Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24.04.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Kosten des auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz eingeholten Gutachtens von Dr. C. vom 23.01.2012 sowie die dadurch entstandenen baren Auslagen der Klägerin werden auf die Staatskasse übernommen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat und ob eine posttraumatische Belastungsstörung Folge des Arbeitsunfalls ist.
Die 1954 geborene Klägerin ist bei der D. R. Baden-Württemberg beschäftigt. Ende 2001/Anfang 2002 wurde die Klägerin von einem Versicherten, der im Flur laut herum schrie, in ihr Büro gedrängt, an beiden Unterarmen festgehalten und zunächst in die Zimmerecke hinter die Türe gedrückt und schließlich unter lautem Geschrei kraftvoll auf den Bürostuhl in der diagonal gegenüber liegende Ecke geschleudert. Zwei zur Hilfe gekommene Kollegen konnten den Versicherten nicht beruhigen. Er warf einen auf dem Schreibtisch liegenden Packen Papier in die Luft und schrie weiter. Er packte die Klägerin am Arm und schwang sie vom Bürostuhl in die Mitte des Zimmers, worauf sie aus dem Zimmer flüchten konnte.
Unter dem 28.01.2010 erstattete die D. R. wegen dieses Vorfalls Unfallanzeige bei der Beklagten. Beigefügt war eine Vorgangsschilderung der Klägerin. In dieser führte die Klägerin aus, sie hätte Todesangst ausgestanden, weil sie befürchtet habe, der Mann könne eine Waffe ziehen. Sie sei danach total aufgelöst gewesen. Man habe sie gefragt, ob sie Anzeige erstatten wolle. Die verständigte Polizei habe ihr aber gesagt, wenn sie nicht direkt bedroht worden sei, würde das Verfahren sowieso eingestellt werden, weshalb sie auf eine Anzeige verzichtet habe. Der Versicherte habe kein Hausverbot erhalten, sondern sie sei ihm danach noch zweimal im Haus begegnet. Im Jahr 2006 sei ihre Behörde umgezogen. Es sei eine Einweisung am Empfang in die Sicherheitsmaßnahmen mit Notfall-Knöpfen, Alarm etc. erfolgt, weshalb sie retraumatisiert worden sei. Weitere Retraumatisierungen seien erfolgt, jedoch immer nur im Dienstgebäude, außerhalb passiere ihr das nie. Anfang 2008 habe sie die Psychotherapeutin N. aufgesucht. Bis Herbst 2008 sei sie stabil gewesen, danach seien erneut Traumatisierungen erfolgt und seit Januar 2009 sei sie wöchentlich bei der Psychologin R.-R. in Behandlung.
Vorgelegt wurde die Bescheinigung der Psychologin R.-R. vom 23.12.2009, wonach die Klägerin an Ängsten am Arbeitsplatz, intrusiven Erinnerungen und Konzentrationsschwierigkeiten leide. Diese Symptome stünden im Zusammenhang mit Zuständen nach Retraumatisierungen. Es liege keine psychische Krankheit vor, die Symptomatik sei nach neuropsychologischen Zusammenhängen der Psychotraumatologie zu erklären.
Die Beklagte holte die beratungsärztliche Stellungnahme von PD Dr. Ro. vom 26.04.2010 ein, der einen psychischen Erstschaden als nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht beurteilte. Die Klägerin habe seinerzeit keine medizinische Hilfe in Anspruch genommen. Ein Zusammenhang der später aufgetretenen Beeinträchtigung lasse sich nicht herleiten, denn die geltend gemachten Retraumatisierungen seien nach Art und Umfang nicht geeignet, den Zusammenhang mit dem Vorfall 2001 herzustellen.
Mit Bescheid vom 09.06.2010 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des geltend gemachten Vorfalls Ende des Jahres 2001/Anfang 2002 ab. Es sei davon auszugehen, dass bei einer entsprechenden Traumatisierung ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werde, was hier erstmals sechs Jahre nach dem Vorfall aufgrund von Depressionen und einer Angststörung der Fall sei. Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung äußerten sich in der Regel einige Wochen nach dem Ereignis. Anhaltspunkte, die Rückschlüsse auf die erforderliche Schwere des Ereignisses zuließen, seien den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. Plausibel sei allenfalls eine kurzzeitige Belastungsreaktion, die aber nicht länger als wenige Stunden angedauert haben könne. Ein primärer Gesundheitsschaden aufgrund des Ereignisses von Ende 2001/Anfang 2002 liege nicht vor.
Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und verwies auf den vorgelegten Befundbericht der Universitätsklinik F. für Psychiatrie und Psychosomatik vom 15.01.2009. Dort hatte sich die Klägerin erstmals am „07.02.2009“ in der Spezialsprechstunde Psychotraumata vorgestellt. Leitender Oberarzt Prof. Dr. V. hatte die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung mit verspätetem Beginn (ICD-10: F43.1) gestellt.
Diplom-Psychologin R.-R. teilte der Beklagten mit Bericht vom 30.06.2010 mit, die Klägerin habe nach dem Überfall 2001/2002 zunächst unter traumaspezifischen Symptomen wie Intrusionen, Albträumen und Schlafstörungen gelitten. Sie habe zeitnah zur Selbsthilfe gegriffen und sich einer Karategruppe angeschlossen. Der Zeitrahmen, innerhalb dessen eine posttraumatische Belastungsstörung auftrete, sei umstritten. Nach ICD-10 werde vom Auftreten belastender Symptome innerhalb von sechs Monaten nach dem Ereignis ausgegangen, jedoch seien verspätete Reaktionen durchaus üblich. Bemerkenswert sei, dass die Klägerin sich im privaten Bereich völlig angstfrei bewegen könne. Die Umstände des ursprünglichen Überfalls legten den Schluss nahe, dass psychosoziale Begleitumstände eine spontane Bewältigung der traumatischen Situation erschwert hätten, wie z.B. die mangelhafte Unterstützung und Bagatellisierung durch die Polizei, unzureichende Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte.
PD Dr. Ro. hielt in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13.07.2010 an seiner Einschätzung fest, dass der verspätete Beginn der Symptomatik mehrere Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis nicht die Bedingungen einer Retraumatisierung erfüllten. Vielmehr handele es sich um persönlichkeitsbedingte Reaktionen auf fiktive Bedrohungssituationen.
10 
In dem von der Beklagten veranlassten Gutachten des Neurologen Dr. Co. vom 14.10.2010 wird ein gegenwärtiger krankheitswertiger Befund verneint. Die Kriterien einer psychoreaktiven Störung bzw. einer posttraumatischen Belastungsstörung seien gemäß den Diagnosemanuals ICD-10 oder DSM IV nicht erfüllt. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei nur dann zu diagnostizieren, wenn die zugehörige Symptomatik innerhalb von sechs Monaten nach dem Ereignis mit hinreichender Sicherheit nachzuweisen sei. Selbst 2008 sei eine psychotherapeutische Behandlung bereits nach vier Sitzungen aufgrund subjektiven Wohlbefindens beendet worden.
11 
Die Klägerin erhob hiergegen Einwände. Die behandelnde Psychologin R.-R. verwies darauf (Bericht vom 06.12.2010), dass eine Langzeittherapie nach der 25. Sitzung durch die Krankenkasse genehmigt worden sei und bereits zweimal externe Gutachter die Indikation und den Behandlungsplan überprüft hätten. Entgegen der Auffassung von Dr. Co. sei die Klägerin angesichts des angezeigten Untersuchungstermins emotional besonders belastet gewesen, ebenso leide sie an Nachhallerinnerungen. Die Beeinträchtigungen der Klägerin seien die noch nicht verarbeiteten Auswirkungen des Überfalls. Die Klägerin kämpfe nicht um einen finanziellen Ausgleich, sondern um die Anerkennung, dass sie 2002 einen Arbeitsunfall erlitten habe.
12 
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
13 
Die Klägerin erhob am 10.01.2011 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG).
14 
Das SG holte von Prof. Dr. T. das nervenärztliche Gutachten vom 09.05.2011 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 10.08.2011 und 01.02.2012. Der Sachverständige führte aus, bei der Klägerin lägen psychovegetativ anmutende und teilweise auch dissoziative Zustände vor, die durch eine Reihe von Auslösesituationen am Arbeitsplatz zu Stande gekommen seien. Eine diagnostische Zuordnung dieser Angstattacken zu einer der klassischen Kategorien wie einer posttraumatischen Belastungsstörung falle zum jetzigen Zeitpunkt schwer, die Kriterien könnten nicht voll erfüllt werden. Die Gesundheitsstörungen wären ohne das Traumaereignis wohl nicht zu Stande gekommen, ein Zusammenhang sei wahrscheinlich. Andere Ursachen als das unmittelbare Traumaereignis für die unzureichende Krankheitsverarbeitung seien die hilflos gehandhabte Krisensituation, die zu geringe Hilfestellung durch Kollegen und die Nachbearbeitung des Vorfalls. Der Ablauf weise erhebliche Lücken auf, eine psychologische Beratung oder ein Gespräch mit Vorgesetzten habe nicht stattgefunden.
15 
Mit Urteil vom 24.04.2012 wies das SG die Klage ab. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei nicht bewiesen. Prof. Dr. T. habe die typischen Merkmale der posttraumatischen Belastungsstörung bei der Klägerin nicht erheben können. Er vermute nur, dass in den Voruntersuchungen im Universitätsklinikum F. und bei der behandelnden Therapeutin diese Symptome vorgelegen hätten. Gegen den Zusammenhang spreche aber die Dauer zwischen dem Ereignis und dem erstmaligen Auftreten der Erkrankung. Nach dem Sachverständigen betrage die Latenz selten mehr als sechs Monate. Aufgrund der erheblichen Zeitdauer im Falle der Klägerin stehe ein Ursachenzusammenhang für das Gericht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest.
16 
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 25.05.2012 zugestellten Urteil hat die Klägerin am 18.06.2012 beim SG Berufung eingelegt. Sie macht geltend, auch bei einer Latenz von mehreren Jahren sei die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
17 
Die Klägerin beantragt,
18 
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24.04.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 09.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.12.2010 aufzuheben und festzustellen, dass eine posttraumatische Belastungsstörung und eine dissoziative Störung mit psychogenem Mutismus Folgen des Ende 2001/Anfang 2002 eingetretenen Arbeitsunfalles sind,
19 
hilfsweise zum Beweis dafür, dass die bei der Klägerin bis 2006 bestandene Beschwerdelatenz aufgrund aktueller wissenschaftlicher medizinischer Erkenntnisse auch in Deutschland keinen Anlass bieten, die Diagnose eines PTBS in Frage zu stellen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, hilfsweise Dr. C. hierzu zu hören.
20 
Die Beklagte beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Sie bezieht sich auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG. Bei dem Ereignis Ende 2001/Anfang 2002 sei es nicht zu einem primären Gesundheitsschaden gekommen. Dagegen spreche, dass die Klägerin sich nach dem Ereignis nicht in ärztliche Behandlung begeben habe. Die Klägerin habe unmittelbar nach dem Ereignis ihre Tätigkeit wieder aufgenommen.
23 
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das Gutachten von Dr. C. vom 23.01.2013 eingeholt. Er hat aufgrund der Untersuchung der Klägerin einen Status nach posttraumatischer Belastungsstörung mit spätem Beginn (ICD-10: F43.1) und einen Status nach dissoziativer Störung mit psychogenem Mutismus (ICD-10: F 44 - Konversionsstörungen -) diagnostiziert. Aktuell lägen bei der Klägerin keine psychischen Störungen von Krankheitswert vor. Die seit 2006 aufgetretenen Symptome seien mittlerweile durch adäquate Behandlung abgeklungen. Die überwundenen Gesundheitsstörungen seien auf das Unfallgeschehen 2001/2002 zurückzuführen. Nach derzeitigem Stand der Begutachtungspraxis gelte, dass eine längere Latenz von mehr als sechs Monaten umso plausibler sei, je höher die nachvollziehbare seelische Beeindruckung durch das seelische Ereignis gewesen sei. Danach sei die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs vorliegend gegeben, ein Vollbeweis könne aber nicht erbracht werden. Die grundsätzliche Existenz posttraumatischer Belastungsstörungen mit verspätetem Beginn können nach Stand der internationalen Literatur kaum bestritten werden. Zum psychodynamischen Befund sei zu berücksichtigen, dass als zusätzliches Belastungsmoment die fehlende soziale Unterstützung in Erscheinung getreten sei. Der Arbeitgeber und der Unfallversicherungsträger habe keine prophylaktische Primärbetreuung vermittelt, die Polizei habe den Vorfall bagatellisiert und eine Unterstützung von Vorgesetzten und Kollegen sei ausgeblieben. Über Jahre habe sich auf einer Ebene unauffälligen Funktionierens ein großer Bodensatz persistierenden Grolls angestaut. Nach dem Umzug in das neue Amtsgebäude seien einerseits die alten traumatischen Erinnerungen in ihr geweckt worden, andererseits sei ihr angesichts der neuen Sicherheitseinrichtungen bewusst geworden, welche anderen und professionelleren Formen des Managements aggressiven Verhaltens von Klienten ihr nicht angeboten worden seien. Es gehe ihr weniger um die Erlangung materieller Entschädigung als um die Anerkennung, dass ihr Unrecht widerfahren sei.
24 
Die Beteiligten haben sich zu dem Gutachten geäußert. Der Klägerbevollmächtigte hat auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 01.03.2013 hingewiesen (Schriftsatz vom 05.03.2013), in dem der „Oberste Traumatologe der Bundeswehr“, Peter Zimmermann, zitiert werde, wonach in der eingeführten Schutzzeit von bis zu acht Jahren nur die Entlassung aus eigenem Wunsch aus dem Dienst gesetzlich zulässig sei, was eine der wichtigsten Errungenschaften bei der Versorgung traumatisierter Soldaten sei. Denn seelische Schädigungen würden oft erst Jahre nach dem traumatisierenden Erlebnis erkannt. Die Beklagte hat geltend gemacht (Schriftsatz vom 18.02.2013), der Sachverständige halte einen kausalen Zusammenhang nur für wahrscheinlich, ein Vollbeweis für eine posttraumatische Belastungsstörung könne aber nicht erbracht werden. Der seit 1980 bekannte Erkenntnisstand der amerikanischen medizinischen Wissenschaft, dass nach Erfahrungen des Vietnamkriegs sich seelische Störungen auch in einem längeren Zeitraum als sechs Monate noch bemerkbar machen können, habe keinen Einfluss auf die Kriterien nach dem ICD-10 gefunden. Zur Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung müsse ein primäres Ereignis stattgefunden haben, welches die einschlägige Reaktion erst einmal hervorrufen könne. Dies sei vorliegend nicht bewiesen.
25 
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten unter die Akte des SG beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
26 
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG).
27 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
28 
Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 SGG. Der Antrag der Klägerin, eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls Ende 2001/Anfang 2002 festzustellen, ist gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1, Nr.3 SGG als Feststellungsklage zulässig. Begehrt werden die Feststellung eines Arbeitsunfalls und von Unfallfolgen.
29 
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wie es das durch Arbeitsunfall begründete Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin als Versicherte und der Beklagten als Trägerin der Unfallversicherung darstellt. Vor Erhebung einer Feststellungsklage muss der Versicherte im Regelfall einen entsprechenden (Feststellungs-)Antrag an den Versicherungsträger gerichtet haben, mit dem er eine bestimmte Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt hat, z.B. dass ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit vorliegt. Das Begehren zur Feststellung eines Arbeitsunfalles ist nicht auf die Feststellung eines nicht feststellungsfähigen Tatbestandsmerkmals einer Anspruchsnorm gerichtet (BSG Urt. vom 27.06.2006 - B 2 U 77/06 B -, SozR 4-1500 § 55 Nr. 4). Nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann mit der Feststellungsklage auch die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Unfallfolge begehrt werden (BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R -). Über beide Feststellungsbegehren ist durch die Beklagte auch durch anfechtbaren Verwaltungsakt inzident entschieden worden, weshalb die prozessuale Voraussetzung einer Verwaltungsentscheidung und eines durchgeführten Vorverfahrens vorliegt. Im streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 09.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2010 wurden Entschädigungsleistungen abgelehnt, weil weder eine posttraumatische Belastungsstörung noch eine sonstige psychoreaktive Störung (so der Widerspruchbescheid) vorgelegen habe, womit die begehrte Feststellung einer posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge konkludent abgelehnt ist. Ein Arbeitsunfall wurde mangels „primärer Gesundheitsschädigung“ aufgrund des Ereignisses Ende 2001/Anfang 2002 (so der Ausgangsbescheid) zunächst konkludent und im Widerspruchbescheid ausdrücklich ein Versicherungsfall (nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind das Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten) verneint.
30 
Voraussetzung ist auch für diese Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 SGG), dass ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung besteht. Dieses besondere Feststellungsinteresse liegt hier vor, da ein Gesundheitsschaden behauptet wird, der nach klägerischer Auffassung auf das angeschuldigte Geschehen zurückzuführen ist und geeignet ist, zum einen als -fraglicher- Erstschaden die Feststellung eines Arbeitsunfalles zu erlauben und zum anderen Leistungen für die Vergangenheit und gegebenenfalls auch für die Zukunft zu begründen.
31 
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheit(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheit(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, B 2 U 40/05 R= UV-Recht Aktuell 2006, 419-422, B 2 U 26/04 R= UV-Recht Aktuell 2006, 497-509, alle auch in juris).
32 
Nach diesen Grundsätzen ist ein Arbeitsunfall der Klägerin im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Ereignis nicht nachgewiesen. Der nicht genau datierte Vorfall Ende 2001/Anfang 2002 erfüllt jedenfalls die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls insoweit, als es bei der Verrichtung der versicherten Tätigkeit der Klägerin durch den handgreiflichen Übergriff zu einer Einwirkung auf den Körper der Klägerin gekommen ist. Der Senat geht davon aus, dass der randalierende Versicherte die Klägerin an den Armen gepackt und sie, wie in der Unfallanzeige von ihr dargestellt, mehrfach gegen ihren Willen an verschiedene Orte in ihrem Büro gezwungen hatte. Ebenso geht der Senat davon aus, dass hierdurch auch eine Einwirkung auf die Psyche der Klägerin stattgefunden hat, die grundsätzlich auch ohne eine physische Verletzung entstehen kann (BSG Urteile v. 09.05.2006, a.a.O.), und sich vorliegend in der Angst, der Versicherte möge eine Waffe dabei haben, dem Erschrecken über das Verhalten des Versicherten und dem Gefühl der Hilflosigkeit äußerte.
33 
Dagegen ist dem Senat die Feststellung nicht möglich, dass durch diese Einwirkungen ein Gesundheitserstschaden entstanden ist.
34 
Gesundheitserstschaden i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Arbeitsunfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolgen) sind (BSG Urt. v. 15.05.2012 - B 2 U 16/11 R -, juris, Rnr. 19) oder sich in der Folge gegebenenfalls unter Hinzutreten weiterer Bedingungen entwickeln oder der versicherten Tätigkeit aufgrund Spezialvorschriften (z.B. § 11 SGB VII, vgl. BSG Urteil vom 15.05.2012, a.a.O.) zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher Art ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls. Der den Gesundheitserstschaden begründende regelwidrige physische oder psychische Zustand entspricht nach herrschender Meinung dem allgemeinen Krankheitsbegriff (vgl. BSG Urt. vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, a.a.O. Rn. 21, 22; Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB VII Rn. 20), was angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden psychischen Erkrankungen und möglicher Schulenstreite in der Medizin eine sichere und nachvollziehbare Diagnosestellung unter Verwendung der üblichen Diagnose-Manuale voraussetzt (BSG, a.a.O.).
35 
Ein für den Senat ersichtlicher Gesundheitserstschaden ist durch die genannten Einwirkungen nicht erwiesen. Der Gesundheitserstschaden setzt, wie dargelegt, keine Dauerschädigung oder Gesundheitsschäden von erheblichem Gewicht oder mit notwendiger Behandlungsbedürftigkeit voraus. Auch Bagatellverletzungen (z.B. „blauer Fleck“) sind regelwidrige Gesundheitszustände, die zwar einen Arbeitsunfall begründen, aber zumeist keine Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung auslösen. Jedoch hat die Klägerin weder einen somatischen Gesundheitsschaden vorgetragen noch ergibt sich aus ihrem Vorbringen eine unmittelbar verursachte psychische Gesundheitsstörung.
36 
Die Handgreiflichkeiten des randalierenden Versicherten haben keine Veränderung des Körperzustands der Klägerin in diesem Sinne bewirkt. Der Eingriff in die körperliche Integrität der Klägerin, indem der Versicherte sie gewaltsam an beiden Armen gepackt hat, hat keine körperliche Verletzung verursacht. Ein ärztlicher Befund hierüber wurde entsprechend dem klägerischen Vorbringen nicht erhoben und ein solcher wurde dem Senat auch nicht vorgelegt. Soweit die Klägerin möglicherweise hierbei Schmerzen empfunden haben sollte, ist damit allein noch keine substantielle körperliche Verletzung dargelegt, sondern zunächst nur eine regelhafte Enervierung der Schmerzsensoren, die nicht zwingend eine - auch nur geringfügige - Verletzung von Körperstrukturen belegt.
37 
Ein unmittelbar aufgetretener psychischer Gesundheitsschaden ist dem Bericht der Klägerin, den sie der Unfallanzeige ihrer Beschäftigungsbehörde vom 28.01.2010 beigefügt hatte, nicht zu entnehmen. Als unmittelbare Reaktion auf den geschilderten Übergriff des Versicherten gibt die Klägerin zwar an, geschockt gewesen zu sein, entsetzliche Angst gehabt zu haben und nach der gelungenen Flucht aus dem Zimmer total aufgelöst gewesen zu sein. Sonstige Angaben über ihren psychischen Zustand finden sich in ihrem sonstigen Vorbringen nicht. In den vorgelegten Berichten aus der ab 2009 aufgenommenen ärztlichen und psychologischen Behandlung sind krankheitswertige Symptome eines psychischen Gesundheitsschadens nicht oder nur unzureichend dargelegt. Die Klägerin hatte nach dem Vorfall bis 2008 noch keinen Arzt aufgesucht. Eine Arbeitsunfähigkeit bestand nicht. Eine Diagnose über einen krankheitswertigen Zustand im unmittelbaren Anschluss an den Vorfall, insbesondere eine akute Belastungsreaktion nach ICD-10 F43.0 (eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt und die im allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingen), wurde damals nicht gestellt und ist von keinem der sich nachfolgend gutachterlich äußernden Ärzten überzeugend thematisiert oder durch eine eigene Diagnosestellung belegt. Die Psychologin R.-R. zählt ohne nähere Darlegung aufgrund der Schilderung der Klägerin als Anfangssymptomatik unmittelbar nach dem Vorfall 2001/2002 aufgetretene Intrusionen von Bildern an den Überfall, Albträume und Schlafstörungen auf (Bericht vom 30.06.2010), was traumaspezifische Krankheitssymptome nicht nachvollziehbar belegt und im Widerspruch dazu steht, dass die Klägerin bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. angegeben hatte, sich an die unmittelbaren Folgen des Ereignisses nicht mehr erinnern zu können. Im Bericht der Universitätsklinik F. vom 15.01.2009 sind zur Erstsymptomatik zum Zeitpunkt des Vorfalls, wobei dieser auf das Jahr 2003 datiert wird, keine Ausführungen gemacht. PD Dr. Ro. verneinte nach Auswertung der Aktenlage - für den Senat daher insoweit nachvollziehbar - ausdrücklich den Nachweis einer psychoreaktiven Störung (Stellungnahmen vom 26.04.2010 und 13.07.2010). Auch Prof. Dr. T. hat in seinem Gutachten vom 09.05.2011 eine akute Belastungsstörung (ICD 10: F 43.0) ausgeschlossen.
38 
Bei dieser Ausgangslage ist die bei psychischen Belastungen schwierige Abgrenzung, ob die Reaktion des Betroffenen sich noch im Bereich des zu erwartenden und angemessenen normalen Verhaltens bewegt oder bereits eine krankheitswertige Regelabweichung vom gesunden normalen Zustand erkennen lässt, nicht zuverlässig möglich. Der mit einem persönlichen körperlichen Übergriff auf die Klägerin einhergehende Vorfall geht weit über alltägliche, berufliche Belastungssituationen hinaus, zwingt aber nicht ohne weiteres - auch wegen seines noch glimpflichen Ausgangs - zu der Annahme, dass damit notwendigerweise gravierende psychische Beeinträchtigungen verbunden gewesen sein müssen. Andererseits ist aber bei gegen die eigene Person gerichteten Attacken eine Schreckreaktion, Angst vor Weiterungen des Übergriffs und eine auch nach Ende des Vorfalls anhaltende Aufgeregtheit mit nervlicher Angespanntheit eine zu erwartende und noch normale Reaktion. Nicht jede nicht alltägliche Gemütslage oder anlassbezogene, psychisch angespannte Befindlichkeit rechtfertigt den Schluss auf einen regelwidrigen Körperzustand. Soweit die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 09.06.2010 eine kurzzeitige Belastungsreaktion unmittelbar nach dem Übergriff als allenfalls noch plausibel bewertet, ist diese anscheinende Hilfsüberlegung, dass eine Belastungsreaktion nach ICD-10 F43.0 vorgelegen haben könnte, aber wegen ihrer Kurzzeitigkeit einen Arbeitsunfall oder jedenfalls Entschädigungsleistungen ausschließt, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar wäre wegen der Kurzzeitigkeit der akuten Belastungsreaktion aus den oben genannten Gründen, wonach es auf die Schwere, Dauer und Behandlungsbedürftigkeit eines Gesundheitserstschadens nicht ankommt, die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nicht zu verneinen, jedoch reicht die bloße Möglichkeit neben anderen ebenso möglichen Sachverhaltskonstellationen für den Nachweis eines Gesundheitserstschadens nicht aus. Diese Überlegung kommt hinreichend in der Formulierung zum Ausdruck, dass hier eine Belastungsreaktion allenfalls noch plausibel sein könnte. Die im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen haben insoweit keine hinreichende Aufklärung erbracht. Der Senat sieht keinen Ansatz für dahingehende weitere Ermittlungen. Solche sind auch nicht vorgetragen.
39 
Eine posttraumatische Belastungsstörung nach ICD-10 F43.1, deren Vorliegen der Senat unterstellt, ist zur Überzeugung des Senats ebenfalls als Gesundheitserstschaden nicht nachgewiesen.
40 
Entgegen der Auffassung der Beklagten scheidet zur Überzeugung des Senats die Annahme eines Gesundheitserstschadens in Form dieser Erkrankung nicht deshalb aus, weil eine wahrnehmbare Symptomatik erst lange Zeit nach dem die Erkrankung auslösenden Initialereignis aufgetreten ist. Nach den von den Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. dargelegten medizinischen Zusammenhängen ist bei einem Ereignis, das nach Art und Schweregrad der Definition des A-Kriteriums der posttraumatischen Belastungsstörung (ein belastendes Ereignis mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß) entspricht, und den später auftretenden B-, C- und D-Diagnosekriterien (Nachhallerinnerungen, Flashbacks; Vermeidungsverhalten; vegetative und dissoziative psychoreaktive Symptomatik) anzunehmen, dass der Betroffene in der Phase der seelischen Latenz nicht gesund ist. Damit ist mit Auftreten der Symptomatik zwar die Diagnosestellung erst gesichert, ein Gesundheitsschaden kann dagegen bereits mit dem Initialereignis eingetreten sein - Behandlungsbedürftigkeit ist keine zwingende Voraussetzung - bzw. die zum Gesundheitsschaden führende Kausalkette wurde dadurch in Gang gesetzt und der hierauf beruhende Gesundheitserstschaden kann auch erst später eintreten.
41 
Für den Vollbeweis hinreichende Anhaltspunkte für einen seelischen Gesundheitsschaden unmittelbar nach dem Ereignis hat der Senat nach den obigen Ausführungen nicht. Ob eine Phase einer latenten seelischen Erkrankung vorlag, ist nicht sicher festzustellen. Der Senat geht jedoch zu Gunsten der Klägerin von dem Ingangsetzen eines Kausalverlaufs zur Entstehung der von Dr. C. diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung aus.
42 
Hierbei stellt der Senat die auch vom SG aufgeworfenen Zweifel daran, ob die Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung erfüllt sind, zurück. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. T. konnte bei seiner Untersuchung die typischen Merkmale wie aufdrängende Erinnerungen, Albträume, das Gefühl von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit usw. nicht erheben. Soweit der Sachverständige auf eine entsprechende Befunderhebung bei den Voruntersuchungen durch das Universitätsklinikum F. verweist, wo die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt worden ist, ist dies nicht vollständig überzeugend. Zum einen wurde dort bei der Untersuchung der Klägerin im Januar 2009 fälschlich angenommen, dass der auslösende Vorfall erst im Jahre 2003 eingetreten und eine unmittelbar hieran anknüpfende Behandlung durch die Psychologin N. durchgeführt worden sei (Befundbericht der Universitätsklinik F. vom 15.01.2009). Zum anderen sind die dort wiedergegebenen Symptome von tagsüber auftretendem Wiedererleben szenischer Erinnerungen und Bilder bei der Arbeit, Schreckhaftigkeit und Ängstlichkeit mit verringerter Belastbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Vermeidungsverhalten teils wenig spezifisch und teils nicht vollständig korrekt, da ein Kundenkontakt erst ab 2010 durch Übernahme einer neuen Tätigkeit endgültig vermieden wurde und die Klägerin zuvor gerade mit vielen Menschen über den Vorfall im Rahmen der Selbsthilfe gesprochen hat, wie sich aus den Darlegungen der Psychologin R.-R. vom 30.06.2010 entnehmen lässt. Diese beurteilte die erstmals 2006 aufgetretenen Beschwerden der Klägerin, die sie ihr nach Behandlungsbeginn im Jahr 2009 schilderte, als die typischen Belastungssymptome, die die genannten Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung erfüllen (Bescheinigungen vom 23.12.2009 und vom 30.06.2010). Die Psychologin R.-R. bezeichnete die von ihr bei der Untersuchung der Klägerin selbst erhobenen Beschwerden jedoch nicht als Krankheit. Damit stimmt überein, dass auch Dr. C. ebenso wie Prof. Dr. T. keine akute Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung mehr hat diagnostizierten können. Seine Diagnose eines Status nach posttraumatischer Belastungsstörung bezieht sich auf einen früheren Zustand. Eine Befunderhebung aufgrund des während der Exploration gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Klägerin zum Zeitpunkt des angenommenen erstmaligen Auftretens der typischen Symptomatik hat die Psychologin R.-R. gerade nicht zur Grundlage ihrer Einschätzung machen können. Dass die Diagnosekriterien der posttraumatischen Belastungsstörung ab 2006 erfüllt waren, wovon Psychologin R.-R. und die gerichtlichen Sachverständigen ausgehen, hat der Senat dennoch als zutreffend unterstellt.
43 
Zur Überzeugung des Senats sind die ab 2006 aufgetretenen psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin jedoch nicht wesentlich kausal auf den angeschuldigten Vorfall Ende 2001/Anfang 2002 zurückzuführen.
44 
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11).
45 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Bedingung eines Erfolges, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Bedingungen.
46 
Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).
47 
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).
48 
Nach diesen Grundsätzen besteht zur Überzeugung des Senats kein wesentlicher Zusammenhang der seit 2006 aufgetretenen psychischen Beschwerden mit dem angeschuldigten Vorfall. Dies ergibt sich für den Senat aus den übereinstimmenden Darlegungen der medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. zu den psychodynamisch wirkenden Bedingungen, die den geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin zu Grunde liegen. Auch die Psychologin R.-R. beschreibt eine damit weitgehend übereinstimmende Psychodynamik. Prof. Dr. T. stellt ebenso wie Dr. C. darauf ab, dass andere Ursachen als das unmittelbare Traumaereignis für die unzureichende Krankheitsverarbeitung der Klägerin auch die hilflos gehandhabte Krisensituation und die zu geringe Hilfestellung durch die Kollegen waren. Dr. C. geht hiermit deckungsgleich davon aus, freilich unter Hinweis auf den hypothetischen Charakter des Bedingungsgefüges, das nur in einer längeren Psychotherapie falsifiziert oder verifiziert werden könne, dass die fehlende soziale Unterstützung durch den Arbeitgeber oder die Beklagte, wonach sie keine prophylaktische Primärbetreuung nach dem Vorfall erfahren habe, bei der im Gutachten näher beschriebenen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin zum Durchbruch des deshalb seit dem Vorfall aufgestauten Grolls führte, als die Klägerin nach dem Umzug 2006 mit den jetzt möglichen Sicherheitseinrichtungen und Bemühungen der Dienststelle zum Schutz vor aggressiven Publikum sich konfrontiert sah und erkennen musste, dass ihr dieser Schutz nicht zuteil geworden sei. Ebenso beschreibt er die unterbliebene Unterstützung von Vorgesetzten und Kollegen, wobei in der Wahrnehmung der Klägerin sogar der Täter durch diese eher geschützt und umworben wurde, da er schließlich sogar Rente erhalten habe. Auch die Bagatellisierung des Vorfalls durch die herbeigerufenen Polizeibeamten, die von einer Anzeige abgeraten hatten, hatte zu der psychischen Konstellation geführt, dass die Klägerin sich als ungerecht behandelt fühlt und sie nun einen - auch juristischen - Kampf um Gerechtigkeit und weniger um materielle Entschädigung führt. Der Senat erachtet diese Umstände als nachgewiesene mitwirkende Bedingungen, denn die behandelnde Psychologin R.-R. hat aufgrund ihrer durchgeführten Langzeittherapie die von Dr. C. als hypothetisch angestellten Überlegungen in dem vom Sachverständigen gemeinten Sinne auch verifiziert. In ihrem Bericht vom 06.12.2010 hatte sie nach 60 Sitzungen bereits ebenso wie Dr. C. dargelegt, dass die Klägerin durch das erlebte Verhalten der Dienststelle, der Polizei und der Vorgesetzten und Kollegen eine Entwertung ihrer Person empfunden hat, weshalb sie um Anerkennung des ihr widerfahrenen Unrechts durch Feststellung dieses Vorfalls als Arbeitsunfall kämpft und nicht, um eine Entschädigung zu erlangen.
49 
Diese in den gutachterlichen Darlegungen der Mediziner und der Psychologin aufgezeigten Bedingungszusammenhänge ergeben aber entgegen deren Einschätzung keinen wesentlichen Zusammenhang der psychischen Beschwerden der Klägerin mit dem Vorfall 2001/2002. Bei geklärtem medizinischem Sachverhalt ist die wertende Entscheidung, welche der aus dem jeweiligen Fachgebiet dargelegten Bedingungen wesentlich ist, eine Rechtsfrage, die dem Gericht vorbehalten ist. Nach den gutachtlichen Darlegungen ist aber das angeschuldigte Unfallereignis nur noch auslösendes Moment, d.h. conditio sine qua non, für die diese von den Sachverständigen und der Psychologin genannten Bedingungen, die die Beschwerden der Klägerin ausgelöst und unterhalten haben. Die psychische Beeinträchtigung der Klägerin beruht weit überwiegend auf Erscheinungen, die mit dem eigentlichen Vorfall des Übergriffs des randalierenden Versicherten entweder nur am Rande zu tun haben - wie die von der Klägerin empfundene verspätete Hilfeleistung durch Kollegen oder die empfundene Bagatellisierung durch die Polizeibeamten - oder auf nachfolgende Eindrücke und Erfahrungen - wie die unterbliebene Betreuung und Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen bzw. die ungerecht empfundene Bevorzugung des Verursachers ihr gegenüber -. Der Vorfall selbst, das in Betracht kommende Unfallereignis, ist demgegenüber vollständig in den Hintergrund gerückt. Dies kommt zur Überzeugung des Senats auch darin zum Ausdruck, dass die von der Psychologin R.-R. beschriebene Beschwerdesymptomatik im Sinne der Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung nur vergleichsweise gering ausgeprägt ist. Das typische Vermeidungsverhalten ist nicht erkennbar. Obgleich Beschwerden ab 2006 bestehen, übt die Klägerin erst seit Anfang 2010 eine Tätigkeit ohne Kundenkontakt aus, wie sie bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. angegeben hat. Auch treten die Beschwerden nur im Dienstgebäude auf, nicht zuhause oder bei privaten Beschäftigungen, wie die Klägerin mehrfach angegeben hat. Der Bezug zum Dienstbetrieb spricht einerseits für den Schwerpunkt des Bedingungsgefüges im Bereich des Verhaltens der Dienststelle und andererseits gegen die Merkmale der sich ungewollt aufdrängenden typischen Erinnerungen an das Initialereignis, wobei teilweise die auslösenden Momente (Einweisung in die Sicherheitseinrichtungen, Deeskalationstraining) mit dem Vorfall nur geringe Berührungspunkte haben und die typisch intrusiven Erinnerungen an das Unfallgeschehen nicht immer vollständig erkennbar sind, denn erinnert wird häufig die unterbliebene Unterstützung bzw. die empfundene Geringschätzung. In diesem Zusammenhang ist auch die lange Latenz zwischen Initialereignis und auftretender Symptomatik von Bedeutung. Nach Dr. C. ist nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand, er verweist hierzu auf Foerster/Widder (2007), bei einer längeren Latenz zu berücksichtigen, dass ein Zusammenhang umso plausibler anzusehen ist, je höher die nachvollziehbare seelische Beeindruckung durch das Ereignis war. Der trotz allem noch glimpflich ablaufende Vorfall hat keinen unmittelbaren, erkennbaren tiefergehenden psychischen Eindruck hinterlassen. Bei Prof. Dr. T. hatte die Klägerin sich an die unmittelbaren Folgen des Ereignisses nicht mehr erinnern können, anders als später bei der Untersuchung durch Dr. C., wo sie angab, sie habe nach der Flucht aus dem Büro weinen müssen, sei in aufgewühltem Zustand nachhause gegangen und selbst am nächsten Tag habe sie ihr Ehemann nicht zur Arbeit gehen lassen wollen. Wie oben dargelegt ist eine tiefergehende Beeindruckung, insbesondere eine akute Belastungsreaktion nicht nachgewiesen. Selbst wenn man mit Dr. C. davon ausgeht, dass trotz der Latenz von mindestens vier Jahren der Zusammenhang mit dem Unfallereignis noch herzustellen ist, ist es nach seinen eigenen Ausführungen nur unter den mitwirkenden anderen Bedingungen (naturwissenschaftlich-philosophisch) kausal geworden.
50 
Diese Bedingungen sind entgegen der Einschätzung von Prof. Dr. T. und Dr. C., die dies offenkundig unterstellen, dem infrage stehenden Versicherungsfall nicht zuzurechnen, sie sind „unfallfremd“. Damit übereinstimmend stuft auch PD Dr. Ro. in seiner Stellungnahme vom 13.07.2010 den Zusammenhang der psychischen Beeinträchtigung ein, die er als persönlichkeitsbedingte Reaktion bewertet.
51 
Dem entspricht die Rechtsprechung des Senats. Danach liegt ein wesentlicher unfallbedingter Zusammenhang eines psychischen Leidens nicht schon dann vor, wenn in der Persönlichkeitsstruktur des Versicherten angelegte Eigenschaften durch das Unfallereignis, die psychischen Unfallfolgen oder durch die Unfallabwicklung des Unfallversicherungsträgers stimuliert werden. Maßstab der wertenden Beurteilung ist vielmehr, dass nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand aus objektiver Sicht ein Zusammenhang herzustellen ist; allein die subjektive Sicht des Versicherten reicht nicht aus (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 27.08.2010 - L 8 U 1427/10 -, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Das Verhalten der Polizei und des Arbeitgebers einschließlich der Vorgesetzten und Kollegen ist als ursächliche Bedingung der später aufgetretenen psychischen Beeinträchtigung der Klägerin und deren Unterhaltung weder einer fehlerhaften Unfallabwicklung durch die Beklagte noch irgendwelchen Auswirkungen psychischer Unfallfolgen zuzurechnen. Die Klägerin hatte nach dem Vorfall ihre Tätigkeit am nächsten Tag fortgeführt, ärztliche oder psychotherapeutische Betreuung nicht in Anspruch genommen und der Beklagten den Vorfall nicht gemeldet. Für die Beklagte bestand daher kein Anlass präventive Maßnahme oder unterstützende Maßnahmen zur Verarbeitung einer etwaigen Traumatisierung zu ergreifen. Abgesehen davon, dass für den Senat nicht erkennbar ist, dass der Dienststelle der Klägerin insoweit überhaupt ein Versäumnis vorzuwerfen ist, hat der Unfallversicherungsträger grundsätzlich nicht für das dem Unfall nachgehende Verhalten des Arbeitgebers einzustehen, es sei denn es ist durch den Arbeitsunfall oder dessen Folgen veranlasst und hat zu wesentlichen Weiterungen der Unfallfolgen beigetragen (z.B. psychische Erkrankung wegen einer arbeitgeberseitigen Kündigung aufgrund unfallbedingter Leistungsbeeinträchtigung). Für den Senat ist auch nicht ersichtlich, dass die seelische Einwirkung durch den Vorfall einer Behandlung oder sonstigen Intervention bedürftig war, denn die Klägerin hatte im Rahmen der Selbsthilfe das Erlebnis verarbeitet, u.a. hatte sie einen Karatekurs belegt, wie Dr. C. und die Psychologin R.-R. ausführen, und hatte keine nach außen sichtbar werdenden funktionellen, körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen bis 2006. Zwar sind Gesundheitsstörungen, die sich wegen der unterbliebenen, notwendigen Behandlung einer unfallbedingten Schädigung entwickelt haben, wesentlich kausal auf den Unfall zurückzuführen. Nach den Darlegungen der Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. wäre bei der Klägerin eine präventive bzw. prophylaktische Intervention sinnvoll gewesen und nicht eine Behandlung akuter/latenter Krankheitserscheinungen. Doch war das Auftreten der Symptomatik 2006 nicht Folge der Fortwirkung einer unbehandelt gebliebenen seelischen Beeindruckung durch den eigentlichen Vorfall, sondern die hierfür ursächliche seelische Beeindruckung der Klägerin beruhte nach den Darlegungen der Sachverständigen gerade auf dem Umstand, dass die Krisenintervention des Arbeitgebers oder des Unfallversicherungsträgers unterblieben ist, bzw. auf einer vermeintlichen Bagatellisierung durch die Polizei, was aufgrund der dargelegten psychodynamischen Prozesse bei der Klägerin das nachvollziehbare, aber ungerechtfertigte Gefühl erweckt hatte, ein Unrecht seitens der Dienststelle, der Polizei und der Beklagten und eine Geringschätzung ihrer Person erfahren zu haben. Dies steht nicht im Zusammenhang mit dem angeschuldigten Unfallereignis und beruht letztlich allein auf der Zuschreibung der Klägerin. Nach den Darlegungen von Prof. Dr. T. und Dr. C. ist davon auszugehen, dass der Vorfall lediglich Anknüpfungspunkt für die bei der vorgegebenen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin ablaufenden Bewertungsprozesse ist, was aber deren rechtlich unzutreffende Bewertung einer wesentlichen Mitursache des Arbeitsunfalls nicht zu rechtfertigen vermag.
52 
Damit fehlt es an der haftungsbegründenden Kausalität mangels nachgewiesenen Gesundheitserstschadens, woran die Feststellung eines Arbeitsunfalls scheitert.
53 
Mangels Arbeitsunfall ist auch die begehrte Feststellung von Unfallfolgen nicht begründet. Weder eine posttraumatischen Belastungsstörung, selbst wenn sie aus medizinischer Sicht eine begründete Diagnose sein mag, die allein die naturwissenschaftlich-philosophische Kausalitätstheorie zur Grundlage haben kann, noch die von Dr. C. diagnostizierte dissoziative Störung, die der Sachverständiger auf die gleichen Wirkungszusammenhänge zurückführt, können rechtlich Folgen eines Arbeitsunfalls sein. Darüber hinaus wird die dissoziative Störung nach der von Dr. C. mitgeteilten Definition nach ICD-10 als ursächlich psychogen angesehen und verkörpert häufig das Konzept der betroffenen Person, wie sich eine körperliche Erkrankung manifestieren müsse, was ohne nähere Darlegung das auslösende Trauma eher als Gelegenheitsursache im Sinne einer nicht wesentlichen Bedingung nahelegt.
54 
Zu weiteren Ermittlungen hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, da die vorliegenden gutachterlichen Äußerungen den medizinischen Sachverhalt hinreichend aufgeklärt haben. Die hieran anknüpfenden rechtlichen Fragen, ob damit die im Vollbeweis oder nur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu belegenden Tatsachen einer Primärschädigung, eines wesentlichen unfallbedingten Zusammenhangs bzw. eines Zusammenhangs unfallfremder Konkurrenzursachen nachgewiesen sind, hat der Senat zu entscheiden. Der Anregung des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 28.02.2013, hierzu Dr. C. ergänzend zu hören, musste der Senat daher nicht nachkommen. Dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Beweisantrag der Klägerin, zum Beweis dafür, dass die bei ihr bis 2006 bestandene Beschwerdelatenz aufgrund aktueller wissenschaftlicher medizinischer Erkenntnisse auch in Deutschland keinen Anlass bietet, die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung infrage zu stellen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, hilfsweise Dr. C. hierzu zu hören, war nicht stattzugeben. Der Senat hatte die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung bei der Klägerin unterstellt. Dass in der medizinischen Wissenschaft die Kriterien einer verzögert auftretenden posttraumatischen Belastungsstörung bei Beschwerdelatenz möglicherweise unterschiedlich diskutiert werden, wie die insoweit – noch – voneinander abweichenden Diagnosemanuale ICD-10 und DSM-IV erkennen lassen, war für den Senat nicht entscheidungserheblich. Ebenso wenig bedurfte es der vom Klägerbevollmächtigten angeregten ergänzenden Anhörung des Sachverständigen zum Vorbringen, dass durch die Versorgung traumatisierter Soldaten in der Medizin seit langem bekannt sei, dass seelische Schädigungen oft erst Jahre nach dem traumatisierenden Erlebnis erkannt würden (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 05.03.2013). Der Sachverständige Dr. C. hat in seinem Gutachten den derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis unter Bezugnahme auf die genannten Veröffentlichungen (Seite 35 seines Gutachtens) und mit Hinweis auf die internationale Literatur mit Forschung zu der verzögerten posttraumatischen Belastungsstörung bei Kriegsveteranen (Seite 36 seines Gutachtens) bereits dargelegt. Nachdem in den richterlichen Hinweisen vom 12.03.2013 und 14.03.2013 diese Gesichtspunkte den Beteiligten erläutert worden sind, hat der Klägerbevollmächtigte zu den Aufklärungsverfügungen keine Einwendungen erhoben oder seine Anregung auf weitere Ermittlungen nicht weiter konkretisiert.
55 
Die Kostenentscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG. Die Kosten der Begutachtung durch Dr. C., über die der Senat als Gerichtskosten in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens auch im Urteil entscheiden kann (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.08.2006 - L 1 U 3854/06 KO-B, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de), werden auf die Staatskasse übernommen. Nach der Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung oder die Erledigung des Rechtsstreits (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 28.02.2013 - L 8 SB 727/13 B -, vom 19.10.2011 - L 8 SB 3043/11 B; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl., § 109 Rdnr. 16a) von wesentlicher Bedeutung war bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht, diese also objektiv gefördert hat. Dabei kann nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung gesehen werden. Es muss sich vielmehr, gemessen am klägerischen Prozessziel, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben. Dies bedeutet aber weder, dass nur Gutachten, welche ein für die Klägerseite günstiges Ergebnis haben, hierunter fallen können, noch, dass für das Klagebegehren günstige Gutachten stets von der Staatskasse zu bezahlen sind. Vorliegend sind die Ausführungen von Dr. C. zum aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand einer verzögerten posttraumatischen Belastungsstörung und deren Beurteilungskriterien in der Begutachtungspraxis für die Entscheidung des Senats förderlich gewesen und haben die Einholung eines Gutachtens von Amts wegen aufgrund ambulanter Untersuchung entbehrlich gemacht. Der Senat hat davon abgesehen, nur die voraussichtlichen Kosten eines Aktengutachtens für erstattungsfähig zu erklären, da neben der Vermittlung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes, die nur ein Gutachten nach Aktenlage erfordert hätte, auch die Anwendung der Bewertungskriterien auf die Klägerin zu klären war, was in der Regel die psychiatrische Exploration im Rahmen einer ambulanten Untersuchung voraussetzt. Dass sich der Senat den aus der Exploration folgenden Schlussfolgerungen des Sachverständigen nicht angeschlossen hat, ist für die Kostenentscheidung insoweit ohne Belang.
56 
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Gründe

