte, im sozialversicherungsrechtlichen Sinne stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wären. Maßgebend für die Beurteilung sind jeweils die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden (vgl § 163 SGG) Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese können bei veränderter Sachlage zu anderen Ergebnissen, das heißt auch zur Annahme von Beschäftigung gelangen.
- 43
-
4. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO, § 162 Abs 3 VwGO, hinsichtlich des Berufungsverfahrens auf § 193 SGG.
- 44
-
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 15.3.2011 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 24.1.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 21.11.2008 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1.) am 8. und 9.2., 15.2., 22.2., 25. bis 29.2., 3. bis 6.3., 11. bis 13.3., 18. bis 20.3., 3.4., 7. bis 11.4., 17. und 18.4., 23. bis 25.4., 6.10., 9.10, 14. bis 18.10., 22. bis 25.10., 29.10. bis 1.11., 6. bis 8.11., 14.11., 21.11., 28.11., 9. bis 13.12.2008, 15.1., 20.1., 23.1., 27.1., 30.1., 3.2., 6.2., 10.2., 13. und 14.2., 17.2., 7.9., 2.10. bis 5.10., 10. bis 17.10., 23. und 24.10., 28. bis 31.10., 4. bis 7.11., 11. bis 14.11., 18. bis 21.11., 27. und 28.11., 4. und 5.12., 11. und 12.12., 18. und 19.12., 29.9. bis 1.10.2009, 5.1., 8.1., 12.1., 15.1., 19.1., 25. und 26.1., 29.1., 2.2., 4. und 5.2.2010 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- oder Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers aus dem gesamten Verfahren. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Gerichtskosten fallen in beiden Instanzen nicht an. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen einer für die Beigeladene zu 1) erbrachten Tätigkeit als "Toningenieur", "Pro Tools Operator" sowie als "Sounddesigner".
3Die im Handelsregister (HR B 00000) des Amtsgerichts (AG) L eingetragene Beigeladene zu 1) bietet nach dem Inhalt des Registereintrags für Fernsehsender redaktionelle Ausarbeitungen im Bereich Wort und Bild, die Nachbearbeitung von Wort und Bild aller Art, die Planung und Beratung von Medienproduktionen, die Durchführung von Fernsehproduktionen, Kompositionen und die Berichterstattung über Medienevents an. Kunden der Beigeladenen zu 1) sind u.a. private Fernsehanstalten, für welche die Beigeladene zu 1) in dem Zeitraum von Februar 2008 bis Februar 2010 Dienstleistungen im Rahmen der Realisierung der TV-Formate "Deutschland sucht den Superstar", "Tarzan sucht Jane", "Schwiegertochter gesucht", "Ich weiß, wer gut für Dich ist" sowie "Supertalent" übernommen hat. Zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten bedient sich die Beigeladene zu 1) fest angestellter Kräfte sowie "freier Mitarbeiter", die in - der Beigeladenen zu 1) bereitgestellten - Räumlichkeiten großer Technikdienstleister mit verschiedenen anderen Produktionsbeteiligten (Cuttern, Regisseuren, Redakteuren) zusammenwirken. In diesen Studios werden teilweise auch die Aufzeichnungen für die Fernsehproduktionen erstellt, Live-Shows aufgezeichnet und die gesamte technische Bearbeitung bis zur endgültigen Fertigstellung des sendefähigen Materials realisiert. Das Zusammenwirken der für die Produktionsrealisierung erforderlichen Akteure unter einem Dach trägt hierbei dem Umstand Rechnung, dass bei der Herstellung der Fernsehproduktionen Daten in einem Umfang bearbeitet werden müssen, die - jedenfalls in den Jahren 2008 bis 2010 - einem externen Datentransfer nur schwer zugänglich waren.
4Der am 00.00.1978 geborene Kläger ist ausgebildeter Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Tontechnik. Er war ab dem 31.8.2005 unter der Firma O als Einzelkaufmann im Handelsregister eingetragen (HR A 0000 - AG L1). Mit Gesellschaftsvertrag vom 14.7.2010 gründete er als Alleingesellschafter die G GmbH (HR B 0000 - AG L1), deren Geschäftsbetrieb in eigenen - Ende 2010/Anfang 2011 fertiggestellten - Betriebsräumen (T-straße, H) ausgeübt wird. In diese Betriebsstätte investierte der Kläger eigenen Angaben zufolge etwa 230.000,00 EUR. Vor ihrer Fertigstellung verfügte er unter der Anschrift N-straße 00, J, im Kellergeschoss eines Wohngebäudes über ein Tonstudio, in welches er technisches Equipment im Wert von etwa 60.000,00 EUR sowie Gegenstände zur Büroeinrichtung im Umfang von 10.000,00 EUR investiert hatte.
5In der Zeit ab dem 8.2.2008 führte der Kläger Dienstleistungen für die Beigeladene zu 1) als Toningenieur, Sound Designer und Pro Tools Operator aus. Diese Tätigkeit erfolgte im Wesentlichen in den Studios der Produktionsfirmen, die der Beigeladenen zu 1) zugewiesen worden waren. Das technische Equipment wurde dem Kläger seitens der Beigeladenen zu 1) kostenfrei zur Verfügung gestellt.
6Schriftliche Vereinbarungen für diese Tätigkeit bestanden nicht. Die übernommenen Dienstleistungen beruhten auf mündlichen Absprachen des Klägers mit Verantwortlichen der Beigeladenen zu 1), die jeweils im Vorfeld einer einzelnen Produktion erfolgten. Eine Befugnis der Beigeladenen zu 1), den Kläger einseitig zur Wahrnehmung von Aufgaben heranzuziehen, war nicht vereinbart.
7Die Tätigkeit des Klägers erfolgte auf dieser Grundlage an folgenden Einsatztagen:
8"Deutschland sucht den Superstar", "Tarzan sucht Jane" 8./ 9.2.2008 15.2.2008 22.2.2008
9"Tarzan sucht Jane" 25.-29.2.2008 3.-6.3.2008 11.-13.3.2008 18.-20.3.2008
10"Schwiegertochter gesucht"/ "Ich weiß, wer gut für Dich ist"/ "Tarzan sucht Jane" 3.4.2008 7.-11.4.2008 17./18.4.2008 23.-25.4.2008
11"Supertalent" 6.10.2008 9.10.2008 14.-18.10.2008 22.-25.10.2008 29.10.-1.11.2008 6.-8.11.2008 14.11.2008 21.11.2008 28.11.2008 9.-13.12.2008
12"Deutschland sucht den Superstar" 15.1.2009 20.1.2009 23.1.2009 27.1.2009 30.1.2009 3.2.2009 6.2.2009 10.2.2009 13./14.2.2009 17.2.2009
13"Supertalent" 7.9.2009 2.-5.10.2009 10.-17.10.2009 23./24.10.2009 28.-31.10.2009 4.-7.11.2009 11.-14.11.2009 18.-21.11.2009 27./28.11.2009 4./5.12.2009 11./12.12.2009 18./19.12.2009
14"Eyeworks" 29.9.-1.10.2009
15"Deutschland sucht den Superstar" 5.1.2010 8.1.2010 12.1.2010 15.1.2010 19.1.2010 25./26.1.2010 29.1.2010 2.2.2010 4./5.2.2010
16Für diese Dienstleistungen stellte der Kläger der Beigeladenen zu 1) im Kalenderjahr 2008 (netto) einen Betrag von insgesamt 16.257,87 EUR in Rechnung. Im Kalenderjahr 2009 belief sich die Summe seiner Rechnungsbeträge auf 15.299,98 EUR (netto); im Kalenderjahr 2010 auf 3.087,50 EUR (netto). Wegen der Einzelheiten der Vergütungsmodalitäten wird auf den Inhalt der Abrechnungen des Klägers Bezug genommen.
17Jenseits der für die Beigeladene zu 1) erbrachten Dienstleistungen wurde der Kläger im Zeitraum von Februar 2008 bis Februar 2010 in seinem eigenen Tonstudio bzw. in von ihm angemieteten Räumlichkeiten für diverse im In- und Ausland (Österreich) ansässige weitere Auftraggeber tätig, wobei er bei diesen Tätigkeiten auf seine eigenen technischen Betriebsmittel zurückgriff. Hieraus erzielte der Kläger mindestens bzw. mehr als die Hälfte seines Gesamtumsatzes.
18Bereits mit bei der Beklagten am 16.1.2008 eingegangenem Statusfeststellungsantrag hatte der Kläger die Feststellung beantragt, dass hinsichtlich seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege. In dem Formularantrag erklärte er, für die Beigeladene zu 1) als Toningenieur, Pro Tools Operator und Sounddesigner tätig werden zu wollen. Diese Tätigkeiten würden an dem Betriebssitz der Beigeladenen zu 1) sowie in dem eigenen Studio ausgeübt. Klare Anweisungen des Auftraggebers würden ihm nicht erteilt. Hinsichtlich der weiteren Angaben des Klägers wird auf den Inhalt des Statusfeststellungsantrags nebst Anlagen Bezug genommen.
19Nach schriftlicher Anhörung vom 3.4.2008 traf die Beklagte mit - an den Kläger und die Beigeladene zu 1) adressierten - Bescheiden vom 7.7.2008 Feststellungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers. Der an Letzteren adressierte Bescheid enthielt folgenden Verfügungssatz:
20"( ...) das auf Antrag vom 16.01.2010 eingeleitete Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) führte zum Ergebnis, dass die Tätigkeit von Ihnen als Toningenieur, Sound Designer und Pro Tools Operator bei der U GmbH seit Aufnahme der Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird. Die Versicherungspflicht dem Grunde nach beginnt mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung."
21Für eine abhängige Beschäftigung des Klägers spreche, dass ihm der Ort durch einseitiges Direktionsrecht zugewiesen werde. Er arbeite an dem Betriebssitz der Beigeladenen zu 1) bzw. an einem von dieser ihm zugewiesenen Arbeitsort. Zur Durchführung des Auftrages habe er sich an zeitliche Vorgaben der Beigeladenen zu 1) zu halten; insoweit bestünden lediglich scheinbar eigene Gestaltungsfreiheiten. Obgleich ihm der zeitliche Rahmen seiner Tätigkeit nicht detailliert nach Tagen, Stunden oder Minuten vorgegeben werde, sei er dennoch derart eingegrenzt, dass im Sinne der sozialgerichtlichen Rechtsprechung von einer persönlichen Abhängigkeit auszugehen sei. Überdies würden ihm bezüglich der Art und dem Inhalt seiner Tätigkeit Weisungen vom seinem Auftraggeber, der Beigeladenen zu 1), erteilt.
22Für seine Tätigkeit erhalte der Kläger eine erfolgsunabhängige Pauschalvergütung, die ein individuelles Gewinn- oder Verlustrisiko nicht erkennen lasse. Einen höheren Gewinn könne er allein durch Mehrarbeit verwirklichen. Die zur Erfüllung des Auftrags benötigten Arbeitsmittel stelle ihm sein Auftraggeber überwiegend kostenfrei zur Verfügung. Das Vorhandensein eigener Betriebsmittel sowie die Möglichkeit, diese unter bestimmten Voraussetzungen auch zu nutzen, seien für die Beurteilung der Tätigkeit solange nicht erheblich, wie diese Arbeitsmittel nicht überwiegend zum Einsatz gelangten.
23Der Kläger setze bei der Ausübung der Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) zudem kaum eigenes Kapital ein, weshalb in dieser Tätigkeit ein unternehmertypisches Risiko nicht erkennbar sei. Der Umstand, dass er einen erheblichen Kapitaleinsatz für Tätigkeiten für andere Auftraggeber geleistet habe, sei für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit zugunsten der Beigeladenen zu 1) nicht von Belang.
24Die Versicherungspflicht beginne mit der Aufnahme der Beschäftigung für die Beigeladene zu 1), da er - der Kläger - einem späteren Beginn der Versicherungspflicht nach Maßgabe des § 7a Abs. 6 SGB IV nicht zugestimmt habe.
25Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 11.8.2008 Widerspruch, zu dessen Begründung er im Wesentlichen ausgeführt hat: Es erschließe sich ihm nicht, weshalb die Beklagte meine, es bestünden bei der Ausübung der Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) nur "scheinbar" Gestaltungsfreiheiten. Die Annahme, er agiere zeitlich eingegrenzt, sei unrichtig. Vielmehr könne er autonom entscheiden, zu welchen Zeitpunkten und an welchen Orten er seine Produktionsergebnisse für die Beigeladene zu 1) realisiere. Dass aufgrund der Natur der von ihm übernommenen Dienstleistungen gewisse Abgabezeiten ("Deadlines") zu beachten seien, könne kaum die Annahme einer abhängigen Beschäftigung rechtfertigen. Zudem sei die Annahme unrichtig, wonach er kein eigenes Kapital einsetze. Die Beklagte lasse überdies außer Acht, dass er bei der Ausführung der für die Beigeladene zu 1) wahrgenommenen Tätigkeiten teilweise von seinem eigenen Tonstudio unter Einsatz eigener Hardware tätig werde. Schließlich sei unrichtig, dass eine erfolgsunabhängige Pauschalvergütung gezahlt werde. Es gehöre zu den gängigen Übungen bei Medienunternehmen, dass Vergütungen auch bei Nichterreichung des Erfolges gezahlt würden. Es gelte jedoch in diesem Sinne zu berücksichtigen, dass in einem solchen Fall eine Anschlussbeschäftigung kaum erfolgen werde. Insofern laufe aufgrund der Besonderheiten der Auftragsvergabe in der Medienbranche die Negation eines Gewinn- oder Verlustrisikos durch die Beklagte ins Leere.
26Überdies habe die Beklagte bei einer weiteren, von der Beigeladenen zu 1) beauftragten Person, die eine vergleichbare Tätigkeit ausgeübt habe, eine Versicherungspflicht durch Verwaltungsakt verneint.
27Die Beigeladene zu 1) trat dem Vorbringen des Klägers bei. Dieser übernehme eigenverantwortlich die Fertigstellung von Fernsehproduktionen, wobei sie ihm lediglich grobe Eckdaten und die zeitliche Terminierung, wie Abgabetermine und Sprachaufnahmen, vorgebe. Die eigentliche Projektabwicklung nehme der Kläger eigenverantwortlich wahr, ohne insoweit an weitergehende Weisungen gebunden zu sein. Soweit die zeitliche Terminierung der Produktionen es zulasse, werde dem Kläger überlassen, ob er die Tätigkeit tagsüber, nachts oder an Wochenenden ausübe. Allein der - auch ihr - verbindlich vorgegebene Abgabetermin sei einzuhalten. Für ihren wirtschaftlichen Erfolg sei es für die Beigeladene zu 1) dringend erforderlich, auf freie Mitarbeiter zurückgreifen zu können. Ein Unternehmen der Medienbranche könne ohne freie Mitarbeiter nicht existieren und müsse den Betrieb einstellen.
28Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Vertiefung der Ausführungen des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück. Sie führte ergänzend aus, neben dem ständigen Personal arbeitende Künstler und Angehörige verwandter Berufe, die aufgrund von Honorarverträgen tätig und im allgemeinen als freie Mitarbeiter bezeichnet würden, seien insbesondere dann als abhängig Beschäftigte anzusehen, wenn sie zu dem Kreis nicht programmgestaltender Mitarbeitern gehörten. Ein programmgestaltender Mitarbeiter bringe typischerweise seine eigene Auffassung zu politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen oder anderen Sachfragen, seine Fachkenntnisse und Informationen sowie seine individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft in eine Sendung ein. Bei dieser Art der Tätigkeit sei zu differenzieren zwischen dem vorbereitenden Teil, dem journalistisch-schöpferischen oder künstlerischen Teil und dem technischen Teil der Ausführung. Überwiege die gestalterische Freiheit und werde die Gesamttätigkeit vorwiegend durch einen schöpferischen Eigenanteil bestimmt, sei eine selbständige Tätigkeit anzunehmen.
29Als Toningenieur, Pro Tools Operator und Sounddesigner sei der Kläger für den technischen Teil der Ausführung verantwortlich, indem er Tonelemente mit einem bestimmten Bildausschnitt zusammenführe. Er übe keine programmgestaltende Tätigkeit aus, da er lediglich vorab definierte Fernsehinhalte - ggf. nach näherer Weisung eines Regisseurs oder Produktionsleiters - mit Musik- und Tonelementen zusammengefügt habe. Der Inhalt der Sendung werde nicht durch das individuelle Engagement des Klägers und dessen Persönlichkeit bestimmt. Soweit der Kläger außerordentliche Fachkenntnisse betont habe, seien solche weder ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit noch für eine abhängige Beschäftigung, da auch ein abhängig Beschäftigter sein individuelles Wissen und Können in die Wahrnehmung seiner Tätigkeit einbringe.
30Mit der am 29.12.2008, einem Montag, zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat er seinen vorprozessualen Vortrag wiederholt und vertieft. Als selbständiger Kaufmann sei er Mitglied der zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK) und gewerbesteuerpflichtig. Er verfüge auch über ein eigenes Tonstudios, in dessen Modernisierung er rund 200.000,00 EUR investiert habe. Zur weiteren Begründung seines Klagebegehrens hat er auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 23.1.2009 (L 1 KR 26/08) verwiesen.
31Er könne jedenfalls in Anwendung des § 7a Abs. 6 SGB IV einen späteren Eintritt der Versicherungspflicht beanspruchen, da er über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und eine hinreichende Absicherung gegen das Risiko des Alters verfüge. Er sei ohne Unterbrechung bei der Beigeladenen zu 3) krankenversichert gewesen und verfüge über verschiedene Kapitallebensversicherungen, über Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eigener Immobilien und eigener Technik sowie über ausreichende Barmittel. Schließlich habe er mit seiner Lebensgefährtin eine Vereinbarung getroffen, kraft derer Letztere an ihn einen monatlichen Ausgleich für ersparte Mietaufwendungen in Höhe von 400,00 EUR zahle. Nicht zuletzt sei er auch über seine vermögende Mutter ausreichend abgesichert, die ihn im Erkrankungsfall mit monatlich 1.500,00 EUR unterstützen werde.
32Der Kläger hat beantragt,
33die Feststellungsbescheide der Beklagte vom 7.7.2008 und 24.1.2011 und den Widerspruchsbescheid vom 21.11.2008 aufzuheben.
34Die Beklagte hat beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Sie hat zur Begründung auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen. Bei der von dem Kläger ausgeübten Tätigkeit als Toningenieur sei von einer programmgestaltenden Qualität nicht auszugehen. Sie hat ergänzend auf eine Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 8.8.2007 (L 11 (8) R 35/06) Bezug genommen, indem die Tätigkeit eines Mediengestalters "Bild und Ton", die der früheren Bezeichnung Toningenieur entsprochen habe, als abhängige Beschäftigung bewertet worden sei. Dieser Entscheidung habe ein Sachverhalt zugrunde gelegen, in dem ein Toningenieur Beiträge entsprechend den Vorgaben eines Regisseurs zusammengestellt und deshalb weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterlegen habe. Da dem Toningenieur der gedankliche Inhalt der Sendung weitgehend vorgegeben worden sei, sei auch die im vorliegenden Fall zu beurteilende Tätigkeit zugunsten eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zu werten.
37Mit - an den Kläger und die Beigeladene zu 1) adressierten - Bescheiden vom 24.1.2011 hat die Beklagte den Bescheid vom 7.7.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2008 abgeändert und festgestellt, dass in der von dem Kläger "seit dem 8.1.2008 ausgeübten Beschäftigung" als Toningenieur, Sound Designer und Pro Tools Operator bei der Beigeladenen zu 1) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Die Versicherungspflicht beginne am 8.1.2008. Ein späterer Beginn der Versicherungspflicht in Anwendung des § 7a Abs. 6 SGB IV komme nicht in Betracht, da der nachgewiesene Versicherungsschutz des Klägers zur Absicherung gegen das Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge nicht ausreichend sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides der Beklagten vom 24.1.2011 Bezug genommen.
38Mit Urteil vom 15.3.2011 hat das SG den "Feststellungsbescheid vom 7.7.2008" aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
39Gegen das ihm am 11.4.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.5.2011 Berufung eingelegt. Das SG habe zu Unrecht festgestellt, dass er in einem Beschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen zu 1) gestanden habe. Die Annahme, seine Tätigkeit habe auch von einem festen Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1) ausgeübt werden können, sei unzutreffend, zumal das SG selbst betont habe, dass für einzelne der Kunden der Beigeladenen zu 1) "gestandene Leute" hätten eingesetzt werden müssen. Bei diesem Sachverhalt sei offenkundig, dass er, der Kläger, über mehr als durchschnittliche Kenntnisse verfüge. Er habe studiert und sei seit langem als Tonspezialist tätig.
40Auch sei die Annahme unzutreffend, er werde von der Beigeladenen zu 1) lediglich zum Abbau von Arbeitsspitzen eingesetzt. Vielmehr werde er beauftragt, sobald ein spezielles Fachwissen erforderlich sei. Dass er im Falle einer schlechten Auftragslage von der Beigeladenen zu 1) nicht gebucht werde, sei für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Tätigkeit irrelevant.
41Entgegen der Beurteilung des SG weise seine Tätigkeit programmgestaltende Qualität auf. Dieses ergebe sich bereits aus der Tätigkeitsbeschreibung der "Berufsvereinigung Filmton e.V." Selbst wenn diese Annahme jedoch nicht zutreffe, folge hieraus jedoch nicht ohne Weiteres seine Arbeitnehmereigenschaft.
42Die Annahme des SG, die Vereinbarung eines Tageshonorars spreche zugunsten eines Arbeitsvertrages, sei unrichtig, zumal im Medienbereich die Zahlung von Tageshonoraren branchenüblich sei. Bei Überschreiten eines täglichen Arbeitseinsatzes von zehn Stunden erfolge demnach in der Regel die Zahlung eines Zuschlages, der zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt werde. Bei einer weniger als fünf Stunden umfassenden Tätigkeit werde in der Regel nur der halbe Tagessatz gezahlt.
43Schließlich verkenne das SG, dass auch die Beigeladene zu 1) seine Selbständigkeit bestätigt habe. Das Statusfeststellungsverfahren sei allein deshalb initiiert worden, weil deren Geschäftsführung zur Rechtssicherheit eine schriftliche Statusentscheidung gefordert habe.
44Er betreibe ein eigenes Tonstudio und unterhalte dieses aufwändig. Dass er im Verhältnis zur Beigeladenen zu 1) im Umfang von rund 80% in deren Betriebsräumen bzw. am Standort des Kunden agiere, sei allein dem Umstand geschuldet, dass auch dem Kunden gegenüber eine Präsenz von Mitarbeitern dokumentiert werden müsse.
45Die Beigeladene zu 1) habe überdies bekundet, dass er in der zeitlichen Gestaltung seiner Arbeitszeit frei sei und weder in deren Dienstpläne noch in deren betrieblichen Arbeitsablauf eingegliedert sei. Er arbeite in der Produktionszeit nur tageweise, ohne dass ihm Vorgaben hinsichtlich seiner Arbeitszeit gemacht würden. Schließlich könne er Aufträge der Beigeladenen zu 1) ablehnen und treffe auch insoweit freiverantwortliche Entscheidungen. Dieses gelte gleichermaßen für den Inhalt seiner Tätigkeit selbst. Soweit er etwa eigenständig Bildmaterial auswähle und dieses mit individuell ausgewählten Tonspuren bzw. Toneffekten verbinde, übernehme er "mehr oder weniger" die Tätigkeit eines Regisseurs, da er an dieser Stelle eigenverantwortliche gestalterische Entscheidungen treffe.
46Für ein eigenes Unternehmerrisiko spreche zudem, dass er auf werkvertraglicher Grundlage nicht nur die Leistungen seiner fachspezifischen und gestaltenden Dienste schulde, sondern den tatsächlichen Erfolg der Ablieferung des sendefähigen Materials innerhalb der ihm verbindlich gesetzten Fristen (Deadlines).
47Im Jahr 2010 habe er das Unternehmen G GmbH gegründet und beschäftige seither Arbeitnehmer und Auszubildende. Auch deshalb erscheine es nicht geboten, ihn "gegen seinen Willen in die gesetzliche Sozialversicherung zu drängen".
48Schließlich sei das Urteil hinsichtlich der Feststellung des Eintritts der Versicherungspflicht fehlerhaft. Entgegen der Annahme des SG seien die Voraussetzungen des § 7a Abs. 6 SGB IV erfüllt. Er sei bei der Beigeladenen zu 3) krankenversichert und unterhalte verschiedene kapitalbildende Lebensversicherungen, um für das Alter vorzusorgen.
49Der Kläger beantragt,
50das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 15.3.2011 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 24.1.2011 und des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2008 festzustellen, dass er wegen seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1.) am 8. und 9.2.2008, 15.2.2008, 22.2.2008, 25. bis 29.2.2008, 3. bis 6.3.2008, 11. bis 13.3.2008, 18. bis 20.3.2008, 3.4.2008, 7. bis 11.4.2008, 17. und 18.4.2008, 23. bis 25.4.2008, 6.10.2008, 9.10.2008, 14. bis 18.10.2008, 22. bis 25.10.2008, 29.10. bis 1.11.2008, 6. bis 8.11.2008, 14.11.2008, 21.11.2008, 28.11.2008, 9. bis 13.12.2008, 15.1.2009, 20.1.2009, 23.1.2009, 27.1.2009, 30.1.2009, 3.2.2009, 6.2.2009, 10.2.2009, 13. und 14.2.2009, 17.2.2009, 7.9.2009, 2.10. bis. 5.10.2009, 10. bis 17.10.2009, 23. und 24.10.2009, 28. bis 31.10.2009, 4. bis 7.11.2009, 11. bis 14.11.2009, 18. bis 21.11.2009, 27. und 28.11.2009, 4. und 5.12.2009, 11. und 12.12.2009, 18. und 19.12.2009, 29.9. bis 1.10.2009, 5.1.2010, 8.1.2010, 12.1.2010, 15.1.2010, 19.1.2010, 25. und 26.1.2010, 29.1.2010, 2.2.2010, 4. und 5.02.2010 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
51Die Beklagte beantragt,
52die Berufung zurückzuweisen.
53Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Das individuelle Fachwissen des Klägers werde nicht in Zweifel gezogen. Soweit er indessen nunmehr in Abrede stelle, er werde von der Beigeladenen zu 1) zum Abbau von Belastungsspitzen eingesetzt, sei zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) selbst im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung vor dem SG dies ausdrücklich eingeräumt habe.
54Ein wesentliches unternehmerisches Risiko des Klägers bestehe nicht, da er nach Einsatztagen vergütet werde und gerade keinen Fixpreis erhalte, der etwaige unvorhergesehene aufwändige Nacharbeiten unvergütet lasse. Insofern falle auf, dass in geradezu jeder Rechnung des Klägers Überstunden abgerechnet worden seien, teilweise überdies Nacht- und Feiertagszuschläge. Die damit dokumentierte minutiöse Abrechnung spreche einmal mehr gegen das Bestehen eines unternehmerischen Risikos. Der Kläger habe vielmehr davon ausgehen dürfen, dass jede Minute geleisteter Arbeitszeit auch tatsächlich vergütet werde.
55Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
56Die Beigeladene zu 3) hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, der Kläger sei bis zum 14.1.2008 als Beschäftigter ihr pflichtversichertes Mitglied gewesen. In dem anschließenden Zeitraum vom 15.1.2008 bis Juli 2008 habe eine freiwillige Versicherung als hauptberuflich Selbständiger ohne Krankengeldanspruch bestanden. Mit - von dem Kläger nicht angefochtenem - Bescheid der Beigeladenen zu 3) vom 11.3.2008 hatte Letztere geregelt, dass der Kläger ab dem 1.3.2008 Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nach einem Beitragssatz von 12,8% zu leisten hatte. Aus der diesem Bescheid beigefügten Anlage folgt, dass dieser Beitragssatz für solche Selbständige Anwendung findet, die bei der Beigeladenen zu 3) ohne Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen sind. Der Senat hat zur Klärung des Umfangs des Krankenversicherungsschutzes des Klägers zudem die im Jahr 2008 geltende Satzung der Beigeladenen zu 3) beigezogen. Diese sah in § 12 Abs. 3 Ziffer 2 vor, dass die Beitragsklasse 656 für selbständige Versicherte mit nachgewiesenen beitragspflichtigen Einnahmen unterhalb der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze ohne Krankengeldanspruch Anwendung findet. § 21 Abs. 3 der Satzung bestimmte, dass Mitglieder u.a. dieser Beitragsklasse keinen Anspruch auf Krankengeld haben. Aus der von dem Senat beigezogenen Satzung der Beigeladenen zu 3) für das Kalenderjahr 2009 ergibt sich schließlich, dass ab dem Kalenderjahr 2009 Krankengeld für Selbständige und für unständig beschäftigte Arbeitnehmer nur bei Wahl eines entsprechenden Tarifes gewährt wurde.
57Der Senat hat zur Feststellung des Umfangs seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) eine Spezifizierung der tatsächlichen Einsatztage des Klägers sowie Kopien der Gewinn- und Verlustrechnungen für die Kalenderjahre ab 2007 sowie die Einkommensteuerbescheide des Klägers betreffend die Jahre 2008 und 2009 beigezogen.
58Der Senat hat des Weiteren Einsicht in den ab 2012 geltenden Tarifvertrag für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende (TV FFS) genommen. Nach dem Inhalt dieses Tarifvertrages betrugen bis Juni 2012 die Wochengagen für den Bereich Ton 1.323,00 EUR und für Schnitt 1.297,00 EUR. Der TV FFS sah daneben Mehrarbeitszuschläge bei Arbeit über 10 Stunden täglich sowie Zuschläge für Nachtarbeit und Arbeit an Sonn- und Feiertagen vor.
59Am 11.7.2014 hat der Senat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Der Senat hat ferner die Konfektionierungsrichtlinien der Mediengruppe RTL Deutschland ("Liefermaterialien bei Auftragsproduktionen") beigezogen und deren Inhalt zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
60Der Senat hat schließlich Nachweise zur privaten Altersvorsorge des Klägers beigezogen. Demnach verfügt der Kläger über eine Kapitallebensversicherung der S Versicherungen (Versicherungsschein-Nr.: 000, Vertragsbeginn 1.12.2005, Vertragsablauf 1.12.2038). Deren monatliche Beitragsbelastung betrug 50,00 EUR (Stand 30.8.2010). Darüber hinaus existiert eine Kapitallebensversicherung bei der Q-Versicherung (Versicherungsschein-Nr.: 000), deren (hochgerechnete) Leistung zum vertragsgemäßen Ablauftermin 1.12.2043 mit 17.606,85 EUR beziffert wurde. Diesen Versicherungsvertrag hat der Kläger mit monatlich 105,00 EUR bedient. Einem weiteren, gleichfalls mit der Q-Versicherungen abgeschlossenen, Versicherungsvertrag (Versicherungsschein-Nr. 000), liegt ein vertragsgemäßer Ablaufzeitpunkt 1.12.2043 zugrunde. In diesen Versicherungsvertrag hat der Kläger monatlich 21,68 EUR eingezahlt (Stand Oktober 2010).
61Im Termin zur mündlichen Verhandlung, zu dem trotz ordnungsgemäßer Terminsnachricht Vertreter der Beigeladenen zu 2) bis 5) nicht erschienen sind, hat der Senat den Kläger persönlich angehört. In der mündlichen Verhandlung hat Letzterer sein Einverständnis mit einem späteren Beginn der Versicherungspflicht im Sinne des § 7a Abs. 6 SGB IV erklärt, sofern festgestellt werde, dass er wegen der Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) der Versicherungspflicht unterliege. Wegen des weiteren Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
62Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
63Entscheidungsgründe:
64Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 5) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit ordnungsgemäßen Terminsmitteilungen auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
65I. Die am 11.5.2011 bei dem erkennenden Gericht eingelegte Berufung des Klägers gegen das ihm am 11.4.2011 zugestellte Urteil des SG Duisburg vom 15.3.2011 ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1, Abs. 3, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG).
66II. Die Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Die auf die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 24.1.2011 und des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2008 gerichtete Anfechtungsklage (dazu 1.) sowie die auf die Feststellung des Nichtbestehens einer Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen der für die Beigeladene zu 1) am 8. und 9.2., 15.2., 22.2., 25. bis 29.2., 3. bis 6.3., 11. bis 13.3., 18. bis 20.3., 3.4., 7. bis 11.4., 17. und 18.4., 23. bis 25.4., 6.10., 9.10., 14. bis 18.10., 22. bis 25.10., 29.10. bis 1.11., 6. bis 8.11., 14.11., 21.11., 28.11., 9. bis 13.12.2008, 15.1., 20.1., 23.1., 27.1., 30.1., 3.2., 6.2., 10.2., 13. und 14.2., 17.2., 7.9., 2.10. bis 5.10., 10. bis 17.10., 23. und 24.10., 28. bis 31.10, 4. bis 7.11., 11. bis 14.11., 18. bis 21.11., 27. und 28.11., 4. und 5.12., 11. und 12.12., 18. und 19.12., 29.9. bis 1.10.2009, 5.1., 8.1., 12.1., 15.1., 19.1., 25. und 26.1., 29.1., 2.2., 4. und 5.2.2010 ausgeübten Tätigkeit gerichtete Feststellungsklage sind begründet (hierzu 2.).
671. Die auf die Aufhebung des gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewordenen Bescheides der Beklagten vom 24.1.2011 und des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2008 gerichtete Anfechtungsklage ist begründet. Diese Bescheide beschweren den Kläger i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil sie rechtswidrig sind.
68a) Zulässiger Gegenstand einer Statusfeststellung nach § 7a SGB IV ist allein die Feststellung von Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit in der konkreten Rechtsbeziehung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer (BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 2; Urteil v. 4.6.2009, B 12 KR 31/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 3; Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R; B 12 Urteil v. 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R, juris). Besteht zwischen ihnen keine Dauerbeziehung, sondern wird der Auftragnehmer auf der Grundlage von Einzelaufträgen für den Auftraggeber tätig, sind nur diese am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (BSG, Urteil v. 30.10.2013, a.a.O., Rdnr. 25; Urteil v. 18.9.2011, a.a.O., juris-Rdnr. 17; jeweils m.w.N.).
69b) Die streitgegenständlichen Bescheide sind vom maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont der Adressaten (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch) dahingehend auszulegen, dass die Beklagte das Vorliegen eines Dauerrechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) seit dem 8.1.2008 festgestellt hat. Für dieses Verständnis spricht bereits die im Tenor des Bescheides vom 24.1.2011 gewählte Formulierung "in der seit dem 08.01.2008 ausgeübten Beschäftigung", aber auch - im Umkehrschluss - der Umstand, dass die Beklagte die einzelnen Einsatztage bzw. -zeiträume des Klägers nicht gesondert aufgeführt hat. In der Begründung des Bescheides vom 24.1.2011 heißt es wiederum, der Kläger habe "die Beschäftigung" am 8.1.2008 aufgenommen.
70c) Die Feststellung eines Dauerschuldverhältnisses ist rechtswidrig. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Kläger für die Beigeladene zu 1) im Rahmen projektgebundener Einzelaufträge tätig geworden, welche die Beklagte dementsprechend jeweils als rechtlicher Ausgangspunkt der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung zugrunde hätte legen müssen.
71Der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) hat zur Ausgestaltung der vertraglichen Zusammenarbeit mit dem Kläger ausdrücklich bekundet, es sei im Vorfeld einer jeden Produktion mit diesem Kontakt aufgenommen und dessen Bereitschaft zur Mitwirkung an den jeweiligen Produktionen abgesprochen worden. Dem entsprechend ist zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem Kläger von Produktion zu Produktion jeweils neu über die Übernahme einzelner Aufträge entschieden worden. Dies stimmt mit den Bekundungen des Klägers anlässlich der Befragung durch den Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung überein, wonach er jeweils projektgebunden gebucht worden sei.
72Diese jeweils im Vorfeld eines Projektes getroffenen Absprachen lassen zur Überzeugung des Senats nicht die Annahme zu, dass der Kläger und die Beigeladene zu 1) eine zugunsten eines Dauerschuldverhältnisses zu würdigende Vertragsbeziehung begründet haben oder begründen wollten. Ebenso wenig lässt sich ein solches aus der tatsächlich gelebten Beziehung herleiten. In diesem Rahmen bedarf es auch keiner abschließenden Festlegung durch den Senat, ob durch die konkret praktizierte Form der Zusammenarbeit des Klägers mit der Beigeladenen zu 1) konkludent eine rahmenvertragliche Vereinbarung zustande gekommen ist. Diese Frage kann offen bleiben, weil weder erkennbar ist noch von der Beklagten geltend gemacht wird, dass die Beigeladene zu 1) zu einem einseitigen Heranziehungsrecht des Klägers berechtigt werden sollte, was die Annahme eines Dauerschuldverhältnisses hätte begründen können.
73Aus den mündlichen Vereinbarungen und der tatsächlich geübten Praxis der Zusammenarbeit der an der maßgeblichen Rechtsbeziehung beteiligten Personen lässt sich auch nicht schließen, dass zwischen den konkreten Einsatztagen des Klägers eine Verpflichtung zu einer Rufbereitschaft bestehen sollte, kraft derer die Beigeladene zu 1) innerhalb einer vereinbarten Dienstzeit über die Erbringung von Arbeitsleistungen des Klägers nach konkretem Arbeitsanfall hätte bestimmen dürfen (hierzu BSG, Urteil v. 20.3.2013, B 12 R 13/10 R, juris, Rn. 26 [Bühnenkünstler]).
74Ebenso wenig hat die zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) praktizierte Rechtsbeziehung das charakteristische Gepräge eines Dauerschuldverhältnisses mit Arbeit auf Abruf aus unbezahlter Freizeit (§ 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz [TzBefG]) erfahren, da weder die Absprachen des Klägers mit der Beigeladenen zu 1) noch die gelebte Praxis ihrer Zusammenarbeit einen Rückschluss dahingehend zulassen, dass sich die Vertragsparteien auf eine bestimmte Tätigkeit und ein bestimmtes Arbeitsdeputat verständigt haben, welches von der Beigeladenen zu 1) kraft eines etwaigen Direktionsrechts in einem bestimmten Bezugszeitraum abrufen können sollte (vgl. hierzu Laux, in: Laux/Schlachter, Teilzeit- und Befristungsgesetz, 2. Aufl. 2011, § 12 Rn. 32; allgemein zur Abgrenzung zwischen Bereitschaftsdienst mit Arbeitseinsätzen innerhalb einer vereinbarten Dienstzeit und Arbeit auf Abruf i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 1 TzBefG, der den Abruf aus unbezahlter Freizeit erfasst, auch Linck, in: Schaub, in: Arbeitsrechtshandbuch, 15. Aufl. 2013, § 43 Rn. 21a m.w.N.; Jacobs, in: Annuß/Thüsing, Kommentar zum Teilzeit- und Befristungsgesetz, 3. Aufl. 2012, § 12 Rn. 10 m.w.N., Arnold, in: Arnold/Gräfl, Teilzeit- und Befristungsgesetz, 3. Aufl. 2012, § 12 Rn. 26).
75d) Der Bescheid der Beklagten vom 24.1.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 21.11.2008 sind in vollem Umfang rechtswidrig und daher aufzuheben. Sie können insbesondere nicht insoweit aufrecht erhalten bleiben, als die Feststellung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung "seit dem 8.1.2008" jedenfalls auch die Zeiträume umfasst, in denen der Kläger tatsächlich für die Beigeladene zu 1) tätig geworden ist.
76Wie schon allein die Bestimmungen über die unständige Beschäftigung in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung zeigen (§§ 186 Abs. 2 SGB V, 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III), knüpfen sich an die Feststellung, ob ein Dauerrechtsverhältnis oder eine Mehrzahl von Einzelaufträgen vorliegt, bereits in versicherungsrechtlicher Hinsicht wesentliche Rechtsfolgen. Gleiches gilt im Einzelfall für die Frage der Geringfügigkeit wegen kurzfristiger Beschäftigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV).
77Das gilt erst recht eingedenk des Umstandes, dass die Entscheidungen der Versicherungsträger über das Bestehen oder Nichtbestehen von Versicherungspflicht im Falle ihrer Bestandskraft auch beitragsrechtlich verbindlich sind (BSG, Urteil v. 4.6.2009, a.a.O.). Auch insoweit ist eine Feststellung des genauen Beschäftigungszeitraums von erheblicher Bedeutung (z.B. für die Frage, in welchen Zeiträumen bei Mehrfachbeschäftigungen die anteilige Beitragsbemessungsgrenze zu beachten ist, oder für die Anwendung von §§ 232 SGB V, 163 Abs. 1 SGB VI).
782. Die nach § 55 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Feststellungsklage des Klägers ist gleichfalls begründet. Der Kläger unterlag während der im Urteilstenor im Einzelnen genannten Beschäftigungen bei der Beigeladenen zu 1) der Entscheidung den Einsatztagen nach konkretisierten Beschäftigung für die Beigeladene zu 1) in keinem Zweig der Sozialversicherung einer Versicherungspflicht. Er war in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung versicherungsfrei; in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ist eine Versicherungspflicht des Klägers während der Ausübung der Beschäftigung noch nicht eingetreten.
79a) Personen die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung der Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI], § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI] bzw. § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]).
80Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil v. 30.12.2013, B 12 KR 17/11 R, juris; Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11)
81Bei der Feststellung des Gesamtbildes kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 14/10 R [juris]; BSG SozR 4-2400, § 7 Nr. 7 Rn. 17; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild der bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 8/01 R = SozR 3-2004 § 7 Nr. 19; Urteil v. 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R = SozR 4-2004 § 7 Nr. 7; jüngst: BSG, Urteile v. 29.8.2012, B 12 KR 14/10 R und B 12 KR 25/10 R).
82b) Nach diesen Kriterien bestimmt sich auch im vorliegenden Fall, ob der Kläger bei Erledigung der seitens der Beigeladenen zu 1) übernommenen Einzelaufträge abhängig beschäftigt oder selbständig war. Sie sind insbesondere nicht etwa deshalb zu modifizieren, weil der Kläger als programmgestaltender Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1) anzusehen wäre.
83aa) Bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeiten im Bereich "Funk und Fernsehen" gelten im Grundsatz die üblichen Kriterien (Segebrecht, in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 7 Rdnr. 196), wobei sich das BSG jedoch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Abgrenzung von Arbeitsverträgen und freien Dienstverhältnissen bei programmgestaltenden Mitarbeitern zu Eigen gemacht hat (BSG, Urteil v. 3.12.1998, B 7 AL 108/97 R, SozR 3-4100 § 104 Nr. 16; juris-Rdnr. 20 unter Bezugnahme auf BAG, Urteil v. 11.3.1998, 5 AZR 522/96; vgl. auch BSG, Urteil v. 28.1.1999, B 3 KR 2/98 R, SozR 3-5425 § 1 Nr. 5, juris-Rdnr. 23). Diese Rechtsprechung (vgl. hierzu aus jüngerer Zeit BAG, Urteil v. 17.4.2013, 10 AZR 668/12, BAGE 145, 26 ff. [Cutterin]) fußt auf den Vorgaben des BVerfG, wonach das Grundrecht der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) in solchen Fällen in der Regel eine fallbezogene Abwägung zwischen der Bedeutung der Rundfunkfreiheit auf der einen und dem Rang der von den Normen des Arbeitsrechts geschützten Rechtsgüter auf der anderen Seite verlangt (BVerfG, Beschluss v. 13.1.1982, 1 BvR 848/77 u.a., BVerfGE 59, 231 ff.; Beschluss v. 18.2.2000, 1 BvR 491/93 u.a., AP Nr 9 zu Art 5 Abs. 1 GG Rundfunkfreiheit). Die Rundfunkfreiheit erstreckt sich dabei auf das Recht der Rundfunkanstalten, dem Gebot der Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte auch bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Mitarbeiter Rechnung zu tragen, die bei der Gestaltung der Programme mitwirken sollen. Zwar ist es von Verfassungs wegen nicht ausgeschlossen, auch im Rundfunkbereich von den für das Arbeitsrecht allgemein entwickelten Merkmalen abhängiger Arbeit auszugehen. Allerdings muss das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recht der Rundfunkanstalten, frei von fremder Einflussnahme über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung programmgestaltender Mitarbeiter zu bestimmen, angemessen berücksichtigt werden. Eine Beeinträchtigung kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG in Betracht, wenn die verfügbaren Vertragsgestaltungen - wie Teilzeitbeschäftigungs- oder Befristungsabreden - zur Sicherung der Aktualität und Flexibilität der Berichterstattung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht in gleicher Weise geeignet sind wie die Beschäftigung in freier Mitarbeit (vgl. BVerfG, Beschluss v. 18.2.2000, a.a.O.). Hinsichtlich der nicht programmgestaltenden, aber rundfunk- und fernsehtypischen Mitarbeit an Sendungen hat das BAG dagegen mehrfach entschieden, dass sich derartige Arbeiten regelhaft nur im Rahmen von Arbeitsverhältnissen durchführen lassen (vgl. BAG NZA 1998, 1277, 1278 m.w.N.; BAG, Urteil v. 17.4.2013, a.a.O.).
84bb) Die vom BAG auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten Grundsätze zur arbeitsrechtlichen Beurteilung programmgestaltender Mitarbeiter lassen sich (entgegen den zitierten Entscheidungen des BSG) nicht auf die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV und selbständiger Tätigkeit zu übertragen. Wie das BVerfG in seiner Leitentscheidung vom 13.1.1982 (a.a.O., juris-Rdnr. 75) bereits ausgeführt hat, lassen sich seine diesbezüglichen Erwägungen auf außerhalb des Arbeitsrechts liegende Rechtsvorschriften, die der sozialen Sicherung der Arbeitnehmer dienen, wie namentlich diejenigen des Sozialversicherungsrechts, nicht erstrecken. Regelungen etwa der Altersversorgung oder des Schutzes bei Krankheit beschränkten nicht die Entscheidungsfreiheit der Rundfunkanstalten über die Auswahl, Einstellung oder Beschäftigung programmgestaltend tätiger Mitarbeiter. Sie würden daher umgekehrt auch nicht durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berührt, sodass diese Gewährleistung nicht etwa die Bewertung von Rundfunkmitarbeiterverhältnissen als abhängige Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 SGB IV) ausschließe. Das Verfassungsrecht verlange nicht die Wahl zwischen dem Alles des vollen Schutzes der unbefristeten Daueranstellung und dem Nichts des Verzichts auf jeden Sozialschutz. Die Richtigkeit dieser Erwägungen wird gerade durch den vorliegenden Fall bestätigt. Der Kläger und die Beigeladene zu 1) haben von ihren Möglichkeiten einer flexiblen Vertragsgestaltung ausgiebig Gebrauch gemacht. Aus welchen Gründen es von Verfassungs wegen gerechtfertigt geschweige denn geboten sein könnte, dem Kläger den Schutz des Sozialversicherungsrechts zu versagen, falls er im Rahmen der von ihm mit der Beigeladenen zu 1) vereinbarten Einzelaufträge abhängig beschäftigt sein sollte, ist nicht ersichtlich.
85cc) Letztlich kann diese Frage jedoch im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Denn der Kläger ist bei seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) nicht programmgestaltender Mitarbeiter im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG und des BAG.
86Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind in den Kreis der "programmgestaltenden" Mitarbeiter diejenigen Personen einbezogen, die an Hörfunk- und Fernsehsendungen inhaltlich gestaltend mitwirken. Das gilt namentlich, wenn sie typischerweise ihre eigene Auffassung zu politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen oder anderen Sachfragen, ihre Fachkenntnisse und Informationen, ihre individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft in die Sendung einbringen, wie dies bei Regisseuren, Moderatoren, Kommentatoren, Wissenschaftlern und Künstlern regelmäßig der Fall ist. Nicht zu den programmgestaltenden Mitarbeitern gehören hingegen das betriebstechnische und Verwaltungspersonal sowie diejenigen Personen, die zwar bei der Verwirklichung des Programms mitwirken, aber auf dieses keinen inhaltlichen Einfluss darauf haben (BVerfG, Beschluss v. 13.1.1982, a.a.O.; BAG, Urteil v. 19.1.2000, 5 AZR 644/98, BAGE 93, 218; BAG, Urteil v. 17.4.2013, a.a.O., juris-Rdnr. 16; ähnlich auch Ziffer 3.2 der Anlage 1 des - rechtlich nicht verbindlichen - "Abgrenzungskataloges für im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätige Personen" der Deutschen Rentenversicherung Bund, der beispielhaft als selbständig tätige Personen auch Bildgestalter, Editoren/Cutter, Lichtgestalter/Lichtdesigner, Regisseure sowie Tonmeister mit eigenem Equipment erwähnt, für die Berufsgruppen der Editoren/Cutter, der Regisseure und Bildgestalter jedoch einschränkend verlangt, dass der eigenschöpferische Teil der Leistung überwiegt).
87Nach den Feststellungen des Senats hat der Kläger bei seinen Tätigkeiten als "Toningenieur", "Sound Designer" und "Pro Tools Operator" nicht programmgestaltend mitgewirkt.
88Bei der Wahrnehmung der streitigen Einzelaufträge hat die Aufgabe des Klägers nach eigenem Bekunden darin bestanden, das von Seiten der Redaktion (vor-) ausgewählte Bildmaterial zunächst so zu bearbeiten, dass es für die Sendung überhaupt nutzbar war. Die anschließend zu unterlegenden Musikeffekte wurden ihm in der Regel seitens der Redaktion vorgegeben und von ihm "lediglich" neu gemischt und mit weiteren akustischen Effekten unterlegt. Soweit er Alternativanregungen zu den Vorschlägen der Redaktion unterbreitete, wurden diese mit dem zuständigen Redakteur besprochen, dem insoweit eine abschließende Entscheidungsbefugnis zukam. Dem Kläger wurde daher nicht allein der thematische Inhalt des Produktion als solcher, sondern auch das ihm zu bearbeitende Bild- und Tonmaterial vorgegeben. Überdies hat der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) bekundet, dass die Produktionsfirmen die zu implementierenden akustischen Soundeffekte teilweise detailliert vorgaben, etwa bei der Produktion "Deutschland sucht den Superstar". Jedoch seien auch bei der Produktion "Das Supertalent" von der Produktionsfirma Grundzüge vorgegeben worden. In diesem Fall habe die Produktionsfirma eine Auswahl möglicher Soundeffekte zur Verfügung gestellt, innerhalb derer der Kläger (lediglich) den aus seiner Sicht passenden Soundeffekt habe einbauen dürfen. Für den Fall, dass dem Kläger etwaige Soundeffektvorschläge unpassend erschienen, sei es ihm ausnahmsweise gestattet gewesen, auf seine eigene "Soundlibrary" zurückzugreifen. In diesen Fällen war jedoch eine nachträgliche Abänderung auf Anweisung des jeweiligen Redakteurs denkbar und ist auch praktiziert worden. So hat der Kläger auf Befragung durch den Senat erklärt, dass bei unterschiedlichen Vorstellungen über eine künstlerische Gestaltung verschiedene Alternativen ausprobiert würden. Das letzte Wort habe jedoch "natürlich der Sender" gehabt.
89Diese weitreichenden inhaltlichen und konzeptionellen Vorgaben der Produktionsfirmen bzw. der Sender schränkten spiegelbildlich die kreativen Einflussmöglichkeiten des Klägers im Rahmen seines individuellen Mitwirkungsbeitrages erheblich ein. Dementsprechend hat der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) betont, dass die produzierten Fernsehformate im Interesse einer Wiedererkennbarkeit für den Zuschauer einem vorgegeben Muster entsprächen. Aus diesem Grund existierten einheitliche "Openings", "Endings", "Werbe-In/Werbe-Out" und einheitliche "Gewinnspielanimationen". Dies deckt sich mit den Konfektionierungsrichtlinien der Mediengruppe RTL Deutschland ("Liefermaterialien bei Auftragsproduktionen"), in denen sehr genaue Vorgaben hinsichtlich der Gestaltung der Medienproduktionen enthalten sind.
