Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2015 - L 6 U 4127/12

bei uns veröffentlicht am22.01.2015

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. September 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Ereignisses am 21.04.2008 als Arbeitsunfall.
Der am … 1951 geborene Kläger ist angelernter Gerüstbauer. Er war seit 2003 bei der D. D.- und M. GmbH versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Beklagten unfallversichert. Am 21.04.2008 trennte er gemeinsam mit einem Kollegen, dem Zeugen R., an einem Gebäude in H./F. am M. Balkone ab, deren Betonplatten zur Absicherung mit Bauankern an der Fassade befestigt waren. An einem der Balkone löste sich eine Halterung, eine andere riss komplett aus der Wand. Der Kläger versuchte, die Betonplatte nach außen zu drücken, um Schäden am Gebäude zu verhindern. Der Kläger gab danach Schmerzen am rechten Arm und der rechten Schulter an und arbeitete nicht weiter, fuhr aber den Pkw mit dem Zeugen, der keinen Führerschein hatte, nach Hause.
Ca. zwei Monate später, am 19.06.2008, begab er sich in fachorthopädische Behandlung und klagte über Schmerzen in beiden Schultern, rechts mehr als links, insbesondere bei Elevation sowie muskuläre Schwäche bei Elevation, Atrophie der Oberarmmuskulatur rechts. Am selben Tag wurde ein Magnetresonanztomogramm (MRT) des rechten Schultergelenks gefertigt. Dies zeigte ein Impingement-Syndrom bei deutlicher AC-Gelenksarthrose und leichten knöchernen Anbauten an der Acromionunterfläche und eine Partialruptur der Supraspinatussehne (Arztbrief des Facharztes für diagnostische Radiologie Dr. M. vom 30.06.2008, Bl 173 VV). Das MRT der Halswirbelsäule (HWS) vom 18.07.2008 zeigte eine multisegmentale Spinalkanalstenose C 2 – C 7 mit Osteochondrosen und breiten Bandscheibenvorfällen mit reaktiven Retrospondylophyten bei zusätzlicher Impression des Myeloms; Foramenstenosen C 4/5 und C 5/6 und einen Bandscheibenprolaps C 6/7 links foraminal mit möglichen Irritationen der austretenden Wurzel (Arztbrief Dr. M. vom 2.07.2008, Bl 171 VV). Festgestellt wurde eine multisegmentale zervikale Spinalstenose mit Maximum C 6/7 und radiologischen Zeichen einer zervikalen Myelopathie (Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 28.07.2008, Bl 167 VV). Es bestehe eine progrediente Kraftlosigkeit am rechten Arm; Beginn bei der Arbeit, als er versucht habe, einen abgeschnittenen Balkon zu halten. Facharzt für Orthopädie Dr. M. befundete eine deutliche Muskelatrophie; eher im Bizeps oder C 6-Bereich, seit ca. 12 Wochen nach Arbeiten an einem Balkon mit Heben und Tragen schwerer Lasten (Arztbrief vom 28.07.2008, Bl 169 VV). Zwei Operationen an der HWS am 03.12.2008 und 12.08.2009 (ventrale Fusion, Klinikum M., Arztbrief vom 20.01.2009, Bl 69; zervikale Dekompression, Universitätsklinikum H., Arztbrief vom 21.09.2009, Bl 31 VV) bewirkten keine durchgreifende Beschwerdebesserung. Neurologische Diagnostik ergab keine weiterführenden Erkenntnisse (Stadtklinik B., Neurologische Klinik, Arztbrief vom 25.02.2009, Bl 51 VV; 23.03.2009, Bl 85 VV: Verdacht auf Armplexusneuritis, Cortisonbehandlung; Orthopädische Universitätsklinik H., Arztbrief vom 02.04.2009, Bl 89 VV; keine nennenswerte Besserung der Atrophie; Universitätsklinikum H., Neurologische Klinik, Arztbrief vom 19.08.2009: V. a. vorderes Rückenmarkssyndrom, im Elektromyogramm kein eindeutiger Befund). Nachdem der Kläger auf die Aufforderung der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg hin einen Rentenantrag gestellt hatte, wurde er vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. begutachtet, der im Gutachten vom 04.09.2009 einen nicht eindeutig erklärbaren Befund, klinisch eine offenbar schmerzfreie proximale Parese der rechten oberen Extremität, im Übrigen keine weiteren neurologischen Störungen, feststellte (Bl 105 ff VV). Der Orthopäde Dr. S. stellte im Gutachten vom 23.09.2009 (Bl 115 ff VV) eine hochgradige Parese des rechten Armes mit nur minimaler Restbeweglichkeit in der Schulter und völligem Bewegungsausfall im Ellenbogengelenk, deren Ursache in einer Spinalkanalstenose der HWS zu finden sei, fest. Die Bewegungen der rechten Hand und der Finger der rechten Hand seien durch starke Kraftminderung erheblich beeinträchtigt. Die erhaltenen Funktionen näherten sich denen der funktionalen Einarmigkeit an.
Der Kläger war seit dem 02.12.2008 arbeitsunfähig (Bl 47 VV) und bezog zunächst Krankengeld, anschließend seit 01.07.2009 bis zunächst 30.06.2012 befristet Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid vom 03.12.2009, Bl 141 VV).
Am 03.12.2009 zeigte der Kläger den Unfall über seinen Bevollmächtigten bei der Beklagten an. Von ihm, dem Bevollmächtigten, befragt, ob er seine Beschwerden im Armbereich bzw. deren Beginn an irgendeinem Ereignis im vergangenen Jahr festmachen könne, habe der Kläger gemeint, dass insoweit nur eine gewissermaßen Kleinigkeit in Betracht komme, welcher er in Bezug auf sein gesundheitliches Befinden keine Bedeutung beigemessen habe. Am 14.01.2010 erfolgte die Unfallanzeige des Arbeitsgebers. Darin gab dieser an, als sich an einem der Balkone, die der Kläger habe abtrennen sollen, eine Halterung gelöst, die andere aus der Wand gerissen sei, habe der Kläger mit eigener Kraft versucht, die Betonplatte nach außen zu drücken, um größere Schäden zu verhindern. Als Zeugen gab der Arbeitgeber den Kollegen des Klägers, B. R., an. Die Beklagte befragte den Zeugen R. schriftlich. Dieser gab mit Schreiben vom 09.02.2010 an, es sei alles gesichert gewesen, dann sei der Balkon gebrochen, er habe bloß noch einen Schrei gehört, gefragt, was los sei. Der Kläger habe gesagt, mein Arm. Sie hätten großes Glück gehabt, es hätte schlimmer kommen können. Facharzt für Allgemeinmedizin D. berichtete über die erste ärztliche Inanspruchnahme am 21.07.2008, Diagnose Deltoideus- und Bizepsparese, zum Unfallhergang, Balkone seien abgeflext worden. Ein Balkon sei abgestürzt. Der Kläger habe reflexartig danach gegriffen, um ihn zu halten, dabei habe es plötzlich einen Ruck im Arm gegeben. Er habe Schmerzen und Ziehen am rechten Arm bemerkt, die Beschwerden hätten im Laufe der Tage zugenommen, seien seitdem progredient. Der Arzt hatte keine tatsächlichen oder medizinischen Bedenken gegen die Richtigkeit der Angaben.
Dr. L. sah in ihrer radiologischen beratungsärztlichen Stellungnahme für die Beklagte bildmorphologisch in der rechten Schulter keine Ursache für die geschilderte, seit Juli/August 2008 schleichend eintretende Muskelatrophie und Parese des rechten Armes, insbesondere keine Nachweise für ursächlich auf den Unfall am 21.04.2008 zurückzuführende Läsionen des rechten Schultergelenks. Nach dem schriftlichen Befund in den Akten zeige auch die relativ unfallnahe MRT-Bildgebung der HWS keinen Hinweis auf eine frische/subakute Traumafolge, aber deutliche degenerative Veränderungen von C 2 – C 7 mit Osteochondrose, Bandscheibenvorfällen, reaktiven Retrospondylophyten und resultierender Spinalkanalstenose mit Myelonimpression und Neuroforamenstenose. Diese im Bereich der HWS nachgewiesenen hochgradigen degenerativen Veränderungen seien aus radiologischer Sicht hochwahrscheinlich für die seit Juli/August 2008 schleichend eingetretene Armparese rechts. Ein Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen lasse sich anhand der vorhandenen Bildgebung nicht herstellen. Chirurg, Unfallchirurg, Orthopäde Dr. S. empfahl beratungsärztlich ein neurologisches oder neurochirurgisches Zusammenhangsgutachten, da mangels unfallnaher Befunde unklar sei, ob durch den Unfall ein Erstkörperschaden verursacht worden sei. Aktenkundig ist vor dem Ereignis eine eintägige Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 28.10.2002 wegen Läsion der Rotatorenmanschette sowie eine Clavicula-Fraktur 1970.
Mit Bescheid vom 18.02.2011 stellte die Beklagte fest, dass das Ereignis vom 21.04.2008 keinen Arbeitsunfall im Sinne des Gesetzes darstelle, ein Anspruch auf Geld- oder Sachleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung daher nicht bestehe. Mangels unfallnaher Befunde und angesichts des Umstandes, dass der Zeuge R. kein unmittelbarer Augenzeuge sei, sei eine Verletzung im Sinne eines Körperschadens am Unfalltag nicht voll bewiesen.
Der Kläger erhob Widerspruch. Erforderlich sei ein die Situation rekonstruierendes Gutachten unter Berücksichtigung der physikalischen Einzelheiten. Er sei bis zum Unfall im Prinzip sein Leben lang schmerzfrei gewesen, habe seit dem Unfall erstmalig und dauerhaft Schmerzen. Er sei von einer Zerrung ausgegangen und habe weitergearbeitet, obwohl er angesichts der Schmerzen nicht das gebracht habe, was er als richtiges Arbeiten bezeichne, weil sein Chef ihn gebraucht habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Unter Berücksichtigung der Unfallschilderung in der Unfallanzeige des Arbeitgebers habe der Kläger eine willentlich koordinierte Bewegung ausgeführt. Aus den aktenkundigen Befunden ließen sich keine traumatischen Veränderungen entnehmen. Auch ein rekonstruierendes Sachverständigengutachten sei nicht geeignet, den erforderlichen Vollbeweis für das Vorliegen eines Erstkörperschadens zu erbringen.
Der Kläger hat hiergegen am 16.06.2011 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, die abgebrochene Balkonplatte habe sich wegen des Nachgebens des Ankerhakens nicht senkrecht nach unten in Richtung Gerüstdiele, sondern schräg seitlich nach hinten Richtung Hauswand bewegt. Er habe instinktiv gehandelt und ein Wegkippen der Decke zur Hauswand hin mittels schierer Muskelkraft seines rechten Armes verhindern wollen. Es habe einen Schmerz getan wie wenn etwas zerre oder reiße. Ohne Erfolg. Die Decke sei donnernd nach hinten entlang der Hauswand weggekippt. Sein Kollege habe sinngemäß gerufen, „Du Arschloch, Du dumme Sau“ oder ähnliches. Der Zeuge habe möglicherweise die Augen nicht auf ihm gehabt, habe aber den Schmerzschrei gehört. Die Kraftentfaltung sei in den ganzen Rumpf gegangen. Das Aufhaltenwollen der Betonplatte sei geeignet gewesen, Muskelverletzungen etc. herbeizuführen. Die Beklagte hat erwidert, das Ereignis als solches werde nicht bestritten. Es sei aber nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass durch dieses Ereignis ein Körperschaden verursacht worden sei.
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Das SG hat in der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2012 den Zeugen R. als Zeugen vernommen. Der Zeuge hat bekundet, er habe am 21.04.2008 gemeinsam mit dem Kläger Balkone an einem Altbau in F. abgeflext. Die Arbeit sei laut und staubig gewesen. Sie hätten die Balkone jeweils in kleinen „Kuchenstücken“ abgeflext und neben sich auf das Gerüst gelegt. Er sei kurz weggegangen und habe eine Zigarette geraucht. Er habe - auch wegen des Staubes - nichts vom Kläger gesehen. Er habe Gehörschutz getragen, die Flex sei laut gewesen. Als er zurückgekommen sei, habe sich der Kläger an Arm und Schulter gegriffen und gesagt, er habe Schmerzen im Arm, etwas sei gerissen. Danach habe er sich hingehockt und nicht weitergearbeitet. Neben dem Kläger auf dem Gerüst hätten keine neuen „Kuchenstücke“ gelegen. Der Zeuge habe dann noch ca. eine halbe Stunde allein weitergearbeitet. Der Kläger habe sie dann nach Hause gefahren, aber während der Fahrt über Armschmerzen geklagt. Der Zeuge habe nämlich keinen Führerschein.
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Das SG hat mit Urteil vom 13.09.2012 die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 21.04.2008 (Verletzung des Klägers bei Balkonabbrucharbeiten) als Arbeitsunfall anzuerkennen. Für ein Unfallereignis sprächen nach den glaubhaften Angaben des Zeugen R., der vom Unfallereignis selbst zwar nichts gesehen und gehört habe, mittelbar aber Folgendes: die von ihm bemerkten herausgerissenen und gelösten Halterungen für die Spannketten am Unfallbalkon, die Tätigkeit des Klägers an diesem Balkon währenddessen, der Umstand, dass das zu diesem Zeitpunkt abgeflexte Betonteil nicht auf dem Gerüst gelegen habe (es müsse in die Tiefe gefallen sein), die Tatsache, dass der Kläger nach dem Ereignis über Schmerzen im rechten Arm und der rechten Schulter geklagt und nicht weitergearbeitet habe. Die hiervon teilweise abweichende kurze schriftliche Stellungnahme des Zeugen im Verwaltungsverfahren spreche angesichts seiner sehr einfachen, nachgerade schlichten Struktur nicht gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben vor Gericht. Das Gericht beurteile die Bewegungen des Klägers nicht als willentlich koordiniert, vielmehr als reflexartig im Sinne eines Schutzreflexes und damit unwillkürlich. Da sich der Kläger erstmals zwei Monate nach dem Unfall in fachorthopädische Behandlung begeben habe und sich erstmals im Dezember 2009 bei der Beklagten gemeldet habe, werde es allerdings in Anbetracht auch des weiteren Ereignis- und Zeitablaufs schwer, etwaige Gesundheitsstörungen am rechten Arm und der rechten Schulter mit der erforderlichen Sicherheit auf den Unfall zurückzuführen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass traumatische Unfallverletzungen oder sonstige Befunde nicht zeitnah erhoben worden seien.
12 
Mit ihrer am 01.10.2012 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegten Berufung hat die Beklagte vorgetragen, die verschiedenen Angaben des Zeugen und die divergierenden Angaben des Klägers zu dem Unfallhergang (unkontrollierter Absturz einer kompletten Bodenplatte oder Abflexen kleiner Stücke ohne Zeichen eines Abbruchs) könnten nicht mit deren einfacher, schlichter Persönlichkeitsstruktur erklärt werden. Angesichts der vorbestehenden erheblichen degenerativen Veränderungen und des fehlenden Nachweises traumatisch bedingter Veränderungen sei zu fragen, ob der Kläger aus innerer Ursache Armschmerzen bekommen habe. Es fehle an einem voll bewiesenen Unfallereignis, so dass der Schluss auf einen Gesundheitserstschaden nicht zulässig sei.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. September 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
15 
Der Kläger beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Die angegriffenen Bescheide, mit denen die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalls am 21.04.2008 abgelehnt hat, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
20 
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb Versicherter ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 26.06.2014 - B 2 U 9/13 R - Juris).
21 
Der Begriff des Unfalls ist bei der Prüfung eines Arbeitsunfalls in drei Schritte zu unterteilen. Es ist zu prüfen, ob
22 
1. ein Ereignis, als zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vorgelegen hat (äußeres/einwirkendes Ereignis),
2. ein Gesundheitserstschaden (zeitnah) eingetreten ist und
3. dieser Erstschaden durch das einwirkende Ereignis nach der Theorie der wesentlichen Bedingung wesentlich verursacht worden ist (haftungsbegründende Kausalität).
23 
Die Tatbestandsmerkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung“, „Einwirkungen“ und „Krankheit“ müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 7/08 R - SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 3). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Nachweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die entscheidungserheblichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit festgestellt werden, d.h. es wird keine Überzeugung des Gerichts vorausgesetzt, die jede nur denkbare Möglichkeit ausschließt (vgl. bereits BSG, Urteil vom 02.02.1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 287). Vielmehr genügt für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG a.a.O.). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988 - 2/9b RU 28/87 - SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
24 
Das äußere Ereignis muss kein außergewöhnliches sein, alltägliche genügen (BSG, Urteil vom 29.11.2011 – B 2 U 10/11), ebenso gewohnte wie z.B. körpereigene Bewegungen wie Heben, Schieben, Laufen, vor allem, wenn sie durch einen äußeren Vorfall herbeigeführt oder beeinflusst werden und dadurch z.B. ungeplant und unkoordiniert ablaufen (vgl. LSG Hamburg, Breithaupt 1957, 316: spontanes Greifen nach fallendem Gegenstand; BSGE 94, 269: unerwarteter Widerstand beim Anheben eines Grabsteines, weil er festgefroren war).
25 
Obwohl ein Arbeitsunfall weder der Krankenkasse noch dem Arbeitgeber gemeldet worden ist, ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger am 21.04.2008 den von ihm geschilderten Unfall erlitten hat. Der Senat geht davon aus, dass das Ereignis sich so zugetragen hat wie vom Kläger im Laufe des Verfahrens vorgetragen und vom Zeugen R. in der mündlichen Verhandlung beim SG bestätigt. Danach hat der Kläger versucht, mit den Armen eine fallende Betonplatte abzustützen, weil die Halterungen der Spannketten sich gelöst hatten und er Schäden am Gebäude durch die abstürzende Betonplatte verhindern wollte. Danach war das vom Kläger vorgetragene Auffangen der abstürzenden Balkonplatte ein Unfall im Sinne des Gesetzes, unabhängig davon, ob es reflexhaft oder koordiniert erfolgt ist.
26 
Der Tatbestand des Arbeitsunfalls setzt aber zusätzlich voraus, dass das Ereignis einen Gesundheitserstschaden verursacht hat. Gesundheitserstschäden sind alle regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustände, die unmittelbar durch die (von außen kommende zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht sind, entsprechend dem allgemeinen Krankheitsbegriff (so auch Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 17.05.2013 - L 8 U 2652/12 - Juris). Zwar sind Umfang und Dauer unerheblich; der Gesundheitserstschaden setzt keine Dauerschädigung oder Gesundheitsschäden von erheblichem Gewicht oder mit notwendiger Behandlungsbedürftigkeit voraus. Minimale Regelwidrigkeiten ohne Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit sind ebenso bedeutungslos (Ricke in: Kasseler Kommentar, Stand Juni 2014, § 8 SGB VII, Rn. 20) wie bloße Schmerzen (Urteil des Senats vom 16.01.2013 – L 6 U 2874/12 - Juris). Der Senat hat sich nach dem Akteninhalt und den Angaben des Klägers nicht davon überzeugen können, dass es am 21.04.2008 im Rahmen der beruflichen Tätigkeit tatsächlich zu einem Gesundheitserstschaden gekommen ist. Der erforderliche Vollbeweis für einen durch das Ereignis am 21.04.2008 verursachten Gesundheitserstschaden ist nicht erbracht.
27 
Unmittelbar nach dem Ereignis sind nach Angaben des Klägers nur Schmerzen und ein Ziehen im Arm aufgetreten; er musste nur für diesen Resttag mit der Arbeit pausieren und war dann erstmals ab Dezember, also gut 8 Monate später arbeitsunfähig erkrankt. Der vom Kläger angegebene einschießende Schmerz im rechten Arm stellt nach Ansicht des Senats keinen Gesundheitserstschaden dar. Er könnte allenfalls als erstes Zeichen eines im weiteren Verlauf objektivierten Gesundheitserstschadens gewertet werden. Es existieren keine Befunde, die einen solchen Erstschaden belegen. Eine - theoretisch in Betracht kommende - Zerrung oder Prellung der rechten Schulter ist nicht ärztlich festgestellt worden und wird vom Kläger auch nicht berichtet, zumal er sich noch nicht einmal selbst z.B. mit Salben oder Schmerzmitteln behandelt hat.
28 
Die vom Facharzt für Allgemeinmedizin mehr als drei Monate nach dem Ereignis als Ergebnis der ersten Untersuchung am 21.07.2008 genannte Diagnose Deltoideus- und Bizepsparese konnte nicht Gesundheitserstschaden sein, weil eine Parese erst bei längerer Schonung einer Gliedmaße eintritt, mithin keine unmittelbare Unfallfolge sein kann. Der Kläger selbst hat die Atrophie und die Parese des rechten Oberarms nicht auf ein stattgehabtes Trauma zurückgeführt, es vielmehr als einen langsamen Beginn geschildert (Arztbrief Dr. S., Bl. 60 VV), der laut dem Bericht des Neurochirurg Dr. H. auch erst im September 2008 mit Kribbeln und Brennen seinen Beginn genommen hat (Bl. 71 VV), aber zeitlich weit nach dem Ereignis. Die bildgebende Diagnostik belegte keinen Gesundheitserstschaden in Form einer traumatischen Schädigung, sondern zeigte hochgradige degenerative Veränderungen als mögliche Ursache der beim Kläger bestehenden erheblichen Beschwerden. In dem ca. zwei Monate nach dem Ereignis gefertigten MRT des rechten Schultergelenks fand sich ein kleiner degenerativ bedingter ventraler Teileinriss der ansatznahen Supraspinatussehne bei deutlicher Acromial(AC)-Gelenksarthrose. Der Musculus supraspinatus war nicht atrophiert. Es fand sich außerdem ein Zustand nach (Z. n.) alter Clavikulafraktur (1970), aber kein Hinweis auf eine weitere stattgehabte Fraktur oder ein Bone-Bruise/Knochenödem als Hinweis auf eine frische Verletzung (zu den typischen traumatischen Begleiterscheinungen vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S 415 ff; Urteil des Senats vom 25.09.2014 - L 6 U 1827/12). Es bestand auch kein Anhalt für eine Schulterluxation, keine SLAP(superior labrum anterior posterior)-Läsion (Riss der Knorpellippe am Oberrand der Schulterpfanne) und keine Pulley-Läsion (Schädigung der langen Bizepssehne am Schultergelenk). Daneben bestand ein Supraspinatussehnenganglion. In dem neun Monate nach dem Ereignis gefertigten Kontroll-MRT der rechten Schulter war das Ganglion rückläufig bei ansonsten unverändertem Befund. Läsionen des rechten Schultergelenks infolge des Ereignisses am 21.04.2008 lagen nicht vor. Aus der bildgebenden Diagnostik der rechten Schulter ergab sich keine Ursache für die seit Juli/August schleichend eintretende Muskelatrophie und Parese. Darauf hat bereits Dr. L. in ihrer beratungsärztlichen radiologischen Stellungnahme für den Senat überzeugend hingewiesen. Das ca. drei Monate nach dem Ereignis gefertigte MRT der HWS zeigte keinen Hinweis auf eine frische/subakute Traumafolge, aber multisegmentale deutliche degenerative Veränderungen von C 2 – C 7 mit Osteochondrose, Bandscheibenvorfällen und reaktiven Retrospondylophyten sowie resultierender Spinalkanalstenose mit Myelonimpression und Neuroforamenstenosen. Das nach der ersten Operation an der HWS (ventrale Fusion von C 4/5 und C 5/6) gefertigte Kontroll-MRT zeigte persistierende hochgradige degenerative Veränderungen im Bereich der nicht operierten Bandscheibensegmente mit hochgradiger Osteochondrose, Bandscheibenprolaps, Spinalkanalstenose mit Myelonimpression und Neuroforamenstenosen. Nichts davon stand im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen am 21.04.2008, worauf Dr. L. nachvollziehbar hingewiesen hat. Das wird auch durch die richtungsweisende Untersuchung von Prof. Dr. L. vom 19.03.2009 bestätigt, der keinen Hinweis auf einen Rotatorenmanschettendefekt und keinen Anhalt für eine Störung im Bereich der rechten Schulter fand (Bl. 89 VV). Mithin konnten weder die Befunde an der rechten Schulter noch die an der HWS der zur Begründung eines Arbeitsunfalls erforderliche Gesundheitserstschaden sein.
29 
Gegen das Vorliegen eines unfallbedingten Gesundheitserstschadens spricht zudem die Tatsache, dass der Kläger erst seit der Operation am 02.12.2012 arbeitsunfähig war, also mehr als sieben Monate lang seine körperlich schwere Tätigkeit weiter ausgeübt hat. Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass der Kläger dem Ereignis vom 21.04.2008 selbst keine Bedeutung beigemessen hat und erst auf Befragen seines Bevollmächtigten Ende 2009 dieses als gewissermaßen Kleinigkeit bezeichnet hat, welcher er keine Bedeutung in Bezug auf sein gesundheitliches Befinden beigemessen hat.
30 
Auch aus dem Urteil des LSG Baden-Württemberg (15.10.2009 - L 10 U 2011/09 - Juris) folgt nichts anderes, denn im Gegensatz zum vorliegenden Fall war dort zwar der Gesundheitserstschaden fraglich, aber ein Gesundheitsschaden unstreitig. Nach dem zuletzt vorliegenden Bericht von Prof. Dr. L. fehlt es aber beim Kläger auch an einer dauerhaften Schädigung der Schulter, sämtliche Funktionsprüfungen waren ohne Befund. Die allein bildgebende Diagnostik belegt auch keine Funktionsbeeinträchtigung, zumal ausschließlich degenerative Veränderungen beschrieben werden.
31 
Mithin hat die Beklagte zu Recht die Feststellung eines Arbeitsunfalls abgelehnt. Das stattgebende Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
33 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.