 
26 
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG).
27 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
28 
Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 SGG. Der Antrag der Klägerin, eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls Ende 2001/Anfang 2002 festzustellen, ist gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1, Nr.3 SGG als Feststellungsklage zulässig. Begehrt werden die Feststellung eines Arbeitsunfalls und von Unfallfolgen.
29 
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wie es das durch Arbeitsunfall begründete Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin als Versicherte und der Beklagten als Trägerin der Unfallversicherung darstellt. Vor Erhebung einer Feststellungsklage muss der Versicherte im Regelfall einen entsprechenden (Feststellungs-)Antrag an den Versicherungsträger gerichtet haben, mit dem er eine bestimmte Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt hat, z.B. dass ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit vorliegt. Das Begehren zur Feststellung eines Arbeitsunfalles ist nicht auf die Feststellung eines nicht feststellungsfähigen Tatbestandsmerkmals einer Anspruchsnorm gerichtet (BSG Urt. vom 27.06.2006 - B 2 U 77/06 B -, SozR 4-1500 § 55 Nr. 4). Nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann mit der Feststellungsklage auch die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Unfallfolge begehrt werden (BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R -). Über beide Feststellungsbegehren ist durch die Beklagte auch durch anfechtbaren Verwaltungsakt inzident entschieden worden, weshalb die prozessuale Voraussetzung einer Verwaltungsentscheidung und eines durchgeführten Vorverfahrens vorliegt. Im streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 09.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2010 wurden Entschädigungsleistungen abgelehnt, weil weder eine posttraumatische Belastungsstörung noch eine sonstige psychoreaktive Störung (so der Widerspruchbescheid) vorgelegen habe, womit die begehrte Feststellung einer posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge konkludent abgelehnt ist. Ein Arbeitsunfall wurde mangels „primärer Gesundheitsschädigung“ aufgrund des Ereignisses Ende 2001/Anfang 2002 (so der Ausgangsbescheid) zunächst konkludent und im Widerspruchbescheid ausdrücklich ein Versicherungsfall (nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind das Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten) verneint.
30 
Voraussetzung ist auch für diese Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 SGG), dass ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung besteht. Dieses besondere Feststellungsinteresse liegt hier vor, da ein Gesundheitsschaden behauptet wird, der nach klägerischer Auffassung auf das angeschuldigte Geschehen zurückzuführen ist und geeignet ist, zum einen als -fraglicher- Erstschaden die Feststellung eines Arbeitsunfalles zu erlauben und zum anderen Leistungen für die Vergangenheit und gegebenenfalls auch für die Zukunft zu begründen.
31 
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheit(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheit(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, B 2 U 40/05 R= UV-Recht Aktuell 2006, 419-422, B 2 U 26/04 R= UV-Recht Aktuell 2006, 497-509, alle auch in juris).
32 
Nach diesen Grundsätzen ist ein Arbeitsunfall der Klägerin im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Ereignis nicht nachgewiesen. Der nicht genau datierte Vorfall Ende 2001/Anfang 2002 erfüllt jedenfalls die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls insoweit, als es bei der Verrichtung der versicherten Tätigkeit der Klägerin durch den handgreiflichen Übergriff zu einer Einwirkung auf den Körper der Klägerin gekommen ist. Der Senat geht davon aus, dass der randalierende Versicherte die Klägerin an den Armen gepackt und sie, wie in der Unfallanzeige von ihr dargestellt, mehrfach gegen ihren Willen an verschiedene Orte in ihrem Büro gezwungen hatte. Ebenso geht der Senat davon aus, dass hierdurch auch eine Einwirkung auf die Psyche der Klägerin stattgefunden hat, die grundsätzlich auch ohne eine physische Verletzung entstehen kann (BSG Urteile v. 09.05.2006, a.a.O.), und sich vorliegend in der Angst, der Versicherte möge eine Waffe dabei haben, dem Erschrecken über das Verhalten des Versicherten und dem Gefühl der Hilflosigkeit äußerte.
33 
Dagegen ist dem Senat die Feststellung nicht möglich, dass durch diese Einwirkungen ein Gesundheitserstschaden entstanden ist.
34 
Gesundheitserstschaden i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Arbeitsunfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolgen) sind (BSG Urt. v. 15.05.2012 - B 2 U 16/11 R -, juris, Rnr. 19) oder sich in der Folge gegebenenfalls unter Hinzutreten weiterer Bedingungen entwickeln oder der versicherten Tätigkeit aufgrund Spezialvorschriften (z.B. § 11 SGB VII, vgl. BSG Urteil vom 15.05.2012, a.a.O.) zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher Art ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls. Der den Gesundheitserstschaden begründende regelwidrige physische oder psychische Zustand entspricht nach herrschender Meinung dem allgemeinen Krankheitsbegriff (vgl. BSG Urt. vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, a.a.O. Rn. 21, 22; Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB VII Rn. 20), was angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden psychischen Erkrankungen und möglicher Schulenstreite in der Medizin eine sichere und nachvollziehbare Diagnosestellung unter Verwendung der üblichen Diagnose-Manuale voraussetzt (BSG, a.a.O.).
35 
Ein für den Senat ersichtlicher Gesundheitserstschaden ist durch die genannten Einwirkungen nicht erwiesen. Der Gesundheitserstschaden setzt, wie dargelegt, keine Dauerschädigung oder Gesundheitsschäden von erheblichem Gewicht oder mit notwendiger Behandlungsbedürftigkeit voraus. Auch Bagatellverletzungen (z.B. „blauer Fleck“) sind regelwidrige Gesundheitszustände, die zwar einen Arbeitsunfall begründen, aber zumeist keine Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung auslösen. Jedoch hat die Klägerin weder einen somatischen Gesundheitsschaden vorgetragen noch ergibt sich aus ihrem Vorbringen eine unmittelbar verursachte psychische Gesundheitsstörung.
36 
Die Handgreiflichkeiten des randalierenden Versicherten haben keine Veränderung des Körperzustands der Klägerin in diesem Sinne bewirkt. Der Eingriff in die körperliche Integrität der Klägerin, indem der Versicherte sie gewaltsam an beiden Armen gepackt hat, hat keine körperliche Verletzung verursacht. Ein ärztlicher Befund hierüber wurde entsprechend dem klägerischen Vorbringen nicht erhoben und ein solcher wurde dem Senat auch nicht vorgelegt. Soweit die Klägerin möglicherweise hierbei Schmerzen empfunden haben sollte, ist damit allein noch keine substantielle körperliche Verletzung dargelegt, sondern zunächst nur eine regelhafte Enervierung der Schmerzsensoren, die nicht zwingend eine - auch nur geringfügige - Verletzung von Körperstrukturen belegt.
37 
Ein unmittelbar aufgetretener psychischer Gesundheitsschaden ist dem Bericht der Klägerin, den sie der Unfallanzeige ihrer Beschäftigungsbehörde vom 28.01.2010 beigefügt hatte, nicht zu entnehmen. Als unmittelbare Reaktion auf den geschilderten Übergriff des Versicherten gibt die Klägerin zwar an, geschockt gewesen zu sein, entsetzliche Angst gehabt zu haben und nach der gelungenen Flucht aus dem Zimmer total aufgelöst gewesen zu sein. Sonstige Angaben über ihren psychischen Zustand finden sich in ihrem sonstigen Vorbringen nicht. In den vorgelegten Berichten aus der ab 2009 aufgenommenen ärztlichen und psychologischen Behandlung sind krankheitswertige Symptome eines psychischen Gesundheitsschadens nicht oder nur unzureichend dargelegt. Die Klägerin hatte nach dem Vorfall bis 2008 noch keinen Arzt aufgesucht. Eine Arbeitsunfähigkeit bestand nicht. Eine Diagnose über einen krankheitswertigen Zustand im unmittelbaren Anschluss an den Vorfall, insbesondere eine akute Belastungsreaktion nach ICD-10 F43.0 (eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt und die im allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingen), wurde damals nicht gestellt und ist von keinem der sich nachfolgend gutachterlich äußernden Ärzten überzeugend thematisiert oder durch eine eigene Diagnosestellung belegt. Die Psychologin R.-R. zählt ohne nähere Darlegung aufgrund der Schilderung der Klägerin als Anfangssymptomatik unmittelbar nach dem Vorfall 2001/2002 aufgetretene Intrusionen von Bildern an den Überfall, Albträume und Schlafstörungen auf (Bericht vom 30.06.2010), was traumaspezifische Krankheitssymptome nicht nachvollziehbar belegt und im Widerspruch dazu steht, dass die Klägerin bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. angegeben hatte, sich an die unmittelbaren Folgen des Ereignisses nicht mehr erinnern zu können. Im Bericht der Universitätsklinik F. vom 15.01.2009 sind zur Erstsymptomatik zum Zeitpunkt des Vorfalls, wobei dieser auf das Jahr 2003 datiert wird, keine Ausführungen gemacht. PD Dr. Ro. verneinte nach Auswertung der Aktenlage - für den Senat daher insoweit nachvollziehbar - ausdrücklich den Nachweis einer psychoreaktiven Störung (Stellungnahmen vom 26.04.2010 und 13.07.2010). Auch Prof. Dr. T. hat in seinem Gutachten vom 09.05.2011 eine akute Belastungsstörung (ICD 10: F 43.0) ausgeschlossen.
38 
Bei dieser Ausgangslage ist die bei psychischen Belastungen schwierige Abgrenzung, ob die Reaktion des Betroffenen sich noch im Bereich des zu erwartenden und angemessenen normalen Verhaltens bewegt oder bereits eine krankheitswertige Regelabweichung vom gesunden normalen Zustand erkennen lässt, nicht zuverlässig möglich. Der mit einem persönlichen körperlichen Übergriff auf die Klägerin einhergehende Vorfall geht weit über alltägliche, berufliche Belastungssituationen hinaus, zwingt aber nicht ohne weiteres - auch wegen seines noch glimpflichen Ausgangs - zu der Annahme, dass damit notwendigerweise gravierende psychische Beeinträchtigungen verbunden gewesen sein müssen. Andererseits ist aber bei gegen die eigene Person gerichteten Attacken eine Schreckreaktion, Angst vor Weiterungen des Übergriffs und eine auch nach Ende des Vorfalls anhaltende Aufgeregtheit mit nervlicher Angespanntheit eine zu erwartende und noch normale Reaktion. Nicht jede nicht alltägliche Gemütslage oder anlassbezogene, psychisch angespannte Befindlichkeit rechtfertigt den Schluss auf einen regelwidrigen Körperzustand. Soweit die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 09.06.2010 eine kurzzeitige Belastungsreaktion unmittelbar nach dem Übergriff als allenfalls noch plausibel bewertet, ist diese anscheinende Hilfsüberlegung, dass eine Belastungsreaktion nach ICD-10 F43.0 vorgelegen haben könnte, aber wegen ihrer Kurzzeitigkeit einen Arbeitsunfall oder jedenfalls Entschädigungsleistungen ausschließt, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar wäre wegen der Kurzzeitigkeit der akuten Belastungsreaktion aus den oben genannten Gründen, wonach es auf die Schwere, Dauer und Behandlungsbedürftigkeit eines Gesundheitserstschadens nicht ankommt, die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nicht zu verneinen, jedoch reicht die bloße Möglichkeit neben anderen ebenso möglichen Sachverhaltskonstellationen für den Nachweis eines Gesundheitserstschadens nicht aus. Diese Überlegung kommt hinreichend in der Formulierung zum Ausdruck, dass hier eine Belastungsreaktion allenfalls noch plausibel sein könnte. Die im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen haben insoweit keine hinreichende Aufklärung erbracht. Der Senat sieht keinen Ansatz für dahingehende weitere Ermittlungen. Solche sind auch nicht vorgetragen.
39 
Eine posttraumatische Belastungsstörung nach ICD-10 F43.1, deren Vorliegen der Senat unterstellt, ist zur Überzeugung des Senats ebenfalls als Gesundheitserstschaden nicht nachgewiesen.
40 
Entgegen der Auffassung der Beklagten scheidet zur Überzeugung des Senats die Annahme eines Gesundheitserstschadens in Form dieser Erkrankung nicht deshalb aus, weil eine wahrnehmbare Symptomatik erst lange Zeit nach dem die Erkrankung auslösenden Initialereignis aufgetreten ist. Nach den von den Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. dargelegten medizinischen Zusammenhängen ist bei einem Ereignis, das nach Art und Schweregrad der Definition des A-Kriteriums der posttraumatischen Belastungsstörung (ein belastendes Ereignis mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß) entspricht, und den später auftretenden B-, C- und D-Diagnosekriterien (Nachhallerinnerungen, Flashbacks; Vermeidungsverhalten; vegetative und dissoziative psychoreaktive Symptomatik) anzunehmen, dass der Betroffene in der Phase der seelischen Latenz nicht gesund ist. Damit ist mit Auftreten der Symptomatik zwar die Diagnosestellung erst gesichert, ein Gesundheitsschaden kann dagegen bereits mit dem Initialereignis eingetreten sein - Behandlungsbedürftigkeit ist keine zwingende Voraussetzung - bzw. die zum Gesundheitsschaden führende Kausalkette wurde dadurch in Gang gesetzt und der hierauf beruhende Gesundheitserstschaden kann auch erst später eintreten.
41 
Für den Vollbeweis hinreichende Anhaltspunkte für einen seelischen Gesundheitsschaden unmittelbar nach dem Ereignis hat der Senat nach den obigen Ausführungen nicht. Ob eine Phase einer latenten seelischen Erkrankung vorlag, ist nicht sicher festzustellen. Der Senat geht jedoch zu Gunsten der Klägerin von dem Ingangsetzen eines Kausalverlaufs zur Entstehung der von Dr. C. diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung aus.
42 
Hierbei stellt der Senat die auch vom SG aufgeworfenen Zweifel daran, ob die Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung erfüllt sind, zurück. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. T. konnte bei seiner Untersuchung die typischen Merkmale wie aufdrängende Erinnerungen, Albträume, das Gefühl von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit usw. nicht erheben. Soweit der Sachverständige auf eine entsprechende Befunderhebung bei den Voruntersuchungen durch das Universitätsklinikum F. verweist, wo die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt worden ist, ist dies nicht vollständig überzeugend. Zum einen wurde dort bei der Untersuchung der Klägerin im Januar 2009 fälschlich angenommen, dass der auslösende Vorfall erst im Jahre 2003 eingetreten und eine unmittelbar hieran anknüpfende Behandlung durch die Psychologin N. durchgeführt worden sei (Befundbericht der Universitätsklinik F. vom 15.01.2009). Zum anderen sind die dort wiedergegebenen Symptome von tagsüber auftretendem Wiedererleben szenischer Erinnerungen und Bilder bei der Arbeit, Schreckhaftigkeit und Ängstlichkeit mit verringerter Belastbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Vermeidungsverhalten teils wenig spezifisch und teils nicht vollständig korrekt, da ein Kundenkontakt erst ab 2010 durch Übernahme einer neuen Tätigkeit endgültig vermieden wurde und die Klägerin zuvor gerade mit vielen Menschen über den Vorfall im Rahmen der Selbsthilfe gesprochen hat, wie sich aus den Darlegungen der Psychologin R.-R. vom 30.06.2010 entnehmen lässt. Diese beurteilte die erstmals 2006 aufgetretenen Beschwerden der Klägerin, die sie ihr nach Behandlungsbeginn im Jahr 2009 schilderte, als die typischen Belastungssymptome, die die genannten Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung erfüllen (Bescheinigungen vom 23.12.2009 und vom 30.06.2010). Die Psychologin R.-R. bezeichnete die von ihr bei der Untersuchung der Klägerin selbst erhobenen Beschwerden jedoch nicht als Krankheit. Damit stimmt überein, dass auch Dr. C. ebenso wie Prof. Dr. T. keine akute Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung mehr hat diagnostizierten können. Seine Diagnose eines Status nach posttraumatischer Belastungsstörung bezieht sich auf einen früheren Zustand. Eine Befunderhebung aufgrund des während der Exploration gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Klägerin zum Zeitpunkt des angenommenen erstmaligen Auftretens der typischen Symptomatik hat die Psychologin R.-R. gerade nicht zur Grundlage ihrer Einschätzung machen können. Dass die Diagnosekriterien der posttraumatischen Belastungsstörung ab 2006 erfüllt waren, wovon Psychologin R.-R. und die gerichtlichen Sachverständigen ausgehen, hat der Senat dennoch als zutreffend unterstellt.
43 
Zur Überzeugung des Senats sind die ab 2006 aufgetretenen psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin jedoch nicht wesentlich kausal auf den angeschuldigten Vorfall Ende 2001/Anfang 2002 zurückzuführen.
44 
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11).
45 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Bedingung eines Erfolges, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Bedingungen.
46 
Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).
47 
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).
48 
Nach diesen Grundsätzen besteht zur Überzeugung des Senats kein wesentlicher Zusammenhang der seit 2006 aufgetretenen psychischen Beschwerden mit dem angeschuldigten Vorfall. Dies ergibt sich für den Senat aus den übereinstimmenden Darlegungen der medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. zu den psychodynamisch wirkenden Bedingungen, die den geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin zu Grunde liegen. Auch die Psychologin R.-R. beschreibt eine damit weitgehend übereinstimmende Psychodynamik. Prof. Dr. T. stellt ebenso wie Dr. C. darauf ab, dass andere Ursachen als das unmittelbare Traumaereignis für die unzureichende Krankheitsverarbeitung der Klägerin auch die hilflos gehandhabte Krisensituation und die zu geringe Hilfestellung durch die Kollegen waren. Dr. C. geht hiermit deckungsgleich davon aus, freilich unter Hinweis auf den hypothetischen Charakter des Bedingungsgefüges, das nur in einer längeren Psychotherapie falsifiziert oder verifiziert werden könne, dass die fehlende soziale Unterstützung durch den Arbeitgeber oder die Beklagte, wonach sie keine prophylaktische Primärbetreuung nach dem Vorfall erfahren habe, bei der im Gutachten näher beschriebenen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin zum Durchbruch des deshalb seit dem Vorfall aufgestauten Grolls führte, als die Klägerin nach dem Umzug 2006 mit den jetzt möglichen Sicherheitseinrichtungen und Bemühungen der Dienststelle zum Schutz vor aggressiven Publikum sich konfrontiert sah und erkennen musste, dass ihr dieser Schutz nicht zuteil geworden sei. Ebenso beschreibt er die unterbliebene Unterstützung von Vorgesetzten und Kollegen, wobei in der Wahrnehmung der Klägerin sogar der Täter durch diese eher geschützt und umworben wurde, da er schließlich sogar Rente erhalten habe. Auch die Bagatellisierung des Vorfalls durch die herbeigerufenen Polizeibeamten, die von einer Anzeige abgeraten hatten, hatte zu der psychischen Konstellation geführt, dass die Klägerin sich als ungerecht behandelt fühlt und sie nun einen - auch juristischen - Kampf um Gerechtigkeit und weniger um materielle Entschädigung führt. Der Senat erachtet diese Umstände als nachgewiesene mitwirkende Bedingungen, denn die behandelnde Psychologin R.-R. hat aufgrund ihrer durchgeführten Langzeittherapie die von Dr. C. als hypothetisch angestellten Überlegungen in dem vom Sachverständigen gemeinten Sinne auch verifiziert. In ihrem Bericht vom 06.12.2010 hatte sie nach 60 Sitzungen bereits ebenso wie Dr. C. dargelegt, dass die Klägerin durch das erlebte Verhalten der Dienststelle, der Polizei und der Vorgesetzten und Kollegen eine Entwertung ihrer Person empfunden hat, weshalb sie um Anerkennung des ihr widerfahrenen Unrechts durch Feststellung dieses Vorfalls als Arbeitsunfall kämpft und nicht, um eine Entschädigung zu erlangen.
49 
Diese in den gutachterlichen Darlegungen der Mediziner und der Psychologin aufgezeigten Bedingungszusammenhänge ergeben aber entgegen deren Einschätzung keinen wesentlichen Zusammenhang der psychischen Beschwerden der Klägerin mit dem Vorfall 2001/2002. Bei geklärtem medizinischem Sachverhalt ist die wertende Entscheidung, welche der aus dem jeweiligen Fachgebiet dargelegten Bedingungen wesentlich ist, eine Rechtsfrage, die dem Gericht vorbehalten ist. Nach den gutachtlichen Darlegungen ist aber das angeschuldigte Unfallereignis nur noch auslösendes Moment, d.h. conditio sine qua non, für die diese von den Sachverständigen und der Psychologin genannten Bedingungen, die die Beschwerden der Klägerin ausgelöst und unterhalten haben. Die psychische Beeinträchtigung der Klägerin beruht weit überwiegend auf Erscheinungen, die mit dem eigentlichen Vorfall des Übergriffs des randalierenden Versicherten entweder nur am Rande zu tun haben - wie die von der Klägerin empfundene verspätete Hilfeleistung durch Kollegen oder die empfundene Bagatellisierung durch die Polizeibeamten - oder auf nachfolgende Eindrücke und Erfahrungen - wie die unterbliebene Betreuung und Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen bzw. die ungerecht empfundene Bevorzugung des Verursachers ihr gegenüber -. Der Vorfall selbst, das in Betracht kommende Unfallereignis, ist demgegenüber vollständig in den Hintergrund gerückt. Dies kommt zur Überzeugung des Senats auch darin zum Ausdruck, dass die von der Psychologin R.-R. beschriebene Beschwerdesymptomatik im Sinne der Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung nur vergleichsweise gering ausgeprägt ist. Das typische Vermeidungsverhalten ist nicht erkennbar. Obgleich Beschwerden ab 2006 bestehen, übt die Klägerin erst seit Anfang 2010 eine Tätigkeit ohne Kundenkontakt aus, wie sie bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. angegeben hat. Auch treten die Beschwerden nur im Dienstgebäude auf, nicht zuhause oder bei privaten Beschäftigungen, wie die Klägerin mehrfach angegeben hat. Der Bezug zum Dienstbetrieb spricht einerseits für den Schwerpunkt des Bedingungsgefüges im Bereich des Verhaltens der Dienststelle und andererseits gegen die Merkmale der sich ungewollt aufdrängenden typischen Erinnerungen an das Initialereignis, wobei teilweise die auslösenden Momente (Einweisung in die Sicherheitseinrichtungen, Deeskalationstraining) mit dem Vorfall nur geringe Berührungspunkte haben und die typisch intrusiven Erinnerungen an das Unfallgeschehen nicht immer vollständig erkennbar sind, denn erinnert wird häufig die unterbliebene Unterstützung bzw. die empfundene Geringschätzung. In diesem Zusammenhang ist auch die lange Latenz zwischen Initialereignis und auftretender Symptomatik von Bedeutung. Nach Dr. C. ist nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand, er verweist hierzu auf Foerster/Widder (2007), bei einer längeren Latenz zu berücksichtigen, dass ein Zusammenhang umso plausibler anzusehen ist, je höher die nachvollziehbare seelische Beeindruckung durch das Ereignis war. Der trotz allem noch glimpflich ablaufende Vorfall hat keinen unmittelbaren, erkennbaren tiefergehenden psychischen Eindruck hinterlassen. Bei Prof. Dr. T. hatte die Klägerin sich an die unmittelbaren Folgen des Ereignisses nicht mehr erinnern können, anders als später bei der Untersuchung durch Dr. C., wo sie angab, sie habe nach der Flucht aus dem Büro weinen müssen, sei in aufgewühltem Zustand nachhause gegangen und selbst am nächsten Tag habe sie ihr Ehemann nicht zur Arbeit gehen lassen wollen. Wie oben dargelegt ist eine tiefergehende Beeindruckung, insbesondere eine akute Belastungsreaktion nicht nachgewiesen. Selbst wenn man mit Dr. C. davon ausgeht, dass trotz der Latenz von mindestens vier Jahren der Zusammenhang mit dem Unfallereignis noch herzustellen ist, ist es nach seinen eigenen Ausführungen nur unter den mitwirkenden anderen Bedingungen (naturwissenschaftlich-philosophisch) kausal geworden.
50 
Diese Bedingungen sind entgegen der Einschätzung von Prof. Dr. T. und Dr. C., die dies offenkundig unterstellen, dem infrage stehenden Versicherungsfall nicht zuzurechnen, sie sind „unfallfremd“. Damit übereinstimmend stuft auch PD Dr. Ro. in seiner Stellungnahme vom 13.07.2010 den Zusammenhang der psychischen Beeinträchtigung ein, die er als persönlichkeitsbedingte Reaktion bewertet.
51 
Dem entspricht die Rechtsprechung des Senats. Danach liegt ein wesentlicher unfallbedingter Zusammenhang eines psychischen Leidens nicht schon dann vor, wenn in der Persönlichkeitsstruktur des Versicherten angelegte Eigenschaften durch das Unfallereignis, die psychischen Unfallfolgen oder durch die Unfallabwicklung des Unfallversicherungsträgers stimuliert werden. Maßstab der wertenden Beurteilung ist vielmehr, dass nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand aus objektiver Sicht ein Zusammenhang herzustellen ist; allein die subjektive Sicht des Versicherten reicht nicht aus (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 27.08.2010 - L 8 U 1427/10 -, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Das Verhalten der Polizei und des Arbeitgebers einschließlich der Vorgesetzten und Kollegen ist als ursächliche Bedingung der später aufgetretenen psychischen Beeinträchtigung der Klägerin und deren Unterhaltung weder einer fehlerhaften Unfallabwicklung durch die Beklagte noch irgendwelchen Auswirkungen psychischer Unfallfolgen zuzurechnen. Die Klägerin hatte nach dem Vorfall ihre Tätigkeit am nächsten Tag fortgeführt, ärztliche oder psychotherapeutische Betreuung nicht in Anspruch genommen und der Beklagten den Vorfall nicht gemeldet. Für die Beklagte bestand daher kein Anlass präventive Maßnahme oder unterstützende Maßnahmen zur Verarbeitung einer etwaigen Traumatisierung zu ergreifen. Abgesehen davon, dass für den Senat nicht erkennbar ist, dass der Dienststelle der Klägerin insoweit überhaupt ein Versäumnis vorzuwerfen ist, hat der Unfallversicherungsträger grundsätzlich nicht für das dem Unfall nachgehende Verhalten des Arbeitgebers einzustehen, es sei denn es ist durch den Arbeitsunfall oder dessen Folgen veranlasst und hat zu wesentlichen Weiterungen der Unfallfolgen beigetragen (z.B. psychische Erkrankung wegen einer arbeitgeberseitigen Kündigung aufgrund unfallbedingter Leistungsbeeinträchtigung). Für den Senat ist auch nicht ersichtlich, dass die seelische Einwirkung durch den Vorfall einer Behandlung oder sonstigen Intervention bedürftig war, denn die Klägerin hatte im Rahmen der Selbsthilfe das Erlebnis verarbeitet, u.a. hatte sie einen Karatekurs belegt, wie Dr. C. und die Psychologin R.-R. ausführen, und hatte keine nach außen sichtbar werdenden funktionellen, körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen bis 2006. Zwar sind Gesundheitsstörungen, die sich wegen der unterbliebenen, notwendigen Behandlung einer unfallbedingten Schädigung entwickelt haben, wesentlich kausal auf den Unfall zurückzuführen. Nach den Darlegungen der Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. wäre bei der Klägerin eine präventive bzw. prophylaktische Intervention sinnvoll gewesen und nicht eine Behandlung akuter/latenter Krankheitserscheinungen. Doch war das Auftreten der Symptomatik 2006 nicht Folge der Fortwirkung einer unbehandelt gebliebenen seelischen Beeindruckung durch den eigentlichen Vorfall, sondern die hierfür ursächliche seelische Beeindruckung der Klägerin beruhte nach den Darlegungen der Sachverständigen gerade auf dem Umstand, dass die Krisenintervention des Arbeitgebers oder des Unfallversicherungsträgers unterblieben ist, bzw. auf einer vermeintlichen Bagatellisierung durch die Polizei, was aufgrund der dargelegten psychodynamischen Prozesse bei der Klägerin das nachvollziehbare, aber ungerechtfertigte Gefühl erweckt hatte, ein Unrecht seitens der Dienststelle, der Polizei und der Beklagten und eine Geringschätzung ihrer Person erfahren zu haben. Dies steht nicht im Zusammenhang mit dem angeschuldigten Unfallereignis und beruht letztlich allein auf der Zuschreibung der Klägerin. Nach den Darlegungen von Prof. Dr. T. und Dr. C. ist davon auszugehen, dass der Vorfall lediglich Anknüpfungspunkt für die bei der vorgegebenen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin ablaufenden Bewertungsprozesse ist, was aber deren rechtlich unzutreffende Bewertung einer wesentlichen Mitursache des Arbeitsunfalls nicht zu rechtfertigen vermag.
52 
Damit fehlt es an der haftungsbegründenden Kausalität mangels nachgewiesenen Gesundheitserstschadens, woran die Feststellung eines Arbeitsunfalls scheitert.
53 
Mangels Arbeitsunfall ist auch die begehrte Feststellung von Unfallfolgen nicht begründet. Weder eine posttraumatischen Belastungsstörung, selbst wenn sie aus medizinischer Sicht eine begründete Diagnose sein mag, die allein die naturwissenschaftlich-philosophische Kausalitätstheorie zur Grundlage haben kann, noch die von Dr. C. diagnostizierte dissoziative Störung, die der Sachverständiger auf die gleichen Wirkungszusammenhänge zurückführt, können rechtlich Folgen eines Arbeitsunfalls sein. Darüber hinaus wird die dissoziative Störung nach der von Dr. C. mitgeteilten Definition nach ICD-10 als ursächlich psychogen angesehen und verkörpert häufig das Konzept der betroffenen Person, wie sich eine körperliche Erkrankung manifestieren müsse, was ohne nähere Darlegung das auslösende Trauma eher als Gelegenheitsursache im Sinne einer nicht wesentlichen Bedingung nahelegt.
54 
Zu weiteren Ermittlungen hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, da die vorliegenden gutachterlichen Äußerungen den medizinischen Sachverhalt hinreichend aufgeklärt haben. Die hieran anknüpfenden rechtlichen Fragen, ob damit die im Vollbeweis oder nur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu belegenden Tatsachen einer Primärschädigung, eines wesentlichen unfallbedingten Zusammenhangs bzw. eines Zusammenhangs unfallfremder Konkurrenzursachen nachgewiesen sind, hat der Senat zu entscheiden. Der Anregung des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 28.02.2013, hierzu Dr. C. ergänzend zu hören, musste der Senat daher nicht nachkommen. Dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Beweisantrag der Klägerin, zum Beweis dafür, dass die bei ihr bis 2006 bestandene Beschwerdelatenz aufgrund aktueller wissenschaftlicher medizinischer Erkenntnisse auch in Deutschland keinen Anlass bietet, die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung infrage zu stellen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, hilfsweise Dr. C. hierzu zu hören, war nicht stattzugeben. Der Senat hatte die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung bei der Klägerin unterstellt. Dass in der medizinischen Wissenschaft die Kriterien einer verzögert auftretenden posttraumatischen Belastungsstörung bei Beschwerdelatenz möglicherweise unterschiedlich diskutiert werden, wie die insoweit – noch – voneinander abweichenden Diagnosemanuale ICD-10 und DSM-IV erkennen lassen, war für den Senat nicht entscheidungserheblich. Ebenso wenig bedurfte es der vom Klägerbevollmächtigten angeregten ergänzenden Anhörung des Sachverständigen zum Vorbringen, dass durch die Versorgung traumatisierter Soldaten in der Medizin seit langem bekannt sei, dass seelische Schädigungen oft erst Jahre nach dem traumatisierenden Erlebnis erkannt würden (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 05.03.2013). Der Sachverständige Dr. C. hat in seinem Gutachten den derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis unter Bezugnahme auf die genannten Veröffentlichungen (Seite 35 seines Gutachtens) und mit Hinweis auf die internationale Literatur mit Forschung zu der verzögerten posttraumatischen Belastungsstörung bei Kriegsveteranen (Seite 36 seines Gutachtens) bereits dargelegt. Nachdem in den richterlichen Hinweisen vom 12.03.2013 und 14.03.2013 diese Gesichtspunkte den Beteiligten erläutert worden sind, hat der Klägerbevollmächtigte zu den Aufklärungsverfügungen keine Einwendungen erhoben oder seine Anregung auf weitere Ermittlungen nicht weiter konkretisiert.
55 
Die Kostenentscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG. Die Kosten der Begutachtung durch Dr. C., über die der Senat als Gerichtskosten in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens auch im Urteil entscheiden kann (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.08.2006 - L 1 U 3854/06 KO-B, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de), werden auf die Staatskasse übernommen. Nach der Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung oder die Erledigung des Rechtsstreits (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 28.02.2013 - L 8 SB 727/13 B -, vom 19.10.2011 - L 8 SB 3043/11 B; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl., § 109 Rdnr. 16a) von wesentlicher Bedeutung war bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht, diese also objektiv gefördert hat. Dabei kann nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung gesehen werden. Es muss sich vielmehr, gemessen am klägerischen Prozessziel, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben. Dies bedeutet aber weder, dass nur Gutachten, welche ein für die Klägerseite günstiges Ergebnis haben, hierunter fallen können, noch, dass für das Klagebegehren günstige Gutachten stets von der Staatskasse zu bezahlen sind. Vorliegend sind die Ausführungen von Dr. C. zum aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand einer verzögerten posttraumatischen Belastungsstörung und deren Beurteilungskriterien in der Begutachtungspraxis für die Entscheidung des Senats förderlich gewesen und haben die Einholung eines Gutachtens von Amts wegen aufgrund ambulanter Untersuchung entbehrlich gemacht. Der Senat hat davon abgesehen, nur die voraussichtlichen Kosten eines Aktengutachtens für erstattungsfähig zu erklären, da neben der Vermittlung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes, die nur ein Gutachten nach Aktenlage erfordert hätte, auch die Anwendung der Bewertungskriterien auf die Klägerin zu klären war, was in der Regel die psychiatrische Exploration im Rahmen einer ambulanten Untersuchung voraussetzt. Dass sich der Senat den aus der Exploration folgenden Schlussfolgerungen des Sachverständigen nicht angeschlossen hat, ist für die Kostenentscheidung insoweit ohne Belang.
56 
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 17. Mai 2013 - L 8 U 2652/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 17. Mai 2013 - L 8 U 2652/12