90Soweit der Kläger nach dem Inhalt der beigezogenen Rechnungen zeitweilig eine Tätigkeit als "Head of Audio" wahrgenommen hat, lässt diese spezifische Ausgestaltung seiner Tätigkeit gleichfalls keine wesentlichen programmgestaltenden Einflussmöglichkeiten erkennen. Der Kläger hat selbst betont, dass eine mit dieser Funktion betraute Person die notwendigen Absprachen mit Cuttern, Produktionsleitern, Redakteuren und ggf. dem Sender durchführt. Insoweit kennzeichnet diese spezifische Facette seiner Tätigkeit eine vorwiegend betrieblich koordinierende Funktion, die aber ihrem inhaltlichen Gepräge nach keinen wesentlichen eigenen schöpferischen Mitwirkungsbeitrag im Sinne einer programmgestaltenden Aufgabe beinhaltet.
91dd) Vor diesem Hintergrund kann schließlich auch dahingestellt bleiben, ob die Beigeladene zu 1) sich überhaupt eigenständig auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen kann.
92c) Unter Zugrundelegung der danach maßgebenden allgemeinen Kriterien für die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit hat der Senat nach Auswertung und Abwägung sämtlicher abgrenzungsrelevanter Indizien die Überzeugung gewonnen, dass die im Rahmen der maßgeblichen Einzeleinsätze des Klägers für die Beigeladene zu 1) ausgeübte Tätigkeit entscheidend durch Aspekte geprägt waren, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Demgegenüber treten die eine selbständige Tätigkeit des Klägers charakterisierenden Umstände im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung in den Hintergrund.
93aa) Der Kläger unterlag bei Wahrnehmung der einzelnen Aufträge der Beigeladenen zu 1) deren Weisungsrecht hinsichtlich Art, Zeit und Ort der Arbeit [dazu unter (1)]). Er war darüber hinaus in ihre betriebliche Organisation eingegliedert [dazu unter (2)]).
94(1) Der Kläger war bei der Ausübung der in dem Tenor konkretisierten Einzelaufträge einem umfassenden Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1) unterworfen. Diese Weisungsgebundenheit äußerte sich sowohl in inhaltlich-fachlicher, als auch in zeitlicher und örtlicher Hinsicht.
95(a) In inhaltlich-fachlicher Hinsicht agierte der Kläger im Rahmen der weitgehenden Vorgaben der Redaktion, die nicht lediglich bestimmt haben, welches Filmmaterial gesendet werden soll, sondern eine abschließende Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der zusätzlich Ton- und Musikelemente zukam (s.o.).
96(b) Auch hinsichtlich der Zeit seiner Tätigkeit war der Kläger - nach entsprechender Annahme eines ihm angetragenen Einzeleinsatzes - einem umfassenden Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1) unterworfen. Die eine selbständige Tätigkeit kennzeichnende weitgehende Gestaltbarkeit der Arbeitszeit war jedenfalls ab dem Zeitpunkt nicht mehr anzunehmen, ab dem der Kläger den Einzelauftrag angenommen hat. Bei der Bearbeitung der Produktionen existierten zeitliche Deadlines, bis zu deren Ablauf die von dem Kläger zu erbringenden Produktionsleistungen abgeschlossen sein mussten. Die Beigeladene zu 1) hat dementsprechend auch betont, dass sie ihren "freien Mitarbeitern" die Entscheidung überlasse, ob sie ihre Tätigkeit tagsüber, nachts oder am Wochenende ausführen, "wenn es ihre Terminierung zulasse".
97(c) In örtlicher Hinsicht unterlag der Kläger faktisch einer Bindung, da die funktionsgerecht nur in den der Beigeladenen zu 1) zugewiesenen Produktionsräumen der Studios ausgeübt werden konnte. Der Kläger hat erklärt, dass die bei der Produktionsrealisierung zu bearbeitenden Datenmengen einen Umfang hatten, die damals einem Transfer nicht zugänglich waren. Hinzu kam, dass ständig Meetings stattfanden, die eine Anwesenheit des Klägers in den Produktionsräumen erfordert haben.
98(2) Der Kläger hat die streitbefangenen einzelnen Aufträge in einer ihm vorgegebenen betrieblichen Ordnung und unter Nutzung der im Wesentlichen von der Beigeladenen zu 1) bereitgestellten sächlichen und sonstigen Mittel erbracht. Hierbei hat der Kläger weitgehend auf das technische Equipment der Beigeladenen zu 1) zurückgegriffen. Die Tätigkeit erfolgte in den Räumlichkeiten, die der Beigeladenen zu 1) von der Produktionsfirma zur Verfügung gestellt worden ist.
99Auch in kommunikativer Hinsicht bestand eine umfassende Eingliederung des Klägers in Personalstruktur der Beigeladenen zu 1). Er verrichtete die streitbefangene Tätigkeit nicht allein, sondern hat vielmehr mit verschiedenen programmgestaltenden und technischen Mitarbeitern der Beigeladenen zu 1) zusammengewirkt und anlässlich regelmäßig stattfindender Meetings die für die Produktionsrealisierung erforderlichen Abstimmungen getroffen. Diese Integration des Klägers in die betriebliche Organisation der Beigeladenen zu 1) wird auch dadurch offenbar, dass ihm zeitweilig die Funktion eines "Head of Audio" übertragen worden ist und er in dieser Rolle die für die Produktionsrealisierung notwendigen Absprachen mit Cuttern, Produktionsleitern, Redakteuren und ggf. dem Sender wahrgenommen hat. Dies bedingt aufgrund der regelmäßigen Rückkopplung mit den Verantwortlichen der Beigeladenen zu 1) eine weitgehende Integration in deren betriebliche Organisation.
100cc) Für eine selbständige Tätigkeit des Klägers sprechende Gesichtspunkte sind nach dem Ergebnis der gerichtlichen Feststellungen nicht in einem Maße gegeben, dass diese im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung aller für die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit relevanten Umstände die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Umstände überwögen.
101(1) Der Kläger verfügte zwar - schon seinerzeit - über ein eigenes Tonstudio im Kellergeschoss eines Wohnhauses. Anlässlich der Befragung durch den Senat hat er jedoch ausdrücklich eingeräumt, dass die neue Betriebsstätte, in deren Realisierung er erhebliches Kapital investiert hat, erst zum Jahreswechsel 2010/2011 fertiggestellt worden ist. Die Herstellung der neuen Betriebsstätte stand damit erkennbar in einem Zusammenhang mit der Gründung der G GmbH, die jedoch zum Zeitpunkt der Wahrnehmung der streitigen Einzeleinsätze für die Beigeladene zu 1) noch nicht bestand. Überdies kommt dem Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte für die Beurteilung der streitgegenständlichen Aufträge nur nachgeordnete Bedeutung zu, weil die diese Aufträge prägenden Leistungen vom Kläger nicht in dieser Betriebsstätte, sondern in den der Beigeladenen zu 1) zugewiesenen Produktionsräumen ausgeführt wurden und werden mussten. Dementsprechend hat der Kläger auch eigene Betriebsmittel (z.B. seine Sound Libriary) in einem nur untergeordneten Umfang eingesetzt.
102(2) Ein wesentliches unternehmerisches Risiko des Klägers ist im Hinblick auf die Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) nicht ersichtlich. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.) ist maßgeblich hierfür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen (Segebrecht, in jurisPK-SGB IV, § 7 Rn. 117). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko erst dann ein Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.).
103Der Kläger ist für die streitigen Einzelaufträge nach festen Stundensätzen bezahlt worden, die sich strukturell an den Vergütungsregelungen des TV FFS orientiert haben. Hiernach betrugen bis Juni 2012 die Wochengagen für den Bereich Ton 1.323,00 EUR und für Schnitt 1.297,00 EUR. Der Kläger hat nach den zu den Gerichtsakten gereichten Abrechnungen - auch insoweit den Regelungen des TV FFS entsprechend - überdies eine Vergütung für Überstunden und Vorbereitungsleistungen (vgl. Rechnung vom 31.10.2008), Vorbesprechungen (vgl. Rechnung vom 9.2.2009), Feiertagszuschläge (vgl. Rechnung vom 31.10.2008) und Nachtzuschläge (vgl. Rechnung vom 31.10.2008) erhalten, so dass - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - keine Gefahr bestand, dass er seine eigene Arbeitskraft mit dem Risiko ungewisser Vergütung einsetzte.
104Entsprechendes gilt für die Gefahr des Verlustes eingesetzten Vermögens. Zwar hat der Kläger glaubhaft bekundet, für sein ursprüngliches Tonstudio eigene Aufwendungen geleistet zu haben; der insoweit getätigte Vermögenseinsatz zur Beschaffung eigener Betriebsmittel stand jedoch nicht in einem Zusammenhang mit der Tätigkeit für die Beigeladene zu 1), da dem Kläger dort das für die Produktionsrealisierung erforderliche Equipment im Wesentlichen bereitgestellt worden ist, weshalb insoweit ein eigener Vermögenseinsatz nicht erforderlich gewesen ist.
105(3) Der Umstand, dass der Kläger ein Gewerbe angemeldet hat, spricht gleichfalls nicht entscheidend für eine selbständige Tätigkeit, da dieses formale Kriterium für die Beurteilung der tatsächlichen Ausgestaltung der zu beurteilenden Tätigkeit ohne wesentliche Aussagekraft ist (Segebrecht, jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 7 Rdnr. 117). Der sozialversicherungsrechtliche Status eines Betriebsinhabers wird seitens der Gewerbeaufsicht nicht geprüft.
106dd) In der Gesamtabwägung sprechen wesentliche Gesichtspunkte für eine Eingliederung des nicht programmgestaltend wirkenden Klägers in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1). Darüber hinaus spricht viel für eine Weisungsgebundenheit hinsichtlich Art, Zeit und Ort der Arbeit. Anhaltspunkte für eine selbständige Tätigkeit des Klägers sind hinsichtlich der im vorliegenden Rechtsstreit allein zu beurteilenden einzelnen Einsätze für die Beigeladene zu 1) in einem nur untergeordneten Maße vorhanden. Nach allem überwiegen die zugunsten einer - auch gegen Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) ausgeübten - abhängigen Beschäftigung des Klägers sprechenden Merkmale deutlich.
107d) In der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung ist der Kläger anlässlich dieser einzelnen Aufträge jedoch versicherungsfrei gewesen [dazu aa)]. Tatbestände, die eine Versicherungsfreiheit des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung rechtfertigen, sind nicht gegeben [dazu bb)]. Nach dem Recht der Arbeitsförderung scheidet eine Versicherungsfreiheit des Klägers unter dem Gesichtspunkt einer unständigen Beschäftigung (§ 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III) im Wesentlichen aus [dazu cc)].
108aa) Die Versicherungsfreiheit des Klägers folgt für die gesetzliche Krankenversicherung aus § 5 Abs. 5 SGB V, wonach versicherungsfrei ist, wer hauptberuflich eine selbständige Tätigkeit ausübt.
109Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Regelung ist das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit, die auf eine Gewinnerzielung ausgerichtet ist. Die Abgrenzung zu dem Begriff der abhängigen Beschäftigung erfolgt nach allgemeinen Grundsätzen. Die Hauptberuflichkeit ist nicht absolut, sondern relativ zu bestimmen. Hauptberuflich ist eine selbständige Tätigkeit, wenn wie von der wirtschaftlichen Bedeutung und ihrem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit bildet. Maßgeblich hierfür sind stets die Umstände des Einzelfalles, wobei die zeitliche Verteilung der jeweiligen Beschäftigungen und das erzielte Entgelt als Kriterium heranzuziehen sind. Damit ist eine Hauptberuflichkeit dann gegeben, wenn die selbständige Tätigkeit von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihrem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit bildet (BSG, Urteil v. 23.7.2014, B 12 KR 16/12 R, SozR 4-5420 § 3 Nr. 3; Felix, in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl., § 5 Rn. 112.1; Klose, in: Jahn, SGB V, § 5 Rn. 258 ff.).
110Ausgehend von diesen Maßstäben war der Kläger in dem Zeitraum, in dem er für die Beigeladene zu 1) die streitigen Einzelaufträge wahrgenommen hat, hauptberuflich selbständig. Hierfür spricht die gebotene Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Relevanz und des zeitlichen Aufwandes der von ihm neben seinen Einzelaufträgen für die Beigeladene zu 1) ausgeübten selbständigen Tätigkeit.
111Für den Senat steht nach den glaubhaften Bekundungen des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung zunächst nicht in Frage, dass die für andere Auftraggeber ausgeübten Tätigkeiten in sozialversicherungsrechtlich selbständiger Form verrichtet worden sind. Der Kläger hat insoweit glaubhaft erklärt, die Tätigkeiten seien von ihm als eingetragener Kaufmann in seinem eigenen Tonstudio bzw. von ihm angemieteter Tonstudios erbracht worden und hätten nicht den Bedingungen der Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) entsprochen. Im Rahmen dieses anderweitigen wirtschaftlichen Engagements hat der Kläger - anders als bei seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) - auch auf eigenes tontechnisches Equipment zurückgegriffen. Der Senat hat angesichts dessen keine Veranlassung, die sozialversicherungsrechtliche Einordnung jeder anderweitig von dem Kläger verrichteten Tätigkeit im Rahmen der Amtsermittlung im Einzelnen weitergehend aufzuklären, zumal seitens der Beklagten auch nicht geltend gemacht worden ist, dass die von dem Kläger im Übrigen wahrgenommenen Tätigkeiten im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sind.
112Der Kläger hat in den Jahren 2008 bis 2010 in zeitlicher Hinsicht in weitaus größtem Umfang Tätigkeiten für andere Auftraggeber ausgeübt. Angesichts der Vielzahl anderweitiger Auftraggeber war auch unter prognostischer Betrachtung naheliegend, dass die Tätigkeiten für andere Auftraggeber den überwiegenden Anteil seiner Gesamttätigkeit ausmachen würden. Die wirtschaftliche Bedeutung der anderweitig ausgeübten Tätigkeiten des Klägers stützt die Annahme einer hauptberuflichen Selbständigkeit. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, hat der Kläger in den streitigen Jahreszeiträumen mindestens die Hälfte, eher mehr des Gesamtumsatzes aus seiner Tätigkeit in seinem eigenen Studio bzw. in angemieteten Räumlichkeiten erzielt zu haben. Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der dahingehenden Angaben des Klägers zu zweifeln.
113Infolge der Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung war der Kläger auch in der sozialen Pflegeversicherung nicht versicherungspflichtig (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI).
114bb) Tatbestände, die eine Versicherungsfreiheit des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung begründen, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.
115cc) Nach dem Recht der Arbeitsförderung kommt eine Versicherungsfreiheit des Klägers nach der insoweit allein in Betracht kommenden Regelung des § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III im Wesentlichen nicht Betracht.
116Hiernach sind Personen in einer unständigen Beschäftigung versicherungsfrei sind, die sie unständig ausüben. Der Begriff der "unständigen Beschäftigung" ist u.a. in § 27 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 SGB III legal definiert (vgl. auch - wortgleich - § 232 Abs. 3 SGB V und § 163 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) und bezeichnet eine Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche entweder der Natur der Sache nach befristet zu sein pflegt oder im Voraus durch Arbeitsvertrag befristet ist. Ob dieses der Fall ist, muss prognostisch im Zeitpunkt der Beschäftigungsaufnahme bestimmt werden (Wehrhahn, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 27 Rn. 28 unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 16.2.1983, 12 RK 23/81 zu § 441 RVO).
117Hiernach kommt eine Versicherungsfreiheit des Klägers für den weitaus größten Anteil seiner einzelnen Aufträge für die Beigeladene zu 1) allein deshalb nicht in Betracht, weil die Dauer der vereinbarten Einzeleinsätze weder aufgrund ihrer inneren Eigenart ("der Natur der Sache nach"), noch von vornherein arbeitsvertraglich auf weniger als eine Woche zeitlich befristet war. Der Kläger und der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) haben vielmehr insoweit übereinstimmend erklärt, der Kläger sei im Vorfeld eines jeden Projekts, beispielsweise im Hinblick auf das Projekt "Supertalent 2008" oder "Deutschland sucht den Superstar 2009" projektgebunden gebucht worden. Eine Absprache, wonach der Kläger für jeden einzelnen Einsatztag gebucht worden ist, lag demnach nicht vor.
118Soweit der Kläger anlässlich seiner Befragung durch den Senat einschränkend angegeben hat, er könne nicht ausschließen, im Monat April 2008 für einzelne Projekte nur wenige Tage gebucht worden zu sein, kann das Bestehen einer etwaigen Versicherungsfreiheit des Klägers aus den unter e) dargelegten Gründen im Ergebnis offen bleiben, da sich eine solche nicht entscheidungserheblich auswirkt. Entsprechendes gilt für die von dem Kläger in der Zeit vom 29.9. bis zum 1.10.2009 ausgeübte Tätigkeit in dem Projekt "Eyeworks".
119e) Soweit danach allein in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung eine Versicherungspflicht besteht, ist diese zum Zeitpunkt der von dem Kläger vom 8.2.2008 bis zuletzt am 5.2.2010 ausgeübten Einzelaufträgen für die Beigeladene zu 1) noch nicht eingetreten.
120Dies folgt aus § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV. Nach dieser Regelung tritt, wenn der Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt wird und diese ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis feststellt, die Versicherungspflicht mit der Bekanntgabe der Entscheidung ein, wenn der Beschäftigte (1.) zustimmt und (2.) er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung entspricht.
121aa) Die Voraussetzungen eines späteren Eintritts der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 7a Abs. 6 SGB IV sind erfüllt [dazu nachfolgend (1) bis (3)]. Hieraus folgt, dass die Versicherungspflicht in diesem Zweig der Sozialversicherung erst mit der Bekanntgabe des Bescheides vom 24.1.2011 eintreten konnte [dazu nachfolgend (4)].
122(1) Der Kläger hat den optionalen Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status (§ 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV) im Sinne des § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV fristgerecht innerhalb eines Monats vor Aufnahme der Beschäftigung gestellt. Der Kläger hat die streitbefangene Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) am 8.2.2008 aufgenommen. Der Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status ist bereits am 16.1.2008 bei der Beklagten eingegangen.
123(2) Der Kläger hat einem späteren Eintritt der Versicherungspflicht in Anwendung des § 7a Abs. 6 SGB IV zugestimmt.
124Dem steht nicht entgegen, dass die Erklärung erst im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt worden ist. Die Zustimmung zu einem späteren Eintritt der Versicherungspflicht nach § 7a Abs. 6 SGB IV kann zumindest bis zur Bestandskraft einer Entscheidung nach § 7a Abs. 2 SGB IV zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens erteilt werden (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.3.2010, L 11 R 5564/08, juris, Rn. 42; Baier, in Krauskopf/Baier, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 7a SGB IV, Stand Oktober 2014, Rn. 16). Soweit in der Literatur vereinzelt die Auffassung vertreten wird, von der Zustimmung müsse bereits zu Beginn des Statusfeststellungsverfahrens Gebrauch gemacht werden (Lüdtke, in Lehr- und Praxiskommentar SGB IV, 2007, § 7a Rn. 22), ist einer dahingehenden Auslegung entgegen zu halten, dass weder der Wortlaut der Norm, noch dessen Sinn und Zweck diese Einschränkung des Anwendungsbereiches rechtfertigen.
125§ 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV knüpft die Zustimmung nicht an eine von dem Beschäftigten zu wahrende Frist. Da sich das in der Regelung normierte Fristerfordernis dem Wortlaut nach ausdrücklich nur auf die Antragstellung bezieht (vgl. "wird der Antrag nach Absatz 1"), der Gesetzgeber in die das Zustimmungserfordernis statuierenden Nummer 1 ein solches Fristerfordernis hingegen nicht aufgenommen hat, lässt sich aus der sprachlichen Fassung der Vorschrift nur entnehmen, dass auch der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass allein der Statusfeststellungsantrag nach § 7a Abs. 1 SGB IV innerhalb eines Monats gestellt werden muss, die Zustimmung zum späteren Eintritt der Versicherungspflicht jedoch keiner Fristbindung unterliegt und mithin zeitlich bis zum Abschluss des Anfrageverfahrens erteilt werden kann (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.3.2010, L 11 R 5564/08, juris, Rdnr. 43; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.12.2013, L 11 R 2190/12, juris, Rdnr. 57).
126(3) Der Kläger verfügt auch über eine anderweitige finanzielle Altersvorsorge, die den Vorgaben des § 7a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 SGB IV entspricht.
127Hierbei hat der Gesetzgeber den Umfang und den Inhalt der Absicherung dem Wortlaut der Vorschrift nach nicht näher konkretisiert; nach der amtlichen Begründung ist ein ausreichender sozialer Schutz erforderlich, der nicht mit den Leistungen der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung deckungsgleich sein muss (BT-Drucks. 14/1855 S. 8). Die von dem Kläger sichergestellte Altersvorsorge entspricht im Sinne des § 7a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 SGB IV der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung [dazu nachfolgend (a)]. Unerheblich ist, dass er nicht zugleich auch eine soziale Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit getroffen hat, die den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht [dazu nachfolgend (b)].
128(a) Nach der überwiegend vertretenen Auffassung ist eine im Sinne von § 7a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 ausreichende Altersvorsorge anzunehmen, wenn das Risiko des Alters abgesichert ist. Dieses kann durch eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder durch eine private Lebens-/Rentenversicherung für den Fall des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres erfolgen.
129Von einem ausreichenden sozialen Schutz ist demnach auszugehen, wenn für die private Versicherung Prämien aufgewendet werden, die der jeweiligen Höhe des freiwilligen Mindestbeitrages zur gesetzlichen Rentenversicherung (§ 167 i.V.m. § 7 SGB VI) entsprechen (so Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 13.4.2010, Ziffer 4.3.1; Knospe, in: Hauck/Haines, Lfg. 1/15 [Stand 3/15], § 7a SGB IV, Rdnr. 46; Baier, in Krauskopf/Baier, a.a.O., § 7a Rdnr. 19; Rittweger, in: BeckOK-SGB IV, § 7a Rdnr. 30; Pietrek, in: jurisPK-SGB IV, § 7a Rdnr. 134). Der hiernach maßgebliche Mindestbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung betrug in den Kalenderjahren 2008 bis 2010 einheitlich 79,80 EUR monatlich. Die monatlichen Beitragszahlungen des Klägers für die ihn als Begünstigten ausweisenden Kapitallebensversicherungen mit einem nach der Vollendung des 60. Lebensjahres vereinbarten Ablauftermin erfüllen diese Kriterien.
130(b) Es bedarf keiner abschließender Entscheidung durch den Senat, ob der Kläger eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit vorgenommen hat, die den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne des § 7a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 SGB IV entspricht. Insoweit wird regelmäßig angenommen, dass eine ausreichende anderweitige Absicherung durch eine freiwillige Krankenversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung oder eine freiwillige Versicherung erfolgen kann, die auch einen Anspruch auf Krankengeld bzw. eine andere, dem Ersatz von Arbeitsentgelt dienende Leistung vorsehen muss (so auch Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 13.4.2010, Ziffer 4.3.1).
131Der Kläger verfügt nach den Feststellungen des Senats zwar nicht über eine in diesem Sinne ausreichende Absicherung vor dem Krankheitsrisiko. Er ist nämlich bei der Beigeladenen zu 3) im Rahmen einer freiwilligen Versicherung ohne entsprechenden Krankengeldanspruch abgesichert.
132Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Denn § 7a Abs. 6 SGB IV ist dahingehend einschränkend auszulegen, dass es einer Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit nicht bedarf, wenn bereits aus anderen Gründen (hier: gemäß § 5 Abs. 5 SGB V) Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht (so auch ausführlich LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 18.9.2013, L 9 KR 384/11, juris-Rdnr. 35 ff.; Rittweger, a.a.O., Rdnr. 28; Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 77. Erg.-Lfg., § 7a, Rdnr. 22; Knospe, a.a.O.; Rdnr. 23; Hans, SGb 2000, 399, a.A. Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 13.4.2010, Krauskopf/Baier, a.a.O., Rdnr. 17). Andernfalls wäre der Eintritt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung maßgeblich von einem ausreichenden Krankenversicherungsschutz abhängig, obwohl ein derartiger innerer Zusammenhang nicht begründbar wäre. Das gilt namentlich hier: Wenn der Gesetzgeber Versicherungsfreiheit aufgrund einer anderweitigen hauptberuflich ausgeübten selbständigen Tätigkeit anordnet und damit bereits das Ob einer Absicherung gegen das Krankheitsrisiko der Risikosphäre des Betroffenen zuordnet, kann er nicht im Bereich einer anderen Sozialversicherung (hier: der gesetzlichen Rentenversicherung) den Eintritt der Versicherungspflicht vom Vorliegen einer Absicherung gegen das Risiko von Krankheit abhängig machen.
133Die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung widerspricht auch dem Sinn und Zweck des § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV. Diese Regelung privilegiert solche Versicherte (und ggf. ihre Arbeitgeber), die sich aus eigenem Antrieb frühzeitig um die Klärung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status bemühen und darüber hinaus schon mit der Aufnahme der Beschäftigung Eigenvorsorge betrieben haben, welche für den Fall, dass Versicherungspflicht festgestellt wird, gar nicht oder nur noch unter erheblichem Aufwand, etwa durch Kündigung des privaten Versicherungsvertrages) rückabzuwickeln ist (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rdnr. 38 m.w.N.). Die Privilegierung dieser Versicherten vermeidet damit eine grundsätzlich unerwünschte Doppelversicherung (Pietrek, a.a.O., Rn. 118). Die in dem gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vertretene Rechtsauffassung hätte jedoch zur Folge, dass dieses Privileg bereits dann nicht zum Tragen käme, wenn auch nur gegen eines der beiden im Gesetz genannten Risiken keine ausreichende Absicherung getroffen wurde (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).
134(4) Sind damit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV erfüllt, tritt die Versicherungspflicht mit der Bekanntgabe der Entscheidung ein. Soweit der Gesetzgeber in dieser Vorschrift an den Begriff der "Entscheidung" anknüpft, ist hiermit nur eine solche über die Feststellung der Versicherungspflicht gemeint. Die Bekanntgabe eines Bescheides, der lediglich das Vorliegen eines Elementes der Versicherungspflicht, namentlich einer Beschäftigung, regelt (wie hier der Bescheid vom 7.7.2008) reicht dagegen nicht (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 18.9.2013, L 9 KR 384/11, juris, Rdnr. 30; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.12.2013, L 11 R 2190/12, juris, Rdnr. 60; a.A. Bayerisches LSG, Urteil v. 28.5.2013, L 5 R 863/12, juris).
135Dieses Verständnis der Norm folgt aus der Rechtsprechung des BSG (Urteile v. 11.3.2009 und 4.6.2009, a.a.O.) wonach innerhalb eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV eine isolierte Feststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV nicht zulässig ist. Die Feststellung der Versicherungspflicht hat die Beklagte jedoch erst mit dem Bescheid vom 24.1.2011 getroffen. Mit dem - infolge der Aufhebung durch das SG ohnehin nicht mehr wirksamen - Bescheid der Beklagten vom 7.7.2008 hatte sie dagegen lediglich eine Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung getroffen. Dieser - eine unzulässige Elementenfeststellung beinhaltende - Bescheid kann für die Bestimmung des Zeitpunktes des Eintritts der Versicherungspflicht nach § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV nicht maßgeblich sein. Allein der Arbeitnehmer hat es nämlich in der Hand, durch seine Zustimmung den Eintritt der Versicherungspflicht hinauszuschieben. Entscheidet er sich hierfür, gibt es keinen sachlich gerechtfertigten Grund, trotz fehlender subjektiver und objektiver Schutzbedürftigkeit die Versicherungspflicht bereits zu einem Zeitpunkt eintreten zu lassen, zu dem über die Versicherungspflicht noch gar nicht entschieden worden ist (so auch LSG, Baden-Württemberg, Urteil v. 17.12.2013, L 11 R 2190/12, juris, Rdnr. 60; a.A. Bayerisches LSG, Urteil v. 28.5.2013, L 5 R 863/12, juris).
136bb) Hinsichtlich des Eintritts der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Auch in diesem Zweig der Sozialversicherung ist die Versicherungspflicht erst mit der Bekanntgabe des Bescheides vom 24.1.2011 eingetreten. Dieses folgt aus dem Wortlaut des § 7a Abs. 6 SGB IV, der insoweit keine - der Leistung nach dem Recht der Arbeitsförderung entsprechende - anderweitige Absicherung fordert. Zu einer einschränkenden Auslegung dieser Vorschrift sieht sich der Senat nicht veranlasst (a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 18.9.2013, L 9 KR 384/11, juris, Rn. 47 f.). Soweit der Gesetzgeber im Rahmen seines ihm zustehenden weitreichenden legislativen Gestaltungsermessens eine anderweitige Absicherung für durch Arbeitslosigkeit bedingte Wechselfälle des Lebens für entbehrlich erachtet, hat der Senat diese gesetzgeberische Erwägung zu respektieren. Dass diese gesetzgeberische Wertungsentscheidung offenkundig fehlsam ist, vermag der Senat nicht zu erkennen. Im Gegenteil dürfte es eher praktischen Bedürfnissen entsprechen, Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung möglichst gleichzeitig entstehen zu lassen, schon um einen allzu großen Meldeaufwand zu vermeiden.
137Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Da es sich vorliegend nicht um ein in den Anwendungsbereich des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG fallendes Verfahren handelt, hat der Senat zugleich festgestellt, dass Gerichtskosten in beiden Verfahren nicht anfallen.
138Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
(1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen.
(2) Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen.
(3) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Zeitrahmen, bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage, festzulegen, in dem auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann. Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt und die Arbeitsleistung im Zeitrahmen nach Satz 1 zu erfolgen hat.
(4) Zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist die maßgebende regelmäßige Arbeitszeit im Sinne von § 4 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (Referenzzeitraum). Hat das Arbeitsverhältnis bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit keine drei Monate bestanden, ist der Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs die durchschnittliche Arbeitszeit dieses kürzeren Zeitraums zugrunde zu legen. Zeiten von Kurzarbeit, unverschuldeter Arbeitsversäumnis, Arbeitsausfällen und Urlaub im Referenzzeitraum bleiben außer Betracht. Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall finden Anwendung.
(5) Für die Berechnung der Entgeltzahlung an Feiertagen nach § 2 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes gilt Absatz 4 entsprechend.
(6) Durch Tarifvertrag kann von Absatz 1 und von der Vorankündigungsfrist nach Absatz 3 Satz 2 auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und die Vorankündigungsfrist vorsieht. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Arbeit auf Abruf vereinbaren.
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. - 4. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird für das Klageverfahren auf 8.943,73 EUR und das Berufungsverfahren auf 1.273,86 EUR festgesetzt.
1
Tatbestand:
2Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens, ob die von dem Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Busfahrer zuletzt noch Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung begründet.
3Bei der Klägerin handelt es sich um ein 1953 gegründetes Reisebusunternehmen im Familienbesitz mit angegliedertem Reisebüro. Schwerpunkt des Unternehmens ist der Ausflugs- und Reiseverkehr. Es werden allerdings auch Linien- und Schulverkehre bedient.
4Der am 00.00.1954 geborene Beigeladene zu 1) wurde am 30.6.2007 nach dem Überschreiten der besonderen Altersgrenze seines Dienstgrades als Stabsfeldwebel a.D. in den Ruhestand versetzt und erhält seitdem Versorgungsbezüge nach dem Soldatenversorgungsgesetz. Bereits während seiner Dienstzeit bei der Bundeswehr übte er eine Nebentätigkeit bei der Klägerin - damals unstreitig im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung - aus. Zudem meldete er am 2.4.2004 zum 1.1.2004 ein Gewerbe (Verkauf von Getränken und Speisen im Bus) an, welches er am 24.5.2007 zum 1.7.2007 im Rahmen einer Tätigkeitserweiterung auf die Tätigkeiten "Vermietung seiner eigenen Arbeitskraft im Bereich Reise- und Transportverkehr mit dem Verkauf von Getränken und Speisen im Bus" ummeldete. Er nahm im Mai 2007 an einem Existenzgründerseminar teil, führt eine Betriebsnummer sowie eine Umsatzsteueridentifikationsnummer und ist bei der zuständigen Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen seit Juli 2007 als Unternehmer versichert. Er wirbt für sein Gewerbe im Wege einer dafür erstellten Werbebroschüre und stellt darin seine Dienste als Reiseleiter sowie für Fahrzeugüberführungen aller Art und Chauffeurdienste zur Verfügung. Er nutzt entsprechende Visitenkarten und Briefbögen.
5Schriftliche Vereinbarungen wurden zwischen den Beteiligten nicht getroffen. Der Beigeladene zu 1) stellte für das Jahr 2007 der Klägerin monatlich seine Leistungen wie folgt in Rechnung. Der Stundenlohn betrug jeweils 15,00 Euro.
6Rechn.-Nr. - Auftraggeber - Fahrzeit - Summe inkl. MWSt.
7001/07 Ke - Kl. -./. - 3.700,84 002/07 Ke - Kl. -./. - 4.309,35 004/07 Ke - Kl. - 33,71 Std - 601,82 005/07 Ke - Kl. - 15,58 Std. - 278,10 001/08 Ke - Kl. - 37,71 Std - 673,12 002/08 Ke - Kl. - 23,54 Std. - 420,19 Insg. = Summe inkl. MWSt. = 9.983,42 Euro
8Im Jahr 2008 fuhr er für die Klägerin im folgenden Umfang:
9Rech.nr - Auftraggeber - Fahrzeit insg. in RE - Summe inkl. MWSt.
10003/08 Ke - Kl. - 22,08 Std - 394,13 006/08 Ke - Kl. - 56,05 - 1.000,49 008/08 Ke - Kl. - 32,84 Std. - 586,19 010/08 Ke - Kl. - 42,29 Std. - 754,88 008/09 Ke - Kl. - 87,27 - 1.557,77 009/09 Ke - Kl. - 36,25 - 647,06 010/09 Ke - Kl. - 60,89 - 1.127,05 011/09 Ke - Kl. 40,13 - 716,32 012/09 Ke - Kl. 1,67 - 29,81 013/09 Ke - Kl. 24 - 428,40 Insg. = Summe inkl. MWSt. = 7.242,10 Euro
11Im Jahr 2009 beliefen sich die Rechnungen an die Klägerin auf folgenden Umfang:
12Rech.nr - Auftraggeber - Fahrzeit Insg. in RE - Summe inkl. MWSt.
13014/09 Ke - Kl. - 24,95 - 445,54 022/09 Ke - Kl. - 106,63 - 1.903,35 024/09 Ke - Kl. - 122,65 - 2.189,30 026/09 Ke - Kl. - 113,77 - 2.030,79 029/09 Ke - Kl. - 81,74 - 1.459,06 031/09 Ke - Kl. - 93,92 - 1.676,47 034/09 Ke - Kl. - 19,71 - 351,82 002/10 Ke - Kl. - 108,10 - 1.929,59 Insg. = Summe inkl. MWSt. = 11.985,92 Euro
14Im Jahr 2010 berechnete der Beigeladenen zu 1) der Klägerin:
15Rech.nr - Auftraggeber - Fahrzeit Insg. in RE - Summe inkl. MWSt.
16007/10 Ke - Kl. - 30,73 - 548,53 010/10 Ke - Kl. - 32,5 - 580,13 013/10 Ke - Kl. - 129,42 - 2.310,15 016/10 Ke - Kl. - 120,56 - 2.152,00 019/10 Ke - Kl. - 17,75 - 316,84 021/10 Ke - Kl. - 29,83 - 532,47 024/10 Ke - Kl. - 41,17 - 734,88 003/11 Ke - Kl. - 8,49 - 151,55 Insg. = Summe inkl. MWSt. = 7.326,55 Euro
17Im Jahr 2011 beliefen sich die Rechnungen des Beigeladenen zu 1) an die Klägerin auf folgenden Umfang:
18Rech.nr - Auftraggeber - Fahrzeit Insg. in RE - Summe inkl. MWSt.
19009/11 Ke - Kl. - 31,58 - 563,70 013/11 Ke - Kl. 9,57 - 170,82 018/11 Ke - Kl. - 18,19 - 324,69 021/11 Ke - Kl. - 31,42 - 560,85 024/11 Ke - Kl. - 30,57 - 545,85 027/11 Ke - Kl. - 31,36 - 559,78 030/11 Ke - Kl. - 1,83 - 32,67 001/12 Ke - Kl. - 33,92 - 618,86 Insg. = Summe inkl. MWSt. = 3.377,22 Euro
20Er stellte bis einschließlich April 2012 folgende weitere Rechnungen an die Klägerin:
21Rech.nr - Auftraggeber - Fahrzeit Insg. in RE - Summe inkl. MWSt.
22010/12 Ke - Kl. - 36,21 - 646,35 015/12 Ke - Kl. - 65,33 - 1.198,81 Insg. = Summe inkl. MWSt. = 1.845,16 Euro
23Im Übrigen wird auf die den Rechnungen jeweils anliegenden Leistungsbeschreibungen des Beigeladenen zu 1) sowie auf die weiteren Rechnungen an seine weiteren Auftraggeber Bezug genommen.
24Am 21.1.2008 stellte der Beigeladene zu 1) einen Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Er beschäftige keine Arbeitnehmer und arbeite nicht am Betriebssitz des Auftraggebers. Er habe keine regelmäßigen Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einzuhalten. Im Hinblick auf den Fahrauftrag erhalte er jedoch Weisungen hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit. Sein Auftraggeber könne sein Einsatzgebiet nicht ohne seine Zustimmung verändern. Er verfüge allerdings nicht über ein eigenes Fahrzeug. Am 25.3.2008 trat die Klägerin dem Antrag des Beigeladenen zu 1) bei.
25Die Beklagte hörte die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) daraufhin mit Schreiben vom 28.4.2008 zu ihrer beabsichtigten Entscheidung an: Der Beigeladene zu 1) übe die Tätigkeit als Kraftfahrer bei der Klägerin ab dem 1.7.2007 im Rahmen einer abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung aus. Schriftliche Vereinbarungen gebe es nicht. Er sei bei den von ihm angenommenen Aufträgen durch terminliche und örtliche Vorgaben der Klägerin gebunden. Ihm bleibe daher kein Gestaltungsspielraum hinsichtlich einer freien Wahl des Arbeitsortes sowie der Arbeitszeit. Die für die Erfüllung des Auftrages benötigten Arbeitsmittel würden ihm zur Verfügung gestellt. Als Vergütung werde eine erfolgsunabhängige pauschale Vergütung gezahlt, die kein Gewinn- oder Verlustrisiko erkennen lasse. Ein höherer Gewinn könne nur durch Mehrarbeit verwirklicht werden. Von dem Auftraggeber werde zur Ausübung der Tätigkeit kein eigenes Kapital eingesetzt.
26Daraufhin teilte die Klägerin Folgendes mit: Als Omnibusunternehmen beschäftige sie Berufskraftfahrer, die entsprechend der gesetzlichen Vorgaben disponiert würden. Durch die neue 6-Tage-Regelung ergäben sich gelegentlich kurzfristig Fahrerengpässe, die nicht durch eigenes Personal abgedeckt werden könnten. In diesen Fällen würden Fahrdienstleistungen eingekauft oder Touren komplett an andere Unternehmen vergeben. Sie habe über die Arbeitszeit des Beigeladenen zu 1) nicht verfügen können. Er habe gelegentlich auch Aufträge abgesagt.
27Der Beigeladene zu 1) erklärte daraufhin, dass er neben den Fahrten für die Klägerin auch Kurier- und Überführungsfahrten durchführe und Privatpersonen als Chauffeur zur Verfügung stehe. Für die Kurierfahrten nutze er sein eigenes Fahrzeug. Bei diesen Fahrten entscheide er selbständig, wann er diese vornehme und welche Strecken er dabei abfahre. Überführungsfahrten würden systembedingt mit Fahrzeugen der Auftraggeber ausgeführt. So verhalte es sich auch bei Fahrten für Reisebusunternehmen. Diese seien mit Werbung versehen, um u.a. auch den Fahrgästen ein einheitliches Bild zu vermitteln. Termine für Fahrten, die von Kunden des Reiseunternehmens gebucht würden, seien nicht beliebig veränderbar.
28Die Beklagte erließ daraufhin den Bescheid vom 20.6.2008, in dem sie u.a. wörtlich feststellt:
29"[ ...], dass die Tätigkeit von Herrn I D als Kraftfahrer bei L Reisen seit dem 1.7.2007 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird. Die Versicherungspflicht dem Grunde nach beginnt mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung."
30Zur Begründung wiederholte und vertiefte sie ihre Ausführungen aus dem Anhörungsverfahren.
31Der Beigeladene zu 1) legte dagegen am 30.6.2008 und die Klägerin am 4.7.2008 Widerspruch ein. Die Klägerin erklärte, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit dem Beigeladenen zu 1) nicht bestehe. Der Beigeladene zu 1) sei nur dann beauftragt worden, wenn plötzlicher Bedarf aufgetreten sei, der mit festangestellten Beschäftigten nicht mehr gedeckt habe werden können. Er habe öfters Aufträge abgelehnt. Er sei nur im geringen zeitlichen Umfang pro Monat und zu ganz unterschiedlichen Zeiten beauftragt worden. Er sei nicht in die Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Nach Mai 2012 habe eine Zusammenarbeit nicht mehr stattgefunden.
32Der Beigeladene zu 1) trug diesbezüglich Folgendes vor: Er sei nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen. Er sei in der Einteilung seiner Arbeitszeit völlig frei und entscheide selbständig, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten er arbeiten wolle. Diese Gestaltungsmöglichkeit lasse es ferner zu, dass er bei verschiedenen Auftraggebern seine Dienstleistungen anbieten könne. Dass er im Rahmen der übernommenen Aufträge diese zu erfüllen habe, schade nicht. Denn ein selbständiger Fahrer sei im Vergleich zu anderen Unternehmern bereits aufgrund seines Berufsbildes in hohem Maße weisungsabhängig.
33Die Beklagte wies den Widerspruch jeweils mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2008 als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte und vertiefte sie ihre Argumentation aus dem Ausgangsbescheid. Ein Zugang des am 18.12.2008 an die Klägerin abgesandten Widerspruchsbescheides ist nicht festzustellen. Die Klägerin teilte im Rahmen eines Telefonates am 6.6.2012 der Beklagten mit, dass sie keinen Widerspruchsbescheid erhalten habe. Im Rahmen einer Betriebsprüfung sei die Frage nunmehr aufgekommen. Die Beklagte versandte daraufhin am 6.6.2012 den Widerspruchsbescheid (per Telefax) erneut an die Klägerin.
34Mit der am 5.7.2012 erhobenen Klage vor dem Sozialgericht (SG) Detmold hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Der Beigeladene zu 1) habe seine Tätigkeit nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Zwar seien Betriebsmittel von ihr gestellt worden. Jedoch lasse die Beklagte zu Unrecht unberücksichtigt, dass der Beigeladene zu 1) aufgrund des Bezuges von Altersversorgungsleistungen wirtschaftlich unabhängig sei.
35Die Klägerin hat beantragt,
36den Bescheid der Beklagten vom 20.6.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 20.12.2012 und 6.2.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Kraftfahrer bei der Klägerin seit dem 1.7.2007 im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt wurde und keine Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
37Die Beklagte hat beantragt,
38die Klage abzuweisen.
39Sie hat sich zur Begründung auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.
40Die Beigeladenen zu 1) bis 4), die mit Beschlüssen vom 30.8.2012 und 4.1.2013 zum Verfahren beigeladen worden sind, haben keinen Antrag gestellt.
41Der Beigeladene zu 1) hat erklärt, dass er einen Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status gestellt habe. Dieser sei allerdings nicht auf das konkrete Auftragsverhältnis zur Klägerin bezogen gewesen.
42Die Beigeladene zu 2) hat erklärt, dass sie am 24.5.2012 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV für den Prüfzeitraum vom 1.8.2007 bis zum 30.4.2012 durchgeführt habe. Aufgrund der Versicherungsfreiheit der Beschäftigung ab dem 1.7.2007 in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 5 Abs. 4 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) seien im Rahmen des Betriebsprüfungsbescheids vom 22.6.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.1.2013 nur die jeweiligen Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, nämlich Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 6.637,83 Euro inkl. Säumniszuschläge in Höhe von 1.695,50 Euro, nachberechnet worden. Die Klägerin habe dagegen am 13.2.2013 Klage vor dem SG Detmold erhoben, die unter dem Az. S 17 R 108/13 geführt werde. Das Verfahren ruhe derzeit.
43Mit Bescheid vom 20.12.2012 hat die Beklagte den Bescheid vom 20.6.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2008 dahingehend abgeändert, dass der Beigeladene zu 1) in der seit dem 1.7.2007 ausgeübten Beschäftigung als Kraftfahrer bei der Klägerin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Versicherungspflicht bestehe dagegen nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung.
44Der Beigeladene zu 1) verwies gegenüber der Beklagten darauf, dass er auch diesen Bescheid für rechtswidrig halte. Er sei aufgrund des Erreichens der besonderen Altersgrenze nach § 44 Abs. 2 Soldatengesetz (SG) i.V.m. § 45 Abs. 2 SG in den Ruhestand versetzt worden. Ehemalige Berufssoldaten, die nach Erreichen der besonderen Altersgrenze nach den Soldatengesetz in den Ruhestand versetzt worden seien und über die übliche Altersversorgung für ehemalige Bundeswehrsoldaten verfügten, seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in einer Beschäftigung als Angestellter gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI versicherungsfrei (BSG, Urteil v. 22.2.1996, 12 RK 3/95, SozR 3-2600 § 5 Nr. 5).
45Daraufhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 6.2.2013 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) den Bescheid vom 20.12.2012 hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung zurückgenommen.
46Das SG hat am 20.12.2013 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten durchgeführt und die Geschäftsführerin der Klägerin sowie den Beigeladenen zu 1) angehört. Die Beteiligten haben sich im Termin mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
47Das SG hat der Klage mit Urteil vom 20.5.2014 stattgegeben. Die Klage sei zulässig, insbesondere fristgerecht, und begründet. Der Beigeladene zu 1) übe seine Tätigkeit als Kraftfahrer bei der Klägerin nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
48Gegen das ihr am 28.5.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23.6.2014 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihren bisherigen Vortrag. Ergänzend verweist sie darauf, dass das BSG in seinen jüngeren Entscheidungen verstärkt auf die Frage der rechtlichen Zulässigkeit vertraglicher Gestaltungen abstelle (Urteile v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R und B 12 R 14/10 R). Insoweit dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beigeladene zu 1) keine Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz habe. Zudem könne der Tätigkeit für verschiedene Auftraggeber keine indizielle Wirkung zukommen, da Maßstab der Prüfung der jeweilige einzelne Auftrag sei. Die Bindung an feste Fahrzeiten könne sich aus den Wünschen der Kunden ergeben, was allerdings nicht gegen eine abhängige Beschäftigung spreche (BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R).
49Die Beklagte beantragt,
50das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 20.05.2014 zu ändern und die Klage abzuweisen.
51Die Klägerin und der Beigeladene zu 1) beantragen,
52die Berufung zurückzuweisen.
53Sie halten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und wiederholen ihren erstinstanzlichen Vortrag.
54Der Beigeladene zu 1) trägt ergänzend vor, dass er für die Klägerin Aufträge in der Zeit ab Beginn seiner Selbständigkeit bis zum 9.5.2012 durchgeführt habe. Aufgrund des vorliegenden Verfahrens habe die Klägerin ihn nicht mehr beauftragt. Im Zeitraum vom 1.7.2007 bis zum 9.5.2012 sei er zudem noch für folgende weitere Auftraggeber tätig gewesen, nämlich die Firma X in N und die Firma L in C sowie einmalig für die Firma I in N.
55Der Beigeladene zu 1) hat auf Aufforderung des Senats die im streitigen Zeitraum gestellten Rechnungen, Werbematerialien, Einkommensteuerbescheide, den Anstellungsvertrag seiner Ehefrau und die Gewerbean- und -ummeldungen vorgelegt. Zudem wurden ein Handelsregisterauszug der Klägerin angefordert und die Akte des SG Detmold im Verfahren S 17 R 108/13 beigezogen.
56Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren vor dem SG Detmold mit dem Az. S 17 R 108/13 und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
57Entscheidungsgründe:
58Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 4) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
59Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Detmold vom 20.5.2014 ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden, §§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2, 3 SGG. Die vollständige Entscheidung ist der Beklagten am 28.5.2014 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist bei dem erkennenden Gericht am 23.6.2014 eingegangen.
60Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet. Dabei hat das SG die Klage zu Recht zunächst als zulässig erachtet. Die Klägerin hat insbesondere die Klagefrist gewahrt.
61Nach § 87 Abs. 1, 2 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids zu erheben. Dabei erfolgt die Bekanntgabe nach § 85 Abs. 3 SGG i.V.m. § 37 SGB X. Ein Widerspruchsbescheid, der durch die Post versandt wird, gilt danach am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Dies gilt nicht, wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang und den Zeitpunkt des Zuganges nachzuweisen (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X).
62Vorliegend ist der Widerspruchsbescheid zwar am 18.12.2008 per Einschreiben an die Klägerin versandt worden. Nach der Zugangsfiktion würde der Widerspruchsbescheid damit am 21.12.2008 als zugegangen gelten, womit die Klagefrist am 21.1.2009 (Mittwoch) geendet hätte (zur Anwendbarkeit: Mutschler in: Kasseler Kommentar, SGB X, Stand 12/2014, § 37 Rdnr. 15f.). Die Beklagte kann jedoch den Zugang, den die Klägerin bestreitet, nicht nachweisen. Bezüglich des Nichtzugangs reicht insofern einfaches Bestreiten aus, da es in diesem Fall dem potentiellen Empfänger nicht möglich ist, näher darzulegen, dass ein übersandtes Schreiben ihm nicht zugegangen ist (BSG, Urteil v. 26.7.2007, B 13 R 4/06 R, SozR 4-2600 § 115 Nr. 2; Engelmann in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, § 37 Rdnr. 13a).
63Der daraufhin erneut übersandte Widerspruchsbescheid ist bei der Klägerin am 6.6.2012 per Telefax eingegangen. Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht, nämlich am 5.7.2012, Klage erhoben.
64Die Klage ist auch begründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 20.6.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 20.12.2012 und 6.2.2013, die jeweils nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahren geworden sind, sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin im Zeitraum vom 1.7.2007 bis zum 9.5.2012 (Ende der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin) in ihren Rechten, § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Nach Beendigung der Tätigkeit haben sich die streitgegenständlichen Bescheide nach § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise erledigt.
65Gegenstand der auf § 7a Abs. 1 SGB IV gestützten Feststellungen der Beklagten ist zuletzt nur noch die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen (Bescheide v. 20.12.2012 und 6.2.2013). Dies hat der Vertreter der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals ausdrücklich bestätigt, indem er klargestellt hat, dass die Beklagte von einer Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) in der sozialen Pflegeversicherung ausgehe.
66Mit diesem Regelungsgehalt sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig. Der Beigeladene zu 1) hat in seiner Tätigkeit für die Klägerin nicht der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob er auf der Grundlage eines grundsätzlich nach § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zur Versicherungspflicht führenden abhängigen Beschäftigungsverhältnisses gearbeitet hat. Denn jedenfalls war er in einer solchen Beschäftigung nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III versicherungsfrei.
67Nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III sind versicherungsfrei Personen in einer unständigen Beschäftigung, die sie berufsmäßig ausüben. Unständig ist eine Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im Voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist (§ 27 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 SGB III). Diese Voraussetzungen haben bei dem Beigeladenen zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum vorgelegen.
68Dem steht zunächst nicht entgegen, dass der Beigeladene zu 1) wiederholt für die Klägerin tätig geworden ist. Zwar werden unständige Beschäftigungen typischerweise bei ständig wechselnden Arbeitgebern ausgeübt (BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 22.10.2014, L 2 R 5/14, juris). Aber auch wiederholte kurzfristige Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber können unständig sein, wenn sie von vornherein auf weniger als eine Woche begrenzt sind (BSG, Urteil v. 22.11.1973, 12/3 RK 84/71, SozR Nr. 7 zu § 441 RVO; BSG, Urteil v. 16.2.1983, a.a.O.; BSG, Urteil v. 20.3.2013, B 12 R 13/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 19).