Gründe

 
19 
Die nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Die angegriffenen Bescheide, mit denen die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalls am 21.04.2008 abgelehnt hat, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
20 
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb Versicherter ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 26.06.2014 - B 2 U 9/13 R - Juris).
21 
Der Begriff des Unfalls ist bei der Prüfung eines Arbeitsunfalls in drei Schritte zu unterteilen. Es ist zu prüfen, ob
22 
1. ein Ereignis, als zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vorgelegen hat (äußeres/einwirkendes Ereignis),
2. ein Gesundheitserstschaden (zeitnah) eingetreten ist und
3. dieser Erstschaden durch das einwirkende Ereignis nach der Theorie der wesentlichen Bedingung wesentlich verursacht worden ist (haftungsbegründende Kausalität).
23 
Die Tatbestandsmerkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung“, „Einwirkungen“ und „Krankheit“ müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 7/08 R - SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 3). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Nachweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die entscheidungserheblichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit festgestellt werden, d.h. es wird keine Überzeugung des Gerichts vorausgesetzt, die jede nur denkbare Möglichkeit ausschließt (vgl. bereits BSG, Urteil vom 02.02.1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 287). Vielmehr genügt für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG a.a.O.). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988 - 2/9b RU 28/87 - SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
24 
Das äußere Ereignis muss kein außergewöhnliches sein, alltägliche genügen (BSG, Urteil vom 29.11.2011 – B 2 U 10/11), ebenso gewohnte wie z.B. körpereigene Bewegungen wie Heben, Schieben, Laufen, vor allem, wenn sie durch einen äußeren Vorfall herbeigeführt oder beeinflusst werden und dadurch z.B. ungeplant und unkoordiniert ablaufen (vgl. LSG Hamburg, Breithaupt 1957, 316: spontanes Greifen nach fallendem Gegenstand; BSGE 94, 269: unerwarteter Widerstand beim Anheben eines Grabsteines, weil er festgefroren war).
25 
Obwohl ein Arbeitsunfall weder der Krankenkasse noch dem Arbeitgeber gemeldet worden ist, ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger am 21.04.2008 den von ihm geschilderten Unfall erlitten hat. Der Senat geht davon aus, dass das Ereignis sich so zugetragen hat wie vom Kläger im Laufe des Verfahrens vorgetragen und vom Zeugen R. in der mündlichen Verhandlung beim SG bestätigt. Danach hat der Kläger versucht, mit den Armen eine fallende Betonplatte abzustützen, weil die Halterungen der Spannketten sich gelöst hatten und er Schäden am Gebäude durch die abstürzende Betonplatte verhindern wollte. Danach war das vom Kläger vorgetragene Auffangen der abstürzenden Balkonplatte ein Unfall im Sinne des Gesetzes, unabhängig davon, ob es reflexhaft oder koordiniert erfolgt ist.
26 
Der Tatbestand des Arbeitsunfalls setzt aber zusätzlich voraus, dass das Ereignis einen Gesundheitserstschaden verursacht hat. Gesundheitserstschäden sind alle regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustände, die unmittelbar durch die (von außen kommende zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht sind, entsprechend dem allgemeinen Krankheitsbegriff (so auch Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 17.05.2013 - L 8 U 2652/12 - Juris). Zwar sind Umfang und Dauer unerheblich; der Gesundheitserstschaden setzt keine Dauerschädigung oder Gesundheitsschäden von erheblichem Gewicht oder mit notwendiger Behandlungsbedürftigkeit voraus. Minimale Regelwidrigkeiten ohne Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit sind ebenso bedeutungslos (Ricke in: Kasseler Kommentar, Stand Juni 2014, § 8 SGB VII, Rn. 20) wie bloße Schmerzen (Urteil des Senats vom 16.01.2013 – L 6 U 2874/12 - Juris). Der Senat hat sich nach dem Akteninhalt und den Angaben des Klägers nicht davon überzeugen können, dass es am 21.04.2008 im Rahmen der beruflichen Tätigkeit tatsächlich zu einem Gesundheitserstschaden gekommen ist. Der erforderliche Vollbeweis für einen durch das Ereignis am 21.04.2008 verursachten Gesundheitserstschaden ist nicht erbracht.
27 
Unmittelbar nach dem Ereignis sind nach Angaben des Klägers nur Schmerzen und ein Ziehen im Arm aufgetreten; er musste nur für diesen Resttag mit der Arbeit pausieren und war dann erstmals ab Dezember, also gut 8 Monate später arbeitsunfähig erkrankt. Der vom Kläger angegebene einschießende Schmerz im rechten Arm stellt nach Ansicht des Senats keinen Gesundheitserstschaden dar. Er könnte allenfalls als erstes Zeichen eines im weiteren Verlauf objektivierten Gesundheitserstschadens gewertet werden. Es existieren keine Befunde, die einen solchen Erstschaden belegen. Eine - theoretisch in Betracht kommende - Zerrung oder Prellung der rechten Schulter ist nicht ärztlich festgestellt worden und wird vom Kläger auch nicht berichtet, zumal er sich noch nicht einmal selbst z.B. mit Salben oder Schmerzmitteln behandelt hat.
28 
Die vom Facharzt für Allgemeinmedizin mehr als drei Monate nach dem Ereignis als Ergebnis der ersten Untersuchung am 21.07.2008 genannte Diagnose Deltoideus- und Bizepsparese konnte nicht Gesundheitserstschaden sein, weil eine Parese erst bei längerer Schonung einer Gliedmaße eintritt, mithin keine unmittelbare Unfallfolge sein kann. Der Kläger selbst hat die Atrophie und die Parese des rechten Oberarms nicht auf ein stattgehabtes Trauma zurückgeführt, es vielmehr als einen langsamen Beginn geschildert (Arztbrief Dr. S., Bl. 60 VV), der laut dem Bericht des Neurochirurg Dr. H. auch erst im September 2008 mit Kribbeln und Brennen seinen Beginn genommen hat (Bl. 71 VV), aber zeitlich weit nach dem Ereignis. Die bildgebende Diagnostik belegte keinen Gesundheitserstschaden in Form einer traumatischen Schädigung, sondern zeigte hochgradige degenerative Veränderungen als mögliche Ursache der beim Kläger bestehenden erheblichen Beschwerden. In dem ca. zwei Monate nach dem Ereignis gefertigten MRT des rechten Schultergelenks fand sich ein kleiner degenerativ bedingter ventraler Teileinriss der ansatznahen Supraspinatussehne bei deutlicher Acromial(AC)-Gelenksarthrose. Der Musculus supraspinatus war nicht atrophiert. Es fand sich außerdem ein Zustand nach (Z. n.) alter Clavikulafraktur (1970), aber kein Hinweis auf eine weitere stattgehabte Fraktur oder ein Bone-Bruise/Knochenödem als Hinweis auf eine frische Verletzung (zu den typischen traumatischen Begleiterscheinungen vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S 415 ff; Urteil des Senats vom 25.09.2014 - L 6 U 1827/12). Es bestand auch kein Anhalt für eine Schulterluxation, keine SLAP(superior labrum anterior posterior)-Läsion (Riss der Knorpellippe am Oberrand der Schulterpfanne) und keine Pulley-Läsion (Schädigung der langen Bizepssehne am Schultergelenk). Daneben bestand ein Supraspinatussehnenganglion. In dem neun Monate nach dem Ereignis gefertigten Kontroll-MRT der rechten Schulter war das Ganglion rückläufig bei ansonsten unverändertem Befund. Läsionen des rechten Schultergelenks infolge des Ereignisses am 21.04.2008 lagen nicht vor. Aus der bildgebenden Diagnostik der rechten Schulter ergab sich keine Ursache für die seit Juli/August schleichend eintretende Muskelatrophie und Parese. Darauf hat bereits Dr. L. in ihrer beratungsärztlichen radiologischen Stellungnahme für den Senat überzeugend hingewiesen. Das ca. drei Monate nach dem Ereignis gefertigte MRT der HWS zeigte keinen Hinweis auf eine frische/subakute Traumafolge, aber multisegmentale deutliche degenerative Veränderungen von C 2 – C 7 mit Osteochondrose, Bandscheibenvorfällen und reaktiven Retrospondylophyten sowie resultierender Spinalkanalstenose mit Myelonimpression und Neuroforamenstenosen. Das nach der ersten Operation an der HWS (ventrale Fusion von C 4/5 und C 5/6) gefertigte Kontroll-MRT zeigte persistierende hochgradige degenerative Veränderungen im Bereich der nicht operierten Bandscheibensegmente mit hochgradiger Osteochondrose, Bandscheibenprolaps, Spinalkanalstenose mit Myelonimpression und Neuroforamenstenosen. Nichts davon stand im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen am 21.04.2008, worauf Dr. L. nachvollziehbar hingewiesen hat. Das wird auch durch die richtungsweisende Untersuchung von Prof. Dr. L. vom 19.03.2009 bestätigt, der keinen Hinweis auf einen Rotatorenmanschettendefekt und keinen Anhalt für eine Störung im Bereich der rechten Schulter fand (Bl. 89 VV). Mithin konnten weder die Befunde an der rechten Schulter noch die an der HWS der zur Begründung eines Arbeitsunfalls erforderliche Gesundheitserstschaden sein.
29 
Gegen das Vorliegen eines unfallbedingten Gesundheitserstschadens spricht zudem die Tatsache, dass der Kläger erst seit der Operation am 02.12.2012 arbeitsunfähig war, also mehr als sieben Monate lang seine körperlich schwere Tätigkeit weiter ausgeübt hat. Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass der Kläger dem Ereignis vom 21.04.2008 selbst keine Bedeutung beigemessen hat und erst auf Befragen seines Bevollmächtigten Ende 2009 dieses als gewissermaßen Kleinigkeit bezeichnet hat, welcher er keine Bedeutung in Bezug auf sein gesundheitliches Befinden beigemessen hat.
30 
Auch aus dem Urteil des LSG Baden-Württemberg (15.10.2009 - L 10 U 2011/09 - Juris) folgt nichts anderes, denn im Gegensatz zum vorliegenden Fall war dort zwar der Gesundheitserstschaden fraglich, aber ein Gesundheitsschaden unstreitig. Nach dem zuletzt vorliegenden Bericht von Prof. Dr. L. fehlt es aber beim Kläger auch an einer dauerhaften Schädigung der Schulter, sämtliche Funktionsprüfungen waren ohne Befund. Die allein bildgebende Diagnostik belegt auch keine Funktionsbeeinträchtigung, zumal ausschließlich degenerative Veränderungen beschrieben werden.
31 
Mithin hat die Beklagte zu Recht die Feststellung eines Arbeitsunfalls abgelehnt. Das stattgebende Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
33 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 22. Jan. 2015 - L 6 U 4127/12 zitiert 10 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 2 Versicherung kraft Gesetzes


(1) Kraft Gesetzes sind versichert 1. Beschäftigte,2. Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,3. Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnliche

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 6 Freiwillige Versicherung


(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern 1. Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfisch

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 3 Versicherung kraft Satzung


(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf1.Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,2.Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 25. Sept. 2014 - L 6 U 1827/12

bei uns veröffentlicht am 25.09.2014

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. März 2012 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Tatbestand   1 Zwischen den Beteiligten ist die Fes

Bundessozialgericht Urteil, 26. Juni 2014 - B 2 U 9/13 R

bei uns veröffentlicht am 26.06.2014

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 17. Mai 2013 - L 8 U 2652/12

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Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24.04.2012 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.Die Kosten des auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgeric

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 16. Jan. 2013 - L 6 U 2874/12

bei uns veröffentlicht am 16.01.2013

Tenor Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2012 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Tatbestand   1 Der Kläger begehrt im We

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Feststellung einer Knieverdrehung als Arbeitsunfall, die der Kläger am 29.4.2010 während der Pflege seines Vaters erlitt.

2

Der 1914 geborene und 2012 verstorbene Vater und die ebenfalls verstorbene Mutter des 1955 geborenen Klägers übergaben ihm am 21.11.1978 mit notariellem Vertrag vom gleichen Tag ihren gesamten landwirtschaftlichen Betrieb mit Inventar und Zubehör sowie Hausrat. In diesem Vertrag räumte der Kläger seinen Eltern für die Übergabe und zur Sicherung ihres Lebensbedarfs auf Lebenszeit unentgeltliche Leibgedingsrechte ein, ua die Verrichtung aller Hausarbeiten, Wart und Pflege in den Tagen des Alters, der Gebrechlichkeit und Krankheit, ein Wohnrecht, tägliche Tischkost, Naturalleistungen, ein monatliches Taschengeld iHv 100 DM sowie Zahlung aller Arzt-, Apotheker-, Krankenhaus- und Sterbekosten, soweit die Leistungsfähigkeit des Klägers reiche und soweit nicht Versicherungsträger bzw staatliche oder andere Institutionen dafür aufzukommen hätten. Weiterhin verpflichtete sich der Kläger, die Benutzung des beim Anwesen vorhandenen Kraftwagens oder Traktors in angemessenem Umfang, auf Verlangen auch mit Fahrer und dem erforderlichen Treibstoff, zu gewährleisten. In der Folgezeit gab der Kläger die Viehhaltung auf. Den Großteil der Flächen verpachtete er zu einem jährlichen Pachtzins von etwa 2200 Euro. Der verbliebene landwirtschaftliche Betrieb umfasste am 29.4.2010 noch 2,47 ha, die der Kläger nicht mehr selbst bewirtschaftete. Das Hofgebäude nutzten der Kläger und sein Vater nur zu Wohnzwecken. Der Vater erhielt Leistungen der Pflegekasse, und zwar seit dem 1.11.2008 nach Pflegestufe II bei einem Pflegeaufwand von mehr als 21 Stunden wöchentlich. Der Kläger übte neben der Pflegetätigkeit für seinen Vater keine Beschäftigung aus. Zur Sicherung des gemeinsamen Lebensunterhalts standen das von der Pflegekasse gezahlte Pflegegeld, von dem der Vater 220 Euro an den Kläger weiterleitete, die Renten des Vaters iHv insgesamt ca 900 Euro monatlich sowie die Pachteinnahmen iHv ca 183 Euro monatlich zur Verfügung.

3

Der Kläger verdrehte sich am 29.4.2010 beim Umsetzen seines Vaters vom Bett in den Toilettenstuhl das linke Knie und erlitt einen Reizerguss. Der beklagte kommunale Unfallversicherungsträger lehnte durch Bescheid vom 8.11.2010 und Widerspruchsbescheid vom 9.9.2011 die Anerkennung des Ereignisses vom 29.4.2010 als Arbeitsunfall ab. Der Kläger sei in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht als Pflegeperson versichert gewesen, weil er durch den Vertrag aus dem Jahre 1978 als Gegenleistung für die Übergabe des landwirtschaftlichen Betriebes die Verpflichtung zur Pflege seines Vaters übernommen und deshalb seinen Vater erwerbsmäßig gepflegt habe. Die Pflege sei eine unternehmerische Tätigkeit gewesen.

4

Das SG hat nach Beiladung des landwirtschaftlichen Unfallversicherungsträgers mit Urteil vom 30.1.2012 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass der Unfall des Klägers vom 29.4.2010 ein bei der Beklagten versicherter Arbeitsunfall gewesen sei. Das LSG hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 13.5.2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, der Kläger sei als Pflegeperson versichert gewesen. Zwar habe er einen Teil des Pflegegeldes erhalten. Auch sei mit dem Pflegegeld und den Renten des Vaters der gemeinsame Lebensunterhalt bestritten worden. Dies reiche jedoch nicht aus, die Pflegetätigkeit als erwerbsmäßig anzusehen. Die Verpflichtung, als Gegenleistung für die Übergabe des landwirtschaftlichen Betriebes dem Vater Pflege zukommen zu lassen, begründe die Erwerbsmäßigkeit ebenfalls nicht. Auch sei die Beklagte und nicht der beigeladene landwirtschaftliche Unfallversicherungsträger zuständig, weil der Kläger nicht als landwirtschaftlicher Unternehmer tätig gewesen sei und ein landwirtschaftlicher Haushalt nicht mehr bestanden habe.

5

Die Beklagte rügt mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision die Verletzung der § 2 Abs 1 Nr 17 Halbs 1 SGB VII iVm § 19 Satz 1 SGB XI, § 135 Abs 3 Satz 1 und § 123 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Der Kläger habe die Pflege erwerbsmäßig erbracht, weil er durch die Hofübergabe als Gegenleistung für die vertraglich übernommene, über eine bloße sittliche Pflicht hinausgehende Verpflichtung zur Pflege erhebliche Vermögenswerte erlangt habe. Auch sei ausschließlich die Beigeladene zuständig. Es habe eine vorrangige Versicherung als landwirtschaftlicher Unternehmer nach § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII bestanden, weil die Erfüllung der durch den Übergabevertrag begründeten Verpflichtungen im inneren Zusammenhang mit der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer gestanden habe.

6

Die Beklagte beantragt,

                 

die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Mai 2013 und des Sozialgerichts Augsburg vom 30. Januar 2012 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

7

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

8

Die Beigeladene beantragt,

                 

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Ergänzend führt sie aus, Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII könne nicht durch eine schuldrechtliche Verpflichtung im Übergabevertrag begründet werden. Der Kläger habe keine landwirtschaftliche unternehmerische Tätigkeit ausgeübt, denn sein Haushalt sei nicht mehr landwirtschaftlich geprägt gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht die Berufung der Beklagten gegen das den Klagen stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen. Der die Feststellung eines Arbeitsunfalles ablehnende Bescheid der Beklagten vom 8.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.9.2011 ist rechtswidrig. Der Kläger hat am 29.4.2010 als bei der Beklagten versicherte Pflegeperson iS des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII einen Arbeitsunfall erlitten.

11

Der Kläger begehrt zulässiger Weise die Aufhebung der Regelungen in dem Bescheid der Beklagten vom 8.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.9.2011 sowie die Feststellung des Eintritts eines Versicherungsfalles am 29.4.2010 (§ 54 Abs 1 SGG iVm § 55 Abs 1 Nr 1 SGG; vgl hierzu zB BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4).

12

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb Versicherter ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21 RdNr 10 mwN; vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 26f; vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46 RdNr 20; vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 12; zuletzt vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 10 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 14). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, weil der Kläger als versicherte Pflegeperson bei einer versicherten Pflegetätigkeit iS von § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII einen Unfall und infolgedessen einen Gesundheitsschaden erlitt.

13

Gemäß § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII sind kraft Gesetzes versichert Pflegepersonen iS des § 19 SGB XI bei der Pflege eines Pflegebedürftigen iS des § 14 SGB XI; die versicherte Tätigkeit umfasst Pflegetätigkeiten im Bereich der Körperpflege und - soweit diese Tätigkeiten überwiegend Pflegebedürftigen zugute kommen - Pflegetätigkeiten in den Bereichen der Ernährung, der Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs 4 SGB XI). Der Kläger stand als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson iS von § 19 SGB XI gemäß § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung(vgl dazu unten 1.). Die unmittelbar vor dem Unfall ausgeübte Verrichtung war auch eine gemäß § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte Tätigkeit(vgl dazu unten 2.). Die Zuständigkeit der Beklagten ist gemäß § 129 Abs 1 Nr 7 SGB VII gegeben(vgl dazu unten 3.).

14

1. Der Kläger stand während der unmittelbar dem Unfall vorausgehenden Tätigkeit als Pflegeperson seines Vaters unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII iVm § 19 Satz 1 SGB XI sind versichert Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen iS des § 14 SGB XI in seiner häuslichen Umgebung pflegen. Der Kläger pflegte seinen Vater in dessen häuslicher Umgebung. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfolgte die Pflege auch nicht erwerbsmäßig. Erwerbsmäßige Pflege iS des § 19 SGB XI liegt nicht schon dann vor, wenn der Pflegebedürftige das Pflegegeld bzw einen Teil hiervon an den Pflegenden weitergibt(hierzu a.). Das gemeinschaftliche Wirtschaften in einem Haushalt unter Einsatz der Rente des Vaters macht die Pflegetätigkeit eines Sohnes ebenfalls noch nicht zu einer erwerbsmäßigen Pflege (hierzu b.). Schließlich folgt auch nichts anderes aus dem Hofübergabevertrag aus dem Jahre 1978 (hierzu c.).

15

a. Nicht erwerbsmäßige ehrenamtliche Pflege ist von der den Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII iVm § 19 SGB XI ausschließenden erwerbsmäßigen Pflege abzugrenzen. Der Begriff der erwerbsmäßigen Pflege umfasst Pflegetätigkeiten, die zur Erzielung von Erwerbseinkommen, insbesondere Arbeitsentgelt aufgrund einer Beschäftigung iS von § 7 SGB IV oder Arbeitseinkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit, verrichtet werden. Wird die Pflege dagegen nicht im Rahmen einer Beschäftigung oder als auf die Erzielung von Arbeitseinkommen gerichteten selbstständigen Tätigkeit, sondern ehrenamtlich ohne Vergütung erbracht, liegt keine erwerbsmäßige Pflege vor. Dagegen sind die als Beschäftigte den Versicherungsschutz des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII genießenden sowie die im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit erwerbsmäßig pflegenden und ggf nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII versicherten Personen nicht nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII versichert. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angefochtenen und daher den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) pflegte der Kläger seinen Vater nicht aufgrund einer Beschäftigung oder im Rahmen einer auf die Erbringung von Pflegeleistungen gerichteten selbstständigen Tätigkeit.

16

Eine solche Pflegetätigkeit im innerfamiliären Bereich, wie hier zwischen Vater und Sohn, ist auch dann nicht erwerbsmäßig iS des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII iVm § 19 SGB XI, wenn der Pflegende als Anerkennung für seine Pflege finanzielle Zuwendungen oder andere Vorteile erhält. Dies gilt zunächst jedenfalls dann, wenn der Wert der Zuwendungen den Betrag des dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechenden Pflegegeldes nicht überschreitet, es sei denn, aus den weiteren Umständen ergibt sich, dass eine Erwerbsmäßigkeit der Pflegetätigkeit vorliegt (hierzu noch unter b. und c.).

17

Dies folgt aus dem Schutzzweck des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII. Durch diese Vorschrift soll Pflegenden Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt werden, die dieses Schutzes deshalb bedürfen, weil sie Pflegebedürftige in deren häuslicher Umgebung pflegen, mangels Beschäftigung nicht anderweitig in der gesetzlichen Unfallversicherung abgesichert sind und die Pflege nicht im Rahmen einer ggf versicherten selbstständigen Erwerbstätigkeit erbringen. Da nach § 3 Satz 1 SGB XI die Leistungen der Pflegeversicherung vorrangig die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn fördern und unterstützen sollen, sollen diese Personen während ihrer außerhalb einer Beschäftigung oder einer selbstständigen Tätigkeit erfolgenden Pflege in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen sein(vgl zB Udsching in Udsching/Schütze/Behrend/Bassen, SGB XI, 3. Aufl 2010 § 19 RdNr 2; Krahmer/Plantholz in Klie/Krahmer/Plantholz Lehr- und Praxiskommentar SGB XI, 4. Aufl 2014, § 3 RdNr 6; Behrend in jurisPK - SGB XI, Stand 6.5.2014, § 44 RdNr 23, 26). Diesem Schutzzweck widerspräche es, den Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII nur deshalb zu versagen, weil die Pflegeperson außerhalb einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit für ihre Pflege als Anerkennung finanzielle Zuwendungen erhält, jedenfalls soweit diese den Wert des dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechenden Pflegegeldes nicht übersteigen.

18

Bestätigt wird dies durch die Entstehungsgeschichte des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII sowie den Regelungszusammenhang dieser Vorschrift mit § 19 SGB XI sowie § 3 Satz 2 SGB VI. Der Versicherungstatbestand des § 539 Abs 1 Nr 19 RVO, der inhaltlich dem nunmehr geltenden § 2 Satz 1 Nr 17 SGB VII entsprach, wurde mit Wirkung zum 1.4.1995 durch das Pflege-Versicherungsgesetz vom 26.5.1994 (BGBl I 1014) in die RVO eingefügt. Das Pflege-Versicherungsgesetz sollte insbesondere die Pflegeleistungen der Angehörigen und die Nachbarschaftshilfe nachhaltig unterstützen und fördern. Zur Förderung der Pflege im häuslichen Bereich durch Verwandte und zur Unterstützung der häuslichen Pflege sollten pflegende Familienangehörige in der Renten- und Unfallversicherung sozial abgesichert sein, so dass ihnen durch ihre Pflegetätigkeit insoweit keine Nachteile entstehen (vgl Begr des Entwurfes eines Pflegeversicherungsgesetzes - PflegeVG - BT-Drucks 12/5262 S 3 f, 162). Als des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung bedürftig wurde der Personenkreis der Pflegepersonen angesehen, die nicht als Beschäftigte und nicht selbstständig zu Erwerbszwecken, sondern ehrenamtlich insbesondere in den eigenen Familien und im Bekanntenkreis tätig sind. Die soziale Absicherung dieses Personenkreises wurde aber auch dann für erforderlich gehalten, wenn die Pflegenden finanzielle Zuwendungen als Anerkennung ihrer Tätigkeit erhalten, so, wenn der Pflegebedürftige das ihm zustehende Pflegegeld an die Pflegeperson weiterreicht (vgl Begr aaO S 82, 101).