Referenzen - Gesetze

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 17. Mai 2013 - L 8 U 2652/12 zitiert 13 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 2 Versicherung kraft Gesetzes


(1) Kraft Gesetzes sind versichert 1. Beschäftigte,2. Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,3. Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnliche

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 6 Freiwillige Versicherung


(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern 1. Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfisch

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 55


(1) Mit der Klage kann begehrt werden 1. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,2. die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,3. die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörun

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 3 Versicherung kraft Satzung


(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf1.Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,2.Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 7 Begriff


(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. (2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 11 Mittelbare Folgen eines Versicherungsfalls


(1) Folgen eines Versicherungsfalls sind auch Gesundheitsschäden oder der Tod von Versicherten infolge 1. der Durchführung einer Heilbehandlung, von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einer Maßnahme nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 17. Mai 2013 - L 8 U 2652/12 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 17. Mai 2013 - L 8 U 2652/12 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 15. Mai 2012 - B 2 U 16/11 R

bei uns veröffentlicht am 15.05.2012

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 22. Juni 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurü

Bundessozialgericht Urteil, 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R

bei uns veröffentlicht am 15.05.2012

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. September 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückve

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 27. Aug. 2010 - L 8 U 1427/10

bei uns veröffentlicht am 27.08.2010

Tenor Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09. Februar 2010 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten Tatbestand   1 Zwischen den Bet

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 16. Aug. 2006 - L 1 U 3854/06 KO-B

bei uns veröffentlicht am 16.08.2006

Tenor Die Beschwerde des Landes Baden-Württemberg gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 8. August 2005 wird verworfen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 17. Mai 2013 - L 8 U 2652/12.

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 29. Jan. 2016 - L 8 U 977/15

bei uns veröffentlicht am 29.01.2016

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 24.02.2015 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Tatbestand   1 Zwischen den Beteiligten i

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2015 - L 6 U 4127/12

bei uns veröffentlicht am 22.01.2015

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. September 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten. Tatbestand   1 Der Kläger begehr

Referenzen

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Mit der Klage kann begehrt werden

1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.

(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. September 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger unter Anerkennung einer "mittelgradigen depressiven Störung" als Unfallfolge ab 1.3.1998 Verletztenrente nach einer MdE um 30 vH zu zahlen ist.

2

Der Kläger war ab August 1995 als Gepäckabfertiger bei der damaligen Flughafen AG beschäftigt. Am 13.1.1997 wurde er bei der Ausübung der Beschäftigung zwischen einem Containertransporter sowie einem Gepäckcontainer-Anhänger eingeklemmt. Dadurch wurden sein dritter Finger links und sein Kniegelenk links gequetscht. Folgen dieser Verletzungen lagen über den 18.7.1997 hinaus nicht mehr vor.

3

Der Kläger wurde wegen des Unfalls zunächst ambulant, wegen anhaltender Beschwerden im linken Kniegelenk ab April 1997 in einer Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik stationär behandelt. Danach wurde eine Arbeitserprobung durchgeführt, die wegen gesundheitlicher Beschwerden abgebrochen wurde.

4

Anschließend fand eine Vielzahl von Behandlungen statt, die bis November 1999 überwiegend durch Durchgangsärzte erfolgten und im Auftrag und zulasten der Beklagten durchgeführt wurden. Diese Maßnahmen zur Diagnose und zur Heilbehandlung waren aber rückwirkend betrachtet nur zum Teil durch die Unfallfolgen bedingt. Zum anderen Teil beruhten sie auf unfallunabhängigen Vorschäden am linken Kniegelenk.

5

Der Kläger befand sich unter der Diagnose einer chronifizierten Depression ab März 1998 bei einer Diplom-Psychologin und ab April 1998 bei einem Psychiater in Behandlung. Vom 8.9. bis 3.10.1998 fand eine stationäre Behandlung in einer Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie statt, wo eine Angstneurose mit Panikattacken sowie eine Störung der Impulskontrolle diagnostiziert wurden.

6

Die Beklagte bewilligte dem Kläger einen ersten Vorschuss auf die voraussichtlich zu zahlende Verletztenrente (Vorschussbescheid vom 8.9.1998). Weitere Vorschusszahlungen folgten. Die Beklagte lehnte zunächst dennoch die "Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 18.7.1997 hinaus" ab (Bescheid vom 27.9.2002). Den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 11.3.2005 zurück. Später bewilligte und zahlte die Beklagte dem Kläger rückwirkend und durchgängig vom Unfalltag bis zum 30.9.2002 Verletztengeld.

7

Das SG Gießen hat die Beklagte durch Urteil vom 3.7.2008 verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung einer mittelgradigen depressiven Störung als Folge des Arbeitsunfalls ab 19.7.1997 Verletztenrente nach einer MdE um 30 vH zu zahlen.

8

Das Hessische LSG hat der Berufung der Beklagten insoweit stattgegeben, als die Verletztenrente erst am 1.3.1998 beginne, und sie im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 26.9.2011). Bei dem Kläger liege eine dauerhafte psychische Erkrankung im Sinne einer chronifizierten depressiven Episode vor. Diese sei in "rechtlich-wesentlichem Umfang" durch den Verlauf der Heilbehandlung der unmittelbaren körperlichen Verletzungen aufgrund des Arbeitsunfalls verursacht worden. Die Heilbehandlung sei zwar rückwirkend betrachtet durch erhebliche degenerative Vorschäden bedingt gewesen. Für die Zurechnung mittelbarer Unfallfolgen komme es aber nicht darauf an, dass die Maßnahmen der Heilbehandlung von der Beklagten angeordnet worden seien. Vielmehr reiche es für die Zurechnung im Rahmen des § 11 Abs 1 SGB VII aus, wenn der Unfallversicherungsträger oder der ihm rechtlich zuzuordnende Durchgangsarzt bei seinem Handeln den objektivierbaren Anschein oder den Rechtsschein gesetzt habe, dass die Behandlung oder Untersuchung zur berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder zur Untersuchung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnet werde und der Versicherte der Auffassung sein könne, dass die Heilbehandlung geeignet sei, die Unfallfolgen zu bessern oder zu beseitigen.

9

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügt die Verletzung der §§ 11 Abs 1, 56 Abs 1, 72 Abs 1 sowie 74 Abs 2 SGB VII. Das LSG habe durch seine Auslegung § 11 Abs 1 SGB VII verletzt, da als Ursache der Erkrankung letztlich nicht die Durchführung einer Heilbehandlung oder eine Untersuchung zur Klärung des Versicherungsfalls gesehen werde, sondern vielmehr die Art und Weise des Ablaufs der Heilbehandlung, die - jedenfalls aus Sicht des Klägers - zu Problemen geführt habe. Die Zurechnung zu den Unfallfolgen dürfe nicht aufgrund der subjektiven Einschätzung des Klägers erfolgen, weil dieser die Maßnahmen aus seiner Sicht für undurchschaubar halte und sich durch Zuständigkeitsfragen zwischen Ärzten oder Trägern belastet fühle. Unsicherheiten, die aus dem Wechsel der behandelnden Ärzte oder deren Diagnosestellung herrührten, seien aber durch § 11 SGB VII nicht geschützt. Das LSG habe auch weder festgestellt, dass die Maßnahmen zulasten des Unfallversicherungsträgers angeordnet worden seien, noch festgestellt, dass es sich um die Behandlung von Unfallfolgen gehandelt habe, noch dass diese durchgangsärztlich zu ihren Lasten angeordnet worden seien. Darüber hinaus verletze die Festlegung des Rentenbeginns durch das LSG §§ 72 Abs 1, 74 Abs 2 SGB VII, da dem Kläger rückwirkend bis einschließlich 30.9.2002 Verletztengeld gezahlt worden sei. Das Urteil beruhe zudem auf Verfahrensfehlern (Verletzung von §§ 62, 103 SGG).

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. September 2011 und des Sozialgerichts Gießen vom 3. Juli 2008 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

11

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

12

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Insbesondere handele es sich bei der diagnostizierten mittelgradigen Depression um eine mittelbare Unfallfolge iS des § 11 SGB VII.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung durch das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

14

In dem Rechtsstreit wegen Feststellung einer Unfallfolge und Zahlung einer Verletztenrente nach einer MdE um 30 vH (1.) kann der Senat auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob und ggf welche psychischen Gesundheitsstörungen gemäß § 8 Abs 1 SGB VII unmittelbar durch den Arbeitsunfall wesentlich verursacht worden sind (2. a>) oder ob und ggf welche psychischen Gesundheitsstörungen als mittelbare Unfallfolgen iSd § 11 Abs 1 SGB VII festzustellen sind (2. b>). Es kann auch nicht abschließend beurteilt werden, ob ein Anspruch auf Verletztenrente iSd § 56 Abs 1 SGB VII besteht (3. a>). Soweit das LSG erneut zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass ein Anspruch auf Verletztenrente gegeben ist, kann ein solcher gemäß § 72 Abs 1 SGB VII nicht für Zeiten vor dem 1.10.2002 bestehen (3. b>).

15

1. Die Beklagte wendet sich mit der Revision gegen das Urteil des LSG, mit dem dieses die Berufung gegen das den Anfechtungsklagen wegen der ablehnenden Verwaltungsakte in den Bescheiden der Beklagten (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG), den Klagen auf Feststellung einer chronifizierten depressiven Episode als Unfallfolge (§ 55 Abs 1 Nr 3 SGG) sowie auf Zahlung einer Verletztenrente (§ 54 Abs 4 SGG)nach einer MdE um 30 vH stattgebende Urteil des SG im Wesentlichen bestätigt hat. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das LSG Bundesrecht verletzt hat, da dessen tatsächliche Feststellungen keine abschließende Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche erlauben.

16

Die Beklagte hat (spätestens) in dem angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides festgestellt, dass der Kläger am 13.1.1997 einen Arbeitsunfall mit den Gesundheitserstschäden am dritten Finger links und am Kniegelenk links erlitten hat. Daher richten sich dessen Anfechtungsklagen gegen die Ablehnung eines Anspruchs auf Feststellung einer chronifizierten depressiven Episode als Unfallfolge und die Ablehnung eines Rechts auf Verletztenrente.

17

Mit der Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 3 SGG kann der Kläger den behaupteten materiellen Anspruch auf Feststellung der Unfallfolge durchsetzen, ohne dass er daran durch seine Befugnis zur Erhebung einer Verpflichtungsklage gehindert wäre. Denn er kann zwischen beiden Rechtsschutzformen wählen, weil sie, soweit um Ansprüche auf Feststellung von Unfallfolgen (oder Versicherungsfällen) gestritten wird, grundsätzlich gleich rechtsschutzintensiv sind (vgl BSG Urteil vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274, RdNr 12 f). Für das Begehren auf Verletztenrente hat er die Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG zulässig mit der unechten Leistungsklage auf Gewährung einer Verletztenrente kombiniert.

18

2. Nach § 102 SGB VII haben die Versicherten gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge (oder eines Versicherungsfalls), wenn ein Gesundheitsschaden durch den Gesundheitserstschaden eines Versicherungsfalls oder infolge der Erfüllung eines Tatbestandes des § 11 SGB VII rechtlich wesentlich verursacht wird. Der Gesundheitsschaden muss sicher feststehen (Vollbeweis) und durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (zB ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden.

19

a) Es steht schon nicht sicher fest, welche Gesundheitsstörung bei dem Kläger genau vorliegt.

20

Zwar steht aufgrund der Feststellungen des LSG fest, dass auf "orthopädisch/chirurgischem und neurologischem" Fachgebiet über den 18.7.1997 hinaus keine Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.1.1997 vorliegen. Das LSG hat aber nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit festgestellt, welche psychische Gesundheitsstörung beim Kläger vorliegt, denn die Bezeichnung der Erkran-kung im Tenor weicht von derjenigen in den Gründen ab. Nach den Gründen der Entscheidung liegt beim Kläger eine mittelgradige depressive Episode nach "F 33.1" des ICD-10 vor. Im Tenor hat das LSG dagegen als Unfallfolge eine "mittelgradige depressive Störung" festgestellt.

21

b) Der Senat kann auch nicht abschließend beurteilen, ob eine ggf vorliegende mittelgradige depressive Episode iSv F 33.1 ICD-10 "infolge" des Versicherungsfalls besteht.

22

Das LSG hat nicht geprüft, ob die psychische Gesundheitsstörung eine solche iSd § 8 Abs 1 SGB VII ist. Das wäre anzunehmen, wenn sie unmittelbar durch den beim Versicherungsfall ausgelösten Gesundheitserstschaden verursacht worden ist. Die genau zu bezeichnende Gesundheitsstörung ist also als Unfallfolge festzustellen, wenn im wieder eröffneten Berufungsverfahren festzustellen ist, dass zwischen dem beim Arbeitsunfall vom 13.1.1997 eingetretenen Erstschaden und der psychischen Gesundheitsstörung ein unmittelbarer und rechtlich wesentlicher Ursachenzusammenhang besteht (haftungsausfüllende Kausalität).

23

c) Der Senat kann schon mangels Klarheit über das Vorliegen einer unmittelbaren Unfallfolge auch nicht abschließend entscheiden, ob die psychische Störung dem Versicherungsfall vom 13.1.1997 nach § 11 SGB VII als mittelbare Unfallfolge zuzurechnen ist. Das wird das LSG bei Verneinung einer unmittelbaren Unfallfolge aber zu prüfen haben.

24

Nach § 11 Abs 1 Nr 1 und 3 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalls auch solche Gesundheitsschäden oder der Tod eines Versicherten, die durch die Durchführung einer Heilbehandlung nach dem SGB VII oder durch Maßnahmen wesentlich verursacht wurden, welche zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnet wurden. Diese Vorschrift regelt, dass auch solche Gesundheitsschäden, die durch die Erfüllung der in ihr umschriebenen Tatbestände wesentlich verursacht werden, dem Versicherungsfall rechtlich zugerechnet werden. Diese mittelbaren Folgen müssen - anders als nach § 8 Abs 1 SGB VII - nicht durch den Gesundheitserstschaden verursacht worden sein(vgl BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 mwN).

25

Mit dieser Entscheidung hat der Senat seine Rechtsprechung zum früheren Recht fortgeführt. Bereits für die Bejahung des nach § 555 Abs 1 RVO erforderlichen ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall und der Heilbehandlung genügte es, dass der Verletzte, der einen Arbeitsunfall erlitten hat, von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, dass die Heilbehandlung, zu deren Durchführung er sich begeben hat, geeignet ist, der Beseitigung oder Besserung der durch den Arbeitsunfall verursachten Gesundheitsstörungen zu dienen. Schon zu jener Vorschrift hat das BSG entschieden, dass es nicht erforderlich ist, dass die Heilbehandlung wegen Folgen des Arbeitsunfalls objektiv geboten war (BSG vom 24.6.1981 - 2 RU 87/80 - BSGE 52, 57, 58 = SozR 2200 § 555 Nr 5).

26

Hieran ist mit der Maßgabe festzuhalten, dass § 11 Abs 1 SGB VII nun darauf abstellt, dass die Mitwirkung an einer vom Träger angeordneten ärztlichen Maßnahme sich auch dann als versichert erweist, wenn sich später herausstellt, dass in Wirklichkeit kein Versicherungsfall vorlag. Allerdings setzt die Zurechnung eines Gesundheitsschadens, der rechtlich wesentlich durch eine iSv § 11 Abs 1 SGB VII vom Unfallversicherungsträger angeordnete Maßnahme verursacht wurde, die bisherige Rechtsprechung eingrenzend voraus, dass der Träger oder seine Leistungserbringer gegenüber dem durch die Verrichtung einer bestimmten versicherten Tätigkeit Versicherten durch (festgestellte) Handlungen den Anschein begründet haben, die Behandlungs- oder Untersuchungsmaßnahme erfolge zur Behandlung von Unfallfolgen (oder zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalles oder einer Unfallfolge). Hieran hält der Senat auch im Hinblick auf die an seiner Rechtsprechung geäußerte Kritik (vgl Gundolf Wagner in juris PraxisReport 9/12 Anm 2) fest (wie der Senat wohl auch Krasney, in Becker ua, Kommentar zum SGB VII, § 11 RdNr 15; aA auch Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 11 RdNr 3; G. Wagner in jurisPK-SGB VII, § 11 RdNr 15; Holtstraeter in K/S/W, Kommentar zum Sozialrecht, § 11 SGB VII RdNr 2; Rapp in LPK-SGB VII, § 11 RdNr 1; Schmitt, SGB VII, 4. Aufl 2009, § 11 RdNr 4; Schwerdtfeger in Lauterbach, UV-SGB VII, Stand April 2007, § 11 SGB VII RdNr 4).

27

Auch die Prüfung des Ursachenzusammenhangs zwischen einer Gesundheitsstörung und einer der nach § 11 Abs 1 SGB VII tatbestandlichen Maßnahmen erfolgt nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Dabei ist auf einer ersten Prüfungsstufe zu fragen, ob der Versicherungsfall eine naturwissenschaftlich-philosophische Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsstörung ist. Dabei ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nach den einschlägigen Erfahrungssätzen nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (aa). Wenn festzustellen ist, dass der Versicherungsfall eine (von möglicherweise vielen) Bedingungen für den Erfolg - hier die psychische Störung - ist, ist auf der ersten Prüfungsstufe weiter zu fragen, ob es für den Eintritt des Erfolgs noch andere Ursachen iS der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie gibt (bb); das können Bedingungen aus dem nicht versicherten Lebensbereich wie zB Vorerkrankungen, Anlagen, nicht versicherte Betätigungen oder Verhaltensweisen sein (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 15). Erst wenn sowohl der Versicherungsfall als auch andere Umstände als Ursachen des Gesundheitsschadens feststehen, ist auf einer zweiten Prüfungsstufe rechtlich wertend zu entscheiden, welche der positiv festzustellenden adäquaten Ursachen für die Gesundheitsstörung die rechtlich "Wesentliche" ist (cc). Dasselbe gilt für die Frage, ob eine MdE vorliegt und im Wesentlichen durch Unfallfolgen verursacht wurde.

28

aa) Der Senat kann nicht entscheiden, ob die Erkrankung des Klägers eine mittelbare Unfallfolge nach § 11 Abs 1 Nr 1 oder Nr 3 SGB VII ist oder keine Unfallfolge war.

29

Ob sich eine medizinische Maßnahme als Durchführung einer Heilbehandlung (§ 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII) oder als Maßnahme zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls (§ 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII)durch die Beklagte darstellt, beurteilt sich danach, wie der Versicherte ein der Beklagten zuzurechnendes Verhalten bei verständiger Würdigung der objektiven Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihrer Durchführung verstehen kann und darf (vgl BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274, RdNr 43).

30

Ob der Kläger zum Zeitpunkt der jeweiligen ärztlichen Behandlungen diese nach den objektiven Gegebenheiten als solche der Beklagten verstehen musste, steht nicht sicher fest. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs 1 SGB VII spricht zwar, dass die fraglichen Maßnahmen durch D-Ärzte und BG-Kliniken veranlasst wurden und die Beklagte deren Kosten trug. Das LSG hat aber nicht mit der gebotenen Deutlichkeit festgestellt, dass die verschiedenen von Ärzten veranlassten Maßnahmen sich nicht nur nach der subjektiven Wahrnehmung des Klägers zur Zeit ihrer Erbringung, sondern auch nach den objektiven Gegebenheiten für den Kläger als Heilbehandlung der Beklagten oder als deren Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls darstellten.

31

bb) Das LSG hat auch keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob und ggf welche anderen Ursachen als der Versicherungsfall das Vorliegen der psychischen Erkrankung naturwissenschaftlich-philosophisch verursacht haben.

32

Aus dem Fehlen solcher Feststellungen kann andererseits nicht gefolgert werden, dass die Verwirklichung eines Tatbestands nach § 11 Abs 1 Nr 1 und 3 SGB VII die einzige Ursache der bestehenden Gesundheitsstörung war. Denn das LSG hat bei der Abwägung der Beiträge, die verschiedene Ursachen für das Entstehen der MdE haben, also auf der (zweiten) Stufe zur Prüfung der "Wesentlichkeit" von (verschiedenen) Ursachen, Vorerkrankungen des Klägers auf psychischem Gebiet sowie das Bestehen weiterer, nicht mit dem Arbeitsunfall in Verbindung stehender Faktoren, zB familiäre Probleme, bejaht. Ohne (ausdrückliche) Feststellung dazu, ob und inwieweit diese nicht dem versicherten Risiko zuzurechnenden Ursachen naturwissenschaftlich-philosophisch wirksam geworden sind, ist das LSG sogleich in die rechtliche Wertung eingetreten und hat den Versicherungsfall als die wesentliche Ursache für das Bestehen der Erkrankung bezeichnet.

33

cc) Falls bei erneuter Prüfung des Klagebegehrens festgestellt werden sollte, dass für die Erkrankung sowohl der Versicherungsfall als auch andere Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne vorliegen, ist nach der Theorie der wesentlichen Bedingung (zweite Stufe) zu prüfen, ob der Versicherungsfall die psychische Störung "wesentlich" verursacht hat. Unter Berücksichtigung der verschiedenen nach Erfahrungssätzen notwendigen oder hinreichenden Ursachen ist abzuwägen, welche von ihnen die rechtlich Wesentliche ist.

34

Bei der Überzeugungsbildung des Tatsachengerichts genügt für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (stRspr BSG vom 2.2.1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38 S 105 f; BSG vom 30.4.1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1 S 3 f). Dieser ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht; allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 3).

35

3. a) Aus den gleichen Gründen kann der Senat nicht entscheiden, ob der Kläger einen Anspruch auf Verletztenrente hat.

36

Gemäß § 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier des anerkannten Arbeitsunfalls vom 13.1.1997 - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert (MdE) ist, Anspruch auf Rente. Die Höhe der Rente richtet sich ua nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII).