69Die Beklagte kann dem nicht entgegenhalten, dass zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) ein Dauerrechtsverhältnis bestanden hat, welches von vorneherein die Annahme einer unständigen Beschäftigung ausschließen würde (vgl. dazu BSG, Urteil v. 3.12.1998, B 7 AL 108/97 R, SozR 3-4100 § 104 Nr. 16). Zwar ist dann keine unständige Beschäftigung anzunehmen, wenn z.B. die einzelnen Beschäftigungen sich vereinbarungsgemäß in regelmäßigen zeitlichen Abständen wiederholen (z.B. die Arbeitseinsätze von sog. Ultimo-Kräften der Sparkasse, BSG, Urteil v. 28.4.1982, 12 RK 1/80, SozR 2200 § 168 RVO Nr. 6) oder wenn sog. Kettenverträge zur Umgehung einer ständigen Beschäftigung geschlossen werden (BSG, Urteil v. 16.2.1983, a.a.O.). Davon wiederum zu unterscheiden sind jedoch solche Beschäftigungen, die sich nicht aufgrund einer schon vorher getroffenen Abrede wiederholen und dann Ausfluss eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses sind, sondern die sich lediglich tatsächlich - entsprechend einem nicht vorhersehbaren Arbeitsbedarf - mehr oder weniger lückenlos aneinanderreihen (BSG, Urteil v. 31.1.1973, 12/3 RK 16/70, juris; BSG, Urteil v. 16.2.1983, a.a.O.; BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13).
70Ausgehend von den - in Ermangelung einer schriftlichen Vereinbarung - getroffenen mündlichen Abreden, die die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend, widerspruchsfrei und nachvollziehbar geschildert haben, haben die Klägerin und der Beigeladene zu 1) kurzfristig einzelne Verträge über die Durchführung von Fahrten durch den Beigeladenen zu 1) für jeweils wenige Tage geschlossen. Die Geschäftsführerin der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 1.4.2015 überzeugend erläutert, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum die Dienste des Beigeladenen zu 1) benötigte, um in Saisonzeiten Auftragsspitzen abzufangen. Bereits im normalen Geschäftsverlauf war bei der Klägerin eine kurzfristige Disposition der Fahraufträge mit einem Vorlauf von lediglich einer Woche üblich. Die Geschäftsführerin der Klägerin hat dies für den Senat plausibel damit begründet, dass auch ihr gegenüber die Auftragsvergabe in der Regel kurzfristig erfolgte. Da sie u.a. bei dem maßgeblich beschäftigten festangestellten Fahrpersonal die Tage- und Wochenruhezeiten mit einzukalkulieren hatte, konnte es mitunter zu Umdisponierungen von einem Tag auf den anderen kommen. Vor diesem Hintergrund bestand bei der Klägerin der Bedarf an kurzfristig einsetzbaren Fahrern, zu denen der Beigeladene zu 1) gehörte. Dieser wurde grundsätzlich - wenn auch nicht ausschließlich - im sog. Gelegenheitsverkehr eingesetzt, da dort keine spezielle Einweisung in die zu fahrenden Touren und Routen erforderlich wurde.
71Der Beigeladene zu 1) hat die Erläuterungen der Geschäftsführerin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt und ergänzend ausgeführt, dass er in aller Regel sehr kurzfristig durch die Klägerin angefragt worden ist. Nur in Ausnahmefällen hat es einen Vorlauf von wenigen Tagen gegeben. Er hat der Klägerin zudem nicht im Voraus seine Verfügbarkeit mitgeteilt. Dies war ihm bereits deshalb nicht möglich, da er ähnlich kurzfristig von weiteren Unternehmen angefragt wurde.
72Die Erläuterungen im Termin finden auch ihre Bestätigung in den vorgelegten Rechnungen des Beigeladenen zu 1) und den dort beiliegenden Leistungsbeschreibungen. Diesen ist zunächst zu entnehmen, dass der Beigeladene zu 1) maßgeblich in den für die Klägerin umsatzstarken Sommermonaten und weniger im Frühjahr und Herbst bzw. Winter tätig gewesen ist. Vereinzelte Fahrten in den Monaten Januar und Februar finden sich nur einmal im Februar 2008. Auch in den Monaten März und April fanden durchgängig nur wenige Aktivitäten für die Klägerin statt. Die den Leistungsbeschreibungen zu entnehmenden Fahrten weisen aus Sicht des Senats keine Regelmäßigkeiten im Sinne regelmäßig für die Klägerin übernommener Routen des Beigeladenen zu 1) auf. Es handelt sich vielmehr maßgeblich um am selben Tag abgeschlossene Touren, die sich häufig auf das regionale Umfeld beschränkten, teilweise allerdings auch deutschlandweite Ziele ansteuerten. Nur vereinzelt finden sich Mehrtagestouren innerhalb von Deutschland bzw. ins angrenzende Ausland.
73Anhaltspunkte dafür, dass statt über einzelne Touren - etwa monatsweise - Absprachen über ein "Bündel" mehrerer Fahrten getroffen worden wäre, bestehen nicht. Die Geschäftsführerin der Klägerin und der Beigeladene zu 1) haben dahingehende Fragen des Senats ausdrücklich verneint. Dies steht im Einklang mit den vorliegenden Leistungsbeschreibungen.
74Diese jeweils im Vorfeld eines Projektes getroffenen Absprachen lassen zur Überzeugung des Senats nicht die Annahme zu, dass die Klägerin und der Beigeladene zu 1) eine zugunsten eines Dauerschuldverhältnisses zu würdigende Vertragsbeziehung begründet haben oder begründen wollten. Ebenso wenig lässt sich ein solches aus der tatsächlich gelebten Beziehung herleiten. In diesem Rahmen bedarf es auch keiner abschließenden Festlegung durch den Senat, ob durch die konkret praktizierte Form der Zusammenarbeit der Klägerin mit dem Beigeladenen zu 1) konkludent eine rahmenvertragliche Vereinbarung hinsichtlich einzelner Modalitäten der Auftragsabwicklung zustande gekommen ist. Diese Frage kann offen bleiben, weil weder erkennbar ist noch von der Beklagten geltend gemacht wird, dass die Klägerin berechtigt sein sollte, den Beigeladenen zu 1) einseitig zur Erledigung von Aufträgen heranzuziehen.
75Aus den mündlichen Vereinbarungen und der tatsächlich geübten Praxis der Zusammenarbeit der an der maßgeblichen Rechtsbeziehung beteiligten Personen lässt sich auch nicht schließen, dass zwischen den konkreten Einsätzen des Beigeladenen zu 1) eine Verpflichtung zu einer Rufbereitschaft bestehen sollte, kraft derer der Kläger innerhalb einer vereinbarten Dienstzeit über die Erbringung von Arbeitsleistungen des Beigeladenen zu 1) nach konkretem Arbeitsanfall hätte bestimmen dürfen (hierzu BSG, Urteil v. 20.3.2013, B 12 R 13/10 R, juris, Rn. 26 [Bühnenkünstler]).
76Ebenso wenig hat die zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) praktizierte Rechtsbeziehung das charakteristische Gepräge eines Dauerschuldverhältnisses mit Arbeit auf Abruf aus unbezahlter Freizeit (§ 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz [TzBefG]) erfahren, da weder die Absprachen der Klägerin mit dem Beigeladenen zu 1) noch die gelebte Praxis ihrer Zusammenarbeit einen Rückschluss dahingehend zulassen, dass sich die Vertragsparteien auf eine bestimmte Tätigkeit und ein bestimmtes Arbeitsdeputat verständigt haben, welches von der Klägerin kraft eines etwaigen Direktionsrechts in einem bestimmten Bezugszeitraum abrufen können sollte (vgl. hierzu Laux, in: Laux/Schlachter, Teilzeit- und Befristungsgesetz, 2. Aufl. 2011, § 12 Rn. 32; allgemein zur Abgrenzung zwischen Bereitschaftsdienst mit Arbeitseinsätzen innerhalb einer vereinbarten Dienstzeit und Arbeit auf Abruf i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 1 TzBefG, der den Abruf aus unbezahlter Freizeit erfasst, auch Linck, in: Schaub, in: Arbeitsrechtshandbuch, 15. Aufl. 2013, § 43 Rn. 21a m.w.N.; Jacobs, in: Annuß/Thüsing, Kommentar zum Teilzeit- und Befristungsgesetz, 3. Aufl. 2012, § 12 Rn. 10 m.w.N., Arnold, in: Arnold/Gräfl, Teilzeit- und Befristungsgesetz, 3. Aufl. 2012, § 12 Rn. 26).
77Ein derartiges einseitiges Abrufrecht, welchem der Beigeladene zu 1) Folge zu leisten hatte, stand der Klägerin nicht zu. Stattdessen ist die Rechtsbeziehung der Beteiligten zur Überzeugung des Senats durch die sich fortgesetzt wiederholende Vereinbarung von Einzelaufträgen charakterisiert. Diese erfolgte zwischen den Vertragsparteien für jeden Fahrauftrag einzeln. Entsprechend hat die Geschäftsführerin der Klägerin bereits vor dem SG im Rahmen des dort durchgeführten Termins zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten am 20.12.2013 erklärt, dass sie mit einzelnen Aufträgen an den Beigeladenen zu 1) herangetreten sei, der dann jeweils habe entscheiden könne, ob er diesen Auftrag übernehme.
78Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Klägerin das von ihr verfolgte Ziel - den Abbau von Belastungsspitzen - auch im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses mit dem Beigeladenen zu 1) hätte erreichen können, so wie sie es im Rahmen der bestehenden geringfügigen Beschäftigungen praktiziert. Dies ist allerdings nicht ausschlaggebend, weil es auf die tatsächlich getroffenen Vereinbarungen und deren tatsächliche Umsetzung ankommt. Dabei kann offen bleiben, ob der nach § 12 Abs. 2 TzBfG zu gewährende viertägige Vorlauf vor einem Abruf durch den Arbeitgeber nach den hier geschilderten Abläufen durch die Klägerin im Rahmen dieser Beschäftigungsverhältnisse überhaupt gewährleistet werden kann. Denn jedenfalls bot nach den nachvollziehbaren Erläuterungen des Beigeladenen zu 1) eine solche Vertragsgestaltung ihm nicht die nötige Flexibilität, derer er bedurfte. Neben der Klägerin war er im streitigen Zeitraum maßgebend noch für zwei weitere Unternehmen als Fahrer tätig. Auch dort erfolgte die Disposition ähnlich kurzfristig wie bei der Klägerin. Dementsprechend war er darauf angewiesen, seine Tätigkeit für die Klägerin unter Berücksichtigung der bereits angenommenen Touren für weitere Unternehmen und neben der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten frei disponieren zu können.
79Nach allem steht fest, dass die übernommenen Fahraufträge des Beigeladenen zu 1) sich lediglich - entsprechend einem nicht vorhersehbaren Arbeitsbedarf - mehr oder weniger aneinanderreihten (vgl. hierzu Fallgestaltung BSG, Urteil v. 16.2.1983, a.a.O.).
80Die jeweils vereinbarten Touren sind auch als unständig anzusehen, da sie auf weniger als eine Woche im Voraus durch Vertrag beschränkt waren (BSG, Urteil v. 4.6.1998, a.a.O.). Die jeweilige vertragliche Verpflichtung des Beigeladenen zu 1) endete stets mit der Durchführung des übernommenen Fahrauftrags. Den vorliegenden Leistungsbeschreibungen lassen sich keine Fahraufträge entnehmen, die diese zeitliche Limitierung überschritten hätten.
81Der Beigeladene zu 1) übte die Tätigkeit zudem berufsmäßig aus. Berufsmäßigkeit liegt vor, wenn die Beschäftigungen zeitlich oder wirtschaftlich den Schwerpunkt der Erwerbstätigkeit bilden (BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 22.10.2014, a.a.O., juris; vgl. auch Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen, des VDR und der Bundesagentur für Arbeit vom 30./31.5.2000 zum Versicherung-, Beitrags- und Melderecht der unständig Beschäftigten, Die Beiträge 2000, 502). So liegt es hier. Die Beschäftigung als Fahrer stellte in zeitlicher aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht den Schwerpunkt der Erwerbstätigkeit des Beigeladenen zu 1) dar. Allein für die Klägerin hat der Beigeladene zu 1) Fahrtätigkeiten erbracht, für die im Jahr Arbeitsstunden zwischen 203,08 Stunden bis 700,34 Stunden (ohne 2007 und 2012) anfielen. In wirtschaftlicher Hinsicht betrugen die Umsätze des Beigeladenen zu 1) mit der Klägerin durchschnittlich 6.960,06 Euro. Hinzu kamen noch die Umsätze aus den weiteren Fahrtätigkeiten für andere Unternehmer.
82Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
83Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des BSG.
84Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 52 Abs. 1, 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
(1) Die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter beginnt mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis.
(2) Die Mitgliedschaft unständig Beschäftigter (§ 179 Abs. 2) beginnt mit dem Tag der Aufnahme der unständigen Beschäftigung, für die die zuständige Krankenkasse erstmalig Versicherungspflicht festgestellt hat, wenn die Feststellung innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Beschäftigung erfolgt, andernfalls mit dem Tag der Feststellung. Die Mitgliedschaft besteht auch an den Tagen fort, an denen der unständig Beschäftigte vorübergehend, längstens für drei Wochen nicht beschäftigt wird.
(2a) Die Mitgliedschaft der Bezieher von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches und Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem Dritten Buch beginnt mit dem Tag, von dem an die Leistung bezogen wird.
(3) Die Mitgliedschaft der nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten beginnt mit dem Tage, an dem die Versicherungspflicht auf Grund der Feststellung der Künstlersozialkasse beginnt. Ist die Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz durch eine unständige Beschäftigung (§ 179 Abs. 2) unterbrochen worden, beginnt die Mitgliedschaft mit dem Tage nach dem Ende der unständigen Beschäftigung. Kann nach § 9 des Künstlersozialversicherungsgesetzes ein Versicherungsvertrag gekündigt werden, beginnt die Mitgliedschaft mit dem auf die Kündigung folgenden Monat, spätestens zwei Monate nach der Feststellung der Versicherungspflicht.
(4) Die Mitgliedschaft von Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden, beginnt mit dem Beginn der Maßnahme.
(5) Die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beginnt mit dem Beginn der Maßnahme.
(6) Die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger behinderter Menschen beginnt mit dem Beginn der Tätigkeit in den anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen.
(7) Die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Studenten beginnt mit dem Semester, frühestens mit dem Tag der Einschreibung oder der Rückmeldung an der Hochschule. Bei Hochschulen, in denen das Studienjahr in Trimester eingeteilt ist, tritt an die Stelle des Semesters das Trimester. Für Hochschulen, die keine Semestereinteilung haben, gelten als Semester im Sinne des Satzes 1 die Zeiten vom 1. April bis 30. September und vom 1. Oktober bis 31. März.
(8) Die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Praktikanten beginnt mit dem Tag der Aufnahme der berufspraktischen Tätigkeit. Die Mitgliedschaft von zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt Beschäftigten beginnt mit dem Tag des Eintritts in die Beschäftigung.
(9) Die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Rentner beginnt mit dem Tag der Stellung des Rentenantrags.
(10) Wird die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger zu einer Krankenkasse gekündigt (§ 175), beginnt die Mitgliedschaft bei der neugewählten Krankenkasse abweichend von den Absätzen 1 bis 9 mit dem Tag nach Eintritt der Rechtswirksamkeit der Kündigung.
(11) Die Mitgliedschaft der nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Versicherungspflichtigen beginnt mit dem ersten Tag ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall im Inland. Die Mitgliedschaft von Ausländern, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz sind, beginnt mit dem ersten Tag der Geltung der Niederlassungserlaubnis oder der Aufenthaltserlaubnis. Für Personen, die am 1. April 2007 keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben, beginnt die Mitgliedschaft an diesem Tag.
(1) Für unständig Beschäftigte ist als beitragspflichtige Einnahmen ohne Rücksicht auf die Beschäftigungsdauer das innerhalb eines Kalendermonats erzielte Arbeitsentgelt bis zur Höhe von einem Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 zugrunde zu legen. Die §§ 226 und 228 bis 231 dieses Buches sowie § 23a des Vierten Buches gelten.
(2) Bestanden innerhalb eines Kalendermonats mehrere unständige Beschäftigungen und übersteigt das Arbeitsentgelt insgesamt die genannte monatliche Bemessungsgrenze nach Absatz 1, sind bei der Berechnung der Beiträge die einzelnen Arbeitsentgelte anteilmäßig nur zu berücksichtigen, soweit der Gesamtbetrag die monatliche Bemessungsgrenze nicht übersteigt. Auf Antrag des Mitglieds oder eines Arbeitgebers verteilt die Krankenkasse die Beiträge nach den anrechenbaren Arbeitsentgelten.
(3) Unständig ist die Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche entweder nach der Natur der Sache befristet zu sein pflegt oder im Voraus durch den Arbeitsvertrag befristet ist.
(1) Mit der Klage kann begehrt werden
- 1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, - 2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist, - 3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist, - 4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.
(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn
- 1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und - 2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.
(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.
(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.
(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.
Tenor
-
Auf die Revision der Klägerin zu 1. werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 und der Bescheid vom 31. März 2011 aufgehoben, soweit beide die Klägerin zu 1. betreffen.
-
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 wird insoweit zurückgewiesen.
-
Die Beklagte hat der Klägerin zu 1. deren außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren und das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
-
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.
- 2
-
Die Klägerin zu 1. bot unter einer zentralen Telefonnummer Dienstleistungen in Form von telefonischen Kontakten zu für sie tätigen "telefonischen Gesprächspartnern/Gesprächspartnerinnen" an. Diese führten, wenn sie im Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. "aktiviert" waren, über dieses System gebührenpflichtige Telefonate mit anrufenden Kunden.
- 3
-
Die 1970 geborene Klägerin zu 2., die seinerzeit studierte, war in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 als "telefonische Gesprächspartnerin" für die Klägerin zu 1. tätig. Sie arbeitete in dieser Zeit als "telefonische Gesprächspartnerin" auch für die Unternehmen S. GmbH und G. GmbH. Zur Erreichung des Unternehmensziels schlossen die Klägerinnen als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" im November 2000 einen "Auftragsvertrag" ua mit folgendem Inhalt:
"§ 3
Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer erhält ihre Vergütung ausschließlich für die Zeiten, in denen sie/er gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufen über das System des Telekommunikationsservices geführt hat. Zeiten in dem die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer zwar im System des Telekommunikationsservices aktiviert war, allerdings keine gebührenpflichtigen Telefonate mit Anrufen über dieses System geführt hat, werden nicht vergütet.
…
Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass mit Abrechnung und Ausgleich sämtliche gegenseitigen Ansprüche in voller Höhe abgegolten sind.
§ 4
Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer ist/sind nicht verpflichtet, die Aufträge in Person auszuführen. Sie/er kann sich auch der Hilfe von Erfüllungsgehilfen bedienen.
Tritt die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer als Subunternehmer auf, ist dies der Auftraggeberin unverzüglich anzuzeigen.
In diesem Fall hat die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer die dort beschäftigten freien Mitarbeiter auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien aufzuklären und ihre/seine eigenen Mitarbeiter auf Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen mit der Auftraggeberin hinzuweisen.
…
§ 5
Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer hat das Recht, auch für dritte Arbeitgeber tätig zu sein.
Die Vertragsparteien sind sich bewusst, dass die in § 1 genannten Aufgaben der freien Mitarbeiterin bzw. des freien Mitarbeiters auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden könnten.
Von dieser Gestaltungsmöglichkeit haben sie aber bewusst keinen Gebrauch gemacht, sondern in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften die Form des freien-Mitarbeiter-Vertrages gewählt, um der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter die volle Entscheidungsfreiheit bei Verwertung ihrer/seiner Arbeitskraft zu belassen, soweit diese durch den vorstehenden Vertrag nicht belegt ist.
…
Vor Aufnahme der Tätigkeit verpflichtet sich die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer ein Gewerbe als Telekommunikationsagentur anzumelden, insbesondere bei dem für sie zuständigen Finanzamt zur Mehrwertsteuer zu optieren, wenn die Mehrwertsteuer ausgezahlt wird…
…
§ 8
…
Das gleichzeitige Schalten bei mehreren Firmen ist nicht gestattet, wenn einer der ersten beiden Plätze an die Auftragnehmerin bzw. den Auftragnehmer vergeben wurde. Es steht der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer frei, sich auf hintere Plätze schalten zu lassen, sofern dies mindestens 6 Wochen vorher schriftlich angezeigt wird und keine berechtigten In der Auftraggeberin dem entgegenstehen. Außerhalb der Routingzeit bleibt es der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer überlassen, sich bei anderen Firmen schalten zu lassen.
Für jeden Fall des Verstoßes gegen vorbezeichnete Vereinbarungen wird eine Vertragsstrafe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig…
…
Das Abwerben von Kunden auf andere gebührenpflichtige Nummern (gleichgültig ob die der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers bzw. die anderer Auftraggeber der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers) ist verboten. Für den Fall der Zuwiderhandlung ist gleichfalls eine Vertragsstrafe in Höhe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig.
§ 9
Den Vertragsschließenden ist bekannt, dass der Vertrag nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 09.06.1998 - Az: XI ZR 192/97) als sittenwidrig und damit nichtig gem. § 138 Abs. 1 BGB angesehen werden kann.
Die Parteien schließen diesen Vertrag in Kenntnis dieser Problematik ab und verzichten wechselseitig auf das Recht, sich gegenüber der anderen Vertragspartei auf die etwaige Sittenwidrigkeit zu berufen.
…"
- 4
-
Die Klägerin zu 2. übte ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" von zu Hause aus und über die eigene Telefonanlage aus, indem sie sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählte und sodann "aktiviert" war. Die Einrichtung der eigenen Telefonanlage wurde durch die Klägerin zu 1. nicht mitfinanziert. Die Klägerin zu 2. teilte der Klägerin zu 1. jeweils im Voraus mit, wann sie zur Entgegennahme von Anrufen bereit sei und wurde sodann nach ihren Vorgaben freigeschaltet; diese Bereitschaftszeiten bestimmte sie selbst und richtete sie an den Anforderungen ihres Studiums aus. Einen verbindlichen Terminplan über die Einsatzzeiten der Klägerin zu 2. gab es nicht; Mindestzeiten der Anwesenheit oder eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe verlangte die Klägerin zu 1. ebenfalls nicht. Meldete die Klägerin zu 2. weniger Zeit an oder konnte sie angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten, sprach die Klägerin zu 1. keine Sanktionen aus. Urlaub zeigte die Klägerin zu 2. der Klägerin zu 1. lediglich an. Ihre Vergütung errechnete sich aus dem ermittelten Zeiteinsatz der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufern über den Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. Auf der Grundlage dieser ihr im Folgemonat mitgeteilten Daten erstellte die Klägerin zu 2. ihre Rechnung. Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld erhielt die Klägerin zu 2. nicht. Um sich einen eigenen Kundenstamm aufzubauen, ließ sich die Klägerin zu 2. später im Einverständnis mit der Klägerin zu 1. eine zweite, ausschließlich für sie bestimmte Telefonnummer in deren Telekommunikationssystem einrichten, die sie in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Gesprächskunden konnten sie auf diese Weise, nachdem sie sie auf ihre Bereitschaftszeiten hingewiesen hatte, direkt anwählen und wurden bei Abwesenheit nicht an eine andere Gesprächspartnerin vermittelt.
- 5
-
Im Juni 2001 beantragte die Klägern zu 2. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; im Folgenden einheitlich: Beklagte) die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status" und stellte sich auf den Standpunkt, dass "ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs 1 SGB IV" nicht vorliege. Mit zwei Bescheiden vom 14.10.2002 stellte die Beklagte gegenüber den Klägerinnen fest, dass die Klägerin zu 2. ihre bei der Klägerin zu 1. ausgeübte Tätigkeit als Telefonistin seit Oktober 2000 (1.10.2000) im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Klägerin zu 2. selbstständig tätig sei; mit Widerspruchsbescheiden vom 24.9.2003 wies die Beklagte ihre Widersprüche zurück.
- 6
-
Auf die verbundenen Klagen der beiden Klägerinnen hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 17.9.2008).
- 7
-
Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. Nach Ermittlungen zur Höhe der von der Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum erhaltenen Vergütung, insbesondere einer Auswertung von der Klägerin zu 1. übersandter "Honorarrechnungen" der Klägerin zu 2. aus dem Jahr 2001 und beigezogener Einkommensteuerbescheide der Klägerin zu 2. aus den Jahren 2000 bis 2005 hat die Beklagte die ursprünglichen Bescheide mit an die Klägerinnen gerichteten Bescheiden vom 31.3.2011 geändert und festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der von ihr in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Beschäftigung als Telefonistin sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Tatbestände, die Versicherungsfreiheit begründeten oder Versicherungspflicht ausschlössen, lägen nicht vor. Die Entscheidung zur Versicherungspflicht sei auf der Grundlage allgemeiner Beweislastregeln zu treffen.
- 8
-
Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 25.8.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. wegen einer Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Die Klägerin zu 2. habe sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen müssen und sei erst damit als telefonische Gesprächspartnerin im Auftrag der Klägerin zu 1. "aktiviert" gewesen. Zwar habe die Klägerin zu 2. von der Klägerin zu 1. keine ins Einzelne gehenden Weisungen erhalten, ihre konkrete Aufgabenstellung habe sich indessen aus dem Vertrag ergeben. Auch sei die Leistungserbringung der Klägerin zu 2. über die Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten durch das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. kontrolliert worden. Im Hinblick auf die Notwendigkeit, das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem zu nutzen, reichten diese Umstände für die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit durch Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Gewerbes der Klägerin zu 1. aus. Die Klägerin zu 2. habe auch kein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie eigene Betriebsmittel nicht habe einsetzen müssen. Auch die Zuteilung einer zweiten Telefonnummer und die hierfür betriebene Eigenwerbung hätten keine Initiative in Richtung "unternehmerisches Risiko" dargestellt. Der Aufbau eines eigenen Kundenstammes habe nur im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1. stattgefunden. Die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung mit den Stammkunden nicht etwa selbst aushandeln können. Da im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen nicht erweislich sei, ob die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum geringfügig beschäftigt und deshalb versicherungsfrei gewesen sei, müsse nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast von Versicherungspflicht ausgegangen werden. Diese Beweislast treffe die Klägerinnen, weil sie im Statusfeststellungsverfahren beantragt hätten, dass die Klägerin zu 2. nicht als Beschäftigte sozialversicherungspflichtig sei. Das LSG hat die Revision im Tenor seines Urteils zugelassen, in den Entscheidungsgründen jedoch ausgeführt, dass die Revision nicht zuzulassen sei, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorlägen.
- 9
-
Mit ihrer Revision rügt (nur) die Klägerin zu 1. eine Verletzung von § 7 Abs 1 und § 7a SGB IV. Die Klägerin zu 2. habe bei ihr eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt. Die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Indizien überwögen bei Weitem. Die Klägerin zu 2. habe die im "Auftragsvertrag" beschriebene und tatsächlich auch so praktizierte Tätigkeit bei voller Entscheidungsfreiheit über die Verwertung ihrer Arbeitskraft in eigenen Räumlichkeiten ohne Kontrolle ausgeübt. Sie habe die Tätigkeit als telefonische Gesprächspartnerin nicht in Person ausführen müssen und für dritte Arbeitgeber tätig sein dürfen. Weder habe sie - die Klägerin zu 1. - bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit verlangt noch eine Mindestanzahl getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. habe auch ein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie mit ihrer Wohnung und Telefonanlage eigene Betriebsmittel eingesetzt habe und über die Anzahl der entgegengenommenen Anrufe und deren Länge den Umfang ihres persönlichen Einkommens bestimmt habe. Unternehmerische Verantwortung zeige sich auch darin, dass sie mittels einer zweiten, von ihr beworbenen Rufnummer eigene Kunden bedient habe. Die Klägerin zu 1. meint darüber hinaus, hinsichtlich der von ihm zu beantwortenden Fragen nach dem Bestehen von Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung/selbstständiger Tätigkeit habe das LSG Beweislosigkeit nicht annehmen dürfen. Die vorgelegten Unterlagen legten es zumindest nahe, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. durchschnittlich nur 270 Euro monatlich verdient habe und deshalb wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei gewesen sei.
- 10
-
Mit Beschluss vom 29.11.2011 hat das LSG die Entscheidungsgründe des angefochtenen Berufungsurteils dahin berichtigt, dass es heißen muss: "Die Revision wird gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen."
- 11
-
Die Klägerin zu 1. beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 zurückzuweisen.
- 12
-
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zu 1. zurückzuweisen.
- 13
-
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin zu 1. setze sich mit der Argumentation des LSG nicht hinreichend auseinander. Im Übrigen habe das LSG festgestellt, dass sie - die Beklagte - alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und die Beweislastregeln rechtsfehlerfrei angewandt habe. Die Berichtigung sei unwirksam, weil der Berichtigungsbeschluss vom 29.11.2011 nicht auf der Urschrift des Urteils und den Ausfertigungen vermerkt worden sei.
- 14
-
Auch die Beigeladene zu 3. hält das angefochtene Urteil für zutreffend; sie stellt jedoch keinen Antrag. Die Beigeladenen zu 1. und 2. äußern sich im Revisionsverfahren nicht.
- 15
-
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
- 16
-
Die zulässige Revision der Klägerin zu 1. ist begründet.
- 17
-
1. Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - statthaft, weil sie in der Entscheidung des LSG zugelassen worden ist (§ 160 Abs 1 SGG).
- 18
-
Zwar hat das LSG die Revision im Tenor des Berufungsurteils zugelassen, während in den Entscheidungsgründen - hiermit widersprechend - ausgeführt wird "Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorliegen." Bei Abweichungen zwischen Urteilstenor und Entscheidungsgründen erweist sich jedoch die Aussage im Urteilstenor als maßgebend; denn die Entscheidungsgründe dienen der Auslegung des Urteilstenors, nicht aber dessen Änderung (vgl BGH NJW 1997, 3447, 3448, mit Nachweisen aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur; auch BGH NJW 2003, 140, 141; ferner Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand der Einzelkommentierung März 2008, § 118 RdNr 4). Das muss jedenfalls dann gelten, wenn der Urteilstenor eindeutig ist und sich ein weiteres Indiz für die Absicht der Revisionszulassung - wie hier - aus der Rechtsmittelbelehrung als eines nach § 136 Abs 1 Nr 7 SGG notwendigen Bestandteils des Urteils ergibt(vgl - bei Divergenzfällen mit in sich widersprüchlichen Entscheidungsgründen und einer Teilübereinstimmung von Entscheidungsgründen mit der Urteilsformel - BGH NJW 1997, 3447, 3448, und BGH NJW 2003, 140, 141). Im Hinblick hierauf muss der Senat die von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht beantworten, ob das - von ihr angenommene - Fehlen eines Vermerks des Berichtigungsbeschlusses vom 29.11.2011 auf dem Urteil und den Ausführungen die Wirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses und damit des Eintritts der Berichtigung der Entscheidungsgründe hindert oder nicht (im letztgenannten Sinne jedenfalls BVerwG NJW 1975, 1795, 1796).
- 19
-
2. In der Sache hat das LSG das der Anfechtungsklage der Klägerin zu 1. stattgebende Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten hin zu Unrecht aufgehoben und - auf Klage - den während des Berufungsverfahrens an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheid der Beklagten vom 31.3.2011 bestätigt. Der die Klägerin zu 1. betreffende ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 14.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.9.2003 und ihres "abändernden" Bescheides vom 31.3.2011 sind rechtswidrig. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft entschieden, die Beklagte habe darin zutreffend festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" (Telefonistin) wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.
- 20
-
a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin zu 1. gerichtete Bescheid vom 31.3.2011. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 31.3.2011 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).
- 21
-
Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob für die Klägerin zu 2. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. nicht festzustellen ist, jedenfalls eine Versicherungspflicht als selbstständig Tätige in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 S 1 SGB VI in Betracht kommt. In dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV sollte (und darf) allein geklärt werden, ob die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war; eine Feststellung des (Nicht)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der (weiteren) Voraussetzungen der § 2 S 1, § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI erfordert, ist deshalb vom Streitgegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst(vgl schon BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 14).
- 22
-
b) Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt. Die Beklagte hat in ihren an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheiden in dem von der Klägerin zu 2. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32) rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offen lassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 möglicherweise auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen oder die Versicherungspflicht in einem Zweig der Sozialversicherung aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Nicht zu beantworten ist daher auch die im Revisionsverfahren zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Beklagte und das LSG hinsichtlich der Voraussetzungen der (Zeit- und/oder Entgelt)Geringfügigkeit Beweislosigkeit und in Anwendung des Grundsatzes objektiver Beweislast Versicherungspflicht der Klägerin zu 2. annehmen durften.
- 23
-
aa) In den Jahren 2000 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).
- 24
-
bb) Im vorliegenden Rechtstreit ist das Berufungsgericht aufgrund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung in revisionsrechtlich zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" bei dieser beschäftigt war. Das LSG hat zwar - ausgehend von (insoweit jedenfalls) zutreffenden allgemeinen rechtlichen Erwägungen - begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände überwiegen. Es hat sich vor allem darauf gestützt, dass die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. eingegliedert und weisungsunterworfen gewesen sei; ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Klägerin zu 2. hat es demgegenüber verneint. Diese Würdigung des Sachverhalts, insbesondere die Zuordnung der Tätigkeit nach ihrem Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung durch das Berufungsgericht, ist aber zu beanstanden. Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG zum Inhalt des (schriftlichen) "Auftragsvertrags" und die - hiermit übereinstimmende - (tatsächliche) Umsetzung des Vertrags gebieten - in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden konkreten Fall einer "telefonischen Gesprächspartnerin" - vielmehr die Annahme, dass die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. nicht als Beschäftigte tätig war.
- 25
-
cc) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Klägerin zu 2. ist zunächst, dass der "Auftragsvertrag" nach seinem Gepräge eine Rahmenvereinbarung darstellt, die zwar eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung eröffnen, dabei jedoch nur (im Voraus) bestimmte Einzelheiten künftig noch abzuschließender Verträge festlegen sollte (vgl zur Struktur von Rahmenverträgen etwa BGH NJW-RR 1992, 977, 978 mwN). Werden aber "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse begründet, sind jeweils nur diese einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff; ferner BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17). Einer solchen Beurteilung zu unterziehen sind hier daher jeweils nur die Phasen der "Aktivierung" der Klägerin zu 2. durch (Frei)Schalten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. (sog Routingzeit), die die Möglichkeit eröffnete, unter Entgegennahme ankommender Telefonverbindungen mit Dritten Gesprächsinhalte auszutauschen. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Ausgangsüberlegungen ferner, dass Personen, die in dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld im weiteren Sinne Sprachkommunikationsleistungen erbringen, grundsätzlich sowohl als Beschäftigte als auch aufgrund freier Dienstverhältnisse tätig sein können (vgl etwa zur Möglichkeit der Führung von Bildschirmdialogen sexuellen Inhalts in Form von Frage- und Antwortspielen im Rahmen einer Beschäftigung BSGE 87, 53 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15). Davon, dass die Aufgaben der Klägerin zu 2. alternativ durchaus auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden konnten, gingen auch die Klägerinnen aus (vgl § 5 des "Auftragsvertrags").
- 26
-
dd) Zutreffend wendet die Klägerin zu 1. ein, dass auch das zwischen ihr und der Klägerin zu 2. bestehende (Rahmen)Vertragsverhältnis - und dessen (tatsächliche) Umsetzung - eine Zuordnung der Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" zum Typus der Beschäftigung nicht gestattet. Wäre also nicht (nur) der jeweilige "Einsatzauftrag", sondern darüber hinaus das Dauerrechtsverhältnis zu bewerten, müsste berücksichtigt werden, dass für die Klägerin zu 2. arbeitnehmertypische Leistungspflichten nicht begründet wurden. Wie das LSG festgestellt hat, verlangte die Klägerin zu 1. von der Klägerin zu 2. weder bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit noch eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. konnte ihre Bereitschaftszeiten vielmehr selbst bestimmen und sie sowohl hinsichtlich der zeitlichen Verteilung und Lage sowie hinsichtlich des Umfangs nach ihren eigenen Vorstellungen ausrichten; es stand ihr außerdem frei, sich im Telekommunikationssystem auf "vordere" oder "hintere" Plätze schalten zu lassen (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sprach die Klägerin zu 1. schließlich keine Sanktionen aus, wenn die Klägerin zu 2. weniger Zeit anmeldete oder angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten konnte. Im Hinblick hierauf ist jedenfalls eine im Einzelnen vereinbarte, zeitlich fixierte Arbeitspflicht der Klägerin zu 2. "unter dem Dach" des Rahmenvertrags nicht anzunehmen. Letztere konnte vielmehr stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigen, einen weiteren "Einsatzauftrag" anzunehmen oder nicht.
- 27
-
Den Vereinbarungen im Rahmenvertrag ist Indizwirkung gegen eine Beschäftigung auch deshalb beizulegen, weil die Klägerin zu 2. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld nicht erhielt, ihr die - selbstständige - Rechnungsstellung oblag, sie die Sprachkommunikation nicht in Person vornehmen musste, sondern sich Erfüllungsgehilfen bedienen oder als Subunternehmer auftreten durfte (vgl § 4 des "Auftragsvertrags"), und einem Vertragsstrafenreglement unterlag, wenn sie Vertragspflichten verletzte (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Obwohl diese rahmenvertraglichen Abreden - für sich allein betrachtet - keine starken Indizien gegen das Vorliegen einer Beschäftigung sind, ist ihnen indessen in ihrer Gesamtheit (doch) zu entnehmen, dass das wirtschaftliche Ergebnis der Gestaltung ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. die Klägerin zu 2. nach dem Rahmenvertrag unmittelbar selbst treffen sollte.
- 28
-
Die Beklagte hat bis in das Berufungsverfahren hinein vorgetragen, den dargestellten rahmenvertraglichen "Optionen" dürfe deshalb keine indizielle Wirkung gegen eine Beschäftigung entnommen werden, weil der Rahmenvertrag gerade unter der "Prämisse" gestanden habe, dass eine Beschäftigung nicht gewollt sei. Die Beklagte sieht hierin einen Zirkelschluss der Klägerin zu 1. und weist darauf hin, dass es bei einer Beurteilung der Tätigkeit als Beschäftigung nach deren tatsächlicher Gestaltung auf die vertraglichen Vereinbarungen nicht ankommen könne. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 21). Zum einen gehören auch die getroffenen Vereinbarungen als rechtlich relevante Umstände zu den tatsächlichen Verhältnissen, nach denen sich das Gesamtbild der Tätigkeit bestimmt (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17 mwN). Zum anderen liegt die von der Beklagten aufgestellte Voraussetzung, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2. im Hinblick auf die tatsächliche Praxis der Rechtsbeziehung als Beschäftigung zu werten ist, hier - wie gerade erörtert wird - nicht vor.
- 29
-
ee) Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. bei der Durchführung der - gesondert zu beurteilenden - "Einsatzaufträge" auf der Grundlage des Rahmenvertrags nicht wie eine Beschäftigte in eine von der Klägerin zu 1. vorgegebene betriebliche Ordnung eingegliedert. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. zeigt sich nicht schon allein darin, dass sich die Klägerin zu 2. in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen musste, um "aktiviert" zu sein. Anders als das LSG meint, reicht es für die Annahme einer Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin zu 1. nicht aus, dass diese mit ihrem Gewerbe erst die Möglichkeit (an)bot, "telefonisch Gespräche mit Frauen zu führen", und die Klägerin zu 2. das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem (be)nutzte. Die bloße Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems bzw Netzes (Logistik) durch einen "Systempartner" oder Diensteanbieter ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des "Systemgebers" oder Netzbetreibers sprechender Umstände zwingt nicht (von vornherein) zu der Annahme, es liege eine arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von anderen vorgegebene betriebliche Ordnung vor, in der die "Systempartner" oder Diensteanbieter fremdbestimmte Arbeit leisteten (vgl etwa zu Handelsvertretern, die sich ein Handelsvertreternetz zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 8, 13 und 15; zu Franchise-Nehmern, die sich eine Vertriebskette in einem Franchise-System zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 12; zu Piloten, die sich ein Charterflug-Netz zunutze machen: BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris; zu hauswirtschaftlichen Familienbetreuern, die sich die Dienste einer privaten Pflege-Agentur zunutze machen: BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris).
- 30
-
Umstände von Gewicht, die jenseits der (bloßen) Nutzung des Telekommunikationssystems der Klägerin zu 1. für eine Eingliederung der Klägerin zu 2. in deren "Betrieb" sprechen könnten, liegen nicht vor. Das LSG hat vielmehr festgestellt, dass sich die Klägerin zu 2. bei der Durchführung ihrer "Einsatzaufträge" zu Hause und nicht in Betriebsräumen der Klägerin zu 1. aufhielt; sie benutzte jedenfalls teilweise - in der Gestalt ihrer eigenen Telefonanlage - eigene Geräte. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung hat das BSG für einen solchen Fall nicht bereits "deutlich gemacht", dass eine Eingliederung in die betriebliche Ordnung des Netzbetreibers (gleichwohl und allgemein) anzunehmen sei; das BSG hat diese Frage vielmehr bisher unentschieden gelassen (vgl BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 46). Zutreffend weist die Klägerin zu 1. im Übrigen darauf hin, dass die Klägerin zu 2. mit der Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer zwar noch auf das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1., jedoch nicht mehr auf ihr "Verteilersystem" angewiesen war; denn es war nunmehr die Klägerin zu 2. (selbst), die den anrufenden Kunden gegenüber auftrat.
- 31
-
Soweit die Klägerin zu 1. gegen die Annahme einer Eingliederung der Klägerin zu 2. in ihren "Betrieb" anführt, dass es einen verbindlichen Terminplan über deren Einsatzzeiten nicht gegeben habe und somit eine ständige Dienstbereitschaft von dieser nicht erwartet worden sei, ist ihr Ansatz allerdings unzutreffend. Denn für die Beurteilung, ob die Klägerin zu 2. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 22).
- 32
-
ff) Die Klägerin zu 2. unterlag nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" auch nicht - wie LSG und Beklagte meinen - einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin zu 1.
- 33
-
Das Berufungsgericht räumt selbst ein, dass die Klägerin zu 2. keine Weisungen erhielt, wie sie im Einzelnen ihren "Leistungsauftrag, telefonische Gesprächspartnerin" zu sein, zu erbringen gehabt habe, geht jedoch davon aus, dass (bereits) die "vertragliche Aufgabenstellung", nämlich "die Wünsche der Anrufenden weitmöglichst mittels eines telefonischen Gesprächs zu erfüllen", für die Annahme persönlicher Weisungsunterworfenheit ausreiche. Allein daraus aber, dass gewisse "Eckpunkte" wie etwa der "grobe" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin zu 1. vorgegeben waren und insoweit eine "geminderte Autonomie" bestand, kann nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne geschlossen werden (vgl bereits - mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 19, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Nach Entgegennahme bzw Herstellung ankommender Telefonverbindungen richtete sich die Tätigkeit der Klägerin zu 2. (allgemein) an den Bedürfnissen und Wünschen der anrufenden Kunden aus. Wie die Gesprächsinhalte im Einzelnen ausgestaltet waren und wie lange die Telefongespräche dauerten, bestimmte sich nach den jeweiligen individuellen Erfordernissen; dies verlangte von der Klägerin zu 2. eine Flexibilität bzw die Fähigkeit zu entsprechender Reaktion beim Austausch von Gesprächsinhalten und beließ ihr einen großen Entscheidungsbereich (zu den Voraussetzungen von Weisungsgebundenheit/Weisungsfreiheit, dh Arbeitnehmereigenschaft/Selbstständigkeit bei Tätigkeiten in einem Nachtclub aus steuerrechtlicher Sicht vgl FG München EFG 2011, 56, 57 ff).
- 34
-
Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. auch nicht wegen der Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. weisungsabhängig. Woraus das Berufungsgericht schließt, dass die Ermittlung des Zeiteinsatzes der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate der (auch inhaltlichen) Kontrolle ihrer Leistungserbringung diente, nachdem es zuvor festgestellt hat, dass diese (lediglich) für die Errechnung der Vergütung Bedeutung hatte, begründet es nicht. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt des "Auftragsvertrags" stand der Klägerin zu 1. jedenfalls vertraglich keine (Rechts)Macht zur Kontrolle mit dem Ziel zu, die Klägerin zu 2. zur Optimierung ihrer Dienstleistungen anzuhalten; diese konnte Häufigkeit, Inhalt und Dauer ihrer "Einsatzaufträge" nach der Rahmenvereinbarung vielmehr selbst bestimmen.
- 35
-
gg) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht schließlich davon aus, die Klägerin zu 2. habe (überhaupt) kein eigenes, für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko getragen. Zutreffend hat es allerdings daraufhin hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass die Klägerin zu 2. - wie das für Dienstleistungen im Bereich der Individual- bzw Sprachkommunikation typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.
- 36
-
Die Annahme eines gewissen Unternehmerrisikos ist gerechtfertigt, weil die Klägerin zu 2. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft bei der Durchführung der "Einsatzaufträge" das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes trug. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen (vgl § 3 des "Auftragsvertrags") - und deren (tatsächlicher) Umsetzung - erhielt die Klägerin zu 2. ihre Vergütung nicht dafür, dass sie sich nach "Aktivierung" (wie innerhalb einer festen Arbeitszeit) bereithielt, sondern nur für den auf gebührenpflichtige Telefonate innerhalb der sog Routingzeit entfallenden Zeiteinsatz. Führte sie keine oder weniger Telefonate, etwa weil gebührenpflichtige Anrufe ausblieben oder sie im Telekommunikationssystem auf "hintere" Plätze geschaltet war, erzielte sie keine oder weniger Vergütung; insoweit musste sie auch befürchten, dass sie zeitweise überhaupt nichts verdiente. Der Erfolg des Einsatzes ihrer Arbeitskraft nach einer "Aktivierung" war also ungewiss.
- 37
-
Dieser Belastung mit dem Ausfallrisiko stand auf der anderen Seite bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft eine größere Freiheit gegenüber; die Klägerin zu 2. konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft nach Annahme eines "Einsatzauftrags" in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern. Zutreffend weist die Klägerin zu 1. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Klägerin 2. durch eine entsprechende Ausgestaltung der Gesprächsinhalte auf die Dauer der gebührenpflichtigen Telefonate und die Anzahl der Anrufe und anrufenden Kunden Einfluss nehmen und so - durch besondere Anstrengungen - ihre Verdienstchancen erhöhen konnte. Letztlich stellt auch die Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. nichts anderes als eine Reaktion darauf dar, dass bei (bestimmten) anrufenden Kunden infolge für sie attraktiver Gesprächsinhalte bei früheren Telefonverbindungen ein Bedürfnis nach unmittelbarer Kontaktaufnahme mit der Klägerin zu 2. sowie danach entstanden war, nicht (mehr) an eine andere, vom Betroffenen nicht favorisierte "Gesprächspartnerin" vermittelt zu werden. Mit der Heranbildung eines eigenen Kundenstammes nutzte die Klägerin zu 2. die bei den Gesprächseinsätzen bestehenden Optionen und steigerte ihre Verdienstchancen (noch) weiter. Diese Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft ist nicht - wie das Berufungsgericht meint - deshalb ohne Bedeutung, weil diese und die Möglichkeit zur Erhöhung der Gewinnchancen nur "im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1." bestanden und die Klägerin zu 2. damit "keine eigenen Betriebsmittel erhalten" hat. Wie bereits erörtert (dazu oben 2 b ee)), schließt allein die (bloße) Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems/Netzes (Logistik) selbstständige Tätigkeit (bei Verbindung zu diesem System/Netz) nicht von vornherein aus.
- 38
-
Zu dem Risiko des Verdienstausfalls, das über dasjenige bei umsatzorientierter Entlohnung in Arbeitsverhältnissen hinausging, trat allerdings nicht deshalb ein Kapitalrisiko der Klägerin zu 2. hinzu, weil sie ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" aus der eigenen Wohnung heraus und über die eigene Telefonanlage ausübte. Zutreffend führt das LSG insoweit aus, dass sie hiermit eigene (sächliche) Betriebsmittel nicht einsetzte, weil eine eigene Wohnung und eine eigene Telefonanlage (vor allem) der allgemeinen Lebensführung dienen und auch von Arbeitnehmern auf eigene Kosten vorgehalten werden. Ein für Arbeitnehmer untypisches (wenn auch geringes) Kapitalrisiko ging die Klägerin zu 2. jedoch ein, als sie die zweite, im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. ausschließlich für sie eingerichtete Telefonnummer in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Soweit das Berufungsgericht ein hierin liegendes Kapitalrisiko mit der Begründung verneint, die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung gleichwohl mit den anrufenden Kunden nicht unmittelbar selbst aushandeln können, berücksichtigt dies zwei Umstände nicht: dass - erstens - im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Rechtsbeziehung der Klägerin zu 2. zu ihren Kunden einer sozialversicherungsrechtlichen Bewertung zu unterziehen ist und dass - zweitens - sich die Höhe der Vergütung allgemein und damit auch des gegen die Klägerin zu 1. gerichteten Vergütungsanspruchs der Klägerin zu 2. bei einheitlichen Gebührensätzen (allein) über die Dauer der Telefonate und deren Anzahl (und gerade nicht über variable, etwa leistungsbezogene Entgelte) bestimmte.
- 39
-
hh) Der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin zu 2. steht schließlich nicht entgegen, dass die Klägerinnen die Form des freien Mitarbeitervertrags "in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften" vereinbart hatten (vgl § 5 des "Auftragsvertrags"). Hieraus ergibt sich - trotz der missverständlichen Wortwahl - der Sache nach lediglich, dass die Vertragspartner ihre Rechte und Pflichten als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" - was rechtlich zulässig ist (dazu oben 2 b cc)) - den Bindungen eines (alternativ auch möglichen) Arbeitsverhältnisses gerade nicht unterwerfen wollten; dagegen kann daraus nicht gefolgert werden, dass nach dem Willen der Vertragspartner zwar ein Arbeitsverhältnis bestehen sollte, dies aber ohne die gerade für ein solches Rechtsverhältnis geltenden gesetzlichen und ggf tariflichen Bindungen und Mindestbedingungen (vgl auch § 32 SGB I).
- 40
-
Keine Bedeutung für die hier vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung hat auch, dass der abgeschlossene "Auftragsvertrag" - wie die Klägerinnen damals meinten - im Hinblick auf Rechtsprechung des BGH (vgl BGH NJW 1998, 2895) wegen der Vermittlung und Vermarktung bestimmter Gesprächsinhalte (Telefonsexdienstleistungen) möglicherweise sittenwidrig und nichtig war (vgl allgemein zur Anwendung der Grundsätze zum faktischen Arbeitsverhältnis bei nichtigen Dienstverträgen Selbstständiger BSGE 87, 53, 60 f = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 50 f). Der BGH hat die von den Klägerinnen zitierte Rechtsprechung im Hinblick auf das am 1.1.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 (BGBl I 3983) ohnehin mittlerweile aufgegeben (vgl BGH NJW 2008, 140, 141; im Übrigen schon BGH NJW 2002, 361).
- 41
-
3. Nach alledem war die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" nicht iS von § 7 Abs 1 SGB IV bei dieser beschäftigt, sondern aufgrund eines freien Dienstverhältnisses selbstständig tätig. Das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin zu 2. im vorliegenden Fall entspricht damit dem in der Rechtsprechungspraxis des BGH vorherrschenden Verständnis, wonach (auch) sog (Mehrwert)Diensteanbieter ihren Kunden gegenüber aufgrund eines mit diesen bestehenden eigenen Vertrags (vgl zu den Rechtsverhältnissen grundlegend BGH NJW 2002, 361) regelmäßig als selbstständige Unternehmer - und nicht als Mitarbeiter im Unternehmen des Netzbetreibers - auftreten (vgl etwa zu Telefonsex-Diensteanbietern als Telefonsex-Unternehmern expliziert BGH NJW 2002, 361).