19

In der gesetzlichen Rentenversicherung sollte darüber hinaus die Rentenversicherungspflicht als Pflegeperson selbst dann bestehen, wenn im Rahmen einer Beschäftigung nach § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI Arbeitsentgelt bis zur Höhe des entsprechenden Pflegegeldes gezahlt wird(vgl hierzu Begr aaO S 159). Gemäß § 3 Satz 2 SGB VI gelten daher Pflegepersonen in der gesetzlichen Rentenversicherung als nicht erwerbsmäßig tätig und sind nicht nach § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI als Beschäftigte, sondern nach § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen versicherungspflichtig, wenn sie ein Arbeitsentgelt erhalten, das das dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld iS von § 37 SGB XI nicht übersteigt. Zwar fehlt eine entsprechende Regelung für die gesetzliche Unfallversicherung, sodass die gegen Arbeitsentgelt beschäftigten Pflegepersonen grundsätzlich gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert sind, auch wenn ihr Arbeitsentgelt den Betrag des entsprechenden Pflegegeldes nicht übersteigt. Entsprechend dem Schutzzweck des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII sowie entsprechend der Regelung in § 3 Satz 2 SGB VI ist die Pflege jedoch außerhalb einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit jedenfalls dann nicht erwerbsmäßig, wenn der Pflegebedürftige der Pflegeperson lediglich eine finanzielle Anerkennung bis zu der Höhe des dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechenden Pflegegeldes gewährt(so auch zB Kruschinsky in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky SGB VII Stand Oktober 2013, § 2 RdNr 784; Bereiter-Hahn/Mehrtens SGB VII Stand Januar 2014, § 2 RdNr 33.3; Riebel in Hauck/Noftz, SGB VII Stand April 2014, § 2 RdNr 258, Schwerdtfeger in Lauterbach, SGB VII Stand Dezember 2012, § 2 RdNr 604 f; Richter in Becker/Franke/Molkentin 3. Aufl 2011, § 2 RdNr 198; Bieresborn in jurisPK-SGB VII 2. Aufl 2014 Stand 23.6.2014, § 2 RdNr 364; vgl zur Abgrenzung von nicht erwerbsmäßiger und erwerbsmäßiger Pflege auch BSG vom 6.6.2002 - B 3 P 2/02 R - SozR 3-3300 § 39 Nr 5 sowie BSG vom 18.7.1996 - 4 RA 25/95 - SozR 3-2600 § 249b Nr 1). Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen und der Unfallversicherungsträger sehen ebenfalls die Pflegetätigkeit von Personen als nicht erwerbsmäßig an, wenn die finanziellen Zuwendungen zur Anerkennung der Pflege die Höhe des dem Umfang der Pflege entsprechenden Pflegegeldes nach § 37 Abs 1 Satz 3 SGB XI nicht übersteigen(vgl Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger vom 20.2.1995 und vom 17.12.2006 S 3 f, abgedruckt jeweils in Die Leistungen 1995, 491 und Die Leistungen 2007, 200 ff).

20

Im vorliegenden Fall lag der von dem pflegebedürftigen Vater an den Kläger weitergeleitete Anteil des Pflegegeldes iHv 220 Euro monatlich unter dem Betrag des im Jahre 2010 an den Vater gezahlten Pflegegeldes, das gemäß § 37 Abs 1 Satz 3 Nr 2 Buchst b SGB XI(in der vom 1.7.2008 bis 29.10.2012 geltenden Fassung des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.5.2008, BGBl I 874) 430 Euro monatlich betrug. Die Weiterleitung dieses Anteils des Pflegegeldes an den Kläger konnte bereits aus diesem Grund die Erwerbsmäßigkeit der Pflege nicht begründen.

21

b. Auch das gemeinsame Wirtschaften unter Verbrauch der Renten des Vaters und des Pflegegeldes führt hier nicht zur Erwerbsmäßigkeit der Pflegetätigkeit iS des § 19 SGB XI. Selbst wenn dem Kläger insgesamt tatsächlich Leistungen zugewandt worden sein sollten, die den Betrag des gezahlten Pflegegeldes iHv 430 Euro überschritten hätten, erfolgten diese Zuwendungen nicht im Hinblick auf die Pflegetätigkeit, sondern aufgrund der gemeinsamen Haushaltsführung des Klägers mit seinem pflegebedürftigen Vater und dienten der Sicherstellung ihres Lebensunterhalts. Dem Zweck der Versicherung nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII, durch die Absicherung der Pflegepersonen in der gesetzlichen Unfallversicherung insbesondere auch die Pflege durch Familienangehörige in der häuslichen Umgebung des Pflegenden zu fördern und zu unterstützen, würde es zuwider laufen, die Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen wegen der finanziellen Beiträge des Pflegebedürftigen zum Lebensunterhalt als erwerbsmäßig anzusehen. Andernfalls wäre die Pflege naher Angehöriger, die in demselben Haushalt mit dem Pflegebedürftigen leben und ohne eigene Einkünfte von ihm unterhalten werden, immer eine erwerbsmäßige, den Versicherungsschutz ausschließende Pflegetätigkeit, obwohl gerade diese Pflegepersonen des Unfallversicherungsschutzes bedürfen und gerade deren Pflege gefördert und unterstützt werden soll.

22

Auch die Spitzenverbände gehen in den genannten Gemeinsamen Rundschreiben davon aus, dass dann, wenn die Zuwendungen an den Pflegenden das Pflegegeld nach § 37 SGB XI überschreiten, eine Prüfung erforderlich wird, ob eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit oder gleichwohl eine nicht erwerbsmäßige Pflege vorliegt. Darüber hinaus wird in den Rundschreiben bei der Pflege durch nahe Verwandte und sonstige Familienangehörige von einer grundsätzlichen widerlegbaren Vermutung in der gesetzlichen Unfallversicherung ausgegangen, dass die Pflegetätigkeit ungeachtet der Höhe der finanziellen Zuwendungen des Pflegebedürftigen an die Pflegeperson nicht erwerbsmäßig ausgeübt wird (vgl Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger vom 20.2.1995 und vom 17.12.2006 S 3 f, aaO). Der Senat kann offenlassen, ob dem folgend die Pflege durch nahe Familienangehörige, die im Haushalt des Pflegebedürftigen leben, unabhängig von der Höhe der finanziellen Zuwendungen grundsätzlich nicht erwerbsmäßig ist oder ob jedenfalls hierfür eine widerlegbare Vermutung spricht. Denn im vorliegenden Fall war die Pflege des Vaters in Anbetracht des Umfangs und der Art und Weise der Zuwendungen an den Kläger jedenfalls nicht erwerbsmäßig.

23

c. Das LSG und das SG sind auch zu Recht davon ausgegangen, dass eine Erwerbsmäßigkeit der Pflegetätigkeit iS des § 19 SGB XI nicht aus der im Hofübergabevertrag aus dem Jahre 1978 geregelten Verpflichtung des Klägers folgt, seinen Vater zu pflegen. Zum einen erzielte der Kläger nach den Feststellungen des LSG aus der Hofübergabe nur noch Pachteinnahmen iHv etwa 2200 Euro jährlich und damit ca 183 Euro monatlich, sodass auch unter Berücksichtigung des an ihn weitergeleiteten anteiligen Pflegegeldes der gemäß § 37 SGB XI relevante Betrag von 430 Euro(hierzu soeben a.) noch nicht einmal erreicht wäre. Zum anderen enthielt der Hofübergabevertrag neben der zu erbringenden Pflege zahlreiche andere, beiden Elternteilen seit 1978 geschuldete Leistungen, so ua ein Wohnrecht, Naturalleistungen, Mahlzeiten, Hausarbeiten und Taschengeld.

24

Die Verpflichtung zur Pflege war damit jedenfalls nur eine von zahlreichen Gegenleistungen für die Hofübergabe. Die Erträge aus der Verpachtung iHv 183 Euro monatlich können schon wegen dieser vielfältigen Verpflichtungen deshalb nicht ausschließlich als Gegenleistung für die Pflegetätigkeit betrachtet werden. Aber auch darüber hinaus standen Hofübergabe und die Pflege des Vaters nicht im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Der Übergabevertrag regelte die Übergabe des landwirtschaftlichen Betriebes von den Eltern auf den Kläger. Daneben räumte der Vertrag den Eltern Leibgedingsrechte gegenüber dem Kläger ein. Es handelte sich um einen in der Landwirtschaft gebräuchlichen Übergabevertrag mit der Zusage von als Altenteil oder Leibgedinge bezeichneten Versorgungsleistungen, für die aufgrund Art 96 EGBGB weiterhin besondere landesrechtliche Vorschriften gelten. Die in einem Übergabevertrag vereinbarten Leistungen des Übernehmers zur Versorgung des Übergebenden bei gleichzeitigem Einrücken des Übernehmenden in die Existenzgrundlage des Übergebenden sind in der Regel keine Gegenleistungen für die Übertragung des Grundbesitzes, sondern aus dem zugewendeten Vermögen zu leistende Auflagen (vgl BGH vom 7.4.1989 - V ZR 252/87 - BGHZ 107, 156; BayOLG vom 22.5.1995 - 1Z RR 62/94 - BayObLGZ 1995, 186). Dementsprechend werden im Steuerrecht die Versorgungsleistungen auch nicht als Veräußerungsentgelt oder Anschaffungskosten des landwirtschaftlichen Betriebes angesehen (vgl BFH vom 5.7.1990 - GrS 4/89 ua - BFHE 161, 317). Bereits dies spricht dagegen, die Pflege aufgrund eines in einem landwirtschaftlichen Hofübergabevertrag vereinbarten Leibgedinges als auf die Erzielung von Erwerbseinkommen gerichtete und damit erwerbsmäßige Pflegetätigkeit anzusehen. Ein Ausschluss des Versicherungsschutzes für Pflegende, die aufgrund eines solchen Leibgedinges zur Pflege ihrer Eltern in deren häuslichem Umfeld verpflichtet sind, widerspricht zudem auch dem Schutzzweck des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII. Ein solcher Pflegender wie der Kläger bedarf des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn er nicht anderweitig gegen das Risiko eines Unfalles abgesichert ist. Seine Pflege ist eine Pflegetätigkeit im Haushalt des Pflegebedürftigen durch einen Angehörigen, die durch das SGB XI gerade gefördert und unterstützt werden sollte, wie § 3 SGB XI unterstreicht(vgl oben a.).

25

Wurde ein als Lebensgrundlage dienender landwirtschaftlicher Betrieb vor Jahren von dem Pflegebedürftigen seinem Kind übergeben und hatte sich dieses - entsprechend bestehender Gepflogenheiten in der Landwirtschaft - zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes der Eltern einschließlich der Pflege verpflichtet, so dürfte die Übernahme dieser Verpflichtung jeweils auch im Hinblick auf mögliche gesetzliche Unterhaltspflichten gegenüber den Eltern erfolgt sein. Dem Versicherungsschutz als Pflegeperson in der gesetzlichen Unfallversicherung steht aber grundsätzlich nicht entgegen, dass die Pflege durch dem Pflegebedürftigen gesetzlich zum Unterhalt verpflichtete Angehörige erbracht wird. Der Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII stellt jedenfalls nach dem Wortlaut der Norm nicht darauf ab, ob eine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht. Allein der Umstand, dass aufgrund des Hofübergabevertrages der Grundbesitz auf den Kläger übergegangen ist, kann ebenfalls nicht zum Ausschluss des pflegenden Hofübernehmers aus dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung führen. Für die Versicherung nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII ist es unerheblich, ob und über welches Vermögen oder sonstige Einkünfte der Pflegende verfügt.

26

Mithin stellte sich die Pflegetätigkeit des Klägers aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles als nicht erwerbsmäßige Pflege iS des § 19 SGB XI dar, sodass dieser grundsätzlich Versicherter in der gesetzlichen Unfallversicherung war.

27

2. Der Kläger verrichtete unmittelbar vor dem Unfall auch eine vom Versicherungsschutz des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII umfasste Tätigkeit iS von § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII iVm § 14 SGB XI. Sein von der Pflegekasse Pflegegeld nach Pflegestufe II beziehender Vater war pflegebedürftig iS von § 14 Abs 1 und Abs 2 SGB XI. Indem der Kläger ihn aus dem Bett auf den Toilettenstuhl umsetzte, half er ihm beim Aufstehen aus dem Bett und damit bei einer Verrichtung im Bereich der Mobilität nach § 14 Abs 4 Nr 3 SGB XI bzw übernahm diese, um dem Vater die Benutzung des Toilettenstuhls, einer Verrichtung im Bereich der Körperpflege nach § 14 Abs 4 Nr 1 SGB XI, zu ermöglichen. Infolge dieser Verrichtung kam es zu einem Gesundheitsschaden des Klägers, der auch rechtlich wesentlich durch die versicherte Pflegetätigkeit verursacht wurde.

28

3. Die Pflegetätigkeit des Klägers erfüllte entgegen der Auffassung der Beklagten auch keinen anderen, die Versicherung nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII verdrängenden und deshalb die Zuständigkeit der Beklagten ausschließenden Versicherungstatbestand. Gemäß § 129 Abs 1 Nr 7 SGB VII war die Beklagte deshalb der für die Durchführung der Versicherung zuständige Versicherungsträger. Allerdings geht gemäß § 135 Abs 1 Nr 6, Abs 3 Satz 1 SGB VII eine Versicherung nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII als Beschäftigter, nach Nr 5 als landwirtschaftlicher Unternehmer, nach Nr 9 als im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege Tätiger oder nach Nr 10 als in den dort genannten Bereichen ehrenamtlich Tätiger einer Versicherung als Pflegeperson nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII vor.

29

In Betracht kommt hier allenfalls die Versicherung nach § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII als landwirtschaftlicher Unternehmer, für deren Durchführung die Beigeladene gemäß § 123 Abs 1 Nr 3 SGB VII zuständig wäre. Bestandteile des landwirtschaftlichen Unternehmens sind nach § 124 Nr 1 SGB VII auch die Haushalte der Unternehmer, wenn die Haushalte dem Unternehmen wesentlich dienen. Nach diesen Vorschriften war die unmittelbar vor dem Unfallereignis verrichtete Pflegetätigkeit jedoch keine gemäß § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII, § 124 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit eines landwirtschaftlichen Unternehmers.

30

Eine versicherte Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII setzt eine Verrichtung voraus, die in einem inneren Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Unternehmen steht. Sie muss wesentlich dem Haushalt eines landwirtschaftlichen Unternehmens bzw dem landwirtschaftlichen Unternehmen dienen. Die Zugehörigkeit des Haushaltes zum landwirtschaftlichen Unternehmen setzt nach § 124 Nr 1 SGB VII voraus, dass der Haushalt dem Unternehmen nützlich ist und sich von anderen Haushalten unterscheidet(vgl zB BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 5/11 R - NZS 2012, 826). Eine frühere landwirtschaftliche Prägung genügt nicht, wenn der Haushalt sich zwar noch auf einem landwirtschaftlichen Anwesen befindet, sich jedoch nicht mehr von einem üblichen privaten Haushalt unterscheidet (vgl Feddern in: jurisPK-SGB VII 2. Aufl 2014 Stand 15.3.2014 § 124 RdNr 18 f).

31

Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG diente der Haushalt, in dem der Kläger seinen Vater pflegte, nicht (mehr) einem landwirtschaftlichen Unternehmen iS des § 124 Nr 1 SGB VII. Der Kläger hatte die Viehhaltung aufgegeben, wesentliche Flächen verpachtet und bewirtschaftete selbst keine Flächen mehr. Das landwirtschaftliche Anwesen diente dem Kläger und seinem Vater damit lediglich noch zu Wohnzwecken. Tätigkeiten, die einen Bezug zu einem landwirtschaftlichen Unternehmen hatten, waren im Haushalt nicht zu verrichten und wurden auch nicht verrichtet. Damit hatte der Haushalt kein landwirtschaftliches Gepräge und unterschied sich nicht von sonstigen Privathaushalten.

32

Die Pflegetätigkeit des Klägers diente schließlich auch nicht deshalb einem landwirtschaftlichen Unternehmen iS des § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII, weil der Kläger aufgrund des in dem Hofübergabevertrag vereinbarten Leibgedinges zur Pflege verpflichtet war. Es kann dahinstehen, ob der Auffassung des SG München (vom 24.5.2012 - S 1 U 5029/11 - Breithaupt 2013, 684) zu folgen ist, das davon ausgeht, Tätigkeiten eines landwirtschaftlichen Unternehmers in seinem Betrieb zur Erfüllung von Verpflichtungen aus einem Hofübergabevertrag seien vom Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII erfasst, wenn die vereinbarten Tätigkeiten dem Zweck des Übergabevertrages, nämlich einer angemessenen Existenzsicherung der Altenteiler, dienen. Jedenfalls war die Erfüllung der im Hofübergabevertrag übernommenen Verpflichtung zur Pflege unmittelbar vor dem Unfall keine einem landwirtschaftlichen Unternehmen des Klägers dienende Tätigkeit mehr. Der Kläger war nicht mehr als landwirtschaftlicher Unternehmer tätig, weil er die Viehhaltung aufgegeben, Flächen verpachtet und Flächen nicht mehr selbst bewirtschaftet hat. Dass der Kläger als Übernehmer in der Vergangenheit durch einen Hofübergabevertrag in die Lage versetzt worden war, als landwirtschaftlicher Unternehmer tätig zu sein, führt jedenfalls nach Aufgabe dieser Tätigkeit nicht dazu, dass weiterhin die aus diesem Hofübergabevertrag zu erfüllende Verpflichtung zur Pflege eine einem landwirtschaftlichen Unternehmen dienende Tätigkeit eines landwirtschaftlichen Unternehmers ist.