37

Auch insoweit wird das LSG zu prüfen haben, ob eine MdE "infolge" des Arbeitsunfalls besteht. Hierfür gelten die oben zu 2. dargelegten Grundsätze entsprechend.

38

b) Sollte das LSG in dem erneuten Berufungsverfahren einen Anspruch auf Verletztenrente nach § 56 Abs 1 SGB VII bejahen, wird zu beachten sein, dass dieser erst am Tag nach Erlöschen des dem Kläger bewilligten Rechts auf Verletztengeld beginnen kann.

39

Zwar kann der Anspruch auf Verletztenrente - anders als das LSG meint - grundsätzlich bereits am Tag nach dem Versicherungsfall beginnen, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt feststeht, dass eine MdE über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus vorliegen wird (zB bei Verlust eines Körperteils) und ein gesetzlich vorrangiger Anspruch nicht besteht.

40

Hier hat das LSG seine Entscheidung aber unter Verletzung von § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII getroffen. Nach dieser Vorschrift beginnt ein Rentenanspruch erst, nachdem der Anspruch auf Verletztengeld geendet hat. Renten werden danach an Versicherte erst von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld geendet hat. Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob Verletztengeld gezahlt worden ist, sondern darauf, ob ein Anspruch auf diese Leistung bestand. Die Regelung verfolgt den Zweck, Doppelleistungen aus dem System der GUV, insbesondere den zeitgleichen Bezug von Verletztengeld und Verletztenrente, zu vermeiden.

41

Für die vom Kläger geführte Anfechtungs- und Leistungsklage wegen Verletztenrente ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich. Zu diesem Zeitpunkt stand und steht zwischen den Beteiligten durch Verwaltungsakt bindend fest, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Verletztengeld vom Unfalltag durchgehend bis 30.9.2002 hat. Eine mögliche Verletztenrente (§ 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII) kann daher erst nach dem 30.9.2002, also nach dem Ende des Zeitraums beginnen, für den Verletztengeld zustand (§ 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII; § 74 Abs 2 SGB VII ist nicht anwendbar, da der Anspruch auf Verletztengeld nicht aufgrund einer erneuten Arbeitsunfähigkeit infolge Wiedererkrankung eingetreten ist; siehe dazu Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 74 RdNr 13).

42

4. Da das Urteil des LSG aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden ist, bedarf es keiner Entscheidung mehr über die Frage, ob die Beklagte zulässige und begründete Verfahrensrügen gegen das Urteil des LSG erhoben hat.

43

5. Das LSG hat mit der im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu treffenden Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden. Dabei wird ggf zu berücksichtigen sein, dass dem Kläger eine Verletztenrente nicht - wie begehrt - ab Juli 1997, sondern erst ab 1.10.2002 zusteht.

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

(1) Mit der Klage kann begehrt werden

1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.

(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 22. Juni 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Der Kläger ließ sich für seinen Bruder am 17.10.2002 operativ die linke Niere entnehmen. Während der Operation wurde zur Nierenentfernung ua ein Flankenschnitt gesetzt, der zu einer partiellen Bauchwandparese links führte. Im Übrigen zeigten sich die stationäre Behandlung vom 16. bis zum 29.10.2002, die primäre Wundheilung und der weitere postoperative Verlauf unauffällig.

3

Die Beklagte lehnte es ab, das "Ereignis vom 17.10.2002" als Arbeitsunfall anzuerkennen (Bescheid vom 21.1.2005; Widerspruchsbescheid vom 14.9.2005). Das SG Halle hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 9.11.2007). Das LSG Sachsen-Anhalt hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 22.6.2011). Der zu Organentnahme notwendige operative Eingriff erfülle schon den Versicherungstatbestand des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII und scheide damit als Unfallereignis iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII aus. Ein Arbeitsunfall komme nur bei einem weiteren von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis in Betracht. Eine über die versicherte Tätigkeit der Organspende hinausgehende äußere Ursache für die partielle Bauchwandparese links liege aber nicht vor. Zudem habe sich der Kläger dem Eingriff freiwillig unterzogen. Die Unfreiwilligkeit einer Einwirkung sei aber dem Unfallbegriff immanent.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII. Nach der Systematik des SGB VII stelle die Organspende als die den Versicherungsschutz begründende Tätigkeit zwar keinen Unfall dar. Damit wären aber zahlreiche mittel- und langfristig eintretenden Komplikationen nicht geschützt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei die gesetzliche Krankenversicherung allein für die Organentnahme an sich und die mit ihr zwangsläufig einhergehenden Folgen eintrittspflichtig. In allen anderen Fällen einer im Zusammenhang mit der Organspende stehenden Gesundheitsbeeinträchtigung greife hingegen die gesetzliche Unfallversicherung ein. Als Unfall sei jede Komplikation anzusehen, mit der sich - wie bei der partiellen Bauchwandparese links - nicht lediglich das durch die Organentnahme erhöhte allgemeine Krankheitsrisiko verwirkliche.

5

Der Kläger beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 22. Juni 2011 und des Sozialgerichts Halle vom 9. November 2007 abzuändern sowie die Ablehnung der Feststellung eines Versicherungsfalls im Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2005 aufzuheben und festzustellen, dass infolge der Organspende vom 17. Oktober 2002 am 27. Mai 2004 ein Arbeitsunfall eingetreten ist.

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Auf das Tatbestandsmerkmal "Unfall" könne ohne Gesetzesänderung nicht verzichtet werden.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus.

9

Die Ablehnung der Beklagten, einen Arbeitsunfall anzuerkennen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinem Anspruch auf Feststellung dieses Versicherungsfalls aus § 102 SGB VII iVm § 8 Abs 1 SGB VII. Er hat infolge der Organspende vom 17.10.2002 einen Arbeitsunfall erlitten. Allerdings lässt sich anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beurteilen, ob sich der Arbeitsunfall bereits vor dem 5.11.2009 ereignet hat.

10

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit, Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte zur Zeit des Unfalls (genauer: davor) durch eine Verrichtung den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt; nur dann ist er kraft Gesetzes Versicherter. Sodann muss diese Verrichtung ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dieses einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität im engeren Sinn; vgl BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 7/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 19 vorgesehen).

11

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger hat dadurch, dass er seinem Bruder eine Niere spendete, als (Lebend-)Organspender iS des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII eine versicherte Tätigkeit verrichtet(dazu 1.). Diese Verrichtung hat den zur Organentnahme durchgeführten Flankenschnitt als das Unfallereignis (dazu 2.) und dieses hat die partielle Bauchwandparese links als Gesundheitserstschaden (dazu 3.) rechtlich wesentlich verursacht (dazu 4.). Die Freiwilligkeit der Organspende und die Vorhersehbarkeit der mit der Operation notwendig verbundenen Körperschäden schließen den Arbeitsunfall nicht aus (dazu 5.). Anhand der bisherigen Tatsachenfeststellungen kann jedoch nicht entschieden werden, wann infolge der Organspende der Arbeitsunfall eingetreten ist (dazu 6.).

12

1. Nach § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII sind Personen versichert, die Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden. Der Tatbestand dieser versicherten Tätigkeit des "Spendens eines Organs" setzt folgende Verrichtungen voraus: Der Spender muss freiwillig und nach Maßgabe des Transplantationsgesetzes (TPG) in seiner jeweils gültigen Fassung in die Entnahme seines Organs durch ein anerkanntes Transplantationszentrum und in die Übertragung des Organs auf einen gesetzlich zugelassenen Empfänger eingewilligt, sich in ein Transplantationszentrum begeben und sich dort der Entnahmeoperation einschließlich der Vor- und Nachbehandlung unterworfen haben. Denn das Gesetz soll nur solchen Lebendorganspendern Unfallversicherungsschutz gewähren, die sich zu einer nach Maßgabe des Transplantationsgesetzes rechtmäßigen Organspende bereitfinden.

13

Der Kläger hat diesen Tatbestand erfüllt, die dafür notwendigen Handlungen vorgenommen. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (zumindest auch) auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet (sog objektivierte Handlungstendenz) ist (BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 7/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 19 vorgesehen). Der Kläger hat sich freiwillig der Operation unterzogen, um iS der §§ 8 bis 10 TPG (hier in der vor dem 1.8.2007 geltenden Fassung) für seinen Bruder, einen Verwandten zweiten Grades, die linke Niere, ein körpereigenes Organ, in einem dafür zugelassenen Transplantationszentrum entfernen zu lassen. Durch das Entgegennehmen der insoweit erforderlichen ärztlichen Behandlung war das Verhalten des Klägers darauf gerichtet, das Ziel der ärztlichen Maßnahme, die Übertragung seiner Niere auf seinen Bruder zu erreichen.

14

Entgegen dem LSG ist die Verrichtung einer Organspende nicht in der operativen Nierenentnahme durch Ärzte und andere Kräfte des Krankenhauses zu erblicken. Denn der Tatbestand einer versicherten Tätigkeit kann nur durch Verrichtungen/Handlungen des Verletzten selbst erfüllt werden. Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit ist eine höchstpersönliche Handlung. Eine Zurechnung des Handelns anderer Personen ist hierbei ausgeschlossen.

15

2. Infolge dieser Verrichtung einer Organspende ist es zu einem Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII und damit zu einem Arbeitsunfall gekommen. Nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Das im Wesentlichen durch das Handeln des Klägers verursachte (Unfall-)Ereignis bestand hinsichtlich des hier umstrittenen Gesundheitserstschadens der Bauchwandparese links entgegen dem LSG in dem zur operativen Nierenentnahme durchgeführten chirurgischen Flankenschnitt des Transplantationschirurgen. Er war ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper des Klägers einwirkendes Ereignis, das unmittelbar den physiologischen Zustand des Körpers verändert und die körperliche Integrität des Klägers verletzt hat. Auch dann, wenn die Einwirkung auf den Körper nicht nur zu einer Veränderung seines physiologischen Zustandes, sondern auch zu einer Verletzung der körperlichen (seelischen oder geistigen) Integrität führt, ist zwischen der Einwirkung auf den Körper als mögliche Ursache und dem Gesundheitserstschaden (oder dem Tod) als mögliche Wirkung der Einwirkung auf den Körper zu unterscheiden (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 8 Nr 42 vorgesehen).

16

Das einwirkende Ereignis erfasst (auch) Geschehnisse, die aufgrund der jeweiligen versicherten Tätigkeit "üblich" sind. Es bedarf keines außergewöhnlichen Vorgangs. Vielmehr genügt jedes Ereignis, bei dem ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt. Das Erfordernis der Einwirkung von außen dient der Abgrenzung von unfallbedingten Gesundheitsschäden zu Gesundheitsbeeinträchtigungen aus inneren Ursachen sowie zu absichtlichen Selbstschädigungen. Die Einwirkung des Transplantationschirurgen auf den Körper des rechtmäßigen Organspenders, die dessen Körper notwendig verletzt, ist nach dem Tatbestand der versicherten Tätigkeit des Spendens von Organen die Einwirkung, die rechtlich wesentlich Gesundheitserstschäden iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII verursachen kann, aber nicht muss(dazu 3.).

17

Keiner Darlegung bedarf, dass die unfallversicherte Verrichtung des Klägers den Flankenschnitt des Transplantationschirurgen rechtlich wesentlich verursacht hat.

18

3. Der Gesundheitserstschaden besteht in der Bauchwandparese links, die durch den Flankenschnitt (rechtlich wesentlich) verursacht wurde.

19

Gesundheitserstschaden iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Versicherungsfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolgen) oder der versicherten Tätigkeit aufgrund der Spezialvorschrift des § 11 SGB VII als Versicherungsfall zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher Art ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls (vgl hierzu BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - zur Veröffentlichung in BSGE 108, 274 und SozR 4-2700 § 11 Nr 1 vorgesehen).

20

Die Bauchwandparese des Klägers ist keine Unfallfolge, sondern der Gesundheitserstschaden. Zwar hat bereits der Flankenschnitt, also die Einwirkung auf den Körper, unmittelbar zu einer Verletzung des Körpers geführt. Schon durch ihn ist in die körperliche Integrität eingegriffen worden. Dies wird grundsätzlich rechtlich missbilligt. Nach dem sog natürlichen Schadensbegriff liegt daher ein Gesundheitsschaden vor. Es handelt sich aber nicht um einen Gesundheitsschaden iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Denn der natürliche Schadensbegriff bedarf hier einer wertenden Korrektur, die sich aus dem Zweck der den Versicherungsschutz begründenden Vorschrift ergibt (vgl stellv zu solchen Korrekturen BGH vom 8.4.2008 - VI ZR 49/07 - BGHZ 176, 109, 114).

21

Die Gesundheitsschäden, die beim Lebendorganspender durch eine rechtmäßige Transplantation (einschließlich Vor- und Nachbehandlung für die Durchführung der Organentnahme) notwendig verursacht werden, sind nach dem Schutzzweck des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII keine missbilligten Wirkungen des Eingriffs, sondern gehören notwendig zur Organspende, die durch den das Transplantationsgesetz ergänzenden Unfallversicherungsschutz gebilligt wird und gefördert werden soll. Deshalb setzt der Versicherungstatbestand des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII die Hinnahme der zur Organspende erforderlichen Körperverletzung voraus. Sieht aber schon der Tatbestand der versicherten Tätigkeit den operativen Eingriff zur Organentnahme vor, ist der Gesundheitserstschaden im Falle einer Organspende nach Maßgabe des Schutzzwecks dieser Vorschrift zu bestimmen.

22

Die Organtransplantation ist grundsätzlich Teil der dem Organempfänger von der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung zu gewährenden Krankenbehandlung; die ambulante und stationäre Behandlung des Organspenders stellen eine Nebenleistung zu der dem Organempfänger zu erbringenden Behandlungsmaßnahme dar (BSG vom 16.7.1996 - 1 RK 15/95 - BSGE 79, 53 = SozR 3-2500 § 27 Nr 7).

23

In Abgrenzung zur gesetzlichen Krankenversicherung greift die gesetzliche Unfallversicherung erst dann ein, wenn im Zusammenhang mit der Organentnahme beim Organspender gesundheitliche Schäden auftreten, die über die durch die Organentnahme notgedrungen entstehenden Beeinträchtigungen hinausgehen und in ursächlichem Zusammenhang mit der Organentnahme stehen, oder wenn der Organspender an der Organentnahme verstirbt (vgl BT-Drucks 15/5050 S 62 zu Abschn 7.2.2.1). § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII soll (freiwillige) Lebendorganspender gegen alle Gesundheitsbeeinträchtigungen einschließlich des Todes schützen, die durch die Organentnahme verursacht sind und nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft nicht zwingend mit dem operativen Eingriff und einer erforderlichen Vor- und Nachbehandlung einhergehen.

24

Versicherte Gesundheitserstschäden sind daher nur diejenigen Gesundheitsbeeinträchtigungen, die gerade nicht im Eingriff zu Organentnahme selbst bestehen, also Gesundheitsschäden, die durch die Organentnahme zusätzlich zu den mit ihr notgedrungen verbundenen Beeinträchtigungen wesentlich verursacht wurden. Das operative Geschehen nebst einer Vor- und Nachbehandlung ist hingegen, wie gesagt, das durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit wesentlich bedingte einwirkende Ereignis iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Eine damit zwingend verbundene Integritätseinbuße (hier der Flankenschnitt) scheidet demnach als Gesundheitserstschaden aus.

25

Als ein durch die Organentnahme hervorgerufener Gesundheitserstschaden kommt vielmehr nur eine Gesundheitsbeeinträchtigung in Betracht, die nach den derzeit anerkannten medizinischen Erfahrungssätzen nicht notwendig allein schon durch die operative Organentnahme verursacht wird. Dass eine Bauchwandparese zwingend mit einer Nierenentfernung verbunden ist, hat das LSG nicht festgestellt und ist auch nicht ersichtlich. Es hat jedoch für das BSG bindend festgestellt, dass beim Kläger infolge des Flankenschnitts eine Bauchwandparese links aufgetreten ist.

26

4. Nach dem genannten Schutzzweck des in § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b Alt 2 SGB VII geregelten Versicherungstatbestandes war der Flankenschnitt auch die rechtlich wesentliche Ursache für die Bauchwandparese. Denn der Unfallversicherungsschutz soll gerade eingreifen, wenn eine rechtmäßige Organspende zu weiteren (üblichen oder unüblichen) Gesundheitsschäden führt, die über die mit der Organentnahme (einschließlich Vor- und Nachbehandlung) notwendig verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen hinausgehen. Anhaltspunkte dafür, dass das Unfallereignis oder der Gesundheitserstschaden durch andere Umstände allein rechtlich wesentlich verursacht worden sein könnte, sind nach den Feststellungen des LSG und dem Vortrag der Beteiligten offenkundig nicht gegeben.

27

5. Dem Anspruch auf Feststellung des Arbeitsunfalls steht auch nicht entgegen, dass der Kläger "freiwillig" in die Entnahme seiner Niere eingewilligt hat (§ 8 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b TPG), er sich damit freiwillig dem operativen Eingriff unterzogen und die Beeinträchtigung seiner körperlichen Integrität durch die Transplantation vorhergesehen hat.

28

Die Freiwilligkeit der rechtmäßigen (Lebend-)Organspende und die Vorhersehbarkeit der damit notwendig verbundenen Körperverletzungen sind schon Tatbestandsvoraussetzungen der versicherten Tätigkeit ("Organe…spenden") und können schon deshalb den Eintritt eines Versicherungsfalles nicht ausschließen. Zudem sind die wie auch immer zu verstehende "Freiwilligkeit" der das einwirkende Ereignis verursachenden Verrichtung oder die "Unvorhersehbarkeit" des Gesundheitsschadens keine Tatbestandsvoraussetzungen des gesetzlichen Unfallbegriffs des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Maßgeblich für die Erheblichkeit oder Unbeachtlichkeit dieser Aspekte ist grundsätzlich der Schutzzweck des jeweiligen Versicherungstatbestandes.

29

Das BSG hat unter Hinweis auf eine Entscheidung zu § 1252 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) über die vorzeitige Erfüllung der Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung gesagt, dass die Unfreiwilligkeit einer Einwirkung dem Unfallbegriff immanent sei, weil ihm ein geplantes, willentliches Herbeiführen der Einwirkung widerspreche(vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R - Juris RdNr 17 mwN). Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Ausführungen zum Unfallbegriff tragend für die damalige Entscheidung waren. Jedenfalls hat es ausdrücklich nur ein "geplantes, willentliches Herbeiführen der Einwirkung" als mit dem Arbeitsunfall unvereinbar bezeichnet. Dem ist mit der Klarstellung beizupflichten, dass ein Versicherungsfall "wegen Freiwilligkeit oder Vorhersehbarkeit" nur dann nicht vorliegen kann, wenn es dem Verletzten gerade darauf ankam (Absicht als dolus directus ersten Grades), durch sein Handeln eine Einwirkung auf seinen Körper und dadurch seinen eigenen Gesundheitsschaden zu verursachen. Dabei kann offen bleiben, ob je nach Versicherungstatbestand schon eine "Verrichtung" der versicherten Tätigkeit mangels einer (auch) auf die Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes einer versicherten Tätigkeit gerichteten objektivierten Handlungstendenz abzulehnen ist oder die rechtliche Wesentlichkeit der Verrichtung für die Verursachung des Schadens fehlt.

30

Das Erfordernis der Einwirkung von außen dient der Abgrenzung von unfallbedingten Gesundheitsschäden zu Gesundheitsbeeinträchtigungen aus inneren Ursachen sowie zu geplanten willentlichen, also absichtlichen, Selbstschädigungen (vgl BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 7). Auch bei der Entscheidung zu § 1252 Abs 2 RVO war ein Fall der versuchten Selbsttötung zu beurteilen und darüber zu entscheiden, ob die Erkrankung "infolge" eines Unfalls eingetreten war. Die früheren Ausführungen zum Unfallbegriff stehen daher im Zusammenhang mit der Frage, ob die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit, die absichtlich ausgeübt wird, um ein Unfallereignis herbeizuführen, gerade in rechtlicher Wertung wesentliche Ursache iS der Theorie der wesentlichen Bedingung für den dadurch verursachten Gesundheitserstschaden oder Tod sein kann.

31

Unabhängig davon sind, wie gesagt, die Unfreiwilligkeit und Unvorhersehbarkeit keine ausdrücklich genannten oder ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale des gesetzlich definierten Unfallbegriffs. § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII beschreibt den Unfall nicht als "unfreiwilliges", "unvorhergesehenes" oder "unvorhersehbares", sondern nur als ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Für eine Einengung des Anwendungsbereichs dieser für Unfälle infolge sämtlicher versicherten Tätigkeiten geltenden Vorschrift fehlt es an einem dies rechtfertigenden Zweck. Verschiedene in § 2 SGB VII aufgeführte Tatbestände einer versicherten Tätigkeit gehen gerade mit der freiwilligen Inkaufnahme eines vorhersehbaren und vorhergesehenen Gesundheitsschadens oder sogar des Todes einher. Nicht nur Helfer bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not oder Retter aus einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für die Gesundheit anderer (§ 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB VII; vgl zum Unglückshelfer BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 7/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 19 vorgesehen), auch Beschäftigte, die sich zur Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis gefährlichen Einwirkungen aussetzen, handeln freiwillig und im Bewusstsein einer vorhersehbaren und ggf vorhergesehenen Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität.

32

Gerade auch bei der Organspende iS des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b Alt 2 SGB VII würde durch eine Beschränkung des Unfallbegriffs auf lediglich unfreiwillig erlittene Einwirkungen der Regelungszweck dieses Versicherungstatbestandes vereitelt. Diese Vorschrift schützt gerade diejenigen Personen, die sich freiwillig einer operativen Organentnahme unterziehen. Ihr Schutzzweck, das von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht abgedeckte gesundheitliche Risiko des Organspenders im Zusammenhang mit der Organspende abzusichern (hierzu unter 3.), bliebe weitgehend unerfüllt, wenn lediglich eine zusätzlich zum operativen Eingriff zur Organentnahme (mit Vor- und nachfolgender Heilbehandlung) hinzutretende weitere Einwirkung geeignet wäre, ein Unfallereignis zu begründen. Anhaltspunkte für eine andere Intention des Gesetzes ergeben sich weder aus dem Wortlaut des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII noch aus den Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung und ihrer Vorläuferregelung des § 539 Abs 1 Nr 10 RVO. Die Freiwilligkeit der Organspende und des insoweit notwendigen operativen Eingriffs ist bereits Bestandteil dieser versicherten Tätigkeit und kann schon deshalb nicht den Versicherungsfall ausschließen.

33

Da der Kläger nach den Feststellungen des LSG seine partielle Bauchwandparese nicht absichtlich herbeiführen wollte, liegt ein Arbeitsunfall vor.

34

6. Zu welchem Zeitpunkt infolge der Organspende der Arbeitsunfall eingetreten ist, lässt sich anhand der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen. Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der von Dr. J am 5.11.2009 durchgeführten ambulanten Untersuchung davon ausgegangen, dass der Flankenschnitt zu einer Vorwölbung der Bauchwand im kranialen Bereich iS einer partiellen Parese geführt hat. Damit ist lediglich festgestellt, dass jedenfalls am 5.11.2009 der Gesundheitserstschaden entstanden war. Ein davor liegender Zeitpunkt der Entstehung der Bauchwandparese wird dadurch aber nicht ausgeschlossen. Diesen wird das LSG daher noch zu klären haben.

35

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Folgen eines Versicherungsfalls sind auch Gesundheitsschäden oder der Tod von Versicherten infolge