- 42
-
Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet allerdings nicht, dass Leistungen der Sprachkommunikation auf dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld, wie sie die Klägerin zu 2. erbrachte, im sozialversicherungsrechtlichen Sinne stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wären. Maßgebend für die Beurteilung sind jeweils die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden (vgl § 163 SGG) Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese können bei veränderter Sachlage zu anderen Ergebnissen, das heißt auch zur Annahme von Beschäftigung gelangen.
- 43
-
4. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO, § 162 Abs 3 VwGO, hinsichtlich des Berufungsverfahrens auf § 193 SGG.
- 44
-
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.
Tenor
-
Auf die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 4. wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2010 geändert.
-
Das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 wird insgesamt aufgehoben und die Klage abgewiesen.
-
Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in seiner in einem Unternehmen seiner Mutter (Beigeladene zu 3.) verrichteten Tätigkeit in der Zeit ab 24.6.2001 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV), der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der sozialen Pflegeversicherung (sPV) und im Recht der Arbeitsförderung unterlag.
- 2
-
Die Beigeladene zu 3. betrieb über mehrere Jahre ein Ladengeschäft, in dem Lebensmittel und Getränke verkauft wurden und in dem der Kläger seit 1986 arbeitete. Am 6.2.1999 wurde in den Räumlichkeiten eine Weinprobierstube eröffnet. Am 23.6.2001 kam es zu einem Brand in dem Lebensmittelladen, der daraufhin geschlossen wurde. Seitdem betreibt die Beigeladene zu 3. ihr Unternehmen als Weinhandlung (Wert des Weinbestandes ca 15 000 bis 20 000 Euro) mit angeschlossener Gaststätte in einem Gebäude, das im Eigentum ihres Bruders und ihres Ehemanns steht. Nach den Feststellungen des LSG wurden die Kosten der Gaststätteneinrichtung (ca 250 000 bis 300 000 DM) größtenteils von den Eltern des Klägers getragen. In dem Unternehmen obliegen der Beigeladenen zu 3. im Wesentlichen die Zubereitung der Speisen und die rechnerische Kontrolle der buchmäßigen Abrechnung. Entsprechend dem früheren Übergang des Unternehmens vom Vater der Beigeladenen zu 3. auf diese im Jahr 1980 soll das Unternehmen zu einem nicht näher feststehenden Termin auf den Kläger übergehen.
- 3
-
Der 1966 geborene Kläger ist gelernter Wasser- und Gasinstallateur. Gemäß den Regelungen eines schriftlichen Arbeitsvertrag vom 1.6.1991, der an die Stelle eines vorangegangenen schriftlichen Arbeitsvertrags trat, wurde der Kläger im Unternehmen der Beigeladenen zu 3. als "Stellvertreter" eingestellt und war berechtigt, Waren zu bestellen und zu kaufen, sowie bei Abwesenheit der Beigeladenen zu 3. zuständig für Personalfragen. Ferner ist im Arbeitsvertrag ua bestimmt, dass der Kläger als Vollzeitkraft eingestellt wird, er alle ihm übertragenen Arbeiten gewissenhaft und sorgfältig auszuführen hat, Nebenbeschäftigungen nur mit Zustimmung des Arbeitgebers zulässig sind, die Lage der Arbeitszeit vom Arbeitgeber festgesetzt wird und die Tarifverträge für den Einzelhandel in Sachsen gelten sollen. Es wurde ein monatliches Bruttogehalt von 1904 DM, ab 1.1.1993 von 2762 DM vereinbart. Entgegen dieser Orientierung am Tarifniveau wurde das Gehalt des Klägers faktisch von der Entwicklung der Löhne abgekoppelt und lag im Jahr 2010 bei ca 1500 Euro brutto monatlich. Hintergrund dafür war nach den Feststellungen des LSG die Rücksichtnahme des Klägers auf die Belastungen des Familienunternehmens durch eine hohe Miete, die ihrerseits ihre Ursache in den hohen Sanierungskosten für das im Familienbesitz stehende betriebliche Gebäude hatte. Der Kläger war zunächst im Getränkeladen tätig. Seit 24.6.2001 ist er für die Weinbestellung und -annahme, die Prüfung der Lieferantenrechnungen, die Präsentation der Weine, die Preiskalkulation, die Gestaltung der Wein- und Speisekarten sowie die Bedienung und Betreuung der Gäste zuständig. Nach den Feststellungen des LSG beglich der Kläger 2005 bzw 2006 einmalig eine Weinrechnung in Höhe von 5000 Euro aus eigenen Mitteln.
- 4
-
Auf den Antrag des Klägers zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung seines Status stellte die Beklagte als Einzugsstelle durch Bescheid vom 28.7.2004 und Widerspruchsbescheid vom 10.6.2005 fest, dass er in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3. ab 1.1.1991 der Versicherungspflicht in der GKV, sPV, RV und Arbeitslosenversicherung unterliege. Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verpflichtet festzustellen, dass der Kläger ab 1.1.1991 eine selbstständige Tätigkeit und keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe (Urteil vom 14.11.2006). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten geändert und festgestellt, dass der Kläger ab 24.6.2001 nicht der Versicherungspflicht in der GKV, sPV, RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe; im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen sowie die Klage abgewiesen: Insbesondere die Regelungen im Arbeitsvertrag vom 1.6.1991 über Gehalt, Arbeitszeit, Geltung von Tarifverträgen, Festlegung von Arbeitsaufgaben und Funktionen im Betrieb, ferner die Verbuchung der Personalausgaben als Betriebsausgaben, Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen und die Gehaltszahlung auf ein privates Konto des Klägers sprächen jedenfalls bis 23.6.2001 für eine (abhängige) Beschäftigung. Die Beigeladene zu 3. habe an der Rechtsform eines Einzelunternehmens festgehalten, dessen alleinige Inhaberin sie auch weiterhin sei. Daher habe ausschließlich die Beigeladene zu 3. die Rechtsmacht, an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens Änderungen vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben wieder zu entbinden. Dagegen könne ab 24.06.2001 eine Unternehmerstellung des Klägers festgestellt werden, da tags zuvor ein "grundlegender Strukturwandel" im Familienunternehmen seinen Abschluss gefunden habe. Zwar sei nach wie vor die Beigeladene zu 3. alleinige Inhaberin des Unternehmens. Der Kläger habe aber seither rein faktisch eine Handhabe, der Beigeladenen zu 3. im Falle eines Dissenses seinen Willen hinsichtlich der Unternehmensführung aufzuzwingen und über die Geschicke des Unternehmens zu walten wie über ein eigenes. Ein "gewisses Unternehmerrisiko" sei in Gestalt des Gehaltsverzichts auszumachen. Die auch in der Zeit ab 24.6.2001 beibehaltenen äußeren Umstände (festes monatliches Gehalt, Verbuchung der Personalausgaben als Betriebsausgabe, Entrichtung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, Überweisung des Gehalts auf ein privates Konto) seien dem Kläger "nicht vorzuwerfen". Immerhin habe er am 19.4.2004 die Beklagte um Überprüfung der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung seiner Tätigkeit gebeten und damit seine Zweifel an der Richtigkeit der Fortführung der bisherigen Praxis zum Ausdruck gebracht (Urteil vom 10.11.2010).
- 5
-
Dagegen wenden sich die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle und der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 4.) mit ihren Revisionen. Die Beklagte rügt eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB XI, § 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 SGB III, die Beigeladene zu 4. sinngemäß eine Verletzung von § 28h SGB IV. Zurecht habe das LSG für den Zeitraum vom 1.1.1991 bis 23.6.2001 festgestellt, dass der Kläger im Unternehmen der Beigeladenen zu 3. abhängig beschäftigt gewesen sei. Für die Zeit ab 24.6.2001 könne nichts anderes gelten. Eine rechtlich wirksame Unternehmensübergabe habe nicht stattgefunden. Für den Kläger habe die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens habe frei bewegen dürfen. Auch an der Rechtsmacht der Beigeladenen zu 3. habe sich nichts geändert. Ein relevantes Unternehmerrisiko sei beim Kläger nicht festzustellen. Vielmehr habe er ein festes monatliches Grundgehalt bezogen, das unabhängig von der Erreichung der unternehmerischen Ziele gewährt worden sei. Der Kläger trage auch kein eigenes Haftungsrisiko, dieses liege vielmehr allein bei der Beigeladenen zu 3.
- 6
-
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2010 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 insgesamt aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 7
-
Die Beigeladene zu 4. schließt sich dem Antrag der Beklagten mit der Maßgabe an, dass sich ihre Revision nur auf die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung richtet.
- 8
-
Der Kläger hat sich zu den Revisionen nicht geäußert.
- 9
-
Die Beigeladene zu 1. hat sich der Revisionsbegründung der Beigeladenen zu 4., die Beigeladene zu 2. den Revisionsbegründungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 4. angeschlossen. Die Beigeladene zu 3. hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die Revision der Beklagten, die sich auf die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht des Klägers wegen Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung in der Zeit ab 24.6.2001 bezieht, ist zulässig und begründet. Gleiches gilt für die ebenfalls auf diese Zeit und die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV beschränkte Revision der Beigeladenen zu 4. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind insoweit rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem - dem Begehren des Klägers bislang entsprechenden - Umfang aufzuheben und das Urteil des SG ist auch insoweit unter Abweisung der Klage aufzuheben.
- 11
-
1. Zu Unrecht hat das LSG eine Versicherungspflicht des Klägers wegen Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3. in der noch streitigen Zeit ab 24.6.2001 verneint und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG insoweit zurückgewiesen.
- 12
-
Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von zu Versicherungspflicht führender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die Bedeutung der tatsächlichen Umstände gegenüber den für die Tätigkeit des Klägers im Unternehmen maßgebenden vertraglichen Vereinbarungen, welche hier nur die Annahme von Beschäftigung rechtfertigen können, verkannt (hierzu b). Der Status des Klägers als Selbstständiger lässt sich nicht mit dem LSG unter Hinweis darauf bejahen, dass bestimmte Umstände und Indizien des Einzelfalls gesamtschauend dafür sprächen (hierzu c).
- 13
-
a) Im streitigen Zeitraum ab 24.6.2001 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie im Recht der Arbeitsförderung (vgl § 24 Abs 1, § 25 Abs 1 SGB III idF des Gesetzes vom 24.3.1997, BGBl I 594; § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V idF des Gesetzes vom 20.12.1988, BGBl I 2477; § 1 S 1 Nr 1 SGB VI idF des Gesetzes vom 18.12.1989, BGBl I 2261, BGBl 1990 I 1337; § 20 S 1, 2 Nr 1 SGB XI idF des Gesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
- 14
-
Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN).
- 15
-
b) Die dargestellten Grundsätze sind - trotz der in Fällen der vorliegenden Art jeweils mit in Rechnung zu stellenden engen familiären Bindungen - auch im vorliegenden Fall anzuwenden und gelten unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des Senats fort, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen Unternehmen, sondern in einem fremden Unternehmen tätig.
- 16
-
aa) Alleinige Unternehmensinhaberin bzw Trägerin des Unternehmens war die Beigeladene zu 3., die nach den den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) das Unternehmen durchgehend und damit auch die im streitigen Zeitraum betriebene Weinhandlung mit Gaststätte als Einzelunternehmen führte. Lediglich sie war damit auch nur unmittelbar begünstigtes Rechtssubjekt für die sich aus dem Auftreten des Unternehmens im Geschäftsverkehr ergebenden Ansprüche und Rechte; umgekehrt war ebenso nur die Beigeladene zu 3. den Verpflichtungen hinsichtlich der aus dem Geschäftsbetrieb resultierenden Lasten ausgesetzt, indem sie für die über das Unternehmen eingegangenen Verbindlichkeiten als natürliche Person mit ihrem ganzen Vermögen haftete. Damit muss - auch unter dem Blickwinkel des Sozialversicherungsrechts - ohne besondere dokumentierte bzw von den Tatsacheninstanzen festgestellte Umstände die Annahme einer sich auf seinen Status als Erwerbstätiger auswirkenden Beteiligung des Klägers an der Führung des Einzelunternehmens ausscheiden. Für die Trägerschaft eines Unternehmens durch eine (natürliche) Einzelperson kann insoweit im Kern nichts anderes gelten als in den Fällen, in denen eine juristische Person des Privatrechts Unternehmensträger ist. In den letztgenannten Fällen erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung aber auch seit jeher dann, wenn der im Unternehmen Tätige Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch eine Familiengesellschaft - hält, den Status als Selbstständiger nur an, wenn damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist; etwa durch ein seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität, und der Betroffene damit rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 25 mwN).
- 17
-
bb) Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist vor diesem Hintergrund vorliegend primär der zwischen ihm und der Beigeladenen zu 3. geschlossene, ausdrücklich so bezeichnete schriftliche "Arbeitsvertrag" vom 1.6.1991, der deren Rechtsverhältnis zueinander auch noch in dem im Revisionsverfahren streitigen Zeitraum ab 24.6.2001 ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG festgestellten Inhalt - ua festes monatliches Gehalt, Einstellung als Vollzeitkraft, Zustimmungserfordernis des Arbeitgebers zu etwaigen Nebentätigkeiten, Festlegung der Arbeitszeiten durch den Arbeitgeber - mit seinen typischen Arbeitnehmerrechten und -pflichten ein "Arbeitsverhältnis" iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Gegenstand. Damit aber kann das in dieser Norm besonders hervorgehobene Merkmal für das Vorliegen einer zur Versicherungspflicht des Klägers führenden Beschäftigung nicht in Abrede gestellt werden. Im Hinblick darauf, dass die Unternehmensträgerschaft bei der Mutter des Klägers (Beigeladene zu 3.) als Einzelunternehmerin lag, verfügte der Kläger auch nicht über eine rechtliche Handhabe, die ihm einen (mit)beherrschenden Einfluss auf die Unternehmensleitung sicherte. Zudem fehlen jegliche Hinweise darauf, dass die geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 3. wenigstens im Innenverhältnis als gesellschaftsrechtlich bedeutsame und hier zu beachtende Vereinbarung aufgefasst werden könnten. Weder hat der Kläger zwischen beiden das Bestehen einer - rechtlich wirksamen - sog Innengesellschaft (vgl dazu und zu deren Voraussetzungen schon BSGE 40, 161, 163 = SozR 2200 § 1266 Nr 3 S 17 mwN
, BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 22 f mwN behauptet, noch hat das LSG insoweit den Senat bindende positive Feststellungen (vgl § 163 SGG) getroffen. Unabhängig davon kann nicht angenommen werden, dass dem Kläger auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts darüber hinaus nennenswerte Rechtsmacht eingeräumt war, die es ihm (im Innenverhältnis) ermöglicht hätte bzw ermöglichen würde, die Geschäfte des Unternehmens gegen den Willen der Beigeladenen zu 3. zu betreiben.)
- 18
-
Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 3. auch nach weiteren Feststellungen des LSG im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV. Der Kläger war ihr - seiner Arbeitgeberin - gegenüber weisungsunterworfen und in die von ihr vorgegebene Arbeitsorganisation ihres Unternehmens eingebunden. Nach der zutreffenden Bewertung des LSG hatte nämlich (allein) die Beigeladene zu 3. die Rechtsmacht (zu deren Bedeutung vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31 f, ferner sogleich und unten 1. c ee), an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens Änderungen vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben wieder zu entbinden.
- 19
-
cc) An dem Ausgangspunkt ändert die verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 3. grundsätzlich nichts. Eine (abhängige) Beschäftigung wird nämlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass jemand für ein Familienmitglied tätig ist (vgl schon zu so genannten "Meistersöhnen" BSGE 3, 30, 39). Zu prüfen ist allerdings insbesondere, ob der Angehörige in einem Familienunternehmen als Beschäftigter, als Mitunternehmer oder Mitgesellschafter eines Angehörigen oder ob seine Tätigkeit lediglich als familienhafte Mithilfe anzusehen ist (vgl BSGE 74, 275, 276 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 57). Die Abgrenzung hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalles ab (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 37 S 127; BSGE 74, 275, 278 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 60). Die Beurteilung einer Erwerbstätigkeit, die im Unternehmen eines Familienangehörigen ausgeübt wird, der als natürliche Person Unternehmensinhaber bzw Träger des Unternehmens und mit seinem ganzen Vermögen dessen Haftungsobjekt ist, unterscheidet sich insoweit rechtlich gesehen nicht wesentlich von der Beurteilung einer Erwerbstätigkeit in einer Familiengesellschaft, zB in der Rechtsform einer GmbH, deren Kapital in Form von Gesellschaftsanteilen von Familienangehörigen gehalten wird. Die Rechtsprechung des BSG hat in der Vergangenheit allerdings abweichend von diesen Grundsätzen bei Tätigkeiten für eine Gesellschaft eine Selbstständigkeit des Betroffenen für möglich gehalten, wenn seine Tätigkeit durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war, auch wenn er nicht über eine Sperrminorität verfügte (vgl zum Ganzen ausführlich BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31 f). Soweit darüber hinausgehend der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich erachtete (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1), hat der Senat in seiner jüngsten Rechtsprechung allerdings offengelassen, ob der vom 11. Senat des BSG vertretenen Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - aaO, RdNr 32). Hierauf kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger sei aufgrund einer "faktischen Machtposition", der derjenigen eines (Mit-)Inhabers gleichkomme, selbstständig gewesen, nicht überzeugen können.
- 20
-
c) Eine Selbstständigkeit des Klägers lässt sich schließlich nicht mit dem LSG unter Hinweis darauf begründen, dass - hinausgehend über die Darlegungen unter b) - sonstige Umstände und Indizien des Einzelfalls bei einer Gesamtschau für die Zeit ab 24.6.2001 gleichwohl für den von ihm beanspruchten Status sprächen.
- 21
-
Für die - mangels Revisionseinlegung des Klägers gegen den klageabweisenden Teil des LSG-Urteils - nicht (mehr) im Streit befindliche Zeit vom 1.1.1991 bis 23.6.2001 hat das LSG die Tätigkeit des Klägers als (abhängige) Beschäftigung qualifiziert. Entgegen der Auffassung des LSG ist auch nach der inhaltlichen Neuausrichtung des von der Beigeladenen zu 3. betriebenen Unternehmens ab 24.6.2001 davon auszugehen, dass der Kläger weiterhin (abhängig) beschäftigt blieb.
- 22
-
aa) Das LSG hat hierzu zunächst zutreffend festgestellt, dass sämtliche Merkmale der "äußeren Abwicklung" der Erwerbstätigkeit des Klägers (= Arbeitsvertrag vom 1.6.1991, festes monatliches Arbeitsentgelt, Verbuchung der Personalkosten als Betriebsausgaben, Entrichtung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, Überweisung des Entgelts auf ein privates Konto des Klägers) unverändert blieben. Die in diesem Zusammenhang geäußerte Auffassung, die fehlende Veränderung könne dem Kläger nicht "vorgeworfen" werden, weil er am 19.4.2004 um die Überprüfung seines sozialversicherungsrechtlichen Status gebeten habe, rechtfertigt nicht schon die Schlussfolgerung, der Kläger sei selbst von einer Änderung zum 24.6.2001 ausgegangen: Zum Einen erfolgte der Antrag ohnehin erst ca drei Jahre nach der inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens, zum Anderen stellte der Kläger selbst nicht nur die Zeit ab 24.6.2001, sondern den gesamten Tätigkeitszeitraum ab 1.1.1991 zur Überprüfung durch die Einzugsstelle.
- 23
-
bb) Die maßgebenden rechtlichen Rahmenbedingungen blieben auch ab 24.6.2001 unverändert. Der der Tätigkeit des Klägers zugrundeliegende Arbeitsvertrag vom 1.6.1991 wurde nicht geändert. Die Beigeladene zu 3. war nach wie vor Alleininhaberin bzw alleinige Trägerin des von ihr in der Form des Einzelunternehmens betriebenen Unternehmens.
- 24
-
cc) Der Kläger war auch ab dem 24.6.2001 nicht an dem Unternehmen, zB als Mitunternehmer, gleichberechtigter Partner neben der Beigeladenen zu 3. oder gar rechtlich allein maßgebender Unternehmensträger, beteiligt. Die einmalige Übernahme einer Weinrechnung in Höhe von 5000 Euro zu einem nicht konkret festgestellten Zeitpunkt im Jahr 2005 oder 2006 durch den Kläger rechtfertigt weder die Annahme, dass der Kläger hierdurch einen solchen Status erlangte, noch kann darin ein relevantes "Kapitalrisiko" des Klägers gesehen werden. Zwar hat das LSG keine näheren Feststellungen im Zusammenhang mit der Kostenübernahme getroffen. So ist ungeklärt, ob der Kläger der Beigeladenen zu 3. den Betrag darlehensweise überließ oder ihr den Betrag übereignete. Angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe kommt allerdings auch in Betracht, dass es sich hierbei um eine Gefälligkeit des Klägers gehandelt haben könnte, die uU dadurch motiviert war, dass er eines Tages - der Familientradition folgend - das Unternehmen übernehmen würde. Die Höhe der übernommenen Kosten ist jedenfalls auf der Grundlage der Feststellungen des LSG im Verhältnis zu den Einrichtungskosten der Weinhandlung mit Gaststätte und zum Wert des Warenbestandes des Unternehmens als geringfügig anzusehen.
- 25
-
Soweit das LSG die einmalige Kostenübernahme als sehr geringes "Kapitalrisiko" des Klägers bewertet hat, ist nicht ersichtlich, worauf sich dieses Risiko beziehen sollte: Bei dem von der Beigeladenen zu 3. betriebenen Unternehmen handelt es sich um ein Einzelunternehmen, nicht um eine eigenständige juristische Person des Privatrechts, zB eine Kapitalgesellschaft. Ein Risiko wäre allenfalls gegeben, wenn der Kläger der Beigeladenen zu 3. den Betrag darlehensweise zur Verfügung gestellt hätte. Angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe wäre aber auch das entsprechende Kreditausfallrisiko gering gewesen.
- 26
-
Die Kostenübernahme führte auch nicht zu einer "Mitunternehmerschaft" des Klägers an dem Unternehmen der Beigeladenen zu 3. Vielmehr hielt die Beigeladene zu 3. nach den Feststellungen des LSG durchgängig am Betrieb des Unternehmens als inhabergeführtes Einzelunternehmen fest. Demzufolge trug - wie bereits ausgeführt - ausschließlich die Beigeladene zu 3. als Inhaberin des Einzelunternehmens bzw Trägerin des Unternehmens ein Haftungsrisiko für dessen Verbindlichkeiten. Sie allein haftete mit ihrem gesamten Vermögen für Verbindlichkeiten ihres Unternehmens. Demgegenüber traf den Kläger keinerlei Haftungsrisiko.
- 27
-
dd) Zu Unrecht hat das LSG angenommen, die fehlende regelmäßige Anpassung des Gehalts des Klägers spreche für dessen Selbstständigkeit im streitigen Zeitraum. Insoweit berücksichtigt das Berufungsgericht bereits nicht hinreichend, dass seine tatsächlichen Feststellungen nicht den Schluss zulassen, der Kläger habe insoweit bereits rechtswirksam auf einen entsprechenden Vergütungsanspruch verzichtet. Mangels eines ausdrücklichen Verzichts stünde einer Geltendmachung eines Anspruchs unter Durchsetzung der entsprechenden arbeitsvertraglichen Regelungen über die regelmäßige Gehaltsanpassung allenfalls dessen Durchsetzbarkeit durch die möglicherweise geltend gemachte Verjährung entgegen. Insoweit trat jedoch auch keine Änderung der Verhältnisse zum 24.6.2001 ein. Vielmehr wurde das Entgelt des Klägers nach den Feststellungen des LSG "vor Jahren" von der Entwicklung der Löhne und Gehälter "abgekoppelt". Einen unmittelbaren Bezug zu der inhaltlichen Ausrichtung des Unternehmens zum 24.6.2001 hat es demgegenüber nicht festgestellt. Soweit das LSG die Nichtanpassung der Arbeitsvergütung als "Gehaltsverzicht" bewertet hat und darin ein gewisses "Unternehmerrisiko" des Klägers sieht, ist wiederum nicht ohne Weiteres ersichtlich, worauf sich dieses Risiko beziehen sollte. Zwar könnte man annehmen, sein Risiko habe darin bestanden, bereits im Vorgriff auf den späteren Übergang des Unternehmens auf die regelmäßige Anpassung seines Entgelts verzichtet zu haben, ohne eine hinsichtlich des Unternehmensübergangs gefestigte Rechtsposition erreicht zu haben. Einem derart angenommenen Risiko steht allerdings entgegen, dass der Kläger durchgehend eine feste Arbeitsvergütung bezog, deren Höhe einerseits deutlich über eine bloße Anerkennung oder ein Taschengeld hinausging und andererseits nicht vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig war. Darüber hinaus trug der Kläger - wie bereits dargelegt - kein rechtlich bedeutsames und auf der Grundlage der Feststellungen des LSG durch entsprechende äußere Umstände dokumentiertes Haftungsrisiko für Verbindlichkeiten des Unternehmens der Beigeladenen zu 3.
- 28
-
ee) Entgegen der Auffassung des LSG rechtfertigt schließlich eine vermeintliche "faktische Machtposition" des Klägers nicht die Annahme seiner Selbstständigkeit.
- 29
-
Auch geschuldete Dienste höherer Art werden im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 mwN). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter im Rechtssinne entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Regelungen zum Nichtbestehen von Versicherungspflicht bei den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der gesetzlichen RV und im Recht der Arbeitsförderung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III). Diese Personen sind insoweit sozialversicherungsrechtlich den für Beschäftigte geltenden Regelungen unterworfen, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft des Unternehmens Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen. Ähnlich verhält es sich hier. Der Kläger war nämlich trotz seiner betrieblichen Befugnisse ununterbrochen in das Unternehmen der Beigeladenen zu 3. organisatorisch eingebunden. Nach den Regelungen des Arbeitsvertrags war er zwar berechtigt, Waren zu bestellen und zu kaufen. Ausdrücklich war er aber nicht umfassend mit gleichen Rechten wie die Beigeladene zu 3. ausgestattet, sondern nur als deren "Stellvertreter" eingesetzt und für Personalfragen nicht durchgehend, sondern nur ausnahmsweise - bei Abwesenheit der Beigeladenen zu 3. - zuständig. Die vom LSG gleichwohl angenommene "Machtposition" des Klägers leitet sich damit lediglich daraus ab, dass er auf die Unternehmenstätigkeit und deren Ausrichtung maßgeblichen Einfluss ausüben konnte, was sich letztlich in der im Sommer 2001 vollzogenen inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens von einem Lebensmittel- und Getränkeverkauf hin zu einer Weinhandlung mit Gaststätte dokumentierte. Das LSG hat allerdings gleichwohl ausdrücklich festgestellt, dass die Beigeladene zu 3. - trotz Änderung der Geschäftsausrichtung weg von einem Lebensmittel- und Getränkeladen hin zu einer Weinhandlung mit Probierstube und Küchenbetrieb - durchgehend an dem von Beginn an bestehenden und über die Jahre hinweg auch so weitergeführten Form als Einzelunternehmen festhielt. Demzufolge hatte - nach der zutreffenden Bewertung durch das LSG - allein die Beigeladene zu 3. als Unternehmensinhaberin bzw Trägerin des Unternehmens die Rechtsmacht, Änderungen an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben zu entbinden. Daran änderte sich auch erkennbar nichts nach der inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens zum 24.6.2001; denn die Beigeladene zu 3. hatte es nach wie vor in der Hand, etwa im Fall eines Zerwürfnisses den Kläger zu entlassen und an seiner Stelle eine andere Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen einzustellen, ohne dass der Kläger die Rechtsmacht besaß, dem mit Erfolgsaussicht entgegenzutreten (zur vorrangigen Bedeutung formell bestehender Rechtsmacht gegenüber dem Gesichtspunkt ihrer tatsächlichen Nichtausübung vgl bereits BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32). Anhaltspunkte dafür, dass allein der Kläger über ein derart hohes Fachwissen verfügte, dass nur er in der Lage war, die konkrete Tätigkeit zu verrichten, hat das LSG nicht festgestellt und sind sonst nicht ersichtlich. Auch kann insoweit nicht eingewandt werden, dass eine fremde Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen möglicherweise nicht bereit gewesen wäre, zu denselben Konditionen tätig zu werden; insoweit handelt es sich lediglich um wirtschaftliche Überlegungen, die am grundsätzlichen Bestehen einer entsprechenden rechtlichen Möglichkeit nichts ändern. Darüber hinaus bezog sich die vom LSG angenommene "Machtposition" des Klägers allein auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens der Beigeladenen zu 3. Nur insoweit hatte der Kläger aufgrund seines geltend gemachten Fachwissens eine herausgehobene Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Eine wirtschaftlich beherrschende Stellung durch den Kläger war demgegenüber nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG können derartige Einflussmöglichkeiten zwar beachtenswert sein, soweit sie einem Geschäftsführer einer GmbH selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f). Wie dargestellt, betreibt die Beigeladene zu 3. das Unternehmen indessen nach wie vor als Einzelunternehmerin bzw alleinige Trägerin. Hinweise auf eine Mitunternehmerschaft bzw eine nennenswerte Kapitalbeteiligung des Klägers an dem Unternehmen verbunden mit einem damit korrespondierenden wesentlichen Einfluss auf dessen Bestand und Geschäftsbetrieb liegen nicht vor.
Tenor
-
Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 betrifft.
-
In diesem Umfang wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückgewiesen.
-
Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.
- 2
-
Der am 1961 geborene Kläger arbeitete aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 11.2.1986 zunächst als Schlosser und nach Ablegen der Meisterprüfung noch im selben Jahr als Betriebsleiter bei der Beigeladenen zu 1., einer GmbH mit dem Unternehmensgegenstand "Rührwerksbau". Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war bis zu seinem Tod am 11.5.2001 der Vater des Klägers. Die Geschäftsanteile erbte dessen Ehefrau; der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 31.8.2001 zum Geschäftsführer bestellt. Bereits am 30.4.1996 hatte der Vater des Klägers "gemäß § 48 Abs 2 GmbHG" folgende Niederschrift verfasst:
"… Aus gesundheitlichen Gründen werden meine Kinder S. und M. die Leitung des Unternehmens übernehmen. Mein Sohn wird aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens übernehmen, meine Tochter den kaufmännischen Teil, aufgrund ihrer Ausbildung beim Steuerberater. Die entsprechenden Vollmachten werden beiden Kindern umgehend erteilt. Ab sofort nehmen die Kinder am betrieblichen Erfolg mit einer Gewinntantieme teil und sind vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Auf das Weisungsrecht meinerseits verzichte ich. Arbeits- und Urlaubszeit kann nach Lage der Gesellschaft frei bestimmt und gestaltet werden."
- 3
-
Der Kläger war bis 30.11.1999 Mitglied der beklagten Krankenkasse, seit 1.1.1996 aufgrund freiwilliger Versicherung. Nachdem eine neu gewählte Krankenkasse festgestellt hatte, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. für spätere Zeiträume nicht versicherungspflichtig in der RV und nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 14.9.2005 eine entsprechende Beurteilung auch für den (nun streitigen) Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 durch die Beklagte als Einzugsstelle. Diese stellte mit Bescheid vom 23.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006 fest, dass der Kläger in diesem Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigt gewesen sei und der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Das SG hat die auf Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.11.2008).
- 4
-
Auf die Berufung des Klägers hat das LSG unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide der Beklagten festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum nicht der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe (Urteil vom 22.9.2010): Für eine Beschäftigung sprächen ua die fehlende Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung des Klägers, die Vereinbarungen des Anstellungsvertrags und die begrenzte Befugnis des Klägers, die Geschicke "der Firma" rechtsverbindlich zu gestalten. Demgegenüber sprächen die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine Beschäftigung. So habe sein Vater dem Kläger mit der Niederschrift vom 30.4.1996 unter Verzicht auf sein Weisungsrecht die Unternehmensleitung übertragen. Dadurch habe der Kläger zusammen mit seiner Schwester nach eigenem Gutdünken frei "schalten und walten" können. Durch Übernahme einer Bürgschaft über 100 000 DM habe er ein wirtschaftliches Risiko getragen und sei am Gewinn der Firma beteiligt gewesen. Er habe die alleinigen Branchenkenntnisse in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte gehabt, sei vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen und habe Kundengespräche geführt, Angebote eingeholt sowie Kalkulationen erstellt, ohne sich im Einzelnen mit seinem Vater abzusprechen. Diesen tatsächlichen Verhältnissen komme bei der rechtlichen Beurteilung Vorrang gegenüber den vertraglichen Regelungen zu.
- 5
-
Mit der allein vom ihm eingelegten Revision rügt der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2.) eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG seit dem Jahr 2006 (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da das LSG sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt habe, "dass eine im Widerspruch zu getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung unabhängig von der rechtlichen Möglichkeit einer formlosen Abbedingung vorgehen bzw. auch dann, wenn eine formlose Abbedingung rechtlich nicht möglich ist". Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger am Stammkapital der zu 1. beigeladenen GmbH nicht beteiligt gewesen sei und bezogen auf die Gesellschaft keinerlei "Rechtsmacht" besessen habe. Diese Rechtsmacht habe trotz des Verzichts auf ein Weisungsrecht bei dessen Vater, dem Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1., gelegen. Zudem habe der Kläger die Beigeladene zu 1. nicht wie ein Alleininhaber, sondern nur zusammen mit seiner Schwester geleitet.
- 6
-
Die Beigeladene zu 2. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufzuheben, soweit dieses unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 sowie des Bescheides der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2006 festgestellt hat, der Kläger habe in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen,
ferner, insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückzuweisen.
- 7
-
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.
- 8
-
Er verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere sei mit der Niederschrift vom 30.4.1996 bereits die Bevollmächtigung beider Kinder durch ihren Vater erfolgt, der zugleich auf sein Weisungsrecht sowohl als Geschäftsführer wie auch als Gesellschafter verzichtet habe. Darauf, dass die Unternehmensleitung gemeinsam mit der - im Übrigen als nicht rentenversicherungspflichtig eingestuften - Schwester erfolgte, komme es nicht an.
- 9
-
Die Beklagte und die zu 3. beigeladene Bundesagentur für Arbeit schließen sich der Rechtsansicht der Beigeladenen zu 2. an, die Beigeladene zu 3. ohne einen Antrag zu stellen.
- 10
-
Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.
Entscheidungsgründe
- 11
-
Die auf die angefochtene Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten sind bezogen darauf rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem Umfang aufzuheben und die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen.
- 12
-
1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Vorliegend lässt das Revisionsvorbringen noch hinreichend deutlich erkennen, dass die Beigeladene zu 2. die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den tatsächlichen Verhältnissen generell Vorrang gegenüber den gesellschafts- und arbeitsvertraglichen Regelungen zu, und dass sie dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.
- 13
-
2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.
- 14
-
Zu Unrecht hat das LSG hier die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Bescheide der Beklagten sowie das SG-Urteil insoweit aufgehoben. Dabei ist das LSG zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Tatbestand der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen; es hat jedoch die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Wiederum zutreffend hat das LSG eine Tätigkeit in einem fremden Betrieb vorausgesetzt und den "Anstellungsvertrag" des Klägers zum Ausgangspunkt der weiteren Prüfung und seiner Tatsachenfeststellungen gemacht (hierzu b). Im Ergebnis keinen Bestand haben indes die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung des LSG sowie seine davon ausgehende Bewertung des Gesamtbildes der Erwerbstätigkeit (hierzu c). Dabei steht der Einordnung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. als (abhängige) Beschäftigung die Rechtsprechung des BSG zur Tätigkeit in Familiengesellschaften nicht entgegen (hierzu d).
- 15
-
a) In den Jahren 1996 bis 1999, die hier in Streit stehen, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der RV der Versicherungspflicht (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI; ab 1.1.1998 idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
- 16
-
Zutreffend weist die Beigeladene zu 2. in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass zur Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-25).
- 17
-
Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier zwar von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unten c). Daher kommt es auch nicht darauf an, dass das LSG keine Feststellungen dazu getroffen hat, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen des Anstellungsvertrags überhaupt abdingbar waren.
- 18
-
b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anzuwenden, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.
- 19
-
Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 11.2.1986, der deren Vertragsverhältnis zunächst ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG - lückenhaft - festgestellten Inhalt - regelmäßiges Entgelt, feste wöchentliche Arbeitszeit, Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Nach abgelegter Meisterprüfung wurde der Kläger sodann als Betriebsleiter eingesetzt; hiermit evtl verbundene rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" hat das LSG aber ebenso wenig festgestellt, wie es Feststellungen zur Frage dafür einzuhaltender möglicher Formerfordernisse bei Vertragsänderungen getroffen hat.
- 20
-
Eine weitere Änderung der Stellung des Klägers erfolgte aufgrund der als Gesellschafterbeschluss (§ 48 GmbHG) auszulegenden Niederschrift seines Vaters vom 30.4.1996 mit der Übertragung der "Leitung" des technischen und gewerblichen Bereichs der GmbH an ihn. Dieser Beschluss enthielt gleichzeitig eine Befreiung des Klägers vom Selbstkontrahierungsverbot und einen Verzicht seines Vater - des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1. - auf ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Zudem wurde dem Kläger eine Gewinntantieme zugesagt und das Recht eingeräumt, über seine eigene Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Den insoweit nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass dies auch der betrieblichen Praxis entsprach. So führte der Kläger fortan die Kundengespräche, holte Angebote ein und stellte Kalkulationen auf, ohne im Einzelnen Rücksprache mit seinem Vater zu nehmen. Der Kläger war Ansprechpartner für Kunden und für Mitarbeiter. Zumindest einen Mitarbeiter stellte er ein, wenn auch der Arbeitsvertrag auf Seiten der Beigeladenen zu 1. vom Vater des Klägers unterschrieben wurde. Der Vater hatte sich - obwohl täglich im Betrieb anwesend - nach den Feststellungen des LSG "nicht mehr eingemischt" und nahm auch auf die Einstellung von Personal keinen Einfluss mehr.
- 21
-
Offenbleiben kann vorliegend, ob die in der Niederschrift des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 erwähnten Vollmachten für den Kläger zu diesem Zeitpunkt oder später tatsächlich erteilt wurden und ob die Beigeladene zu 2. insoweit eine zulässige Sachrüge erhoben hat. Denn auch für den Fall, dass dem Kläger die zur Leitung des technischen und gewerblichen Teils der Beigeladenen zu 1. erforderlichen Vollmachten erteilt wurden, tragen die vom LSG festgestellten Umstände nicht dessen rechtlichen Schluss, dass sich mit der Niederschrift vom 30.4.1996 der Charakter der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. dahingehend wandelte, dass der Kläger nunmehr selbstständig tätig sein sollte.
- 22
-
c) Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 1. auch in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.
- 23
-
Eine Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - etwa in Form eines freien Dienstverhältnisses - ergibt sich nicht daraus, dass der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. durch Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 auf "das Weisungsrecht" gegenüber dem Kläger verzichtete und diesem das Recht einräumte, seine Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Zwar unterlag der Kläger dadurch nicht mehr umfassend einem Weisungsrecht seines Arbeitgebers - handelnd durch den weiterhin allein als Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH im Handelsregister eingetragenen Vater - hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Tätigkeit. Jedoch werden gerade höhere Dienste dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nämlich nicht schon zu einem Selbstständigen, selbst wenn andere Betriebsangehörige den Betroffenen bisweilen als "Chef" betrachten mögen (wie das LSG im vorliegenden Fall anhand der Aussage des Zeugen R. festgestellt hat).
- 24
-
Eine solche noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes bestand bei dem Kläger auch nach dem 30.4.1996. Durch den Gesellschafterbeschluss erlangte er die Stellung eines Angestellten, der nach den Feststellungen des LSG auch in der betrieblichen Praxis den technischen und gewerblichen Teil der Beigeladenen zu 1. mit "entsprechenden Vollmachten" eigenverantwortlich zu leiten hatte. Dennoch blieb der Kläger weiterhin in die durch die Beigeladene zu 1. bzw ihren gesellschaftsrechtlich maßgebenden Geschäftsführer (= Vater des Klägers) vorgegebene Organisation eingebunden, da seine Leitungsmacht nur auf einen bestimmten Unternehmensteil beschränkt war, während die Leitung des kaufmännischen Teils der Beigeladenen zu 1. ausschließlich seiner Schwester oblag. Die Vollmacht, diese Entscheidung zur konkreten Ausgestaltung der betrieblichen Organisation auf der Leitungsebene zu ändern, besaß der Kläger nicht. Selbst innerhalb des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs war seine Vertretungsbefugnis rechtlich zwingend auf den Umfang einer rechtsgeschäftlichen Handlungsvollmacht iS von § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) begrenzt, die sich zwar auf sämtliche Geschäfte erstreckt, die in einem Geschäftsbetrieb üblich sind, die jedoch nicht auf eine unmittelbare Vertretung der Gesellschaft, sondern lediglich auf ein (rechtlich nachgeordnetes) Handeln in Vollmacht des Geschäftsführers gerichtet war(BGH Urteil vom 20.10.2008 - II ZR 107/07 - NJW 2009, 293, 294 mwN). Schon von Gesetzes wegen (§ 54 Abs 2 HGB) waren jedenfalls die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung von der Bevollmächtigung ausgenommen. Die anderenfalls notwendige besondere Erteilung der Vollmacht auch für diese Befugnisse hat das LSG nicht festgestellt. Darüber hinaus unterlag der Kläger selbst in dem ihm danach zugewiesenen eingeschränkten Vollmachtsrahmen zwingend der Kontrolle des GmbH-Geschäftsführers (vgl zu dessen Stellung allgemein zB Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Aufl 2010, § 35 RdNr 76 mwN). Soweit der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingeschäftsführer der Beigeladenen zu 1. diese Kontrolle tatsächlich nicht oder nur sehr eingeschränkt ausübte, etwa weil - wie das LSG herausstellt - er sich darauf verließ, dass der Kläger die einzelnen Aufträge ordnungsgemäß einholte und durchführte, ist dies für die hier vorzunehmende Abgrenzung ebenso unbeachtlich, wie ein auch die zur Ausübung dieser Kontrolle notwendigen Weisungen umfassender Verzicht auf das Weisungsrecht, denn insoweit wären die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten (hierzu bereits oben a). Im Übrigen deutet sogar die Feststellung des LSG, der Zeuge R. sei "von dem Kläger eingestellt worden", den Arbeitsvertrag habe jedoch der Vater unterschrieben, darauf hin, dass die dem Kläger erteilten Vollmachten auch in der betrieblichen Praxis nicht umfassend, sondern begrenzt waren.
- 25
-
Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. Gleichzeitig blieb seine Position innerhalb des Unternehmens ohnehin deutlich hinter der organschaftlich begründeten Stellung eines Geschäftsführers - als solcher wurde er trotz der vorgenommenen Änderungen (weiterhin) nicht bestellt, sondern erst nach dem Tod des Vaters Ende August 2001 - zurück. Bereits aufgrund einer solchen Unterordnung unter den Geschäftsführer ist regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448 S 253).
- 26
-
Eine Vergleichbarkeit des Klägers mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten. Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG auch solche Einflussmöglichkeiten zu beachten, soweit sie einem Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen: BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f), doch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 5.2.1994 für die Beigeladene zu 1. übernommene Bürgschaft des Klägers über 100 000 DM ihm eine solche Einflussnahme ermöglichte. Aus diesem Grunde war der durch den Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 erfolgte, in seinem Umfang ohnehin begrenzte Verzicht auf das Weisungsrecht nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich im Konfliktfall jederzeit widerrufbar, ohne dass der Kläger dieses hätte verhindern können.
- 27
-
Für eine fortbestehende Eingliederung in eine vorgegebene betriebliche Ordnung trotz des - wie aufgezeigt - begrenzten Verzichts auf ein Weisungsrecht spricht auch die im Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 festgelegte Bindung der vom Kläger im Übrigen frei selbst zu bestimmenden Arbeits- und Urlaubszeit an die "Lage der Gesellschaft" (in diesem Sinne zur Bindung der Urlaubsplanung an die Bedürfnisse der Geschäftsführung BSG SozR 3-2200 § 723 Nr 4 S 17). Dass der Kläger im Rahmen der ihm erteilten begrenzten Vollmachten vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, spricht - wie das BSG bezogen auf Geschäftsführer einer kleineren GmbH bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1, RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17)- nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.
- 28
-
Ebenso hat das BSG bereits entschieden, dass die Gewährung einer Tantieme als solche nicht genügt, um eine Beschäftigung auszuschließen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 18 mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl zB BSG SozR 2100 § 17 Nr 3; BSG Urteil vom 28.4.1982 - 12 RK 12/80 - Die Beiträge 1982, 382 = USK 8244), ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering. Wie die Gewichtung beispielsweise bei einer Tätigkeit in einem Einzelunternehmen zu beurteilen ist, wenn die Tätigkeit im fremden oder im (auch) eigenen Betrieb in Frage steht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Eine Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb scheidet hier bereits aufgrund der Rechtsform der Beigeladenen zu 1., einer GmbH, an deren Stammkapital der Kläger nicht beteiligt war, aus (vgl oben unter b). Daher ist es auch unschädlich, dass das LSG die konkrete Höhe der Tantieme und Anlass, zu sicherndes Risiko sowie Fortbestand der Bürgschaft während des streitigen Zeitraums nicht festgestellt hat und somit das Ausmaß des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Klägers am Erfolg der Beigeladenen zu 1. nicht einmal genau feststeht.
- 29
-
Soweit das LSG im Hinblick auf die Bürgschaft über ein wirtschaftliches Eigeninteresse hinaus auch ein "typisches Unternehmerrisiko" des Klägers angenommen und als Indiz für eine Selbstständigkeit gewertet hat, erfasst es die Bedeutung dieses Merkmals im vorliegenden Kontext nicht zutreffend. So kann eine Bürgschaft wie die des Klägers für die Beigeladene zu 1., bei der er die hier streitige Tätigkeit ausübt, in erster Linie für die Abgrenzung einer Beschäftigung gegenüber einer durch "Mitunternehmerschaft" begründeten Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb von Bedeutung sein. Für die vorliegend vorzunehmende Zuordnung einer Tätigkeit in einem - wie oben dargelegt zweifellos - fremden Betrieb ist ihre Bedeutung jedoch gering. Denn diese Bürgschaft begründete kein mit der Tätigkeit - sei es als Beschäftigter oder selbstständiger Dienstverpflichteter - des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. verbundenes Risiko. Es handelt sich nämlich nicht um einen mit den geschuldeten Diensten verbundenen Aufwand, weil die Bürgschaft für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich war. Die Gründe für ihre Bestellung sind vielmehr außerhalb der Beschäftigung bzw des Dienstverhältnisses zu suchen (vgl hierzu allgemein Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 153). Bezogen auf seine Tätigkeit hatte der Kläger gerade kein Unternehmerrisiko zu tragen; denn als Gegenleistung für seine Tätigkeit stand ihm nach den Feststellungen des LSG auch nach dem 30.4.1996 unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Beigeladenen zu 1. ein Anspruch auf "die Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes" zu, wie dies für Beschäftigte typisch ist. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte der Kläger - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen.
- 30
-
d) Die Annahme von Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. kann schließlich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht von in Familiengesellschaften verrichteten Tätigkeiten gestützt werden.
- 31
-
Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings
: BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37) . Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten habe (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger uU vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).
- 32
-
Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür Einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, größere Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, aaO, § 7 RdNr 124). Eine solche "SchönwetterSelbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).
- 33
-
Auf die dargestellte Frage kommt es vorliegend nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger habe seit April 1996 die Geschäfte der Beigeladenen zu 1. "nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten" können (vgl dazu BSG <11. Senat> BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4), nicht tragen. So hat das LSG seine Schlussfolgerung bereits selbst dahin eingeschränkt, dass der Kläger die Beigeladene zu 1. "mit seiner Schwester allein" geführt habe (Seite 15 des Urteils) bzw nur zusammen mit ihr habe führen können. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, dass das LSG keine Feststellungen zum Umfang des Einvernehmens zwischen dem Kläger und seiner Schwester getroffen hat. Denn auch bei großzügiger Auslegung des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 war die Leitungsmacht des Klägers ausschließlich auf "den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens" beschränkt. Nur die darauf bezogenen "entsprechenden Vollmachten" wurden erteilt oder sollten noch erteilt werden. Die Leitung der Beigeladenen zu 1. insgesamt war dem Kläger damit nicht übertragen worden. Auf Grundlage der Feststellungen des LSG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Schwester und den - wenn auch zunehmend nur noch der Form halber - weiterhin an der Unternehmensleitung mitwirkenden Vater derart dominiert hätte, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Gesamtleitung der Beigeladenen zu 1. allein durch den Kläger vorgelegen hätte. Vielmehr hat auch das LSG alleinige Branchenkenntnisse des Klägers nicht in allumfassender Weise, sondern nur in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte festgestellt. Die Leitung des kaufmännischen Teils des Unternehmens hatte der Vater des Klägers gerade mit Rücksicht auf deren durch eine Ausbildung bei einem Steuerberater erworbenen Kenntnisse der Schwester des Klägers übertragen. Zudem verfügte der Vater des Klägers über langjährige Erfahrung in der Leitung des Gesamtunternehmens, die er als Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer bereits zu einem Zeitpunkt innehatte, bevor der Kläger die Meisterprüfung ablegte und zum Betriebsleiter bestellt wurde. Zugleich spricht der Umstand, dass der Kläger und seine Schwester trotz Übertragung bereichsbezogener Leitungsfunktionen und eines Verzichts des Vaters auf "das Weisungsrecht" nicht zu Geschäftsführern berufen wurden, dafür, dass sich der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer eine Kontrolle und Letztentscheidungsbefugnis zumindest bezüglich grundlegender unternehmerischer Entscheidungen vorbehalten wollte. Nicht zuletzt spricht auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. im Erbgang an die Mutter und nicht den Kläger und seine Schwester fiel, dafür, dass ihr Vater das Unternehmen trotz seiner fortschreitenden Krankheit jedenfalls während des hier zu beurteilenden Zeitraums noch nicht vollständig an seine Kinder übergeben hatte.
Tenor
-
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 aufgehoben.
-
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
-
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 18 877,06 Euro festgesetzt.
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1. als Familienhelferin der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag und ob das klagende Land Berlin für sie Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu entrichten hat.