33

Damit hat der Kläger als nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII iVm § 19 SGB VII versicherte nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson bei der Pflege iS des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII, dem Umsetzen seines Vaters vom Bett in den Toilettenstuhl, am 29.4.2010 einen Arbeitsunfall erlitten, für den die Zuständigkeit der Beklagten gemäß § 129 Abs 1 Nr 7 SGB VII als Unfallversicherungsträger im kommunalen Bereich besteht.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24.04.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Kosten des auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz eingeholten Gutachtens von Dr. C. vom 23.01.2012 sowie die dadurch entstandenen baren Auslagen der Klägerin werden auf die Staatskasse übernommen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat und ob eine posttraumatische Belastungsstörung Folge des Arbeitsunfalls ist.
Die 1954 geborene Klägerin ist bei der D. R. Baden-Württemberg beschäftigt. Ende 2001/Anfang 2002 wurde die Klägerin von einem Versicherten, der im Flur laut herum schrie, in ihr Büro gedrängt, an beiden Unterarmen festgehalten und zunächst in die Zimmerecke hinter die Türe gedrückt und schließlich unter lautem Geschrei kraftvoll auf den Bürostuhl in der diagonal gegenüber liegende Ecke geschleudert. Zwei zur Hilfe gekommene Kollegen konnten den Versicherten nicht beruhigen. Er warf einen auf dem Schreibtisch liegenden Packen Papier in die Luft und schrie weiter. Er packte die Klägerin am Arm und schwang sie vom Bürostuhl in die Mitte des Zimmers, worauf sie aus dem Zimmer flüchten konnte.
Unter dem 28.01.2010 erstattete die D. R. wegen dieses Vorfalls Unfallanzeige bei der Beklagten. Beigefügt war eine Vorgangsschilderung der Klägerin. In dieser führte die Klägerin aus, sie hätte Todesangst ausgestanden, weil sie befürchtet habe, der Mann könne eine Waffe ziehen. Sie sei danach total aufgelöst gewesen. Man habe sie gefragt, ob sie Anzeige erstatten wolle. Die verständigte Polizei habe ihr aber gesagt, wenn sie nicht direkt bedroht worden sei, würde das Verfahren sowieso eingestellt werden, weshalb sie auf eine Anzeige verzichtet habe. Der Versicherte habe kein Hausverbot erhalten, sondern sie sei ihm danach noch zweimal im Haus begegnet. Im Jahr 2006 sei ihre Behörde umgezogen. Es sei eine Einweisung am Empfang in die Sicherheitsmaßnahmen mit Notfall-Knöpfen, Alarm etc. erfolgt, weshalb sie retraumatisiert worden sei. Weitere Retraumatisierungen seien erfolgt, jedoch immer nur im Dienstgebäude, außerhalb passiere ihr das nie. Anfang 2008 habe sie die Psychotherapeutin N. aufgesucht. Bis Herbst 2008 sei sie stabil gewesen, danach seien erneut Traumatisierungen erfolgt und seit Januar 2009 sei sie wöchentlich bei der Psychologin R.-R. in Behandlung.
Vorgelegt wurde die Bescheinigung der Psychologin R.-R. vom 23.12.2009, wonach die Klägerin an Ängsten am Arbeitsplatz, intrusiven Erinnerungen und Konzentrationsschwierigkeiten leide. Diese Symptome stünden im Zusammenhang mit Zuständen nach Retraumatisierungen. Es liege keine psychische Krankheit vor, die Symptomatik sei nach neuropsychologischen Zusammenhängen der Psychotraumatologie zu erklären.
Die Beklagte holte die beratungsärztliche Stellungnahme von PD Dr. Ro. vom 26.04.2010 ein, der einen psychischen Erstschaden als nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht beurteilte. Die Klägerin habe seinerzeit keine medizinische Hilfe in Anspruch genommen. Ein Zusammenhang der später aufgetretenen Beeinträchtigung lasse sich nicht herleiten, denn die geltend gemachten Retraumatisierungen seien nach Art und Umfang nicht geeignet, den Zusammenhang mit dem Vorfall 2001 herzustellen.
Mit Bescheid vom 09.06.2010 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des geltend gemachten Vorfalls Ende des Jahres 2001/Anfang 2002 ab. Es sei davon auszugehen, dass bei einer entsprechenden Traumatisierung ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werde, was hier erstmals sechs Jahre nach dem Vorfall aufgrund von Depressionen und einer Angststörung der Fall sei. Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung äußerten sich in der Regel einige Wochen nach dem Ereignis. Anhaltspunkte, die Rückschlüsse auf die erforderliche Schwere des Ereignisses zuließen, seien den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. Plausibel sei allenfalls eine kurzzeitige Belastungsreaktion, die aber nicht länger als wenige Stunden angedauert haben könne. Ein primärer Gesundheitsschaden aufgrund des Ereignisses von Ende 2001/Anfang 2002 liege nicht vor.
Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und verwies auf den vorgelegten Befundbericht der Universitätsklinik F. für Psychiatrie und Psychosomatik vom 15.01.2009. Dort hatte sich die Klägerin erstmals am „07.02.2009“ in der Spezialsprechstunde Psychotraumata vorgestellt. Leitender Oberarzt Prof. Dr. V. hatte die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung mit verspätetem Beginn (ICD-10: F43.1) gestellt.
Diplom-Psychologin R.-R. teilte der Beklagten mit Bericht vom 30.06.2010 mit, die Klägerin habe nach dem Überfall 2001/2002 zunächst unter traumaspezifischen Symptomen wie Intrusionen, Albträumen und Schlafstörungen gelitten. Sie habe zeitnah zur Selbsthilfe gegriffen und sich einer Karategruppe angeschlossen. Der Zeitrahmen, innerhalb dessen eine posttraumatische Belastungsstörung auftrete, sei umstritten. Nach ICD-10 werde vom Auftreten belastender Symptome innerhalb von sechs Monaten nach dem Ereignis ausgegangen, jedoch seien verspätete Reaktionen durchaus üblich. Bemerkenswert sei, dass die Klägerin sich im privaten Bereich völlig angstfrei bewegen könne. Die Umstände des ursprünglichen Überfalls legten den Schluss nahe, dass psychosoziale Begleitumstände eine spontane Bewältigung der traumatischen Situation erschwert hätten, wie z.B. die mangelhafte Unterstützung und Bagatellisierung durch die Polizei, unzureichende Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte.
PD Dr. Ro. hielt in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13.07.2010 an seiner Einschätzung fest, dass der verspätete Beginn der Symptomatik mehrere Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis nicht die Bedingungen einer Retraumatisierung erfüllten. Vielmehr handele es sich um persönlichkeitsbedingte Reaktionen auf fiktive Bedrohungssituationen.
10 
In dem von der Beklagten veranlassten Gutachten des Neurologen Dr. Co. vom 14.10.2010 wird ein gegenwärtiger krankheitswertiger Befund verneint. Die Kriterien einer psychoreaktiven Störung bzw. einer posttraumatischen Belastungsstörung seien gemäß den Diagnosemanuals ICD-10 oder DSM IV nicht erfüllt. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei nur dann zu diagnostizieren, wenn die zugehörige Symptomatik innerhalb von sechs Monaten nach dem Ereignis mit hinreichender Sicherheit nachzuweisen sei. Selbst 2008 sei eine psychotherapeutische Behandlung bereits nach vier Sitzungen aufgrund subjektiven Wohlbefindens beendet worden.
11 
Die Klägerin erhob hiergegen Einwände. Die behandelnde Psychologin R.-R. verwies darauf (Bericht vom 06.12.2010), dass eine Langzeittherapie nach der 25. Sitzung durch die Krankenkasse genehmigt worden sei und bereits zweimal externe Gutachter die Indikation und den Behandlungsplan überprüft hätten. Entgegen der Auffassung von Dr. Co. sei die Klägerin angesichts des angezeigten Untersuchungstermins emotional besonders belastet gewesen, ebenso leide sie an Nachhallerinnerungen. Die Beeinträchtigungen der Klägerin seien die noch nicht verarbeiteten Auswirkungen des Überfalls. Die Klägerin kämpfe nicht um einen finanziellen Ausgleich, sondern um die Anerkennung, dass sie 2002 einen Arbeitsunfall erlitten habe.
12 
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
13 
Die Klägerin erhob am 10.01.2011 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG).
14 
Das SG holte von Prof. Dr. T. das nervenärztliche Gutachten vom 09.05.2011 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 10.08.2011 und 01.02.2012. Der Sachverständige führte aus, bei der Klägerin lägen psychovegetativ anmutende und teilweise auch dissoziative Zustände vor, die durch eine Reihe von Auslösesituationen am Arbeitsplatz zu Stande gekommen seien. Eine diagnostische Zuordnung dieser Angstattacken zu einer der klassischen Kategorien wie einer posttraumatischen Belastungsstörung falle zum jetzigen Zeitpunkt schwer, die Kriterien könnten nicht voll erfüllt werden. Die Gesundheitsstörungen wären ohne das Traumaereignis wohl nicht zu Stande gekommen, ein Zusammenhang sei wahrscheinlich. Andere Ursachen als das unmittelbare Traumaereignis für die unzureichende Krankheitsverarbeitung seien die hilflos gehandhabte Krisensituation, die zu geringe Hilfestellung durch Kollegen und die Nachbearbeitung des Vorfalls. Der Ablauf weise erhebliche Lücken auf, eine psychologische Beratung oder ein Gespräch mit Vorgesetzten habe nicht stattgefunden.
15 
Mit Urteil vom 24.04.2012 wies das SG die Klage ab. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei nicht bewiesen. Prof. Dr. T. habe die typischen Merkmale der posttraumatischen Belastungsstörung bei der Klägerin nicht erheben können. Er vermute nur, dass in den Voruntersuchungen im Universitätsklinikum F. und bei der behandelnden Therapeutin diese Symptome vorgelegen hätten. Gegen den Zusammenhang spreche aber die Dauer zwischen dem Ereignis und dem erstmaligen Auftreten der Erkrankung. Nach dem Sachverständigen betrage die Latenz selten mehr als sechs Monate. Aufgrund der erheblichen Zeitdauer im Falle der Klägerin stehe ein Ursachenzusammenhang für das Gericht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest.
16 
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 25.05.2012 zugestellten Urteil hat die Klägerin am 18.06.2012 beim SG Berufung eingelegt. Sie macht geltend, auch bei einer Latenz von mehreren Jahren sei die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
17 
Die Klägerin beantragt,
18 
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24.04.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 09.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.12.2010 aufzuheben und festzustellen, dass eine posttraumatische Belastungsstörung und eine dissoziative Störung mit psychogenem Mutismus Folgen des Ende 2001/Anfang 2002 eingetretenen Arbeitsunfalles sind,
19 
hilfsweise zum Beweis dafür, dass die bei der Klägerin bis 2006 bestandene Beschwerdelatenz aufgrund aktueller wissenschaftlicher medizinischer Erkenntnisse auch in Deutschland keinen Anlass bieten, die Diagnose eines PTBS in Frage zu stellen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, hilfsweise Dr. C. hierzu zu hören.
20 
Die Beklagte beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Sie bezieht sich auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG. Bei dem Ereignis Ende 2001/Anfang 2002 sei es nicht zu einem primären Gesundheitsschaden gekommen. Dagegen spreche, dass die Klägerin sich nach dem Ereignis nicht in ärztliche Behandlung begeben habe. Die Klägerin habe unmittelbar nach dem Ereignis ihre Tätigkeit wieder aufgenommen.
23 
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das Gutachten von Dr. C. vom 23.01.2013 eingeholt. Er hat aufgrund der Untersuchung der Klägerin einen Status nach posttraumatischer Belastungsstörung mit spätem Beginn (ICD-10: F43.1) und einen Status nach dissoziativer Störung mit psychogenem Mutismus (ICD-10: F 44 - Konversionsstörungen -) diagnostiziert. Aktuell lägen bei der Klägerin keine psychischen Störungen von Krankheitswert vor. Die seit 2006 aufgetretenen Symptome seien mittlerweile durch adäquate Behandlung abgeklungen. Die überwundenen Gesundheitsstörungen seien auf das Unfallgeschehen 2001/2002 zurückzuführen. Nach derzeitigem Stand der Begutachtungspraxis gelte, dass eine längere Latenz von mehr als sechs Monaten umso plausibler sei, je höher die nachvollziehbare seelische Beeindruckung durch das seelische Ereignis gewesen sei. Danach sei die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs vorliegend gegeben, ein Vollbeweis könne aber nicht erbracht werden. Die grundsätzliche Existenz posttraumatischer Belastungsstörungen mit verspätetem Beginn können nach Stand der internationalen Literatur kaum bestritten werden. Zum psychodynamischen Befund sei zu berücksichtigen, dass als zusätzliches Belastungsmoment die fehlende soziale Unterstützung in Erscheinung getreten sei. Der Arbeitgeber und der Unfallversicherungsträger habe keine prophylaktische Primärbetreuung vermittelt, die Polizei habe den Vorfall bagatellisiert und eine Unterstützung von Vorgesetzten und Kollegen sei ausgeblieben. Über Jahre habe sich auf einer Ebene unauffälligen Funktionierens ein großer Bodensatz persistierenden Grolls angestaut. Nach dem Umzug in das neue Amtsgebäude seien einerseits die alten traumatischen Erinnerungen in ihr geweckt worden, andererseits sei ihr angesichts der neuen Sicherheitseinrichtungen bewusst geworden, welche anderen und professionelleren Formen des Managements aggressiven Verhaltens von Klienten ihr nicht angeboten worden seien. Es gehe ihr weniger um die Erlangung materieller Entschädigung als um die Anerkennung, dass ihr Unrecht widerfahren sei.
24 
Die Beteiligten haben sich zu dem Gutachten geäußert. Der Klägerbevollmächtigte hat auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 01.03.2013 hingewiesen (Schriftsatz vom 05.03.2013), in dem der „Oberste Traumatologe der Bundeswehr“, Peter Zimmermann, zitiert werde, wonach in der eingeführten Schutzzeit von bis zu acht Jahren nur die Entlassung aus eigenem Wunsch aus dem Dienst gesetzlich zulässig sei, was eine der wichtigsten Errungenschaften bei der Versorgung traumatisierter Soldaten sei. Denn seelische Schädigungen würden oft erst Jahre nach dem traumatisierenden Erlebnis erkannt. Die Beklagte hat geltend gemacht (Schriftsatz vom 18.02.2013), der Sachverständige halte einen kausalen Zusammenhang nur für wahrscheinlich, ein Vollbeweis für eine posttraumatische Belastungsstörung könne aber nicht erbracht werden. Der seit 1980 bekannte Erkenntnisstand der amerikanischen medizinischen Wissenschaft, dass nach Erfahrungen des Vietnamkriegs sich seelische Störungen auch in einem längeren Zeitraum als sechs Monate noch bemerkbar machen können, habe keinen Einfluss auf die Kriterien nach dem ICD-10 gefunden. Zur Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung müsse ein primäres Ereignis stattgefunden haben, welches die einschlägige Reaktion erst einmal hervorrufen könne. Dies sei vorliegend nicht bewiesen.
25 
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten unter die Akte des SG beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
26 
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG).
27 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
28 
Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 SGG. Der Antrag der Klägerin, eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls Ende 2001/Anfang 2002 festzustellen, ist gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1, Nr.3 SGG als Feststellungsklage zulässig. Begehrt werden die Feststellung eines Arbeitsunfalls und von Unfallfolgen.
29 
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wie es das durch Arbeitsunfall begründete Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin als Versicherte und der Beklagten als Trägerin der Unfallversicherung darstellt. Vor Erhebung einer Feststellungsklage muss der Versicherte im Regelfall einen entsprechenden (Feststellungs-)Antrag an den Versicherungsträger gerichtet haben, mit dem er eine bestimmte Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt hat, z.B. dass ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit vorliegt. Das Begehren zur Feststellung eines Arbeitsunfalles ist nicht auf die Feststellung eines nicht feststellungsfähigen Tatbestandsmerkmals einer Anspruchsnorm gerichtet (BSG Urt. vom 27.06.2006 - B 2 U 77/06 B -, SozR 4-1500 § 55 Nr. 4). Nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann mit der Feststellungsklage auch die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Unfallfolge begehrt werden (BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R -). Über beide Feststellungsbegehren ist durch die Beklagte auch durch anfechtbaren Verwaltungsakt inzident entschieden worden, weshalb die prozessuale Voraussetzung einer Verwaltungsentscheidung und eines durchgeführten Vorverfahrens vorliegt. Im streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 09.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2010 wurden Entschädigungsleistungen abgelehnt, weil weder eine posttraumatische Belastungsstörung noch eine sonstige psychoreaktive Störung (so der Widerspruchbescheid) vorgelegen habe, womit die begehrte Feststellung einer posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge konkludent abgelehnt ist. Ein Arbeitsunfall wurde mangels „primärer Gesundheitsschädigung“ aufgrund des Ereignisses Ende 2001/Anfang 2002 (so der Ausgangsbescheid) zunächst konkludent und im Widerspruchbescheid ausdrücklich ein Versicherungsfall (nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind das Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten) verneint.
30 
Voraussetzung ist auch für diese Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 SGG), dass ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung besteht. Dieses besondere Feststellungsinteresse liegt hier vor, da ein Gesundheitsschaden behauptet wird, der nach klägerischer Auffassung auf das angeschuldigte Geschehen zurückzuführen ist und geeignet ist, zum einen als -fraglicher- Erstschaden die Feststellung eines Arbeitsunfalles zu erlauben und zum anderen Leistungen für die Vergangenheit und gegebenenfalls auch für die Zukunft zu begründen.
31 
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheit(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheit(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, B 2 U 40/05 R= UV-Recht Aktuell 2006, 419-422, B 2 U 26/04 R= UV-Recht Aktuell 2006, 497-509, alle auch in juris).
32 
Nach diesen Grundsätzen ist ein Arbeitsunfall der Klägerin im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Ereignis nicht nachgewiesen. Der nicht genau datierte Vorfall Ende 2001/Anfang 2002 erfüllt jedenfalls die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls insoweit, als es bei der Verrichtung der versicherten Tätigkeit der Klägerin durch den handgreiflichen Übergriff zu einer Einwirkung auf den Körper der Klägerin gekommen ist. Der Senat geht davon aus, dass der randalierende Versicherte die Klägerin an den Armen gepackt und sie, wie in der Unfallanzeige von ihr dargestellt, mehrfach gegen ihren Willen an verschiedene Orte in ihrem Büro gezwungen hatte. Ebenso geht der Senat davon aus, dass hierdurch auch eine Einwirkung auf die Psyche der Klägerin stattgefunden hat, die grundsätzlich auch ohne eine physische Verletzung entstehen kann (BSG Urteile v. 09.05.2006, a.a.O.), und sich vorliegend in der Angst, der Versicherte möge eine Waffe dabei haben, dem Erschrecken über das Verhalten des Versicherten und dem Gefühl der Hilflosigkeit äußerte.
33 
Dagegen ist dem Senat die Feststellung nicht möglich, dass durch diese Einwirkungen ein Gesundheitserstschaden entstanden ist.
34 
Gesundheitserstschaden i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Arbeitsunfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolgen) sind (BSG Urt. v. 15.05.2012 - B 2 U 16/11 R -, juris, Rnr. 19) oder sich in der Folge gegebenenfalls unter Hinzutreten weiterer Bedingungen entwickeln oder der versicherten Tätigkeit aufgrund Spezialvorschriften (z.B. § 11 SGB VII, vgl. BSG Urteil vom 15.05.2012, a.a.O.) zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher Art ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls. Der den Gesundheitserstschaden begründende regelwidrige physische oder psychische Zustand entspricht nach herrschender Meinung dem allgemeinen Krankheitsbegriff (vgl. BSG Urt. vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, a.a.O. Rn. 21, 22; Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB VII Rn. 20), was angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden psychischen Erkrankungen und möglicher Schulenstreite in der Medizin eine sichere und nachvollziehbare Diagnosestellung unter Verwendung der üblichen Diagnose-Manuale voraussetzt (BSG, a.a.O.).
35 
Ein für den Senat ersichtlicher Gesundheitserstschaden ist durch die genannten Einwirkungen nicht erwiesen. Der Gesundheitserstschaden setzt, wie dargelegt, keine Dauerschädigung oder Gesundheitsschäden von erheblichem Gewicht oder mit notwendiger Behandlungsbedürftigkeit voraus. Auch Bagatellverletzungen (z.B. „blauer Fleck“) sind regelwidrige Gesundheitszustände, die zwar einen Arbeitsunfall begründen, aber zumeist keine Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung auslösen. Jedoch hat die Klägerin weder einen somatischen Gesundheitsschaden vorgetragen noch ergibt sich aus ihrem Vorbringen eine unmittelbar verursachte psychische Gesundheitsstörung.
36 
Die Handgreiflichkeiten des randalierenden Versicherten haben keine Veränderung des Körperzustands der Klägerin in diesem Sinne bewirkt. Der Eingriff in die körperliche Integrität der Klägerin, indem der Versicherte sie gewaltsam an beiden Armen gepackt hat, hat keine körperliche Verletzung verursacht. Ein ärztlicher Befund hierüber wurde entsprechend dem klägerischen Vorbringen nicht erhoben und ein solcher wurde dem Senat auch nicht vorgelegt. Soweit die Klägerin möglicherweise hierbei Schmerzen empfunden haben sollte, ist damit allein noch keine substantielle körperliche Verletzung dargelegt, sondern zunächst nur eine regelhafte Enervierung der Schmerzsensoren, die nicht zwingend eine - auch nur geringfügige - Verletzung von Körperstrukturen belegt.
37 
Ein unmittelbar aufgetretener psychischer Gesundheitsschaden ist dem Bericht der Klägerin, den sie der Unfallanzeige ihrer Beschäftigungsbehörde vom 28.01.2010 beigefügt hatte, nicht zu entnehmen. Als unmittelbare Reaktion auf den geschilderten Übergriff des Versicherten gibt die Klägerin zwar an, geschockt gewesen zu sein, entsetzliche Angst gehabt zu haben und nach der gelungenen Flucht aus dem Zimmer total aufgelöst gewesen zu sein. Sonstige Angaben über ihren psychischen Zustand finden sich in ihrem sonstigen Vorbringen nicht. In den vorgelegten Berichten aus der ab 2009 aufgenommenen ärztlichen und psychologischen Behandlung sind krankheitswertige Symptome eines psychischen Gesundheitsschadens nicht oder nur unzureichend dargelegt. Die Klägerin hatte nach dem Vorfall bis 2008 noch keinen Arzt aufgesucht. Eine Arbeitsunfähigkeit bestand nicht. Eine Diagnose über einen krankheitswertigen Zustand im unmittelbaren Anschluss an den Vorfall, insbesondere eine akute Belastungsreaktion nach ICD-10 F43.0 (eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt und die im allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingen), wurde damals nicht gestellt und ist von keinem der sich nachfolgend gutachterlich äußernden Ärzten überzeugend thematisiert oder durch eine eigene Diagnosestellung belegt. Die Psychologin R.-R. zählt ohne nähere Darlegung aufgrund der Schilderung der Klägerin als Anfangssymptomatik unmittelbar nach dem Vorfall 2001/2002 aufgetretene Intrusionen von Bildern an den Überfall, Albträume und Schlafstörungen auf (Bericht vom 30.06.2010), was traumaspezifische Krankheitssymptome nicht nachvollziehbar belegt und im Widerspruch dazu steht, dass die Klägerin bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. angegeben hatte, sich an die unmittelbaren Folgen des Ereignisses nicht mehr erinnern zu können. Im Bericht der Universitätsklinik F. vom 15.01.2009 sind zur Erstsymptomatik zum Zeitpunkt des Vorfalls, wobei dieser auf das Jahr 2003 datiert wird, keine Ausführungen gemacht. PD Dr. Ro. verneinte nach Auswertung der Aktenlage - für den Senat daher insoweit nachvollziehbar - ausdrücklich den Nachweis einer psychoreaktiven Störung (Stellungnahmen vom 26.04.2010 und 13.07.2010). Auch Prof. Dr. T. hat in seinem Gutachten vom 09.05.2011 eine akute Belastungsstörung (ICD 10: F 43.0) ausgeschlossen.
38 