1.
der Durchführung einer Heilbehandlung, von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einer Maßnahme nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung,
2.
der Wiederherstellung oder Erneuerung eines Hilfsmittels,
3.
der zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung
einschließlich der dazu notwendigen Wege.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn die Versicherten auf Aufforderung des Unfallversicherungsträgers diesen oder eine von ihm bezeichnete Stelle zur Vorbereitung von Maßnahmen der Heilbehandlung, der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder von Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung aufsuchen. Der Aufforderung durch den Unfallversicherungsträger nach Satz 1 steht eine Aufforderung durch eine mit der Durchführung der genannten Maßnahmen beauftragte Stelle gleich.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09. Februar 2010 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Arbeitsunfall des Klägers vom 17.04.2002 und als Unfallfolgen ein Teilabriss der Bizepssehne rechts und eine Anpassungsstörung festzustellen sind.
Mit Durchgangsarztbericht von Dr. B. vom 16.05.2002 wurde der Beklagten eine Teilruptur der distalen Bizepssehne rechts als Arbeitsunfall des Klägers angezeigt. Danach habe sich der Kläger am 17.04.2002 während seiner Tätigkeit als Lagerarbeiter den Arm verletzt, als er ruckartig einen schweren Gegenstand habe anheben wollen. Im Unfallfragebogen gab der Kläger unter dem 06.06.2002 an, der Unfall habe sich am 13.03.2002 ereignet beim Versuch, schwere Blechteile, die sich in der Palette verkeilt hätten, herauszuheben. In der Unfallmeldung des Arbeitgebers vom 02.07.2002 ist als Unfallzeitpunkt der 17.04.2002 genannt und wurden Ausfallzeiten verneint. Die Beklagte gewährte zunächst Heilbehandlung. Wegen persistierender Beschwerden wurde der Klägers konservativ behandelt. Bei der Vorstellung am 18.11.2002 im Katharinenhospital wurde ein Bizepssehnenriss rechts mit geringer funktioneller Einschränkung diagnostiziert. Eine Delle im Bereich des distalen Bizeps bei der Ellenbogenbeuge sei noch sichtbar. In Anbetracht der guten Funktion und der nur geringen Kraftminderung sei dem Kläger weiterhin ein konservatives Kräftigungstraining angeraten worden, der Kläger habe jedoch auf eine Operation gedrängt. Im Übrigen sei nicht von einem Arbeitsunfall auszugehen (Nachschaubericht von Prof. Dr. H. vom 19.12.2002). Im Nachschaubericht von Dr. P. vom 26.11.2002 wurde bei der Untersuchung am 26.11.2002 eine gute Funktion des rechten Arms mit noch belastungsabhängigen Beschwerden beschrieben. Der Kläger habe eine nochmalige eingehende Beratung gewünscht, ob nicht doch eine Operation eine funktionelle und kosmetische Befundverbesserung erwarten lasse. Nach mehrfacher Erinnerung durch die Beklagte teilte das Katharinenhospital zunächst telefonisch am 27.01.2003 (Anruf Dr. Sch.) und sodann mit Zwischenbericht vom 29.01.2003 mit, da der Unfallmechanismus kein Unfall im Sinne des Gesetzes gewesen sei, hätte eine kassenärztliche Behandlung ab 15.08.2002 durchgeführt werden müssen, die Weiterbehandlung erfolge entsprechend. Dem Kläger sei erneut von einer Operation abgeraten worden. Im Januar 2003 forderte die Beklagte die behandelnden Ärzte auf, keine weiteren Leistungen zu ihren Lasten zu erbringen.
Am 10.05.2005 stellte sich der Kläger wegen Schmerzen bei Kraftaufwand im rechten Arm in der Orthopädischen Klinik M. vor. Bei der Untersuchung sei die Kraft für Beugung und Supination im Ellbogengelenk voll entwickelt und im Seitenvergleich kaum eingeschränkt gewesen. Aufgrund des Zeitablaufs sei keine Möglichkeit einer operativen Anheftung des proximierten Muskelbauchanteiles gegeben (H-Arzt-Zwischenbericht von PD Dr. P. vom 18.05.2005). Mit Zwischenbericht vom 22.09.2005 teilte die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. (BG-Klinik) mit, nach Vorstellung des Klägers am 20.09.2005 in der Ambulanz wegen Restbeschwerden nach älterer Partialruptur der Bizepssehne rechts bei klinisch unauffälligem Befund werde keine operative Verbesserungsmöglichkeit gesehen. Die Behandlung sei konservativ symptomatisch vorzunehmen. Der Kläger wünsche eine innerbetriebliche Umsetzung an einen leichteren Arbeitsplatz, was zu klären wäre.
Die Beklagte bat die BG-Klinik mit Schreiben vom 13.10.2005, keine Behandlung mehr zu ihren Lasten durchzuführen, weil die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nicht erfüllt seien. Gegen dieses dem Kläger zur Kenntnis übersandte Schreiben legte er am 28.10.2005 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2006 als unbegründet zurückwies. Das alleinige Anheben von Gewichten ohne zusätzliche Einwirkungen oder die willentliche (gewollte) Armbelastung seien keine unfallbedingten Abläufe.
Am 04.01.2007 wurde in der Sportklinik in St. operativ die Revision der Bizepssehnenruptur rechts vorgenommen (Operationsbericht vom 04.01.2007 des Operateurs Oberarzt Dr. B.).
Der Kläger erhob am 20.02.2006 beim Sozialgericht Stuttgart Klage. Das Sozialgericht hörte Arbeitskollegen des Klägers schriftlich als Zeugen (schriftliche Aussage des Zeugen Y. vom 19.09.2006 und des Zeugen Sch. vom 13.10.2006) und holte von Amts wegen das orthopädische Gutachten von Dr. H. vom 01.03.2007 mit Ergänzungen vom 06.09.2007 ein. Der Sachverständige ging davon aus, dass der vom Kläger geschilderte Ablauf, er habe das in einem Metallkäfig verhakte, etwa 16 kg schwere Metallteil mit einem Ruck herausgehoben, ein geeignetes schädigendes Ereignis gewesen sei. Als Unfallfolgen bestünden noch wechselnd ausgeprägte belastungsabhängige Schmerzen nach offensichtlich wenig erfolgreicher Refixierung der Sehne. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 10 v.H. ab 17.04.2002. Der objektive Funktionsverlust sei relativ gering. Im Zusammenspiel mit offenkundigen seelischen Auffälligkeiten seien die erlebten Unfallschäden viel gravierender als die objektiven.
Außerdem holte das Sozialgericht auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das orthopädische Gutachten vom 15.04.2008 ein. Darin kam Prof. Dr. W. ebenfalls der zu Beurteilung, dass die vom Kläger bei der Untersuchung angegebene unkontrollierte Schleuderbewegungen beim Herausheben des Metallteils ein geeignetes Unfallereignis sei. Unfallbedingt könne der Kläger körperliche Arbeiten wie Heben schwerer Lasten, Umwendbewegungen wie Schrauben oder Überkopfarbeiten nicht mehr verrichten. Die körperliche Belastung habe beim Kläger zu Depressionen, Angst und Aggression geführt. Eine komplette Lähmung des nervus musculo-cutaneus rechtfertige eine MdE von 25 v.H., was beim Kläger sicherlich nicht vorliege, aber funktionell seien die genannten Muskeln in ihrem Kraftanteil etwa zur Hälfte gemindert. Zusammen mit der depressiven Persönlichkeitsstörung betrage die unfallbedingte MdE 20 v.H., zumindest ab 03.01.2007.
Die Beklagte ist dem Beweisergebnis mit der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 09.06.2008 entgegengetreten. Dr. K. teilte die Auffassung von Dr. H., dass das ruckartige Herausreißen ein geeignetes äußeres Ereignis sein könne, um die distale Bizepssehnenteilruptur herbeizuführen. Die MdE mit 10 v.H. sei nachvollziehbar. Prof. Dr. W. gehe von einer geschätzten Kraftminderung auf drei Fünftel aus, wobei im Gutachten keine Messungen dokumentiert seien. Objektive Hinweise hierfür fänden sich im Gutachten nicht, da auch bei Prof. Dr. W. wie bei Dr. H. keine Umfangsdifferenzen der Oberarmmuskulatur im Seitenvergleich erhoben werden konnten, im Unterarmbereich sei sogar eine Umfangsvermehrung zu Gunsten der rechten Seite dokumentiert. Objektiv liege ein Normalbefund für einen Rechtshänder vor. Die von Prof. Dr. W. angenommene unfallbedingte Persönlichkeitsstörung sei rein spekulativ.
Auf Antrag nach § 109 SGG holte das Sozialgericht außerdem das nervenärztliche Gutachten vom 26.08.2009 ein. Der Sachverständige Prof. Dr. T. ging in der Gesamtschau von einer Persönlichkeitsstörung vom dissozialen Typ aus, auf deren Boden sich aufgrund des Arbeitsunfalls mit seinen negativen Folgen eine unfallbedingte Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion gebildet habe. Im Mittelpunkt der depressiven Symptomatik stehe das somatische Syndrom mit Fixierung auf die Beschwerden am verletzten Arm. Die MdE betrage höchstens 20 v.H.
10 
Mit Urteil vom 09.02.2010 hob das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid vom 13.10.2005 (Widerspruchsbescheid 01.02.2006) auf und stellte das Ereignis vom 17.04.2002 als Arbeitsunfall und wechselnd ausgeprägte belastungsabhängige Schmerzen im rechten Oberarm beugeseitig nach Teilabriss der körperfernen Bizepssehne als Unfallfolgen fest. Im übrigen wies es die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich für die Feststellung des Arbeitsunfalls und der Unfallfolgen auf die Gutachten von Dr. H. und Prof. Dr. W.. Die Bewertung des Zusammenhangs zwischen Persönlichkeitsstörung sowie dem somatischen Syndrom und dem Unfallereignis sei dagegen nicht nachvollziehbar. Aus dem Gutachten von Prof. Dr. T. gehe eine unmittelbare Verknüpfung der psychiatrischen Probleme des Klägers mit dem Unfallereignis nicht hervor, sie seien vor allem wegen des Jobverlustes sowie des sozialen Abstieges entstanden. Das Unfallereignis sei vom Schweregrad auch nicht geeignet, eine Traumatisierung hervorzurufen.
11 
Das Urteil ist mit Empfangsbekenntnis dem früheren Klägerbevollmächtigten am 11.03.2010 und der Beklagten am 09.03.2010 zugestellt worden.
12 
Der Kläger hat am 24.03.2010 Berufung und die Beklagte am 20.04.2010 Anschlussberufung eingelegt.
13 
Der Kläger führt zur Begründung aus, im Parallelverfahren des Rechtsstreits um Gewährung einer Erwerbsminderungsrente vor dem Sozialgericht (S 19 R 2479/09) ergebe sich aus dem eingeholten nervenärztlichen Gutachten von Dr. P. vom 22.02.2010, dass eine schwere Anpassungsstörung mit dissozialen Zügen nach Trauma - damit sei der streitgegenständliche Arbeitsunfall gemeint - vorliege. Nach Dr. P. sei ein Gutteil der Hilflosigkeit und Wehrlosigkeit und der daraus resultierenden dissozialen Verhaltensauffälligkeiten auf die auf dem Verhalten der Beklagten beruhende Konfliktsituation zurückzuführen. Die Anschlussberufung der Beklagten sei unbegründet, denn der Vortrag zum Unfallhergang sei entgegen dem Einwand der Beklagten nicht angepasst. Diesbezüglich werde auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09. Februar 2010 abzuändern und festzustellen, dass auch eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion Folge des Arbeitsunfalls vom 17. April 2002 ist,
16 
sowie die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.
17 
Die Beklagte beantragt,
18 
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09. Februar 2010 insoweit aufzuheben als festgestellt wird, dass das Ereignis vom 17. April 2002 ein Arbeitsunfall gemäß § 8 SGB VII ist und wechselnd ausgeprägte belastungsabhängige Schmerzen im rechten Oberarm beugeseitig nach Teilabriss der körperfernen Bizepssehne Unfallfolgen sind, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen,
19 
sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
20 
Die Beklagte trägt vor, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liege nach den Erstangaben des Klägers, denen eine höherer Beweiswert zukomme, kein geeigneter Unfallhergang vor. Danach habe er Blechteile, die sich verkeilt gehabt hätten, aus einer Palette herausgehoben und dabei plötzlich einen starken Schmerz im rechten Arm verspürt. Erstmals mit der Klageschrift habe er einen komplett anderen Unfallhergang verfahrensangepasst vorgetragen. Die Ausführungen des Gutachters Dr. H., im Vergleich zu den häufigeren Rissen der langen Bizepssehne seien Risse der distalen Bizepssehne fast ausschließlich im Zusammenhang mit Unfällen und Verletzungen zu sehen, seien mit den in der unfallmedizinischen Literatur beschriebenen medizinischen Erkenntnissen nicht zu vereinbaren, wonach eine willentliche Kraftanstrengung ohne zusätzliche Einwirkung ungeeignet sei, eine körperferne Bizepssehnenruptur rechtlich wesentlich zu verursachen.
21 
Am 05.07.2010 hat ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage stattgefunden. Auf die Niederschrift vom 05.07.2010 wird verwiesen.
22 
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 19.07.2010, Schriftsatz der Beklagten vom 05.08.2010).
23 
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts einschließlich die des Klageverfahrens im Rentenrechtsstreit S 19 R 2479/09 beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, sind statthaft. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
25 
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist auch im übrigen zulässig.
26 
Die am 20.04.2010 eingelegte und daher nach dem 09.04.2010, dem Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist, eingegangene, nicht fristgerechte Berufung der Beklagten ist als unselbstständige Anschlussberufung zulässig (§ 202 SGG i. V. m. § 524 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung), wobei die an die Berufungserwiderungsfrist geknüpfte Anschlussberufungsfrist (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO) nicht gilt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 143 Rdnr. 5), denn eine vergleichbare Regelung zur Berufungserwiderung gemäß § 521 Abs. 2 i.V.m. §§ 277, 296 ZPO fehlt im sozialgerichtlichen Verfahren.
27 
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden, weshalb die Berufungen zurückzuweisen waren.
28 
Der mit der Berufung des Klägers geltend gemachte Anspruch auf Feststellung psychischer Unfallfolgen ist nicht gegeben. Ebenso wie das Sozialgericht geht der Senat davon aus, dass die übereinstimmend von den Ärzten beim Kläger diagnostizierte Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion nicht wesentlich auf das geltend gemachte Ereignis vom 17.04.2002 zurückzuführen ist.
29 
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. stellvertretend BSG Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
30 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adä-quanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Aus-gangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (Vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
31 
Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung ist auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abzustellen, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte ist so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen: Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und psychischen Gesundheitsstörungen (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O.).
32 
Eine wissenschaftlich begründete Ursachenbeurteilung sowohl nach der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als auch nach der Theorie der wesentlichen Bedingung erfordert, dass neben der Feststellung der vorliegenden Gesundheitsstörungen klar festgestellt wird, worin das oder die schädigenden Ereignisse lagen: In dem Unfallereignis selbst - vorliegend das Anheben der Metallteile -, dem Gesundheitserstschaden - vorliegend die Teilruptur der Bizepssehne mit zunächst geringen Schmerzen - oder der nachfolgenden Behandlung oder in dem Fortbestehen physischer Einschränkungen, die durch das Unfallereignis verursacht wurden (vgl. insoweit BSG a.a.O.).
33 
Nach diesen Maßstäben sind weder das Unfallereignis noch seine im oben beschriebenen Sinne unmittelbaren Auswirkungen wesentlich ursächlich für die Anpassungsstörung des Klägers, was das Sozialgericht zutreffend begründet hat.
34 
Nach dem Gutachten von Prof. Dr. T. geht die von ihm diagnostizierte Persönlichkeitsstörung mit einer niedrigen Frustrationstoleranz, forderndem Auftreten und Rachegedanken einher. Eine Aggressivität und Aggravationsneigung sowie ein intellektuelles Unvermögen, die Zusammenhänge des Arbeitsunfalls mit entsprechenden Rentenansprüchen und den gesamten sozialen Folgen zu erfassen, werden im Gutachten dargelegt. Dies stimmt mit dem von Dr. P. erhobenen psychischen Befund überein, wonach der Kläger eine aggressive dysphorische Stimmungslage und emotional instabile Persönlichkeitsanteile mit querulatorischer Entwicklung aufweist. Sowohl bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. als auch bei Dr. P. war die aggressive Haltung des Klägers deutlich geworden; bei Prof. Dr. T. drohte der Abbruch der Untersuchung aus Sicherheitsgründen, bei Dr. P. verließ der Kläger die Praxis, nachdem er das Personal angeschrien und sich aggressiv gezeigt hatte. Die mangelnde Anpassungsfähigkeit mit aggressivem, forderndem Verhalten ist auch von anderen Ärzten dokumentiert (telefonischer Bericht von Dr. Sch. vom 27.01.2003: der Kläger sei während der Behandlung "wieder" handgreiflich geworden; Entlassungsbericht des Zentrums für ambulante Rehabilitation, Stuttgart, vom 03.08.2007: Abbruch der Behandlung nach 3 Tagen wegen verbaler Entgleisungen und Angriffen auf Mitpatienten und Therapeuten). Nach Prof. Dr. T. ist die Impulskontrollstörung mit Sicherheit in abgeschwächter Form bereits vor dem Unfall vorhanden gewesen. Nach dem Unfall ist es nach psychiatrischer Beurteilung von Prof. Dr. T. und im Ergebnis auch nach Dr. P. zu einer Überlagerung durch das depressive und somatoforme Bild und zu einer Verstärkung der Symptome der dissozialen Persönlichkeitsstörung gekommen. Beide Ärzte machen hierfür nicht das Unfallereignis oder die aus orthopädischer Sicht nur geringfügige funktionelle Beeinträchtigung der Sehnenruptur verantwortlich, sondern die fortgesetzte Frustration des Klägers darüber, seine gut bezahlte Arbeit und seine Eigentumswohnung verloren zu haben, den aus seiner Sicht steten Kampf mit Behörden und Gutachtern und die als Verstümmelung verstandene körperliche Einschränkung am Oberarm.
35 
Damit ist entgegen der Auffassung von Prof. Dr. T. und Dr. P. ein wesentlicher Zusammenhang mit dem Unfall und seinen Folgen jedoch nicht zu begründen. Der Kläger behielt nach dem Unfall auch noch für eine geraume Zeit seinen Arbeitsplatz. Erst im Jahre 2007 wurde er fristlos gekündigt, weil er bei einem Personalgespräch mit der Zündung einer Bombe gedroht hatte, was Dr. P. in seinem Gutachten anamnestisch wiedergibt. Erst danach hat mit dem Verlust der Eigentumswohnung der soziale Abstieg des Klägers eingesetzt. Unfallbedingte Ursachen für den Arbeitsplatzverlust sind nicht zu erkennen. Etwaige in der Persönlichkeitsstruktur des Klägers angelegte Eigenschaften, die möglicherweise auch anteilig Anlass für die verhaltensbedingte Kündigung gegeben haben, begründen deshalb noch nicht eine wesentliche Ursache, weil sie eventuell durch den Unfall und seine Abwicklung durch die Beklagte im gutachtlichen Verständnis von Prof. Dr. T. stimuliert worden sein könnten. Aus objektiver Sicht hatte die Beklagte bei der Unfallabwicklung keine Versäumnisse zu vertreten, die für besondere Frustration und Aggression verantwortlich gemacht werden könnten. Dem Kläger wurde zunächst Heilbehandlung gewährt, nach ärztlicher Mitteilung, dass nicht von einem Arbeitsunfall auszugehen sei, war die Behandlung zwar nicht mehr zulasten der Beklagten aber in angemessener Form durch die Krankenkasse fortgeführt worden. Dass der Kläger mehrfach eine operative Therapie forderte, die ihm die im Auftrag der Beklagten tätig gewordenen Ärzte - für den Senat nachvollziehbar zu Recht - mangels Operationsindikation verweigerten, begründet ebenso wenig eine unfallbedingte mittelbare Teilursache der zunehmend stärker werdenden Ausprägung der dissozialen Persönlichkeitsstörung. Das von Dr. P. ausdrücklich als "Teilverschulden" gewertete Verhalten der Beklagten, das zu der genannten Konfliktkonstellation geführt haben soll, berücksichtigt daher allein die subjektive Sicht des Klägers, die nach dem Bild, wie es sich aus der Aktenlage ergibt, gerade aufgrund der dissozialen Persönlichkeitsstörung eine verzerrte Wahrnehmung des Klägers offenbart. Weder der Unfall noch die geringe funktionale Einschränkung am Oberarm mit der kosmetisch nicht sehr auffälligen Muskelverschmächtigung, die aber der Kläger subjektiv als Verstümmelung begreift, sind bei wertender Betrachtung ausschlaggebend für die zu Tage getretene Persönlichkeitsstörung. Zudem ist das unbefriedigende Ergebnis der vom Kläger eigenverantwortlich veranlassten Operation nicht von der Beklagten zu vertreten, vielmehr bestätigt dies die vorherige ärztliche Beurteilung, dass mit einer Operation keine Befundverbesserung erreicht werden konnte. Nach den Darlegungen von Prof. Dr. T. und Dr. P. ist davon auszugehen, dass der Arbeitsunfall lediglich Anknüpfungspunkt für die im Rahmen der Primärpersönlichkeit und seiner mangelnden sozialen Kompetenz aufgetretene, von Dr. P. beschriebene Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit ist, was aber ihre rechtlich unzutreffende Bewertung einer wesentlichen Mitursache des Arbeitsunfalls nicht zu rechtfertigen vermag.
36 
Die Anschlussberufung der Beklagten ist ebenso wenig begründet. Das Sozialgericht hat die Feststellung des Arbeitsunfalls und der Unfallfolgen zutreffend begründet.
37 
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R- a.a.O.)
38 
Wie bereits das Sozialgericht im angefochtenen Urteil ausführt, hat der Kläger bei seinen Erstangaben vom ruckartigen Anheben eines schweren Gegenstandes gesprochen, wie sich dies aus dem Durchgangsarztbericht von Dr. B. vom 16.05.2002 ergibt. Dr. H. führt in seinem Gutachten vom 01.03.2007, bekräftigt in seiner ergänzenden Äußerung vom 06.09.2007, auch für den Senat überzeugend aus, dass es sich bei der von ihm erhobenen Unfallschilderung um einen geeigneten Unfallmechanismus handelt. Der Senat verweist insoweit auf die überzeugenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts, wonach dies im Einklang mit den 5 Jahre zuvor gemachten Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Dr. B. steht. Diese Bewertung des Sachverständigen Dr. H. wird aus ärztlicher Sicht auch von Dr. K. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.06.2008 geteilt. Das ruckartige Anheben eines Gewichts mit plötzlicher Unterbrechung des Hebevorgangs, weil sich das Gewicht verkeilt hat, ist auch keiner der in der unfallmedizinischen Literatur bezeichneten ungeeigneten Unfallabläufe, auf die die Beklagte in ihrem Berufungsschriftsatz ausdrücklich hinweist (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 408). Die Einschätzung von Dr. H. und Dr. K. ist für den Senat daher nachvollziehbar. Darauf, dass der Kläger später bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W. eine unkontrollierte Schleuderbewegung angegeben hat, was tatsächlich von seinem früheren Vorbringen abweicht, kommt es nicht an. Ebenso wenig ist maßgebend, dass ca. 50 % der Verletzungen der körperfernen Bizepssehnen auf degenerative Vorschäden zurückzuführen seien, wie die Beklagte weiter vorträgt. Nach Dr. H. und Dr. K. stimmt die Beschwerdesymptomatik und der Magnetresonanztomographie-Befund mit einer traumatisch bedingten Genese überein. Weder sind einschlägige Vorerkrankungen an der Bizepssehne des Klägers ermittelt worden noch ist aus dem Unfallablauf erkennbar, dass die Teilruptur der Bizepssehne allein wesentlich auf degenerativen Veränderungen beruht. Auch erreicht das Unfallereignis in seiner Intensität der Einwirkung auf die Bizepssehne nicht nur das Ausmaß einer Alltagsbelastung, was den Rückschluss auf eine erhebliche unfallvorbestehende Sehnendegeneration zuließe (vgl. zu dieser Voraussetzung Urteil des Senats vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 -, veröff. in www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris).
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
40 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
24 
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, sind statthaft. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
25 
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist auch im übrigen zulässig.
26 
Die am 20.04.2010 eingelegte und daher nach dem 09.04.2010, dem Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist, eingegangene, nicht fristgerechte Berufung der Beklagten ist als unselbstständige Anschlussberufung zulässig (§ 202 SGG i. V. m. § 524 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung), wobei die an die Berufungserwiderungsfrist geknüpfte Anschlussberufungsfrist (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO) nicht gilt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 143 Rdnr. 5), denn eine vergleichbare Regelung zur Berufungserwiderung gemäß § 521 Abs. 2 i.V.m. §§ 277, 296 ZPO fehlt im sozialgerichtlichen Verfahren.
27 
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden, weshalb die Berufungen zurückzuweisen waren.
28 
Der mit der Berufung des Klägers geltend gemachte Anspruch auf Feststellung psychischer Unfallfolgen ist nicht gegeben. Ebenso wie das Sozialgericht geht der Senat davon aus, dass die übereinstimmend von den Ärzten beim Kläger diagnostizierte Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion nicht wesentlich auf das geltend gemachte Ereignis vom 17.04.2002 zurückzuführen ist.
29 
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. stellvertretend BSG Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
30 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adä-quanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Aus-gangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (Vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
31 
Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung ist auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abzustellen, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte ist so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen: Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und psychischen Gesundheitsstörungen (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O.).
32 
Eine wissenschaftlich begründete Ursachenbeurteilung sowohl nach der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als auch nach der Theorie der wesentlichen Bedingung erfordert, dass neben der Feststellung der vorliegenden Gesundheitsstörungen klar festgestellt wird, worin das oder die schädigenden Ereignisse lagen: In dem Unfallereignis selbst - vorliegend das Anheben der Metallteile -, dem Gesundheitserstschaden - vorliegend die Teilruptur der Bizepssehne mit zunächst geringen Schmerzen - oder der nachfolgenden Behandlung oder in dem Fortbestehen physischer Einschränkungen, die durch das Unfallereignis verursacht wurden (vgl. insoweit BSG a.a.O.).
33 
Nach diesen Maßstäben sind weder das Unfallereignis noch seine im oben beschriebenen Sinne unmittelbaren Auswirkungen wesentlich ursächlich für die Anpassungsstörung des Klägers, was das Sozialgericht zutreffend begründet hat.
34 
Nach dem Gutachten von Prof. Dr. T. geht die von ihm diagnostizierte Persönlichkeitsstörung mit einer niedrigen Frustrationstoleranz, forderndem Auftreten und Rachegedanken einher. Eine Aggressivität und Aggravationsneigung sowie ein intellektuelles Unvermögen, die Zusammenhänge des Arbeitsunfalls mit entsprechenden Rentenansprüchen und den gesamten sozialen Folgen zu erfassen, werden im Gutachten dargelegt. Dies stimmt mit dem von Dr. P. erhobenen psychischen Befund überein, wonach der Kläger eine aggressive dysphorische Stimmungslage und emotional instabile Persönlichkeitsanteile mit querulatorischer Entwicklung aufweist. Sowohl bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. als auch bei Dr. P. war die aggressive Haltung des Klägers deutlich geworden; bei Prof. Dr. T. drohte der Abbruch der Untersuchung aus Sicherheitsgründen, bei Dr. P. verließ der Kläger die Praxis, nachdem er das Personal angeschrien und sich aggressiv gezeigt hatte. Die mangelnde Anpassungsfähigkeit mit aggressivem, forderndem Verhalten ist auch von anderen Ärzten dokumentiert (telefonischer Bericht von Dr. Sch. vom 27.01.2003: der Kläger sei während der Behandlung "wieder" handgreiflich geworden; Entlassungsbericht des Zentrums für ambulante Rehabilitation, Stuttgart, vom 03.08.2007: Abbruch der Behandlung nach 3 Tagen wegen verbaler Entgleisungen und Angriffen auf Mitpatienten und Therapeuten). Nach Prof. Dr. T. ist die Impulskontrollstörung mit Sicherheit in abgeschwächter Form bereits vor dem Unfall vorhanden gewesen. Nach dem Unfall ist es nach psychiatrischer Beurteilung von Prof. Dr. T. und im Ergebnis auch nach Dr. P. zu einer Überlagerung durch das depressive und somatoforme Bild und zu einer Verstärkung der Symptome der dissozialen Persönlichkeitsstörung gekommen. Beide Ärzte machen hierfür nicht das Unfallereignis oder die aus orthopädischer Sicht nur geringfügige funktionelle Beeinträchtigung der Sehnenruptur verantwortlich, sondern die fortgesetzte Frustration des Klägers darüber, seine gut bezahlte Arbeit und seine Eigentumswohnung verloren zu haben, den aus seiner Sicht steten Kampf mit Behörden und Gutachtern und die als Verstümmelung verstandene körperliche Einschränkung am Oberarm.
35 
Damit ist entgegen der Auffassung von Prof. Dr. T. und Dr. P. ein wesentlicher Zusammenhang mit dem Unfall und seinen Folgen jedoch nicht zu begründen. Der Kläger behielt nach dem Unfall auch noch für eine geraume Zeit seinen Arbeitsplatz. Erst im Jahre 2007 wurde er fristlos gekündigt, weil er bei einem Personalgespräch mit der Zündung einer Bombe gedroht hatte, was Dr. P. in seinem Gutachten anamnestisch wiedergibt. Erst danach hat mit dem Verlust der Eigentumswohnung der soziale Abstieg des Klägers eingesetzt. Unfallbedingte Ursachen für den Arbeitsplatzverlust sind nicht zu erkennen. Etwaige in der Persönlichkeitsstruktur des Klägers angelegte Eigenschaften, die möglicherweise auch anteilig Anlass für die verhaltensbedingte Kündigung gegeben haben, begründen deshalb noch nicht eine wesentliche Ursache, weil sie eventuell durch den Unfall und seine Abwicklung durch die Beklagte im gutachtlichen Verständnis von Prof. Dr. T. stimuliert worden sein könnten. Aus objektiver Sicht hatte die Beklagte bei der Unfallabwicklung keine Versäumnisse zu vertreten, die für besondere Frustration und Aggression verantwortlich gemacht werden könnten. Dem Kläger wurde zunächst Heilbehandlung gewährt, nach ärztlicher Mitteilung, dass nicht von einem Arbeitsunfall auszugehen sei, war die Behandlung zwar nicht mehr zulasten der Beklagten aber in angemessener Form durch die Krankenkasse fortgeführt worden. Dass der Kläger mehrfach eine operative Therapie forderte, die ihm die im Auftrag der Beklagten tätig gewordenen Ärzte - für den Senat nachvollziehbar zu Recht - mangels Operationsindikation verweigerten, begründet ebenso wenig eine unfallbedingte mittelbare Teilursache der zunehmend stärker werdenden Ausprägung der dissozialen Persönlichkeitsstörung. Das von Dr. P. ausdrücklich als "Teilverschulden" gewertete Verhalten der Beklagten, das zu der genannten Konfliktkonstellation geführt haben soll, berücksichtigt daher allein die subjektive Sicht des Klägers, die nach dem Bild, wie es sich aus der Aktenlage ergibt, gerade aufgrund der dissozialen Persönlichkeitsstörung eine verzerrte Wahrnehmung des Klägers offenbart. Weder der Unfall noch die geringe funktionale Einschränkung am Oberarm mit der kosmetisch nicht sehr auffälligen Muskelverschmächtigung, die aber der Kläger subjektiv als Verstümmelung begreift, sind bei wertender Betrachtung ausschlaggebend für die zu Tage getretene Persönlichkeitsstörung. Zudem ist das unbefriedigende Ergebnis der vom Kläger eigenverantwortlich veranlassten Operation nicht von der Beklagten zu vertreten, vielmehr bestätigt dies die vorherige ärztliche Beurteilung, dass mit einer Operation keine Befundverbesserung erreicht werden konnte. Nach den Darlegungen von Prof. Dr. T. und Dr. P. ist davon auszugehen, dass der Arbeitsunfall lediglich Anknüpfungspunkt für die im Rahmen der Primärpersönlichkeit und seiner mangelnden sozialen Kompetenz aufgetretene, von Dr. P. beschriebene Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit ist, was aber ihre rechtlich unzutreffende Bewertung einer wesentlichen Mitursache des Arbeitsunfalls nicht zu rechtfertigen vermag.
36 
Die Anschlussberufung der Beklagten ist ebenso wenig begründet. Das Sozialgericht hat die Feststellung des Arbeitsunfalls und der Unfallfolgen zutreffend begründet.
37 
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R- a.a.O.)
38 
Wie bereits das Sozialgericht im angefochtenen Urteil ausführt, hat der Kläger bei seinen Erstangaben vom ruckartigen Anheben eines schweren Gegenstandes gesprochen, wie sich dies aus dem Durchgangsarztbericht von Dr. B. vom 16.05.2002 ergibt. Dr. H. führt in seinem Gutachten vom 01.03.2007, bekräftigt in seiner ergänzenden Äußerung vom 06.09.2007, auch für den Senat überzeugend aus, dass es sich bei der von ihm erhobenen Unfallschilderung um einen geeigneten Unfallmechanismus handelt. Der Senat verweist insoweit auf die überzeugenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts, wonach dies im Einklang mit den 5 Jahre zuvor gemachten Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Dr. B. steht. Diese Bewertung des Sachverständigen Dr. H. wird aus ärztlicher Sicht auch von Dr. K. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.06.2008 geteilt. Das ruckartige Anheben eines Gewichts mit plötzlicher Unterbrechung des Hebevorgangs, weil sich das Gewicht verkeilt hat, ist auch keiner der in der unfallmedizinischen Literatur bezeichneten ungeeigneten Unfallabläufe, auf die die Beklagte in ihrem Berufungsschriftsatz ausdrücklich hinweist (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 408). Die Einschätzung von Dr. H. und Dr. K. ist für den Senat daher nachvollziehbar. Darauf, dass der Kläger später bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W. eine unkontrollierte Schleuderbewegung angegeben hat, was tatsächlich von seinem früheren Vorbringen abweicht, kommt es nicht an. Ebenso wenig ist maßgebend, dass ca. 50 % der Verletzungen der körperfernen Bizepssehnen auf degenerative Vorschäden zurückzuführen seien, wie die Beklagte weiter vorträgt. Nach Dr. H. und Dr. K. stimmt die Beschwerdesymptomatik und der Magnetresonanztomographie-Befund mit einer traumatisch bedingten Genese überein. Weder sind einschlägige Vorerkrankungen an der Bizepssehne des Klägers ermittelt worden noch ist aus dem Unfallablauf erkennbar, dass die Teilruptur der Bizepssehne allein wesentlich auf degenerativen Veränderungen beruht. Auch erreicht das Unfallereignis in seiner Intensität der Einwirkung auf die Bizepssehne nicht nur das Ausmaß einer Alltagsbelastung, was den Rückschluss auf eine erhebliche unfallvorbestehende Sehnendegeneration zuließe (vgl. zu dieser Voraussetzung Urteil des Senats vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 -, veröff. in www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris).
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
40 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Tenor

Die Beschwerde des Landes Baden-Württemberg gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 8. August 2005 wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.

Gründe

 
I
Mit der Klage im Ausgangsverfahren begehrte der Kläger, unter Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 06.12.1996, mit welchem ihm die Beklagte des Ausgangsverfahrens wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 21.04.1995 eine Rente nach einer MdE von 40 v. H gewährte, ihm eine Rente nach einer MdE von 100 v. H zu gewähren. Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) holte das Sozialgericht das neuropsychologische Gutachten des Psychologischen Psychotherapeuten M. vom 23.08.2002 ein. Nach Einholen eines psychiatrischen Gutachtens und eines psychologischen Zusatzgutachtens vom 19.08.2003 von Amts wegen hob das Sozialgericht den Bescheid vom 25.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.04.2002 auf und verurteilte die Beklagte, den Bescheid vom 06.12.1996 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger für die Zeit vom 23.12.1995 bis 31.12.1996 noch Zahlung in Höhe von EUR 8.432,02 und ab 01.01.1997 eine Verletztenrente auf Grundlage einer MdE in Höhe von 80 v. H. einer Vollrente nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab (Urteil vom 19.07.2005). Gegen dieses Urteil haben beide Beteiligte Berufung eingelegt, die beim erkennenden Senat noch anhängig ist (L 1 U 3436/05).
Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 08.08.2005 die entstandenen Kosten der Begutachtung durch den Psychologischen Psychotherapeuten M. sowie die baren Auslagen und den Lohnausfall als Gerichtskosten übernommen, weil auf Grund der Ausführungen des Herrn M. es sich veranlasst gesehen habe, weitere Ermittlungen anzustellen und ein psychiatrisches Gutachten und ein psychologisches Zusatzgutachten einzuholen. Zudem habe sich das Gericht in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen auf die Ausführungen von Herrn M. gestützt, weshalb das Gutachten für die gerichtliche Entscheidung Bedeutung gewonnen habe.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner des vorliegenden Verfahrens am 22.08.2005 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 18.10.2005). Im Einverständnis der Beteiligten hat der Senat das Ruhen des Beschwerdeverfahrens angeordnet (Beschluss vom 22.12.2005). Der Antragsgegner hat das ruhende Verfahren wieder angerufen und unter Hinweis auf den Beschluss des 9. Senats vom 16.05.2006 (L 9 R 4263/04 KO-B) um Entscheidung zu seinem Beschwerderecht gebeten.
Der Kläger hat sich der Auffassung des Beschlusses des 9. Senats vom 16.05.2006 angeschlossen.
II
Die Beschwerde des Antragsgegners ist unzulässig, denn der Staatskasse steht keine Beschwerdebefugnis in den Verfahren zur endgültigen Übernahme von Kosten nach § 109 SGG zu.
Der Senat hält damit an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest. Er geht ebenso wie der 9. Senat in dessen Beschluss vom 16.05.2006 (L 9 R 4263/04 KO-B) von der Unzulässigkeit der Beschwerde des Bezirksrevisors aus.
Nach § 109 Abs. 1 SGG muss auf Antrag des Versicherten, des Behinderten, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.
Das Recht auf Ermittlungen nach § 109 SGG steht dem Verfahrensbeteiligten auch dann zu, wenn das Gericht keine Veranlassung sieht, aufgrund der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG den Sachverhalt weiter aufzuklären (allg. Meinung; vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. § 109 Rdnr. 1 und 2 m. w. N.).
In dem das Beschwerderecht des Bezirksrevisors bejahenden Beschluss des 9. Senats vom 15.02.1978 (L 9 KO 110/77 B-3), dem sich in der Folge zunächst alle Senate des Landessozialgerichts Baden-Württemberg angeschlossen hatten, wird die Entscheidung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht als Nebenentscheidung im Prozess zwischen dem klagenden Antragsteller und der Behörde, sondern als eine außerhalb des Streitverfahrens zu treffende Entscheidung bezeichnet, die Rechtsbeziehungen zwischen dem Antragsteller nach § 109 SGG und dem Fiskus betreffe. Kosten einer aufgrund der Amtsermittlungspflicht erforderlichen Beweiserhebung seien vom Fiskus zu tragen, ohne dass dieser dagegen Einwendungen erheben könne. Nach Abschluss der Ermittlungen von Amts wegen ende jedoch die Kostenfreiheit und damit auch die Kostentragungspflicht des Fiskus. Kosten der außerhalb der Amtsermittlung erfolgenden Beweiserhebung nach § 109 SGG habe grundsätzlich der Kläger zu tragen. Wenn abweichend von dieser Regel der Staatskasse die Kosten aufgebürdet würden, sei der Fiskus beschwert und als Beteiligter des Kostenstreit anzusehen (so auch u. a. Pawlak in Hennig, SGG, § 109 Rdnr. 80; Roller in Lüdtke, SGG, Kommentar 2005 § 109 Rdnr. 28) und deshalb nach § 172 Abs. 1 SGG berechtigt, Beschwerde einzulegen.
10 
Der Senat vertritt demgegenüber jetzt eine andere Rechtsauffassung.
11 
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte in einem Rechtszug beteiligt sind (§ 183 Satz 1 SGG). Nach § 183 Satz 4 SGG bleibt die Regelung in § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG, wonach die vom Kläger beantragte Anhörung eines bestimmten Arztes von der Vorschussleistung abhängig gemacht werden kann, unberührt. Das Gutachten nach § 109 SGG ist ein Gerichtsgutachten. Die Kosten einer nach § 109 SGG beantragten Anhörung eines bestimmten Arztes sind, wie auch die Kosten einer von Amts wegen aufgenommenen Beweisaufnahme, Gerichtskosten, zu denen nach § 1 GKG die Auslagen gehören. Auslagen sind grundsätzlich die nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu zahlenden Beträge (Nr. 9005 des Kostenverzeichnisses) § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG räumt dem Gericht ein Ermessen ein, die beantragte Anhörung eines Arztes nach § 109 SGG davon abhängig zu machen, dass der Antragsteller die Kosten der Anhörung vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. In der Regel entspricht es fehlerfreiem Ermessen, einen Kostenvorschuss anzufordern, weil nach der freien Beweiswürdigung des Gerichts - weitere - Ermittlungen auf Grund der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht nicht geboten sind. Eine darüber hinausgehende Sachaufklärung soll nicht zu Lasten der Staatskasse erfolgen (BSG, NZS 1998, 302 = SozR 3-1500 § 109 Nr. 2). Diese Wertung folgt schon aus dem Umstand, dass Prozesskostenhilfe für das Gutachten nach § 109 SGG nicht bewilligt werden kann (§ 73 a Abs. 3 SGG). Als Ermessenserwägungen für den Verzicht auf die Anforderung des Kostenvorschusses werden - durchaus streitig - diskutiert (vgl. die Nachweise bei Meyer-Ladewig, a. a. O., § 109 Rdnr. 13; Pawlak in Hennig, SGG, § 109 Rdnr. 36; Peters-Sautter-Wolff; Kommentar Sozialgerichtsbarkeit, § 109 SGG, Nr. 5 Seite II/74-71) die nicht ganz chancenlose Möglichkeit einer weiteren Sachaufklärung durch das Gutachten, eine besondere wissenschaftliche Reputation des genannten Arztes bzw. dessen Verfügbarkeit über neue Untersuchungsmöglichkeiten, die Mittellosigkeit des Antragstellers oder der Umstand, dass ansonsten nur auf Grund der in den Akten befindlichen Gutachten zu entscheiden wäre. Das Gericht ist somit nicht daran gehindert, im Rahmen des im zustehenden Ermessens die beantragte Anhörung nach § 109 SGG durchzuführen, ohne sie von der Erfüllung der Auflage an den Kläger, einen Kostenvorschuss einzuzahlen, abhängig zu machen. Den Erlass der Beweisanordnung nach § 109 SGG ohne Anforderung des Kostenvorschusses kann die Staatskasse unstreitig nicht rügen, denn diese Beweisanordnung ist als prozessleitende Verfügung nicht anfechtbar (§ 172 Abs. 2 SGG). In diesem Fall ist nach dem Gesetzeswortlaut auch eine Entscheidung über die endgültige Kostentragung entbehrlich, da die entstandenen Gerichtskosten der Kostenfreiheit nach § 183 SGG unterliegen (allgemeine Meinung, vgl. Pawlak, a.a.O. Rdnr. 38; Peters-Sautter-Wolff, a.a.O., Seite II/74-73). Die Entscheidung, die gutachterliche Anhörung des Arztes nach § 109 SGG ohne Anforderung eines Kostenvorschusses durchzuführen, ist eine abschließende Entscheidung des Gerichts. Sie entzieht sich einer Abänderung, weil es hierfür an einer Rechtsgrundlage fehlt (h.M.; vgl. Peters-Sautters-Wolff, a.a.O., II/74-73, im Ergebnis ebenso Mayer-Ladewig u. a., a.a.O., Rdnr. 14, verneinend auch, wenn mit der Beweisanordnung eine spätere Kostenentscheidung vorbehalten wurde). Für ein Rüge- oder Beschwerderecht der Staatskasse bei Verzicht auf einen Kostenvorschuss ist daher kein Raum.
12 
Ist dagegen ein Kostenvorschuss angefordert worden, wie im vorliegenden Fall, bedarf es jedenfalls dann einer Entscheidung des Gerichts, wenn nicht dem Kläger, sondern der Staatskasse die Kosten endgültig zur Last fallen sollen. Die Anforderung des Kostenvorschusses ist eine Ausnahme vom Grundsatz der Kostenfreiheit, wonach Verfahrenskosten grundsätzlich nicht dem kostenprivilegierten Beteiligten als Gerichtskosten auferlegt werden können. Die Ermessensentscheidung zur Übernahme der Kosten auf die Staatskasse ist nach allgemeiner Überzeugung ermessensgerecht, wenn das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten die Sachaufklärung wesentlich gefördert hat (Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnr. 16 a). Das Gericht hat somit bei der Entscheidung auf Übernahme der Kosten auf die Staatskasse ebenso Ermessensüberlegungen anzustellen, wie beim Verzicht auf die Anforderung eines Kostenvorschusses, nur sind im dortigen Verfahrensstadium die Überlegungen naturgemäß auf eine Prognose der Verfahrensförderlichkeit ausgerichtet, deren Richtigkeit im Sinne einer Belastung der Staatskasse diese nicht überprüfen kann.
13 
In welcher Form die dem Gericht vorbehaltene andere Entscheidung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zu ergehen hat, ist nicht geregelt. Grundsätzlich ist mit der Hauptsache auch über die Kosten zu entscheiden, weshalb neben der zu treffenden Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten nach § 193 SGG auch eine Entscheidung zu den Gerichtskosten nach § 109 SGG zu ergehen hat. Diese kann in einem gesonderten Beschluss, aber auch im Urteil oder Gerichtsbescheid getroffen werden. Dabei hat das Gericht folgerichtig auf den für seine Hauptsacheentscheidung maßgeblichen Beitrag des Gutachtens nach § 109 SGG zum Zeitpunkt seiner Entscheidung abzustellen.
14 
Die Kostenentscheidung im Urteil oder im Gerichtsbescheid ist in diesem Fall nur mit dem gebotenen Rechtsmittel anfechtbar. Die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung mit der Berufung ist ausgeschlossen (§ 144 Abs. 4 SGG). Der Kläger/Antragsteller nach § 109 SGG kann daher nur mit seiner eigenen Berufung die ihm auferlegte Kostentragung anfechten. Das Berufungsgericht berücksichtigt bei der einheitlich zu ergehenden Kostenentscheidung, die dann auch die Kosten nach § 109 SGG umfasst, wie sonst auch, den Verfahrensgang und den Beitrag des Gutachtens nach § 109 SGG für seine Kostentscheidung. Der Grundsatz des Verbots der reformatio in peius gilt bei der Kostenentscheidung nicht (allgemeine Meinung; vgl. u. a. Meyer-Ladewig a. a. O. § 193 Rdnr. 16 mit Hinweis auf BSGE 62, 131, 136). Ob ausnahmsweise die nicht auf die Staatskasse übernommenen Kosten als außergerichtliche Kosten zu den erstattungsfähigen Kosten nach § 193 SGG gehören (in Ausnahmefällen bejahend Peters-Sautter-Wolff a. a. O., S. II/74-76) kann dahinstehen. Der am Hauptsacheverfahren nicht beteiligten Staatskasse steht von vornherein kein Rechtsbehelf gegen die Kostenentscheidung im Urteil oder Gerichtsbescheid zu. Als Nichtverfahrensbeteiligter kann die Staatskasse nicht Berufung, der im Übrigen auch § 144 Abs. 4 SGG entgegengehalten werden könnte, einlegen. Die Beschwerde gegen das Urteil bzw. den Gerichtsbescheid ist - mit Ausnahme der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 145 SGG - nicht statthaft (§ 172 SGG).
15 
Entscheidet das Sozialgericht über die Gerichtskosten statt in der Hauptsache in einem kostenrechtlichen Nebenverfahren durch gesonderten Beschluss, kann nichts anderes gelten.
16 
Verfahrensgegenstand dieses kostenrechtlichen Nebenverfahrens ist die Frage, ob die im Hauptsacheverfahren angefallenen Gerichtskosten einer Ermittlung nach § 109 SGG der generellen Kostenfreiheit nach § 183 SGG unterfallen oder als Ausnahme hiervon als Gerichtskosten vom Kläger zu tragen sind. Verfahrensgegenstand ist deshalb eine Kostenentscheidung dem Grunde nach und nicht etwa eine nachträgliche Abänderung der Beweisanordnung nach § 109 SGG in eine solche auf der Amtsermittlungspflicht beruhende Beweisanordnung nach §§ 103, 106 SGG, die generell nach § 172 Abs. 2 SGG nicht anfechtbar wäre.
17 
Beteiligter dieses Nebenverfahrens ist nur der Kläger, denn die Beklagte kommt als Kostenschuldner nicht in Betracht. Die Staatskasse ist bereits formal im Hauptsacheverfahren nicht beteiligt, sodass hieraus ein formaler Beteiligtenstatus im Nebenverfahren ebenfalls nicht zu begründen ist. Verfahren mit nur einem Beteiligten sind den Verfahrensordnungen nicht fremd (vgl. etwa das Beschwerdeverfahren des Zeugen oder des Sachverständigen gegen ein verhängtes Ordnungsmittel). Eine materielle Beschwer der Staatskasse ist ebenfalls nicht zu begründen. Zwar können im Beschwerdeverfahren auch Dritte, d. h. Nichtprozessbeteiligte, die Verletzung subjektiver Rechte geltend machen, doch scheidet dies vorliegend aus (so auch der 9. Senat, Beschluss vom 16.05.2006, a. a. O.; dagegen a. A. der 8. und 11. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, vgl. Beschluss vom 23.1.2006 - L 8. SB 3834/05 KO-B und vom 28.11.2005 - L 11 R 4141/05 KO-B), weil der Staatskasse subjektive Rechte nicht zustehen und Befugnisse insoweit einer Ermächtigung durch Gesetz bedürfen.
18 
Die durch die Kostenfreiheit in der Sozialgerichtsbarkeit veranlasste Bereitstellung staatlicher Mittel ist die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben. Sofern zunächst vom Prozessbeteiligten erbrachte Aufwendungen in dem gesetzlich geregelten Fall einer Ausnahme von der generellen Kostenfreiheit nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG von der Staatskasse zu übernehmen sind, gehört dies zur Wahrnehmung der im öffentlichen Interesse liegenden staatlichen Aufgaben, Mittel im Rahmen der Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens bereitzustellen. Die Wahrnehmung allein öffentlicher Interessen im gerichtlichen Verfahren bedarf aber einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage (so auch der 9. Senat, a. a. O.), wie sie die bestehenden Regelungen der Kostengesetze zum Beschwerderecht der Staatskasse darstellen (z. B. § 66 Abs. 1 GKG, § 14 Abs. 2 KostenO, § 4 Abs. 3 JVEG, § 127 Abs. 3 ZPO).
19 
Eine konkret auf den vorliegenden Fall anwendbare Rechtsgrundlage zum Beschwerderecht der Staatskasse liegt nicht vor. § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG enthält nur eine Kostenregelung, vergleichbar der Kostenregelung nach § 197a SGG für den Bereich der gerichtskostenpflichtigen Streitigkeiten. Die Beschwerdebefugnis der Staatskasse ist weder ausdrücklich normiert worden noch ergibt sich eine solche durch Auslegung oder analoge Anwendung.
20 
Nach der Systematik des SGG hat die Staatskasse kein Rügerecht bei einer Beweisanordnung nach § 109 SGG ohne Vorschussanforderung oder bei einer die Staatskasse belastenden Kostenentscheidung im Urteil oder Gerichtsbescheid. Eine an Systematik der Regelungen des SGG oder am Gesetzeszweck des § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG orientierte Auslegung findet für ein Beschwerderecht der Staatskasse keinen Ansatz. Auch die der Staatskasse ein Beschwerderecht einräumenden, bestehenden kostenrechtlichen Vorschriften betreffen nur die Anfechtung der Kosten der Höhe nach, eine generelle Anfechtung der Kostengrundentscheidung ist darin nicht geregelt. Dies gilt auch für die der Interessenlage noch am ehesten vergleichbare Regelung nach § 127 Abs. 3 ZPO, die der Staatskasse ein Beschwerderecht nur insoweit einräumt, als die - rechnerische - Richtigkeit der Bedürftigkeit zur Überprüfung des Beschwerdegerichts gestellt werden kann, nicht jedoch die volle inhaltliche Überprüfung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und damit die Belastung der Staatskasse, da die Beurteilung der Erfolgsaussicht des Rechtsmittels mit der Beschwerde der Staatskasse nicht gerügt werden kann (so auch der 9. Senat, Beschluss vom 16.05.2006, a.a.O., m. H. a. BGHZ 119, 372, 374). Ein generelles Beschwerderecht der Staatskasse in den Fällen, in denen eine sie belastende Kostenentscheidung ergehen könnte, ist den genannten Regelungen nicht als allgemeine Zwecksetzung zu entnehmen.
21 
Für die Annahme einer gesetzgeberischen ungeplanten Regelungslücke hat der Senat überdies keinen Anhaltspunkt. Die analoge Anwendung der genannten Vorschriften zum Beschwerderecht der Staatskasse ist daher nicht geboten, zumal das SGG mehrere grundsätzliche Änderungen erfahren hat, ohne dass insoweit eine Beschwerdebefugnis der Staatskasse eingeführt wurde, obwohl die Mehrzahl der Landessozialgerichte eine Beschwerdebefugnis ablehnt (vgl. die Nachweise im Beschluss des 9. Senats vom 16.05.2006, a.a.O.).
22 
Die Kosten des Beschwerdeverfahren trägt die Staatskasse.
23 
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Mit der Klage kann begehrt werden