- 2
-
Die Beigeladene zu 1. ist Diplompädagogin und Diplompsychologin. Sie war von Juli 1995 bis 31.12.1999 als Familienhelferin für den Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe tätig, indem sie jugendhilferechtlich leistungsberechtigte Familien regelmäßig in deren Wohnung aufsuchte und diese dort vor Ort unterstützte; ab 1.1.2000 setzte die Beigeladene zu 1. die Tätigkeit für den Kläger als (abhängig) Beschäftigte eines freien Jugendhilfeträgers fort. Der Kläger legte für die von ihm bis 31.12.1999 als selbstständig angesehene Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. - wie in ähnlichen anderen Fällen auch - einen "Helfervorgang" mit ihren persönlichen Daten auf einem "Personenblatt" mit Nachweisen ihrer bisherigen Ausbildung und Tätigkeiten, Lebenslauf und Führungszeugnis an. Zu der Tätigkeit der Beigeladene zu 1. kam es jeweils nach der Bewilligung von Leistungen nach §§ 27, 31 SGB VIII an die Familien durch den Kläger. Diese Leistungsbewilligung erfolgte auf der Grundlage eines durch einen beim Kläger beschäftigten Sozialarbeiter erstellten Hilfeplans, der den Einsatz einer Familienhelferin vorsah und Aufgaben und Ziele der Hilfen umschrieb. Der Bewilligungsbescheid regelte die Übernahme der Kosten für den Familienhelfereinsatz in einem bestimmten Zeitraum mit einer festgelegten Wochenstundenzahl, benannte die Beigeladene zu 1. als ausführende Person und enthielt den Hinweis, dass seitens des Klägers mit dieser direkt abgerechnet werde. Die Beigeladene zu 1. erhielt Durchschriften der Bescheide und wurde in Anschreiben des Klägers zugleich darüber informiert, dass das "Familienhelfergeld" 26,40 DM je Stunde betrage; wörtlich heißt es in den Anschreiben: "Wir weisen darauf hin, dass die Familienhelfertätigkeit nicht im Rahmen von Rechtsbeziehungen zum Land Berlin ausgeübt wird, insbesondere zum Land Berlin kein Arbeitsverhältnis, freies Dienstvertrags- oder Werkvertragsverhältnis begründet wird". Die Beigeladene zu 1. war berechtigt, die Übernahme einer Betreuung abzulehnen. Für die Abrechnung hatte die Beigeladene zu 1. dem Kläger monatliche Stundenaufstellungen vorzulegen, die von ihr und den betreuten Familien zu unterzeichnen waren. Der Kläger gewährte der Beigeladenen zu 1. neben der beschriebenen Vergütung "Urlaubsabgeltung" sowie laufende monatliche Zuschüsse zu ihrer freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von "6,6 %". Die Beigeladene zu 1. arbeitete pro Betreuungsfall maximal 14 Stunden wöchentlich neben einer Weiterbildung zur Verhaltenstherapeutin; teilweise betreute sie gleichzeitig zwei oder mehrere Familien. Darüber, ob die Hilfebedürftigkeit iS des Jugendhilferechts fortbestand, informierte sie den Kläger in Gesprächen und erstellte Berichte über ihre Tätigkeit.
- 3
-
Im Mai 1999 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle die Prüfung, ob sie in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin der Sozialversicherungspflicht unterliege. Die Beklagte stellte daraufhin - nach einem vorangegangenen anderen Rechtsstreit - gegenüber dem Kläger fest, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin vom 1.12.1995 bis 31.12.1999 der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe, und forderte vom Kläger Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 18 877,06 Euro (Bescheid vom 27.12.2004; Widerspruchsbescheid vom 14.3.2005).
- 4
-
Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 24.1.2007). Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen: Zwar sprächen für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum das fehlende Unternehmerrisiko, das stundenweise gezahlte, in Bezug auf seine Höhe vom Kläger vorgegebene Honorar, die Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung und die Abgeltung von Urlaub; es überwögen jedoch - bei gleichzeitigem Vorliegen einiger "neutraler" Gesichtspunkte - die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale. Diese Merkmale seien der Inhalt der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen, die zeitliche Beanspruchung der Beigeladenen zu 1. durch die Tätigkeit und ihre fehlende Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Klägers. So sei die Beigeladene zu 1. nur bei der erstmaligen Übernahme eines Einsatzes sowie bei eventuellen Gesprächen über den Stand der Hilfe in Kontakt mit den Mitarbeitern des Klägers getreten. Auch habe sie im Wesentlichen Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmen können, wie bereits "aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin" folge. Dass dem Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Abs 1 SGB VIII die Gesamtverantwortung für die von ihm zu erbringenden Leistungen nach dem SGB VIII oblegen habe, lasse keine Rückschlüsse auf eine Tätigkeit der von ihm eingesetzten Personen als Arbeitnehmer zu (Urteil vom 22.9.2010).
- 5
-
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung der § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III sowie sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Die Gesamtschau aller Umstände ergebe hier, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit für den Kläger beschäftigt und damit versicherungspflichtig gewesen sei. Dafür sprächen neben der Gewährung von Zuschüssen zur Krankenversicherung, der Abgeltung von Urlaub und einem fehlenden Unternehmerrisiko vor allem die Eingliederung der Beigeladenen zu 1. in die Arbeitsorganisation des Klägers, die aus der Wahrnehmung der ihm obliegenden gesetzlichen Aufgaben im Bereich des Jugendhilferechts, insbesondere seiner Verantwortung nach § 79 Abs 1 SGB VIII und nach § 36 Abs 2 SGB VIII, folge. Zum Ausschluss von Haftungsrisiken habe er die Tätigkeit sowie die Aus- und Fortbildung der von ihm eingesetzten Familienhelfer weitgehend selbst zu kontrollieren. Die gesetzlich vorgeschriebene Verknüpfung von Kontakt- und Berichtspflichten ermögliche eine ständige, die freie Gestaltung der Tätigkeit einschränkende Überwachung der Familienhelfer durch den zuständigen Sozialarbeiter. Das Weisungsrecht des Klägers dokumentiere sich in erstellten und fortgeschriebenen Hilfeplänen, in Rücksprachen sowie in den Berichtspflichten der Beigeladenen zu 1.
- 6
-
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 und des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 7
-
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
- 8
-
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zuschüsse zur Krankenversicherung seien bis zum Ende des Jahres 2003 freien Mitarbeitern, die den Status arbeitnehmerähnlicher Personen gehabt hätten und als sozial schutzbedürftig angesehen worden seien, ohne rechtliche Verpflichtung als freiwillige Leistung gezahlt worden. Aus dem primär auf den Hilfeempfänger bezogenen und für die öffentlich-rechtliche Bewilligung erforderlichen Hilfeplanverfahren könne ein für eine Beschäftigung sprechendes Weisungsrecht nicht hergeleitet werden.
- 9
-
Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.
- 10
-
Der zu 3. beigeladene Rentenversicherungsträger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 und des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 hinsichtlich der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.
- 11
-
Er schließt sich der Rechtsauffassung der Beklagten an. Ergänzend führt er aus, der Träger der öffentlichen Jugendhilfe sei verpflichtet, aufgrund seiner Gesamtverantwortung gemäß § 79 SGB VIII und in Erfüllung seines Schutzauftrags gemäß § 8a SGB VIII sicherzustellen, dass der jeweilige Vertragspartner die nach dem SGB VIII und nachgeordneten Regelungen bestehenden Pflichten und Qualitätsanforderungen bei der Leistungserbringung erfülle. Jedenfalls für Leistungen der Jugendhilfe nach § 31 SGB VIII erfordere die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung eine derart enge Anbindung der eingesetzten Mitarbeiter, dass diese in die betrieblichen Abläufe eingegliedert sein müssten. Deshalb könnten diese Tätigkeiten der Familienhilfe - wie sie auch durch die Beigeladene zu 1. erfolgt seien - nur im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden.
- 12
-
Die zu 2. beigeladene Pflegekasse und die zu 4. beigeladene Bundesagentur für Arbeit stellen keinen Antrag. Sie schließen sich im Wesentlichen der Auffassung der Beklagten an.
Entscheidungsgründe
- 13
-
Die zulässige Revision der beklagten Krankenkasse ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (vgl § 170 Abs 2 S 2 SGG).
- 14
-
Das Urteil, mit dem das LSG die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen hat, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand. Das LSG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtswidrig seien, weil die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin nicht als Beschäftigte sozialversicherungspflichtig gewesen sei und der Kläger für sie deshalb keine Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten habe. Die - aus einer unzureichenden Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. gewonnene - Beurteilung des LSG, dass die Beigeladene zu 1. selbstständig tätig war, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Ob die Beklagte deren Versicherungspflicht als Beschäftigte zu Recht festgestellt und die Beiträge in zutreffender Höhe festgesetzt hat, kann der Senat allerdings nicht selbst entscheiden, weil es dazu an erforderlichen weiteren Feststellungen durch das LSG fehlt. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
- 15
-
1. Allerdings hat das LSG für sein Urteil einen zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt gewählt und dazu im Kern zutreffend die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen - Versicherungspflicht begründender - Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit entwickelten Grundsätze herangezogen.
- 16
-
In den Jahren 1995 bis 1999, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 168 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz bzw § 25 Abs 1 S 1 SGB III, jeweils in den seinerzeit maßgebenden Gesetzesfassungen). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R, USK 2011-125, Juris RdNr 16 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG Urteil vom 28.5.2008 -B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f; jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).Das kann bei manchen Tätigkeiten - zB in Bereichen, in denen persönliche Zuwendung Gegenstand zu erbringender Dienste ist - dazu führen, dass sie nach den jeweiligen Umständen sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden können (zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R, USK 2011-125, Juris RdNr 17
; BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN .)
- 17
-
2. Das LSG hat unter zutreffender Berücksichtigung der im SGB VIII geregelten Familienhilfe (dazu unter a) diese Grundsätze angewandt (dazu unter b). Es hat jedoch nicht alle für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände aufgeklärt, in ihrer indiziellen Wirkung erkannt und ihnen daher nicht das Gewicht und den Stellenwert beimessen können, der diesen Umständen im Rahmen der Gesamtabwägung der für die Abgrenzung heranzuziehenden Tätigkeitsmerkmale zukommen muss (dazu unter c).
- 18
-
a) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem LSG allerdings darin zuzustimmen, dass nicht schon aus der einen Jugendhilfeträger treffenden Gesamtverantwortung für die Erbringung von Familienhilfe nach dem SGB VIII zu entnehmen ist, die Tätigkeit einer Familienhelferin - wie von der Beigeladenen zu 1. ausgeübt - könne (rechtmäßig) nur in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werden.
- 19
-
Den Regelungen des SGB VIII, insbesondere § 79 Abs 1 SGB VIII, aber auch § 31 und § 36 SGB VIII sowie § 8a SGB VIII, kann kein für eine Beschäftigung sprechendes, eine persönliche Abhängigkeit iS von § 7 Abs 1 SGB IV begründendes Weisungsrecht des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1. entnommen werden. Entscheidend ist insoweit, dass das SGB VIII schon von seinem Regelungsansatz her keine Aussagen über den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Status von Familienhelfern treffen will und trifft, sondern allein die - dann im Einzelnen näher ausgestaltete - staatliche Verantwortung für die Aufgaben der Jugendhilfe im Verhältnis zu den Leistungsberechtigten im Blick hat (vgl im hier bedeutsamen Zusammenhang § 27 Abs 1 Nr 2 und Nr 4 SGB I, § 2 Abs 1 und Abs 2 Nr 2 und Nr 4 iVm §§ 16 ff, 27 ff SGB VIII). Selbst die Regelungen des SGB VIII über die Leistungserbringung enthalten keine Vorgaben über den sozialversicherungsrechtlichen Status von Mitarbeitern (vgl dagegen zB §§ 72, 72a SGB VIII zu den persönlichen und fachlichen Anforderungen an Mitarbeiter bei Trägern der öffentlichen Jugendhilfe). Zwar tragen nach § 79 Abs 1 SGB VIII die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung. Hieraus folgt jedoch keine für eine Beschäftigung typische Weisungsbefugnis eines öffentlichen Jugendhilfeträgers gegenüber einem für ihn zur Aufgabenerfüllung Tätigen. Eine Weisungsbefugnis setzt vielmehr eine entsprechende rechtliche Verankerung, ggf durch vertragliche Vereinbarung, im Verhältnis zu dem Dritten voraus, der zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe herangezogen wird. Zwar hat das BAG in seinem Urteil vom 6.5.1998 (5 AZR 347/97 - BAGE 88, 327 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) die Weisungsabhängigkeit einer Familienhelferin (§ 31 SGB VIII) und deren Eingliederung in den Betrieb des Jugendhilfeträgers angenommen und das Weisungsrecht der den Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Abs 1 SGB VIII treffenden Gesamtverantwortung entnommen. Das BAG ist jedoch in seiner späteren Rechtsprechung (Urteil vom 25.5.2005 - 5 AZR 347/04 -, BAGE 115, 1 = AP Nr 117 zu § 611 BGB Abhängigkeit
) hiervon abgerückt. Es stellt nunmehr entscheidend darauf ab, dass aus § 79 Abs 1 SGB VIII und der jedermann treffenden Pflicht, öffentlich-rechtlichen Anordnungen der Aufsichtsbehörde im Jugendhilferecht nachzukommen, keine arbeitsrechtliche Weisungsgebundenheit der zur Erfüllung jugendhilferechtlicher Aufgaben eingesetzten Erwerbstätigen gegenüber dem Jugendhilfeträger abgeleitet werden kann. Dieser überzeugenden jüngeren Rechtsprechung schließt sich der Senat auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung an. Nichts anderes gilt für den den Hilfeplan betreffenden § 36 SGB VIII, weil diese Vorschrift ebenfalls keine Aussage zu dem arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Status einer Erwerbstätigkeit zur Erfüllung jugendhilferechtlicher Aufgaben und zur Umsetzung eines Hilfeplans trifft.
- 20
-
Die Regelung des § 8a SGB VIII konnte entgegen der Auffassung der Beklagten hier bereits deshalb keine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. begründen, weil sie erst mit Wirkung zum 1.10.2005 (durch Art 1 Nr 4 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8.9.2005, BGBl I 2729) in das SGB VIII eingefügt wurde und damit im hier streitigen Zeitraum bis Ende 1999 noch nicht galt. Hinsichtlich der von der Beigeladenen zu 3. benannten Vorschriften des Berliner Landesrechts kann offenbleiben, ob ihnen entsprechende Weisungsrechte zu entnehmen waren, weil diese ebenfalls erst nach 1999 in Kraft traten.
- 21
-
Ob - wie die Beklagte und die Beigeladenen zu 3. und 4. meinen - die Familienhilfe nach dem SGB VIII "sachgerecht" nur durch Beschäftigte, nicht aber durch Selbstständige erbracht werden kann (vgl hierzu zB Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, K § 31, RdNr 16 ff, Stand Einzelkommentierung 5/2004), kann hier dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, kann hieraus jedenfalls nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass auch der Kläger dieser Einschätzung folgen und sie in seiner Praxis bei der Erfüllung jugendhilferechtlicher Leistungsansprüche umsetzen wollte und dies entsprechend getan hat.
- 22
-
b) Das LSG hat die unter 1. beschriebenen Grundsätze zur Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit von einer (abhängigen) Beschäftigung zutreffend zum rechtlichen Ausgangspunkt seiner Erwägungen genommen. Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass eine Bewertung jeweils der einzelnen vom Kläger vergebenen Aufträge am Maßstab der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu erfolgen hat; maßgebend sind danach die Verhältnisse nach Annahme - also bei Durchführung - des einzelnen Auftrags (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45, Juris RdNr 24 ff).
- 23
-
Das LSG hat ausgehend von der Rechtsprechung des Senats zutreffend einige Merkmale der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. als Indizien für deren (abhängige) Beschäftigung gewertet, andere Umstände als Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen und dann eine Gesamtbetrachtung der Indizien vorgenommen. Es hat vor allem das fehlende Unternehmerrisiko (vgl dazu zB zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 mwN), das stundenweise gezahlte, vom Kläger der Höhe nach vorgegebene Honorar, die Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung sowie die Abgeltung von Urlaub als für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. sprechende Umstände gewertet und diesen Umständen einige von ihm als "neutral" eingestufte bzw für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Gesichtspunkte (Inhalt der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen - bei als "befremdlich" erscheinendem Hinweis, dass "keinerlei Rechtsbeziehungen" zwischen Kläger und Beigeladener zu 1. bestünden -, zeitliche Beanspruchung der Beigeladenen zu 1. durch die Tätigkeit, fehlende Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Klägers) gegenübergestellt. Als maßgebend für das Fehlen einer abhängigen Beschäftigung hat es das Fehlen der Ausübung eines "ins Einzelne gehenden Weisungsrechts" angesehen, gleichwohl aber andererseits die "weitgehende Freiheit von arbeitsbezogenen Weisungen" - ähnlich der Sachlage bei Diensten höherer Art - (wiederum) nicht als Beleg für Selbstständigkeit eingestuft. Die Beigeladene zu 1. sei nicht in einer Art und Weise in den Betrieb des Klägers eingegliedert gewesen, die auf eine Beschäftigung hindeute, weil sie nur bei der erstmaligen Übernahme eines Einsatzes sowie bei eventuellen Gesprächen über den Stand der Hilfe in Kontakt mit den Mitarbeitern des Klägers getreten sei. Die Beigeladene zu 1. habe auch im Wesentlichen Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmen können, wie bereits "aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin" folge. Es hat weiter zugrunde gelegt, dass dem in den schriftlichen Vereinbarungen dokumentierten Willen, keine Beschäftigung zu wollen, dann keine indizielle Bedeutung zukommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarungen rechtlich relevant abweichen, und dass dann maßgebend ist, wie die Rechtsbeziehung tatsächlich praktiziert wurde.
- 24
-
c) Das Urteil des LSG kann allerdings trotz seines zutreffend gewählten rechtlichen Ansatzes keinen Bestand haben, weil seine Abwägung der für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände rechtliche Defizite aufweist und deshalb der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand hält. Wesentliche Umstände, aus denen das LSG auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen hat, sind in ihren Hintergründen und ihrer Tragweite nicht hinreichend aufgeklärt worden, sodass eine nur unzureichende, sich in wesentlichen Punkten nur an der "Oberfläche" bewegende Gesamtwürdigung vorliegt, die die Annahme, die Beigeladene zu 1. sei als Familienhelferin für den Kläger im streitigen Zeitraum selbstständig tätig gewesen, nicht schlüssig und nachvollziehbar trägt.
- 25
-
Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als "nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert - wie oben unter 1. beschrieben - eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, dh für die Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das Gericht insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Gewicht zukommen kann als anderen, als weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb - der Struktur und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend - voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (vgl zu Abwägungsvorgängen im Sozialrecht, etwa bei der Ursachenbewertung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, zB BSGE 61, 127, 129 f = SozR 2200 § 548 Nr 84 S 235 f; BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 15 ff mwN; zu verschiedenen Formen der Abwägung allgemein - in unterschiedlichen Rechtsgebieten und Zusammenhängen - siehe die Beiträge von Koch und Ossenbühl in: Erbguth/Oebbecke/Rengeling/Schulte, Abwägung im Recht, Symposium zur Emeritierung von Werner Hoppe, 1996, S 9 ff, 25 ff; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl 2008, § 82
, S 651 ff; zur Abwägung widerstreitender Belange im Planungsrecht zB BVerwGE 45, 309, 314 ff; BVerwGE 64, 270, 271 ff).
- 26
-
Um diesen Anforderungen im vorliegenden Zusammenhang zu genügen, muss zunächst den für die Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit in Betracht kommenden Merkmalen der Tätigkeit nachgegangen und vorab das Vorliegen bzw Nichtvorliegen dieser Merkmale - verfahrensrechtlich beanstandungsfrei auf der Grundlage des Amtsermittlungsprinzips (§ 103 SGG) - festgestellt werden. Für die Prüfung, welche dieser festgestellten Merkmale bei einer Gesamtbetrachtung überwiegen, sind sodann alle entscheidungserheblichen Merkmale zu berücksichtigen und in ihrer Bedeutung zu gewichten sowie nachvollziehbar gegeneinander abzuwägen. Dem haben die Vorinstanzen bislang nicht hinreichend entsprochen.
- 27
-
So hätte zunächst genauer ermittelt und gewürdigt werden müssen, unter welchen rechtlichen Vorgaben Familienhelfer im Land Berlin in der streitigen Zeit bis Ende 1999 überhaupt tätig wurden und wie das Rechtsverhältnis der Beigeladenen zu 1., die gegen eine stundenweise, vom Kläger festgesetzte Vergütung arbeitete, in diesem Zusammenhang nach der im Land Berlin üblichen Praxis einzuordnen ist. Nach dem Akteninhalt und dem Vorbringen der Beteiligten könnten gewichtige Anhaltspunkte bestehen, die deutlicher als vom LSG angenommen für eine Beschäftigung und gegen eine Selbstständigkeit der Beigeladenen zu 1. sprechen und im Rahmen der Gesamtschau überwiegen könnten. Das LSG durfte es nicht dabei belassen, dass Vorgaben über die Ausgestaltung der tatsächlichen oder rechtlichen Beziehungen zwischen der Beigeladenen zu 1. und dem Kläger "nicht zu finden" seien und dass die Feststellung, es bestünden "keinerlei Rechtsbeziehungen" zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1., "befremdlich" erscheine, und nicht schon darauf seine Abwägung aufbauen. Dies rechtfertigt es, ein relevantes Abwägungsdefizit zu bejahen. Obwohl der vom LSG festgestellte Inhalt der vorhandenen Unterlagen den Schluss zulässt, dass Selbstständigkeit gewollt war, könnte den weiteren Umständen der Erwerbstätigkeit der Beigeladenen zu 1. gleichwohl zu entnehmen sein, dass diese abweichend hiervon als Beschäftigte tätig werden sollte und tatsächlich auch in dieser Weise tätig wurde. So sollte - wie bereits beschrieben - auf der einen Seite der einzelne Einsatz als Familienhelferin und dessen Durchführung allein mittelbar im Bewilligungsbescheid des Jugendamtes gegenüber der leistungsberechtigten Familie seine Grundlage haben und sollten sogar "keinerlei Rechtsbeziehungen zum Land Berlin" begründet und Arbeitnehmerrechte (insbesondere auf Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen) nicht gewährt werden. Im Gegensatz dazu steht die Gewährung typischer Arbeitnehmerleistungen des Klägers an die Beigeladene zu 1. ("Urlaubsabgeltung", was gedanklich einen eingeräumten Urlaubsanspruch voraussetzt; laufende gewährte Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von "6,6 %"). Allerdings wäre insoweit ebenso zu berücksichtigen, dass ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch arbeitnehmerähnlichen Personen zustehen kann, was der Senat in der Vergangenheit als Indiz für Selbstständigkeit angesehen hat (vgl BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - USK 2004-25, Juris RdNr 25). Zu den Einzelheiten der praktischen Gestaltung der Erwerbstätigkeit der Beigeladenen zu 1. fehlen die erforderlichen Feststellungen.
- 28
-
Nicht geprüft und ermittelt hat das LSG auch, ob aufgrund zusätzlicher Absprachen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. - zB in einer ggf mündlichen Rahmenvereinbarung über Einsätze als Familienhelferin, deren Umsetzung sich in den jeweils einzelnen Aufträgen vollzog (vgl zu einer solchen Rahmenvereinbarung zB BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45, Juris RdNr 18, 22), oder in zusätzlichen ggf mündlichen Abreden zu den einzelnen Einsätzen selbst - weitere Rechte und Pflichten bestanden, die für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. sprechen.
- 29
-
Hinzu kommen im vorliegenden Fall Hinweise auf ein gänzlich fehlendes rechtlich relevantes Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011, aaO). Unter diesem Blickwinkel könnten sich Zweifel an der Selbstständigkeit der Beigeladenen zu 1. ergeben, falls sich nach Ermittlungen herausstellen sollte, dass die Arbeitsstunden-Vergütung mit 26,40 DM brutto betragsmäßig im Bereich dessen lag, was einer Familienhelferin im Jugendhilfebereich mit der Qualifikation der Beigeladenen zu 1. als Angestellte tariflich oder einzelvertraglich als Vergütung zustand. Aufgeklärt werden müsste auch, ob die Beigeladene zu 1. in einer für Arbeitnehmer allerdings eher untypischen Weise ihre einzelnen Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen abbrechen konnte und vom Kläger ggf aus einem laufenden Einsatz gegen ihren Willen abgezogen und nach den Bedürfnissen einer fremden betrieblichen Organisation anderen Familien "zugeteilt" werden konnte (vgl zu diesen Gesichtspunkten BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 27). Vor diesem Hintergrund bleibt bislang offen, ob überhaupt typische Risiken, aber auch höhere Chancen einer vermeintlichen Selbstständigkeit bestanden.
- 30
-
Schließlich ergibt sich auch in Bezug auf weitere Abgrenzungsmerkmale Anlass zu einer näheren Betrachtung der Umstände, unter denen die Beigeladene zu 1. tätig wurde. Das LSG hat größere Entscheidungsspielräume der Beigeladenen zu 1., insbesondere eine im Wesentlichen Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmbare und von Kontrollen des Klägers weitgehend freie Arbeitsleistung, als letztlich entscheidend für die Selbstständigkeit angesehen. Insoweit fehlt es an einem Vergleich mit den Spielräumen, die einer in - ggf befristeten oder projektbezogenen - (Teilzeit-)Beschäftigung erwerbstätigen Familienhelferin für deren Tätigkeit eingeräumt waren. Da das LSG insoweit selbst davon ausgeht, bereits "aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin" folgten größere Spielräume, kann ein für die Tätigkeit bestehender Spielraum, der in gleicher Weise für eine angestellte, Familien vor Ort betreuende Familienhelferin besteht, kein maßgebendes Kriterium für die Abgrenzung selbstständiger Tätigkeit von Beschäftigung sein. Vielmehr ist hierzu zu ermitteln, welche wesentlichen, gerade einer Selbstständigkeit das Gepräge gebenden Freiräume für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bestanden, die einer im öffentlichen Dienst oder bei einem freien Träger beschäftigten Familienhelferin (als solche war die Beigeladene zu 1. ab dem Jahr 2000 für den Kläger eingesetzt) im streitigen Zeitraum nicht zustanden. Insoweit bietet es sich an, auch der Frage nachzugehen, ob höchstpersönliche Leistungspflichten und/oder Vertretungsregelungen bestanden. Diese nach entsprechenden Ermittlungen vorzunehmende Vergleichsbetrachtung ist dann in die erforderliche Gesamtabwägung einzustellen.
- 31
-
d) Dem Senat ist nach alledem wegen fehlender hinreichender Feststellungen des LSG keine eigene abschließende Entscheidung darüber möglich, ob die Beigeladene zu 1. bei einer rechtmäßigen, an bestimmte Voraussetzungen geknüpften Gesamtschau aller Umstände als Familienhelferin in der öffentlichen Jugendhilfe bei dem Kläger (abhängig) beschäftigt oder selbstständig tätig war. Deshalb hat das LSG die vorstehend unter c) beschriebenen, bislang fehlenden erforderlichen weiteren Feststellungen durch entsprechende Ermittlungen - ggf auch persönlicher Anhörung der Beigeladenen zu 1. - nachzuholen. Sodann muss das LSG eine darauf aufbauende neue Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der oben dargelegten Vorgaben vornehmen und gewichtend und abwägend erneut in der Sache entscheiden.
- 32
-
3. Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
- 33
-
4. Der Streitwert für das Revisionsverfahrens war gemäß § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des vom LSG für das Berufungsverfahren festgesetzten, der streitigen Beitragsforderung entsprechenden Betrages von 18 877,06 Euro festzusetzen.
Tenor
-
Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 wird aufgehoben.
-
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
-
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 10 573,62 Euro festgesetzt.
Tatbestand
- 1
-
Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen die Heranziehung von "Aufwandsentschädigungen", die ihre Rechtsvorgängerin Mitarbeitern für die Werbung neuer Mitglieder gezahlt hat, zur Bemessung von Beiträgen zu den Zweigen der Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung.
- 2
-
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der Kaufmännischen Krankenkasse (im Folgenden einheitlich: die Klägerin). Nach einer Betriebsprüfung für den Zeitraum 1.1.1998 bis 31.12.2001 forderte der beklagte Rentenversicherungsträger (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover) mit Bescheid vom 28.10.2002 von der Klägerin die Nachzahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen. Von der Gesamtforderung (13 536,82 Euro) entfielen 10 573,62 Euro auf Beiträge, die nach der Summe als sog "Aufwandsentschädigung" erfolgter Zahlungen erhoben wurden. Diese "Aufwandsentschädigung" von jeweils 30,00 DM wurde ca 400 Innendienstmitarbeitern der Klägerin, die andere dienstliche Aufgaben als die Mitgliederwerbung hatten und arbeitsvertraglich hierzu nicht verpflichtet waren, als Prämie für neu geworbene Krankenkassenmitglieder gezahlt. Hierzu hatte die Beklagte in einer Mitteilung "Aufwandsentschädigung für die Werbung neuer Mitglieder durch Innendienst-Mitarbeiter/innen" vom 18.6.1998 auf die "Notwendigkeit" der Bereitschaft von Innendienstmitarbeitern, neue Mitglieder zu gewinnen, hingewiesen. Den Widerspruch der Klägerin gegen die Berücksichtigung der "Aufwandsentschädigung" als Arbeitsentgelt wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.11.2004). Die Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 18.2.2009).
- 3
-
Die Berufung der Klägerin hat das LSG unter Änderung der Kostenentscheidung des SG zurückgewiesen (Urteil vom 5.11.2010): Die "Aufwandsentschädigungen" seien beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, denn sie seien an Innendienstmitarbeiter der Klägerin im ursächlichen Zusammenhang mit deren sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit gezahlt worden, auch wenn diese zur Mitgliederwerbung nicht verpflichtet gewesen seien. Dieser Zusammenhang bestehe, weil gerade das Wissen über die Aufgaben ihrer Organisation und die Kenntnisse über die Besonderheiten ihrer Krankenkasse sowie das hierdurch begründete besondere Vertrauen die Mitarbeiter in die Lage versetzt hätten, wirksam um neue Mitglieder zu werben. Diesen Zusammenhang habe auch die Klägerin erkannt, wie ihre Mitteilung vom 18.6.1998 belege. Im Ergebnis abweichende einkommensteuerrechtliche Rechtsprechung des BFH (BFHE 181, 488) sei für das Sozialversicherungsrecht nicht maßgeblich.
- 4
-
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 14 Abs 1 SGB IV. Die Innendienstmitarbeiter seien nicht in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer, sondern als Krankenkassenmitglieder werbend tätig geworden. Die Mitteilung vom 18.6.1998 sei ein bloßes internes Informationsschreiben an alle Landesverwaltungen, Regionalgeschäftsstellen und Geschäftsstellen zur Klärung der Frage gewesen, ob überhaupt Aufwandsentschädigungen hätten gezahlt werden dürfen. Selbst wenn man der Auffassung sei, es handele sich bei den Werbeaktivitäten der Betroffenen um eine selbstständige Tätigkeit neben der Beschäftigung, liege keine einheitliche Beschäftigung im Sinne der Rechtsprechung des BSG vor. Die Vorinstanzen gingen zu Unrecht davon aus, die Mitarbeiter hätten sich "Insiderwissen" bei der Werbung zunutze gemacht. Der Status als Mitarbeiter sei weder von ihr (der Klägerin) als besonderer Vorteil angesehen worden, noch begründe er ein besonderes Vertrauen bei den Umworbenen. Der vorliegende Sachverhalt sei nicht mit demjenigen der vom LSG zitierten BSG-Rechtsprechung vergleichbar, insbesondere weil die Prämie an alle Mitglieder für eine erfolgreiche Werbung gezahlt worden sei, dh auch ohne dass diese bei ihr beschäftigt gewesen seien.
- 5
-
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 und des Sozialgerichts Hannover vom 18. Februar 2009 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2004 aufzuheben, soweit darin die Zahlung von mehr als 2963,20 Euro gefordert wird.
- 6
-
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
- 7
-
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Sachverhalt sei ebenso zu beurteilen wie der des Urteils des BSG vom 15.2.1989 (12 RK 34/87 - SozR 2200 § 165 Nr 95).
Entscheidungsgründe
- 8
-
Die zulässige Revision der klagenden Krankenkasse ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (vgl § 170 Abs 2 S 2 SGG).
- 9
-
Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob die von der Klägerin in der Zeit vom 1.1.1998 bis 31.12.2001 an Innendienstmitarbeiter gezahlten "Aufwandsentschädigungen" als Arbeitsentgelt zur Beitragsbemessung in den Zweigen der Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung heranzuziehen waren, wie die Vorinstanzen übereinstimmend mit der von der Beklagten bei ihrer Betriebsprüfung gewonnenen Einschätzung meinen.
- 10
-
1. Das LSG ist in prozessrechtlicher Hinsicht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Beiladung der Arbeitnehmer, an die die streitige "Aufwandsentschädigung" gezahlt wurde, nicht erforderlich war, da die Beklagte die diesbezügliche Beitragsforderung durch Summenbescheid von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Beträge geltend machte (vgl BSGE 89, 158, 159 = SozR 3-2400 § 28f Nr 3 S 4). Jedoch ist auch im Rechtstreit über einen Summenbescheid die Beiladung der Fremdversicherungsträger geboten (BSG aaO). Daher wird das LSG vor der erneuten Verhandlung und Entscheidung nicht nur die notwendige Beiladung (§ 75 Abs 2 SGG) der Pflegekasse bei der Klägerin und der Bundesagentur für Arbeit nachzuholen haben. Vielmehr wird das LSG auch zu prüfen haben, ob im Betrieb der Klägerin noch andere Krankenkassen als sie selbst vertreten waren, auf die die durch Summenbescheid erhobenen Beiträge nach § 28i S 3 SGB IV iVm § 175 Abs 3 S 3 SGB V(jeweils idF durch Gesetz vom 21.12.1992, BGBl I 2266) und Ziff 5.3.3. der Gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Krankenkassenwahlrecht vom 22.11.2001 (Die Beiträge 2002, 312, 347, 352) aufzuteilen waren. In diesem Fall wären auch diese Krankenkassen, deren Pflegekassen sowie die Rechtsnachfolger der Landesversicherungsanstalten, in deren Bezirk diese Krankenkassen ihren Sitz hatten (§ 28k Abs 1 S 3 SGB IV idF durch Gesetz vom 20.12.1996, BGBl I 2049), notwendig beizuladen.
- 11
-
2. Die Revision ist nicht etwa bereits deshalb erfolgreich, weil die Beklagte die streitigen Beiträge im Rahmen der bei der Klägerin vorgenommenen Betriebsprüfung nicht im Wege eines Summenbescheids hätte geltend machen dürfen. Nach § 28p Abs 1 S 1 und 5 SGB IV(idF durch Gesetz vom 16.12.1997, BGBl I 2970) prüfen die Träger der Rentenversicherung mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Sie setzen insoweit auch Beiträge durch Verwaltungsakt fest. Dazu kann der prüfende Träger der Rentenversicherung nach § 28f Abs 2 SGB IV(idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594) den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt, dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können und das Arbeitsentgelt nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das LSG festgestellt, ohne dass insoweit Rechtsfehler erkennbar sind und die Beteiligten dies mit Revisionsrügen angreifen.
- 12
-
3. Die Revision der Klägerin führt indessen aus anderen Gründen jedenfalls zur Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob die von der Klägerin im streitigen Zeitraum an Innendienstmitarbeiter gezahlten "Aufwandsentschädigungen" für die Werbung von Neumitgliedern als Arbeitsentgelt zur Beitragsbemessung heranzuziehen sind.
- 13
-
Bemessungsgrundlage der Beiträge abhängig Beschäftigter ist in der Kranken-, Pflege-, Renten- sowie Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten (§ 226 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 57 Abs 1 SGB XI iVm § 226 Abs 1 S 1 SGB V, § 162 Nr 1 SGB VI, § 342 SGB III; jeweils in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung). Arbeitsentgelt sind nach dem bis heute inhaltlich unveränderten § 14 Abs 1 S 1 SGB IV (bis 31.3.1999 § 14 Abs 1 SGB IV) "alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden".
- 14
-
Eine Beitragspflicht der streitigen "Aufwandsentschädigungen" als Arbeitsentgelt in diesem Sinne folgt - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht bereits aus den im Urteil des Senats vom 15.2.1989 (BSG SozR 2200 § 165 Nr 95) aufgestellten Grundsätzen. Abweichend vom damaligen Sachverhalt wurden die "Aufwandsentschädigungen" vorliegend nämlich nicht unmittelbar aus der Beschäftigung erzielt. In dem genannten Urteil hatte der Senat dagegen Vergütungen, die Zeitungsausträger für die Werbung neuer Abonnenten gezahlt wurden, als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt angesehen, denn die sog Werbetätigkeit war kein von der versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigung als Zeitungsausträger abtrennbarer und - als neben dieser ausgeübte selbstständige Tätigkeit - einer eigenständigen rechtlichen Beurteilung fähiger Teil der Gesamttätigkeit. Hierfür fehlte es an einer für eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnenden Werbeinitiative. Vielmehr hatten die Zeitungsausträger nur im Sinne einer im Wesentlichen "mechanischen Botentätigkeit" die Wünsche von Interessenten an den Verlag weiterzugeben.
- 15
-
Demgegenüber gehörte im nun zu entscheidenden Fall nach den insoweit nicht mit zulässigen Revisionsrügen oder Gegenrügen angefochtenen und für den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG die Mitgliederwerbung weder zu den arbeitsvertraglichen Pflichten der Empfänger der "Aufwandsentschädigungen" im Rahmen ihrer Beschäftigung als Innendienstmitarbeiter, noch beschränkte sich der "Aufwand" auf die bloße Weitergabe von Beitrittswünschen. Vielmehr wurde nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt der Mitteilung der Klägerin vom 18.6.1998 gerade die Bereitschaft dieser Mitarbeiter zum Gewinnen neuer Mitglieder, also zur aktiv werbenden Tätigkeit erwartet und das hiermit verbundene Engagement mit der "Aufwandsentschädigung" in Form eines Geldbetrages erfolgsabhängig im Einzelfall honoriert.
- 16
-
Nach der Rechtsprechung des BSG gehören zu den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer Beschäftigung erzielt werden, und damit zum Arbeitsentgelt iS von § 14 Abs 1 S 1 SGB IV jedoch auch solche aus selbstständigen Tätigkeiten in einer sogenannten einheitlichen Beschäftigung. Eine einheitliche Beschäftigung ist anzunehmen, wenn eine selbstständige Tätigkeit mit einer abhängigen Beschäftigung derart verbunden ist, dass sie nur aufgrund der abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden kann und insgesamt wie ein Teil der abhängigen Beschäftigung erscheint (BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 8 S 16 ff und Nr 15 S 28 f). Die Art der Verbindung, die zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung bestehen muss, um eine einheitliche Beschäftigung annehmen zu können, lässt sich nicht abstrakt für alle selbstständigen Tätigkeiten umschreiben. Sie wird vielmehr von der Eigenart der jeweiligen selbstständigen Tätigkeit bestimmt. Diese muss nicht notwendig weitergehend mit der abhängigen Beschäftigung verbunden sein, etwa in der Art, dass sie in diese zeitlich, örtlich, organisatorisch und inhaltlich eingebunden ist, um eine einheitliche Beschäftigung anzunehmen. Abhängig von der Art der Tätigkeit kann eine einheitliche Beschäftigung auch bereits dann bejaht werden, wenn aus der Beschäftigung gewonnene Kenntnisse und Erfahrungen für die Tätigkeit genutzt werden müssen und die Tätigkeit dem Arbeitgeber nützlich ist (so BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 15 S 29 f).
- 17
-
Der durch die einheitliche Beschäftigung erfolgenden Verklammerung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit steht eine möglicherweise abweichende steuerrechtliche Beurteilung (vgl zu Prämien, die ein Verlagsunternehmen seinen Zeitungsausträgern für die Werbung neuer Abonnenten gewährt, BFHE 181, 488) nicht entgegen. Eine steuerrechtliche Beurteilung als Arbeitslohn oder als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit (= Arbeitseinkommen iS von § 15 Abs 1 SGB IV) ist für die Beurteilung der im Sozialversicherungsrecht eigenständig geregelten Arbeitsentgelteigenschaft (§ 14 SGB IV) nicht maßgebend oder vorgreiflich (vgl BSGE 66, 219, 221 = SozR 3-2400 § 14 Nr 2 S 4; BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 15 S 31). Eine Grenze findet die einheitliche Beschäftigung jedoch dort, wo der Zusammenhang zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kein notwendiger mehr ist, insbesondere wenn weder die selbstständige Tätigkeit als solche noch die konkrete Art und Weise ihrer Ausübung vom Bestand der Beschäftigung abhängig sind. In diesem Sinne setzt schon die Entwurfsbegründung zu § 14 SGB IV für den Begriff des Arbeitsentgelts einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Zuwendung und der Beschäftigung voraus(Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines SGB - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, BT-Drucks 7/4122 S 32 zu § 14; vgl auch BSG SozR 2100 § 14 Nr 19 S 17 f).
- 18
-
Der ursächliche Zusammenhang ist - wie oben dargelegt - nach der Eigenart der jeweiligen selbstständigen Tätigkeit zu bestimmen. Er würde vorliegend dann fehlen, wenn "Aufwandsentschädigungen" zu denselben Bedingungen in nennenswertem Umfang auch an nicht bei der Klägerin beschäftigte Personen gezahlt worden wären und die werbend tätigen Innendienstmitarbeiter der Klägerin aufgrund ihrer Beschäftigung gegenüber diesen Personen keine wesentlichen Vorteile hatten. Ein solcher Zusammenhang dürfte also auch dann bestehen, wenn werbende Innendienstmitarbeiter von Seiten der Klägerin für diese Tätigkeit Unterstützung erhielten, die nicht im selben Umfange auch Personen tatsächlich zuteil wurde, die nicht bei der Klägerin beschäftigt waren.
- 19
-
Ob im vorliegenden Fall eine einheitliche Beschäftigung und daher Arbeitsentgelt anzunehmen ist, kann der Senat auf Grundlage der wenigen Tatsachen, die das LSG festgestellt hat, selbst nicht abschließend beurteilen. Soweit das LSG einen Zusammenhang darauf gestützt hat, dass gerade das Wissen über die Aufgaben ihrer Organisation und die Kenntnisse über die Besonderheiten ihrer Krankenkasse sowie das hierdurch begründete besondere Vertrauen die werbenden Innendienstmitarbeiter in die Lage versetzt hätten, wirksam um Mitglieder zu werben, ist - wie auch die Klägerin der Sache nach rügt - nicht erkennbar, welche tatsächlichen Feststellungen dieser Behauptung zugrunde liegen. Insoweit wird das LSG noch festzustellen haben, ob es für eine solche Annahme tatsächliche Anhaltspunkte gibt, auf deren Grundlage es sich rechtsfehlerfrei eine entsprechende Überzeugung bilden kann. Anderenfalls wird es zu ermitteln haben, ob die in der mündlichen Verhandlung protokollierte und in der Revisionsbegründung wiederholte Behauptung der Klägerin zutrifft, die Prämie sei auch an nicht bei ihr angestellte Mitglieder für eine erfolgreiche Werbung gezahlt worden. Dabei wird ua der von Januar 2003 stammende Ausdruck einer Internet-Seite der Klägerin in der Verwaltungsakte der Beklagten (Bl 128) zu würdigen sein, wonach für eine durch externe Personen erfolgende Mitgliederwerbung (nur) eine "kleine Überraschung" und die Teilnahme an einer Verlosung ausgelobt wird. Sofern die "Aufwandsentschädigung" indessen tatsächlich in derselben Höhe auch an nicht bei der Klägerin beschäftigte Mitglieder gezahlt wurde, wird das LSG weiter Ermittlungen darüber anzustellen haben, ob die Innendienstmitarbeiter entgegen dem in der Mitteilung vom 18.6.1998 erweckten Anschein tatsächlich keinerlei Zugriff auf den Datenbestand der Klägerin hatten und von dieser auch nicht in anderer Weise unterstützt wurden, dh, ob sie einen "Wettbewerbsvorteil" gegenüber betriebsexternen Werbern hatten. Sollte das LSG anschließend dazu gelangen, dass das die gezahlten "Aufwandsentschädigungen" dem Grunde nach Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IV darstellen, so wird es weiter zu prüfen haben, ob dieses möglicherweise nach § 1 Arbeitsentgeltverordnung(in den Fassungen vom 18.12.1984, BGBl I 1642 und vom 12.12.1989, BGBl I 2177) gleichwohl nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen war. Sofern auf die "Aufwandsentschädigungen" grundsätzlich Beiträge zu erheben waren, wird das LSG sodann auch zu prüfen haben, ob die im angefochtenen Bescheid angenommene Zuständigkeit der Klägerin als Einzugsstelle für die gesamte nach der Summe festgestellte Beitragsforderung im Hinblick auf § 28i S 3 SGB IV iVm § 175 Abs 3 S 3 SGB V(jeweils idF durch Gesetz vom 21.12.1992, BGBl I 2266) und Ziff 5.3.3 der Gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Krankenkassenwahlrecht vom 22.11.2001 (Die Beiträge 2002, 312, 347, 352, dort Ziff 5.3.3) zutreffend war und ob sich anderenfalls auch aufgrund unterschiedlicher Beitragssätze Auswirkungen auf die Höhe der Beitragsforderung ergeben.
- 20
-
4. Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten. Die dennoch notwendige Streitwertfestsetzung durch den Senat (vgl BSGE 98, 238 = SozR 4-1300 § 111 Nr 4, RdNr 24) beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 47 Abs 1, § 52 Abs 1 und 3 GKG.
Tenor
-
Auf die Revision der Beigeladenen zu 3. wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein- Westfalen vom 9. September 2010 aufgehoben, soweit es die Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. betrifft. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14. Oktober 2008 wird insoweit zurückgewiesen.
-
Der Kläger und die Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
-
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2285,37 Euro festgesetzt.
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob die Beigeladene zu 1. als Betreuerin psychisch erkrankter Menschen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als Beschäftigte unterlag.
- 2
-
Die Beigeladene zu 1. war seit Januar 1990 bei dem klagenden Verein als Verwaltungsangestellte - seit 2005 wegen eines Studiums der Sozialarbeit im Umfang von 24 Wochenstunden - beschäftigt. Daneben unterstützte sie ab 1.9.2006 auf der Grundlage jeweils gesonderter Verträge mit dem Kläger "über die Übernahme einer eigenverantwortlichen Betreuung im Rahmen eines arbeitnehmerähnlichen Vertragsverhältnisses" psychisch kranke Menschen, die in einer betreuten Wohneinrichtung des Klägers lebten; die Vergütung hierfür überstieg regelmäßig nicht 400 Euro im Monat.
- 3
-
Auf Anfrage des Klägers stellte die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle mit Bescheid vom 7.12.2006 fest, dass die Beigeladene zu 1. auch in ihrer Tätigkeit als Betreuerin der Sozialversicherungspflicht als Beschäftigte des Klägers unterliege. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.1.2007 zurück.
- 4
-
Das SG hat die Klage abgewiesen, weil die Beigeladene zu 1. in ihrer weiteren Tätigkeit für den Kläger seit 1.9.2006 als Beschäftigte in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig sei (Urteil vom 14.10.2008). Nach Einlegung der Berufung durch den Kläger hat die Beklagte mit Bescheid vom 23.7.2009 unter Änderung des Ausgangsbescheides insoweit ergänzend die Feststellung der Versicherungspflicht in Bezug auf die Zweige der gesetzlichen Kranken-, sozialen Pflege-, gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung und deren Beginn ab 1.9.2006 konkretisiert. Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und unter Aufhebung der ergangenen Bescheide festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in der Zeit von September 2006 bis November 2009 in ihrer weiteren Tätigkeit nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei: Zwar sei die Beigeladene zu 1. in ihrer betreuenden Tätigkeit nicht selbstständig tätig, sondern beschäftigt gewesen; sie habe jedoch in dieser Beschäftigung nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen, weil sie als Betreuerin beim Kläger nur geringfügig iS von § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV beschäftigt und damit versicherungsfrei gewesen sei. Eine Zusammenrechnung der Entgelte aus beiden Beschäftigungen habe hier nicht gemäß § 8 Abs 2 S 1 SGB IV zu erfolgen. Entgegen der Auffassung der Beklagten und der älteren Rechtsprechung des BSG (BSGE 55, 1 = SozR 2200 § 168 Nr 7) sei eine weitere geringfügige Nebenbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber wegen des eindeutigen, deutlich von dem Wortlaut der bis zum 30.6.1977 geltenden Regelung des § 168 Abs 1 Nr 1 RVO abweichenden Wortlauts des § 8 Abs 2 S 1 SGB IV und der seit 1998 bestehenden Regelung über das Teilarbeitslosengeld sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung(BSGE 88, 180 = SozR 3-4300 § 150 Nr 1) nicht als einheitliche Beschäftigung anzusehen (Urteil vom 9.9.2010).
- 5
-
Mit seiner auf die Entscheidung des LSG zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung der Beigeladenen zu 1. beschränkten Revision rügt der zu 3. beigeladene Rentenversicherungsträger die Verletzung von § 1 S 1 Nr 1, § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 8 Abs 1 Nr 1 und Abs 2 S 1 SGB IV. Zwar sei das LSG zutreffend davon ausgegangen, dass die Beigeladene zu 1. in allen Tätigkeiten beim Kläger beschäftigt gewesen sei, alle bei demselben Arbeitgeber ausgeübten Beschäftigungen seien jedoch entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des BSG ohne Rücksicht auf ihre arbeitsvertragliche Gestaltung als eine einheitliche (versicherungspflichtige) Beschäftigung anzusehen. BSG-Rechtsprechung zum Teilarbeitslosengeld stehe dem nicht entgegen, weil der Begriff "Beschäftigung" dort einen abweichenden leistungsrechtlichen Inhalt habe.
- 6
-
Die Beigeladene zu 3. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. September 2010 aufzuheben, soweit es die Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. betrifft, und insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14. Oktober 2008 zurückzuweisen.
- 7
-
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 3. zurückzuweisen.
- 8
-
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Zu Recht habe das LSG angenommen, dass neben der Hauptbeschäftigung eine versicherungsfreie geringfügige Nebenbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber vorgelegen habe.
- 9
-
Die Beklagte, die Beigeladene zu 1., die zu 2. beigeladene Pflegekasse und die zu 4. beigeladene Bundesagentur für Arbeit haben keinen Antrag gestellt. Die Beigeladene zu 4. schließt sich der Rechtsauffassung der Beigeladenen zu 3. an.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die zulässige Revision der Beigeladenen zu 3. (= Träger der gesetzlichen Rentenversicherung) ist begründet und führt zur Aufhebung des LSG-Urteils, soweit es die Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. betrifft, sowie insoweit zur Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil.
- 11
-
Das LSG hat zu Unrecht das klageabweisende Urteil des SG sowie die Bescheide der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle (Bescheid vom 7.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.1.2007 und des ergänzenden Bescheides vom 23.7.2009) in vollem Umfang aufgehoben und das Nichtbestehen von Rentenversicherungspflicht festgestellt.
- 12
-
Die Bescheide der Beklagten sind hinsichtlich der im Revisionsverfahren allein (noch) streitigen Feststellung der Rentenversicherungspflicht rechtmäßig. Die Beigeladene zu 1. war im streitigen Zeitraum von September 2006 bis November 2009 in ihrer für den Kläger ausgeübten weiteren Tätigkeit als Betreuerin nicht wegen Geringfügigkeit dieser Beschäftigung versicherungsfrei, sondern unterlag auch insoweit der Versicherungspflicht als Beschäftigte.
- 13
-
1. Gegenstand der Revision der Beigeladenen zu 3. ist entsprechend dem von ihr gestellten, auf die Rentenversicherungspflicht beschränkten Antrag die Aufhebung des Urteils des LSG, soweit es das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten hinsichtlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgehoben hat. Der während des Berufungsverfahrens erlassene Bescheid vom 23.7.2009 hat den Bescheid vom 7.12.2006 um die Feststellungen des Bestehens von Versicherungspflicht in den im Einzelnen konkretisierend genannten Versicherungszweigen sowie hinsichtlich deren Beginn in der weiteren Beschäftigung iS von § 96 Abs 1 SGG iVm § 153 Abs 1 SGG ergänzt und insoweit ersetzt(vgl allgemein BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 13). Zwar hat das LSG den Bescheid vom 23.7.2009 im Tenor seines Urteils nicht ausdrücklich benannt, aus dessen Hervorhebung in den Entscheidungsgründen als vom LSG geprüfter Bescheid ergibt sich jedoch, dass es über beide Bescheide entschieden und diese vollständig aufgehoben hat.
- 14
-
2. Die Revision der Beigeladenen zu 3. ist zulässig. Die Beigeladene zu 3. war als Rentenversicherungsträger befugt, gegen das Urteil des LSG - soweit es die ihren Aufgabenbereich berührende Rentenversicherungspflicht betrifft - Revision einzulegen, weil die Entscheidung des LSG sie insoweit beschwert (vgl BSGE 17, 1, 2 = SozR Nr 31 zu § 165 RVO; BSGE 84, 136, 139 = SozR 3-2400 § 28h Nr 9). Die Revision hat auch in der Sache Erfolg (dazu im Folgenden 3. bis 5.).