Bei dieser Ausgangslage ist die bei psychischen Belastungen schwierige Abgrenzung, ob die Reaktion des Betroffenen sich noch im Bereich des zu erwartenden und angemessenen normalen Verhaltens bewegt oder bereits eine krankheitswertige Regelabweichung vom gesunden normalen Zustand erkennen lässt, nicht zuverlässig möglich. Der mit einem persönlichen körperlichen Übergriff auf die Klägerin einhergehende Vorfall geht weit über alltägliche, berufliche Belastungssituationen hinaus, zwingt aber nicht ohne weiteres - auch wegen seines noch glimpflichen Ausgangs - zu der Annahme, dass damit notwendigerweise gravierende psychische Beeinträchtigungen verbunden gewesen sein müssen. Andererseits ist aber bei gegen die eigene Person gerichteten Attacken eine Schreckreaktion, Angst vor Weiterungen des Übergriffs und eine auch nach Ende des Vorfalls anhaltende Aufgeregtheit mit nervlicher Angespanntheit eine zu erwartende und noch normale Reaktion. Nicht jede nicht alltägliche Gemütslage oder anlassbezogene, psychisch angespannte Befindlichkeit rechtfertigt den Schluss auf einen regelwidrigen Körperzustand. Soweit die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 09.06.2010 eine kurzzeitige Belastungsreaktion unmittelbar nach dem Übergriff als allenfalls noch plausibel bewertet, ist diese anscheinende Hilfsüberlegung, dass eine Belastungsreaktion nach ICD-10 F43.0 vorgelegen haben könnte, aber wegen ihrer Kurzzeitigkeit einen Arbeitsunfall oder jedenfalls Entschädigungsleistungen ausschließt, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar wäre wegen der Kurzzeitigkeit der akuten Belastungsreaktion aus den oben genannten Gründen, wonach es auf die Schwere, Dauer und Behandlungsbedürftigkeit eines Gesundheitserstschadens nicht ankommt, die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nicht zu verneinen, jedoch reicht die bloße Möglichkeit neben anderen ebenso möglichen Sachverhaltskonstellationen für den Nachweis eines Gesundheitserstschadens nicht aus. Diese Überlegung kommt hinreichend in der Formulierung zum Ausdruck, dass hier eine Belastungsreaktion allenfalls noch plausibel sein könnte. Die im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen haben insoweit keine hinreichende Aufklärung erbracht. Der Senat sieht keinen Ansatz für dahingehende weitere Ermittlungen. Solche sind auch nicht vorgetragen.
39 
Eine posttraumatische Belastungsstörung nach ICD-10 F43.1, deren Vorliegen der Senat unterstellt, ist zur Überzeugung des Senats ebenfalls als Gesundheitserstschaden nicht nachgewiesen.
40 
Entgegen der Auffassung der Beklagten scheidet zur Überzeugung des Senats die Annahme eines Gesundheitserstschadens in Form dieser Erkrankung nicht deshalb aus, weil eine wahrnehmbare Symptomatik erst lange Zeit nach dem die Erkrankung auslösenden Initialereignis aufgetreten ist. Nach den von den Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. dargelegten medizinischen Zusammenhängen ist bei einem Ereignis, das nach Art und Schweregrad der Definition des A-Kriteriums der posttraumatischen Belastungsstörung (ein belastendes Ereignis mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß) entspricht, und den später auftretenden B-, C- und D-Diagnosekriterien (Nachhallerinnerungen, Flashbacks; Vermeidungsverhalten; vegetative und dissoziative psychoreaktive Symptomatik) anzunehmen, dass der Betroffene in der Phase der seelischen Latenz nicht gesund ist. Damit ist mit Auftreten der Symptomatik zwar die Diagnosestellung erst gesichert, ein Gesundheitsschaden kann dagegen bereits mit dem Initialereignis eingetreten sein - Behandlungsbedürftigkeit ist keine zwingende Voraussetzung - bzw. die zum Gesundheitsschaden führende Kausalkette wurde dadurch in Gang gesetzt und der hierauf beruhende Gesundheitserstschaden kann auch erst später eintreten.
41 
Für den Vollbeweis hinreichende Anhaltspunkte für einen seelischen Gesundheitsschaden unmittelbar nach dem Ereignis hat der Senat nach den obigen Ausführungen nicht. Ob eine Phase einer latenten seelischen Erkrankung vorlag, ist nicht sicher festzustellen. Der Senat geht jedoch zu Gunsten der Klägerin von dem Ingangsetzen eines Kausalverlaufs zur Entstehung der von Dr. C. diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung aus.
42 
Hierbei stellt der Senat die auch vom SG aufgeworfenen Zweifel daran, ob die Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung erfüllt sind, zurück. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. T. konnte bei seiner Untersuchung die typischen Merkmale wie aufdrängende Erinnerungen, Albträume, das Gefühl von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit usw. nicht erheben. Soweit der Sachverständige auf eine entsprechende Befunderhebung bei den Voruntersuchungen durch das Universitätsklinikum F. verweist, wo die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt worden ist, ist dies nicht vollständig überzeugend. Zum einen wurde dort bei der Untersuchung der Klägerin im Januar 2009 fälschlich angenommen, dass der auslösende Vorfall erst im Jahre 2003 eingetreten und eine unmittelbar hieran anknüpfende Behandlung durch die Psychologin N. durchgeführt worden sei (Befundbericht der Universitätsklinik F. vom 15.01.2009). Zum anderen sind die dort wiedergegebenen Symptome von tagsüber auftretendem Wiedererleben szenischer Erinnerungen und Bilder bei der Arbeit, Schreckhaftigkeit und Ängstlichkeit mit verringerter Belastbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Vermeidungsverhalten teils wenig spezifisch und teils nicht vollständig korrekt, da ein Kundenkontakt erst ab 2010 durch Übernahme einer neuen Tätigkeit endgültig vermieden wurde und die Klägerin zuvor gerade mit vielen Menschen über den Vorfall im Rahmen der Selbsthilfe gesprochen hat, wie sich aus den Darlegungen der Psychologin R.-R. vom 30.06.2010 entnehmen lässt. Diese beurteilte die erstmals 2006 aufgetretenen Beschwerden der Klägerin, die sie ihr nach Behandlungsbeginn im Jahr 2009 schilderte, als die typischen Belastungssymptome, die die genannten Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung erfüllen (Bescheinigungen vom 23.12.2009 und vom 30.06.2010). Die Psychologin R.-R. bezeichnete die von ihr bei der Untersuchung der Klägerin selbst erhobenen Beschwerden jedoch nicht als Krankheit. Damit stimmt überein, dass auch Dr. C. ebenso wie Prof. Dr. T. keine akute Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung mehr hat diagnostizierten können. Seine Diagnose eines Status nach posttraumatischer Belastungsstörung bezieht sich auf einen früheren Zustand. Eine Befunderhebung aufgrund des während der Exploration gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Klägerin zum Zeitpunkt des angenommenen erstmaligen Auftretens der typischen Symptomatik hat die Psychologin R.-R. gerade nicht zur Grundlage ihrer Einschätzung machen können. Dass die Diagnosekriterien der posttraumatischen Belastungsstörung ab 2006 erfüllt waren, wovon Psychologin R.-R. und die gerichtlichen Sachverständigen ausgehen, hat der Senat dennoch als zutreffend unterstellt.
43 
Zur Überzeugung des Senats sind die ab 2006 aufgetretenen psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin jedoch nicht wesentlich kausal auf den angeschuldigten Vorfall Ende 2001/Anfang 2002 zurückzuführen.
44 
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11).
45 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Bedingung eines Erfolges, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Bedingungen.
46 
Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).
47 
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).
48 
Nach diesen Grundsätzen besteht zur Überzeugung des Senats kein wesentlicher Zusammenhang der seit 2006 aufgetretenen psychischen Beschwerden mit dem angeschuldigten Vorfall. Dies ergibt sich für den Senat aus den übereinstimmenden Darlegungen der medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. zu den psychodynamisch wirkenden Bedingungen, die den geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin zu Grunde liegen. Auch die Psychologin R.-R. beschreibt eine damit weitgehend übereinstimmende Psychodynamik. Prof. Dr. T. stellt ebenso wie Dr. C. darauf ab, dass andere Ursachen als das unmittelbare Traumaereignis für die unzureichende Krankheitsverarbeitung der Klägerin auch die hilflos gehandhabte Krisensituation und die zu geringe Hilfestellung durch die Kollegen waren. Dr. C. geht hiermit deckungsgleich davon aus, freilich unter Hinweis auf den hypothetischen Charakter des Bedingungsgefüges, das nur in einer längeren Psychotherapie falsifiziert oder verifiziert werden könne, dass die fehlende soziale Unterstützung durch den Arbeitgeber oder die Beklagte, wonach sie keine prophylaktische Primärbetreuung nach dem Vorfall erfahren habe, bei der im Gutachten näher beschriebenen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin zum Durchbruch des deshalb seit dem Vorfall aufgestauten Grolls führte, als die Klägerin nach dem Umzug 2006 mit den jetzt möglichen Sicherheitseinrichtungen und Bemühungen der Dienststelle zum Schutz vor aggressiven Publikum sich konfrontiert sah und erkennen musste, dass ihr dieser Schutz nicht zuteil geworden sei. Ebenso beschreibt er die unterbliebene Unterstützung von Vorgesetzten und Kollegen, wobei in der Wahrnehmung der Klägerin sogar der Täter durch diese eher geschützt und umworben wurde, da er schließlich sogar Rente erhalten habe. Auch die Bagatellisierung des Vorfalls durch die herbeigerufenen Polizeibeamten, die von einer Anzeige abgeraten hatten, hatte zu der psychischen Konstellation geführt, dass die Klägerin sich als ungerecht behandelt fühlt und sie nun einen - auch juristischen - Kampf um Gerechtigkeit und weniger um materielle Entschädigung führt. Der Senat erachtet diese Umstände als nachgewiesene mitwirkende Bedingungen, denn die behandelnde Psychologin R.-R. hat aufgrund ihrer durchgeführten Langzeittherapie die von Dr. C. als hypothetisch angestellten Überlegungen in dem vom Sachverständigen gemeinten Sinne auch verifiziert. In ihrem Bericht vom 06.12.2010 hatte sie nach 60 Sitzungen bereits ebenso wie Dr. C. dargelegt, dass die Klägerin durch das erlebte Verhalten der Dienststelle, der Polizei und der Vorgesetzten und Kollegen eine Entwertung ihrer Person empfunden hat, weshalb sie um Anerkennung des ihr widerfahrenen Unrechts durch Feststellung dieses Vorfalls als Arbeitsunfall kämpft und nicht, um eine Entschädigung zu erlangen.
49 
Diese in den gutachterlichen Darlegungen der Mediziner und der Psychologin aufgezeigten Bedingungszusammenhänge ergeben aber entgegen deren Einschätzung keinen wesentlichen Zusammenhang der psychischen Beschwerden der Klägerin mit dem Vorfall 2001/2002. Bei geklärtem medizinischem Sachverhalt ist die wertende Entscheidung, welche der aus dem jeweiligen Fachgebiet dargelegten Bedingungen wesentlich ist, eine Rechtsfrage, die dem Gericht vorbehalten ist. Nach den gutachtlichen Darlegungen ist aber das angeschuldigte Unfallereignis nur noch auslösendes Moment, d.h. conditio sine qua non, für die diese von den Sachverständigen und der Psychologin genannten Bedingungen, die die Beschwerden der Klägerin ausgelöst und unterhalten haben. Die psychische Beeinträchtigung der Klägerin beruht weit überwiegend auf Erscheinungen, die mit dem eigentlichen Vorfall des Übergriffs des randalierenden Versicherten entweder nur am Rande zu tun haben - wie die von der Klägerin empfundene verspätete Hilfeleistung durch Kollegen oder die empfundene Bagatellisierung durch die Polizeibeamten - oder auf nachfolgende Eindrücke und Erfahrungen - wie die unterbliebene Betreuung und Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen bzw. die ungerecht empfundene Bevorzugung des Verursachers ihr gegenüber -. Der Vorfall selbst, das in Betracht kommende Unfallereignis, ist demgegenüber vollständig in den Hintergrund gerückt. Dies kommt zur Überzeugung des Senats auch darin zum Ausdruck, dass die von der Psychologin R.-R. beschriebene Beschwerdesymptomatik im Sinne der Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung nur vergleichsweise gering ausgeprägt ist. Das typische Vermeidungsverhalten ist nicht erkennbar. Obgleich Beschwerden ab 2006 bestehen, übt die Klägerin erst seit Anfang 2010 eine Tätigkeit ohne Kundenkontakt aus, wie sie bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. angegeben hat. Auch treten die Beschwerden nur im Dienstgebäude auf, nicht zuhause oder bei privaten Beschäftigungen, wie die Klägerin mehrfach angegeben hat. Der Bezug zum Dienstbetrieb spricht einerseits für den Schwerpunkt des Bedingungsgefüges im Bereich des Verhaltens der Dienststelle und andererseits gegen die Merkmale der sich ungewollt aufdrängenden typischen Erinnerungen an das Initialereignis, wobei teilweise die auslösenden Momente (Einweisung in die Sicherheitseinrichtungen, Deeskalationstraining) mit dem Vorfall nur geringe Berührungspunkte haben und die typisch intrusiven Erinnerungen an das Unfallgeschehen nicht immer vollständig erkennbar sind, denn erinnert wird häufig die unterbliebene Unterstützung bzw. die empfundene Geringschätzung. In diesem Zusammenhang ist auch die lange Latenz zwischen Initialereignis und auftretender Symptomatik von Bedeutung. Nach Dr. C. ist nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand, er verweist hierzu auf Foerster/Widder (2007), bei einer längeren Latenz zu berücksichtigen, dass ein Zusammenhang umso plausibler anzusehen ist, je höher die nachvollziehbare seelische Beeindruckung durch das Ereignis war. Der trotz allem noch glimpflich ablaufende Vorfall hat keinen unmittelbaren, erkennbaren tiefergehenden psychischen Eindruck hinterlassen. Bei Prof. Dr. T. hatte die Klägerin sich an die unmittelbaren Folgen des Ereignisses nicht mehr erinnern können, anders als später bei der Untersuchung durch Dr. C., wo sie angab, sie habe nach der Flucht aus dem Büro weinen müssen, sei in aufgewühltem Zustand nachhause gegangen und selbst am nächsten Tag habe sie ihr Ehemann nicht zur Arbeit gehen lassen wollen. Wie oben dargelegt ist eine tiefergehende Beeindruckung, insbesondere eine akute Belastungsreaktion nicht nachgewiesen. Selbst wenn man mit Dr. C. davon ausgeht, dass trotz der Latenz von mindestens vier Jahren der Zusammenhang mit dem Unfallereignis noch herzustellen ist, ist es nach seinen eigenen Ausführungen nur unter den mitwirkenden anderen Bedingungen (naturwissenschaftlich-philosophisch) kausal geworden.
50 
Diese Bedingungen sind entgegen der Einschätzung von Prof. Dr. T. und Dr. C., die dies offenkundig unterstellen, dem infrage stehenden Versicherungsfall nicht zuzurechnen, sie sind „unfallfremd“. Damit übereinstimmend stuft auch PD Dr. Ro. in seiner Stellungnahme vom 13.07.2010 den Zusammenhang der psychischen Beeinträchtigung ein, die er als persönlichkeitsbedingte Reaktion bewertet.
51 
Dem entspricht die Rechtsprechung des Senats. Danach liegt ein wesentlicher unfallbedingter Zusammenhang eines psychischen Leidens nicht schon dann vor, wenn in der Persönlichkeitsstruktur des Versicherten angelegte Eigenschaften durch das Unfallereignis, die psychischen Unfallfolgen oder durch die Unfallabwicklung des Unfallversicherungsträgers stimuliert werden. Maßstab der wertenden Beurteilung ist vielmehr, dass nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand aus objektiver Sicht ein Zusammenhang herzustellen ist; allein die subjektive Sicht des Versicherten reicht nicht aus (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 27.08.2010 - L 8 U 1427/10 -, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Das Verhalten der Polizei und des Arbeitgebers einschließlich der Vorgesetzten und Kollegen ist als ursächliche Bedingung der später aufgetretenen psychischen Beeinträchtigung der Klägerin und deren Unterhaltung weder einer fehlerhaften Unfallabwicklung durch die Beklagte noch irgendwelchen Auswirkungen psychischer Unfallfolgen zuzurechnen. Die Klägerin hatte nach dem Vorfall ihre Tätigkeit am nächsten Tag fortgeführt, ärztliche oder psychotherapeutische Betreuung nicht in Anspruch genommen und der Beklagten den Vorfall nicht gemeldet. Für die Beklagte bestand daher kein Anlass präventive Maßnahme oder unterstützende Maßnahmen zur Verarbeitung einer etwaigen Traumatisierung zu ergreifen. Abgesehen davon, dass für den Senat nicht erkennbar ist, dass der Dienststelle der Klägerin insoweit überhaupt ein Versäumnis vorzuwerfen ist, hat der Unfallversicherungsträger grundsätzlich nicht für das dem Unfall nachgehende Verhalten des Arbeitgebers einzustehen, es sei denn es ist durch den Arbeitsunfall oder dessen Folgen veranlasst und hat zu wesentlichen Weiterungen der Unfallfolgen beigetragen (z.B. psychische Erkrankung wegen einer arbeitgeberseitigen Kündigung aufgrund unfallbedingter Leistungsbeeinträchtigung). Für den Senat ist auch nicht ersichtlich, dass die seelische Einwirkung durch den Vorfall einer Behandlung oder sonstigen Intervention bedürftig war, denn die Klägerin hatte im Rahmen der Selbsthilfe das Erlebnis verarbeitet, u.a. hatte sie einen Karatekurs belegt, wie Dr. C. und die Psychologin R.-R. ausführen, und hatte keine nach außen sichtbar werdenden funktionellen, körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen bis 2006. Zwar sind Gesundheitsstörungen, die sich wegen der unterbliebenen, notwendigen Behandlung einer unfallbedingten Schädigung entwickelt haben, wesentlich kausal auf den Unfall zurückzuführen. Nach den Darlegungen der Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. wäre bei der Klägerin eine präventive bzw. prophylaktische Intervention sinnvoll gewesen und nicht eine Behandlung akuter/latenter Krankheitserscheinungen. Doch war das Auftreten der Symptomatik 2006 nicht Folge der Fortwirkung einer unbehandelt gebliebenen seelischen Beeindruckung durch den eigentlichen Vorfall, sondern die hierfür ursächliche seelische Beeindruckung der Klägerin beruhte nach den Darlegungen der Sachverständigen gerade auf dem Umstand, dass die Krisenintervention des Arbeitgebers oder des Unfallversicherungsträgers unterblieben ist, bzw. auf einer vermeintlichen Bagatellisierung durch die Polizei, was aufgrund der dargelegten psychodynamischen Prozesse bei der Klägerin das nachvollziehbare, aber ungerechtfertigte Gefühl erweckt hatte, ein Unrecht seitens der Dienststelle, der Polizei und der Beklagten und eine Geringschätzung ihrer Person erfahren zu haben. Dies steht nicht im Zusammenhang mit dem angeschuldigten Unfallereignis und beruht letztlich allein auf der Zuschreibung der Klägerin. Nach den Darlegungen von Prof. Dr. T. und Dr. C. ist davon auszugehen, dass der Vorfall lediglich Anknüpfungspunkt für die bei der vorgegebenen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin ablaufenden Bewertungsprozesse ist, was aber deren rechtlich unzutreffende Bewertung einer wesentlichen Mitursache des Arbeitsunfalls nicht zu rechtfertigen vermag.
52 
Damit fehlt es an der haftungsbegründenden Kausalität mangels nachgewiesenen Gesundheitserstschadens, woran die Feststellung eines Arbeitsunfalls scheitert.
53 
Mangels Arbeitsunfall ist auch die begehrte Feststellung von Unfallfolgen nicht begründet. Weder eine posttraumatischen Belastungsstörung, selbst wenn sie aus medizinischer Sicht eine begründete Diagnose sein mag, die allein die naturwissenschaftlich-philosophische Kausalitätstheorie zur Grundlage haben kann, noch die von Dr. C. diagnostizierte dissoziative Störung, die der Sachverständiger auf die gleichen Wirkungszusammenhänge zurückführt, können rechtlich Folgen eines Arbeitsunfalls sein. Darüber hinaus wird die dissoziative Störung nach der von Dr. C. mitgeteilten Definition nach ICD-10 als ursächlich psychogen angesehen und verkörpert häufig das Konzept der betroffenen Person, wie sich eine körperliche Erkrankung manifestieren müsse, was ohne nähere Darlegung das auslösende Trauma eher als Gelegenheitsursache im Sinne einer nicht wesentlichen Bedingung nahelegt.
54 
Zu weiteren Ermittlungen hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, da die vorliegenden gutachterlichen Äußerungen den medizinischen Sachverhalt hinreichend aufgeklärt haben. Die hieran anknüpfenden rechtlichen Fragen, ob damit die im Vollbeweis oder nur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu belegenden Tatsachen einer Primärschädigung, eines wesentlichen unfallbedingten Zusammenhangs bzw. eines Zusammenhangs unfallfremder Konkurrenzursachen nachgewiesen sind, hat der Senat zu entscheiden. Der Anregung des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 28.02.2013, hierzu Dr. C. ergänzend zu hören, musste der Senat daher nicht nachkommen. Dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Beweisantrag der Klägerin, zum Beweis dafür, dass die bei ihr bis 2006 bestandene Beschwerdelatenz aufgrund aktueller wissenschaftlicher medizinischer Erkenntnisse auch in Deutschland keinen Anlass bietet, die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung infrage zu stellen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, hilfsweise Dr. C. hierzu zu hören, war nicht stattzugeben. Der Senat hatte die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung bei der Klägerin unterstellt. Dass in der medizinischen Wissenschaft die Kriterien einer verzögert auftretenden posttraumatischen Belastungsstörung bei Beschwerdelatenz möglicherweise unterschiedlich diskutiert werden, wie die insoweit – noch – voneinander abweichenden Diagnosemanuale ICD-10 und DSM-IV erkennen lassen, war für den Senat nicht entscheidungserheblich. Ebenso wenig bedurfte es der vom Klägerbevollmächtigten angeregten ergänzenden Anhörung des Sachverständigen zum Vorbringen, dass durch die Versorgung traumatisierter Soldaten in der Medizin seit langem bekannt sei, dass seelische Schädigungen oft erst Jahre nach dem traumatisierenden Erlebnis erkannt würden (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 05.03.2013). Der Sachverständige Dr. C. hat in seinem Gutachten den derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis unter Bezugnahme auf die genannten Veröffentlichungen (Seite 35 seines Gutachtens) und mit Hinweis auf die internationale Literatur mit Forschung zu der verzögerten posttraumatischen Belastungsstörung bei Kriegsveteranen (Seite 36 seines Gutachtens) bereits dargelegt. Nachdem in den richterlichen Hinweisen vom 12.03.2013 und 14.03.2013 diese Gesichtspunkte den Beteiligten erläutert worden sind, hat der Klägerbevollmächtigte zu den Aufklärungsverfügungen keine Einwendungen erhoben oder seine Anregung auf weitere Ermittlungen nicht weiter konkretisiert.
55 
Die Kostenentscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG. Die Kosten der Begutachtung durch Dr. C., über die der Senat als Gerichtskosten in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens auch im Urteil entscheiden kann (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.08.2006 - L 1 U 3854/06 KO-B, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de), werden auf die Staatskasse übernommen. Nach der Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung oder die Erledigung des Rechtsstreits (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 28.02.2013 - L 8 SB 727/13 B -, vom 19.10.2011 - L 8 SB 3043/11 B; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl., § 109 Rdnr. 16a) von wesentlicher Bedeutung war bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht, diese also objektiv gefördert hat. Dabei kann nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung gesehen werden. Es muss sich vielmehr, gemessen am klägerischen Prozessziel, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben. Dies bedeutet aber weder, dass nur Gutachten, welche ein für die Klägerseite günstiges Ergebnis haben, hierunter fallen können, noch, dass für das Klagebegehren günstige Gutachten stets von der Staatskasse zu bezahlen sind. Vorliegend sind die Ausführungen von Dr. C. zum aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand einer verzögerten posttraumatischen Belastungsstörung und deren Beurteilungskriterien in der Begutachtungspraxis für die Entscheidung des Senats förderlich gewesen und haben die Einholung eines Gutachtens von Amts wegen aufgrund ambulanter Untersuchung entbehrlich gemacht. Der Senat hat davon abgesehen, nur die voraussichtlichen Kosten eines Aktengutachtens für erstattungsfähig zu erklären, da neben der Vermittlung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes, die nur ein Gutachten nach Aktenlage erfordert hätte, auch die Anwendung der Bewertungskriterien auf die Klägerin zu klären war, was in der Regel die psychiatrische Exploration im Rahmen einer ambulanten Untersuchung voraussetzt. Dass sich der Senat den aus der Exploration folgenden Schlussfolgerungen des Sachverständigen nicht angeschlossen hat, ist für die Kostenentscheidung insoweit ohne Belang.
56 
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Gründe