1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.

(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. September 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger unter Anerkennung einer "mittelgradigen depressiven Störung" als Unfallfolge ab 1.3.1998 Verletztenrente nach einer MdE um 30 vH zu zahlen ist.

2

Der Kläger war ab August 1995 als Gepäckabfertiger bei der damaligen Flughafen AG beschäftigt. Am 13.1.1997 wurde er bei der Ausübung der Beschäftigung zwischen einem Containertransporter sowie einem Gepäckcontainer-Anhänger eingeklemmt. Dadurch wurden sein dritter Finger links und sein Kniegelenk links gequetscht. Folgen dieser Verletzungen lagen über den 18.7.1997 hinaus nicht mehr vor.

3

Der Kläger wurde wegen des Unfalls zunächst ambulant, wegen anhaltender Beschwerden im linken Kniegelenk ab April 1997 in einer Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik stationär behandelt. Danach wurde eine Arbeitserprobung durchgeführt, die wegen gesundheitlicher Beschwerden abgebrochen wurde.

4

Anschließend fand eine Vielzahl von Behandlungen statt, die bis November 1999 überwiegend durch Durchgangsärzte erfolgten und im Auftrag und zulasten der Beklagten durchgeführt wurden. Diese Maßnahmen zur Diagnose und zur Heilbehandlung waren aber rückwirkend betrachtet nur zum Teil durch die Unfallfolgen bedingt. Zum anderen Teil beruhten sie auf unfallunabhängigen Vorschäden am linken Kniegelenk.

5

Der Kläger befand sich unter der Diagnose einer chronifizierten Depression ab März 1998 bei einer Diplom-Psychologin und ab April 1998 bei einem Psychiater in Behandlung. Vom 8.9. bis 3.10.1998 fand eine stationäre Behandlung in einer Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie statt, wo eine Angstneurose mit Panikattacken sowie eine Störung der Impulskontrolle diagnostiziert wurden.

6

Die Beklagte bewilligte dem Kläger einen ersten Vorschuss auf die voraussichtlich zu zahlende Verletztenrente (Vorschussbescheid vom 8.9.1998). Weitere Vorschusszahlungen folgten. Die Beklagte lehnte zunächst dennoch die "Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 18.7.1997 hinaus" ab (Bescheid vom 27.9.2002). Den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 11.3.2005 zurück. Später bewilligte und zahlte die Beklagte dem Kläger rückwirkend und durchgängig vom Unfalltag bis zum 30.9.2002 Verletztengeld.

7

Das SG Gießen hat die Beklagte durch Urteil vom 3.7.2008 verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung einer mittelgradigen depressiven Störung als Folge des Arbeitsunfalls ab 19.7.1997 Verletztenrente nach einer MdE um 30 vH zu zahlen.

8

Das Hessische LSG hat der Berufung der Beklagten insoweit stattgegeben, als die Verletztenrente erst am 1.3.1998 beginne, und sie im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 26.9.2011). Bei dem Kläger liege eine dauerhafte psychische Erkrankung im Sinne einer chronifizierten depressiven Episode vor. Diese sei in "rechtlich-wesentlichem Umfang" durch den Verlauf der Heilbehandlung der unmittelbaren körperlichen Verletzungen aufgrund des Arbeitsunfalls verursacht worden. Die Heilbehandlung sei zwar rückwirkend betrachtet durch erhebliche degenerative Vorschäden bedingt gewesen. Für die Zurechnung mittelbarer Unfallfolgen komme es aber nicht darauf an, dass die Maßnahmen der Heilbehandlung von der Beklagten angeordnet worden seien. Vielmehr reiche es für die Zurechnung im Rahmen des § 11 Abs 1 SGB VII aus, wenn der Unfallversicherungsträger oder der ihm rechtlich zuzuordnende Durchgangsarzt bei seinem Handeln den objektivierbaren Anschein oder den Rechtsschein gesetzt habe, dass die Behandlung oder Untersuchung zur berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder zur Untersuchung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnet werde und der Versicherte der Auffassung sein könne, dass die Heilbehandlung geeignet sei, die Unfallfolgen zu bessern oder zu beseitigen.

9

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügt die Verletzung der §§ 11 Abs 1, 56 Abs 1, 72 Abs 1 sowie 74 Abs 2 SGB VII. Das LSG habe durch seine Auslegung § 11 Abs 1 SGB VII verletzt, da als Ursache der Erkrankung letztlich nicht die Durchführung einer Heilbehandlung oder eine Untersuchung zur Klärung des Versicherungsfalls gesehen werde, sondern vielmehr die Art und Weise des Ablaufs der Heilbehandlung, die - jedenfalls aus Sicht des Klägers - zu Problemen geführt habe. Die Zurechnung zu den Unfallfolgen dürfe nicht aufgrund der subjektiven Einschätzung des Klägers erfolgen, weil dieser die Maßnahmen aus seiner Sicht für undurchschaubar halte und sich durch Zuständigkeitsfragen zwischen Ärzten oder Trägern belastet fühle. Unsicherheiten, die aus dem Wechsel der behandelnden Ärzte oder deren Diagnosestellung herrührten, seien aber durch § 11 SGB VII nicht geschützt. Das LSG habe auch weder festgestellt, dass die Maßnahmen zulasten des Unfallversicherungsträgers angeordnet worden seien, noch festgestellt, dass es sich um die Behandlung von Unfallfolgen gehandelt habe, noch dass diese durchgangsärztlich zu ihren Lasten angeordnet worden seien. Darüber hinaus verletze die Festlegung des Rentenbeginns durch das LSG §§ 72 Abs 1, 74 Abs 2 SGB VII, da dem Kläger rückwirkend bis einschließlich 30.9.2002 Verletztengeld gezahlt worden sei. Das Urteil beruhe zudem auf Verfahrensfehlern (Verletzung von §§ 62, 103 SGG).

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. September 2011 und des Sozialgerichts Gießen vom 3. Juli 2008 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

11

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

12

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Insbesondere handele es sich bei der diagnostizierten mittelgradigen Depression um eine mittelbare Unfallfolge iS des § 11 SGB VII.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung durch das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

14

In dem Rechtsstreit wegen Feststellung einer Unfallfolge und Zahlung einer Verletztenrente nach einer MdE um 30 vH (1.) kann der Senat auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob und ggf welche psychischen Gesundheitsstörungen gemäß § 8 Abs 1 SGB VII unmittelbar durch den Arbeitsunfall wesentlich verursacht worden sind (2. a>) oder ob und ggf welche psychischen Gesundheitsstörungen als mittelbare Unfallfolgen iSd § 11 Abs 1 SGB VII festzustellen sind (2. b>). Es kann auch nicht abschließend beurteilt werden, ob ein Anspruch auf Verletztenrente iSd § 56 Abs 1 SGB VII besteht (3. a>). Soweit das LSG erneut zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass ein Anspruch auf Verletztenrente gegeben ist, kann ein solcher gemäß § 72 Abs 1 SGB VII nicht für Zeiten vor dem 1.10.2002 bestehen (3. b>).

15

1. Die Beklagte wendet sich mit der Revision gegen das Urteil des LSG, mit dem dieses die Berufung gegen das den Anfechtungsklagen wegen der ablehnenden Verwaltungsakte in den Bescheiden der Beklagten (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG), den Klagen auf Feststellung einer chronifizierten depressiven Episode als Unfallfolge (§ 55 Abs 1 Nr 3 SGG) sowie auf Zahlung einer Verletztenrente (§ 54 Abs 4 SGG)nach einer MdE um 30 vH stattgebende Urteil des SG im Wesentlichen bestätigt hat. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das LSG Bundesrecht verletzt hat, da dessen tatsächliche Feststellungen keine abschließende Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche erlauben.

16

Die Beklagte hat (spätestens) in dem angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides festgestellt, dass der Kläger am 13.1.1997 einen Arbeitsunfall mit den Gesundheitserstschäden am dritten Finger links und am Kniegelenk links erlitten hat. Daher richten sich dessen Anfechtungsklagen gegen die Ablehnung eines Anspruchs auf Feststellung einer chronifizierten depressiven Episode als Unfallfolge und die Ablehnung eines Rechts auf Verletztenrente.

17

Mit der Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 3 SGG kann der Kläger den behaupteten materiellen Anspruch auf Feststellung der Unfallfolge durchsetzen, ohne dass er daran durch seine Befugnis zur Erhebung einer Verpflichtungsklage gehindert wäre. Denn er kann zwischen beiden Rechtsschutzformen wählen, weil sie, soweit um Ansprüche auf Feststellung von Unfallfolgen (oder Versicherungsfällen) gestritten wird, grundsätzlich gleich rechtsschutzintensiv sind (vgl BSG Urteil vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274, RdNr 12 f). Für das Begehren auf Verletztenrente hat er die Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG zulässig mit der unechten Leistungsklage auf Gewährung einer Verletztenrente kombiniert.

18

2. Nach § 102 SGB VII haben die Versicherten gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge (oder eines Versicherungsfalls), wenn ein Gesundheitsschaden durch den Gesundheitserstschaden eines Versicherungsfalls oder infolge der Erfüllung eines Tatbestandes des § 11 SGB VII rechtlich wesentlich verursacht wird. Der Gesundheitsschaden muss sicher feststehen (Vollbeweis) und durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (zB ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden.

19

a) Es steht schon nicht sicher fest, welche Gesundheitsstörung bei dem Kläger genau vorliegt.

20

Zwar steht aufgrund der Feststellungen des LSG fest, dass auf "orthopädisch/chirurgischem und neurologischem" Fachgebiet über den 18.7.1997 hinaus keine Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.1.1997 vorliegen. Das LSG hat aber nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit festgestellt, welche psychische Gesundheitsstörung beim Kläger vorliegt, denn die Bezeichnung der Erkran-kung im Tenor weicht von derjenigen in den Gründen ab. Nach den Gründen der Entscheidung liegt beim Kläger eine mittelgradige depressive Episode nach "F 33.1" des ICD-10 vor. Im Tenor hat das LSG dagegen als Unfallfolge eine "mittelgradige depressive Störung" festgestellt.

21

b) Der Senat kann auch nicht abschließend beurteilen, ob eine ggf vorliegende mittelgradige depressive Episode iSv F 33.1 ICD-10 "infolge" des Versicherungsfalls besteht.

22

Das LSG hat nicht geprüft, ob die psychische Gesundheitsstörung eine solche iSd § 8 Abs 1 SGB VII ist. Das wäre anzunehmen, wenn sie unmittelbar durch den beim Versicherungsfall ausgelösten Gesundheitserstschaden verursacht worden ist. Die genau zu bezeichnende Gesundheitsstörung ist also als Unfallfolge festzustellen, wenn im wieder eröffneten Berufungsverfahren festzustellen ist, dass zwischen dem beim Arbeitsunfall vom 13.1.1997 eingetretenen Erstschaden und der psychischen Gesundheitsstörung ein unmittelbarer und rechtlich wesentlicher Ursachenzusammenhang besteht (haftungsausfüllende Kausalität).

23

c) Der Senat kann schon mangels Klarheit über das Vorliegen einer unmittelbaren Unfallfolge auch nicht abschließend entscheiden, ob die psychische Störung dem Versicherungsfall vom 13.1.1997 nach § 11 SGB VII als mittelbare Unfallfolge zuzurechnen ist. Das wird das LSG bei Verneinung einer unmittelbaren Unfallfolge aber zu prüfen haben.

24

Nach § 11 Abs 1 Nr 1 und 3 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalls auch solche Gesundheitsschäden oder der Tod eines Versicherten, die durch die Durchführung einer Heilbehandlung nach dem SGB VII oder durch Maßnahmen wesentlich verursacht wurden, welche zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnet wurden. Diese Vorschrift regelt, dass auch solche Gesundheitsschäden, die durch die Erfüllung der in ihr umschriebenen Tatbestände wesentlich verursacht werden, dem Versicherungsfall rechtlich zugerechnet werden. Diese mittelbaren Folgen müssen - anders als nach § 8 Abs 1 SGB VII - nicht durch den Gesundheitserstschaden verursacht worden sein(vgl BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 mwN).

25

Mit dieser Entscheidung hat der Senat seine Rechtsprechung zum früheren Recht fortgeführt. Bereits für die Bejahung des nach § 555 Abs 1 RVO erforderlichen ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall und der Heilbehandlung genügte es, dass der Verletzte, der einen Arbeitsunfall erlitten hat, von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, dass die Heilbehandlung, zu deren Durchführung er sich begeben hat, geeignet ist, der Beseitigung oder Besserung der durch den Arbeitsunfall verursachten Gesundheitsstörungen zu dienen. Schon zu jener Vorschrift hat das BSG entschieden, dass es nicht erforderlich ist, dass die Heilbehandlung wegen Folgen des Arbeitsunfalls objektiv geboten war (BSG vom 24.6.1981 - 2 RU 87/80 - BSGE 52, 57, 58 = SozR 2200 § 555 Nr 5).

26

Hieran ist mit der Maßgabe festzuhalten, dass § 11 Abs 1 SGB VII nun darauf abstellt, dass die Mitwirkung an einer vom Träger angeordneten ärztlichen Maßnahme sich auch dann als versichert erweist, wenn sich später herausstellt, dass in Wirklichkeit kein Versicherungsfall vorlag. Allerdings setzt die Zurechnung eines Gesundheitsschadens, der rechtlich wesentlich durch eine iSv § 11 Abs 1 SGB VII vom Unfallversicherungsträger angeordnete Maßnahme verursacht wurde, die bisherige Rechtsprechung eingrenzend voraus, dass der Träger oder seine Leistungserbringer gegenüber dem durch die Verrichtung einer bestimmten versicherten Tätigkeit Versicherten durch (festgestellte) Handlungen den Anschein begründet haben, die Behandlungs- oder Untersuchungsmaßnahme erfolge zur Behandlung von Unfallfolgen (oder zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalles oder einer Unfallfolge). Hieran hält der Senat auch im Hinblick auf die an seiner Rechtsprechung geäußerte Kritik (vgl Gundolf Wagner in juris PraxisReport 9/12 Anm 2) fest (wie der Senat wohl auch Krasney, in Becker ua, Kommentar zum SGB VII, § 11 RdNr 15; aA auch Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 11 RdNr 3; G. Wagner in jurisPK-SGB VII, § 11 RdNr 15; Holtstraeter in K/S/W, Kommentar zum Sozialrecht, § 11 SGB VII RdNr 2; Rapp in LPK-SGB VII, § 11 RdNr 1; Schmitt, SGB VII, 4. Aufl 2009, § 11 RdNr 4; Schwerdtfeger in Lauterbach, UV-SGB VII, Stand April 2007, § 11 SGB VII RdNr 4).

27

Auch die Prüfung des Ursachenzusammenhangs zwischen einer Gesundheitsstörung und einer der nach § 11 Abs 1 SGB VII tatbestandlichen Maßnahmen erfolgt nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Dabei ist auf einer ersten Prüfungsstufe zu fragen, ob der Versicherungsfall eine naturwissenschaftlich-philosophische Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsstörung ist. Dabei ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nach den einschlägigen Erfahrungssätzen nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (aa). Wenn festzustellen ist, dass der Versicherungsfall eine (von möglicherweise vielen) Bedingungen für den Erfolg - hier die psychische Störung - ist, ist auf der ersten Prüfungsstufe weiter zu fragen, ob es für den Eintritt des Erfolgs noch andere Ursachen iS der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie gibt (bb); das können Bedingungen aus dem nicht versicherten Lebensbereich wie zB Vorerkrankungen, Anlagen, nicht versicherte Betätigungen oder Verhaltensweisen sein (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 15). Erst wenn sowohl der Versicherungsfall als auch andere Umstände als Ursachen des Gesundheitsschadens feststehen, ist auf einer zweiten Prüfungsstufe rechtlich wertend zu entscheiden, welche der positiv festzustellenden adäquaten Ursachen für die Gesundheitsstörung die rechtlich "Wesentliche" ist (cc). Dasselbe gilt für die Frage, ob eine MdE vorliegt und im Wesentlichen durch Unfallfolgen verursacht wurde.

28

aa) Der Senat kann nicht entscheiden, ob die Erkrankung des Klägers eine mittelbare Unfallfolge nach § 11 Abs 1 Nr 1 oder Nr 3 SGB VII ist oder keine Unfallfolge war.

29

Ob sich eine medizinische Maßnahme als Durchführung einer Heilbehandlung (§ 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII) oder als Maßnahme zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls (§ 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII)durch die Beklagte darstellt, beurteilt sich danach, wie der Versicherte ein der Beklagten zuzurechnendes Verhalten bei verständiger Würdigung der objektiven Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihrer Durchführung verstehen kann und darf (vgl BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274, RdNr 43).

30

Ob der Kläger zum Zeitpunkt der jeweiligen ärztlichen Behandlungen diese nach den objektiven Gegebenheiten als solche der Beklagten verstehen musste, steht nicht sicher fest. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs 1 SGB VII spricht zwar, dass die fraglichen Maßnahmen durch D-Ärzte und BG-Kliniken veranlasst wurden und die Beklagte deren Kosten trug. Das LSG hat aber nicht mit der gebotenen Deutlichkeit festgestellt, dass die verschiedenen von Ärzten veranlassten Maßnahmen sich nicht nur nach der subjektiven Wahrnehmung des Klägers zur Zeit ihrer Erbringung, sondern auch nach den objektiven Gegebenheiten für den Kläger als Heilbehandlung der Beklagten oder als deren Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls darstellten.

31

bb) Das LSG hat auch keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob und ggf welche anderen Ursachen als der Versicherungsfall das Vorliegen der psychischen Erkrankung naturwissenschaftlich-philosophisch verursacht haben.

32

Aus dem Fehlen solcher Feststellungen kann andererseits nicht gefolgert werden, dass die Verwirklichung eines Tatbestands nach § 11 Abs 1 Nr 1 und 3 SGB VII die einzige Ursache der bestehenden Gesundheitsstörung war. Denn das LSG hat bei der Abwägung der Beiträge, die verschiedene Ursachen für das Entstehen der MdE haben, also auf der (zweiten) Stufe zur Prüfung der "Wesentlichkeit" von (verschiedenen) Ursachen, Vorerkrankungen des Klägers auf psychischem Gebiet sowie das Bestehen weiterer, nicht mit dem Arbeitsunfall in Verbindung stehender Faktoren, zB familiäre Probleme, bejaht. Ohne (ausdrückliche) Feststellung dazu, ob und inwieweit diese nicht dem versicherten Risiko zuzurechnenden Ursachen naturwissenschaftlich-philosophisch wirksam geworden sind, ist das LSG sogleich in die rechtliche Wertung eingetreten und hat den Versicherungsfall als die wesentliche Ursache für das Bestehen der Erkrankung bezeichnet.

33

cc) Falls bei erneuter Prüfung des Klagebegehrens festgestellt werden sollte, dass für die Erkrankung sowohl der Versicherungsfall als auch andere Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne vorliegen, ist nach der Theorie der wesentlichen Bedingung (zweite Stufe) zu prüfen, ob der Versicherungsfall die psychische Störung "wesentlich" verursacht hat. Unter Berücksichtigung der verschiedenen nach Erfahrungssätzen notwendigen oder hinreichenden Ursachen ist abzuwägen, welche von ihnen die rechtlich Wesentliche ist.

34

Bei der Überzeugungsbildung des Tatsachengerichts genügt für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (stRspr BSG vom 2.2.1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38 S 105 f; BSG vom 30.4.1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1 S 3 f). Dieser ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht; allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 3).

35

3. a) Aus den gleichen Gründen kann der Senat nicht entscheiden, ob der Kläger einen Anspruch auf Verletztenrente hat.

36

Gemäß § 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier des anerkannten Arbeitsunfalls vom 13.1.1997 - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert (MdE) ist, Anspruch auf Rente. Die Höhe der Rente richtet sich ua nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII).

37

Auch insoweit wird das LSG zu prüfen haben, ob eine MdE "infolge" des Arbeitsunfalls besteht. Hierfür gelten die oben zu 2. dargelegten Grundsätze entsprechend.

38

b) Sollte das LSG in dem erneuten Berufungsverfahren einen Anspruch auf Verletztenrente nach § 56 Abs 1 SGB VII bejahen, wird zu beachten sein, dass dieser erst am Tag nach Erlöschen des dem Kläger bewilligten Rechts auf Verletztengeld beginnen kann.

39

Zwar kann der Anspruch auf Verletztenrente - anders als das LSG meint - grundsätzlich bereits am Tag nach dem Versicherungsfall beginnen, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt feststeht, dass eine MdE über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus vorliegen wird (zB bei Verlust eines Körperteils) und ein gesetzlich vorrangiger Anspruch nicht besteht.

40

Hier hat das LSG seine Entscheidung aber unter Verletzung von § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII getroffen. Nach dieser Vorschrift beginnt ein Rentenanspruch erst, nachdem der Anspruch auf Verletztengeld geendet hat. Renten werden danach an Versicherte erst von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld geendet hat. Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob Verletztengeld gezahlt worden ist, sondern darauf, ob ein Anspruch auf diese Leistung bestand. Die Regelung verfolgt den Zweck, Doppelleistungen aus dem System der GUV, insbesondere den zeitgleichen Bezug von Verletztengeld und Verletztenrente, zu vermeiden.

41

Für die vom Kläger geführte Anfechtungs- und Leistungsklage wegen Verletztenrente ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich. Zu diesem Zeitpunkt stand und steht zwischen den Beteiligten durch Verwaltungsakt bindend fest, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Verletztengeld vom Unfalltag durchgehend bis 30.9.2002 hat. Eine mögliche Verletztenrente (§ 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII) kann daher erst nach dem 30.9.2002, also nach dem Ende des Zeitraums beginnen, für den Verletztengeld zustand (§ 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII; § 74 Abs 2 SGB VII ist nicht anwendbar, da der Anspruch auf Verletztengeld nicht aufgrund einer erneuten Arbeitsunfähigkeit infolge Wiedererkrankung eingetreten ist; siehe dazu Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 74 RdNr 13).

42

4. Da das Urteil des LSG aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden ist, bedarf es keiner Entscheidung mehr über die Frage, ob die Beklagte zulässige und begründete Verfahrensrügen gegen das Urteil des LSG erhoben hat.

43

5. Das LSG hat mit der im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu treffenden Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden. Dabei wird ggf zu berücksichtigen sein, dass dem Kläger eine Verletztenrente nicht - wie begehrt - ab Juli 1997, sondern erst ab 1.10.2002 zusteht.

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

(1) Mit der Klage kann begehrt werden

1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.

(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 22. Juni 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Der Kläger ließ sich für seinen Bruder am 17.10.2002 operativ die linke Niere entnehmen. Während der Operation wurde zur Nierenentfernung ua ein Flankenschnitt gesetzt, der zu einer partiellen Bauchwandparese links führte. Im Übrigen zeigten sich die stationäre Behandlung vom 16. bis zum 29.10.2002, die primäre Wundheilung und der weitere postoperative Verlauf unauffällig.

3

Die Beklagte lehnte es ab, das "Ereignis vom 17.10.2002" als Arbeitsunfall anzuerkennen (Bescheid vom 21.1.2005; Widerspruchsbescheid vom 14.9.2005). Das SG Halle hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 9.11.2007). Das LSG Sachsen-Anhalt hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 22.6.2011). Der zu Organentnahme notwendige operative Eingriff erfülle schon den Versicherungstatbestand des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII und scheide damit als Unfallereignis iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII aus. Ein Arbeitsunfall komme nur bei einem weiteren von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis in Betracht. Eine über die versicherte Tätigkeit der Organspende hinausgehende äußere Ursache für die partielle Bauchwandparese links liege aber nicht vor. Zudem habe sich der Kläger dem Eingriff freiwillig unterzogen. Die Unfreiwilligkeit einer Einwirkung sei aber dem Unfallbegriff immanent.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII. Nach der Systematik des SGB VII stelle die Organspende als die den Versicherungsschutz begründende Tätigkeit zwar keinen Unfall dar. Damit wären aber zahlreiche mittel- und langfristig eintretenden Komplikationen nicht geschützt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei die gesetzliche Krankenversicherung allein für die Organentnahme an sich und die mit ihr zwangsläufig einhergehenden Folgen eintrittspflichtig. In allen anderen Fällen einer im Zusammenhang mit der Organspende stehenden Gesundheitsbeeinträchtigung greife hingegen die gesetzliche Unfallversicherung ein. Als Unfall sei jede Komplikation anzusehen, mit der sich - wie bei der partiellen Bauchwandparese links - nicht lediglich das durch die Organentnahme erhöhte allgemeine Krankheitsrisiko verwirkliche.

5

Der Kläger beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 22. Juni 2011 und des Sozialgerichts Halle vom 9. November 2007 abzuändern sowie die Ablehnung der Feststellung eines Versicherungsfalls im Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2005 aufzuheben und festzustellen, dass infolge der Organspende vom 17. Oktober 2002 am 27. Mai 2004 ein Arbeitsunfall eingetreten ist.

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Auf das Tatbestandsmerkmal "Unfall" könne ohne Gesetzesänderung nicht verzichtet werden.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus.

9

Die Ablehnung der Beklagten, einen Arbeitsunfall anzuerkennen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinem Anspruch auf Feststellung dieses Versicherungsfalls aus § 102 SGB VII iVm § 8 Abs 1 SGB VII. Er hat infolge der Organspende vom 17.10.2002 einen Arbeitsunfall erlitten. Allerdings lässt sich anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beurteilen, ob sich der Arbeitsunfall bereits vor dem 5.11.2009 ereignet hat.

10

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit, Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte zur Zeit des Unfalls (genauer: davor) durch eine Verrichtung den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt; nur dann ist er kraft Gesetzes Versicherter. Sodann muss diese Verrichtung ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dieses einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität im engeren Sinn; vgl BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 7/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 19 vorgesehen).

11

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger hat dadurch, dass er seinem Bruder eine Niere spendete, als (Lebend-)Organspender iS des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII eine versicherte Tätigkeit verrichtet(dazu 1.). Diese Verrichtung hat den zur Organentnahme durchgeführten Flankenschnitt als das Unfallereignis (dazu 2.) und dieses hat die partielle Bauchwandparese links als Gesundheitserstschaden (dazu 3.) rechtlich wesentlich verursacht (dazu 4.). Die Freiwilligkeit der Organspende und die Vorhersehbarkeit der mit der Operation notwendig verbundenen Körperschäden schließen den Arbeitsunfall nicht aus (dazu 5.). Anhand der bisherigen Tatsachenfeststellungen kann jedoch nicht entschieden werden, wann infolge der Organspende der Arbeitsunfall eingetreten ist (dazu 6.).

12

1. Nach § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII sind Personen versichert, die Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden. Der Tatbestand dieser versicherten Tätigkeit des "Spendens eines Organs" setzt folgende Verrichtungen voraus: Der Spender muss freiwillig und nach Maßgabe des Transplantationsgesetzes (TPG) in seiner jeweils gültigen Fassung in die Entnahme seines Organs durch ein anerkanntes Transplantationszentrum und in die Übertragung des Organs auf einen gesetzlich zugelassenen Empfänger eingewilligt, sich in ein Transplantationszentrum begeben und sich dort der Entnahmeoperation einschließlich der Vor- und Nachbehandlung unterworfen haben. Denn das Gesetz soll nur solchen Lebendorganspendern Unfallversicherungsschutz gewähren, die sich zu einer nach Maßgabe des Transplantationsgesetzes rechtmäßigen Organspende bereitfinden.