- 15
-
3. Zutreffend hat das LSG die Beklagte als die für die Durchführung der Krankenversicherung der Beigeladenen zu 1. zuständige Krankenkasse und damit als Einzugsstelle angesehen, die gemäß § 28h Abs 2 SGB IV(in der hier anwendbaren, bis zur Änderung durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5.8.2010
geltenden Fassung) iVm § 28i S 1 SGB IV für die Entscheidung über das Bestehen von Versicherungspflicht in der weiteren Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. für den Kläger zuständig war. Zwar ist die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gemäß § 28i S 5 SGB IV(idF des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004, BGBl I 3242) bei geringfügigen Beschäftigungen die zuständige Einzugsstelle; für die vom Arbeitgeber beantragte Feststellung, ob ein bei ihm versicherungspflichtig Beschäftigter auch in einer weiteren Tätigkeit bei ihm der Versicherungspflicht unterliegt, verblieb es jedoch bei der Zuständigkeit der für den versicherungspflichtig Beschäftigten bisher zuständigen Krankenkasse.
- 16
-
4. Die Beklagte hat in ihren Bescheiden ausgehend von den dafür maßgebenden Rechtsgrundlagen zutreffend angenommen, dass die Beigeladene zu 1. von September 2006 bis November 2009 auch in ihrer weiteren Tätigkeit als Betreuerin beschäftigt war und deshalb der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.
- 17
-
a. In den Jahren 2006 bis 2009, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 1 S 1 Nr 1 SGB VI der Versicherungspflicht. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr, vgl zum Ganzen zB BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 24/10 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - Juris RdNr 16).
- 18
-
b. Im vorliegenden Rechtsstreit ist das LSG für die hier (allein) zu beurteilende Fallkonstellation auf der Grundlage der genannten Rechtsprechung und aufgrund einer Gesamtwürdigung der von ihm ermittelten, als Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit oder eine Beschäftigung in Betracht kommenden tatsächlichen Umstände nach seinen nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen (vgl § 163 SGG) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Betreuerin von September 2006 bis November 2009 beschäftigt war. Hiervon gehen gleichermaßen die Beteiligten aus. Die vom Berufungsgericht hierbei zu Grunde gelegten rechtlichen Grundsätze sind zutreffend, auch die von ihm vorgenommene Gesamtwürdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl zu den Prüfungsmaßstäben BSG aaO Juris RdNr 22 ff).
- 19
-
5. Zu Unrecht ist das LSG allerdings zu der Einschätzung gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer weiteren für den Kläger ausgeübten Beschäftigung wegen Geringfügigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung ausnahmsweise nicht versicherungspflichtig, sondern versicherungsfrei war. Die Voraussetzungen des § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI lagen darauf bezogen nicht vor.
- 20
-
a. Gemäß § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI in der hier anzuwendenden ab 1.4.2003 geltenden Fassung (des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4621) sind in der gesetzlichen Rentenversicherung Personen in einer geringfügigen Beschäftigung iS von § 8 Abs 1 und § 8a SGB IV versicherungsfrei. Gemäß § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV(idF dieses Gesetzes, aaO) liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus ihr regelmäßig 400 Euro im Monat nicht übersteigt. Aus § 5 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB VI(in der ab 1.4.2003 geltenden Fassung dieses Gesetzes, aaO) iVm § 8 Abs 2 SGB IV folgt, dass - mit Ausnahme einer geringfügigen Beschäftigung - eine geringfügige Beschäftigung mit einer nicht geringfügigen, in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigung zusammenzurechnen ist. Zu Unrecht hat das LSG angenommen, dass die Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. als Betreuerin eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung iS dieser Vorschriften war, die nicht mit ihrer beim Kläger darüber hinaus ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung als Verwaltungsangestellte zusammenzurechnen war.
- 21
-
b. Zwar hat das LSG festgestellt, dass das aus der weiteren Beschäftigung erzielte Entgelt der Beigeladenen zu 1. in der streitigen Zeit von September 2006 bis November 2009 in der Regel 400 Euro monatlich nicht überstieg. Eine daran anknüpfende geringfügige Beschäftigung iS von § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI, § 8 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGB IV lag bereits deshalb nicht vor, weil die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. als Betreuerin bei demselben Arbeitgeber verrichtet wurde. Infolgedessen ist von einer (einzigen) einheitlichen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. im Sinne dieser Vorschriften mit einem Gesamtentgelt auszugehen, das die für die Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit geltende Entgeltgrenze überstieg.
- 22
-
c. Dem LSG kann nicht darin gefolgt werden, dass neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung auch dann vorliegen kann, wenn letztere bei demselben Arbeitgeber verrichtet wird.
- 23
-
Der Senat hat schon in seinem Urteil vom 16.2.1983 (12 RK 26/81 - BSGE 55, 1 = SozR 2200 § 168 Nr 7)entschieden, dass Beschäftigungen unabhängig von deren arbeitsvertraglicher Gestaltung bei demselben Arbeitgeber sozialversicherungsrechtlich für die Beurteilung der Geringfügigkeit als Voraussetzung für die Versicherungsfreiheit nicht nur nach § 168 Abs 1 Nr 1 RVO und § 1228 Nr 4 RVO in den bis zum 30.6.1977 geltenden Fassungen (aF), sondern auch in den ab 1.7.1977 geltenden Fassungen als einheitliche Beschäftigung zu werten waren. Er hat dies unter Berücksichtigung des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften damit begründet, dass es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass mit der Neufassung dieser Vorschriften eine weitreichende Rechtsänderung dahin erfolgen sollte, dass eine Nebenbeschäftigung, die ausdrücklich nach § 168 Abs 1 Nr 1 RVO aF und § 1228 Nr 4 RVO aF neben einer Hauptbeschäftigung nur versicherungsfrei sein konnte, wenn sie nicht bei demselben Arbeitgeber ausgeübt wurde, nach der damaligen Rechtsänderung nicht mehr der Versicherungspflicht unterliegen sollte, obwohl sie bei demselben Arbeitgeber verrichtet wurde. Durch die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung in § 8 SGB IV und die Angleichung der § 168 Abs 1 Nr 1 RVO aF und § 1228 Nr 4 RVO aF wurden seinerzeit die bis dahin sowohl im Krankenversicherungs- als auch Rentenversicherungsrecht geregelten Voraussetzungen der versicherungsfreien Nebenbeschäftigung überarbeitet, zusammengefasst, im Wortlaut geändert und der Begriff der Nebenbeschäftigung durch den Begriff der geringfügigen Beschäftigung ersetzt. Der Senat hat in seinem Urteil darauf abgestellt, dass im Hinblick auf die durch eine solche Rechtsänderung entstehenden erheblichen Manipulationsmöglichkeiten eine beabsichtigte Änderung der Versicherungspflicht von Nebenbeschäftigungen bei demselben Arbeitgeber in irgendeiner Form in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck hätte kommen müssen, was jedoch nicht der Fall war.
- 24
-
An dieser Rechtsprechung hält der Senat nach erneuter Prüfung auch bezogen auf die vorliegend anzuwendenden Vorschriften - insbesondere des § 5 Abs 2 SGB VI - fest. Die Auffassung des LSG, die Grenze jeder Auslegung sei der Wortlaut einer Vorschrift, der hier die vom BSG angenommene Einschränkung nicht explizit enthalte, berücksichtigt nicht hinreichend, dass dann, wenn - wie auch hier - der Wortlaut einer gesetzlichen Regelung jedenfalls nicht eindeutig, sondern offen ist, durch weitere Auslegungsmethoden der Inhalt ermittelt werden muss. Entgegen der Auffassung des LSG war dem Wortlaut der genannten Vorschriften nicht eindeutig zu entnehmen und ist dem Wortlaut der aktuell heranzuziehenden Regelungen ebenfalls nicht zu entnehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen mehrere verschiedene, für einen Arbeitgeber verrichtete Beschäftigungen als eine oder mehrere Beschäftigungen im Rechtssinne anzusehen sind.
- 25
-
d. Nach Ergehen des Senatsurteils vom 16.2.1983 (aaO), dem die Sozialversicherungsträger und - soweit ersichtlich - bis auf das nunmehr angefochtene Urteil auch die instanzgerichtliche Rechtsprechung gefolgt sind, haben auch spätere Änderungen von § 8 SGB IV, § 1228 RVO und § 5 SGB VI die Versicherungspflicht einer geringfügigen Beschäftigung, die neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beim selben Arbeitgeber ausgeübt wird, nicht beseitigt. Hätte die über fast drei Jahrzehnte hinweg bekannte BSG-Rechtsprechung, wonach bei der hier gegebenen Konstellation nicht mehrere Beschäftigungen vorliegen, sondern eine einheitliche Beschäftigung im Sinne der Vorschriften über die Geringfügigkeit besteht, nicht den Intentionen des Gesetzgebers entsprochen, wäre es naheliegend gewesen, die Rechtslage im Zuge einer der zahlreichen anderen Gesetzesneuregelungen im Bereich des Sozialversicherungsrechts zu revidieren. Das ist jedoch nicht geschehen (der BSG-Rspr weiter folgend auch zB: Knospe in Hauck/Haines, SGB IV, K § 8 RdNr 28, Stand Einzelkommentierung II/2007; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 1 RdNr 21, Stand Einzelkommentierung XII/2006; Marschner in Kreikebohm, SGB IV, 2008, § 8 RdNr 14; Seewald in KassKomm, § 8 SGB IV RdNr 29, Stand Einzelkommentierung Oktober 2011; Dankelmann in Eichenhofer/Wenner, SGB I/IV/X, 2012, § 8 SGB IV RdNr 54; kritisch: Berchtold in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 8 SGB IV RdNr 14).
- 26
-
§ 1228 Nr 4 RVO, § 4 Nr 5 AVG und § 30 Nr 4 RKG wurden vielmehr durch das Rentenreformgesetz vom 18.12.1989 (BGBl I 2261, 1990 I 1337) mit Wirkung zum 1.1.1992 durch § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI weitgehend wortgleich ersetzt, ohne dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Änderungen der Rechtslage im Hinblick auf die Versicherungspflicht einer neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübten weiteren geringfügigen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber erfolgen sollten. Auch die Änderungen des § 8 SGB IV und § 5 SGB VI zum 1.4.1999 (durch das Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.3.1999, BGBl I 388) enthielten keine Einschränkung der Versicherungspflicht von Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber, sondern erweiterten ua die Versicherungspflicht geringfügiger Beschäftigungen. § 8 Abs 2 S 1 SGB IV ordnete nunmehr die Zusammenrechnung geringfügiger Beschäftigungen auch mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung - in der Rentenversicherung allerdings gemäß § 5 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB VI beschränkt auf eine in der Rentenversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung - an. Aus dem in den Gesetzesmaterialien (vgl Gesetzesentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, BT-Drucks 14/280 S 10) angegebenen Grund für die Änderung, das weitere Aufsplitten von Arbeitsverhältnissen zu verhindern, kann kein Rückschluss auf die bisherige Rechtslage in Bezug auf mehrere Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber gezogen werden. Denn das "Aufsplitten" konnte sich auf mehrere geringfügige Beschäftigungen verschiedener Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber, aber gleichermaßen auf mehrere Beschäftigungen eines Arbeitnehmers bei verschiedenen Arbeitgebern beziehen und musste nicht mehrere Beschäftigungen eines Arbeitnehmers bei einem Arbeitgeber mit umfassen. Auch der Änderung des § 8 Abs 2 SGB IV mit Wirkung zum 1.4.2003 (durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4621) ist nicht zu entnehmen, dass abweichend von der bis dahin geltenden Rechtslage nunmehr mehrere Tätigkeiten desselben Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber als mehrere Beschäftigungen iS von § 8 Abs 1 und Abs 2 SGB IV sowie § 5 Abs 2 SGB VI gelten sollten. Zwar sehen die Vorschriften seither wieder die Versicherungsfreiheit einer geringfügigen Beschäftigung neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung vor; es fehlen jedoch Hinweise darauf, dass über die insoweit bereits vor dem 1.4.1999 bestehende Rechtslage hinaus damit erstmals auch eine weitere Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber versicherungsfrei sein sollte. Anhaltspunkte hierfür sind weder der aufgrund des Vorschlages des Vermittlungsausschusses (vgl Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 15/202 S 3) Gesetz gewordenen Fassung noch sonstigen Umständen zu entnehmen.
- 27
-
e. Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Recht der Arbeitsförderung vorgenommene Auslegung des Begriffs der Beschäftigung spricht ebenfalls nicht für die vom LSG vertretene Auslegung.
- 28
-
Im Zusammenhang mit der Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld sah auch der 7. Senat des BSG in seinem Urteil vom 6.2.1992 (SozR 3-1500 § 54 Nr 9 S 24)für die Beurteilung, ob eine kurzzeitige Beschäftigung iS von § 102 AFG vorliegt, unter Bezugnahme auf das Urteil des 12. Senats vom 16.2.1983 (aaO) Tätigkeiten aufgrund verschiedener Lehraufträge desselben Arbeitgebers ohne Rücksicht auf die vertragliche Gestaltung als einheitliche Beschäftigung an. Soweit der 7. Senat für die Prüfung eines Anspruchs auf Teilarbeitslosengeld nach § 150 SGB III unter Bezugnahme auf die zu dieser Vorschrift vorliegende Gesetzesbegründung annahm, dass prinzipiell bei einem Arbeitgeber zwei anspruchsbegründende Teilzeitbeschäftigungen iS von § 150 Abs 1 Nr 1 iVm § 150 Abs 2 Nr 1 SGB III bestehen können(vgl BSGE 88, 180, 186 = SozR 3-4300 § 150 Nr 1 S 8 und BSGE 90, 270, 271 = SozR 4-4300 § 150 Nr 1 RdNr 7),hat er schon selbst darauf hingewiesen, dass die in den Entscheidungen des 12. Senats vom 16.2.1983 und des 7. Senats vom 6.2.1992 enthaltenen Grundsätze nicht ohne Weiteres auf die Auslegung des Begriffs der Beschäftigung iS von § 150 SGB III übertragbar sind(vgl BSGE 88, 180, 186 = SozR 3-4300 § 150 Nr 1 S 8). Da die Auslegung des Begriffs der "Beschäftigung" in der Sozialversicherung sowohl nach der Rechtsprechung der für die Leistungen als auch für das Beitragsrecht zuständigen Senate "funktionsdifferent" zu erfolgen hat (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 21 mwN),kann von der Möglichkeit des Vorliegens mehrerer Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber im leistungsrechtlichen Sinne nicht ohne Weiteres auf eine identische Rechtslage auch im Versicherungs- und Beitragsrecht geschlossen werden. Daher ist die Folgerung, dass neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung eine wegen Geringfügigkeit versicherungsfreie Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber bestehen kann, weder zwingend noch gerechtfertigt.
- 29
-
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2, § 162 Abs 3 VwGO. Der Senat war dabei nicht gehindert, die die Beklagte belastende Kostenentscheidung des LSG zu deren Gunsten zu ändern und dem Kläger einen Teil der Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens aufzuerlegen, obwohl beide Beteiligten keine Rechtsmittel eingelegt haben. Denn insoweit gilt das Verbot der reformatio in peius nicht (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 22 mwN). Im Hinblick auf das Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens des Klägers und der Beklagten im Klage- und Berufungsverfahren erscheint es angemessen, ihnen unter Änderung der Kostenentscheidung des LSG entsprechend dem Verhältnis der Höhe der Rentenversicherungsbeiträge zur Höhe der Gesamtsozialversicherungsbeiträge jeweils die Hälfte der Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Da die Beigeladene zu 3. im Revisionsverfahren in vollem Umfang obsiegt hat und der Kläger insoweit unterlegen ist, sind dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 3. aufzuerlegen. Da sich die übrigen Beigeladenen im Revisionsverfahren nicht beteiligt haben, sind deren außergerichtlichen Kosten nicht zu erstatten.
- 30
-
Der Streitwert für das Revisionsverfahren war gemäß § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe der zusätzlich vom Kläger als Arbeitgeber zu zahlenden Rentenversicherungsbeiträge festzusetzen.
Tenor
-
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
-
Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. die außergerichtlichen Kosten im Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" wegen Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig war.
- 2
-
Der 1976 geborene Beigeladene zu 1. war bis 30.9.2004 als Student in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) versichert. Seit 1.10.2003 war er auf der Basis eines am 25.9.2003 zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin der Klägerin (A. GmbH, künftig einheitlich Klägerin) geschlossenen "Projektvertrages" im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" tätig. Durch den Vertrag wurde er "beauftragt", Leistungen in Bezug auf die "Auftragsnummer A 95/002, Projekt D., Dispo und Service bei M." - einer Elektronik-Verbrauchermarktkette - zu erbringen. Nach dem Projektvertrag war der Beigeladene zu 1. in der Wahl des Zeitpunkts zur Leistungserbringung generell frei und vereinbarte selbst den Tag und Zeitpunkt seines Besuchs mit den zuständigen Mitarbeitern des Handels. Im Einzelnen galt nach dem Vertrag weiter ua Folgendes: Der Beigeladene zu 1. konnte die vertraglich geschuldete Leistung auch durch Dritte erbringen lassen. Bei Verhinderung (wie Überlastung, Krankheit oder Urlaub) hatte er selbst für eine Vertretung zu sorgen. Der Beigeladene zu 1. erhielt einen pauschalen Besuchspreis in Höhe von 15 Euro pro Markt, inklusive Fahrtkosten sowie pro Besuch und nachgewiesener Bestellung ab dem 36. bestellten Produkt eine Stückprämie von 0,40 Euro. Die Abrechnung erfolgte monatlich unter Ausweisung von Mehrwertsteuer und Angabe der Umsatzsteuernummer des Beigeladenen zu 1. Die Vereinbarung war jederzeit mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündbar. Der Beigeladene zu 1. durfte auch für andere, ähnlich geartete Auftraggeber tätig werden. Er haftete für Schäden, die aus der verzögerten Erledigung resultierten, es sei denn, er hatte die Verzögerung oder Verhinderung nicht zu vertreten; in vollem Umfang haftete er auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (Mitarbeiter, beauftragte Personen, Unternehmen).
- 3
-
In Ausführung des Projektvertrages besuchte der Beigeladene zu 1. regelmäßig bestimmte Verbrauchermärkte, um dort Original Handy-Zubehör adäquat zu platzieren. Dazu gehörten ua die Sorge um die Aktualität der Ware, Bestellung und Retourenabwicklung, Personalschulung über Neuerungen sowie Verhandlungen mit den Markt-Abteilungsleitern über Durchführung, Art und Menge der Bestellungen. Gegenüber der Klägerin erstellte er fortlaufend Rechnungen und einen Bericht bei Abschluss der Tätigkeit. Er verfügte an eigenen Arbeitsmitteln ua über einen PKW und einen Laptop sowie eine Büroeinrichtung und Internetanschluss. Vom 1.6. bis 31.12.2004 war der Beigeladene zu 1. neben seiner Tätigkeit für die Klägerin für ein weiteres Unternehmen als "Assistant Trainer (Promotion, Abverkauf)" tätig. Insoweit stellte der beklagte Rentenversicherungsträger auf seinen Antrag hin fest, dass er diese Tätigkeit als Selbstständiger ausübe.
- 4
-
Der Beigeladene zu 1. beantragte im Januar 2005 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bezüglich seiner Tätigkeit für die Klägerin. Die Beklagte stellte durch Bescheid vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006 und durch weitere Bescheide gegenüber der Klägerin fest, dass er die Tätigkeit in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 im Rahmen einer Beschäftigung ausübe bzw in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig sei.
- 5
-
Das von der Klägerin dagegen angerufene SG hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum nicht sozialversicherungspflichtig tätig gewesen sei (Urteil vom 10.2.2011). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte durch Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010 festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 wegen der Tätigkeit für die Klägerin nicht in der GKV und in der sPV versicherungspflichtig war und ein entsprechendes - angenommenes - Teilanerkenntnis abgegeben. Das LSG hat die darüber hinausgehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung überwögen bei dem Beigeladenen zu 1. die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände. Der Projektvertrag enthalte überwiegend Regelungen, die dafür sprächen. Nach den Umständen und Ermittlungen fehlten Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarung eines Auftragsverhältnisses auf selbstständiger Basis nur formal vereinbart worden sei. Es habe sich nicht um bloße untergeordnete Regalauffülltätigkeiten gehandelt, sondern um einen um gestalterische Elementen erweiterten Aufgabenkreis. Die Rahmenbedingungen (Warenwirtschaftsturnus; konkrete Verbrauchermärkte) seien nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin gewesen. Der Beigeladene zu 1. sei zudem auch für andere Auftraggeber tätig und berechtigt gewesen, Erfüllungsgehilfen einzusetzen. Betriebliche Sachzwänge, Mitteilungspflichten, die Möglichkeit einer Qualitätskontrolle durch die Klägerin sowie die Verpflichtung, Interessenkollisionen beim Einsatz Dritter bzw bei weiteren Aufträgen zu vermeiden, relativierten sich dadurch, dass auch klassische Selbstständige ähnlichen Pflichten unterlägen. Insgesamt sei der Beigeladene zu 1. als für mehrere Auftraggeber tätiger "Solo-Selbstständiger" anzusehen (Urteil vom 23.5.2013).
- 6
-
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Zu Unrecht habe das LSG im Rahmen der Gesamtwürdigung den für die Tätigkeit maßgeblichen Bestimmungen des Projektvertrages, die nur dem Wortlaut nach auf eine selbstständige Tätigkeit zielten, uneingeschränkt Vorrang gewährt. Die tatsächlichen Umstände bei der Durchführung der einzelnen Aufträge, die für eine weitgehende Weisungsabhängigkeit und Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin sprächen, habe das LSG nur nachrangig berücksichtigt. Die Feststellungen zur Tätigkeit umschrieben letztlich nur die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten". Die Ansicht des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, als nicht abhängige Beschäftigung ausgeübt werden könnte. Der Beigeladene zu 1. sei aber in den Arbeitsprozess der Klägerin eingegliedert gewesen, indem er nach Annahme eines Einzelauftrags der Klägerin zu deren Vertragspartnern gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach den Vorgaben der Klägerin auszuführen. Hinweise auf ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestünden nicht. Die vertragliche Einräumung einer Delegationsbefugnis - von der kein Gebrauch gemacht worden sei - stelle allein kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit dar. Feststellungen des LSG entsprächen teilweise nicht den Tatsachen, soweit es die Gewährung von Kilometergeld und Fahrkosten für den Besuch weiter entfernter Märkte anbelange. Eine Entlohnung mittels Besuchspauschale und Stückprämie spreche nicht indiziell für eine selbstständige Tätigkeit. Umständen wie Rechnungsstellung, Kündigungsmöglichkeit, oder die Möglichkeit einer Tätigkeit für weitere Auftraggeber komme ebenfalls keine indizielle Wirkung im Hinblick auf Selbstständigkeit zu.
- 7
-
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 8
-
Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
- 9
-
Beide verteidigen das angefochtene Urteil.
- 10
-
Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge, die Beigeladenen zu 2., 3. und 6. schließen sich der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung an.
Entscheidungsgründe
- 11
-
Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers ist unbegründet.
- 12
-
Revisionsrechtlich beanstandungsfrei haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund einer Beschäftigung bei der klagenden GmbH als Arbeitgeberin feststellte.
- 13
-
1. Gegenstand des Rechtsstreits sind - nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung beim LSG durch die Klägerin - der Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006, beide wiederum geändert durch die Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010, soweit darin die Beklagte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" für die Klägerin aufgrund Beschäftigung in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung und danach vom 1.10.2004 bis 24.5.2005 in allen Zweigen der Sozialversicherung feststellte. Der Bescheid vom 2.2.2010 hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 2.2.2010 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt hat (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13). Zu Recht hat das LSG auch den ausschließlich gegenüber der Klägerin ergangenen Bescheid vom 11.3.2010 als Gegenstand des Revisionsverfahrens angesehen, weil er ausdrücklich als "Bescheid" den früheren Bescheid vom 2.2.2010 änderte, auch wenn dies nur wegen einer teilweisen offensichtlichen Unrichtigkeit erfolgte. Soweit das LSG darüber hinaus - von den Beteiligten unbeanstandet gelassen - entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).
- 14
-
2. Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene zu 1. in seiner für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit nicht wegen Beschäftigung versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war.
- 15
-
a) In den Jahren 2003 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).
- 16
-
b) Das LSG hat diese allgemeinen rechtlichen Maßstäbe im Ausgangspunkt zutreffend herangezogen und begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände hier nicht überwiegen, sondern die Abwägung insgesamt zu einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. führt. Die zentralen Feststellungen des LSG zum Inhalt des Projektvertrages (dazu aa), die von der Beklagten nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen wurden, sowie die hierzu nicht in Widerspruch stehende tatsächliche Umsetzung des Vertrages (dazu bb) rechtfertigen in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden Fall die Annahme des LSG, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht als Beschäftigter versicherungspflichtig war. Anders als Ausführungen der Beklagten und auch des LSG andeuten, geht es vorliegend allerdings nicht darum, eine "allgemeine" sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für ein bestimmtes neues Berufsbild im Rahmen von "Merchandising/Rackjobbing" vorzunehmen (dazu cc). Schließlich ist auch ein Unternehmerrisiko beim Beigeladenen zu 1. anzunehmen (dazu dd).
- 17
-
aa) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist zunächst die zwischen Klägerin und Beigeladenen zu 1. bestehende Vertragslage. Hierzu hat das LSG - ohne dass dies zu beanstanden wäre - angenommen, dass der für die vorliegende Tätigkeit maßgebende Projektvertrag nach seinem Gepräge überwiegend Regelungen enthält, die für eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnend sind. So war der Beigeladene zu 1. in zeitlicher Hinsicht weitgehend frei, war berechtigt, die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen und hatte bei seiner Verhinderung für eine Vertretung zu sorgen. Als Entlohnung erhielt er eine Kombination aus Besuchspauschale und erfolgsabhängiger Stückprämie, und durfte auch - was teilweise tatsächlich erfolgte - noch für weitere ähnliche Auftraggeber tätig werden. Zwar hat das LSG auch festgestellt, dass die Klägerin über einen Adressenbestand von rund 75 "Lieferanten" verfügte, mit denen häufig sogenannte "Rahmenverträge" bestanden. Die Existenz eines zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1. bestehenden Rahmenvertrages hat das LSG hingegen nicht festgestellt.
- 18
-
bb) Dem angefochtenen Urteil können auch (gerade noch) hinreichende Feststellungen zur tatsächlichen Umsetzung der Vertragslage entnommen werden. Das LSG hat - insbesondere gestützt auf gerichtliche Anhörungen des Beigeladenen zu 1. im Klage- und Berufungsverfahren - festgestellt, dass Anhaltspunkte dafür fehlten, dass die vertraglichen Regelungen nur formal vereinbart worden waren und dass hinsichtlich der Erwerbstätigkeit tatsächlich etwas ganz anderes praktiziert wurde. Nach den vertraglichen Vereinbarungen und ihrer tatsächlichen Umsetzung sind damit keine gewichtigen Umstände ersichtlich, die gesamtschauend den Ausschlag für eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs 1 S 2 SGB IV geben könnten.
- 19
-
(1) Der Beigeladene zu 1. war nach den Feststellungen des LSG weitgehend weisungsfrei in dem Sinne, dass die zeitlichen und örtlichen Rahmenbedingungen gerade nicht Ausfluss eines Direktionsrechts - wie im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - waren.
- 20
-
(2) Der Beigeladene zu 1. war - unbeschadet des Umstandes, dass er Dienstleistungen im Rahmen eines von der Klägerin mitgetragenen Gesamtvermarktungskonzepts erbrachte - nicht in einem relevanten Maß in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert, was sich ua in seiner vertraglichen Pflicht zeigt, im Falle seiner Verhinderung selbst für eine Vertretung zu sorgen. Er hatte nur auf betriebliche Sachzwänge der Klägerin und deren Kunden Rücksicht zu nehmen und unterlag insoweit lediglich Mitteilungspflichten und Qualitätskontrollen (zum Charakter von - eine Selbstständigkeit nicht ausschließenden - Dokumentationspflichten vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 20). Dem standen weitreichende Freiheiten des Beigeladenen zu 1. beim "Ob und Wie" der Erbringung der Tätigkeit mit eigenen gestalterischen Elementen gegenüber, die etwa über diejenigen eines klassischen Regalauffüllers hinausgingen. Das LSG hat insoweit zB auf Seite 15/16 seines Urteils dargelegt, dass dem Beigeladenen zu 1. - ähnlich wie anderen Vertragspartnern der Klägerin - die Entscheidung über die Präsentation der Produkte oblag, dass er Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung festzulegen hatte. Seine Tätigkeit habe gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente enthalten. Diese Tätigkeit habe sich im Rahmen eines Konzepts vollzogen, dass der Tatsache Rechnung getragen habe, dass Hersteller von Unterhaltungselektronik und IT-Produkten zunehmend dazu übergegangen seien, die Präsentation ihrer Waren nicht mehr den Betreibern von Märkten und Warenhäusern selbst zu überlassen, sondern sie - die Hersteller - es selbst in der Hand hätten, welche Verkaufs- bzw Regalflächen ihnen zur Verfügung gestellt würden. Hierzu bedienten sie sich insoweit spezieller Dienstleister (hier der Klägerin), um ihre Waren zeitnah und umsatzorientiert zu positionieren und möglichst werbewirksam zu präsentieren. In dieses Gesamtkonzept sei dann auch der Beigeladene zu 1. in der beschriebenen Weise eingebunden gewesen.
- 21
-
(3) Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1. vertraglich berechtigt war, Dritte in die Auftragserledigung einzubeziehen, durfte vom LSG als Indiz für seine selbstständige Tätigkeit gewertet werden, auch wenn davon seitens des Beigeladenen zu 1. tatsächlich kein Gebrauch gemacht wurde.
- 22
-
(a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen einer Beschäftigung entscheidend, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30). Dementsprechend stellt nach der Rechtsprechung des BAG die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar. Da nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste jedoch nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat, kann der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt sein, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen. Ein ihm auf diese Weise zustehender eigener Gestaltungsspielraum spricht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses (vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit. Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Vor diesem Hintergrund hat das LSG rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Möglichkeit der Einschaltung Dritter ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist.
- 23
-
(b) Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Ausdrücklich rügt die Beklagte - ohne Benennung einer konkreten Verfahrensvorschrift - eine "Verletzung der Grundsätze der freien Beweiswürdigung" durch einen vermeintlichen Rückgriff des LSG auf Erkenntnisse in einem anderen Verfahren. Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt die Beklagte aber ebenso wenig wie etwa einen Verstoß des LSG gegen Denkgesetze. Darüber hinaus ist nach der Revisionsbegründung nichts Hinreichendes dafür ersichtlich, dass das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann (vgl hierzu allgemein Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, S 467, Kap IX, RdNr 330; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 23 jeweils mwN), dass sich also im Rahmen einer Gesamtabwägung aller maßgebenden Indizien das Ergebnis zum Nachteil der Klägerin verschiebt. Die Beklagte bezieht ihre Rüge ausdrücklich nur auf die Feststellungen des LSG zur "Ernsthaftigkeit" der Vertragsregelung bezüglich der Auftragserledigung durch Dritte. Tatsächlich beziehen sich die Ausführungen des LSG zu dem Parallelverfahren auch nur auf den Aspekt der "Ernsthaftigkeit dieser Regelung". Die zugrundliegende Feststellung des Vorliegens einer entsprechenden vertraglichen Regelung über die Möglichkeit der Einschaltung Dritter und die Feststellung ihrer Nichtumsetzung in der Praxis sind hiervon jedoch in keiner Weise betroffen. Vielmehr handelt es sich bei der Frage der vom LSG problematisierten "Ernsthaftigkeit" der Regelung um eine hypothetische Einwendung gegen die zugrundeliegenden Feststellungen zum Vertragsinhalt. Mithin hätte es - jedenfalls bei einem Hinwegdenken der aus dem Parallelverfahren gewonnenen Erkenntnisse - der Beklagten oblegen, darzutun, dass die Vertragsbestimmung nur "formal" bzw zum Schein (vgl § 117 Abs 1 BGB) getroffen wurde, um den vom LSG bejahten indiziellen Charakter der Vertragsbestimmung nachhaltig zu erschüttern. Dem wird das Revisionsvorbringen jedoch nicht gerecht: Die Beklagte führt zum einen lediglich ihre abweichende rechtliche Auffassung an, wonach es sich bei der Vertragsregelung um eine Vertretungsregelung handele. Zum anderen argumentiert sie spekulativ in der Weise, dass sie ausführt, der Beigeladene zu 1. hätte einer Hilfskraft "vermutlich" seine gesamte Vergütung überlassen müssen. Das alles reicht insbesondere nicht aus, um einen entscheidungserheblichen - dh mit Auswirkung auf einen der Beklagten günstigen Urteilstenor - Verstoß gegen die Grundsätze der freien richterlichen Beweiswürdigung im Sinne von § 128 Abs 1 SGG bejahen zu können(vgl zu den sich insoweit stellenden Anforderungen allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 128 RdNr 4 ff mit umfangreichen Nachweisen).
- 24
-
(4) Es ist auch nicht ersichtlich und wird von der Beklagten nicht formell gerügt, dass das LSG bestimmte im Fall des Beigeladenen zu 1. bedeutsame, als Indizien in Betracht kommende Umstände unzureichend ermittelt oder in ihrer Tragweite in die nötige Gesamtabwägung dazu, ob (abhängige) Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt, nicht eingestellt hätte.
- 25
-
cc) Die in der Revisionsbegründung der Beklagten aus dem angefochtenen Urteil hergeleitete pauschale Einschätzung, die rechtliche Beurteilung des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, nicht in (abhängiger) Beschäftigung ausgeübt werde, erscheint bei alledem nicht gerechtfertigt. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist ausschließlich eine konkrete, durch bestimmte Sachverhaltsgegebenheiten und ein spezifisches vertragliches Regelwerk geprägte Tätigkeit des Beigeladenen zu 1., deren rechtliche Einordnung der Senat nach den Maßstäben des Revisionsrechts zu überprüfen hat. Auch die Annahme der Beklagten, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sei letztlich derjenigen eines kaufmännischen Angestellten vergleichbar, trägt im Ergebnis revisionsrechtlich nicht. Die Beklagte weist insoweit zwar zu Recht auf die - nach wie vor aktuelle - Rechtsprechung des BSG hin, wonach auch Dienste höherer Art im Rahmen einer Beschäftigung geleistet werden können, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29 mwN). Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist jedoch - wie unter 2 b) bb) dargelegt - nach den Feststellungen des LSG gerade durch eine weitgehende Weisungsfreiheit und ein überwiegendes Nichteingebundensein in die Arbeitsorganisation der Klägerin geprägt. Wenn die Beklagte der nach den Umständen des Falles gewonnenen Überzeugung der Vorinstanzen zu den bestimmenden Elementen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nicht folgen wollte bzw will, hätte sie insoweit im Revisionsverfahren näher zu spezifizierende Verfahrensrügen anbringen bzw bereits in den Tatsacheninstanzen ggf Beweisanträge dazu stellen müssen. Die Beklagte hat aber zB auch keinen konkreten Ermittlungsbedarf dazu aufgezeigt, dass es sich bei den konkreten vom Beigeladenen zu 1. erledigten Arbeiten um genau solche gehandelt habe, die zuvor bzw gleichzeitig ebenso durch andere Personen in abhängiger Beschäftigung ausgeübt wurden (vgl zur insoweit notwendigen Unterscheidbarkeit beider Erwerbsformen zB BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 14/10 R - Juris RdNr 26).
- 26
-
dd) Auch das Vorbringen der Beklagten, es lägen keine Anhaltspunkte für ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1. vor, führt schließlich nicht zum Erfolg der Revision.
- 27
-
Nach den vom 12. Senat des BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, dh, ob der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Die Feststellungen des LSG machen die Annahme eines in diesem Sinne verstandenen Unternehmerrisikos revisionsgerichtlich nachvollziehbar, weil der Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung seiner Arbeitskraft bei der Durchführung des Projektvertrages das Risiko des Ausfalls seines Verdienstes trug. Nach dem vom LSG festgestellten Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen erhielt er nämlich eine pauschale Vergütung sowie zusätzliche umsatz- und damit erfolgsabhängige Stückprämien dafür, dass er Verbrauchermärkte aufsuchte. Der Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft war somit insbesondere aufgrund der erfolgsbezogenen Vergütungsteile im Einzelnen durchaus ungewiss. Der Belastung mit dem Ausfallrisiko standen hinsichtlich der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft auch größere Freiheiten und Erwerbschancen gegenüber wie sie im Regelfall in einem Arbeitsverhältnis nicht gleichermaßen anzutreffen sind. Der Beigeladene zu 1. konnte den Einsatz seiner Arbeitskraft in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern, indem er zB durch die Art und Weise der Arbeitsausführung die Dauer seiner Besuche in den Märkten bestimmen konnte und in der Lage war, durch die ihm obliegende Präsentation der Produkte deren Absatz zu beeinflussen und so seine Verdienstchancen zu erhöhen.
- 28
-
3. Nach alledem unterlag der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 nicht der Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.10.2012 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) darüber, ob die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin im Zeitraum vom 1.3.2009 bis zum 30.11.2009 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, der sozialen Pflege- und der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
3Der am 00.00.1970 geborene Beigeladene zu 1) ist Diplom-Psychologe. Unmittelbar im Anschluss an sein Studium begann er zum 16.2.2009 eine Tätigkeit bei der von der Klägerin betriebenen Firma T und leistete Dienste im Bereich des Ambulant Betreuten Wohnens psychisch erkrankter Menschen im Rahmen der Eingliederungshilfe (§§ 53 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch [SGB XII]) basierend auf einem Vertrag über freie Mitarbeit vom 16.2.2009, der folgenden Wortlaut hat:
4§ 1 Tätigkeit
5Der freie Mitarbeiter wird ab 16. Februar 2009 psychosoziale Beratung und Betreuung (Ambulant Betreutes Wohnen, Eingliederungshilfe § 53 ff, SGB XII) für die Auftraggeberin übernehmen.
6§ 2 Weisungsfreiheit
7Der freie Mitarbeiter unterliegt bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten keinen Weisungen der Auftraggeberin. Gegenüber den anderen Angestellten der Auftraggeberin hat der freie Mitarbeiter keine Weisungsbefugnis.
8§ 3 Arbeitsaufwand / Betriebliche Anwesenheit
9Der Arbeitsaufwand des freien Mitarbeiters richtet sich nach persönlicher Absprache mit der Auftraggeberin.
10§ 4 Arbeitszeit / Konkurrenz / Verschwiegenheit
11Im Übrigen unterliegt der freie Mitarbeiter in der Ausgestaltung seiner Arbeitszeit im wesentlichen keinen Einschränkungen. Der freie Mitarbeiter darf auch für andere Auftraggeber tätig sein. Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, über sein im Rahmen der Tätigkeit bekannt gewordene betriebliche Interna Stillschweigen zu bewahren.
12§ 5 Vergütung / Rechnungsstellung
13Als Vergütung wird ein Honorar von zunächst 23,- EUR/Stunde vereinbart, welches sich nach der Einarbeitungszeit auf 25,- EUR/Stunde erhöht. Der Arbeitsaufwand für Wegezeiten, Aktenführung, Teambesprechungen, sowie anteilige Mobiltelefon- und Fahrtkosten sind im Stundenlohn enthalten.
14Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, geleistete Arbeitsstunden innerhalb von 2 Wochen nach Monatsende in Rechnung zu stellen (unter Angabe seiner Steuer-/Rechnungsnummer). Eine spätere Rechnungsstellung bedarf einer persönlichen Absprache. Die Auszahlung des Honorars erfolgt unmittelbar nach Rechnungserhalt auf das angegebene Konto des freien Mitarbeiters.
15Entsprechend einer bundesweiten Festlegung, erklärt das Finanzministerium NRW, dass Leistungen der Eingliederungshilfe (§ 53 ff. SGB XII) nicht umsatzsteuerpflichtig sind. Die Rechnungsstellung erfolgt entsprechend ohne Berechnung einer Mehrwertsteuer.
16§ 6 Sonstige Ansprüche / Versteuerung
17Eine Aufwandsentschädigung erfolgt für Bewirtungen/Ausgaben in kleinerem Rahmen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausübung der vereinbarten Tätigkeit stehen, entsprechend mit der Auftraggeberin abgestimmt und per Beleg nachgewiesen werden.
18Für die Versteuerung der Vergütung hat der freie Mitarbeiter selbst zu sorgen.
19§ 7 Kündigung
20Die Kündigung des Vertrages bedarf einer Kündigungsfrist von 8 Wochen.
21§ 8 Sonstiges
22Von der Möglichkeit des Abschlusses eines Anstellungsvertrages ist in Anwendung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit bewusst kein Gebrauch gemacht worden. Eine Umgehung arbeitsrechtlicher oder arbeitsgesetzlicher Schutzvorschriften ist nicht beabsichtigt. Dem freien Mitarbeiter soll vielmehr die volle Entscheidungsfreiheit bei der Verwertung seiner Arbeitskraft belassen werden. Eine über den Umfang dieser Vereinbarung hinausgehende persönliche, wirtschaftliche oder soziale Abhängigkeit wird nicht begründet.
23§ 9 Nebenabreden
24Nebenabreden und Änderungen des Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
25Die Tätigkeit der Klägerin beruht auf der Rahmenvereinbarung gem. § 93d Bundessozialhilfegesetz (BSHG) - ambulanter Bereich - zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG i. V. m. dem Landesrahmenvertrag gem. § 93d - ambulanter Bereich - zu § 9 Abs. 5 - Beschreibung der Leistungstypen. Auf dieser Grundlage schloss die Klägerin mit dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) als zuständigem Leistungsträger eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gemäß §§ 75 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) für den Leistungsbereich Ambulant Betreutes Wohnen für Menschen mit Behinderung vom 25.8.2005 - im Folgenden: Leistungs- und Prüfungsvereinbarung -, die auszugsweise lautet:
26( ...)
27§ 2 Personenkreis / Zielgruppe
28(1) Zielgruppe des Ambulant Betreuten Wohnens sind volljährige Menschen mit einer wesentlichen Behinderung im Sinne des § 53 SGB XII,
29- die in einer eigenen Wohnung, allein oder in selbst gewählten Lebensgemeinschaften / Partnerschaften leben, also in der Regel über einen eigenen Mietvertrag verfügen, oder - die beabsichtigen, innerhalb der nächsten sechs Monate aus der Wohnung der Eltern auszuziehen - und zur selbstständigen Lebensführung der ambulanten Hilfe bedürfen.
30(2) Das Angebot des Leistungserbringers richtet sich nach den örtlichen Gegebenheiten, Planungen, Absprachen an folgenden speziellen / eingegrenzten Personenkreis:
31- Menschen mit geistiger Behinderung, Menschen mit psychischer Behinderung und Menschen mit körperlicher Behinderung Insbesondere ist Zielgruppe der Personenkreis im festgelegten Einzugsgebiet: - der Stadt L.
32(3) Das Wunsch- und Wahlrecht der betreuten Person bei der Auswahl des Leistungserbringers gemäß SGB XII, SGB IX und SGB XI ist nicht berührt.
33(4) Hinsichtlich der Betreuungsverpflichtung des Leistungserbringers gilt § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB XII.
34§ 3 Umfang der Leistungen
35(1) Die Intensität und die Dauer der zu erbringenden Leistungen sind einzelfallbezogen und richten sich nach dem individuellen Hilfebedarf. Auch die Betreuungszeiten richten sich nach dem individuellen Hilfebedarf der betreuten Person.
36(2) Die Feststellung des individuellen Hilfebedarfs im Einzelfall erfolgt verbindlich durch den Sozialhilfeträger im Rahmen des Hilfeplanverfahrens.
37(3) Erheblich veränderte Bedarfe / Mehrbedarfe über den bewilligten Betreuungsumfang hinaus sind im Einzelfall mitzuteilen und fachlich zu begründen. Veränderungen treten nur entsprechend der Entscheidung des Sozialhilfeträgers in Kraft.
38(4) Bei Beendigung der Betreuung sind der Abschluss der Betreuungsaktivitäten, die Erarbeitung der weiteren Hilfemöglichkeiten und ein schriftlicher Abschlussbericht erforderlich.
39§ 4 Qualität der Leistung
40(1) Strukturqualität
41- Es wird durch den Leistungserbringer eine allgemeine Beschreibung und ein fachlich ausdifferenziertes Konzept des Angebotes vorgelegt (siehe Anlage 1).
42- Das Betreuungsverhältnis wird in einem rechtsverbindlichen Betreuungsvertrag zwischen dem Leistungserbringer und der betreuten Person geregelt (siehe Anlage 2).
43- Dieser beinhaltet Vereinbarungen in Bezug auf Intensität, Zeitstruktur und Betreuungsschwerpunkte sowie ggf. Finanzierung.
44( ...)
45(2) Prozessqualität
46( ...)
47Die Betreuungsleistung wird regelmäßig dokumentiert. ( ...)
48§ 5 Personelle Ausstattung
49(1) Fachkräfte
50- Zur Erbringung der Leistungen werden geeignete Fachkräfte eingesetzt.
51Geeignete Fachkräfte sind insbesondere
52Diplom-Sozialarbeiterlnnen oder Diplom-Sozialpädagoginnen / Diplom-Sozialpädagogen oder andere Angehörige vergleichbarer Berufsgruppen mit Hochschulabschluss, Erzieherinnen, Heilerziehungspflegerinnen, Pflegefachkräfte und Ergotherapeutinnen / Ergotherapeuten, Heilpädagoginnen /Heilpädagogen.
53- Die Fachkräfte müssen über eine mindestens einjährige Berufserfahrung in der Arbeit mit der Zielgruppe oder in der Angebotsform des Ambulant Betreuten Wohnens verfügen und nachweisen.
54( ...)
55(3) Fallverantwortung
56Die Fallverantwortung ist durch eine Fachkraft im Sinne des Absatzes 1 wahrzunehmen. Die Fallverantwortung umfasst insbesondere die individuelle Hilfe- und Betreuungsplanung sowie den Einsatz des Betreuungspersonals.
57( ...)
58Am 29.5.2009 ging der Antrag auf Statusfeststellung des Beigeladenen zu 1) bei der Beklagten ein. Im Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige vom 6.5.2009 gab er an, dass die Klägerin sein einziger Auftraggeber sei. Dort betreue er zurzeit vier Klienten. Er beschäftige keine Angestellten. Seine freiberufliche Tätigkeit sei nur vorübergehend und werde in einem Umfang von nicht mehr als 10 Std./Woche ausgeübt. Grundsätzlich verfüge er über Anfragen mehrerer Auftraggeber, die er aber wegen des anstehenden Praktischen Jahres nicht annehmen könne.
59Ab dem 1.6.2009 begann der Beigeladene zu 1) daneben im Rahmen eines befristeten Anstellungsvertrages (38,5 Std./Wo., 846,81 Euro/Monat) bei der B-Klinik U in Bad O sein im Rahmen der Ausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten abzuleistendes Praktisches Jahr, das er nach sechs Wochen abbrach.
60Im Antragsformular betreffend die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status vom 27.7.2009 gab der Beigeladene zu 1) an,
61- keine Arbeiten am Betriebssitz des Auftraggebers durchzuführen - keine regelmäßigen Arbeits- und Anwesenheitszeiten einhalten zu müssen - keine Weisungen hinsichtlich der Ausführung (Art und Weise) der Tätigkeit zu erhalten - der Auftraggeber könne sein Einsatzgebiet nicht ohne seine Zustimmung ändern - eine eventuelle Einstellung von Vertretern / Hilfskräften durch ihn sei nicht von der Zustimmung des Auftraggebers abhängig - er setze eigenes Kapital in Form seines Psychologie-Studiums ein - seine Honorarforderungen lägen üblicherweise bei 20-25 Euro - Angebote unter 20 Euro lehne er ab.
62Die Klägerin schloss sich dem Antrag des Beigeladenen zu 1) auf Feststellung, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis i. S. v. § 7 Abs. 1 SGB IV nicht vorliege, an.
63Mit Schreiben vom 21.9.2009 hörte die Beklagte die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) zur von ihr beabsichtigten Feststellung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses an. In ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom 2.10.2009 gaben beide im Wesentlichen an, das unternehmerische Risiko des Beigeladenen zu 1) in seiner Tätigkeit als Bezugsbetreuer bestehe darin, dass er von Klienten abgelehnt werden könne. Der Einsatz von eigenem Kapital zeige sich durch die vorhandenen eigenen Betriebsmittel: Mobiltelefon und Festnetz. Er müsse zudem die Kosten für Korrespondenz und Porto sowie die Fahrt- und Betriebskosten schultern. Ein Weisungsrecht der Klägerin bestehe nicht. In der Regel erarbeite der Beigeladene zu 1) eigenständig zusammen mit dem jeweiligen Klienten den Hilfeplan, wonach sich Ort, Art und Weise seiner Tätigkeit richteten. Er könne diese also von Anfang an mit beeinflussen. In der Gestaltung seiner Arbeitszeit sei er vollständig frei, denn die Abstimmung erfolge allein mit dem Klienten, was in diesem Arbeitsumfeld unerlässlich sei. Der Beigeladene zu 1) sei aber auch nicht an die Vorgaben des Hilfeplanes gebunden, da er in der Umsetzung der gemeinsam mit dem Klienten erarbeiteten Ziele absolute Freiheit genieße, und zwar auch in den Fällen, in denen bereits ein anderer Bezugsbetreuer den Hilfeplan erstellt habe. Der Beigeladene zu 1) arbeite unter seinem Namen und stelle der Klägerin Rechnungen aus. Nach außen trete er als freier Mitarbeiter auf.
64Durch gleichlautende Bescheide vom 30.10.2009 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Betreuer in der Ambulanten Eingliederungshilfe bei der Klägerin seit dem 16.2.2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde, was sich aus einer Gesamtschau ergebe.
65Als Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis führte sie auf
66- Der Beigeladene zu 1) trage weder in Form eines Einsatzes eigenen Kapitals noch eigener Betriebsmittel in erheblichem Umfang ein mit der Gefahr des Verlustes verbundenes unternehmerisches Risiko. Es sei ein festes Stundenhonorar von 23,00 Euro, später 25,00 Euro vereinbart worden. Honorarschwankungen, welche mit dem Entgeltrisiko vergleichbar wären, das stundenweise beschäftigte Arbeitnehmer zu tragen hätten, ließen sich nicht erkennen. - Der Beigeladene zu 1) sei in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Deren Weisungsrecht in Bezug auf Ort, Art und Weise ergebe sich aus dem jeweils erteilten Auftrag. - Trotz freier Gestaltung der Arbeitszeit sei der Beigeladene zu 1) keineswegs in der Disposition frei, denn diese sei an die persönlichen Belange der zu betreuenden Personen anzupassen. - Überdies müsse er sich an die Vorgaben des erstellten Hilfeplanes halten. Grundlage seiner Tätigkeit sei der verbindliche Hilfeplan, für den der Leistungsträger die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung trage. - Der Beigeladene zu 1) habe die Tätigkeit im Namen und auf Rechnung der Klägerin ausgeübt und sei nach außen nicht als Selbständiger aufgetreten. - Die regelmäßige Überprüfung der Einhaltung des erstellten Hilfeplans erfolge durch schriftliche Berichtspflicht in Form von Entwicklungsberichten.
67Als Merkmal für eine selbständige Tätigkeit erkannte die Beklagte demgegenüber lediglich an, dass es dem Beigeladenen zu 1) möglich sei, Aufträge der Klägerin abzulehnen sowie Aufträge weiterer Auftraggeber anzunehmen.
68Am 18.11.2009 legte die Klägerin Widerspruch unter Bezugnahme auf ihre Stellungnahme zum Anhörungsschreiben ein. Soweit die Beklagte auf die Vergleichbarkeit mit einem Familienhelfer abgestellt habe, gehe sie fehl. Dessen Aufgaben seien nicht mit denjenigen eines Mitarbeiters des Ambulant Betreuten Wohnens gleichzustellen. Hier gehe es um Hilfe zur Selbsthilfe und nicht um erzieherische Hilfe. Der Hilfeplan und dessen Ziele hätten nur solange Bestand, wie dies aus Sicht des Klienten Sinn mache. Der Hilfeplan müsse sich an den veränderbaren Bedarf eines hilfesuchenden Menschen anpassen.