 
26 
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG).
27 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
28 
Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 SGG. Der Antrag der Klägerin, eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls Ende 2001/Anfang 2002 festzustellen, ist gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1, Nr.3 SGG als Feststellungsklage zulässig. Begehrt werden die Feststellung eines Arbeitsunfalls und von Unfallfolgen.
29 
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wie es das durch Arbeitsunfall begründete Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin als Versicherte und der Beklagten als Trägerin der Unfallversicherung darstellt. Vor Erhebung einer Feststellungsklage muss der Versicherte im Regelfall einen entsprechenden (Feststellungs-)Antrag an den Versicherungsträger gerichtet haben, mit dem er eine bestimmte Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt hat, z.B. dass ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit vorliegt. Das Begehren zur Feststellung eines Arbeitsunfalles ist nicht auf die Feststellung eines nicht feststellungsfähigen Tatbestandsmerkmals einer Anspruchsnorm gerichtet (BSG Urt. vom 27.06.2006 - B 2 U 77/06 B -, SozR 4-1500 § 55 Nr. 4). Nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann mit der Feststellungsklage auch die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Unfallfolge begehrt werden (BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R -). Über beide Feststellungsbegehren ist durch die Beklagte auch durch anfechtbaren Verwaltungsakt inzident entschieden worden, weshalb die prozessuale Voraussetzung einer Verwaltungsentscheidung und eines durchgeführten Vorverfahrens vorliegt. Im streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 09.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2010 wurden Entschädigungsleistungen abgelehnt, weil weder eine posttraumatische Belastungsstörung noch eine sonstige psychoreaktive Störung (so der Widerspruchbescheid) vorgelegen habe, womit die begehrte Feststellung einer posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge konkludent abgelehnt ist. Ein Arbeitsunfall wurde mangels „primärer Gesundheitsschädigung“ aufgrund des Ereignisses Ende 2001/Anfang 2002 (so der Ausgangsbescheid) zunächst konkludent und im Widerspruchbescheid ausdrücklich ein Versicherungsfall (nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind das Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten) verneint.
30 
Voraussetzung ist auch für diese Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 SGG), dass ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung besteht. Dieses besondere Feststellungsinteresse liegt hier vor, da ein Gesundheitsschaden behauptet wird, der nach klägerischer Auffassung auf das angeschuldigte Geschehen zurückzuführen ist und geeignet ist, zum einen als -fraglicher- Erstschaden die Feststellung eines Arbeitsunfalles zu erlauben und zum anderen Leistungen für die Vergangenheit und gegebenenfalls auch für die Zukunft zu begründen.
31 
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheit(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheit(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, B 2 U 40/05 R= UV-Recht Aktuell 2006, 419-422, B 2 U 26/04 R= UV-Recht Aktuell 2006, 497-509, alle auch in juris).
32 
Nach diesen Grundsätzen ist ein Arbeitsunfall der Klägerin im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Ereignis nicht nachgewiesen. Der nicht genau datierte Vorfall Ende 2001/Anfang 2002 erfüllt jedenfalls die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls insoweit, als es bei der Verrichtung der versicherten Tätigkeit der Klägerin durch den handgreiflichen Übergriff zu einer Einwirkung auf den Körper der Klägerin gekommen ist. Der Senat geht davon aus, dass der randalierende Versicherte die Klägerin an den Armen gepackt und sie, wie in der Unfallanzeige von ihr dargestellt, mehrfach gegen ihren Willen an verschiedene Orte in ihrem Büro gezwungen hatte. Ebenso geht der Senat davon aus, dass hierdurch auch eine Einwirkung auf die Psyche der Klägerin stattgefunden hat, die grundsätzlich auch ohne eine physische Verletzung entstehen kann (BSG Urteile v. 09.05.2006, a.a.O.), und sich vorliegend in der Angst, der Versicherte möge eine Waffe dabei haben, dem Erschrecken über das Verhalten des Versicherten und dem Gefühl der Hilflosigkeit äußerte.
33 
Dagegen ist dem Senat die Feststellung nicht möglich, dass durch diese Einwirkungen ein Gesundheitserstschaden entstanden ist.
34 
Gesundheitserstschaden i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Arbeitsunfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolgen) sind (BSG Urt. v. 15.05.2012 - B 2 U 16/11 R -, juris, Rnr. 19) oder sich in der Folge gegebenenfalls unter Hinzutreten weiterer Bedingungen entwickeln oder der versicherten Tätigkeit aufgrund Spezialvorschriften (z.B. § 11 SGB VII, vgl. BSG Urteil vom 15.05.2012, a.a.O.) zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher Art ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls. Der den Gesundheitserstschaden begründende regelwidrige physische oder psychische Zustand entspricht nach herrschender Meinung dem allgemeinen Krankheitsbegriff (vgl. BSG Urt. vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, a.a.O. Rn. 21, 22; Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB VII Rn. 20), was angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden psychischen Erkrankungen und möglicher Schulenstreite in der Medizin eine sichere und nachvollziehbare Diagnosestellung unter Verwendung der üblichen Diagnose-Manuale voraussetzt (BSG, a.a.O.).
35 
Ein für den Senat ersichtlicher Gesundheitserstschaden ist durch die genannten Einwirkungen nicht erwiesen. Der Gesundheitserstschaden setzt, wie dargelegt, keine Dauerschädigung oder Gesundheitsschäden von erheblichem Gewicht oder mit notwendiger Behandlungsbedürftigkeit voraus. Auch Bagatellverletzungen (z.B. „blauer Fleck“) sind regelwidrige Gesundheitszustände, die zwar einen Arbeitsunfall begründen, aber zumeist keine Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung auslösen. Jedoch hat die Klägerin weder einen somatischen Gesundheitsschaden vorgetragen noch ergibt sich aus ihrem Vorbringen eine unmittelbar verursachte psychische Gesundheitsstörung.
36 
Die Handgreiflichkeiten des randalierenden Versicherten haben keine Veränderung des Körperzustands der Klägerin in diesem Sinne bewirkt. Der Eingriff in die körperliche Integrität der Klägerin, indem der Versicherte sie gewaltsam an beiden Armen gepackt hat, hat keine körperliche Verletzung verursacht. Ein ärztlicher Befund hierüber wurde entsprechend dem klägerischen Vorbringen nicht erhoben und ein solcher wurde dem Senat auch nicht vorgelegt. Soweit die Klägerin möglicherweise hierbei Schmerzen empfunden haben sollte, ist damit allein noch keine substantielle körperliche Verletzung dargelegt, sondern zunächst nur eine regelhafte Enervierung der Schmerzsensoren, die nicht zwingend eine - auch nur geringfügige - Verletzung von Körperstrukturen belegt.
37 
Ein unmittelbar aufgetretener psychischer Gesundheitsschaden ist dem Bericht der Klägerin, den sie der Unfallanzeige ihrer Beschäftigungsbehörde vom 28.01.2010 beigefügt hatte, nicht zu entnehmen. Als unmittelbare Reaktion auf den geschilderten Übergriff des Versicherten gibt die Klägerin zwar an, geschockt gewesen zu sein, entsetzliche Angst gehabt zu haben und nach der gelungenen Flucht aus dem Zimmer total aufgelöst gewesen zu sein. Sonstige Angaben über ihren psychischen Zustand finden sich in ihrem sonstigen Vorbringen nicht. In den vorgelegten Berichten aus der ab 2009 aufgenommenen ärztlichen und psychologischen Behandlung sind krankheitswertige Symptome eines psychischen Gesundheitsschadens nicht oder nur unzureichend dargelegt. Die Klägerin hatte nach dem Vorfall bis 2008 noch keinen Arzt aufgesucht. Eine Arbeitsunfähigkeit bestand nicht. Eine Diagnose über einen krankheitswertigen Zustand im unmittelbaren Anschluss an den Vorfall, insbesondere eine akute Belastungsreaktion nach ICD-10 F43.0 (eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt und die im allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingen), wurde damals nicht gestellt und ist von keinem der sich nachfolgend gutachterlich äußernden Ärzten überzeugend thematisiert oder durch eine eigene Diagnosestellung belegt. Die Psychologin R.-R. zählt ohne nähere Darlegung aufgrund der Schilderung der Klägerin als Anfangssymptomatik unmittelbar nach dem Vorfall 2001/2002 aufgetretene Intrusionen von Bildern an den Überfall, Albträume und Schlafstörungen auf (Bericht vom 30.06.2010), was traumaspezifische Krankheitssymptome nicht nachvollziehbar belegt und im Widerspruch dazu steht, dass die Klägerin bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. angegeben hatte, sich an die unmittelbaren Folgen des Ereignisses nicht mehr erinnern zu können. Im Bericht der Universitätsklinik F. vom 15.01.2009 sind zur Erstsymptomatik zum Zeitpunkt des Vorfalls, wobei dieser auf das Jahr 2003 datiert wird, keine Ausführungen gemacht. PD Dr. Ro. verneinte nach Auswertung der Aktenlage - für den Senat daher insoweit nachvollziehbar - ausdrücklich den Nachweis einer psychoreaktiven Störung (Stellungnahmen vom 26.04.2010 und 13.07.2010). Auch Prof. Dr. T. hat in seinem Gutachten vom 09.05.2011 eine akute Belastungsstörung (ICD 10: F 43.0) ausgeschlossen.
38 
Bei dieser Ausgangslage ist die bei psychischen Belastungen schwierige Abgrenzung, ob die Reaktion des Betroffenen sich noch im Bereich des zu erwartenden und angemessenen normalen Verhaltens bewegt oder bereits eine krankheitswertige Regelabweichung vom gesunden normalen Zustand erkennen lässt, nicht zuverlässig möglich. Der mit einem persönlichen körperlichen Übergriff auf die Klägerin einhergehende Vorfall geht weit über alltägliche, berufliche Belastungssituationen hinaus, zwingt aber nicht ohne weiteres - auch wegen seines noch glimpflichen Ausgangs - zu der Annahme, dass damit notwendigerweise gravierende psychische Beeinträchtigungen verbunden gewesen sein müssen. Andererseits ist aber bei gegen die eigene Person gerichteten Attacken eine Schreckreaktion, Angst vor Weiterungen des Übergriffs und eine auch nach Ende des Vorfalls anhaltende Aufgeregtheit mit nervlicher Angespanntheit eine zu erwartende und noch normale Reaktion. Nicht jede nicht alltägliche Gemütslage oder anlassbezogene, psychisch angespannte Befindlichkeit rechtfertigt den Schluss auf einen regelwidrigen Körperzustand. Soweit die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 09.06.2010 eine kurzzeitige Belastungsreaktion unmittelbar nach dem Übergriff als allenfalls noch plausibel bewertet, ist diese anscheinende Hilfsüberlegung, dass eine Belastungsreaktion nach ICD-10 F43.0 vorgelegen haben könnte, aber wegen ihrer Kurzzeitigkeit einen Arbeitsunfall oder jedenfalls Entschädigungsleistungen ausschließt, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar wäre wegen der Kurzzeitigkeit der akuten Belastungsreaktion aus den oben genannten Gründen, wonach es auf die Schwere, Dauer und Behandlungsbedürftigkeit eines Gesundheitserstschadens nicht ankommt, die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nicht zu verneinen, jedoch reicht die bloße Möglichkeit neben anderen ebenso möglichen Sachverhaltskonstellationen für den Nachweis eines Gesundheitserstschadens nicht aus. Diese Überlegung kommt hinreichend in der Formulierung zum Ausdruck, dass hier eine Belastungsreaktion allenfalls noch plausibel sein könnte. Die im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen haben insoweit keine hinreichende Aufklärung erbracht. Der Senat sieht keinen Ansatz für dahingehende weitere Ermittlungen. Solche sind auch nicht vorgetragen.
39 
Eine posttraumatische Belastungsstörung nach ICD-10 F43.1, deren Vorliegen der Senat unterstellt, ist zur Überzeugung des Senats ebenfalls als Gesundheitserstschaden nicht nachgewiesen.
40 
Entgegen der Auffassung der Beklagten scheidet zur Überzeugung des Senats die Annahme eines Gesundheitserstschadens in Form dieser Erkrankung nicht deshalb aus, weil eine wahrnehmbare Symptomatik erst lange Zeit nach dem die Erkrankung auslösenden Initialereignis aufgetreten ist. Nach den von den Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. dargelegten medizinischen Zusammenhängen ist bei einem Ereignis, das nach Art und Schweregrad der Definition des A-Kriteriums der posttraumatischen Belastungsstörung (ein belastendes Ereignis mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß) entspricht, und den später auftretenden B-, C- und D-Diagnosekriterien (Nachhallerinnerungen, Flashbacks; Vermeidungsverhalten; vegetative und dissoziative psychoreaktive Symptomatik) anzunehmen, dass der Betroffene in der Phase der seelischen Latenz nicht gesund ist. Damit ist mit Auftreten der Symptomatik zwar die Diagnosestellung erst gesichert, ein Gesundheitsschaden kann dagegen bereits mit dem Initialereignis eingetreten sein - Behandlungsbedürftigkeit ist keine zwingende Voraussetzung - bzw. die zum Gesundheitsschaden führende Kausalkette wurde dadurch in Gang gesetzt und der hierauf beruhende Gesundheitserstschaden kann auch erst später eintreten.
41 
Für den Vollbeweis hinreichende Anhaltspunkte für einen seelischen Gesundheitsschaden unmittelbar nach dem Ereignis hat der Senat nach den obigen Ausführungen nicht. Ob eine Phase einer latenten seelischen Erkrankung vorlag, ist nicht sicher festzustellen. Der Senat geht jedoch zu Gunsten der Klägerin von dem Ingangsetzen eines Kausalverlaufs zur Entstehung der von Dr. C. diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung aus.
42 
Hierbei stellt der Senat die auch vom SG aufgeworfenen Zweifel daran, ob die Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung erfüllt sind, zurück. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. T. konnte bei seiner Untersuchung die typischen Merkmale wie aufdrängende Erinnerungen, Albträume, das Gefühl von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit usw. nicht erheben. Soweit der Sachverständige auf eine entsprechende Befunderhebung bei den Voruntersuchungen durch das Universitätsklinikum F. verweist, wo die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt worden ist, ist dies nicht vollständig überzeugend. Zum einen wurde dort bei der Untersuchung der Klägerin im Januar 2009 fälschlich angenommen, dass der auslösende Vorfall erst im Jahre 2003 eingetreten und eine unmittelbar hieran anknüpfende Behandlung durch die Psychologin N. durchgeführt worden sei (Befundbericht der Universitätsklinik F. vom 15.01.2009). Zum anderen sind die dort wiedergegebenen Symptome von tagsüber auftretendem Wiedererleben szenischer Erinnerungen und Bilder bei der Arbeit, Schreckhaftigkeit und Ängstlichkeit mit verringerter Belastbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Vermeidungsverhalten teils wenig spezifisch und teils nicht vollständig korrekt, da ein Kundenkontakt erst ab 2010 durch Übernahme einer neuen Tätigkeit endgültig vermieden wurde und die Klägerin zuvor gerade mit vielen Menschen über den Vorfall im Rahmen der Selbsthilfe gesprochen hat, wie sich aus den Darlegungen der Psychologin R.-R. vom 30.06.2010 entnehmen lässt. Diese beurteilte die erstmals 2006 aufgetretenen Beschwerden der Klägerin, die sie ihr nach Behandlungsbeginn im Jahr 2009 schilderte, als die typischen Belastungssymptome, die die genannten Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung erfüllen (Bescheinigungen vom 23.12.2009 und vom 30.06.2010). Die Psychologin R.-R. bezeichnete die von ihr bei der Untersuchung der Klägerin selbst erhobenen Beschwerden jedoch nicht als Krankheit. Damit stimmt überein, dass auch Dr. C. ebenso wie Prof. Dr. T. keine akute Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung mehr hat diagnostizierten können. Seine Diagnose eines Status nach posttraumatischer Belastungsstörung bezieht sich auf einen früheren Zustand. Eine Befunderhebung aufgrund des während der Exploration gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Klägerin zum Zeitpunkt des angenommenen erstmaligen Auftretens der typischen Symptomatik hat die Psychologin R.-R. gerade nicht zur Grundlage ihrer Einschätzung machen können. Dass die Diagnosekriterien der posttraumatischen Belastungsstörung ab 2006 erfüllt waren, wovon Psychologin R.-R. und die gerichtlichen Sachverständigen ausgehen, hat der Senat dennoch als zutreffend unterstellt.
43 
Zur Überzeugung des Senats sind die ab 2006 aufgetretenen psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin jedoch nicht wesentlich kausal auf den angeschuldigten Vorfall Ende 2001/Anfang 2002 zurückzuführen.
44 
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11).
45 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Bedingung eines Erfolges, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Bedingungen.
46 
Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).
47 
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).
48 
Nach diesen Grundsätzen besteht zur Überzeugung des Senats kein wesentlicher Zusammenhang der seit 2006 aufgetretenen psychischen Beschwerden mit dem angeschuldigten Vorfall. Dies ergibt sich für den Senat aus den übereinstimmenden Darlegungen der medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. zu den psychodynamisch wirkenden Bedingungen, die den geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin zu Grunde liegen. Auch die Psychologin R.-R. beschreibt eine damit weitgehend übereinstimmende Psychodynamik. Prof. Dr. T. stellt ebenso wie Dr. C. darauf ab, dass andere Ursachen als das unmittelbare Traumaereignis für die unzureichende Krankheitsverarbeitung der Klägerin auch die hilflos gehandhabte Krisensituation und die zu geringe Hilfestellung durch die Kollegen waren. Dr. C. geht hiermit deckungsgleich davon aus, freilich unter Hinweis auf den hypothetischen Charakter des Bedingungsgefüges, das nur in einer längeren Psychotherapie falsifiziert oder verifiziert werden könne, dass die fehlende soziale Unterstützung durch den Arbeitgeber oder die Beklagte, wonach sie keine prophylaktische Primärbetreuung nach dem Vorfall erfahren habe, bei der im Gutachten näher beschriebenen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin zum Durchbruch des deshalb seit dem Vorfall aufgestauten Grolls führte, als die Klägerin nach dem Umzug 2006 mit den jetzt möglichen Sicherheitseinrichtungen und Bemühungen der Dienststelle zum Schutz vor aggressiven Publikum sich konfrontiert sah und erkennen musste, dass ihr dieser Schutz nicht zuteil geworden sei. Ebenso beschreibt er die unterbliebene Unterstützung von Vorgesetzten und Kollegen, wobei in der Wahrnehmung der Klägerin sogar der Täter durch diese eher geschützt und umworben wurde, da er schließlich sogar Rente erhalten habe. Auch die Bagatellisierung des Vorfalls durch die herbeigerufenen Polizeibeamten, die von einer Anzeige abgeraten hatten, hatte zu der psychischen Konstellation geführt, dass die Klägerin sich als ungerecht behandelt fühlt und sie nun einen - auch juristischen - Kampf um Gerechtigkeit und weniger um materielle Entschädigung führt. Der Senat erachtet diese Umstände als nachgewiesene mitwirkende Bedingungen, denn die behandelnde Psychologin R.-R. hat aufgrund ihrer durchgeführten Langzeittherapie die von Dr. C. als hypothetisch angestellten Überlegungen in dem vom Sachverständigen gemeinten Sinne auch verifiziert. In ihrem Bericht vom 06.12.2010 hatte sie nach 60 Sitzungen bereits ebenso wie Dr. C. dargelegt, dass die Klägerin durch das erlebte Verhalten der Dienststelle, der Polizei und der Vorgesetzten und Kollegen eine Entwertung ihrer Person empfunden hat, weshalb sie um Anerkennung des ihr widerfahrenen Unrechts durch Feststellung dieses Vorfalls als Arbeitsunfall kämpft und nicht, um eine Entschädigung zu erlangen.
49 
Diese in den gutachterlichen Darlegungen der Mediziner und der Psychologin aufgezeigten Bedingungszusammenhänge ergeben aber entgegen deren Einschätzung keinen wesentlichen Zusammenhang der psychischen Beschwerden der Klägerin mit dem Vorfall 2001/2002. Bei geklärtem medizinischem Sachverhalt ist die wertende Entscheidung, welche der aus dem jeweiligen Fachgebiet dargelegten Bedingungen wesentlich ist, eine Rechtsfrage, die dem Gericht vorbehalten ist. Nach den gutachtlichen Darlegungen ist aber das angeschuldigte Unfallereignis nur noch auslösendes Moment, d.h. conditio sine qua non, für die diese von den Sachverständigen und der Psychologin genannten Bedingungen, die die Beschwerden der Klägerin ausgelöst und unterhalten haben. Die psychische Beeinträchtigung der Klägerin beruht weit überwiegend auf Erscheinungen, die mit dem eigentlichen Vorfall des Übergriffs des randalierenden Versicherten entweder nur am Rande zu tun haben - wie die von der Klägerin empfundene verspätete Hilfeleistung durch Kollegen oder die empfundene Bagatellisierung durch die Polizeibeamten - oder auf nachfolgende Eindrücke und Erfahrungen - wie die unterbliebene Betreuung und Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen bzw. die ungerecht empfundene Bevorzugung des Verursachers ihr gegenüber -. Der Vorfall selbst, das in Betracht kommende Unfallereignis, ist demgegenüber vollständig in den Hintergrund gerückt. Dies kommt zur Überzeugung des Senats auch darin zum Ausdruck, dass die von der Psychologin R.-R. beschriebene Beschwerdesymptomatik im Sinne der Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung nur vergleichsweise gering ausgeprägt ist. Das typische Vermeidungsverhalten ist nicht erkennbar. Obgleich Beschwerden ab 2006 bestehen, übt die Klägerin erst seit Anfang 2010 eine Tätigkeit ohne Kundenkontakt aus, wie sie bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. angegeben hat. Auch treten die Beschwerden nur im Dienstgebäude auf, nicht zuhause oder bei privaten Beschäftigungen, wie die Klägerin mehrfach angegeben hat. Der Bezug zum Dienstbetrieb spricht einerseits für den Schwerpunkt des Bedingungsgefüges im Bereich des Verhaltens der Dienststelle und andererseits gegen die Merkmale der sich ungewollt aufdrängenden typischen Erinnerungen an das Initialereignis, wobei teilweise die auslösenden Momente (Einweisung in die Sicherheitseinrichtungen, Deeskalationstraining) mit dem Vorfall nur geringe Berührungspunkte haben und die typisch intrusiven Erinnerungen an das Unfallgeschehen nicht immer vollständig erkennbar sind, denn erinnert wird häufig die unterbliebene Unterstützung bzw. die empfundene Geringschätzung. In diesem Zusammenhang ist auch die lange Latenz zwischen Initialereignis und auftretender Symptomatik von Bedeutung. Nach Dr. C. ist nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand, er verweist hierzu auf Foerster/Widder (2007), bei einer längeren Latenz zu berücksichtigen, dass ein Zusammenhang umso plausibler anzusehen ist, je höher die nachvollziehbare seelische Beeindruckung durch das Ereignis war. Der trotz allem noch glimpflich ablaufende Vorfall hat keinen unmittelbaren, erkennbaren tiefergehenden psychischen Eindruck hinterlassen. Bei Prof. Dr. T. hatte die Klägerin sich an die unmittelbaren Folgen des Ereignisses nicht mehr erinnern können, anders als später bei der Untersuchung durch Dr. C., wo sie angab, sie habe nach der Flucht aus dem Büro weinen müssen, sei in aufgewühltem Zustand nachhause gegangen und selbst am nächsten Tag habe sie ihr Ehemann nicht zur Arbeit gehen lassen wollen. Wie oben dargelegt ist eine tiefergehende Beeindruckung, insbesondere eine akute Belastungsreaktion nicht nachgewiesen. Selbst wenn man mit Dr. C. davon ausgeht, dass trotz der Latenz von mindestens vier Jahren der Zusammenhang mit dem Unfallereignis noch herzustellen ist, ist es nach seinen eigenen Ausführungen nur unter den mitwirkenden anderen Bedingungen (naturwissenschaftlich-philosophisch) kausal geworden.
50 
Diese Bedingungen sind entgegen der Einschätzung von Prof. Dr. T. und Dr. C., die dies offenkundig unterstellen, dem infrage stehenden Versicherungsfall nicht zuzurechnen, sie sind „unfallfremd“. Damit übereinstimmend stuft auch PD Dr. Ro. in seiner Stellungnahme vom 13.07.2010 den Zusammenhang der psychischen Beeinträchtigung ein, die er als persönlichkeitsbedingte Reaktion bewertet.
51 
Dem entspricht die Rechtsprechung des Senats. Danach liegt ein wesentlicher unfallbedingter Zusammenhang eines psychischen Leidens nicht schon dann vor, wenn in der Persönlichkeitsstruktur des Versicherten angelegte Eigenschaften durch das Unfallereignis, die psychischen Unfallfolgen oder durch die Unfallabwicklung des Unfallversicherungsträgers stimuliert werden. Maßstab der wertenden Beurteilung ist vielmehr, dass nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand aus objektiver Sicht ein Zusammenhang herzustellen ist; allein die subjektive Sicht des Versicherten reicht nicht aus (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 27.08.2010 - L 8 U 1427/10 -, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Das Verhalten der Polizei und des Arbeitgebers einschließlich der Vorgesetzten und Kollegen ist als ursächliche Bedingung der später aufgetretenen psychischen Beeinträchtigung der Klägerin und deren Unterhaltung weder einer fehlerhaften Unfallabwicklung durch die Beklagte noch irgendwelchen Auswirkungen psychischer Unfallfolgen zuzurechnen. Die Klägerin hatte nach dem Vorfall ihre Tätigkeit am nächsten Tag fortgeführt, ärztliche oder psychotherapeutische Betreuung nicht in Anspruch genommen und der Beklagten den Vorfall nicht gemeldet. Für die Beklagte bestand daher kein Anlass präventive Maßnahme oder unterstützende Maßnahmen zur Verarbeitung einer etwaigen Traumatisierung zu ergreifen. Abgesehen davon, dass für den Senat nicht erkennbar ist, dass der Dienststelle der Klägerin insoweit überhaupt ein Versäumnis vorzuwerfen ist, hat der Unfallversicherungsträger grundsätzlich nicht für das dem Unfall nachgehende Verhalten des Arbeitgebers einzustehen, es sei denn es ist durch den Arbeitsunfall oder dessen Folgen veranlasst und hat zu wesentlichen Weiterungen der Unfallfolgen beigetragen (z.B. psychische Erkrankung wegen einer arbeitgeberseitigen Kündigung aufgrund unfallbedingter Leistungsbeeinträchtigung). Für den Senat ist auch nicht ersichtlich, dass die seelische Einwirkung durch den Vorfall einer Behandlung oder sonstigen Intervention bedürftig war, denn die Klägerin hatte im Rahmen der Selbsthilfe das Erlebnis verarbeitet, u.a. hatte sie einen Karatekurs belegt, wie Dr. C. und die Psychologin R.-R. ausführen, und hatte keine nach außen sichtbar werdenden funktionellen, körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen bis 2006. Zwar sind Gesundheitsstörungen, die sich wegen der unterbliebenen, notwendigen Behandlung einer unfallbedingten Schädigung entwickelt haben, wesentlich kausal auf den Unfall zurückzuführen. Nach den Darlegungen der Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. wäre bei der Klägerin eine präventive bzw. prophylaktische Intervention sinnvoll gewesen und nicht eine Behandlung akuter/latenter Krankheitserscheinungen. Doch war das Auftreten der Symptomatik 2006 nicht Folge der Fortwirkung einer unbehandelt gebliebenen seelischen Beeindruckung durch den eigentlichen Vorfall, sondern die hierfür ursächliche seelische Beeindruckung der Klägerin beruhte nach den Darlegungen der Sachverständigen gerade auf dem Umstand, dass die Krisenintervention des Arbeitgebers oder des Unfallversicherungsträgers unterblieben ist, bzw. auf einer vermeintlichen Bagatellisierung durch die Polizei, was aufgrund der dargelegten psychodynamischen Prozesse bei der Klägerin das nachvollziehbare, aber ungerechtfertigte Gefühl erweckt hatte, ein Unrecht seitens der Dienststelle, der Polizei und der Beklagten und eine Geringschätzung ihrer Person erfahren zu haben. Dies steht nicht im Zusammenhang mit dem angeschuldigten Unfallereignis und beruht letztlich allein auf der Zuschreibung der Klägerin. Nach den Darlegungen von Prof. Dr. T. und Dr. C. ist davon auszugehen, dass der Vorfall lediglich Anknüpfungspunkt für die bei der vorgegebenen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin ablaufenden Bewertungsprozesse ist, was aber deren rechtlich unzutreffende Bewertung einer wesentlichen Mitursache des Arbeitsunfalls nicht zu rechtfertigen vermag.