13

Der Kläger hat diesen Tatbestand erfüllt, die dafür notwendigen Handlungen vorgenommen. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (zumindest auch) auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet (sog objektivierte Handlungstendenz) ist (BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 7/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 19 vorgesehen). Der Kläger hat sich freiwillig der Operation unterzogen, um iS der §§ 8 bis 10 TPG (hier in der vor dem 1.8.2007 geltenden Fassung) für seinen Bruder, einen Verwandten zweiten Grades, die linke Niere, ein körpereigenes Organ, in einem dafür zugelassenen Transplantationszentrum entfernen zu lassen. Durch das Entgegennehmen der insoweit erforderlichen ärztlichen Behandlung war das Verhalten des Klägers darauf gerichtet, das Ziel der ärztlichen Maßnahme, die Übertragung seiner Niere auf seinen Bruder zu erreichen.

14

Entgegen dem LSG ist die Verrichtung einer Organspende nicht in der operativen Nierenentnahme durch Ärzte und andere Kräfte des Krankenhauses zu erblicken. Denn der Tatbestand einer versicherten Tätigkeit kann nur durch Verrichtungen/Handlungen des Verletzten selbst erfüllt werden. Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit ist eine höchstpersönliche Handlung. Eine Zurechnung des Handelns anderer Personen ist hierbei ausgeschlossen.

15

2. Infolge dieser Verrichtung einer Organspende ist es zu einem Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII und damit zu einem Arbeitsunfall gekommen. Nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Das im Wesentlichen durch das Handeln des Klägers verursachte (Unfall-)Ereignis bestand hinsichtlich des hier umstrittenen Gesundheitserstschadens der Bauchwandparese links entgegen dem LSG in dem zur operativen Nierenentnahme durchgeführten chirurgischen Flankenschnitt des Transplantationschirurgen. Er war ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper des Klägers einwirkendes Ereignis, das unmittelbar den physiologischen Zustand des Körpers verändert und die körperliche Integrität des Klägers verletzt hat. Auch dann, wenn die Einwirkung auf den Körper nicht nur zu einer Veränderung seines physiologischen Zustandes, sondern auch zu einer Verletzung der körperlichen (seelischen oder geistigen) Integrität führt, ist zwischen der Einwirkung auf den Körper als mögliche Ursache und dem Gesundheitserstschaden (oder dem Tod) als mögliche Wirkung der Einwirkung auf den Körper zu unterscheiden (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 8 Nr 42 vorgesehen).

16

Das einwirkende Ereignis erfasst (auch) Geschehnisse, die aufgrund der jeweiligen versicherten Tätigkeit "üblich" sind. Es bedarf keines außergewöhnlichen Vorgangs. Vielmehr genügt jedes Ereignis, bei dem ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt. Das Erfordernis der Einwirkung von außen dient der Abgrenzung von unfallbedingten Gesundheitsschäden zu Gesundheitsbeeinträchtigungen aus inneren Ursachen sowie zu absichtlichen Selbstschädigungen. Die Einwirkung des Transplantationschirurgen auf den Körper des rechtmäßigen Organspenders, die dessen Körper notwendig verletzt, ist nach dem Tatbestand der versicherten Tätigkeit des Spendens von Organen die Einwirkung, die rechtlich wesentlich Gesundheitserstschäden iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII verursachen kann, aber nicht muss(dazu 3.).

17

Keiner Darlegung bedarf, dass die unfallversicherte Verrichtung des Klägers den Flankenschnitt des Transplantationschirurgen rechtlich wesentlich verursacht hat.

18

3. Der Gesundheitserstschaden besteht in der Bauchwandparese links, die durch den Flankenschnitt (rechtlich wesentlich) verursacht wurde.

19

Gesundheitserstschaden iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Versicherungsfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolgen) oder der versicherten Tätigkeit aufgrund der Spezialvorschrift des § 11 SGB VII als Versicherungsfall zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher Art ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls (vgl hierzu BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - zur Veröffentlichung in BSGE 108, 274 und SozR 4-2700 § 11 Nr 1 vorgesehen).

20

Die Bauchwandparese des Klägers ist keine Unfallfolge, sondern der Gesundheitserstschaden. Zwar hat bereits der Flankenschnitt, also die Einwirkung auf den Körper, unmittelbar zu einer Verletzung des Körpers geführt. Schon durch ihn ist in die körperliche Integrität eingegriffen worden. Dies wird grundsätzlich rechtlich missbilligt. Nach dem sog natürlichen Schadensbegriff liegt daher ein Gesundheitsschaden vor. Es handelt sich aber nicht um einen Gesundheitsschaden iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Denn der natürliche Schadensbegriff bedarf hier einer wertenden Korrektur, die sich aus dem Zweck der den Versicherungsschutz begründenden Vorschrift ergibt (vgl stellv zu solchen Korrekturen BGH vom 8.4.2008 - VI ZR 49/07 - BGHZ 176, 109, 114).

21

Die Gesundheitsschäden, die beim Lebendorganspender durch eine rechtmäßige Transplantation (einschließlich Vor- und Nachbehandlung für die Durchführung der Organentnahme) notwendig verursacht werden, sind nach dem Schutzzweck des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII keine missbilligten Wirkungen des Eingriffs, sondern gehören notwendig zur Organspende, die durch den das Transplantationsgesetz ergänzenden Unfallversicherungsschutz gebilligt wird und gefördert werden soll. Deshalb setzt der Versicherungstatbestand des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII die Hinnahme der zur Organspende erforderlichen Körperverletzung voraus. Sieht aber schon der Tatbestand der versicherten Tätigkeit den operativen Eingriff zur Organentnahme vor, ist der Gesundheitserstschaden im Falle einer Organspende nach Maßgabe des Schutzzwecks dieser Vorschrift zu bestimmen.

22

Die Organtransplantation ist grundsätzlich Teil der dem Organempfänger von der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung zu gewährenden Krankenbehandlung; die ambulante und stationäre Behandlung des Organspenders stellen eine Nebenleistung zu der dem Organempfänger zu erbringenden Behandlungsmaßnahme dar (BSG vom 16.7.1996 - 1 RK 15/95 - BSGE 79, 53 = SozR 3-2500 § 27 Nr 7).

23

In Abgrenzung zur gesetzlichen Krankenversicherung greift die gesetzliche Unfallversicherung erst dann ein, wenn im Zusammenhang mit der Organentnahme beim Organspender gesundheitliche Schäden auftreten, die über die durch die Organentnahme notgedrungen entstehenden Beeinträchtigungen hinausgehen und in ursächlichem Zusammenhang mit der Organentnahme stehen, oder wenn der Organspender an der Organentnahme verstirbt (vgl BT-Drucks 15/5050 S 62 zu Abschn 7.2.2.1). § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII soll (freiwillige) Lebendorganspender gegen alle Gesundheitsbeeinträchtigungen einschließlich des Todes schützen, die durch die Organentnahme verursacht sind und nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft nicht zwingend mit dem operativen Eingriff und einer erforderlichen Vor- und Nachbehandlung einhergehen.

24

Versicherte Gesundheitserstschäden sind daher nur diejenigen Gesundheitsbeeinträchtigungen, die gerade nicht im Eingriff zu Organentnahme selbst bestehen, also Gesundheitsschäden, die durch die Organentnahme zusätzlich zu den mit ihr notgedrungen verbundenen Beeinträchtigungen wesentlich verursacht wurden. Das operative Geschehen nebst einer Vor- und Nachbehandlung ist hingegen, wie gesagt, das durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit wesentlich bedingte einwirkende Ereignis iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Eine damit zwingend verbundene Integritätseinbuße (hier der Flankenschnitt) scheidet demnach als Gesundheitserstschaden aus.

25

Als ein durch die Organentnahme hervorgerufener Gesundheitserstschaden kommt vielmehr nur eine Gesundheitsbeeinträchtigung in Betracht, die nach den derzeit anerkannten medizinischen Erfahrungssätzen nicht notwendig allein schon durch die operative Organentnahme verursacht wird. Dass eine Bauchwandparese zwingend mit einer Nierenentfernung verbunden ist, hat das LSG nicht festgestellt und ist auch nicht ersichtlich. Es hat jedoch für das BSG bindend festgestellt, dass beim Kläger infolge des Flankenschnitts eine Bauchwandparese links aufgetreten ist.

26

4. Nach dem genannten Schutzzweck des in § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b Alt 2 SGB VII geregelten Versicherungstatbestandes war der Flankenschnitt auch die rechtlich wesentliche Ursache für die Bauchwandparese. Denn der Unfallversicherungsschutz soll gerade eingreifen, wenn eine rechtmäßige Organspende zu weiteren (üblichen oder unüblichen) Gesundheitsschäden führt, die über die mit der Organentnahme (einschließlich Vor- und Nachbehandlung) notwendig verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen hinausgehen. Anhaltspunkte dafür, dass das Unfallereignis oder der Gesundheitserstschaden durch andere Umstände allein rechtlich wesentlich verursacht worden sein könnte, sind nach den Feststellungen des LSG und dem Vortrag der Beteiligten offenkundig nicht gegeben.

27

5. Dem Anspruch auf Feststellung des Arbeitsunfalls steht auch nicht entgegen, dass der Kläger "freiwillig" in die Entnahme seiner Niere eingewilligt hat (§ 8 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b TPG), er sich damit freiwillig dem operativen Eingriff unterzogen und die Beeinträchtigung seiner körperlichen Integrität durch die Transplantation vorhergesehen hat.

28

Die Freiwilligkeit der rechtmäßigen (Lebend-)Organspende und die Vorhersehbarkeit der damit notwendig verbundenen Körperverletzungen sind schon Tatbestandsvoraussetzungen der versicherten Tätigkeit ("Organe…spenden") und können schon deshalb den Eintritt eines Versicherungsfalles nicht ausschließen. Zudem sind die wie auch immer zu verstehende "Freiwilligkeit" der das einwirkende Ereignis verursachenden Verrichtung oder die "Unvorhersehbarkeit" des Gesundheitsschadens keine Tatbestandsvoraussetzungen des gesetzlichen Unfallbegriffs des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Maßgeblich für die Erheblichkeit oder Unbeachtlichkeit dieser Aspekte ist grundsätzlich der Schutzzweck des jeweiligen Versicherungstatbestandes.

29

Das BSG hat unter Hinweis auf eine Entscheidung zu § 1252 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) über die vorzeitige Erfüllung der Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung gesagt, dass die Unfreiwilligkeit einer Einwirkung dem Unfallbegriff immanent sei, weil ihm ein geplantes, willentliches Herbeiführen der Einwirkung widerspreche(vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R - Juris RdNr 17 mwN). Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Ausführungen zum Unfallbegriff tragend für die damalige Entscheidung waren. Jedenfalls hat es ausdrücklich nur ein "geplantes, willentliches Herbeiführen der Einwirkung" als mit dem Arbeitsunfall unvereinbar bezeichnet. Dem ist mit der Klarstellung beizupflichten, dass ein Versicherungsfall "wegen Freiwilligkeit oder Vorhersehbarkeit" nur dann nicht vorliegen kann, wenn es dem Verletzten gerade darauf ankam (Absicht als dolus directus ersten Grades), durch sein Handeln eine Einwirkung auf seinen Körper und dadurch seinen eigenen Gesundheitsschaden zu verursachen. Dabei kann offen bleiben, ob je nach Versicherungstatbestand schon eine "Verrichtung" der versicherten Tätigkeit mangels einer (auch) auf die Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes einer versicherten Tätigkeit gerichteten objektivierten Handlungstendenz abzulehnen ist oder die rechtliche Wesentlichkeit der Verrichtung für die Verursachung des Schadens fehlt.

30

Das Erfordernis der Einwirkung von außen dient der Abgrenzung von unfallbedingten Gesundheitsschäden zu Gesundheitsbeeinträchtigungen aus inneren Ursachen sowie zu geplanten willentlichen, also absichtlichen, Selbstschädigungen (vgl BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 7). Auch bei der Entscheidung zu § 1252 Abs 2 RVO war ein Fall der versuchten Selbsttötung zu beurteilen und darüber zu entscheiden, ob die Erkrankung "infolge" eines Unfalls eingetreten war. Die früheren Ausführungen zum Unfallbegriff stehen daher im Zusammenhang mit der Frage, ob die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit, die absichtlich ausgeübt wird, um ein Unfallereignis herbeizuführen, gerade in rechtlicher Wertung wesentliche Ursache iS der Theorie der wesentlichen Bedingung für den dadurch verursachten Gesundheitserstschaden oder Tod sein kann.

31

Unabhängig davon sind, wie gesagt, die Unfreiwilligkeit und Unvorhersehbarkeit keine ausdrücklich genannten oder ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale des gesetzlich definierten Unfallbegriffs. § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII beschreibt den Unfall nicht als "unfreiwilliges", "unvorhergesehenes" oder "unvorhersehbares", sondern nur als ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Für eine Einengung des Anwendungsbereichs dieser für Unfälle infolge sämtlicher versicherten Tätigkeiten geltenden Vorschrift fehlt es an einem dies rechtfertigenden Zweck. Verschiedene in § 2 SGB VII aufgeführte Tatbestände einer versicherten Tätigkeit gehen gerade mit der freiwilligen Inkaufnahme eines vorhersehbaren und vorhergesehenen Gesundheitsschadens oder sogar des Todes einher. Nicht nur Helfer bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not oder Retter aus einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für die Gesundheit anderer (§ 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB VII; vgl zum Unglückshelfer BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 7/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 19 vorgesehen), auch Beschäftigte, die sich zur Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis gefährlichen Einwirkungen aussetzen, handeln freiwillig und im Bewusstsein einer vorhersehbaren und ggf vorhergesehenen Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität.

32

Gerade auch bei der Organspende iS des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b Alt 2 SGB VII würde durch eine Beschränkung des Unfallbegriffs auf lediglich unfreiwillig erlittene Einwirkungen der Regelungszweck dieses Versicherungstatbestandes vereitelt. Diese Vorschrift schützt gerade diejenigen Personen, die sich freiwillig einer operativen Organentnahme unterziehen. Ihr Schutzzweck, das von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht abgedeckte gesundheitliche Risiko des Organspenders im Zusammenhang mit der Organspende abzusichern (hierzu unter 3.), bliebe weitgehend unerfüllt, wenn lediglich eine zusätzlich zum operativen Eingriff zur Organentnahme (mit Vor- und nachfolgender Heilbehandlung) hinzutretende weitere Einwirkung geeignet wäre, ein Unfallereignis zu begründen. Anhaltspunkte für eine andere Intention des Gesetzes ergeben sich weder aus dem Wortlaut des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII noch aus den Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung und ihrer Vorläuferregelung des § 539 Abs 1 Nr 10 RVO. Die Freiwilligkeit der Organspende und des insoweit notwendigen operativen Eingriffs ist bereits Bestandteil dieser versicherten Tätigkeit und kann schon deshalb nicht den Versicherungsfall ausschließen.

33

Da der Kläger nach den Feststellungen des LSG seine partielle Bauchwandparese nicht absichtlich herbeiführen wollte, liegt ein Arbeitsunfall vor.

34

6. Zu welchem Zeitpunkt infolge der Organspende der Arbeitsunfall eingetreten ist, lässt sich anhand der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen. Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der von Dr. J am 5.11.2009 durchgeführten ambulanten Untersuchung davon ausgegangen, dass der Flankenschnitt zu einer Vorwölbung der Bauchwand im kranialen Bereich iS einer partiellen Parese geführt hat. Damit ist lediglich festgestellt, dass jedenfalls am 5.11.2009 der Gesundheitserstschaden entstanden war. Ein davor liegender Zeitpunkt der Entstehung der Bauchwandparese wird dadurch aber nicht ausgeschlossen. Diesen wird das LSG daher noch zu klären haben.

35

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Folgen eines Versicherungsfalls sind auch Gesundheitsschäden oder der Tod von Versicherten infolge

1.
der Durchführung einer Heilbehandlung, von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einer Maßnahme nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung,
2.
der Wiederherstellung oder Erneuerung eines Hilfsmittels,
3.
der zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung
einschließlich der dazu notwendigen Wege.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn die Versicherten auf Aufforderung des Unfallversicherungsträgers diesen oder eine von ihm bezeichnete Stelle zur Vorbereitung von Maßnahmen der Heilbehandlung, der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder von Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung aufsuchen. Der Aufforderung durch den Unfallversicherungsträger nach Satz 1 steht eine Aufforderung durch eine mit der Durchführung der genannten Maßnahmen beauftragte Stelle gleich.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09. Februar 2010 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Arbeitsunfall des Klägers vom 17.04.2002 und als Unfallfolgen ein Teilabriss der Bizepssehne rechts und eine Anpassungsstörung festzustellen sind.
Mit Durchgangsarztbericht von Dr. B. vom 16.05.2002 wurde der Beklagten eine Teilruptur der distalen Bizepssehne rechts als Arbeitsunfall des Klägers angezeigt. Danach habe sich der Kläger am 17.04.2002 während seiner Tätigkeit als Lagerarbeiter den Arm verletzt, als er ruckartig einen schweren Gegenstand habe anheben wollen. Im Unfallfragebogen gab der Kläger unter dem 06.06.2002 an, der Unfall habe sich am 13.03.2002 ereignet beim Versuch, schwere Blechteile, die sich in der Palette verkeilt hätten, herauszuheben. In der Unfallmeldung des Arbeitgebers vom 02.07.2002 ist als Unfallzeitpunkt der 17.04.2002 genannt und wurden Ausfallzeiten verneint. Die Beklagte gewährte zunächst Heilbehandlung. Wegen persistierender Beschwerden wurde der Klägers konservativ behandelt. Bei der Vorstellung am 18.11.2002 im Katharinenhospital wurde ein Bizepssehnenriss rechts mit geringer funktioneller Einschränkung diagnostiziert. Eine Delle im Bereich des distalen Bizeps bei der Ellenbogenbeuge sei noch sichtbar. In Anbetracht der guten Funktion und der nur geringen Kraftminderung sei dem Kläger weiterhin ein konservatives Kräftigungstraining angeraten worden, der Kläger habe jedoch auf eine Operation gedrängt. Im Übrigen sei nicht von einem Arbeitsunfall auszugehen (Nachschaubericht von Prof. Dr. H. vom 19.12.2002). Im Nachschaubericht von Dr. P. vom 26.11.2002 wurde bei der Untersuchung am 26.11.2002 eine gute Funktion des rechten Arms mit noch belastungsabhängigen Beschwerden beschrieben. Der Kläger habe eine nochmalige eingehende Beratung gewünscht, ob nicht doch eine Operation eine funktionelle und kosmetische Befundverbesserung erwarten lasse. Nach mehrfacher Erinnerung durch die Beklagte teilte das Katharinenhospital zunächst telefonisch am 27.01.2003 (Anruf Dr. Sch.) und sodann mit Zwischenbericht vom 29.01.2003 mit, da der Unfallmechanismus kein Unfall im Sinne des Gesetzes gewesen sei, hätte eine kassenärztliche Behandlung ab 15.08.2002 durchgeführt werden müssen, die Weiterbehandlung erfolge entsprechend. Dem Kläger sei erneut von einer Operation abgeraten worden. Im Januar 2003 forderte die Beklagte die behandelnden Ärzte auf, keine weiteren Leistungen zu ihren Lasten zu erbringen.
Am 10.05.2005 stellte sich der Kläger wegen Schmerzen bei Kraftaufwand im rechten Arm in der Orthopädischen Klinik M. vor. Bei der Untersuchung sei die Kraft für Beugung und Supination im Ellbogengelenk voll entwickelt und im Seitenvergleich kaum eingeschränkt gewesen. Aufgrund des Zeitablaufs sei keine Möglichkeit einer operativen Anheftung des proximierten Muskelbauchanteiles gegeben (H-Arzt-Zwischenbericht von PD Dr. P. vom 18.05.2005). Mit Zwischenbericht vom 22.09.2005 teilte die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. (BG-Klinik) mit, nach Vorstellung des Klägers am 20.09.2005 in der Ambulanz wegen Restbeschwerden nach älterer Partialruptur der Bizepssehne rechts bei klinisch unauffälligem Befund werde keine operative Verbesserungsmöglichkeit gesehen. Die Behandlung sei konservativ symptomatisch vorzunehmen. Der Kläger wünsche eine innerbetriebliche Umsetzung an einen leichteren Arbeitsplatz, was zu klären wäre.
Die Beklagte bat die BG-Klinik mit Schreiben vom 13.10.2005, keine Behandlung mehr zu ihren Lasten durchzuführen, weil die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nicht erfüllt seien. Gegen dieses dem Kläger zur Kenntnis übersandte Schreiben legte er am 28.10.2005 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2006 als unbegründet zurückwies. Das alleinige Anheben von Gewichten ohne zusätzliche Einwirkungen oder die willentliche (gewollte) Armbelastung seien keine unfallbedingten Abläufe.
Am 04.01.2007 wurde in der Sportklinik in St. operativ die Revision der Bizepssehnenruptur rechts vorgenommen (Operationsbericht vom 04.01.2007 des Operateurs Oberarzt Dr. B.).
Der Kläger erhob am 20.02.2006 beim Sozialgericht Stuttgart Klage. Das Sozialgericht hörte Arbeitskollegen des Klägers schriftlich als Zeugen (schriftliche Aussage des Zeugen Y. vom 19.09.2006 und des Zeugen Sch. vom 13.10.2006) und holte von Amts wegen das orthopädische Gutachten von Dr. H. vom 01.03.2007 mit Ergänzungen vom 06.09.2007 ein. Der Sachverständige ging davon aus, dass der vom Kläger geschilderte Ablauf, er habe das in einem Metallkäfig verhakte, etwa 16 kg schwere Metallteil mit einem Ruck herausgehoben, ein geeignetes schädigendes Ereignis gewesen sei. Als Unfallfolgen bestünden noch wechselnd ausgeprägte belastungsabhängige Schmerzen nach offensichtlich wenig erfolgreicher Refixierung der Sehne. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 10 v.H. ab 17.04.2002. Der objektive Funktionsverlust sei relativ gering. Im Zusammenspiel mit offenkundigen seelischen Auffälligkeiten seien die erlebten Unfallschäden viel gravierender als die objektiven.
Außerdem holte das Sozialgericht auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das orthopädische Gutachten vom 15.04.2008 ein. Darin kam Prof. Dr. W. ebenfalls der zu Beurteilung, dass die vom Kläger bei der Untersuchung angegebene unkontrollierte Schleuderbewegungen beim Herausheben des Metallteils ein geeignetes Unfallereignis sei. Unfallbedingt könne der Kläger körperliche Arbeiten wie Heben schwerer Lasten, Umwendbewegungen wie Schrauben oder Überkopfarbeiten nicht mehr verrichten. Die körperliche Belastung habe beim Kläger zu Depressionen, Angst und Aggression geführt. Eine komplette Lähmung des nervus musculo-cutaneus rechtfertige eine MdE von 25 v.H., was beim Kläger sicherlich nicht vorliege, aber funktionell seien die genannten Muskeln in ihrem Kraftanteil etwa zur Hälfte gemindert. Zusammen mit der depressiven Persönlichkeitsstörung betrage die unfallbedingte MdE 20 v.H., zumindest ab 03.01.2007.
Die Beklagte ist dem Beweisergebnis mit der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 09.06.2008 entgegengetreten. Dr. K. teilte die Auffassung von Dr. H., dass das ruckartige Herausreißen ein geeignetes äußeres Ereignis sein könne, um die distale Bizepssehnenteilruptur herbeizuführen. Die MdE mit 10 v.H. sei nachvollziehbar. Prof. Dr. W. gehe von einer geschätzten Kraftminderung auf drei Fünftel aus, wobei im Gutachten keine Messungen dokumentiert seien. Objektive Hinweise hierfür fänden sich im Gutachten nicht, da auch bei Prof. Dr. W. wie bei Dr. H. keine Umfangsdifferenzen der Oberarmmuskulatur im Seitenvergleich erhoben werden konnten, im Unterarmbereich sei sogar eine Umfangsvermehrung zu Gunsten der rechten Seite dokumentiert. Objektiv liege ein Normalbefund für einen Rechtshänder vor. Die von Prof. Dr. W. angenommene unfallbedingte Persönlichkeitsstörung sei rein spekulativ.
Auf Antrag nach § 109 SGG holte das Sozialgericht außerdem das nervenärztliche Gutachten vom 26.08.2009 ein. Der Sachverständige Prof. Dr. T. ging in der Gesamtschau von einer Persönlichkeitsstörung vom dissozialen Typ aus, auf deren Boden sich aufgrund des Arbeitsunfalls mit seinen negativen Folgen eine unfallbedingte Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion gebildet habe. Im Mittelpunkt der depressiven Symptomatik stehe das somatische Syndrom mit Fixierung auf die Beschwerden am verletzten Arm. Die MdE betrage höchstens 20 v.H.
10 
Mit Urteil vom 09.02.2010 hob das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid vom 13.10.2005 (Widerspruchsbescheid 01.02.2006) auf und stellte das Ereignis vom 17.04.2002 als Arbeitsunfall und wechselnd ausgeprägte belastungsabhängige Schmerzen im rechten Oberarm beugeseitig nach Teilabriss der körperfernen Bizepssehne als Unfallfolgen fest. Im übrigen wies es die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich für die Feststellung des Arbeitsunfalls und der Unfallfolgen auf die Gutachten von Dr. H. und Prof. Dr. W.. Die Bewertung des Zusammenhangs zwischen Persönlichkeitsstörung sowie dem somatischen Syndrom und dem Unfallereignis sei dagegen nicht nachvollziehbar. Aus dem Gutachten von Prof. Dr. T. gehe eine unmittelbare Verknüpfung der psychiatrischen Probleme des Klägers mit dem Unfallereignis nicht hervor, sie seien vor allem wegen des Jobverlustes sowie des sozialen Abstieges entstanden. Das Unfallereignis sei vom Schweregrad auch nicht geeignet, eine Traumatisierung hervorzurufen.
11 
Das Urteil ist mit Empfangsbekenntnis dem früheren Klägerbevollmächtigten am 11.03.2010 und der Beklagten am 09.03.2010 zugestellt worden.
12 
Der Kläger hat am 24.03.2010 Berufung und die Beklagte am 20.04.2010 Anschlussberufung eingelegt.
13 
Der Kläger führt zur Begründung aus, im Parallelverfahren des Rechtsstreits um Gewährung einer Erwerbsminderungsrente vor dem Sozialgericht (S 19 R 2479/09) ergebe sich aus dem eingeholten nervenärztlichen Gutachten von Dr. P. vom 22.02.2010, dass eine schwere Anpassungsstörung mit dissozialen Zügen nach Trauma - damit sei der streitgegenständliche Arbeitsunfall gemeint - vorliege. Nach Dr. P. sei ein Gutteil der Hilflosigkeit und Wehrlosigkeit und der daraus resultierenden dissozialen Verhaltensauffälligkeiten auf die auf dem Verhalten der Beklagten beruhende Konfliktsituation zurückzuführen. Die Anschlussberufung der Beklagten sei unbegründet, denn der Vortrag zum Unfallhergang sei entgegen dem Einwand der Beklagten nicht angepasst. Diesbezüglich werde auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09. Februar 2010 abzuändern und festzustellen, dass auch eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion Folge des Arbeitsunfalls vom 17. April 2002 ist,
16 
sowie die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.
17 
Die Beklagte beantragt,
18 
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09. Februar 2010 insoweit aufzuheben als festgestellt wird, dass das Ereignis vom 17. April 2002 ein Arbeitsunfall gemäß § 8 SGB VII ist und wechselnd ausgeprägte belastungsabhängige Schmerzen im rechten Oberarm beugeseitig nach Teilabriss der körperfernen Bizepssehne Unfallfolgen sind, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen,
19 
sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
20 
Die Beklagte trägt vor, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liege nach den Erstangaben des Klägers, denen eine höherer Beweiswert zukomme, kein geeigneter Unfallhergang vor. Danach habe er Blechteile, die sich verkeilt gehabt hätten, aus einer Palette herausgehoben und dabei plötzlich einen starken Schmerz im rechten Arm verspürt. Erstmals mit der Klageschrift habe er einen komplett anderen Unfallhergang verfahrensangepasst vorgetragen. Die Ausführungen des Gutachters Dr. H., im Vergleich zu den häufigeren Rissen der langen Bizepssehne seien Risse der distalen Bizepssehne fast ausschließlich im Zusammenhang mit Unfällen und Verletzungen zu sehen, seien mit den in der unfallmedizinischen Literatur beschriebenen medizinischen Erkenntnissen nicht zu vereinbaren, wonach eine willentliche Kraftanstrengung ohne zusätzliche Einwirkung ungeeignet sei, eine körperferne Bizepssehnenruptur rechtlich wesentlich zu verursachen.
21 
Am 05.07.2010 hat ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage stattgefunden. Auf die Niederschrift vom 05.07.2010 wird verwiesen.
22 
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 19.07.2010, Schriftsatz der Beklagten vom 05.08.2010).
23 
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts einschließlich die des Klageverfahrens im Rentenrechtsstreit S 19 R 2479/09 beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, sind statthaft. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
25 
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist auch im übrigen zulässig.
26 
Die am 20.04.2010 eingelegte und daher nach dem 09.04.2010, dem Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist, eingegangene, nicht fristgerechte Berufung der Beklagten ist als unselbstständige Anschlussberufung zulässig (§ 202 SGG i. V. m. § 524 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung), wobei die an die Berufungserwiderungsfrist geknüpfte Anschlussberufungsfrist (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO) nicht gilt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 143 Rdnr. 5), denn eine vergleichbare Regelung zur Berufungserwiderung gemäß § 521 Abs. 2 i.V.m. §§ 277, 296 ZPO fehlt im sozialgerichtlichen Verfahren.
27 
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden, weshalb die Berufungen zurückzuweisen waren.
28 
Der mit der Berufung des Klägers geltend gemachte Anspruch auf Feststellung psychischer Unfallfolgen ist nicht gegeben. Ebenso wie das Sozialgericht geht der Senat davon aus, dass die übereinstimmend von den Ärzten beim Kläger diagnostizierte Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion nicht wesentlich auf das geltend gemachte Ereignis vom 17.04.2002 zurückzuführen ist.
29 
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. stellvertretend BSG Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
30 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adä-quanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Aus-gangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (Vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
31 
Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung ist auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abzustellen, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte ist so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen: Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und psychischen Gesundheitsstörungen (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O.).
32 
Eine wissenschaftlich begründete Ursachenbeurteilung sowohl nach der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als auch nach der Theorie der wesentlichen Bedingung erfordert, dass neben der Feststellung der vorliegenden Gesundheitsstörungen klar festgestellt wird, worin das oder die schädigenden Ereignisse lagen: In dem Unfallereignis selbst - vorliegend das Anheben der Metallteile -, dem Gesundheitserstschaden - vorliegend die Teilruptur der Bizepssehne mit zunächst geringen Schmerzen - oder der nachfolgenden Behandlung oder in dem Fortbestehen physischer Einschränkungen, die durch das Unfallereignis verursacht wurden (vgl. insoweit BSG a.a.O.).
33 
Nach diesen Maßstäben sind weder das Unfallereignis noch seine im oben beschriebenen Sinne unmittelbaren Auswirkungen wesentlich ursächlich für die Anpassungsstörung des Klägers, was das Sozialgericht zutreffend begründet hat.
34 
Nach dem Gutachten von Prof. Dr. T. geht die von ihm diagnostizierte Persönlichkeitsstörung mit einer niedrigen Frustrationstoleranz, forderndem Auftreten und Rachegedanken einher. Eine Aggressivität und Aggravationsneigung sowie ein intellektuelles Unvermögen, die Zusammenhänge des Arbeitsunfalls mit entsprechenden Rentenansprüchen und den gesamten sozialen Folgen zu erfassen, werden im Gutachten dargelegt. Dies stimmt mit dem von Dr. P. erhobenen psychischen Befund überein, wonach der Kläger eine aggressive dysphorische Stimmungslage und emotional instabile Persönlichkeitsanteile mit querulatorischer Entwicklung aufweist. Sowohl bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. als auch bei Dr. P. war die aggressive Haltung des Klägers deutlich geworden; bei Prof. Dr. T. drohte der Abbruch der Untersuchung aus Sicherheitsgründen, bei Dr. P. verließ der Kläger die Praxis, nachdem er das Personal angeschrien und sich aggressiv gezeigt hatte. Die mangelnde Anpassungsfähigkeit mit aggressivem, forderndem Verhalten ist auch von anderen Ärzten dokumentiert (telefonischer Bericht von Dr. Sch. vom 27.01.2003: der Kläger sei während der Behandlung "wieder" handgreiflich geworden; Entlassungsbericht des Zentrums für ambulante Rehabilitation, Stuttgart, vom 03.08.2007: Abbruch der Behandlung nach 3 Tagen wegen verbaler Entgleisungen und Angriffen auf Mitpatienten und Therapeuten). Nach Prof. Dr. T. ist die Impulskontrollstörung mit Sicherheit in abgeschwächter Form bereits vor dem Unfall vorhanden gewesen. Nach dem Unfall ist es nach psychiatrischer Beurteilung von Prof. Dr. T. und im Ergebnis auch nach Dr. P. zu einer Überlagerung durch das depressive und somatoforme Bild und zu einer Verstärkung der Symptome der dissozialen Persönlichkeitsstörung gekommen. Beide Ärzte machen hierfür nicht das Unfallereignis oder die aus orthopädischer Sicht nur geringfügige funktionelle Beeinträchtigung der Sehnenruptur verantwortlich, sondern die fortgesetzte Frustration des Klägers darüber, seine gut bezahlte Arbeit und seine Eigentumswohnung verloren zu haben, den aus seiner Sicht steten Kampf mit Behörden und Gutachtern und die als Verstümmelung verstandene körperliche Einschränkung am Oberarm.
35 
Damit ist entgegen der Auffassung von Prof. Dr. T. und Dr. P. ein wesentlicher Zusammenhang mit dem Unfall und seinen Folgen jedoch nicht zu begründen. Der Kläger behielt nach dem Unfall auch noch für eine geraume Zeit seinen Arbeitsplatz. Erst im Jahre 2007 wurde er fristlos gekündigt, weil er bei einem Personalgespräch mit der Zündung einer Bombe gedroht hatte, was Dr. P. in seinem Gutachten anamnestisch wiedergibt. Erst danach hat mit dem Verlust der Eigentumswohnung der soziale Abstieg des Klägers eingesetzt. Unfallbedingte Ursachen für den Arbeitsplatzverlust sind nicht zu erkennen. Etwaige in der Persönlichkeitsstruktur des Klägers angelegte Eigenschaften, die möglicherweise auch anteilig Anlass für die verhaltensbedingte Kündigung gegeben haben, begründen deshalb noch nicht eine wesentliche Ursache, weil sie eventuell durch den Unfall und seine Abwicklung durch die Beklagte im gutachtlichen Verständnis von Prof. Dr. T. stimuliert worden sein könnten. Aus objektiver Sicht hatte die Beklagte bei der Unfallabwicklung keine Versäumnisse zu vertreten, die für besondere Frustration und Aggression verantwortlich gemacht werden könnten. Dem Kläger wurde zunächst Heilbehandlung gewährt, nach ärztlicher Mitteilung, dass nicht von einem Arbeitsunfall auszugehen sei, war die Behandlung zwar nicht mehr zulasten der Beklagten aber in angemessener Form durch die Krankenkasse fortgeführt worden. Dass der Kläger mehrfach eine operative Therapie forderte, die ihm die im Auftrag der Beklagten tätig gewordenen Ärzte - für den Senat nachvollziehbar zu Recht - mangels Operationsindikation verweigerten, begründet ebenso wenig eine unfallbedingte mittelbare Teilursache der zunehmend stärker werdenden Ausprägung der dissozialen Persönlichkeitsstörung. Das von Dr. P. ausdrücklich als "Teilverschulden" gewertete Verhalten der Beklagten, das zu der genannten Konfliktkonstellation geführt haben soll, berücksichtigt daher allein die subjektive Sicht des Klägers, die nach dem Bild, wie es sich aus der Aktenlage ergibt, gerade aufgrund der dissozialen Persönlichkeitsstörung eine verzerrte Wahrnehmung des Klägers offenbart. Weder der Unfall noch die geringe funktionale Einschränkung am Oberarm mit der kosmetisch nicht sehr auffälligen Muskelverschmächtigung, die aber der Kläger subjektiv als Verstümmelung begreift, sind bei wertender Betrachtung ausschlaggebend für die zu Tage getretene Persönlichkeitsstörung. Zudem ist das unbefriedigende Ergebnis der vom Kläger eigenverantwortlich veranlassten Operation nicht von der Beklagten zu vertreten, vielmehr bestätigt dies die vorherige ärztliche Beurteilung, dass mit einer Operation keine Befundverbesserung erreicht werden konnte. Nach den Darlegungen von Prof. Dr. T. und Dr. P. ist davon auszugehen, dass der Arbeitsunfall lediglich Anknüpfungspunkt für die im Rahmen der Primärpersönlichkeit und seiner mangelnden sozialen Kompetenz aufgetretene, von Dr. P. beschriebene Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit ist, was aber ihre rechtlich unzutreffende Bewertung einer wesentlichen Mitursache des Arbeitsunfalls nicht zu rechtfertigen vermag.
36 
Die Anschlussberufung der Beklagten ist ebenso wenig begründet. Das Sozialgericht hat die Feststellung des Arbeitsunfalls und der Unfallfolgen zutreffend begründet.
37 
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R- a.a.O.)
38 
Wie bereits das Sozialgericht im angefochtenen Urteil ausführt, hat der Kläger bei seinen Erstangaben vom ruckartigen Anheben eines schweren Gegenstandes gesprochen, wie sich dies aus dem Durchgangsarztbericht von Dr. B. vom 16.05.2002 ergibt. Dr. H. führt in seinem Gutachten vom 01.03.2007, bekräftigt in seiner ergänzenden Äußerung vom 06.09.2007, auch für den Senat überzeugend aus, dass es sich bei der von ihm erhobenen Unfallschilderung um einen geeigneten Unfallmechanismus handelt. Der Senat verweist insoweit auf die überzeugenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts, wonach dies im Einklang mit den 5 Jahre zuvor gemachten Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Dr. B. steht. Diese Bewertung des Sachverständigen Dr. H. wird aus ärztlicher Sicht auch von Dr. K. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.06.2008 geteilt. Das ruckartige Anheben eines Gewichts mit plötzlicher Unterbrechung des Hebevorgangs, weil sich das Gewicht verkeilt hat, ist auch keiner der in der unfallmedizinischen Literatur bezeichneten ungeeigneten Unfallabläufe, auf die die Beklagte in ihrem Berufungsschriftsatz ausdrücklich hinweist (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 408). Die Einschätzung von Dr. H. und Dr. K. ist für den Senat daher nachvollziehbar. Darauf, dass der Kläger später bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W. eine unkontrollierte Schleuderbewegung angegeben hat, was tatsächlich von seinem früheren Vorbringen abweicht, kommt es nicht an. Ebenso wenig ist maßgebend, dass ca. 50 % der Verletzungen der körperfernen Bizepssehnen auf degenerative Vorschäden zurückzuführen seien, wie die Beklagte weiter vorträgt. Nach Dr. H. und Dr. K. stimmt die Beschwerdesymptomatik und der Magnetresonanztomographie-Befund mit einer traumatisch bedingten Genese überein. Weder sind einschlägige Vorerkrankungen an der Bizepssehne des Klägers ermittelt worden noch ist aus dem Unfallablauf erkennbar, dass die Teilruptur der Bizepssehne allein wesentlich auf degenerativen Veränderungen beruht. Auch erreicht das Unfallereignis in seiner Intensität der Einwirkung auf die Bizepssehne nicht nur das Ausmaß einer Alltagsbelastung, was den Rückschluss auf eine erhebliche unfallvorbestehende Sehnendegeneration zuließe (vgl. zu dieser Voraussetzung Urteil des Senats vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 -, veröff. in www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris).
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
40 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
24 
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, sind statthaft. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
25 
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist auch im übrigen zulässig.
26 
Die am 20.04.2010 eingelegte und daher nach dem 09.04.2010, dem Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist, eingegangene, nicht fristgerechte Berufung der Beklagten ist als unselbstständige Anschlussberufung zulässig (§ 202 SGG i. V. m. § 524 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung), wobei die an die Berufungserwiderungsfrist geknüpfte Anschlussberufungsfrist (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO) nicht gilt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 143 Rdnr. 5), denn eine vergleichbare Regelung zur Berufungserwiderung gemäß § 521 Abs. 2 i.V.m. §§ 277, 296 ZPO fehlt im sozialgerichtlichen Verfahren.
27 
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden, weshalb die Berufungen zurückzuweisen waren.
28 
Der mit der Berufung des Klägers geltend gemachte Anspruch auf Feststellung psychischer Unfallfolgen ist nicht gegeben. Ebenso wie das Sozialgericht geht der Senat davon aus, dass die übereinstimmend von den Ärzten beim Kläger diagnostizierte Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion nicht wesentlich auf das geltend gemachte Ereignis vom 17.04.2002 zurückzuführen ist.
29 
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. stellvertretend BSG Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
30 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adä-quanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Aus-gangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (Vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
31 
Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung ist auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abzustellen, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte ist so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen: Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und psychischen Gesundheitsstörungen (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O.).
32 
Eine wissenschaftlich begründete Ursachenbeurteilung sowohl nach der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als auch nach der Theorie der wesentlichen Bedingung erfordert, dass neben der Feststellung der vorliegenden Gesundheitsstörungen klar festgestellt wird, worin das oder die schädigenden Ereignisse lagen: In dem Unfallereignis selbst - vorliegend das Anheben der Metallteile -, dem Gesundheitserstschaden - vorliegend die Teilruptur der Bizepssehne mit zunächst geringen Schmerzen - oder der nachfolgenden Behandlung oder in dem Fortbestehen physischer Einschränkungen, die durch das Unfallereignis verursacht wurden (vgl. insoweit BSG a.a.O.).
33 
Nach diesen Maßstäben sind weder das Unfallereignis noch seine im oben beschriebenen Sinne unmittelbaren Auswirkungen wesentlich ursächlich für die Anpassungsstörung des Klägers, was das Sozialgericht zutreffend begründet hat.
34 
Nach dem Gutachten von Prof. Dr. T. geht die von ihm diagnostizierte Persönlichkeitsstörung mit einer niedrigen Frustrationstoleranz, forderndem Auftreten und Rachegedanken einher. Eine Aggressivität und Aggravationsneigung sowie ein intellektuelles Unvermögen, die Zusammenhänge des Arbeitsunfalls mit entsprechenden Rentenansprüchen und den gesamten sozialen Folgen zu erfassen, werden im Gutachten dargelegt. Dies stimmt mit dem von Dr. P. erhobenen psychischen Befund überein, wonach der Kläger eine aggressive dysphorische Stimmungslage und emotional instabile Persönlichkeitsanteile mit querulatorischer Entwicklung aufweist. Sowohl bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. als auch bei Dr. P. war die aggressive Haltung des Klägers deutlich geworden; bei Prof. Dr. T. drohte der Abbruch der Untersuchung aus Sicherheitsgründen, bei Dr. P. verließ der Kläger die Praxis, nachdem er das Personal angeschrien und sich aggressiv gezeigt hatte. Die mangelnde Anpassungsfähigkeit mit aggressivem, forderndem Verhalten ist auch von anderen Ärzten dokumentiert (telefonischer Bericht von Dr. Sch. vom 27.01.2003: der Kläger sei während der Behandlung "wieder" handgreiflich geworden; Entlassungsbericht des Zentrums für ambulante Rehabilitation, Stuttgart, vom 03.08.2007: Abbruch der Behandlung nach 3 Tagen wegen verbaler Entgleisungen und Angriffen auf Mitpatienten und Therapeuten). Nach Prof. Dr. T. ist die Impulskontrollstörung mit Sicherheit in abgeschwächter Form bereits vor dem Unfall vorhanden gewesen. Nach dem Unfall ist es nach psychiatrischer Beurteilung von Prof. Dr. T. und im Ergebnis auch nach Dr. P. zu einer Überlagerung durch das depressive und somatoforme Bild und zu einer Verstärkung der Symptome der dissozialen Persönlichkeitsstörung gekommen. Beide Ärzte machen hierfür nicht das Unfallereignis oder die aus orthopädischer Sicht nur geringfügige funktionelle Beeinträchtigung der Sehnenruptur verantwortlich, sondern die fortgesetzte Frustration des Klägers darüber, seine gut bezahlte Arbeit und seine Eigentumswohnung verloren zu haben, den aus seiner Sicht steten Kampf mit Behörden und Gutachtern und die als Verstümmelung verstandene körperliche Einschränkung am Oberarm.
35 
Damit ist entgegen der Auffassung von Prof. Dr. T. und Dr. P. ein wesentlicher Zusammenhang mit dem Unfall und seinen Folgen jedoch nicht zu begründen. Der Kläger behielt nach dem Unfall auch noch für eine geraume Zeit seinen Arbeitsplatz. Erst im Jahre 2007 wurde er fristlos gekündigt, weil er bei einem Personalgespräch mit der Zündung einer Bombe gedroht hatte, was Dr. P. in seinem Gutachten anamnestisch wiedergibt. Erst danach hat mit dem Verlust der Eigentumswohnung der soziale Abstieg des Klägers eingesetzt. Unfallbedingte Ursachen für den Arbeitsplatzverlust sind nicht zu erkennen. Etwaige in der Persönlichkeitsstruktur des Klägers angelegte Eigenschaften, die möglicherweise auch anteilig Anlass für die verhaltensbedingte Kündigung gegeben haben, begründen deshalb noch nicht eine wesentliche Ursache, weil sie eventuell durch den Unfall und seine Abwicklung durch die Beklagte im gutachtlichen Verständnis von Prof. Dr. T. stimuliert worden sein könnten. Aus objektiver Sicht hatte die Beklagte bei der Unfallabwicklung keine Versäumnisse zu vertreten, die für besondere Frustration und Aggression verantwortlich gemacht werden könnten. Dem Kläger wurde zunächst Heilbehandlung gewährt, nach ärztlicher Mitteilung, dass nicht von einem Arbeitsunfall auszugehen sei, war die Behandlung zwar nicht mehr zulasten der Beklagten aber in angemessener Form durch die Krankenkasse fortgeführt worden. Dass der Kläger mehrfach eine operative Therapie forderte, die ihm die im Auftrag der Beklagten tätig gewordenen Ärzte - für den Senat nachvollziehbar zu Recht - mangels Operationsindikation verweigerten, begründet ebenso wenig eine unfallbedingte mittelbare Teilursache der zunehmend stärker werdenden Ausprägung der dissozialen Persönlichkeitsstörung. Das von Dr. P. ausdrücklich als "Teilverschulden" gewertete Verhalten der Beklagten, das zu der genannten Konfliktkonstellation geführt haben soll, berücksichtigt daher allein die subjektive Sicht des Klägers, die nach dem Bild, wie es sich aus der Aktenlage ergibt, gerade aufgrund der dissozialen Persönlichkeitsstörung eine verzerrte Wahrnehmung des Klägers offenbart. Weder der Unfall noch die geringe funktionale Einschränkung am Oberarm mit der kosmetisch nicht sehr auffälligen Muskelverschmächtigung, die aber der Kläger subjektiv als Verstümmelung begreift, sind bei wertender Betrachtung ausschlaggebend für die zu Tage getretene Persönlichkeitsstörung. Zudem ist das unbefriedigende Ergebnis der vom Kläger eigenverantwortlich veranlassten Operation nicht von der Beklagten zu vertreten, vielmehr bestätigt dies die vorherige ärztliche Beurteilung, dass mit einer Operation keine Befundverbesserung erreicht werden konnte. Nach den Darlegungen von Prof. Dr. T. und Dr. P. ist davon auszugehen, dass der Arbeitsunfall lediglich Anknüpfungspunkt für die im Rahmen der Primärpersönlichkeit und seiner mangelnden sozialen Kompetenz aufgetretene, von Dr. P. beschriebene Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit ist, was aber ihre rechtlich unzutreffende Bewertung einer wesentlichen Mitursache des Arbeitsunfalls nicht zu rechtfertigen vermag.
36 
Die Anschlussberufung der Beklagten ist ebenso wenig begründet. Das Sozialgericht hat die Feststellung des Arbeitsunfalls und der Unfallfolgen zutreffend begründet.
37 
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R- a.a.O.)
38 
Wie bereits das Sozialgericht im angefochtenen Urteil ausführt, hat der Kläger bei seinen Erstangaben vom ruckartigen Anheben eines schweren Gegenstandes gesprochen, wie sich dies aus dem Durchgangsarztbericht von Dr. B. vom 16.05.2002 ergibt. Dr. H. führt in seinem Gutachten vom 01.03.2007, bekräftigt in seiner ergänzenden Äußerung vom 06.09.2007, auch für den Senat überzeugend aus, dass es sich bei der von ihm erhobenen Unfallschilderung um einen geeigneten Unfallmechanismus handelt. Der Senat verweist insoweit auf die überzeugenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts, wonach dies im Einklang mit den 5 Jahre zuvor gemachten Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Dr. B. steht. Diese Bewertung des Sachverständigen Dr. H. wird aus ärztlicher Sicht auch von Dr. K. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.06.2008 geteilt. Das ruckartige Anheben eines Gewichts mit plötzlicher Unterbrechung des Hebevorgangs, weil sich das Gewicht verkeilt hat, ist auch keiner der in der unfallmedizinischen Literatur bezeichneten ungeeigneten Unfallabläufe, auf die die Beklagte in ihrem Berufungsschriftsatz ausdrücklich hinweist (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 408). Die Einschätzung von Dr. H. und Dr. K. ist für den Senat daher nachvollziehbar. Darauf, dass der Kläger später bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W. eine unkontrollierte Schleuderbewegung angegeben hat, was tatsächlich von seinem früheren Vorbringen abweicht, kommt es nicht an. Ebenso wenig ist maßgebend, dass ca. 50 % der Verletzungen der körperfernen Bizepssehnen auf degenerative Vorschäden zurückzuführen seien, wie die Beklagte weiter vorträgt. Nach Dr. H. und Dr. K. stimmt die Beschwerdesymptomatik und der Magnetresonanztomographie-Befund mit einer traumatisch bedingten Genese überein. Weder sind einschlägige Vorerkrankungen an der Bizepssehne des Klägers ermittelt worden noch ist aus dem Unfallablauf erkennbar, dass die Teilruptur der Bizepssehne allein wesentlich auf degenerativen Veränderungen beruht. Auch erreicht das Unfallereignis in seiner Intensität der Einwirkung auf die Bizepssehne nicht nur das Ausmaß einer Alltagsbelastung, was den Rückschluss auf eine erhebliche unfallvorbestehende Sehnendegeneration zuließe (vgl. zu dieser Voraussetzung Urteil des Senats vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 -, veröff. in www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris).
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
40 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Tenor