69Am 27.11.2009 einigten sich die Klägerin und der Beigeladene zu 1) auf nachfolgenden Arbeitsvertrag:
70§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses, Arbeitsort
71- Der Arbeitnehmer beginnt seine Tätigkeit ab dem 01.12.2009.
72- Der Arbeitsort ist das gesamte Stadtgebiet L.
73§ 2 Tätigkeit
74- Der Arbeitnehmer wird als sozialpädagogischer Mitarbeiter (Dipl.-Psychologe) im Arbeitsgebiet Betreutes Wohnen eingestellt und vor allem mit folgenden Arbeiten beschäftigt: Ambulante Betreuung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung und/oder einer geistigen oder körperlichen Behinderung im Sinne der §§ 53 ff. SGB XII.
75- Die Arbeitgeberin kann dem Arbeitnehmer entsprechend der betrieblichen Erfordernisse andere zumutbare Arbeiten zuweisen, soweit diese seiner Qualifikation und Fähigkeiten entsprechen.
76§ 3 Arbeitszeit
77- Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 20 Stunden.
78- Die wöchentliche Arbeitszeit verteilt sich regelmäßig zu 65 % (13 Std.) auf direkte Betreuungsleistungen mit Klienten (sog. "face to face-/ear to ear-Kontakte" und max. 10% sog. Kooperationskontakte) sowie zu 35% (7 Std.) auf indirekte Betreuungsleistungen wie z. B. Führung der Dokumentation, Erstellen von individuellen Hilfeplänen, Fallbesprechungen, Teamsitzungen, Fahrt- und Wegezeiten zwischen den einzelnen Klienten sowie die Fallsupervision innerhalb des Teams.
79- Die direkten Betreuungsstunden gehen auf den Folgemonat über, soweit diese nicht im Abrechnungsmonat abgeleistet werden konnten. Ausgenommen sind hier direkte Betreuungsstunden, die nicht geleistet werden konnten, für die den Mitarbeiter kein Verschulden trifft, z.B. wenn Klienten trotz vereinbartem Termin nicht angetroffen werden konnten.
80- Die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeiten richten sich nach der betrieblichen Einteilung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften.
81- Arbeitszeit verteilt sich in der Regel auf die 5 Wochentage, wobei auch das Wochenende hierzu genutzt werden darf, je nach individuellem Hilfebedarf des Klienten. Bei Beschäftigung an einem Sonn- oder Feiertag wird innerhalb des anschließenden Zeitraumes von zwei Wochen ein Ersatzruhetag gewährt.
82- Die Arbeitgeberin ist berechtigt, die Verteilung der Arbeitszeit aus betriebsinternen Gründen neu festzulegen. Dabei sind die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Die Veränderung der Arbeitszeit ist spätestens einen Monat vor Beginn der neuen Arbeitszeit dem Arbeitnehmer schriftlich mitzuteilen.
83§ 4 Überstunden/Mehrarbeit
84- Sollten aufgrund eines erhöhten Betreuungsbedarfes bei Klienten die direkten Betreuungsstunden die vertraglich vereinbarten 13 Stunden/Woche übersteigen, so gehen diese Mehrstunden auf das "Guthabenkonto des Mitarbeiters. Diese Mehrstunden werden mit eventuell übertragenen Stunden des Vormonats (§ 3 Abs. 3) verrechnet: für verbleibende Überstunden wird ein Freizeitausgleich innerhalb von zwei Monaten gewährt.
85§ 5 Arbeitsvergütung
86- Der Arbeitnehmer erhält ein pauschales Monatsgehalt in Höhe von 1.350,- EUR brutto zahlbar zum jeweiligen Ende des Kalendermonats.
87- Die Bezahlung erfolgt bargeldlos. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, der Arbeitgeberin spätestens zwei Wochen nach Beginn der Beschäftigung eine Bankverbindung mitzuteilen. Etwaige Änderungen der Bankverbindung sind der Arbeitgeberin unverzüglich mitzuteilen.
88§ 6 Pfändung/Abtretung
89- Die teilweise oder vollständige Abtretung und Verpfändung der Vergütung ist ausgeschlossen. - Im Falle einer Lohnpfändung zahlt der Arbeitnehmer 10,- EUR pro Pfändung an die Arbeitgeberin zur Abgeltung von deren Aufwendungen für die Bearbeitung der Pfändung.
90§ 7 Urlaub
91- Der Arbeitnehmer erhält Urlaub wie ein Vollzeitarbeitnehmer. Er beträgt 25 Arbeitstage (5 Wochen) im Kalenderjahr. Ist der Arbeitnehmer nicht an allen Arbeitstagen beschäftigt erfolgt eine Anrechnung der arbeitsfreien Werktage. - Die Lage des Urlaubs ist mit der Arbeitgeberin abzustimmen. Sie kann einen Urlaubswunsch dem Arbeitnehmer dann ablehnen, wenn dringende betriebliche Gründe entgegenstehen oder Urlaubswünsche anderer ArbeitnehmerInnen, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienen, vorgehen.
92§ 8 Arbeitsverhinderung und Vergütung im Krankheitsfall
93- Ist der Arbeitnehmer durch Krankheit oder sonstige Ereignisse an der Arbeitsleistung verhindert, so hat er der Arbeitgeberin unverzüglich Mitteilung zu machen und dabei die Gründe der Verhinderung anzugeben. - Ist der Arbeitnehmer infolge unverschuldeter Krankheit arbeitsunfähig, so besteht Anspruch auf Fortzahlung der Arbeitsvergütung bis zur Dauer von sechs Wochen nach den gesetzlichen Bestimmungen. Die Arbeitsverhinderung ist der Arbeitgeberin unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer vorzulegen.
94§ 9 Nebenbeschäftigung
95- Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, vor jeder Aufnahme einer Nebenbeschäftigung die Arbeitgeberin zu informieren. - Nebenbeschäftigungen, welche die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung beeinträchtigen können, dürfen nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Arbeitgeberin übernommen werden. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn innerhalb von zwei Wochen seit Anzeige durch den Arbeitnehmer keine Entscheidung ergangen ist.
96§ 10 Verschwiegenheitspflicht
97- Der Arbeitnehmer verpflichtet sich über alle betrieblichen Vorgänge, die ihm im Rahmen oder aus Anlass ihrer Tätigkeit in der T L zur Kenntnis gelangen nach außen hin Stillschweigen zu bewahren. Diese Pflicht besteht auch nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Unternehmen fort.
98§ 11 Probezeit und Beendigung des Vertrages
99- Die ersten 3 Monate gelten als Probezeit. Während dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseits unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. - Nach Ablauf der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist vier Wochen zum Fünfzehnten oder Ende eines Kalendermonats. Jede gesetzliche Verlängerung der Kündigungsfrist zu Gunsten des Arbeitnehmers gilt in gleicher Weise auch zu Gunsten der Arbeitgeberin. - Die Kündigung bedarf der Schriftform. Die einvernehmliche Aufhebung dieses Vertrages bedarf ebenfalls der Schriftform. - Die Arbeitgeberin ist berechtigt, den Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist von der Arbeit unter Anrechnung etwaiger Resturlaubsansprüche und eventueller Zeitguthaben unwiderruflich freizustellen, wenn das Interesse der Arbeitgeberin an der FreisteIlung das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt. Ein überwiegendes lnteresse der Arbeitgeberin liegt insbesondere bei einer Störung des Vertrauensverhältnisses nach einem schweren Fehlverhalten des Arbeitnehmers vor, oder wenn dessen Weiterbeschäftigung zu einer Gefährdung von Betriebsgeheimnissen oder der Ordnung im Betrieb führen würden.
100§ 12 Ausschlussklausel
101- Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit diesem in Verbindung stehen, sind innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit, spätestens jedoch innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses, schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind verfallen. Der Ausschluss gilt nicht, soweit ein Anspruch auf der Haftung wegen Vorsatz beruht.
102In ihrer Widerspruchsergänzung gab die Klägerin an, die freie Mitarbeiterschaft sei zwecks gegenseitiger Eignungsprüfung für die Tätigkeit im Ambulant Betreuten Wohnen vereinbart worden. Da sie mit der Arbeit des Beigeladenen zu 1) unverändert zufrieden sei, habe sie ihn an andere Anbieter weiterempfohlen und ihm sodann auch eine halbe Stelle angeboten. Seit 2010 arbeite er nebenbei auch in einem zusätzlichen Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Anbieter des Ambulant Betreuten Wohnens auf 400-Euro-Basis.
103Durch gleichlautende Änderungsbescheide vom 8.3.2010 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung fest.
104Durch ebenfalls gleichlautende Widerspruchsbescheide an die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) vom 3.8.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es hätten sich keine neuen Erkenntnisse gegenüber dem Zeitpunkt des Bescheiderlasses ergeben.
105Hiergegen hat die Klägerin am 1.9.2010 zum Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben.
106Zur Begründung hat sie in Vertiefung ihres vorherigen Vorbringens ausgeführt, dass sie allein mangels persönlicher Kapazitäten zur Erfüllung der Rahmenvereinbarung nicht in der Lage sei und daher mit entsprechend ausgebildeten Auftragnehmern die Übernahme der zu leistenden Dienste in deren eigener Verantwortung vereinbare. Sie selbst erhalte die Aufträge durch den LVR. Sie habe sodann u. a. den Beigeladenen zu 1) unterbeauftragt. Er habe sich seine Klienten selbst auswählen können. Einsatzzeit, -ort, -strategie sowie Art und Weise der Dienstleistung habe er frei bestimmen können. Der therapeutische Ansatz des Ambulant Betreuten Wohnens bedinge eine eigenverantwortliche Dienstleistung. Dies sei mit einer ärztlichen Überweisung vergleichbar. Der Hilfeplan regle den Auftragsgegenstand entsprechend einem Bau- und Architektenplan, dessen Einzelheiten die einzelnen Gewerke binden würden. Die Bescheidbegründung lege eine Eingliederung in den Betrieb des Sozialleistungsträgers LVR durch Bindung an den Hilfeplan näher als in denjenigen der Klägerin. Die Beklagte messe nämlich die Merkmale Weisungsgebundenheit, Eingliederung und Verfügbarkeit der Zeit an den Vorgaben des Hilfeplans, der vom LVR stamme. Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt, den Bescheid vom 30.10.2009 in Fassung des Änderungsbescheides vom 8.3.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2010 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) die Tätigkeit als Betreuer in der Ambulanten Eingliederungshilfe bei der T L für die Zeit vom 16.2.2009 bis zum 30.11.2009 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt hat und keine Versicherungspflicht in sämtlichen Zweigen der Sozialversicherung bestand. Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, die Klage abzuweisen.
107Sie hat zur Begründung auf den Inhalt ihrer Bescheide verwiesen.
108Durch Beschluss vom 15.10.2010 ist der Beigeladene zu 1) zum Verfahren beigeladen worden.
109Der Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt.
110Er hat sich am 5.1.2011 ergänzend dahingehend geäußert, dass sein Stundenhonorar während der freien Mitarbeit sich nach den direkten Betreuungsleistungen (Direkt- und Telefonkontakt mit Klienten) berechnet habe und das Äquivalent für Arbeitsaufwand, Wegezeiten, Aktenführung, Teambesprechungen, Supervision, Telefon- und Fahrtkosten gewesen sei. Insgesamt habe er während dieser Zeit ca. 8.700,00 Euro bei der Klägerin verdient.
111Der Rechtsstreit ist am 15.3.2012 mit den Beteiligten erörtert worden. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.
112Am 28.6.2012 sind die Beigeladenen zu 2) und 3) zum Verfahren beigeladen worden.
113Am 25.10.2012 hat das SG - im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung - die Klage abgewiesen. Es hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass es im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau nicht auf den für eine selbständige Tätigkeit sprechenden freien Mitarbeitervertrag und den darin zum Ausdruck kommenden Willen der Vertragsparteien ankomme. Ausschlaggebend sei vielmehr die faktische Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin, die eine, wenn auch abgeschwächte Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1) belege. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
114Gegen das der Klägerin am 2.11.2012 zugestellte Urteil hat sie am 3.12.2012 (Montag) Berufung eingelegt.
115Sie hält das erstinstanzliche Urteil für unzutreffend. Das Tätigkeitsbild des Beigeladenen zu 1) sei verkannt worden. Die Fallbearbeitung erfolge immer durch zwei Personen, gelegentlich auch durch einen zweiten freien Mitarbeiter. Das von ihr genutzte Dokumentationssystem BeWo-Planer diene nur der Erfüllung des Hilfeplans, dem Tätigkeitsnachweis und der Abrechnung, nicht jedoch der Befolgung detaillierter Berichtspflichten. Die Orientierung an den Vorgaben des Hilfeplans sei kein Beleg für eine abhängige Beschäftigung. Ein Unternehmerrisiko bestehe bereits dadurch, dass die Sicherung des Lebensunterhaltes durch ein festes Einkommen nicht gegeben gewesen sei.
116Die Klägerin beantragt,
117das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.10.2012 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 30.10.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 8.3.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.8.2010 und der Fassung des Änderungsbescheides vom 11.2.2014 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit als Betreuer in der Ambulanten Eingliederungshilfe bei der T in L in der Zeit vom 1.3.2009 bis zum 30.11.2009 nicht der Versicherungspflicht, in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen hat.
118Die Beklagte beantragt,
119die Berufung zurückzuweisen.
120Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und verteidigt das Urteil. Sie ist der Auffassung, dass sich aus dem Rahmenvertrag gem. § 93d BSHG (SGB XII) - Ambulanter Bereich in NRW i. V. m. der abgeschlossenen Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gem. §§ 75 ff. SGB XII vom 25.8.2005 für den Leistungsbereich Ambulant Betreutes Wohnen für Menschen mit Behinderung die Berechtigung bzw. Verpflichtung des Auftraggebers ergebe, die Einhaltung des Hilfeplanes und die Qualität der Leistungserbringung zu überprüfen. Nichts anderes mache die Klägerin auch gegenüber ihren Mitarbeitern. Daran zeige sich ihr grundsätzliches Weisungsrecht. Zudem spreche der Vergleich mit abhängig beschäftigten Mitarbeitern der Klägerin für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung. Soweit ein Unternehmerrisiko behauptet werde, fehle es an Hinweisen für damit korrespondierende größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft.
121Am 17.1.2014 sind die Beigeladenen zu 4) und 5) zum Verfahren beigeladen worden. Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
122Der Rechtsstreit ist am 11.2.2014 mit den Beteiligten erörtert worden. Anlässlich dessen hat die Beklagte ihre Feststellung auf den Zeitraum vom 1.3.2009 bis zum 30.11.2009 beschränkt.
123Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 18.6.2014 den Zeugen S vernommen.
124Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Sitzungsniederschriften, und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
125Entscheidungsgründe:
126Der Senat hat in Abwesenheit der Klägerin sowie der Beigeladenen zu 1) bis 5) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
127Streitgegenständlich ist vorliegend der Bescheid der Beklagten vom 30.10.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 8.3.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.8.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11.2.2014, soweit diese Bescheide den Zeitraum vom 1.3.2009 bis zum 30.11.2009 betreffen.
128Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2, Abs. 3 SGG). Die vollständige Entscheidung ist dem Klägerbevollmächtigten am 2.11.2012 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist bei dem SG am 3.12.2012 (Montag) eingegangen.
129Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 1. Alt., 55, 56 SGG). Denn über die Aufhebung des angefochtenen Bescheides hinaus begehrt die Klägerin die Feststellung des Nichtbestehens der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) zur gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
130Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Köln vom 25.10.2012 ist nicht begründet, nachdem die Beklagte durch Änderungsbescheid vom 11.2.2014 die Feststellung des Versicherungsbeginns im Hinblick auf das im Februar 2009 lediglich erzielte Honorar i.H.v. 30,67 Euro auf den 1.3.2009 verschoben hat. Durch Änderungsbescheid vom 8.3.2010 hatte sie bereits zuvor im Widerspruchsverfahren den ersten Verfügungssatz des Bescheides vom 30.10.2009, der mangels Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig gewesen ist (vgl. BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 2; Urteil v. 4.6.2009, B 12 R 6/08 R, USK 2009-72), aufgehoben.
131Der angegriffene Bescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten i.S.v. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Denn die Beklagte hat zu Recht nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV bezüglich der von dem Beigeladenen zu 1) vom 1.3.2009 bis zum 30.11.2009 fortlaufend ausgeübten Beschäftigung als Mitarbeiter der Klägerin Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung angenommen.
132Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sowie § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) der Beitragspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Sätze 1, 2 SGB IV.
133Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil v. 30.12.2013, B 12 KR 17/11 R, juris; Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v.11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
134Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08, juris).
135Manche Dienstleistungen, insbesondere solche, deren Gegenstand die persönlich geprägte Betreuung ist, können sowohl in der Form einer abhängigen Beschäftigung als auch in der einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden (vgl. BSG, Urteil vom 28.9.2011, a.a.O., Rdnr. 17, m.w.N.). Der Senat geht davon aus, dass es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) um eine Dienstleistung aus dem Bereich der persönlich geprägten Betreuungsleistungen handelt, die grundsätzlich sowohl in der Form einer abhängigen Beschäftigung als auch einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden kann. Entscheidend ist deswegen, wie die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) von der Klägerin organisiert und ausgestaltet worden ist (vgl. BSG, Urteil v. 25.4.2012, a.a.O., Rdnr. 22 ff. m.w.N.).
136Die im oben dargestellten Sinne rechtlich relevanten Beziehungen der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) sind zunächst im Vertrag über freie Mitarbeit vom 16.2.2009 geregelt. Ausgehend davon hat sich der Beigeladene zu 1) verpflichtet, psychosoziale Beratung und Betreuung (Ambulant Betreutes Wohnen, Eingliederungshilfe §§ 53 ff. SGB XII) für die Klägerin zu übernehmen. Von den Begrifflichkeiten "Auftraggeber", "Auftragnehmer" und "freie Mitarbeit" her liegt keine abhängige Beschäftigung vor. Der Beigeladene zu 1) unterlag nach § 2 ausdrücklich keinen Weisungen der Klägerin bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten. Allerdings spricht der Vertrag in § 2 auch von den "anderen angestellten Mitarbeitern", gegenüber denen er keine Weisungsbefugnis habe.
137In § 3 des Vertrages über freie Mitarbeit (Arbeitsaufwand/Betriebliche Anwesenheit) war vereinbart, dass der Arbeitsaufwand sich nach persönlicher Absprache mit der Klägerin richtet. Diese Regelung spricht weder für noch gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. § 4 Satz 1 (Arbeitszeit / Konkurrenz / Verschwiegenheit) lautet allerdings: "Im Übrigen unterliegt der Mitarbeiter in der Ausgestaltung seiner Arbeitszeit im wesentlichen keinen Einschränkungen.", was nach Überzeugung des Senates der Klägerin Raum für Vorgaben im Sinne der Ausübung eines arbeitgeberseitigen Weisungsrechts lässt.
138§ 5 Abs. 1 Satz 2 (Vergütung/Rechnungsstellung) besagt, dass der Aufwand für Wegezeiten, Aktenführung, Teambesprechungen, sowie anteilige Mobiltelefon- und Faxkosten im Stundenlohn enthalten sei. Die Führung eigener Akten spricht nicht für eine selbständige Tätigkeit. Auch in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen können Dokumentationspflichten der Arbeitnehmer bestehen. Dass die Aktenführung (mit-)vergütet wird, spricht eher für eine abhängige Beschäftigung. Gleiches gilt für die Teilnahme an Teambesprechungen. Die Abrechnung über vom Beigeladenen zu 1) entsprechend der geleisteten Stunden erteilte Rechnungen (§ 5 Abs. 2) stellt ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit dar, ebenso die vorgesehene Versteuerung durch den Beigeladenen zu 1). Die Kündigungsfrist von 8 Wochen (ohne festen Bezugspunkt) in § 7 ist "neutral".
139Soweit sich die Vertragsparteien in § 8 (Sonstiges) insbesondere darauf berufen haben, dass dem Beigeladenen zu 1) gerade die volle Entscheidungsfreiheit bei der Verwertung seiner Arbeitskraft belassen werden sollte, so spricht dies nicht gegen eine abhängige Beschäftigung, denn auch bei einer entsprechenden Teilzeitbeschäftigung hat der Arbeitnehmer im Übrigen volle Freiheit hinsichtlich der Verwertung seiner Arbeitskraft.
140Es finden sich keine arbeitnehmertypischen Regelungen zur Lohnfortzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall.
141Obwohl der zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) geschlossene Vertrag damit einige Elemente enthält, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen, spricht die tatsächliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses, wie sie sich aus den Angaben der Beteiligten und des Zeugen S erschließt, überwiegend für eine abhängige Beschäftigung. Auch insoweit ist der Entscheidung des SG zu folgen. Insbesondere lassen sich keine wesentlichen, gerade einer Selbständigkeit das Gepräge gebenden Freiräume für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) feststellen, die einem in vergleichbarer psychosozialer Beratung und Betreuung tätigen abhängigen Beschäftigten nicht zugestanden hätten (vgl. zu diesem Kriterium BSG, Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, a.a.O.).
142Die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen sich die Tätigkeit der von der Klägerin eingesetzten Mitarbeiter entfaltet, werden vor allem geprägt durch die zwischen ihr und dem LVR geschlossene Leistungs- und Prüfungsvereinbarung, welche die Klägerin als Vertragspartnerin unmittelbar bindet. Danach wird der individuelle Hilfebedarf verbindlich durch den Sozialhilfeträger festgestellt (§ 3 Abs. 2). Veränderungen sind im Einzelfall mitzuteilen und fachlich zu begründen (§ 3 Abs. 3). Das Betreuungsverhältnis wird in einem rechtsverbindlichen Betreuungsvertrag zwischen dem Hilfebedürftigen und der Klägerin geregelt (§ 4 Abs. 1). Die Betreuungsleistung ist regelmäßig zu dokumentieren (§ 4 Abs. 2). Die Fallverantwortung liegt bei einer Fachkraft (§ 5 Abs. 3), die die in § 5 Abs. 1 genannten Voraussetzungen, darunter eine mindestens einjährige Berufserfahrung, erfüllen muss.
143Vor diesem rechtlichen Hintergrund ergeben sich Ort, Zeit und Art der Tätigkeit für abhängig beschäftigte wie für "freie" Mitarbeiter der Klägerin im Wesentlichen aus den erforderlichen Betreuungsleistungen, zu deren Erbringung die Klägerin vertraglich verpflichtet ist und deren Vergütung auch nur sie gegenüber dem Kostenträger verlangen kann. Einzelweisungen der Klägerin sind daher grundsätzlich weder gegenüber den bei ihr abhängig beschäftigten noch den "freien" Mitarbeitern erforderlich. Dass der Hilfebedarf vom Beigeladenen zu 1) gemeinsam mit dem Klienten ermittelt wurde, gebietet keine abweichende Beurteilung. Denn dies ändert nichts an der Verantwortlichkeit der Klägerin sowohl gegenüber dem Klienten als auch gegenüber dem LVR als Kostenträger. Zudem bestand auch insoweit, wie der Beigeladene zu 1) im Erörterungstermin beim SG am 15.3.2012 bestätigt hat, kein Unterschied zwischen seiner Tätigkeit als "freier" Mitarbeiter und seiner späteren Festanstellung. Lediglich ergänzend weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Beigeladene zu 1) im Streitzeitraum nicht einmal die Voraussetzungen eines Fallverantwortlichen im Sinne von § 5 Abs. 1 und 3 erfüllte, was seine persönliche Abhängigkeit von der Klägerin im Rahmen der Leistungserbringung zusätzlich unterstreicht.
144In der Gesamtbewertung hat dabei wenig Gewicht, dass die tägliche Ausgestaltung der konkret vorzunehmenden Tätigkeiten im Verhältnis zu den Betreuten durch eine gewisse Eigenverantwortlichkeit und Eigenständigkeit des Beigeladenen zu 1) geprägt war. Denn auch eine eigenständige Entscheidungs- und Gestaltungsbefugnis bei der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit führt regelmäßig nicht zur Selbständigkeit im Sinne einer unternehmerischen Tätigkeit. Vielmehr ist es gerade auch für abhängige Beschäftigung typisch, dass der Grad der Eigenständigkeit der Ausführung mit dem Grad der Qualifikation des Mitarbeiters und seiner Verantwortung für den Erfolg des Gesamtunternehmens wächst. Dabei wird das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht dadurch beseitigt, dass es nicht in jedem Detail ausgeübt wird. Dies ist bei Diensten höherer Art sogar regelmäßig der Fall, so dass sich das Weisungsrecht des Arbeitgebers zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert, wenn der Betreffende in den Betrieb eingegliedert ist (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 21.2.1990, 12 RK 47/87, SozR 3-2940 § 3 Nr. 1). Eine derartige Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die von der Klägerin vorgegebene Organisation ihres Unternehmens hat hier aber umfassend vorgelegen:
145Zunächst trifft die Klägerin im Rahmen ihrer Verantwortlichkeit gegenüber dem LVR die Entscheidung über die Auswahl der Klienten. Ebenso entscheidet sie letztlich über die Zuordnung der jeweiligen Betreuer, auch wenn dies im Regelfall im Einverständnis mit den Betreuern bzw. - auch dies ist Beleg einer Eingliederung - nach Absprache im Team, zu dem abhängig beschäftigte und "freie" Betreuer gehören, geschieht. Die Klägerin hat insoweit allerdings selbst im Erörterungstermin vom 11.2.2014 eingeräumt, dass sie sich gegebenenfalls vorbehält, dem Betreuten "im Ernstfall" einen anderen Bezugsbetreuer zur Seite zu stellen. Die Eingliederung der "freien" Mitarbeiter in die Betriebsorganisation zeigt sich des Weiteren anhand der Vertretungsregelungen. Sie sind - ebenso wie die Festangestellten - festen Klienten als Erst- oder Zweitbetreuer zugeteilt, wobei der von der Klägerin bestellte Zweitbetreuer den Erstbetreuer im Falle der Verhinderung vertritt. Wie der Zeuge S bekundet hat, soll der Zweitbetreuer jedoch mindestens einmal im Monat Kontakt zum Klienten haben, damit im Verhinderungsfall ein nahtloser Übergang gewährleistet ist. Dabei vertreten sich je nach Einteilung durch die Klägerin festangestellte und freie Mitarbeiter gegenseitig. Zudem findet ein intensiver Austausch zwischen den beiden zugeordneten Betreuern über den einzelnen Klienten statt.
146Die festangestellte und freie Mitarbeiter gleichermaßen treffende Dokumentationspflicht unterstreicht die Integration der freien Mitarbeiter in den Betrieb der Klägerin. Die jeweils zuständigen Betreuer haben ihre Klienten betreffende Einsichts- und Schreibrechte im BeWo-Planer. Sie erfassen dort jede Begegnung, sodass jeder über den aktuellen Stand genau informiert ist. Die Zugriffsrechte liegen danach bei der Klägerin, die den Mitarbeitern die Möglichkeit des Zugriffs auf die jeweiligen Klienten gewährt. Die Eintragungen im BeWo-Planer machen deutlich, welche Leistungen der Betreuer erbracht hat. Der Zeuge S hat beschrieben, dass dieses gleichermaßen wichtig zum Nachweis der Klägerin gegenüber den Kostenträgern ist, weil Zahlungen nur für tatsächlich erfolgte unmittelbare Kontakte erfolgen, als auch für den Nachweis geleisteter Stunden seitens der freien und der festangestellten Mitarbeiter. Der Zeuge hat bestätigt, dass das Team auch von der Klägerin angehalten worden ist, die Einträge möglichst schnell vorzunehmen. Die Verwendung des BeWo-Planers war mithin auch dem Beigeladenen zu 1) vorgeben. Soweit die Klägerin als wesentlichen Unterschied zwischen festangestellten und "freien" Betreuern angegeben hat, den Letztgenannten habe sie keine festen Termine für die Einträge vorgeben können, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Da den "freien" Mitarbeitern - wie der Zeuge S bestätigt hat - nur die eingetragenen Stunden vergütet werden, besteht für sie ein hinreichender Druck zur zeitnahen Dokumentation, der qualitativ demjenigen einer arbeitgeberseitigen Weisung nicht nachsteht. Über die Dokumentation hinaus lässt sich die Klägerin, wie der Zeuge S ebenfalls angegeben hat, auch von ihren "freien" Mitarbeitern "engmaschig auf dem Laufenden" halten.
147Festangestellte wie "freie" Mitarbeiter nehmen an den Teambesprechungen teil, die in den Räumen der Klägerin stattfinden. Auch im Vertrag über freie Mitarbeit vom 16.02.2009 ist die Teilnahme an Teambesprechungen vorausgesetzt (§ 5 Abs. 1 Satz 2), wenn es dort heißt, dass sie mit dem Stundenhonorar abgegolten worden sind. Einzig dass die festangestellten Mitarbeiter an den Teambesprechungen teilnehmen müssen, während dies den "freien" Mitarbeitern freigestellt ist, unterscheidet beide Personengruppen hinsichtlich der Eingliederung. Insoweit mag in der Tat, wie insbesondere der Zeuge S es treffend beschrieben hat, gegenüber den festangestellten Mitarbeitern eine "größere Weisungsdichte" bestehen. Der Umstand, dass in einem Unternehmen zwei Gruppen von Mitarbeitern mit unterschiedlich engmaschiger Führung und verschieden starkem Grad an Eingliederung existieren, rechtfertigt es aber noch nicht, die Letztgenannten als selbständig anzusehen.
148Soweit der Beigeladene zu 1) das Recht hatte, einzelne Aufträge abzulehnen, kommt dem jedenfalls im vorliegenden Fall für die Abwägung keine maßgebliche Bedeutung zu, weil dieser Möglichkeit in der Praxis der Beteiligten keine wesentliche Bedeutung zugekommen ist (vgl. zu diesem Kriterium BSG, Urteil v. 11.3.2009, a.a.O., zur Frage der Delegationsbefugnis).
149Es kommt hinzu, dass sich keine wesentlichen Merkmale einer unternehmerischen Tätigkeit beim Beigeladenen zu 1) feststellen lassen. Weder verfügte er im Streitzeitraum über eine eigene Betriebsstätte, noch ist ein eigenes maßgebliches Unternehmerrisiko bei ihm zu erkennen. Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, a.a.O.) ist maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist.
150Der Beigeladene zu 1) hat zunächst keine wesentlichen sächlichen Mittel mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt. Er verfügte nicht über eigene Betriebsräume. Das für seine Arbeit erforderliche Dokumentationsprogramm wurde ihm von der Klägerin auf ihre Kosten zur Verfügung gestellt. Für einen nennenswerten Einsatz von Material für die Aktenführung, Post- und Telekommunikationsdienstleistungen ist nicht erkennbar. Soweit der Beigeladene zu 1) Wegekosten zu tragen hatte, liegt darin kein wesentliches unternehmerisches Risiko. Denn auch der typische Arbeitnehmer muss dafür Sorge tragen, seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Dass der Beigeladene zu 1) darüber hinaus nennenswerte Fahrtkosten gehabt hätte, weil er pro Tag mehrere Klienten und das Büro der Klägerin im Stadtgebiet von L angefahren hätte, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
151Ein Verlustrisiko hinsichtlich des Einsatzes seiner Arbeitskraft hat der Beigeladene zu 1) nicht getragen, da er nicht nach Erfolg, sondern nach Zeitaufwand entlohnt wurde. Das Risiko der Ablehnung eines Hilfeplan-Antrages trug demgegenüber die Klägerin, wie sie selbst eingeräumt hat.
152Das Fehlen von Regelungen zu Ansprüchen auf Urlaubsentgelt bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Ausschluss des § 616 BGB) rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme eines unternehmerischen Risikos. Die Überbürdung sozialer Risiken abweichend von der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung ist nur dann ein gewichtiges Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächliche Chancen einer Einkommenserzielung verbunden sind, also eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten stattfindet (BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R; Senat, Urteil v. 20.7.2011, L 8 R 534/10, jeweils zitiert nach juris). Hierfür ist im vorliegenden Fall jedoch nichts ersichtlich.
153Der Beigeladene zu 1) hat zudem kein eigenes Personal beschäftigt und ist - entgegen den Angaben der Klägerin - nicht nach außen als freier Mitarbeiter aufgetreten, sondern hat Hilfeplan-Anträge im Namen ihrer Firma gestellt und diese mit "i.A." unterzeichnet.
154Die Beklagte hat auch zu Recht die Versicherungspflicht ab dem 1.3.2009 festgestellt, da die Voraussetzungen für einen späteren Beginn gemäß § 7a Abs. 6 SGB IV nicht vorliegen. Die Antragstellung gemäß § 7a Abs. 1 SGB IV ist bereits nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit erfolgt.
155Die Voraussetzungen für eine Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung - Überschreiten der jeweils maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenze - sind ausgehend von den Einnahmen des Beigeladenen zu 1) im Streitzeitraum nicht erfüllt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 6 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI).
156Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Im Rahmen seines Ermessens (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO) hat der Senat von einer Kostenquotelung trotz des Änderungsbescheides vom 11.2.2014 aufgrund der Geringfügigkeit des diesbezüglichen Obsiegens abgesehen. Nichts anderes hätte hinsichtlich der teilweisen Aufhebung durch Bescheid vom 8.3.2010 gegolten, wenn diese nicht schon vor Erlass des Widerspruchsbescheides, sondern erst im Klageverfahren erfolgt wäre.
157Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die Entscheidung orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des BSG.
Tenor
-
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Februar 2013 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. März 2011 zurückgewiesen.
-
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger für seine Tätigkeit als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter bei der Beigeladenen zu 2., einem Reiseversicherungsunternehmen, ab dem 1.1.2010 bis zum 30.6.2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien muss.
- 2
-
Der 1980 geborene Kläger ist seit Februar 2008 Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer (RAK) K. und der Beigeladenen zu 1. Im Oktober 2008 nahm er eine zeitlich befristete Tätigkeit als Volljurist/Mitarbeiter bei der Beigeladenen zu 2. auf (Anstellungsvertrag vom 5.9.2008), für die ihn die Beklagte von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreite (Bescheid vom 25.11.2008, mit Wirkung ab 1.8.2009 aufgehoben durch Bescheid vom 10.12.2010). Ab Juni 2009 wechselte er firmenintern in die Funktion des "Vorstandsreferenten", wofür nach der Stellenausschreibung "ein erfolgreich abgeschlossenes Studium und mehrere Jahre Berufserfahrung" erforderlich waren. Nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden der Beigeladenen zu 2. habe der Kläger jedoch das Zweite Juristische Staatsexamen benötigt, weil er für die Gestaltung und Verhandlung von übergeordneten Unternehmensverträgen verantwortlich gewesen sei. Dies habe die Fähigkeit erfordert, selbständig Verhandlungen zu führen und unabhängig Entscheidungen zu treffen (schriftliche Zeugenaussage vom 28.10.2010). In der Stellenausschreibung hieß es weiter: "Das Aufgabengebiet umfasst die Beratung, Unterstützung und Entlastung des Vorstandsvorsitzenden bei seinen Aufgaben im Konzern, in Verbänden, Gremien und im politischen Umfeld. Sie erstellen Referate, Präsentationen, Publikationen sowie Berichte und Analysen. Zu Ihren weiteren Aufgaben gehört das eigenverantwortliche Vor- und Nachbereiten von Aufsichtsratssitzungen und Besprechungen. Außerdem erledigen Sie die Korrespondenz und unterstützen den Vorstandsvorsitzenden bei der Budgeterstellung." Daneben übernahm der Kläger die Funktion des "Compliance-Beauftragten", die nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden der Beigeladenen zu 2. das Zweite Juristische Staatsexamen voraussetzte, weil die Tätigkeit weit über eine lediglich gutachterliche Stellungnahme oder Beurteilung durch einen Diplom-Juristen hinausgehe. Die Aufgabe des "Compliance-Beauftragten" bestehe ua darin, persönliche Strafbarkeitsrisiken für Mitarbeiter und Organmitglieder sowie Haftungsrisiken für das Unternehmen und den Vorstand zu vermeiden (Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 2.9.2009 und schriftliche Zeugenaussage des Vorstandsvorsitzenden vom 28.10.2010). Ab dem 1.8.2009 wurde der Anstellungsvertrag vom 5.9.2008 entfristet und die monatlichen Bruttobezüge angehoben (Nachtrag vom 9.3.2009 zum Anstellungsvertrag). Seit dem 1.7.2012 ist der Kläger für "International Business Compliance" bei der Beigeladenen zu 2. zuständig.
- 3
-
Am 25.5.2009 beantragte der Kläger, ihn weiterhin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Er wies darauf hin, nach wie vor als Volljurist bei der Beigeladenen zu 2. angestellt zu sein und eine rechtsanwaltstypische Tätigkeit auszuüben. Der Schwerpunkt seiner rechtlichen Arbeit liege nunmehr ua bei Vorstandsangelegenheiten. Die Beigeladene zu 2. bestätigte, dass der Kläger mit eigenen Entscheidungskompetenzen ausgestattet und wesentlich an Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt sei. Viele Aufgaben könne nur ein Volljurist/Rechtsanwalt umfassend erledigen. Die Ernennung zum Compliance-Beauftragten setze den Abschluss zweier juristischer Staatsexamina voraus; die Zulassung als Rechtsanwalt sei wünschenswert (Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 9.11.2009). Die Beklagte lehnte den Befreiungsantrag ab, weil die Beschäftigung als Vorstandsreferent keine Befähigung zum Richteramt erfordere und die Beschäftigung als Jurist/Compliance-Beauftragter nicht zwingend von einem Rechtsanwalt ausgeübt werden müsse (Bescheid vom 21.10.2009 und Widerspruchsbescheid vom 10.3.2010).
- 4
-
Das SG Karlsruhe hat die Klage abgewiesen, ohne die Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 10.12.2010, die Befreiung im Bescheid vom 25.11.2008 aufzuheben, gemäß § 96 SGG in das Klageverfahren einzubeziehen(Urteil vom 23.3.2011). Auf die Berufung des Klägers hat das LSG das erstinstanzliche Urteil vom 23.3.2011 sowie den Bescheid vom 21.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.3.2010 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger für die Zeit vom 1.1.2010 bis zum 30.6.2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien (Urteil vom 19.2.2013): Der gegen Entgelt abhängig beschäftige und rentenversicherungspflichtige Kläger sei Pflichtmitglied der RAK und der Beigeladenen zu 1. Diese Pflichtmitgliedschaften bestünden auch "wegen der" Beschäftigung als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter. Eine kausale Beziehung sei indes nicht erforderlich, weil § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ansonsten - jedenfalls für Rechtsanwälte - weitgehend leer laufe. Die Auffassung, dass bei einer abhängigen Beschäftigung von Juristen mit der Befähigung zum Richteramt bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber (Unternehmensjuristen oder Syndikusanwälte) eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die abhängige versicherungspflichtige Beschäftigung nur dann in Betracht komme, wenn es sich dabei um eine anwaltliche Tätigkeit handele, dh um die Ausübung einer dem Kammerberuf entsprechenden berufsspezifischen Tätigkeit, finde im Gesetz keine Stütze. Auch die sog "Vier-Kriterien-Theorie", wonach Syndikusanwälte nur befreit werden könnten, wenn ihre Tätigkeit die Rechtsberatung, -entscheidung, -gestaltung und -vermittlung umfasse, sei als Abgrenzungsformel ungeeignet. Vielmehr sei ein Befreiungsanspruch bereits dann gegeben, wenn die jeweilige Beschäftigung weder die Versagung oder Rücknahme der Rechtsanwaltszulassung noch ihren Widerruf rechtfertige (§ 7 Nr 8, § 14 Abs 1 und Abs 2 Nr 8 BRAO). Insoweit komme der Zulassungsentscheidung der RAK Tatbestandswirkung gegenüber dem Rentenversicherungsträger (und den Gerichten) zu.
- 5
-
Dagegen hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI): Das LSG habe durch seinen personenbezogenen Ansatz weder den Wortlaut der Norm noch die Intention des Gesetzgebers rechtlich zutreffend gewürdigt. Nach dem Berufungsurteil seien alle Tätigkeiten eines Rechtsanwalts, die mit seiner Zulassung vereinbar seien, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien, und zwar unabhängig davon, ob es sich überhaupt um juristisch-anwaltliche Tätigkeiten handele. Der erstmalige Befreiungsbescheid habe dann faktisch Dauerwirkung, die erst mit der Rücknahme oder dem Widerruf der Rechtsanwaltszulassung ende, sodass die Bescheidung weiterer Befreiungsanträge nutzlose Verwaltungsarbeit sei. Im Ergebnis würden der Solidargemeinschaft - in Abhängigkeit von der Zulassungspraxis der RAK - Rentenversicherungsbeiträge in erheblicher Höhe entzogen. Um dies zu verhindern, müsse der Rentenversicherungsträger den Zusammenhang zwischen der konkret ausgeübten anwaltlichen Beschäftigung bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber und den Pflichtmitgliedschaften in RAK und Versorgungswerk positiv feststellen. Dies sei der Fall, wenn die jeweilige Beschäftigung inhaltlich durch Merkmale einer anwaltlichen Tätigkeit gekennzeichnet sei und nur von Personen ausgeübt werden könne, die zum Richteramt befähigt seien. Darüber hinaus müsse die jeweilige Beschäftigung alle Merkmale der "Vier-Kriterien-Theorie" kumulativ erfüllen. Die Stellenausschreibung, auf die sich der Kläger beworben habe, spreche Absolventen der verschiedensten Fachrichtungen an, wobei weder ein juristisches Studium noch die Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung Einstellungsvoraussetzung gewesen sei. Schon deshalb könne keine anwaltliche Tätigkeit vorliegen. Auch bei der Betätigung als Compliance-Beauftragter stünden rechtliche Fragen nicht im Mittelpunkt.
- 6
-
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Februar 2013 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. März 2011 zurückzuweisen.
- 7
-
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 8
-
Als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter habe er eine berufsspezifisch-anwaltliche Tätigkeit im Rahmen seiner Rechtsanwaltszulassung ausgeübt. Zur Vermeidung einer doppelten Beitragspflicht sei er daher gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien. Die Doppelberufstheorie des BGH, die die Beklagte erwähne, und die Vier-Kriterien-Theorie, die sie heranziehe, seien rechts- bzw verfassungswidrig.
- 9
-
Die Beigeladene zu 1., die keinen Antrag stellt, trägt vor, das Tatbestandsmerkmal "wegen" solle zum Ausdruck bringen, dass die ins Auge gefasste Beschäftigung in einem sachlichen Zusammenhang mit einer berufsspezifischen Anwaltstätigkeit stehen müsse, die durch Kammermitgliedschaft der besonderen berufsrechtlichen Überwachung und Qualitätssicherung unterliege. Es sei daher nach einer Kriterienformel zu suchen, mit deren Hilfe zwischen anwaltsspezifischer und -unspezifischer, anwaltlicher und nichtanwaltlicher Tätigkeit unterschieden werden könne. Dies leiste die sog "Vier-Kriterien-Theorie", die die Friedensgrenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung ziehe, sich in langjähriger Verwaltungspraxis bewährt habe und inhaltlich beschreibe, was das Berufsbild des Anwalts iS der §§ 1 bis 3 BRAO ausmache. Selbst die Beklagte wende die "Vier-Kriterien-Formel" an; sie sei weder durch eine zwischenzeitliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen überholt noch sei der "Syndikusanwalt" ein neuer Berufsstand. Ob die Tätigkeit des Klägers als anwaltliche Tätigkeit zu klassifizieren sei, könne nach den bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen wiesen stark in die Richtung, dass die vier Kriterien für eine Rechtsanwaltstätigkeit erfüllt seien. Am besten sei es jedoch, wenn die RAK - wie es das LSG befürworte - mit Bindungswirkung für das Befreiungsverfahren darüber entscheide, ob das Kammermitglied berufsspezifisch tätig sei.
- 10
-
Die Beigeladene zu 2. beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 11
-
Wie aus ihrer Stellen- und Funktionsbeschreibung sowie der Zeugenaussage ihres Vorstandsvorsitzenden hervorgehe, sei der Kläger bei ihr als Rechtsanwalt tätig, dem sie mit der unwiderruflichen Freistellungserklärung ihr besonderes Vertrauen ausgesprochen habe. Zudem habe sie im Befreiungsverfahren ausdrücklich bestätigt, dass eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt werde, wobei diese Einschätzung gemäß Art 12 GG in ihrem Ermessen stehe. § 6 SGB VI sei keine Ausnahmevorschrift, sondern eine Kollisions- bzw Konfliktlösungsnorm, für die es auf die konkrete berufsspezifische Tätigkeit ankomme, die den jeweiligen Antragsteller kammerpflichtig mache, was anhand der BRAO zu prüfen sei. Diese definiere aber keine Beschäftigung, "wegen der" eine Mitgliedschaft in einer RAK bestehe. Sozialversicherungsrechtlich sei die Doppelberufstheorie ebenso unbeachtlich wie die Frage, ob sich die Berufshaftpflicht auch auf die angestellte Tätigkeit beziehe. Stattdessen habe sich in der Rechtspraxis die "Vier-Kriterien-Theorie" durchgesetzt, wie aus der Liste entsprechender erstinstanzlicher Entscheidungen hervorgehe. Syndikusanwälte seien seit über 125 Jahren integraler Bestandteil der deutschen Anwaltschaft und deshalb keine "neue Berufsgruppe". Der Beklagten sei schließlich entgegenzuhalten, dass sie selbst die Tätigkeiten als Vorstandsreferent und auch im Compliancebereich in aller Regel als befreiungsfähig ansehe.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die Revision der Beklagten ist begründet.
- 13
-
Zu Unrecht hat das LSG auf die Berufung des Klägers das klageabweisende Urteil des SG vom 23.3.2011 sowie den Bescheid vom 21.10.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 10.3.2010 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, ihn für seine Tätigkeit als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter bei der Beigeladenen zu 2. im Zeitraum vom 1.1.2010 bis 30.6.2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Das Urteil des Berufungsgerichts vom 19.2.2013 verletzt Bundesrecht (§ 162 SGG). Dem Kläger steht kein Befreiungsrecht zu.
- 14
-
Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in der Neufassung von Art 1 Nr 3 Buchst a des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (SGB6uaÄndG) vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) in Betracht, der am 1.1.1996 in Kraft getreten und durch Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 9.12.2004 (BGBl I 3242) ab dem 1.1.2005 (Art 86 Abs 1 aaO) geringfügig modifiziert worden ist. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
- 15
-
1. Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum abhängig beschäftigt, weil die konstituierenden Merkmale des entsprechenden sozialrechtlichen Anknüpfungssachverhalts (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) nach den unangefochtenen und damit bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) vorliegen. Hiernach erbrachte der Kläger bei der Beigeladenen zu 2. als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis (§§ 611 ff BGB). Aufgrund der Bruttovergütung iH von monatlich 3681,00 Euro, die deutlich über der Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 8 Abs 1 SGB IV) lag, war er auch (renten-)versicherungspflichtig (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB VI).
- 16
-
2. Der Kläger ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab dem 22.2.2008 durch die RAK K. zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Noch hinreichend deutlich ist damit vor dem Hintergrund von § 12 Abs 1, § 34 BRAO gleichzeitig festgestellt, dass am selben Tag der entsprechende (begünstigende) Verwaltungsakt(§ 35 S 1 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO), verkörpert in einer von der RAK ausgestellten Urkunde, durch Aushändigung wirksam geworden ist (§ 12 Abs 1 BRAO). Gemäß § 12 Abs 3 BRAO wurde der Kläger damit kraft gesetzlicher Verpflichtung (eo ipso) obligatorisches Pflichtmitglied der zulassenden RAK K. (§ 60 Abs 1 S 2 BRAO). Fehler im Zulassungsverfahren oder etwaige Verstöße gegen berufsrechtliche Pflichten lassen diese Pflichtmitgliedschaft unberührt. Der ua für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Handlungsform vorgeschriebene Verwaltungsakt (vgl BGH - Senat für Anwaltssachen - Beschluss vom 15.10.2012 - AnwZ (BrfG) 45/12 - NJW-RR 2013, 303, 304 RdNr 7) bleibt nach den damit einschlägigen allgemeinen Vorschriften des jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzes (§§ 35 ff VwVfG) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 43 Abs 2 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO). Das LSG hat derartige Aufhebungs- oder Erledigungstatbestände nicht festgestellt. Die rechtsgestaltenden Wirkungen des Zulassungsverwaltungsakts sind damit auch von den mit der Durchführung der Sozialversicherung betrauten Behörden und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in der Weise zu beachten, dass die dort getroffenen Regelungen auch ihnen gegenüber als verbindlich anzusehen sind (sog Tatbestandswirkung). Hiervon geht auch das Berufungsgericht aus.
- 17
-
3. Das LSG hat zudem festgestellt, dass der Kläger zugleich "aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung seiner Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung)" geworden ist. Die Beigeladene zu 1. ist als Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg eine berufsständische Versorgungseinrichtung. Mit der Zulassung durch die RAK wurde der Kläger, der damals das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, auf der Grundlage der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des nichtrevisiblen Landesrechts in § 5 Abs 2 des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (Rechtsanwaltsversorgungsgesetz - RAVG) vom 10.12.1984 iVm § 10 Abs 1 S 1, § 5 Abs 2 der Satzung der Beigeladenen zu 1. ipso iure (ohne Erlass eines weiteren Verwaltungs- oder eines anderen konstitutiven Rechtsakts) zeitgleich obligatorisches Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 1. und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der RAK K.
- 18
-
4. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gibt indessen versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die "Beschäftigung, wegen der" sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erfolgt allerdings weder im Blick auf eine "Beschäftigung" noch auf einen bestimmten Kreis anwaltlicher Betätigungen. Vielmehr ist mit der statusbegründenden Zulassung stets der volle Umfang anwaltlicher Berufsausübung eröffnet, der damit auch zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wird nämlich unter den tatbestandlichen Voraussetzungen insbesondere der §§ 4 ff BRAO unabhängig von einer bestimmten Tätigkeit im Wesentlichen personenbezogen und ohne zusätzliche Beschränkung für alle Betätigungen erteilt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege(§ 1 BRAO) und als berufener unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs 1 BRAO) verbunden sind. Im Blick hierauf könnten bei einem strikt Wortlaut getreuen Normverständnis die tatbestandlichen Befreiungsvoraussetzungen bei Rechtsanwälten zumindest grundsätzlich nicht erfüllt werden, worauf auch das LSG hinweist. Die rentenrechtliche Funktion des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI erlaubt und fordert deshalb zwingend ein den Gegebenheiten des anwaltlichen Berufs- und Versorgungsrechts angepasstes Verständnis des Tatbestandselements derselben Beschäftigung ("… für die Beschäftigung, wegen der …"), wenn und soweit es gerade in diesem Kontext Anwendung findet. Diese auch in der Literatur erörterten Schwierigkeiten schließen indessen die Anwendbarkeit nicht grundsätzlich aus. Im vorliegenden Zusammenhang kann unter "derselben Beschäftigung" iS der Norm die "von der Beschäftigung erfasste Erwerbstätigkeit" verstanden werden.