52 
Damit fehlt es an der haftungsbegründenden Kausalität mangels nachgewiesenen Gesundheitserstschadens, woran die Feststellung eines Arbeitsunfalls scheitert.
53 
Mangels Arbeitsunfall ist auch die begehrte Feststellung von Unfallfolgen nicht begründet. Weder eine posttraumatischen Belastungsstörung, selbst wenn sie aus medizinischer Sicht eine begründete Diagnose sein mag, die allein die naturwissenschaftlich-philosophische Kausalitätstheorie zur Grundlage haben kann, noch die von Dr. C. diagnostizierte dissoziative Störung, die der Sachverständiger auf die gleichen Wirkungszusammenhänge zurückführt, können rechtlich Folgen eines Arbeitsunfalls sein. Darüber hinaus wird die dissoziative Störung nach der von Dr. C. mitgeteilten Definition nach ICD-10 als ursächlich psychogen angesehen und verkörpert häufig das Konzept der betroffenen Person, wie sich eine körperliche Erkrankung manifestieren müsse, was ohne nähere Darlegung das auslösende Trauma eher als Gelegenheitsursache im Sinne einer nicht wesentlichen Bedingung nahelegt.
54 
Zu weiteren Ermittlungen hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, da die vorliegenden gutachterlichen Äußerungen den medizinischen Sachverhalt hinreichend aufgeklärt haben. Die hieran anknüpfenden rechtlichen Fragen, ob damit die im Vollbeweis oder nur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu belegenden Tatsachen einer Primärschädigung, eines wesentlichen unfallbedingten Zusammenhangs bzw. eines Zusammenhangs unfallfremder Konkurrenzursachen nachgewiesen sind, hat der Senat zu entscheiden. Der Anregung des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 28.02.2013, hierzu Dr. C. ergänzend zu hören, musste der Senat daher nicht nachkommen. Dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Beweisantrag der Klägerin, zum Beweis dafür, dass die bei ihr bis 2006 bestandene Beschwerdelatenz aufgrund aktueller wissenschaftlicher medizinischer Erkenntnisse auch in Deutschland keinen Anlass bietet, die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung infrage zu stellen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, hilfsweise Dr. C. hierzu zu hören, war nicht stattzugeben. Der Senat hatte die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung bei der Klägerin unterstellt. Dass in der medizinischen Wissenschaft die Kriterien einer verzögert auftretenden posttraumatischen Belastungsstörung bei Beschwerdelatenz möglicherweise unterschiedlich diskutiert werden, wie die insoweit – noch – voneinander abweichenden Diagnosemanuale ICD-10 und DSM-IV erkennen lassen, war für den Senat nicht entscheidungserheblich. Ebenso wenig bedurfte es der vom Klägerbevollmächtigten angeregten ergänzenden Anhörung des Sachverständigen zum Vorbringen, dass durch die Versorgung traumatisierter Soldaten in der Medizin seit langem bekannt sei, dass seelische Schädigungen oft erst Jahre nach dem traumatisierenden Erlebnis erkannt würden (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 05.03.2013). Der Sachverständige Dr. C. hat in seinem Gutachten den derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis unter Bezugnahme auf die genannten Veröffentlichungen (Seite 35 seines Gutachtens) und mit Hinweis auf die internationale Literatur mit Forschung zu der verzögerten posttraumatischen Belastungsstörung bei Kriegsveteranen (Seite 36 seines Gutachtens) bereits dargelegt. Nachdem in den richterlichen Hinweisen vom 12.03.2013 und 14.03.2013 diese Gesichtspunkte den Beteiligten erläutert worden sind, hat der Klägerbevollmächtigte zu den Aufklärungsverfügungen keine Einwendungen erhoben oder seine Anregung auf weitere Ermittlungen nicht weiter konkretisiert.
55 
Die Kostenentscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG. Die Kosten der Begutachtung durch Dr. C., über die der Senat als Gerichtskosten in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens auch im Urteil entscheiden kann (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.08.2006 - L 1 U 3854/06 KO-B, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de), werden auf die Staatskasse übernommen. Nach der Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung oder die Erledigung des Rechtsstreits (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 28.02.2013 - L 8 SB 727/13 B -, vom 19.10.2011 - L 8 SB 3043/11 B; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl., § 109 Rdnr. 16a) von wesentlicher Bedeutung war bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht, diese also objektiv gefördert hat. Dabei kann nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung gesehen werden. Es muss sich vielmehr, gemessen am klägerischen Prozessziel, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben. Dies bedeutet aber weder, dass nur Gutachten, welche ein für die Klägerseite günstiges Ergebnis haben, hierunter fallen können, noch, dass für das Klagebegehren günstige Gutachten stets von der Staatskasse zu bezahlen sind. Vorliegend sind die Ausführungen von Dr. C. zum aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand einer verzögerten posttraumatischen Belastungsstörung und deren Beurteilungskriterien in der Begutachtungspraxis für die Entscheidung des Senats förderlich gewesen und haben die Einholung eines Gutachtens von Amts wegen aufgrund ambulanter Untersuchung entbehrlich gemacht. Der Senat hat davon abgesehen, nur die voraussichtlichen Kosten eines Aktengutachtens für erstattungsfähig zu erklären, da neben der Vermittlung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes, die nur ein Gutachten nach Aktenlage erfordert hätte, auch die Anwendung der Bewertungskriterien auf die Klägerin zu klären war, was in der Regel die psychiatrische Exploration im Rahmen einer ambulanten Untersuchung voraussetzt. Dass sich der Senat den aus der Exploration folgenden Schlussfolgerungen des Sachverständigen nicht angeschlossen hat, ist für die Kostenentscheidung insoweit ohne Belang.
56 
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt im Wege eines Überprüfungsverfahrens die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Der 1941 geborene Kläger stellte sich am 22.05.2003 beim Chirurgen T., Oberarzt am Kreiskrankenhaus Sch., vor und führte aus, er habe vor circa 10 Jahren im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kontrolleur beim Herunternehmen eines großen Gehäuses aus einem Regal einen plötzlichen Schmerz in seinem rechten Arm verspürt und sei damals bei verschiedenen Ärzten behandelt worden. Bei der klinischen Untersuchung zeigten sich eine deutliche Muskelatrophie des rechten Oberarmes und deutliche Zeichen eines Abrisses der langen Bizepssehne proximal (H-Arzt-Bericht vom 22.05.2003, Nachschaubericht vom 22.05.2003). Auf Anfrage der Beklagten legte die AOK - Die Gesundheitskasse L. - das über den Kläger geführte Vorerkrankungsverzeichnis (unter anderem Arbeitsunfähigkeitszeit wegen einer Periarthritis Coxae vom 03.01.1995 bis zum 25.03.1995) vor. Auf Nachfrage gab der Kläger gegenüber der Beklagten am 15.06.2003 an, der Arbeitsunfall habe sich am 18.01.1993 zugetragen und sei vom Orthopäden L. behandelt worden. Die AOK - Die Gesundheitskasse L. - führte sodann aus, sie könne keine Auskünfte über einen sich am 18.01.1993 zugetragenen Arbeitsunfall machen. Es lägen ihr weder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch ein sonstiger Schriftwechsel hierüber vor. Der Orthopäde L. führte in seiner Auskunft vom 15.07.2003 aus, er habe den Kläger erstmals am 07.06.1988 behandelt. Ende der 80er Jahre seien beim Kläger Schmerzen im Bereich der rechten Schulter aufgetreten, nachdem dieser während seiner beruflichen Tätigkeit eine Büchse von einem Regal heruntergeholt habe. Ein eigentlicher Unfall sei ihm nicht bekannt. Seit Mitte der 90er Jahre bestehe der Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur mit Impingement-Syndrom der rechten Schulter. Er legte den Arztbrief des Prof. Dr. H., Chefarzt der Orthopädischen Abteilung im Kreiskrankenhaus R., vom 06.09.1995 (Verdacht auf Rotatorenmanschettenruptur mit Impingement-Syndrom rechts, der Kläger habe vor 7 Jahren beim Herunterholen einer Büchse von einem Regal ein plötzliches Stechen in der rechten Schulter verspürt und seither ständig Schmerzen und Bewegungsprobleme) vor. Die ESD GmbH - EKATO Sicherheits- und Dichtungstechnik, teilte unter dem 17.07.2003 mit, ein sich in ihrem Betrieb zugetragener Arbeitsunfall sei ihr nicht bekannt. Daraufhin führte der Kläger aus, das Herunterholen einer schweren Zylinderbüchse stelle ein Unfallereignis dar. Er habe sich am 18.01.1993 ordnungsgemäß bei seinem Vorgesetzten abgemeldet, da er die Arbeit nicht mehr habe fortsetzen können und sofort einen Orthopäden aufgesucht habe. Er habe von dort keinen „gelben Zettel“ mitgenommen und sei noch am gleichen Tag, wenn auch unter erheblichen Schmerzen, bei der Arbeit erschienen. Er legte eine Bescheinigung des Orthopäden L. (Behandlung am 18.01.1993) und den Arztbrief des Radiologen Dr. B. vom 25.05.2001 (magnetresonanztomografisch am 25.05.2001 gesicherte komplette Ruptur der Supraspinatussehne mit Retraktion des Muskels und Ruptur der langen Bizepssehne, konsekutiv HO.tand im glenohumeralen Gelenk, zusätzlich Nachweis einer aktivierten AC-Gelenkarthrose) vor. Auf Anfrage der Beklagten teilte V. N., ein Kollege des Klägers, unter dem 09.06.2004 mit, ein Vorarbeiter habe ihn am 18.01.1993 darüber informiert, den Kläger vertreten zu müssen, da dieser wegen eines Unfalls, den er selbst nicht gesehen habe, dringend zu einem Arzt habe gehen müssen. Sodann zog die Beklagte über den Orthopäden L. unter anderem dessen Arztbriefe vom 10.06.1986 (die Schmerzen an der rechten Schulter seien auf eine überlastungsbedingte Peritendinose zurückzuführen), 14.08.1989 (röntgenologisch subperiostale Sklerosierung am Tuberus majus rechte Schulter), 25.01.1993 (wie schon 1988 bestehe beim Kläger eine überlastungsbedingte Periarthropathie der rechten Schulter, röntgenologisch erkenne man eine leichte Periostose am Tuberus majus, die Gelenkskonturen der Schulter seien unauffällig) und 05.01.1995 (rezidivierende Schulterperiarthropathie und Periostose, dieses Mal nach Überanstrengungsreaktion) bei. Auf nochmalige Anfrage der Beklagten teilte der Orthopäde L. mit Schreiben vom 20.09.2004 mit, der Kläger habe sich am 18.01.1993 wegen Schulterschmerzen rechts bei ihm vorgestellt. Ein eigentliches Unfallereignis sei zu diesem Zeitpunkt nicht angegeben worden. Beschrieben worden sei eine seit 1988 längere Anamnese von Schulterschmerzen im Sinne einer überlastungsbedingten Schulterperiarthropathie. In der Karteikarte seien für den 18.01.1993 keine Unfallangaben erwähnt.
Der Chirurg Dr. Sch. führte in Auswertung dieser Unterlagen in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme aus, es habe kein von außen wirkendes Ereignis vorgelegen, der Vorschaden sei unstrittig und selbst bei Annahme eines Unfallereignisses bestünden weder ein verletzungskonformer Verlauf noch ein entsprechender Erstbefund.
Mit Bescheid vom 28.04.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen ab und führte zur Begründung aus, trotz Ausschöpfung aller erreichbaren Beweismittel sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass der Kläger am 18.01.1993 während der betrieblichen Tätigkeit die rechte Schulter verletzt und somit einen Arbeitsunfall erlitten habe. Ferner sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Beschwerden, die sich am 18.01.1993 nach dem Herunterholen der Zylinderbüchse wieder bemerkbar gemacht hätten, auf vorbestehende degenerative Veränderungen an der rechten Schulter zurückzuführen seien. Der am 22.05.2003 festgestellte Abriss der langen Bizepssehne könne ebenfalls nicht auf das Ereignis vom 18.01.1993 zurückgeführt werden, sondern sei auf vorbestehende degenerative Veränderungen im Bereich der rechten Schulter zurückzuführen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2005 zurück. Sie führte aus, nach gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen liege einem Riss der langen Bizepssehne in der Mehrzahl der Fälle ein schleichend verlaufender Zermürbungsprozess der Sehnensubstanz in Höhe des Bizepskanals zugrunde. Dies erkläre sich dadurch, dass die Sehne wie ein Seil über eine Winde in der Gleitrinne des Oberarmkopfes verlaufe und an ihrer Umlenkstelle mit Zugkräften, Druck, Reibung und Scherkräften belastet werde. Ähnlich verhalte es sich bei der Supraspinatussehne als Teil des dem Oberarmkopf umschließenden Muskel-/Sehnengebildes. Eine unfallmäßige Irritation der Rotatorenmanschette oder gar ein struktureller Schaden mit entsprechender Begleitsymptomatik wäre denkbar, sofern eine erhebliche Gewalt auf das Schultergelenk einwirke, die vor allem zu einer unnatürlichen Zugbeanspruchung der Supraspinatussehne führe. Das vom Kläger geschilderte Herunterholen einer Zylinderbüchse von einem Regal ohne Hinweise auf sonstige unvorhergesehene Einwirkungen stelle demgegenüber einen willentlich gesteuerten Vorgang dar, welcher nach Art und Schwere weder geeignet gewesen sei, die lange Bizepssehne zum Zerreißen zu bringen, noch einen strukturellen Schaden an tieferen Schulterstrukturen zu bewirken. Die hiergegen beim Sozialgericht F. erhobene und unter dem Aktenzeichen S 10 U 3755/05 geführte Klage nahm der Kläger im Erörterungstermin vom 11.04.2006 zurück.
Am 29.12.2009 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 28.04.2005 und führte aus, es seien nun neue Erkenntnisse aufgetreten. Er legte ein Urteil des Obersten Gerichtshofes in Österreich vom 25.11.2008 (100bS134/08 - Rotatorenmanschettenruptur bei Anheben eines Gewichts von ca. 8 kg), einen Auszug aus der Dissertation „Die Rotatorenmanschettenruptur - eine Berufserkrankung?“ von K. O. vom September 2008 und den Arztbrief des Universitätsklinikums F. vom 07.11.2008 (alte Rotatorenmanschetten-Massenruptur mit Cuffarthropathie rechts, alte proximale Bizepssehnenruptur rechts; Beginn der Beschwerden, als der Kläger etwas aus einem Regal habe nehmen wollen) vor.
Mit Bescheid vom 18.03.2010 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides ab. Sie führte zur Begründung aus, der Kläger habe keine Tatsachen vorgetragen, die für die Entscheidung erheblich seien beziehungsweise bei der Erteilung des Verwaltungsaktes nicht schon berücksichtigt worden seien. Maßgeblich bleibe, dass der beschriebene Vorgang nicht bewiesen sei.
Hiergegen legte der Kläger am 25.03.2010 Widerspruch ein, mit dem er die Ansicht vertrat, der Verlauf des Ereignisses sei unstreitig. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2010 zurück. Ungeachtet des beweislos gebliebenen Unfallhergangs vom 18.01.1993 sei der vom Kläger geschilderte Geschehensablauf auch hinsichtlich der hierbei einwirkenden biodynamischen Kräfte weder im Sinne der Verursachung noch der richtungsgebenden Verschlimmerung geeignet, zu einer unfallbedingten Schädigung von Körperstrukturen, insbesondere des Sehnengeflechts im Bereich der rechten Schulter, zu führen.
Hiergegen hat der Kläger am 27.08.2010 erneut Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben und ergänzend vorgetragen, dass sein Arbeitskollege N. zwar nichts gesehen habe, aber habe einspringen müssen, weil es zu einer unfallbedingten Verletzung gekommen sei.
Das Sozialgericht hat von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden und Chirurgen Prof. Dr. St. vom 24.11.2011 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei dem Ereignis vom 18.01.1993 sei es zu keiner Gewalteinwirkung auf das rechte Schultergelenk gekommen, mit der sich eine Anerkennung als Arbeitsunfall begründen ließe. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die bei dem Ereignis vom 18.01.1993 eingetretenen Läsionen am rechten Schultergelenk und deren Folgen durch anlagebedingte degenerative Veränderungen verursacht worden seien und es sich bei dem angeschuldigten Ereignis um eine Gelegenheitsursache handele. Die Krankheitsanlage sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit so stark und so leicht ansprechbar gewesen, dass jedes alltäglich vorkommende Ereignis zur selben Zeit den Gesundheitsschaden und dessen Folgen hätte verursachen können.
10 
Der Kläger hat Einwände gegen das Gutachten erhoben unter anderem den Arztbrief des Dr. B. vom 08.07.2004 (die beschriebenen Knochenaktivierungen seien nicht als Quelle der sauren Phosphatase anzunehmen, sondern sprächen für degenerative Veränderungen) vorgelegt. Prof. Dr. St. ist in seinen ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen vom 11.02.2012, 10.03.2012 und 02.04.2012 bei seiner Beurteilung geblieben.
11 
Mit Gerichtsbescheid vom 26.06.2012 hat das Sozialgericht nach vorangegangener Anhörung (Schreiben vom 13.04.2012) die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Gesundheitsstörungen des Klägers um Folgen eines Arbeitsunfalles handele. Dies gelte auch dann, wenn das vom Kläger behauptete Ereignis vom 18.01.1993 feststehen würde. Ferner entspreche das vom Kläger geschilderte Ereignis keinem Trauma, das nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet wäre, die festzustellenden Gesundheitsstörungen herbeizuführen. Vielmehr sei mit dem Sachverständigen davon auszugehen, dass anlagebedingte degenerative Schultergelenksveränderungen als Ursache dieser Gesundheitsstörungen anzusehen seien.
12 
Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hat der Kläger am 05.07.2012 Berufung eingelegt. Er hat das Attest des Dr. Sch. vom 24.10.2012 (der Kläger, der angegeben habe, am 11.08.1989 einen Arbeitsunfall erlitten zu haben, habe sich am 16.07.1990 in seine Behandlung begeben) vorgelegt und zur Begründung ausgeführt, das Sozialgericht habe außer Acht gelassen, dass letztendlich nicht nur auf das Unfallereignis vom 18.01.1993, sondern vielmehr auch auf die Vorgeschichte, insbesondere auf den Arbeitsunfall vom 11.08.1989, abzustellen sei. Er habe bei diesem Vorgang einen heftigen Schmerz im Bereich der rechten Schulter verspürt und sich beim Orthopäden L. vorgestellt, der aber ausgeführt habe, es sei wohl nichts Schlimmeres passiert. Es sei aber zu einem vollständigen Abriss der Sehnen, einem Abriss des langen Bizepsmuskels und einer Zerstörung der Rotatorenmanschette gekommen. Wegen der Beschwerden habe er seine Beschäftigung als Formenpolierer aufgegeben und am 05.11.1992 eine Tätigkeit als Güteprüfer aufgenommen. Nach dem sich am 18.01.1993 ereigneten Unfall habe er sich häufig beim Orthopäden L. vorgestellt. Am 25.05.2001 sei eine komplette Rotatorenmanschettenruptur festgestellt worden.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihren Bescheid vom 28. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2005 zurückzunehmen und eine Rotatorenmanschettenruptur sowie einen Riss der langen Bizepssehne als Folge eines am 18. Januar 1993 erlittenen Arbeitsunfalls festzustellen.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie hat zur Begründung ausgeführt, Gegenstand dieses Verfahrens sei lediglich der Arbeitsunfall vom 18.01.1993.
18 
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2013 noch einmal zum vorgetragenen Unfallereignis befragt.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten, die Verwaltungsakte sowie die beigezogene Akte S 10 U 3755/05 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht Freiburg hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
21 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005.
22 
Rechtsgrundlage für die Rücknahme eines bestandskräftigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X).
23 
Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat. Vielmehr hat sie zu Recht die Feststellung des Ereignisses vom 18.01.1993 als Arbeitsunfall abgelehnt, da es einem Vollbeweis dafür fehlt, dass der Kläger einen berufsbedingten Gesundheitserstschaden erlitten hat. Der im Berufungsverfahren erwähnte Arbeitsunfall vom 11.08.1989 ist nicht Gegenstand der Feststellung der Beklagten und des Sozialgerichts gewesen.
24 
Rechtsgrundlage für die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall sind nicht die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung, sondern die §§ 2, 7 und 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Zwar datiert der vom Kläger behauptete Vorgang auf die Zeit vor dem am 01.01.1997 erfolgten Inkrafttreten des SGB VII und gelten nach § 212 SGB VII die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels des SGB VII grundsätzlich für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten des SGB VII eintreten, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung findet sich aber in § 214 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach die Vorschriften des Ersten und Fünften Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB VII auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII eingetreten sind, gelten.
25 
Kraft Gesetzes sind Beschäftigte versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
26 
Nach der Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R; BSG, Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R; jeweils zitiert nach Juris) ist für die Feststellung eines Arbeitsunfalls erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses und der Gesundheitserstschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Lässt sich ein Nachweis nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten.
27 
Trotz des insoweit wenig ergiebigen Akteninhalts ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger am 18.01.1993 den von ihm geschilderten Unfall erlitten hat. Nach den glaubhaften Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Senats hat der Kläger am 18.01.1993 beim Herausnehmen über Kopf eines circa 17 bis 20 Kilogramm schweren Gegenstandes aus einem Regal einen Schulterschmerz verspürt. Obwohl es für diesen Vorgang keine Zeugen gibt, ein sich am 18.01.1993 zugetragener Arbeitsunfall weder dem Arbeitgeber noch der zuständigen Krankenkasse gemeldet worden ist und der am Unfalltag aufgesuchte Orthopäde L. mitgeteilt hat, der Kläger habe am Unfalltag kein eigentliches Unfallereignis angegeben, ist der Senat vom Vorliegen eines Unfallereignisses überzeugt. Zum einen hat der Kläger den Vorgang überzeugend geschildert. Zum anderen muss die Meldung eines Arbeitsunfalls nicht schon deshalb unterblieben sein, weil kein Unfallereignis vorlag, sondern weil der Orthopäde L. das ihm von Kläger geschilderte Ereignis nicht als Unfallereignis im Rechtssinne wertete oder einen Gesundheitserstschaden verneinte.
28 
Trotz des Vorliegens eines am 18.01.1993 erlittenen Unfalls hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls. Denn es fehlt am Nachweis eines am 18.01.1993 eingetretenen Gesundheitserstschadens. Gesundheitsschäden sind alle regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustände entsprechend dem allgemeinen Krankheitsbegriff. Zwar sind Umfang und Dauer unerheblich. Minimale Regelwidrigkeiten ohne Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit sind aber ebenso bedeutungslos (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII, Rz. 20) wie bloße Schmerzen. Der vom Kläger beschriebene einschießende Schmerz in der rechten Schulter stellt nach Ansicht des Senats noch keinen solchen Gesundheitserstschaden dar. Er könnte allenfalls als erstes Zeichen eines im weiteren Verlauf objektivierten Gesundheitserstschadens gewertet werden. An einer solchen Objektivierung fehlt es indessen. Der Senat hat sich aufgrund des Akteninhalts und trotz der Angaben des Klägers nicht davon überzeugen können, dass es am 18.01.1993 im Rahmen der beruflichen Tätigkeit tatsächlich zu einem Gesundheitsschaden gekommen ist. Dagegen spricht schon, dass der Kläger nach den Angaben des Orthopäden L. bereits seit Ende der 80er Jahre an Schmerzen in der rechten Schulter im Sinne einer überlastungsbedingten Periarthropathie gelitten hat. Ferner hat der Orthopäde L. in seinen Eintragungen auf der Patientenkarte am 18.01.1993 keinen neuen Gesundheitsschaden, sondern wieder die Überlastungsperiarthropathie vermerkt. Im Übrigen spricht gegen einen unfallbedingten Erstschaden, dass der Kläger nach dem Aufsuchen des Orthopäden L. weiter gearbeitet hat.
29 
Da es also am Nachweis eines am 18.01.1993 eingetretenen Gesundheitserstschadens fehlt, stellt der erlittene Unfall keinen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII dar. Darauf, dass im Übrigen aufgrund der vom Orthopäden L. seit 1988 beschriebenen Vorerkrankung und der gut nachvollziehbaren Beurteilung durch Prof. Dr. St. in seinem Gutachten vom 24.11.2011 auch ein wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen den ab 18.01.1993 gegenüber dem Orthopäden L. angegebenen Beschwerden, der am 25.05.2001 von Dr. B. magnetresonanztomographisch gesicherten Sehnenruptur mit Muskelretraktion sowie den am 22.05.2003 vom Chirurgen T. beschriebenen Gesundheitsstörungen einerseits und dem angeschuldigten Ereignis andererseits fehlt, kommt es daher nicht an. Insoweit verweist der Senat aber auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides, denen er sich nach § 153 Abs. 2 SGG in vollem Umfang anschließt.
30 
Mithin hat die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005 die Feststellung eines Arbeitsunfalls und mit Bescheid vom 18.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 eine Rücknahme dieses Bescheides abgelehnt. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 26.06.2012 hat sich damit als rechtmäßig erwiesen. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
32 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Gründe