Die Beschwerde des Landes Baden-Württemberg gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 8. August 2005 wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.

Gründe

 
I
Mit der Klage im Ausgangsverfahren begehrte der Kläger, unter Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 06.12.1996, mit welchem ihm die Beklagte des Ausgangsverfahrens wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 21.04.1995 eine Rente nach einer MdE von 40 v. H gewährte, ihm eine Rente nach einer MdE von 100 v. H zu gewähren. Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) holte das Sozialgericht das neuropsychologische Gutachten des Psychologischen Psychotherapeuten M. vom 23.08.2002 ein. Nach Einholen eines psychiatrischen Gutachtens und eines psychologischen Zusatzgutachtens vom 19.08.2003 von Amts wegen hob das Sozialgericht den Bescheid vom 25.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.04.2002 auf und verurteilte die Beklagte, den Bescheid vom 06.12.1996 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger für die Zeit vom 23.12.1995 bis 31.12.1996 noch Zahlung in Höhe von EUR 8.432,02 und ab 01.01.1997 eine Verletztenrente auf Grundlage einer MdE in Höhe von 80 v. H. einer Vollrente nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab (Urteil vom 19.07.2005). Gegen dieses Urteil haben beide Beteiligte Berufung eingelegt, die beim erkennenden Senat noch anhängig ist (L 1 U 3436/05).
Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 08.08.2005 die entstandenen Kosten der Begutachtung durch den Psychologischen Psychotherapeuten M. sowie die baren Auslagen und den Lohnausfall als Gerichtskosten übernommen, weil auf Grund der Ausführungen des Herrn M. es sich veranlasst gesehen habe, weitere Ermittlungen anzustellen und ein psychiatrisches Gutachten und ein psychologisches Zusatzgutachten einzuholen. Zudem habe sich das Gericht in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen auf die Ausführungen von Herrn M. gestützt, weshalb das Gutachten für die gerichtliche Entscheidung Bedeutung gewonnen habe.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner des vorliegenden Verfahrens am 22.08.2005 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 18.10.2005). Im Einverständnis der Beteiligten hat der Senat das Ruhen des Beschwerdeverfahrens angeordnet (Beschluss vom 22.12.2005). Der Antragsgegner hat das ruhende Verfahren wieder angerufen und unter Hinweis auf den Beschluss des 9. Senats vom 16.05.2006 (L 9 R 4263/04 KO-B) um Entscheidung zu seinem Beschwerderecht gebeten.
Der Kläger hat sich der Auffassung des Beschlusses des 9. Senats vom 16.05.2006 angeschlossen.
II
Die Beschwerde des Antragsgegners ist unzulässig, denn der Staatskasse steht keine Beschwerdebefugnis in den Verfahren zur endgültigen Übernahme von Kosten nach § 109 SGG zu.
Der Senat hält damit an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest. Er geht ebenso wie der 9. Senat in dessen Beschluss vom 16.05.2006 (L 9 R 4263/04 KO-B) von der Unzulässigkeit der Beschwerde des Bezirksrevisors aus.
Nach § 109 Abs. 1 SGG muss auf Antrag des Versicherten, des Behinderten, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.
Das Recht auf Ermittlungen nach § 109 SGG steht dem Verfahrensbeteiligten auch dann zu, wenn das Gericht keine Veranlassung sieht, aufgrund der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG den Sachverhalt weiter aufzuklären (allg. Meinung; vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. § 109 Rdnr. 1 und 2 m. w. N.).
In dem das Beschwerderecht des Bezirksrevisors bejahenden Beschluss des 9. Senats vom 15.02.1978 (L 9 KO 110/77 B-3), dem sich in der Folge zunächst alle Senate des Landessozialgerichts Baden-Württemberg angeschlossen hatten, wird die Entscheidung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht als Nebenentscheidung im Prozess zwischen dem klagenden Antragsteller und der Behörde, sondern als eine außerhalb des Streitverfahrens zu treffende Entscheidung bezeichnet, die Rechtsbeziehungen zwischen dem Antragsteller nach § 109 SGG und dem Fiskus betreffe. Kosten einer aufgrund der Amtsermittlungspflicht erforderlichen Beweiserhebung seien vom Fiskus zu tragen, ohne dass dieser dagegen Einwendungen erheben könne. Nach Abschluss der Ermittlungen von Amts wegen ende jedoch die Kostenfreiheit und damit auch die Kostentragungspflicht des Fiskus. Kosten der außerhalb der Amtsermittlung erfolgenden Beweiserhebung nach § 109 SGG habe grundsätzlich der Kläger zu tragen. Wenn abweichend von dieser Regel der Staatskasse die Kosten aufgebürdet würden, sei der Fiskus beschwert und als Beteiligter des Kostenstreit anzusehen (so auch u. a. Pawlak in Hennig, SGG, § 109 Rdnr. 80; Roller in Lüdtke, SGG, Kommentar 2005 § 109 Rdnr. 28) und deshalb nach § 172 Abs. 1 SGG berechtigt, Beschwerde einzulegen.
10 
Der Senat vertritt demgegenüber jetzt eine andere Rechtsauffassung.
11 
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte in einem Rechtszug beteiligt sind (§ 183 Satz 1 SGG). Nach § 183 Satz 4 SGG bleibt die Regelung in § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG, wonach die vom Kläger beantragte Anhörung eines bestimmten Arztes von der Vorschussleistung abhängig gemacht werden kann, unberührt. Das Gutachten nach § 109 SGG ist ein Gerichtsgutachten. Die Kosten einer nach § 109 SGG beantragten Anhörung eines bestimmten Arztes sind, wie auch die Kosten einer von Amts wegen aufgenommenen Beweisaufnahme, Gerichtskosten, zu denen nach § 1 GKG die Auslagen gehören. Auslagen sind grundsätzlich die nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu zahlenden Beträge (Nr. 9005 des Kostenverzeichnisses) § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG räumt dem Gericht ein Ermessen ein, die beantragte Anhörung eines Arztes nach § 109 SGG davon abhängig zu machen, dass der Antragsteller die Kosten der Anhörung vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. In der Regel entspricht es fehlerfreiem Ermessen, einen Kostenvorschuss anzufordern, weil nach der freien Beweiswürdigung des Gerichts - weitere - Ermittlungen auf Grund der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht nicht geboten sind. Eine darüber hinausgehende Sachaufklärung soll nicht zu Lasten der Staatskasse erfolgen (BSG, NZS 1998, 302 = SozR 3-1500 § 109 Nr. 2). Diese Wertung folgt schon aus dem Umstand, dass Prozesskostenhilfe für das Gutachten nach § 109 SGG nicht bewilligt werden kann (§ 73 a Abs. 3 SGG). Als Ermessenserwägungen für den Verzicht auf die Anforderung des Kostenvorschusses werden - durchaus streitig - diskutiert (vgl. die Nachweise bei Meyer-Ladewig, a. a. O., § 109 Rdnr. 13; Pawlak in Hennig, SGG, § 109 Rdnr. 36; Peters-Sautter-Wolff; Kommentar Sozialgerichtsbarkeit, § 109 SGG, Nr. 5 Seite II/74-71) die nicht ganz chancenlose Möglichkeit einer weiteren Sachaufklärung durch das Gutachten, eine besondere wissenschaftliche Reputation des genannten Arztes bzw. dessen Verfügbarkeit über neue Untersuchungsmöglichkeiten, die Mittellosigkeit des Antragstellers oder der Umstand, dass ansonsten nur auf Grund der in den Akten befindlichen Gutachten zu entscheiden wäre. Das Gericht ist somit nicht daran gehindert, im Rahmen des im zustehenden Ermessens die beantragte Anhörung nach § 109 SGG durchzuführen, ohne sie von der Erfüllung der Auflage an den Kläger, einen Kostenvorschuss einzuzahlen, abhängig zu machen. Den Erlass der Beweisanordnung nach § 109 SGG ohne Anforderung des Kostenvorschusses kann die Staatskasse unstreitig nicht rügen, denn diese Beweisanordnung ist als prozessleitende Verfügung nicht anfechtbar (§ 172 Abs. 2 SGG). In diesem Fall ist nach dem Gesetzeswortlaut auch eine Entscheidung über die endgültige Kostentragung entbehrlich, da die entstandenen Gerichtskosten der Kostenfreiheit nach § 183 SGG unterliegen (allgemeine Meinung, vgl. Pawlak, a.a.O. Rdnr. 38; Peters-Sautter-Wolff, a.a.O., Seite II/74-73). Die Entscheidung, die gutachterliche Anhörung des Arztes nach § 109 SGG ohne Anforderung eines Kostenvorschusses durchzuführen, ist eine abschließende Entscheidung des Gerichts. Sie entzieht sich einer Abänderung, weil es hierfür an einer Rechtsgrundlage fehlt (h.M.; vgl. Peters-Sautters-Wolff, a.a.O., II/74-73, im Ergebnis ebenso Mayer-Ladewig u. a., a.a.O., Rdnr. 14, verneinend auch, wenn mit der Beweisanordnung eine spätere Kostenentscheidung vorbehalten wurde). Für ein Rüge- oder Beschwerderecht der Staatskasse bei Verzicht auf einen Kostenvorschuss ist daher kein Raum.
12 
Ist dagegen ein Kostenvorschuss angefordert worden, wie im vorliegenden Fall, bedarf es jedenfalls dann einer Entscheidung des Gerichts, wenn nicht dem Kläger, sondern der Staatskasse die Kosten endgültig zur Last fallen sollen. Die Anforderung des Kostenvorschusses ist eine Ausnahme vom Grundsatz der Kostenfreiheit, wonach Verfahrenskosten grundsätzlich nicht dem kostenprivilegierten Beteiligten als Gerichtskosten auferlegt werden können. Die Ermessensentscheidung zur Übernahme der Kosten auf die Staatskasse ist nach allgemeiner Überzeugung ermessensgerecht, wenn das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten die Sachaufklärung wesentlich gefördert hat (Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnr. 16 a). Das Gericht hat somit bei der Entscheidung auf Übernahme der Kosten auf die Staatskasse ebenso Ermessensüberlegungen anzustellen, wie beim Verzicht auf die Anforderung eines Kostenvorschusses, nur sind im dortigen Verfahrensstadium die Überlegungen naturgemäß auf eine Prognose der Verfahrensförderlichkeit ausgerichtet, deren Richtigkeit im Sinne einer Belastung der Staatskasse diese nicht überprüfen kann.
13 
In welcher Form die dem Gericht vorbehaltene andere Entscheidung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zu ergehen hat, ist nicht geregelt. Grundsätzlich ist mit der Hauptsache auch über die Kosten zu entscheiden, weshalb neben der zu treffenden Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten nach § 193 SGG auch eine Entscheidung zu den Gerichtskosten nach § 109 SGG zu ergehen hat. Diese kann in einem gesonderten Beschluss, aber auch im Urteil oder Gerichtsbescheid getroffen werden. Dabei hat das Gericht folgerichtig auf den für seine Hauptsacheentscheidung maßgeblichen Beitrag des Gutachtens nach § 109 SGG zum Zeitpunkt seiner Entscheidung abzustellen.
14 
Die Kostenentscheidung im Urteil oder im Gerichtsbescheid ist in diesem Fall nur mit dem gebotenen Rechtsmittel anfechtbar. Die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung mit der Berufung ist ausgeschlossen (§ 144 Abs. 4 SGG). Der Kläger/Antragsteller nach § 109 SGG kann daher nur mit seiner eigenen Berufung die ihm auferlegte Kostentragung anfechten. Das Berufungsgericht berücksichtigt bei der einheitlich zu ergehenden Kostenentscheidung, die dann auch die Kosten nach § 109 SGG umfasst, wie sonst auch, den Verfahrensgang und den Beitrag des Gutachtens nach § 109 SGG für seine Kostentscheidung. Der Grundsatz des Verbots der reformatio in peius gilt bei der Kostenentscheidung nicht (allgemeine Meinung; vgl. u. a. Meyer-Ladewig a. a. O. § 193 Rdnr. 16 mit Hinweis auf BSGE 62, 131, 136). Ob ausnahmsweise die nicht auf die Staatskasse übernommenen Kosten als außergerichtliche Kosten zu den erstattungsfähigen Kosten nach § 193 SGG gehören (in Ausnahmefällen bejahend Peters-Sautter-Wolff a. a. O., S. II/74-76) kann dahinstehen. Der am Hauptsacheverfahren nicht beteiligten Staatskasse steht von vornherein kein Rechtsbehelf gegen die Kostenentscheidung im Urteil oder Gerichtsbescheid zu. Als Nichtverfahrensbeteiligter kann die Staatskasse nicht Berufung, der im Übrigen auch § 144 Abs. 4 SGG entgegengehalten werden könnte, einlegen. Die Beschwerde gegen das Urteil bzw. den Gerichtsbescheid ist - mit Ausnahme der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 145 SGG - nicht statthaft (§ 172 SGG).
15 
Entscheidet das Sozialgericht über die Gerichtskosten statt in der Hauptsache in einem kostenrechtlichen Nebenverfahren durch gesonderten Beschluss, kann nichts anderes gelten.
16 
Verfahrensgegenstand dieses kostenrechtlichen Nebenverfahrens ist die Frage, ob die im Hauptsacheverfahren angefallenen Gerichtskosten einer Ermittlung nach § 109 SGG der generellen Kostenfreiheit nach § 183 SGG unterfallen oder als Ausnahme hiervon als Gerichtskosten vom Kläger zu tragen sind. Verfahrensgegenstand ist deshalb eine Kostenentscheidung dem Grunde nach und nicht etwa eine nachträgliche Abänderung der Beweisanordnung nach § 109 SGG in eine solche auf der Amtsermittlungspflicht beruhende Beweisanordnung nach §§ 103, 106 SGG, die generell nach § 172 Abs. 2 SGG nicht anfechtbar wäre.
17 
Beteiligter dieses Nebenverfahrens ist nur der Kläger, denn die Beklagte kommt als Kostenschuldner nicht in Betracht. Die Staatskasse ist bereits formal im Hauptsacheverfahren nicht beteiligt, sodass hieraus ein formaler Beteiligtenstatus im Nebenverfahren ebenfalls nicht zu begründen ist. Verfahren mit nur einem Beteiligten sind den Verfahrensordnungen nicht fremd (vgl. etwa das Beschwerdeverfahren des Zeugen oder des Sachverständigen gegen ein verhängtes Ordnungsmittel). Eine materielle Beschwer der Staatskasse ist ebenfalls nicht zu begründen. Zwar können im Beschwerdeverfahren auch Dritte, d. h. Nichtprozessbeteiligte, die Verletzung subjektiver Rechte geltend machen, doch scheidet dies vorliegend aus (so auch der 9. Senat, Beschluss vom 16.05.2006, a. a. O.; dagegen a. A. der 8. und 11. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, vgl. Beschluss vom 23.1.2006 - L 8. SB 3834/05 KO-B und vom 28.11.2005 - L 11 R 4141/05 KO-B), weil der Staatskasse subjektive Rechte nicht zustehen und Befugnisse insoweit einer Ermächtigung durch Gesetz bedürfen.
18 
Die durch die Kostenfreiheit in der Sozialgerichtsbarkeit veranlasste Bereitstellung staatlicher Mittel ist die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben. Sofern zunächst vom Prozessbeteiligten erbrachte Aufwendungen in dem gesetzlich geregelten Fall einer Ausnahme von der generellen Kostenfreiheit nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG von der Staatskasse zu übernehmen sind, gehört dies zur Wahrnehmung der im öffentlichen Interesse liegenden staatlichen Aufgaben, Mittel im Rahmen der Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens bereitzustellen. Die Wahrnehmung allein öffentlicher Interessen im gerichtlichen Verfahren bedarf aber einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage (so auch der 9. Senat, a. a. O.), wie sie die bestehenden Regelungen der Kostengesetze zum Beschwerderecht der Staatskasse darstellen (z. B. § 66 Abs. 1 GKG, § 14 Abs. 2 KostenO, § 4 Abs. 3 JVEG, § 127 Abs. 3 ZPO).
19 
Eine konkret auf den vorliegenden Fall anwendbare Rechtsgrundlage zum Beschwerderecht der Staatskasse liegt nicht vor. § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG enthält nur eine Kostenregelung, vergleichbar der Kostenregelung nach § 197a SGG für den Bereich der gerichtskostenpflichtigen Streitigkeiten. Die Beschwerdebefugnis der Staatskasse ist weder ausdrücklich normiert worden noch ergibt sich eine solche durch Auslegung oder analoge Anwendung.
20 
Nach der Systematik des SGG hat die Staatskasse kein Rügerecht bei einer Beweisanordnung nach § 109 SGG ohne Vorschussanforderung oder bei einer die Staatskasse belastenden Kostenentscheidung im Urteil oder Gerichtsbescheid. Eine an Systematik der Regelungen des SGG oder am Gesetzeszweck des § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG orientierte Auslegung findet für ein Beschwerderecht der Staatskasse keinen Ansatz. Auch die der Staatskasse ein Beschwerderecht einräumenden, bestehenden kostenrechtlichen Vorschriften betreffen nur die Anfechtung der Kosten der Höhe nach, eine generelle Anfechtung der Kostengrundentscheidung ist darin nicht geregelt. Dies gilt auch für die der Interessenlage noch am ehesten vergleichbare Regelung nach § 127 Abs. 3 ZPO, die der Staatskasse ein Beschwerderecht nur insoweit einräumt, als die - rechnerische - Richtigkeit der Bedürftigkeit zur Überprüfung des Beschwerdegerichts gestellt werden kann, nicht jedoch die volle inhaltliche Überprüfung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und damit die Belastung der Staatskasse, da die Beurteilung der Erfolgsaussicht des Rechtsmittels mit der Beschwerde der Staatskasse nicht gerügt werden kann (so auch der 9. Senat, Beschluss vom 16.05.2006, a.a.O., m. H. a. BGHZ 119, 372, 374). Ein generelles Beschwerderecht der Staatskasse in den Fällen, in denen eine sie belastende Kostenentscheidung ergehen könnte, ist den genannten Regelungen nicht als allgemeine Zwecksetzung zu entnehmen.
21 
Für die Annahme einer gesetzgeberischen ungeplanten Regelungslücke hat der Senat überdies keinen Anhaltspunkt. Die analoge Anwendung der genannten Vorschriften zum Beschwerderecht der Staatskasse ist daher nicht geboten, zumal das SGG mehrere grundsätzliche Änderungen erfahren hat, ohne dass insoweit eine Beschwerdebefugnis der Staatskasse eingeführt wurde, obwohl die Mehrzahl der Landessozialgerichte eine Beschwerdebefugnis ablehnt (vgl. die Nachweise im Beschluss des 9. Senats vom 16.05.2006, a.a.O.).
22 
Die Kosten des Beschwerdeverfahren trägt die Staatskasse.
23 
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.