- 19
-
§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI betrifft die Koexistenz von jeweils aufgrund öffentlich-rechtlichen Zwangs angeordneten Versorgungen für die Fälle von verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod(sog "doppelte Pflichtmitgliedschaft", Prossliner, NZA 2013, 1384, 1389). Er überlässt es dem hiernach gesetzlich Ermächtigten, es nach jeweils eigener Willensentscheidung entweder durch Untätigkeit bei der Parallelität als gesetzlich stillschweigend angelegtem Regelfall zu belassen oder unter den gesetzlich im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen durch einen hierauf gerichteten materiell-rechtlichen Antrag (§ 6 Abs 2 SGB VI) sein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unter Verbleib in der berufsständischen Versorgungseinrichtung geltend zu machen. Mit einem Gebrauchmachen von der gesetzlich eröffneten positiven Gestaltungsmöglichkeit kann im Ergebnis eine Doppelbelastung mit Beiträgen und eine mehrfache Absicherung vergleichbarer Risiken vermieden werden. Das Verständnis von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI hat sich an dieser systemübergreifenden Koordinierungsfunktion zu orientieren und darf daher nicht bereits die Schnittmenge beider Bereiche allein nach Kriterien der gesetzlichen Rentenversicherung ("Beschäftigung") bestimmen, die für die Zugehörigkeit zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen grundsätzlich ohne Bedeutung sind.
- 20
-
Maßgeblich für die Einbeziehung in die berufsständische Versorgung ist grundsätzlich nämlich weder die inhaltliche Beschränkung auf einzelne Verrichtungen innerhalb eines Berufsbildes noch die Form von deren Erbringung in persönlicher Abhängigkeit von einem Arbeitgeber, sondern der durch Zulassungsakt eröffnete Zugang zu einer Berufstätigkeit in ihrer Gesamtheit. Beide Sicherungsformen (gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgung) stimmen jedoch - als Minus gegenüber der "Beschäftigung", die § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI auf beide Sicherungssysteme anzuwenden scheint - jedenfalls darin überein, dass sie inhaltlich jeweils an die Ausübung einer Erwerbstätigkeit anknüpfen und Schutz gegen die wirtschaftlichen Folgen gerade hiermit verbundener Risiken gewährleisten. Kommt daher in Betracht, dass ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führt, ist bereits damit der Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI eröffnet und eine weitergehende Prüfung veranlasst.
- 21
-
5. Der Kläger erfüllt indessen auch die Voraussetzungen der in dieser Weise modifiziert verstandenen Norm nicht. Seine Erwerbstätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. kann dem Berufsfeld der Rechtsanwältin/des Rechtsanwalts von vornherein nicht zugeordnet werden. Denn die anwaltliche Berufsausübung ist in der äußeren Form der Beschäftigung nicht möglich. Umgekehrt bedarf es mangels Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen gegenüber einem Arbeitgeber keiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 2 Abs 1, § 3 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen - RDG). Die im Rahmen der Beschäftigung erbrachte Erwerbstätigkeit ist damit für seine Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 1. und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung, sodass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fehlt und sich eine weitergehende inhaltliche Prüfung erübrigt. Der erkennende Senat kann dies ungeachtet der Tatbestandswirkung der Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nach dem einschlägigen Bundesrecht selbst abschließend beurteilen. Entsprechende statusbegründende Verwaltungsakte umfassen ihrem Regelungsgehalt nach nicht die Zuordnung einzelner Tätigkeiten und sind insofern im konkreten Zusammenhang notwendig der eigenständigen Auslegung und Anwendung bedürftig.
- 22
-
Die angegriffenen Verwaltungsakte sind bereits deshalb rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Auf das Fehlen von Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen von § 6 Abs 3 Nr 1 SGB VI und auf die rechtliche Bedeutung der dort als Voraussetzung einer Entscheidung der Beklagten über die Befreiung geforderten Bestätigung des "Vorliegens der Voraussetzungen" kommt es unter diesen Umständen vorliegend nicht an(vgl hierzu BSG vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 36).
- 23
-
Die scheinbare Unvereinbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit "kammerrechtlichen Normen" erlaubt es nicht, seinen Wortlaut weitergehend hintanzustellen. Eines systemübergreifenden Verständnisses der Vorschrift bedarf es allein, wenn und soweit das Gesetz notwendig einen identischen Ausgangssachverhalt ("dieselbe Beschäftigung" im Sinne einer potenziell doppelrelevanten Erwerbstätigkeit) erfordert. Kommt es dagegen auf die Voraussetzungen der sich aus dieser Erwerbstätigkeit ergebenden Versicherungspflicht nach dem spezifischen Binnenrecht der jeweiligen Sicherungsform an, beruht die Anwendbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht etwa auf der Erfüllung eines einzigen, sondern auf dem kumulativen Vorliegen mehrerer einschlägiger und gesondert zu prüfender Tatbestände. Aus der Sicht der gesetzlichen Rentenversicherung kann daher ua nicht darauf verzichtet werden, dass die konkret in Frage stehende Erwerbstätigkeit gerade in der äußeren Form einer Beschäftigung (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) ausgeübt werden kann und andererseits gleichzeitig zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Eine lediglich inhaltliche Überschneidung der in den zu koordinierenden Systemen erfassten Erwerbstätigkeit genügt daher nicht. Sie ist zwar stets notwendig, doch ist sie ggf rechtlich - wie in Fällen der vorliegenden Art - nicht hinreichend. Andernfalls würde im Wege der "Auslegung" das funktionell unverzichtbare Erfordernis der Doppelrelevanz einer Erwerbstätigkeit aufgegeben und damit der tatbestandliche Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI überhaupt verlassen. Prüfungstechnisch erübrigt sich jedes Eingehen auf inhaltliche Aspekte einer in Frage stehenden Erwerbstätigkeit, wenn bereits aufgrund ihrer äußeren Form ausscheidet, dass sie mehrfach Versicherungspflicht begründen könnte.
- 24
-
Der Senat legt seiner Beurteilung der sozialrechtlichen (Vor-)Frage, ob eine Erwerbstätigkeit dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann, obwohl sie im Rahmen einer Beschäftigung einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber geschuldet ist, die ständige übereinstimmende Rechtsprechung des für das Berufsrecht der Rechtsanwälte zuständigen BGH, des BVerfG und des EuGH zugrunde. Er sieht auch nach eigener Prüfung keinen Rechtsgrund, hiervon abzuweichen, was grundsätzlich ohnehin erst nach Vorlage an den EuGH (Art 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV), das BVerfG (Art 100 Abs 1 GG) und/oder durch Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes - RsprEinhG) möglich gewesen wäre. Es fällt auf, dass sich die Revisionserwiderung des anwaltlich vertretenen und seinerseits zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Klägers mit diesem überkommenen und gefestigten Bestand des anwaltlichen Berufsrechts allenfalls am Rande befasst und lediglich behauptet, die sog Doppelberufstheorie sei verfassungswidrig, ohne dies jedoch unter Benennung einer angeblich verletzten Verfassungsnorm auch nur ansatzweise zu begründen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Rechtsprechung des BGH, dessen Senat für Anwaltssachen neben dem Präsidenten des BGH sowie zwei Mitgliedern des BGH gerade aus Gründen der berufsspezifischen Sachkunde mit zwei Rechtsanwälten als Beisitzern besetzt ist (§ 106 Abs 2 S 1 BRAO).
- 25
-
Ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Umschreibung ist zunächst der rechtliche Sprachgebrauch in der ständigen Rechtsprechung insbesondere des Senats für Anwaltssachen des BGH, dem sich der erkennende Senat auch insofern anschließt, geklärt. Hiernach ist unter einem "Syndikus" derjenige zu verstehen, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber steht. Der "Syndikusanwalt" ist gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen (vgl exemplarisch BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71 mit Hinweis auf BT-Drucks III/120 S 77 und Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6).
- 26
-
Inhaltlich entnimmt der BGH dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts in "gefestigter Rechtsprechung" und unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien, dass der Syndikus in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig ist. Bereits in der Entscheidung vom 7.11.1960 (AnwZ (B) 4/60 - BGHZ 33, 276, 279 f) heißt es insofern:
"Der Syndikusanwalt hat eine Doppelstellung inne: Er ist einerseits Angestellter und andererseits Rechtsanwalt. Soweit es um das Anstellungsverhältnis geht, kann er allerdings seine Eigenschaft als Rechtsanwalt nicht abstreifen, aber diese Eigenschaft ändert nichts daran, daß das Arbeitsverhältnis von dem Prinzip der Über- und Unterordnung beherrscht wird. Die Bundesrechtsanwaltsordnung vermochte nicht in bestehende Arbeitsverträge einzugreifen und schreibt auch für nach ihrem Erlaß abgeschlossene Verträge keinen neuen Arbeitsvertragstypus vor, der den Syndikusanwalt und seinen Dienstherrn etwa gleichgeordnet stellt. Wenn man, wie das die Bundesrechtsanwaltsordnung getan hat, die Institution des Syndikusanwalts bejaht, muß man auch dem gerecht werden, daß der Syndikusanwalt zwei Arbeitsbereiche hat, nämlich einen arbeitsvertraglich gebundenen und einen als freier Anwalt. Die Amtliche Begründung (zu § 59 S. 77) sagt ganz mit Recht: `Der Syndikusanwalt entspricht bei seiner Tätigkeit als Syndikus für seinen Dienstherrn nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild, wie es in der Vorstellung der Allgemeinheit besteht. In das Berufsbild des Anwalts, das sich von ihm als einem unabhängigen Organ der Rechtspflege geformt hat, läßt sich nur die Tätigkeit einfügen, die der Syndikus als Anwalt außerhalb seines Dienstverhältnisses ausübt. Dagegen sind bei der Tätigkeit, die er als Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, die typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Anwalts bestimmen, nicht gegeben´."
- 27
-
Hieran wird im Rahmen einer kontinuierlichen Verweisungskette bis heute festgehalten (vgl exemplarisch BGH Beschluss vom 25.4.1988 - AnwZ (B) 2/88 - BRAK-Mitt 1988, 271 f; Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71; Beschluss vom 13.3.2000 - AnwZ (B) 25/99 - NJW 2000, 1645; Beschluss vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17, insofern in BGHZ 183, 73 ff nicht abgedruckt; Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6; ebenso BAG Beschluss vom 19.3.1996 - 2 AZB 36/95 - BAGE 82, 239, 241). Im genannten Beschluss vom 7.2.2011 formuliert der BGH - unter ausdrücklicher Erweiterung dieser Rechtsprechung auf das Berufsbild des europäischen Rechtsanwalts (§ 2 Abs 1 EuRAG) - aktuell wie folgt:
"Nach gefestigter Rechtsprechung zu dem Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung wird derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht (Syndikus), in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig (BVerfGE 87, 287; BGH, Beschluss vom 18. Juni 2001 - AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, NJW 2010, 377 Rn. 17). Die mit dem Dienst- oder Anstellungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten stehen nicht im Einklang mit dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Berufsbild des Rechtsanwalts als freiem und unabhängigem Berater und Vertreter aller Rechtsuchenden. …"
- 28
-
In Übereinstimmung hiermit zitiert das BVerfG (Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 294 f) aus der BT-Drucks III/120, S 56 f:
"Bei der Prüfung im Einzelfall wird der Maßstab anzulegen sein, der sich aus dem allgemeinen Berufsbild des Rechtsanwalts ergibt. Der Rechtsanwalt muß als solcher in der Beratung und Vertretung unabhängig und objektiv sein. Will der Bewerber z.B. eine Tätigkeit beibehalten, die seine ganze Arbeitskraft in Anspruch nimmt und in der er streng an fremde Weisungen gebunden ist, so bleibt für eine Ausübung des Berufes als Anwalt, an den sich jeder Rechtsuchende wenden könnte, kein Raum mehr. Die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt würde in einem solchem Fall zu einem inhaltsleeren Titel werden. - Unter ähnlichen Gesichtspunkten lassen sich die Grenzen für den sogen. Syndikusanwalt bestimmen, der in einem Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht. Zwar wird ein Bewerber, der Syndikus und Rechtsanwalt zugleich sein will, in seiner Eigenschaft als S y n d i k u s eine juristische Tätigkeit ausüben, wenn er seinem Arbeitgeber in Rechtsangelegenheiten Rat und Beistand gewährt; diese Tätigkeit kann, rein fachlich betrachtet, der beratenden Tätigkeit eines Rechtsanwalts durchaus entsprechen; seine Stellung als Syndikus mag auch so bedeutend sein, daß er seinem Arbeitgeber gegenüber selbständig und eigenverantwortlich zu handeln vermag. Jedoch würde eine ausschließliche Tätigkeit für ein Unternehmen nicht dem Bild entsprechen, das bei dem Beruf des Rechtsanwalts, von der Allgemeinheit der Rechtsuchenden her gesehen, in seiner Stellung innerhalb der Rechtspflege gegeben sein muß. Das Berufsbild des Rechtsanwalts kann nur dann vorhanden sein, wenn der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben seiner Tätigkeit in dem Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so wäre einem Bewerber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen. … "
- 29
-
Damit ist insbesondere geklärt, dass ungeachtet im Einzelfall arbeitsrechtlich eröffneter Möglichkeiten, auch gegenüber dem Arbeitgeber sachlich selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, allein die Eingliederung in die von diesem vorgegebene Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar ist. Das für die Zulassung unverzichtbare Berufsbild des Rechtsanwalts kann sich damit nur daraus ergeben, dass der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben (!) seiner Tätigkeit im Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Der Syndikusanwalt ist Rechtsanwalt, nicht weil er Syndikus ist, sondern weil er sich aufgrund einer nur deshalb zu erteilenden Zulassung unabhängig hiervon und daneben gesondert als Rechtsanwalt betätigt. Beide Tätigkeiten sind grundsätzlich getrennt zu betrachten (vgl BGH Beschluss vom 22.3.1999 - PatAnwZ 10/98 - EBE/BGH 1999, 150 f, zum Erfordernis einer mindestens halbjährigen Tätigkeit "bei einem Patentanwalt", das nur dann erfüllt ist, wenn der Antragsteller auf dem Gebiet eines Patentanwalts tätig geworden ist und nicht lediglich im Rahmen eines "Beschäftigungsverhältnisses in einem Unternehmen" bei einem dort ebenfalls angestellten Syndikusanwalt). Soweit der BGH hinsichtlich der Voraussetzungen für den Erwerb von Fachanwaltsbezeichnungen in begrenztem Umfang Ausnahmen zulässt (vgl BGH Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 mwN, insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt; vgl zur Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens der Fachgerichte, wenn sie Nachweise des Bewerbers über die in seiner Eigenschaft als Syndikusanwalt betreuten Fälle als nicht ausreichend bewerten, BVerfG Beschluss vom 20.3.2007 - 1 BvR 142/07 - NJW 2007, 1945), ist dies für den vorliegenden Zusammenhang erkennbar ohne Bedeutung; im Übrigen sieht der BGH hierdurch seine sonstige Rechtsprechung ausdrücklich als nicht betroffen an.
- 30
-
Die Rechtsprechung des BGH wird durch die Materialien zum Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (BT-Drucks 12/4993) bestätigt. Der Rechtsausschuss (6. Ausschuss) vermerkt in der Drucks 12/7656 (Beschlussempfehlung und Bericht) auf S 49 zu Nummer 18a (§ 46 BRAO):
"… Nicht aufgegriffen hat der Ausschuß den in der Anhörung am 1. Dezember 1993 von Vertretern der Syndikusanwälte im Deutschen Anwaltverein vorgebrachten Vorschlag, durch eine Änderung des § 46 BRAO dem Syndikusanwalt einzuräumen, daß er auch im Angestelltenverhältnis als Anwalt tätig wird.
Eine solche Änderung hätte zur Folge gehabt, daß der Syndikusanwalt, der jetzt im Nebenberuf Rechtsanwalt ist und im Hauptberuf als Angestellter seinen Arbeitgeber in rechtlichen Angelegenheiten berät, auch in seiner Eigenschaft als rechtlicher Berater seines Arbeitgebers Rechtsanwalt mit allen Rechten und Pflichten ist. Der Ausschuß ist in seinen Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, daß das in den §§ 1 bis 3 BRAO normierte Berufsbild des Rechtsanwalts, wie es sich auch in der Allgemeinheit von ihm als unabhängigem Organ der Rechtspflege gebildet hat, mit der Tätigkeit unvereinbar ist, wenn der Syndikus im Rahmen seines Dienstverhältnisses als Anwalt auftritt. Bei der Tätigkeit, die der Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, sind dann, wenn der Syndikus persönlich mit der Materie des Einzelfalls befaßt gewesen ist, die durch das Gesetz der freien Advokatur gekennzeichneten typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Rechtsanwalts bestimmen, nicht gegeben. Seine freie und unreglementierte Selbstbestimmung wäre im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, in dem er grundsätzlich dem Prinzip der Über- und Unterordnung unterliegt, nicht gewährleistet. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 1992 zum anwaltlichen Zweitberuf (1 BvR 79/85 u. a.) spricht zwar einerseits für eine weitgehende Öffnung zum Zweitberuf, wenn durch Berufsausübungsregelungen die Gefahr von Interessenkollisionen vermieden wird. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang aber auch erneut die Gemeinschaftsgüter der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Rechtspflegeorgan und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege anerkannt. Beides steht nach der einhelligen Auffassung des Ausschusses einer Änderung des § 46 BRAO in dem gewünschten Sinn entgegen."
- 31
-
Ebenso hat schließlich der EuGH (Urteil vom 14.9.2010 - C-550/07 P - NJW 2010, 3557) entschieden, dass die Kommunikation zwischen Mandant und Rechtsanwalt einer gemeinsamen Tradition der Mitgliedsstaaten entsprechend nur für Schriftwechsel gilt, der von "unabhängigen Rechtsanwälten" ausgeht, dh von Anwälten, die nicht durch einen Dienstvertrag an den Mandanten gebunden sind.
- 32
-
6. Die gegen dieses Ergebnis vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
- 33
-
a) Ungeachtet möglicher inhaltlicher Übereinstimmungen kommt für das Deckungsverhältnis der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Betracht, abhängige Beschäftigung und eine daneben ausgeübte selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt im Sinne einer einheitlichen Betrachtung "zusammenzuziehen". Die isolierte Fragestellung, ob eine anwaltliche Tätigkeit in Gestalt einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden kann und damit grundsätzlich eine Befreiungsmöglichkeit eröffnet ist, würde damit gerade verlassen. Die beiden (einzigen) Formen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die selbständige Tätigkeit und die abhängige Beschäftigung, schließen sich im Übrigen wechselseitig aus. Wo - wie vorliegend - die Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung in Frage steht, können Gesichtspunkte der selbständigen Erwerbstätigkeit keine Rolle spielen. Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung des BSG im Rentenversicherungsrecht, dass, wenn nebeneinander verschiedene rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte vorliegen, das Bestehen von Versicherungspflicht (oder Versicherungsfreiheit bzw Versicherungsbefreiung) hinsichtlich des einen Sachverhalts grundsätzlich keine Wirkung für den anderen Sachverhalt hat, jeder Sachverhalt mithin, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, selbständig zu beurteilen ist und es deshalb zulässigerweise zu Mehrfachversicherungen und mehrfacher Beitragspflicht kommen kann (vgl BSG Urteile vom 4.11.2009 - B 12 R 7/08 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 13 RdNr 19 mit Hinweis auf die Rechtslage bereits vor Inkrafttreten des SGB VI, vom 13.9.1979 - 12 RK 26/77 - BSGE 49, 38, 39 f = SozR 2200 § 1227 Nr 29 S 67, 68 f, mwN und vom 2.6.1982 - 12 RK 66/80 - SozR 5800 § 2 Nr 3; s auch - hieran anknüpfend - die Begründung zum Entwurf eines Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks 11/4124 S 148).
- 34
-
b) Rechtlich ist auch unerheblich, ob die in Frage stehende Beschäftigung inhaltlich "Elemente" der anwaltlichen Berufstätigkeit aufweist. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fordert - wie dargelegt - nach Normwortlaut und Funktion stets zusätzlich, dass die Tätigkeit, die zur Versicherungspflicht bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt, gleichzeitig in der Form der Beschäftigung ausgeübt wird und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Ist dies - wie vorliegend für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt bei einem nicht dem Standesrecht unterworfenen Arbeitgeber - von vornherein ausgeschlossen, sind mögliche Sachbezüge der ausgeübten Erwerbstätigkeit zum Berufsbild des Rechtsanwalts ohne rechtliche Bedeutung. Ihr Vorliegen könnte nicht mehr zu einem Lebenssachverhalt führen, der die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in vollem Umfang erfüllt.
- 35
-
Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI können auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein innerer (sachlicher) Zusammenhang der behaupteten Art "theorie-"gestützt begründet wird. Was für den inneren Zusammenhang als solchen gilt, betrifft notwendig auch alle zum Beleg seines Vorliegens benannten Einzelkriterien und "Kriterienformeln", damit auch die sog Vier-Kriterien-Theorie ("rechtsberatend, rechtsvermittelnd, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend") und jedes ihrer Elemente. Erst recht fehlt es an jeder Rechtsgrundlage, die "Vier-Kriterien-Theorie" an Stelle des gesetzlichen Tatbestands der Rechtsanwendung zugrunde zu legen und damit die Rechtsfolge des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit der vorliegend in Frage stehenden Fallgruppe zu verbinden, für die sie der hierzu einzig berufene Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen hat. Unterschiedliche Absicherungen in unterschiedlichen Systemen sind Konsequenz des Umstandes, dass synchron und diachron eine Vielzahl von Erwerbstätigkeiten betrieben werden kann, und deren hieran anknüpfende Absicherung nicht ihrerseits im Sinne eines einheitlichen Gesamtkonzepts durch zwingendes Recht koordiniert ist. Es gibt deshalb auch keinen Rechtssatz des Inhalts, dass stets nur die Zugehörigkeit zu einem einzigen Sicherungssystem in Betracht kommen könnte oder es ungeachtet einer Änderung der hierfür rechtlich maßgeblichen Umstände stets bei der einmal begründeten Zuständigkeit eines Systems zu verbleiben habe. Nur soweit der Gesetzgeber hierfür im Einzelfall Anlass gesehen hat und im Anwendungsbereich der jeweiligen Koordinierungsregelung, kann hiervon ausnahmsweise abgesehen werden. Auch insofern bedarf es schließlich keines näheren Eingehens auf den Theorie-Charakter der "Vier-Kriterien-Theorie" im Sinne der Wissenschaftstheorie bzw einer wissenschaftlich betriebenen Jurisprudenz.
- 36
-
c) Die gesetzlich geforderte positive Feststellung, dass dieselbe Erwerbstätigkeit, die die Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet hat, wegen ihrer Ausübung in der Form der Beschäftigung zugleich Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet, kann entgegen der Ansicht des LSG nicht durch diejenige ersetzt werden, dass die in der Form der Beschäftigung ausgeübte Erwerbstätigkeit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht ursprünglich oder nachträglich entgegensteht. Zwar stellt sich aus der Sicht der allein auf einer arbeitsrechtlichen Nebentätigkeit gründenden Zulassung zur Rechtsanwaltschaft umgekehrt die Frage, ob eine daneben ausgeübte Tätigkeit mit dem Anwaltsberuf vereinbar ist und daher ihrer Erteilung nicht entgegensteht (§ 7 Nr 8 BRAO)bzw ihren Widerruf nicht fordert (§ 14 Abs 2 Nr 8 BRAO). Indessen ist die hierzu vorliegend umfangreiche - und seit dem Beschluss des BVerfG vom 4.11.1992 (1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287) im Sinne der Liberalisierung nachhaltig geänderte - Rechtsprechung soweit ersichtlich zu keinem Zeitpunkt - selbstwidersprüchlich - auf den Gedanken gekommen, dass eine Unvereinbarkeit schon deshalb nicht vorliegen könnte, weil es sich bei der im Rahmen einer Beschäftigung ausgeübten Tätigkeit um einen genuinen Teil des anwaltlichen Berufsbildes handeln könnte. Die oft zitierte Beschäftigung als Taxi-Fahrer steht der anwaltlichen Berufsausübung nicht entgegen, gehört ihr aber evident nicht zu. Dasselbe gilt insbesondere für den Inhalt solcher Beschäftigungen, die Rechtsberatung gegenüber dritten Personen (vgl BGH Beschlüsse vom 3.3.1986 - AnwZ (B) 1/86 - BGHZ 97, 204, 206 und vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084 und die Nachweise bei BGH Beschluss vom 27.5.1991 - AnwZ (B) 4/91 - NJW 1991, 2289) oder die juristische Sachbearbeitung bei einer Rechtsschutzversicherung (BGH Beschluss vom 21.11.1994 - AnwZ (B) 44/94 - NJW 1995, 1031) zum Inhalt haben. Die Vereinbarkeit von Anwaltsberuf und daneben ausgeübter Tätigkeit ist damit zwar notwendig, weil andernfalls eine Zulassung zur Anwaltschaft nicht erfolgen könnte, zur Begründung der für die Anwendung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI notwendig erforderlichen Doppelrelevanz aber nicht hinreichend. Auch alle sonst von § 7 Nr 8, § 14 Abs 1, Abs 2 Nr 8 BRAO erfassten Tätigkeiten sind gerade solche außerhalb des anwaltlichen Berufsfelds in einem Zweitberuf(vgl exemplarisch BGH vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084).
- 37
-
d) Hinweise für eine fehlende Anwendbarkeit von § 46 BRAO auf Fälle der vorliegenden Art fehlen vollständig. Die Vorschrift gehört zu den Berufsausübungsregelungen, die als gegenüber Berufszugangsregelungen (Art 12 Abs 1 GG) der vorstehend erörterten Art weniger schwer wiegender Eingriff das Verhältnis der durch Zulassung eröffneten anwaltlichen Berufstätigkeit zu einer daneben ausgeübten Beschäftigung betreffen. Insofern begründet § 46 BRAO besondere Berufspflichten der Syndikusanwälte und bestätigt im Rückschluss gleichzeitig, dass die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung der Rechtsstellung eines unabhängigen Organs der Rechtspflege selbst dann nicht von vornherein entgegensteht, wenn sie anwaltlichen Standespflichten nicht unterworfen und die Arbeitszeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt(vgl BVerfG Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 297; zur fehlenden Anwendbarkeit von § 46 BRAO bei einem angestellten Rechtsanwalt, der unabhängig und weisungsfrei Mandate bearbeitet, die sein Arbeitgeber oder Dienstherr übernommen hat s im Übrigen BGH Beschluss vom 6.3.2006 - AnwZ (B) 37/05 - BGHZ 166, 299 und BGH Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt). Auch insofern geht es jedoch stets um die Abgrenzung verschiedener rechtsberatender und -besorgender Tätigkeiten (vgl BGH Beschluss vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084) und insbesondere um die Unterscheidung zwischen dem weisungsfreien, unabhängigen Rechtsanwalt und dem Syndikusanwalt, der im Rahmen eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss (BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69; BGH Beschlüsse vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130 und vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1520 RdNr 27; Anwaltsgerichtshof Hamburg Beschluss vom 3.9.2002 - II ZU 11/01 - BRAK-Mitt 2002, 283).
- 38
-
e) Der mit der verbreiteten Bezeichnung "Doppelberufstheorie" bezeichnete rechtliche Umstand gibt unter diesen Umständen der Sache nach die von BGH, BAG, BVerfG und EuGH übereinstimmend gegebene und fortlaufend bestätigte negative Antwort auf die Rechtsfrage wieder, ob der Syndikusanwalt auch in seiner abhängigen Beschäftigung als Rechtsanwalt anzusehen ist. Soweit mit der Wortwahl eine geringere Verbindlichkeit im Sinne einer interpretativen "Kleintheorie" (vgl zur Klassifikation in Anlehnung an Ralf Dreier Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl, Köln/München 2008, S 163, 165) behauptet werden soll, steht dem "die fundamentale objektive Bedeutung der seit einem Jahrhundert durchgesetzten freien Advokatur" (BVerfG Beschluss vom 8.3.1983 - 1 BvR 1078/80 - BVerfGE 63, 266, 282) und das Gewicht einer über Jahrzehnte fortgeführten einhelligen Auffassung der Rechtsprechung und von deren Bindungswirkung entgegen, die ein formloses Abweichen zugunsten eines anderen gedanklichen Konstrukts zumindest nicht ohne Weiteres erlauben. Weder wird mit einem derartigen Verständnis der BRAO ein "einheitlicher Beruf künstlich aufgespalten" noch existieren nachvollziehbare Hinweise auf eine "Aufweichung" oder "Aufhebung" des mit der Bezeichnung "Doppelberufs- oder Zweitberufstheorie" benannten rechtlichen Sachverhalts.
- 39
-
f) § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ist als abschließende Ausnahmeregelung einer weiten, erweiternden oder analogen Anwendung weder bedürftig noch fähig. Der Kläger gehört als abhängig Beschäftigter iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Kernbereich der typisiert Schutzbedürftigen und deshalb grundsätzlich in allen Zweigen der Sozialversicherung(vgl § 2 Abs 2 Nr 1 SGB IV) und insbesondere in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 SGB VI) Zwangsversicherten. Diese einfachgesetzliche Leitentscheidung wird für den Personenkreis, dem der Kläger zugehört, auch nicht unmittelbar spezialgesetzlich modifiziert oder revoziert. Umstände, die - ihrerseits typisierend - trotz Ausübung einer Beschäftigung der Annahme der Schutzbedürftigkeit entgegenstehen und daher Anlass zu einer Tatbestandsreduktion geben könnten, sind gesetzlich nicht umschrieben. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Tatbestandsreduktion, die Anlass gegeben hätten, von vornherein von der Anordnung der Rechtsfolge Versicherungspflicht abzusehen (zB § 1 S 3 SGB VI) oder trotz Eröffnung des Anwendungsbereichs der Beschäftigtenversicherung ausnahmsweise unmittelbar kraft Gesetzes Versicherungsfreiheit anzuordnen (§ 5 Abs 1 S 1 Nr 1 - Nr 3 SGB VI), sind erkennbar nicht erfüllt. Die vorliegend allein in Frage stehende Regelung des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gehört zu einem Kreis von Bestimmungen, die den betroffenen Pflichtversicherten unter den im Gesetz jeweils im Einzelnen umschriebenen Voraussetzungen nach eigenem "Entschließungsermessen" einen Anspruch auf eine konstitutive Befreiung von der Rentenversicherungspflicht durch einen gebundenen Verwaltungsakt des Rentenversicherungsträgers mit grundsätzlich auf die in Frage stehende Beschäftigung begrenzter Wirkung(§ 6 Abs 5 SGB VI) gewähren, um nachfolgend allein im berufsständischen Versorgungswerk mit günstigeren Bedingungen zu verbleiben. Eine vollständige Entlassung aus der öffentlichen Sozialversicherung ist dagegen nicht möglich (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16).
- 40
-
Nur ausnahmsweise gewinnen daher die von beiden Systemen Erfassten ihre Vorsorgefreiheit (Art 2 Abs 1 GG) durch Befreiungsregelungen begrenzt zurück. Bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI handelt es sich dem Konzept der abgestuften Schutzbedürftigkeit folgend bereits innerhalb der Beschäftigtenversicherung um eine abschließende Ausnahmeregelung, die einer erweiternden oder entsprechenden Anwendung nicht zugänglich ist(vgl BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 20/96 - USK 9733). Sein Ausnahmecharakter wird zudem dadurch weiter bestätigt, dass er auch innerhalb seines Anwendungsbereichs ein Befreiungsrecht keineswegs für alle Fälle der Doppelzugehörigkeit vorsieht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa deshalb, weil es sich bei ihm um eine "Kollisionsnorm" handele, deren Aufgabe darin liege, zugunsten der berufsständischen Versorgungseinrichtungen die Anwendbarkeit jeweils nur einer (einzigen) Rechtsmasse sicherzustellen.
- 41
-
Kollisionsnormen betreffen die Frage, welches Recht als sog Sachnorm zur Anwendung kommt, wenn der Regelungsgegenstand gleichzeitig von mehreren Rechtsmassen erfasst ist. Sie bestimmen entweder beschränkt auf die Binnensicht nur einer Menge von Rechtssätzen, ob diese Anwendbarkeit beanspruchen, obwohl gleichzeitig andere Normbestände als einschlägig in Betracht kommen (einseitige Kollisionsnorm) oder legen für die Gesamtheit der einschlägigen Rechtsmassen umfassend fest, nach welcher von ihnen sich die rechtliche Beurteilung des Regelungsgegenstandes richtet (mehrseitige Kollisionsnorm). Nur soweit umfassend für alle Fälle des Zusammentreffens einschlägiger Rechtssätze die Anwendbarkeit wenigstens einer der in Frage stehenden Rechtsmassen abschließend abstrakt-generell bestimmt wird, kann ohne Weiteres von einer Kollisionsnorm in diesem Sinne gesprochen werden. Im Blick hierauf handelt es sich bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI im umfassenden Sinne um eine Koordinationsregelung und allenfalls in einem sehr beschränkten Sinne um den Sonderfall einer Koordinierung von Systemen durch eine Kollisionsnorm mit Ausschlusswirkung zugunsten der berufsständischen Versorgung. Beides schließt sich nicht aus. Nur wenn nämlich kumulativ alle objektiven Elemente des umfangreichen mehrgliedrigen Tatbestandes erfüllt sind, insbesondere allen Anforderungen an die Art der berufsständischen Versorgungseinrichtungen, an die Gleichartigkeit der Beitragserhebung sowie an die Gleichwertigkeit des Versicherungsschutzes genügt ist, und die hiernach Berechtigten positiv von dem ihnen eingeräumten "Entschließungsermessen" Gebrauch gemacht haben, kommt es (mittelbar) zum Ausschluss der Rentenversicherungspflicht. Das Gesetz beschränkt sich insofern typisierend auf Fallkonstellationen, bei denen insbesondere gleichermaßen das Bestandsinteresse und die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung wie der Gesichtspunkt der Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes der Betroffenen durch die berufsständische Versorgungseinrichtung berücksichtigt und gegeneinander abgewogen sind. Handelt es sich demgegenüber um Sachverhalte außerhalb des objektiven Anwendungsbereichs oder betätigt ein Berechtigter sein "Entschließungsermessen" nicht, fehlt es vollständig an einer kollisionsrechtlichen Rechtsfolgenanordnung und belässt es das Gesetz mit der Folge der Doppelversicherung bei der parallelen Anwendbarkeit der jeweils einschlägigen Rechtssätze. Keineswegs besteht damit nach dem zugrunde liegenden Regelungskonzept für jeden Kollisionsfall auch Bedarf nach einer eindeutigen (Nicht-)Anwendungsregelung und damit ggf einem weiten Verständnis des gesetzlichen Tatbestands.
- 42
-
g) Darüber hinaus ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI weder bevorzugt dazu bestimmt, den Interessen von Freiberuflern zu dienen, noch bezweckt er in besonderer Weise den Bestandsschutz berufsständischer Versorgungswerke. Im Rahmen seines positiven Anwendungsbereichs bestimmt § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI aus der Binnenperspektive der gesetzlichen Rentenversicherung einseitig, ob es bei der normativen Anordnung von Versicherungspflicht aus § 1 S 1 Nr 1 SGB VI verbleibt oder ob hiervon ausnahmsweise wegen einer aus ihrer Sicht ausreichenden anderweitigen Absicherung abgesehen werden kann(vgl BT-Drucks 13/2590, S 18; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 6 RdNr 22; Horn/Jung, AnwBl 2013, 420, 421; Horn, NJW 2012, 966, 971; Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 6 RdNr 4; Kilger/Prossliner, NJW 2004, 821, 823; Offermann-Burckart, MDR 2013, 1197; Rid, BB-Special 3/2008, 10, 14). Er kann schon deshalb keine "magna charta" der berufsständischen Versorgungseinrichtungen repräsentieren, die allenfalls im Sinne eines Rechtsreflexes betroffen sind.
- 43
-
Die Entstehungsgeschichte bestätigt dieses Ergebnis. § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI hatte bis zum 31.12.1995 folgenden Wortlaut:
"(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit
1.
Angestellte und selbständig Tätige, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) sind, wenn für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist, …"
- 44
-
Soweit die Materialien zum Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) in ihrem "Allgemeinen Teil" metaphorisch von einer "Friedensgrenze" (BT-Drucks 13/2590 S 1) unter "Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Systeme" (BT-Drucks 13/2590 S 18) sprechen, geschieht dies allein im Kontext der beabsichtigten Verschärfung der rentenversicherungsrechtlichen Befreiungsregelung und zur Vermeidung der befürchteten Erosion der gesetzlichen Rentenversicherung. Belange der Versorgungsträger finden demgegenüber nur insofern Erwähnung, als mit der vorgesehenen Beschränkung des Befreiungsrechts "im Ergebnis die seit langem akzeptierte Abgrenzung zwischen berufsständischer Versorgung und gesetzlicher Rentenversicherung in ihrer bisherigen Ausprägung gefestigt wird." Insbesondere ergibt sich aus den in BT-Drucks 13/2590 niedergelegten Erwägungen nicht andeutungsweise, dass mit der Schaffung der derzeit geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für bestimmte Personengruppen von der Doppelrelevanz einer im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung als Beschäftigung ausgeübten Erwerbstätigkeit abgesehen bzw die Alterssicherung für eine lediglich parallel hierzu ausgeübte freiberufliche Tätigkeit als eigenständiger Befreiungsgrund ausgestaltet werden sollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber nach neuem (insofern seit 1.1.1996 geltendem) Recht erfolgende Befreiungen für alle erfassten Berufsgruppen in gleicher Weise ausgestaltet. Die "Klarstellung", auf welche Tätigkeit oder Beschäftigung sich das Befreiungsrecht beschränkt (BT-Drucks 13/2590 S 22), erfasst daher die Gesamtheit der Normbetroffenen und damit selbstverständlich auch den vom Kläger repräsentierten Personenkreis. Ob das bis dahin geltende Recht möglicherweise anders verstanden werden konnte und daher die seit dem 1.1.1996 geltende Neufassung über eine bloße Klarstellung hinaus die Setzung neuen Rechts verkörpert, ist für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung (vgl zur Bedeutung einer gesetzgeberischen "Klarstellung" für die Vergangenheit zuletzt BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - DB 2014, 634 = NVwZ 2014, 577).
- 45
-
h) Das gefundene Ergebnis verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Die einschlägigen Fragen sind durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt. Der Gesetzgeber darf zur Bestimmung der Schutzbedürftigen typisierend an den Sachverhalt der Beschäftigung anknüpfen und in Verbindung hiermit Versicherungszwang anordnen. Hiergegen bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG Beschlüsse vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11 S 27 f und vom 14.10.1970 - 1 BvR 753/68 ua - SozR Nr 8 zu Art 2 GG; vgl im Übrigen die Nachweise bei BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 29). Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verletzt die Betroffenen insbesondere nicht in ihrem Grundrecht aus Art 14 Abs 1 GG (vgl BVerfG Beschluss vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 11 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10 RdNr 25) und berührt mangels eines unmittelbar berufsregelnden Charakters nicht den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 27). Ein - vom Kläger im Übrigen auch nicht gerügter - Eingriff in sein Grundrecht aus Art 2 Abs 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil der Gesetzgeber insbesondere mit der Einführung einer grundsätzlichen Versicherungspflicht für Beschäftigte von seinem weiten Gestaltungsspielraum im Spannungsverhältnis zwischen der individuellen Freiheit und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 28) in verfassungsgemäßer Weise Gebrauch gemacht hat. Insbesondere verletzen die Pflichtmitgliedschaft und die damit ggf einhergehende Pflicht zur Beitragstragung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich auch bei Höherverdienenden, die anderweitig für ihre Alterssicherung Sorge tragen könnten, nicht Art 2 Abs 1 GG. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit eines Versicherungspflichtigen, sondern lediglich den Tatbestand der Beschäftigung voraussetzt. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass diejenigen Personen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst anderer stellen, im Allgemeinen auf diese Beschäftigung zur Erlangung ihres Lebensunterhalts angewiesen und daher - auch im Hinblick auf die Alterssicherung - sozial schutzbedürftig sind (vgl BVerfG Beschluss vom 31.8.2004 - 1 BvR 945/95 - SozR 4-2600 § 7 Nr 2 RdNr 13 mwN).
- 46
-
Bei der ausnahmsweisen Eröffnung von Befreiungsmöglichkeiten zur Beseitigung eines unmittelbar gesetzlich angeordneten Versicherungszwangs darf der Gesetzgeber, der die Vorsorgefreiheit Beschäftigter aus Art 2 Abs 1 GG verfassungsrechtlich bedenkenfrei begrenzt hat, erst recht die Leistungsfähigkeit der verbleibenden Versichertengemeinschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen und insbesondere dem Anliegen, Versicherte mit typischerweise günstigen Risiken in der gesetzlichen Rentenversicherung zu halten, vor dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) erhebliche Bedeutung beimessen; insofern kommt es auf die möglicherweise geringe Zahl der Betroffenen nicht an (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16 ff, 19). Die gesetzliche Rentenversicherung kennt unter Berücksichtigung dieser Vorgaben weder ein allgemeines Befreiungsrecht noch im Blick auf die gleichzeitige Absicherung in anderen Systemen einen allgemeinen Grundsatz der Vermeidung von "Doppelversicherungen". Auch gibt es von Verfassung wegen kein Wahlrecht zugunsten der jeweils günstigsten Versorgungsmöglichkeit (vgl insgesamt die Nachweise bei BSG Urteil vom 9.3.2005 - B 12 RA 8/03 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 3 RdNr 6). Umgekehrt ist für das berufsständische Versorgungsrecht geklärt, dass es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, wenn sich die Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk auch auf in der gesetzlichen Angestelltenversicherung pflichtversicherte Berufsangehörige erstreckt (vgl BVerwG Beschluss vom 23.3.2000 - 1 B 15/00 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr 42 und die dortigen Nachweise).
- 47
-
Der verfassungsrechtlich damit unbedenkliche öffentlich-rechtliche Eingriff in die Vorsorgefreiheit der betroffenen Versicherten steht umgekehrt für seinen Anwendungsbereich eigenen individuellen Gestaltungen durch privatrechtlichen Vertragsschluss entgegen. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es grundsätzlich aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen hierüber zu entscheiden (BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 73 und die dortigen Nachweise). Das gilt ohne Weiteres auch für die Wahl unter mehreren öffentlich-rechtlich ausgestalteten Sicherungssystemen nach Maßgabe individueller Günstigkeitserwägungen des Beschäftigten bzw der Arbeitsvertragsparteien. Diesen bleibt es im Übrigen zwar grundsätzlich unbenommen, Anknüpfungssachverhalte des Privatrechts, auf die das Gesetz öffentlich-rechtliche Normbefehle tatbestandlich stützt, selbst zu gestalten (vgl exemplarisch BSG Urteil vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27 S 95 ff: Ausgestaltung der Übungsleitertätigkeit wahlweise als Beschäftigung oder als Ausdruck der Mitgliedschaftspflicht). Auch derartige Möglichkeiten der autonomen Gestaltung von Anknüpfungssachverhalten sind indessen versperrt, wo der Gesetzgeber die öffentlich-rechtliche Anordnung von Versicherungspflicht auch tatbestandlich auf zwingendes öffentliches Recht stützt. Soweit er daher in Ausübung seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 1 GG die "Rechtsanwaltschaft" ausgestaltet hat, ist weder für einzelne Normbetroffene - ggf im Zusammenwirken mit ihren Arbeitgebern - noch für berufsständische Organisationen die Möglichkeit eröffnet, selbst über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu disponieren oder das Berufsrecht "fortzuentwickeln". Mangels privatrechtlicher Gestaltungsmöglichkeit scheidet insofern auch eine mikroökonomische Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der "win-win-Situation" von vornherein aus. Hiervon unabhängig können die Arbeitsvertragsparteien indessen - wenn auch ohne versorgungsrechtliche Auswirkungen - die Grundlagen für eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft neben dem Arbeitsverhältnis schaffen, dem Arbeitnehmer auf diese Weise ein zusätzliches Betätigungsfeld eröffnen und den Arbeitgeber am Sozialprestige der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft teilhaben lassen.
- 48
-
i) Auf eine vom Gesetz abweichende rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten kann sich der vom Kläger repräsentierte Personenkreis nicht berufen (vgl BVerfG Beschluss vom 17.6.2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54). Außerhalb der vorliegend zur Entscheidung stehenden Fälle, bei denen es jeweils um die erstmalige Befreiung für einen bestimmten Zeitraum geht, weist der Senat hinsichtlich der derzeitigen Inhaber einer begünstigenden Befreiungsentscheidung auf Folgendes hin: Sie haben - bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen wurde - ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand dieser Entscheidungen, das über den Schutz durch die §§ 44 ff SGB X hinausgehen dürfte. Insbesondere haben die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (wenn auch ohne gesetzliche Grundlage) die "Vier-Kriterien-Theorie" selbst mit befördert und angewandt. Schon weil damit bei der gebotenen typisierenden Betrachtung Lebensentscheidungen über die persönliche Vorsorge nachhaltig mit beeinflusst wurden, kann einer Änderung der Rechtsauffassung hinsichtlich ergangener Befreiungsentscheidungen grundsätzlich keine Bedeutung zukommen. Demgegenüber ist vorliegend nicht näher darauf einzugehen, dass der 12. Senat des BSG bereits in seiner Sitzung vom 9.3.2005 eine der vorliegenden Entscheidung entsprechende Rechtsauffassung angedeutet hatte. Damals war es in den Verfahren B 12 RA 3/04 R, B 12 RA 4/04 R und B 12 RA 11/04 R (Presse-Vorbericht Nr 12/05 vom 23.2.2005) jeweils um die Frage gegangen, ob die Kläger, die jeweils als Rechtsanwälte in Schleswig-Holstein zugelassen waren und bei unterschiedlichen in Hamburg residierenden Unternehmen beschäftigt waren, für ihre Beschäftigung von der Versicherungspflicht zu befreien waren. Die Revisionen wurden damals in allen drei Verfahren zurückgenommen (vgl Presse-Mitteilung Nr 12/05 vom 10.3.2005).
(1) Krankenhausleistungen nach § 1 Abs. 1 sind insbesondere ärztliche Behandlung, auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, sowie Unterkunft und Verpflegung; sie umfassen allgemeine Krankenhausleistungen und Wahlleistungen. Zu den Krankenhausleistungen gehören nicht die Leistungen der Belegärzte (§ 18) sowie der Beleghebammen und -entbindungspfleger.
(2) Allgemeine Krankenhausleistungen sind die Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind. Unter diesen Voraussetzungen gehören dazu auch
- 1.
die während des Krankenhausaufenthalts durchgeführten Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten im Sinne des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, - 2.
die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter, - 3.
die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson des Patienten oder die Mitaufnahme einer Pflegekraft nach § 11 Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, - 4.
die besonderen Aufgaben von Zentren und Schwerpunkten für die stationäre Versorgung von Patienten, insbesondere die Aufgaben von Tumorzentren und geriatrischen Zentren sowie entsprechenden Schwerpunkten, - 5.
die Frührehabilitation im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, - 6.
das Entlassmanagement im Sinne des § 39 Absatz 1a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch.
- 1.
eine Dialyse, wenn hierdurch eine entsprechende Behandlung fortgeführt wird, das Krankenhaus keine eigene Dialyseeinrichtung hat und ein Zusammenhang mit dem Grund der Krankenhausbehandlung nicht besteht, - 2.
bei der Krankenhausbehandlung von Menschen mit Hörbehinderung Leistungen der Dolmetscherassistenz zum Ausgleich der behinderungsbedingten Kommunikationsbeeinträchtigungen.
(3) Bei der Erbringung von allgemeinen Krankenhausleistungen durch nicht im Krankenhaus fest angestellte Ärztinnen und Ärzte hat das Krankenhaus sicherzustellen, dass diese für ihre Tätigkeit im Krankenhaus die gleichen Anforderungen erfüllen, wie sie auch für fest im Krankenhaus angestellte Ärztinnen und Ärzte gelten.
(4) Die Deutsche Krankenhausgesellschaft prüft bis zum 31. Dezember 2021, ob zwischen Krankenhäusern erbrachte telekonsiliarärztliche Leistungen sachgerecht vergütet werden. Dabei ist auch zu prüfen, ob eine Anpassung der Vergütung notwendig ist. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft veröffentlicht das Ergebnis der Prüfung barrierefrei auf ihrer Internetseite. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft veröffentlicht bis zum 31. Dezember 2023 die Höhe von Vergütungen für telekonsiliarärztliche Leistungen, die zwischen Krankenhäusern erbracht werden.
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn
- 1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und - 2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.
(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.
(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.
(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.
(1) Versicherungsfrei sind Personen in einer Beschäftigung als
- 1.
Beamtin, Beamter, Richterin, Richter, Soldatin auf Zeit, Soldat auf Zeit, Berufssoldatin oder Berufssoldat der Bundeswehr sowie als sonstige Beschäftigte oder sonstiger Beschäftigter des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde, einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, Anstalt, Stiftung oder eines Verbandes öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder deren Spitzenverbänden, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben, - 2.
Geistliche der als öffentlich-rechtliche Körperschaften anerkannten Religionsgesellschaften, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe haben, - 3.
Lehrerin oder Lehrer an privaten genehmigten Ersatzschulen, wenn sie hauptamtlich beschäftigt sind und nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe haben, - 4.
satzungsmäßige Mitglieder von geistlichen Genossenschaften, Diakonissen und ähnliche Personen, wenn sie sich aus überwiegend religiösen oder sittlichen Beweggründen mit Krankenpflege, Unterricht oder anderen gemeinnützigen Tätigkeiten beschäftigen und nicht mehr als freien Unterhalt oder ein geringes Entgelt beziehen, das nur zur Beschaffung der unmittelbaren Lebensbedürfnisse an Wohnung, Verpflegung, Kleidung und dergleichen ausreicht, - 5.
Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft für das Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören. Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes gelten als ein Unternehmen.
(2) Versicherungsfrei sind Personen in einer geringfügigen Beschäftigung; abweichend von § 8 Abs. 2 Satz 1 des Vierten Buches werden geringfügige Beschäftigungen und nicht geringfügige Beschäftigungen nicht zusammengerechnet. Versicherungsfreiheit besteht nicht für Personen, die
- 1.
im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz, - 2.
wegen eines Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall im Sinne der Vorschriften über das Kurzarbeitergeld oder - 3.
wegen stufenweiser Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (§ 74 Fünftes Buch, § 44 Neuntes Buch) oder aus einem sonstigen der in § 146 Absatz 1 genannten Gründe
(3) Versicherungsfrei sind Personen in einer
- 1.
unständigen Beschäftigung, die sie berufsmäßig ausüben. Unständig ist eine Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist, - 2.
Beschäftigung als Heimarbeiterin oder Heimarbeiter, die gleichzeitig mit einer Tätigkeit als Zwischenmeisterin oder Zwischenmeister (§ 12 Abs. 4 Viertes Buch) ausgeübt wird, wenn der überwiegende Teil des Verdienstes aus der Tätigkeit als Zwischenmeisterin oder Zwischenmeister bezogen wird, - 3.
Beschäftigung als ausländische Arbeitnehmerin oder ausländischer Arbeitnehmer zur beruflichen Aus- oder Fortbildung, wenn - a)
die berufliche Aus- oder Fortbildung aus Mitteln des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes oder aus Mitteln einer Einrichtung oder einer Organisation, die sich der Aus- oder Fortbildung von Ausländerinnen oder Ausländern widmet, gefördert wird, - b)
sie verpflichtet sind, nach Beendigung der geförderten Aus- oder Fortbildung das Inland zu verlassen, und - c)
die im Inland zurückgelegten Versicherungszeiten weder nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft noch nach zwischenstaatlichen Abkommen oder dem Recht des Wohnlandes der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers einen Anspruch auf Leistungen für den Fall der Arbeitslosigkeit in dem Wohnland der oder des Betreffenden begründen können,
- 4.
Beschäftigung als Bürgermeisterin, Bürgermeister, Beigeordnete oder Beigeordneter, wenn diese Beschäftigung ehrenamtlich ausgeübt wird, - 5.
Beschäftigung, die nach den §§ 16e und 16i des Zweiten Buches gefördert wird.
(4) Versicherungsfrei sind Personen, die während der Dauer
- 1.
ihrer Ausbildung an einer allgemeinbildenden Schule oder - 2.
ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule
(5) Versicherungsfrei sind Personen, die während einer Zeit, in der ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, eine Beschäftigung ausüben. Satz 1 gilt nicht für Beschäftigungen, die während der Zeit, in der ein Anspruch auf Teilarbeitslosengeld besteht, ausgeübt werden.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.