 
20 
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht Freiburg hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
21 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005.
22 
Rechtsgrundlage für die Rücknahme eines bestandskräftigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X).
23 
Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat. Vielmehr hat sie zu Recht die Feststellung des Ereignisses vom 18.01.1993 als Arbeitsunfall abgelehnt, da es einem Vollbeweis dafür fehlt, dass der Kläger einen berufsbedingten Gesundheitserstschaden erlitten hat. Der im Berufungsverfahren erwähnte Arbeitsunfall vom 11.08.1989 ist nicht Gegenstand der Feststellung der Beklagten und des Sozialgerichts gewesen.
24 
Rechtsgrundlage für die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall sind nicht die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung, sondern die §§ 2, 7 und 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Zwar datiert der vom Kläger behauptete Vorgang auf die Zeit vor dem am 01.01.1997 erfolgten Inkrafttreten des SGB VII und gelten nach § 212 SGB VII die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels des SGB VII grundsätzlich für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten des SGB VII eintreten, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung findet sich aber in § 214 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach die Vorschriften des Ersten und Fünften Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB VII auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII eingetreten sind, gelten.
25 
Kraft Gesetzes sind Beschäftigte versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
26 
Nach der Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R; BSG, Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R; jeweils zitiert nach Juris) ist für die Feststellung eines Arbeitsunfalls erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses und der Gesundheitserstschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Lässt sich ein Nachweis nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten.
27 
Trotz des insoweit wenig ergiebigen Akteninhalts ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger am 18.01.1993 den von ihm geschilderten Unfall erlitten hat. Nach den glaubhaften Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Senats hat der Kläger am 18.01.1993 beim Herausnehmen über Kopf eines circa 17 bis 20 Kilogramm schweren Gegenstandes aus einem Regal einen Schulterschmerz verspürt. Obwohl es für diesen Vorgang keine Zeugen gibt, ein sich am 18.01.1993 zugetragener Arbeitsunfall weder dem Arbeitgeber noch der zuständigen Krankenkasse gemeldet worden ist und der am Unfalltag aufgesuchte Orthopäde L. mitgeteilt hat, der Kläger habe am Unfalltag kein eigentliches Unfallereignis angegeben, ist der Senat vom Vorliegen eines Unfallereignisses überzeugt. Zum einen hat der Kläger den Vorgang überzeugend geschildert. Zum anderen muss die Meldung eines Arbeitsunfalls nicht schon deshalb unterblieben sein, weil kein Unfallereignis vorlag, sondern weil der Orthopäde L. das ihm von Kläger geschilderte Ereignis nicht als Unfallereignis im Rechtssinne wertete oder einen Gesundheitserstschaden verneinte.
28 
Trotz des Vorliegens eines am 18.01.1993 erlittenen Unfalls hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls. Denn es fehlt am Nachweis eines am 18.01.1993 eingetretenen Gesundheitserstschadens. Gesundheitsschäden sind alle regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustände entsprechend dem allgemeinen Krankheitsbegriff. Zwar sind Umfang und Dauer unerheblich. Minimale Regelwidrigkeiten ohne Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit sind aber ebenso bedeutungslos (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII, Rz. 20) wie bloße Schmerzen. Der vom Kläger beschriebene einschießende Schmerz in der rechten Schulter stellt nach Ansicht des Senats noch keinen solchen Gesundheitserstschaden dar. Er könnte allenfalls als erstes Zeichen eines im weiteren Verlauf objektivierten Gesundheitserstschadens gewertet werden. An einer solchen Objektivierung fehlt es indessen. Der Senat hat sich aufgrund des Akteninhalts und trotz der Angaben des Klägers nicht davon überzeugen können, dass es am 18.01.1993 im Rahmen der beruflichen Tätigkeit tatsächlich zu einem Gesundheitsschaden gekommen ist. Dagegen spricht schon, dass der Kläger nach den Angaben des Orthopäden L. bereits seit Ende der 80er Jahre an Schmerzen in der rechten Schulter im Sinne einer überlastungsbedingten Periarthropathie gelitten hat. Ferner hat der Orthopäde L. in seinen Eintragungen auf der Patientenkarte am 18.01.1993 keinen neuen Gesundheitsschaden, sondern wieder die Überlastungsperiarthropathie vermerkt. Im Übrigen spricht gegen einen unfallbedingten Erstschaden, dass der Kläger nach dem Aufsuchen des Orthopäden L. weiter gearbeitet hat.
29 
Da es also am Nachweis eines am 18.01.1993 eingetretenen Gesundheitserstschadens fehlt, stellt der erlittene Unfall keinen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII dar. Darauf, dass im Übrigen aufgrund der vom Orthopäden L. seit 1988 beschriebenen Vorerkrankung und der gut nachvollziehbaren Beurteilung durch Prof. Dr. St. in seinem Gutachten vom 24.11.2011 auch ein wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen den ab 18.01.1993 gegenüber dem Orthopäden L. angegebenen Beschwerden, der am 25.05.2001 von Dr. B. magnetresonanztomographisch gesicherten Sehnenruptur mit Muskelretraktion sowie den am 22.05.2003 vom Chirurgen T. beschriebenen Gesundheitsstörungen einerseits und dem angeschuldigten Ereignis andererseits fehlt, kommt es daher nicht an. Insoweit verweist der Senat aber auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides, denen er sich nach § 153 Abs. 2 SGG in vollem Umfang anschließt.
30 
Mithin hat die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005 die Feststellung eines Arbeitsunfalls und mit Bescheid vom 18.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 eine Rücknahme dieses Bescheides abgelehnt. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 26.06.2012 hat sich damit als rechtmäßig erwiesen. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
32 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. März 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer vollständigen Ruptur der Supraspinatussehne (Rotatorenmanschettenabriss) an der rechten Schulter sowie ein Einriss der Sehne des Musculus Subscapularis als weitere Unfallfolgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 04.08.2008 streitig.
Der am … 1961 geborene Kläger griechischer Staatsangehörigkeit ist als Arbeiter bei der Beklagten versicherungspflichtig. Er hatte bereits zahlreiche Behandlungen wegen Schulterbeschwerden und sich bereits vor dem Unfall eine Kontusion der rechten Schulter zugezogen (MRT-Bericht vom 21.11.2008). Am 04.08.2008 rutschte er gegen 15:00 Uhr beim Schieben eines über 100 kg schweren Metallbehälters aus und erlitt beim Nachgreifen ein Stauchungstrauma am rechten Schultergelenk. Er arbeitete weiter und ging bei persistierenden Schmerzen am 10.11.2008 zu seinem Hausarzt Allgemeinmediziner K.. Dieser diagnostizierte eine Läsion der Rotatorenmanschette, stellte ab dem Behandlungstag Arbeitsunfähigkeit (AU) zunächst bis 26.11.2008 fest und überwies den Kläger an den Orthopäden Dr. L., der bei Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur rechts ein MRT in der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Hü./Ha./R. veranlasste. Im MRT vom 20.11.2008 zeigten sich ansatznah eine nahezu vollständige Ruptur der Supraspinatussehne mit geringer Retraktion der Sehne sowie ein Einriss der Sehne des Musculus subscapularis ansatznah mit Flüssigkeitseinlagerung in die Sehne, ferner degenerative Veränderungen des AC-Gelenks und geringe Einengung des subacrominalen Bogens. Dr. R. beurteilte dies dahingehend, dass sowohl Ruptur wie Einriss posttraumatisch bedingt seien (Bl. 75 VA). Am 28.11.2008 begab sich der Kläger zu Durchgangsarzt Prof. Dr. P., Chefarzt der Unfallchirurgischen Klinik S., und gab an, nach dem Unfall weiter gearbeitet zu haben. Prof. Dr. P. beschrieb eine schmerzhaft endgradige Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk bei Abduktion bis 80° und den klinischen Verdacht auf eine Supraspinatussehnenruptur. Vom 04. bis 09.12.2008 wurde der Kläger stationär in der Klinik arthroskopisch behandelt und eine offene Supraspinatusreinsertion und Labrum-Refixation durchgeführt (Zwischenbericht vom 16.12.2008, Bl. 71 VA).
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Arbeitgeberin des Klägers zunächst mit, dieser habe am zunächst berichteten Unfalltag vom 01.08.2008 Urlaub gehabt (Bl. 14 VA). Der Unfall habe sich am 04.08.2008 gegen 16:15 Uhr in der Abteilung für Saftproduktion ereignet (Unfallanzeige vom 23.01.2009, Bl. 18 VA). Der Kläger sei beim Einschieben eines Materialbunkers in die Produktionslinie mit der rechten Hand abgerutscht, habe sich diese dabei verdreht und sei mit der rechten Schulter auf den Container gestürzt.
Beratungsarzt Dr. S. führte aus, die komplette Ruptur mit Retraktion des Sehnenstumpfes ohne darüber hinausgehende Muskelretraktion lasse sich zusammen mit der deutlichen Ergussbildung grundsätzlich mit einer traumatischen Schädigung vereinbaren, allerdings müsse ein degenerativer Vorschaden abgeklärt werden (Bl. 100 VA).
Am 06.05.2009 wurde wegen persistierenden Schmerzen eine weitere MRT-Untersuchung durchgeführt, die eine Reruptur der Supraspinatussehne, die lediglich noch in den anterioren Anteilen fixiert erscheine, bei geringem Erguss in der Bursa subdeltoidea ergab (Befundbericht vom 07.05.2009, Bl. 87 VA). Die Folgebehandlung wurde in der Berufsgenossenschaftlichen (BG) Unfallklinik T. durchgeführt, wo eine eingeschränkte aktive Schultergelenksbeweglichkeit rechts festgestellt wurde und erweiterte ambulante Physiotherapie und Schmerztherapie rezeptiert wurden (Zwischenberichte vom 25.05.2009, Bl. 97 VA; 18.06.2006, Bl. 104 VA; 22.07.2009, Bl. 136 VA; 24.07.2009, Bl. 141 VA).
Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der BG Unfallklinik T., erstattete auf Veranlassung der Beklagten ein unfallchirurgisches Zusammenhangsgutachten. In seinem Gutachten vom 08.09.2009 führte er aus, es bestehe der Verdacht auf einen erneuten Einriss der refixierten Rotatorenmanschette im Bereich des rechten Schultergelenkes. Laut dem Vorerkrankungsregister sei der Kläger wegen einer Schulterdistorsion rechts vom 24. bis 29.05.1999 sowie einer Läsion der Rotatorenmanschette vom 02. bis 06.05.2005 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Über die Primärvorstellung nach dem angeschuldigten Ereignis lägen keinerlei Unterlagen vor. Der vom Unfallverletzten nach expliziter Befragung (mit Dolmetscherin) geschilderte Mechanismus beschreibe, dass die auf die Schulter ausgeübte Druckbewegung durch das Anschieben der schweren Maschine schlagartig weggenommen worden sei und die Schulter in Neutralstellung diskret an den Tank angeprallt wäre. Durch den Unfall sei es somit nicht zu einer Sehnenbelastung einer vorgespannten Sehne gekommen, vielmehr liege ein Anpralltrauma ohne Belastung der Rotatorenmanschette oder des ventralen Labrums vor. Deswegen stelle das Ereignis vom 04.08.2008 eine unwesentliche Teilursache dar und begründe demzufolge auch keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE; Bl. 172 ff. VA).
Auf Betreiben des klägerischen Bevollmächtigten erklärte sich die Beklagte bereit, den Kläger erneut unfallchirurgisch begutachten zu lassen. Der Unfallchirurg Dr. E., der die Untersuchung im Beisein des auch dolmetschenden Rechtsanwalts durchführte, gelangte in seinem Gutachten vom 21.07.2010 erneut zu dem Ergebnis, dass eine traumatische Rotatorenmanschettenruptur nicht vorliege, vielmehr degenerative Veränderungen am rechten Schultergelenk bestünden, welches auch durch das Vorerkrankungsverzeichnis gestützt werde. Umformende Veränderungen am rechten Schultergelenk müssten daher bereits vor dem angeschuldigten Ereignis vom 04.08.2008 vorgelegen haben. Dabei legte er den vom Kläger zuletzt geschilderten Unfallhergang zugrunde. Der Kläger habe mit beiden Armen einen 100 kg schweren Behälter geschoben, beide Arme seien nach seitlich und vorne um etwa 45° abgehalten worden, die Ellenbogen jeweils um 90° gebeugt. Er sei wegen der Nässe mit dem rechten Bein weggerutscht, wodurch sich die Beugung der Ellenbogen auf etwa 150° vermehrt habe, wohingegen die Oberarme an den Körper herangeführt worden seien. Dabei habe er sich die rechte Schulter an der Maschine angeschlagen, zunächst Schmerzen gehabt, dann jedoch weiter gearbeitet. Diese Unfallschilderung stehe in Übereinstimmung mit der in der BG-Klinik geschilderten. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass gegen eine traumatische Läsion der Rotatorenmanschette die direkte Kontusion der rechten Schulter ebenso wie das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall spreche, da er erst vier Monate nach dem Ereignis den Hausarzt aufgesucht und am 28.11.2008 die Erstellung eines D-Arztberichts erfolgt sei.
Mit Bescheid vom 27.07.2010 anerkannte die Beklagte daraufhin einen Arbeitsunfall vom 04.08.2008. Die Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit ab dem 10.11.2008 seien nach übereinstimmender fachärztlicher Feststellung nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen. Der Unfallhergang sei nicht geeignet, eine derartige Verletzung an der Rotatorenmanschette rechtlich wesentlich zu verursachen. Bei dem Kläger bestünden vielmehr degenerative Veränderungen an der rechten Schulter. Außerdem seien die Unfallfolgen folgenlos ausgeheilt, eine rentenberechtigende MdE liege nicht vor.
Der dagegen mit der Begründung eingelegte Widerspruch, dem Kläger könne nicht entgegengehalten werden, dass er zunächst keinen Arzt aufgesucht habe, denn er habe seit dem Unfallereignis an Beschwerden an der rechten Schulter gelitten, sei aber fälschlicherweise nur von einer Zerrung oder gleichartigen Beeinträchtigung ausgegangen, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010).
10 
Hiergegen hat der Kläger am 22.11.2010 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, zu deren Begründung er darauf verwiesen hat, dass die Gesundheitsstörung an der rechten Schulter erst mit dem Unfallereignis aufgetreten sei und keinerlei Vorschäden oder degenerative Veränderungen bestünden, wie dies die Beklagte behaupte. Sein Unfallschaden sei auch nach Einschätzung von Dr. S. mit einer traumatischen Schädigung vereinbar.
11 
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes ist der Kläger bei Dr. B., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begutachtet worden. Dieser hat eine gewisse degenerative Vorschädigung auch aufgrund des Alters angenommen, welche durch das Vorliegen der zwei AU-Bescheinigungen vor dem Unfall belegt werde. Die damals gestellten Diagnosen einer Schulterverrenkung und einer Läsion der Rotatorenmanschette seien indessen nicht nachvollziehbar, da solche Erkrankungen nicht binnen weniger Tage ausheilten. Der Unfallmechanismus sei leider nicht mehr zweifelsfrei zu rekonstruieren. Der Kläger habe nunmehr geschildert, mit dem linken Bein und der linken Hand ausgerutscht und sich dann bei dem Abstürzen an der rechten Schulter gestoßen zu haben, wobei er ein Geräusch vernommen habe. Seines Erachtens seien die danach aufgetretenen Gesundheitsstörungen im Wesentlichen auf den Unfall zurückzuführen. Dafür sprächen insbesondere der sofortige posttraumatische Schmerzbeginn mit Funktionseinschränkung des Armes, die Kombinationsverletzung mit Labrumläsion als Zeichen einer stattgehaben Dislokation des Gelenkes, der im MRT präoperativ und intraoperativ bestätigte Gelenkerguss, die allenfalls mäßige Retraktion der Sehnenenden, welche narbig und nicht glattrandig verändert erschienen, sowie der Umstand, dass keine fettige Degeneration der Muskulatur vorliege.
12 
Die Beklagte hat hierzu eine fachärztliche Stellungnahme von Dr. H. vorgelegt, wonach eine Sehne biomechanisch nur dann geschädigt werden könne, wenn sie über die individuelle Reißfestigkeit hinaus belastet werde. Überdies sei zu beachten, dass die Rotatorenmanschette den Oberarmkopf in der Schulterpfanne zentriere, so dass immer eine Grundspannung des Sehnen-Muskelkomplexes bestehe. Dementsprechend sei ein Anprall der Schulter nicht geeignet, eine Rotatorenmanschettenschädigung oder eine Schulterverrenkung herbeizuführen, sodass das Gutachten von Dr. B. insoweit nicht schlüssig sei. Außerdem widerspreche sich der gerichtliche Sachverständige insoweit, als er die vorangegangenen Erkrankungen ohne Hinweis für eine schwerwiegende Schädigung ansehe, andererseits aber nach dem jetzigen Ereignis eine solche Erkrankung für möglich erachte, obwohl der Kläger überhaupt nicht ärztlich behandelt worden und auch nicht durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei. Als Fazit lasse sich daher nur festhalten, dass das Ereignis sicherlich eine Prellung des Schultergelenkes, möglicherweise auch eine Stauchung verursacht haben könne.
13 
Mit Urteil vom 29.03.2012, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 13.04.2012, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, das allein abweichende Gutachten von Dr. B. vermöge im Ergebnis nicht zu überzeugen. Dabei müsse zunächst berücksichtigt werden, dass nach allgemeiner Meinung in der medizinischen Wissenschaft die Rotatorenmanschette im Bereich der Schulter im hohen Maße der Degeneration unterliege, die bereits ab dem dritten Lebensjahrzehnt beginne. Den isolierten, ausschließlich traumatischen Supraspinatussehnenriss gebe es deshalb nicht. Infrage komme allein ein Verletzungsmechanismus im Sinne einer wesentlichen Teilursache bei bestehender Degeneration, die nämlich zu einer herabgesetzten mechanischen Belastbarkeit führe. Als geeignete Verletzungsmechanismen für einen traumatischen Supraspinatussehnenriss würden unter anderem eine starke Zugbelastung bei gewaltsamer Rotation des Armes, z. B. die Verdrehung des Armes, wenn dieser in eine laufende Maschine gezogen werde oder ein ungeplantes Auffangen eines schweren fallenden Gegenstandes angesehen. Diese Unfallhergänge seien geeignet, aber nicht beweisend. Vorliegend habe der Kläger den Unfallhergang mehrfach, teilweise leicht abweichend geschildert, wobei insoweit zu berücksichtigen sei, dass der Unfallbetroffene ein für ihn mit Schmerzen verbundenes Ereignis nicht objektiv wahrnehmen könne und alle Einzelheiten zu schildern vermöge. Insgesamt bestehe jedoch insoweit Übereinstimmung, als die vom Kläger geschilderte direkte Krafteinwirkung auf die Schulter (Sturz, Prellung, Schlag) nicht geeignet sei, eine Zugbeanspruchung mit unnatürlicher Längendehnung der Sehne des Supraspinatus zu bewirken, da die Rotatorenmanschette durch den knöchernen Schutz der Schulterhöhe (Acromion) und den Deltamuskel gut geschützt sei. Gegen eine traumatische Rotatorenmanschettenverletzung sprächen auch die festgestellten degenerativen Veränderungen in Form einer subacromialen Enge und einer aktivierten AC-Gelenksarthrose, worauf Dr. E. ausdrücklich hingewiesen habe. Dies werde auch durch das Vorerkrankungsverzeichnis belegt. Gegen die These des Sachverständigen, der Kläger habe sofortige posttraumatische Schmerzen verspürt, spreche, dass der Kläger erstmals etwa 3 ½ Monate nach dem Anpralltrauma seinen Hausarzt wegen Schulterbeschwerden aufgesucht und nach dem Unfall weitergearbeitet habe. Bei fehlenden knöchernen Begleitverletzungen könne die von Dr. B. als Pro-Kriterium angeführte Labrumläsion als Zeichen einer stattgehabten Dislokation des Gelenkes, der intraoperativ festgestellte, sich wenig entleerende Erguss sowie das Fehlen einer fettigen Degeneration der Muskulatur ein Überwiegen bedeutsamer Anknüpfungstatsachen für eine traumatische Rotatorenmanschettenruptur nicht begründen. Vielmehr sprächen mit Prof. Dr. W. und Dr. E. mehr Kriterien gegen als für eine traumatische Rotatorenmanschettenverletzung.
14 
Hiergegen hat der Kläger am 30.04.2012 Berufung mit der Begründung eingelegt, die von ihm vorgetragene Unfallschilderung sei geeignet und zumindest wesentlich teilursächlich für seine Rotatorenmanschettenverletzung gewesen. Dies habe auch das Gutachten des Dr. B. ausführlich dargelegt.
15 
Der Kläger beantragt,
16 
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. März 2012 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2010 abzuändern und festzustellen, dass die vollständige Ruptur der Supraspinatussehne (Rotatorenmanschettenabriss) an der rechten Schulter sowie der Einriss der Sehne des Musculus Subscapularis Folgen des Arbeitsunfalls vom 4. August 2008 sind.
17 
Die Beklagte beantragt,
18 
die Berufung zurückzuweisen.
19 
Sie ist der Auffassung, dass das SG zu Recht die Klage abgewiesen habe. Denn nach den von der unfallmedizinischen Literatur ermittelten Kriterien sei für eine traumatische Zerreißung der Supraspinatussehne eine Zugbeanspruchung bzw. eine direkte Krafteinwirkung erforderlich, die aus dem von dem Kläger geschilderten Unfallhergang gerade nicht hervorgehe. Auch liege nach der MRT-Untersuchung des rechten Schultergelenkes keine knöcherne Begleitverletzung vor, die nach der unfallmedizinischen Literatur im Falle einer traumatischen Schädigung der Rotatorenmanschette typischerweise zu erwarten sei. Demgegenüber seien degenerative Veränderungen in Form einer subacromialen Enge und einer aktivierten AC-Gelenksarthrose festgestellt worden. Des Weiteren habe sich der Kläger erstmalig über drei Monate nach dem Ereignis bei seinem Hausarzt wegen Schulterbeschwerden vorgestellt. Eine traumatische Schädigung führe aber zu einem sofortigen Funktionsausfall des betroffenen Armes.
20 
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen befragt.
21 
Der Allgemeinmediziner Dr. S. hat berichtet, dass er den Kläger im Mai 2005 wegen anhaltender Schmerzen der rechten Schulter mit schmerzhaften Bogen und typischen Druckschmerzen an der Supraspinatussehne behandelt habe, die neurologische Untersuchung sei unauffällig gewesen. Der Orthopäde Dr. L., bei dem der Kläger von November 2008 bis Mai 2011 in Behandlung stand, hat einen Erstkontakt vom 10.11.2008 wegen einer Schulterkontusion rechts angegeben. Der Kläger habe damals keine Angaben zu einem Arbeitsunfall gemacht. Die Sportklinik S. hat über eine erneute Arthroskopie im Februar 2010 mit Debridement des Labrums, eine subacrominale Resektion der Vernarbungen und Side-to-Side-Naht der Supraspinatussehne berichtet. Nach der Operation habe sich der Kläger einmalig im Juni 2011 mit Restbeschwerden im Bereich der rechten Schulter vorgestellt und danach nicht mehr. Der Allgemeinmediziner K., bei dem der Kläger seit 1993 in Behandlung steht, hat immer wieder auftretende Schmerzzustände in der Nacken-, Schulter- und Schultergelenksregion angegeben, wodurch überwiegend die linke Schulterregion betroffen sei. Nach der beigefügten elektronischen Karteikarte ist der Kläger 1995 dreimal, 1996 einmal und 2004, 2005 zweimal wegen Beschwerden an der rechten Schulter behandelt worden.
22 
Der damalige Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 25.02.2014 erörtert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom selben Tag verwiesen. Die Beteiligten haben danach einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
23 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die nach §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Feststellung weiterer Unfallfolgen.
25 
Nach §§ 8 Abs. 1 Satz 2, 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger dann einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge, wenn ein Gesundheitsschaden durch den Versicherungsfall rechtlich wesentlich verursacht wird (BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R - NZS 2012, 909; Senatsurteil vom 27.03.2014 - L 6 U 4426/13 -).
26 
Dabei ist auf einer ersten Prüfungsstufe zu fragen, ob der Versicherungsfall eine naturwissenschaftlich-philosophische Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsstörung ist, wobei insoweit jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nach den einschlägigen Erfahrungssätzen nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Wenn festzustellen ist, dass der Versicherungsfall in diesem Sinne eine Bedingung für den Erfolg ist, ist auf der ersten Prüfungsstufe weiter zu fragen, ob es für den Eintritt des Erfolgs noch andere Ursachen i. S. der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie gibt; das können Bedingungen aus dem nicht versicherten Lebensbereich wie z. B. Vorerkrankungen, Anlagen, nicht versicherte Betätigungen oder Verhaltensweisen sein (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Hinsichtlich des Überzeugungsmaßstabs genügt für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (st. Rspr, z. B. BSG, Urteile vom 02.02.1978 - 8 RU 66/77 - SozR 2200 § 548 Nr. 38 - und 30.04.1985 - 2 RU 43/84 - SozR 2200 § 555a Nr. 1).
27 
Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, aus-reichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands.
28 
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auf-fassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte.
29 
Bei dieser Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, ein-schließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, ferner das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein.
30 
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls in einem oder mehreren Schritten zu prüfende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache das angeschuldigte Ereignis eine Ursache ist oder die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellte versicherte Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde.
31 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hält es der Senat nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass das Unfallereignis vom 04.08.2008 die geltend gemachten dauerhaften Gesundheitsschäden hervorgerufen hat. Das hat das SG in Auswertung der im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Prof. Dr. W. und Dr. E. ausführlich begründet und ebenso dargelegt, dass und aus welchen Gründen dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. B. nicht zu folgen ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung in vollem Umfang an und sieht insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.
32 
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass die vom Senat durchgeführten Ermittlungen umso mehr dafür sprechen, dass über die bereits bekannten AU-Zeiten hinaus bereits eine beachtliche degenerative Vorschädigung der rechten Schulter bestand, was der Senat sowohl den Angaben des Dr. S. als auch der Karteikarte des Allgemeinmediziners K. entnimmt. Letztere belegt, dass der Kläger bereits vor dem stattgehabten Arbeitsunfall häufig wegen Beschwerden in der Schulterregion bei Allgemeinmediziner K. in Behandlung war, insbesondere vom 24. bis zum 29.05.1999 wegen einer Schulterdistorsion rechts und vom 02. bis 06.05.2005 wegen einer Läsion der Rotatorenmanschette krankgeschrieben war, wie dies zuletzt auch die AOK Stuttgart-Böblingen ebenso wie Dr. St., dem gegenüber der Kläger noch nicht einmal von einem Arbeitsunfall berichtet hat, bestätigt haben. Der Kläger hat auch nach dem Arbeitsunfall weitergearbeitet und sich erstmalig am 10.11.2008 bei einem Orthopäden, nämlich Dr. L. vorgestellt, hierbei einen sich vor ca. 8 Wochen ereigneten Unfall angegeben und wurde, da von einem Arbeitsunfall gerade nicht die Rede war, folgerichtig und entgegen § 11 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), wonach Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei einem Arbeitsunfall ausgeschlossen sind, zunächst auf Kosten der Krankenkasse behandelt. Deswegen haben Prof. Dr. W. und Dr. E. zu Recht einen Kausalzusammenhang in ihren Gutachten verneint haben. Soweit Dr. B. eine andere Ansicht vertreten hat, hat Dr. H. diesem Gutachten schlüssig entgegengehalten, dass das vom Sachverständigen gefundene Ergebnis schon insoweit widersprüchlich ist, als in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem stattgehabten Arbeitsunfall überhaupt keine Behandlungen erfolgt oder Arbeitsunfähigkeitszeiten festgestellt worden sind. Nach der unfallmedizinischen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 418) ist aber Indiz gegen den Kausalzusammenhang, wenn nach dem Unfallereignis keine Arbeitseinstellung erfolgt und kein Arzt am Unfalltag oder am Unfallfolgetag aufgesucht wird.
33 
Aus den Ausführungen des Beratungsarztes, auf die sich der Kläger gestützt hat, ergibt sich insoweit nichts anderes. Denn Dr. S. hat nur die MRT-Aufnahmen ausgewertet, deswegen ausdrücklich einen Vorbehalt hinsichtlich degenerativer Vorschaden gestellt und den Unfallhergang nicht gewürdigt. Die isolierte Auswertung der bildgebenden Diagnostik kann nicht eine Kausalität mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachweisen. Dies gilt auch für die Einschätzung des Radiologen Dr. R. im Arztbrief vom 21.11.2008 über das MRT vom 20.11.2008.
34 
Dessen ungeachtet weist der Senat darauf hin, dass sich die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. W. und Dr. E., die bereits einen für eine Rotatorenmanschettenruptur geeigneten Unfallhergang verneint haben, im Einklang mit der herrschenden wissenschaftlich-medizinischen Lehrmeinung dazu befinden, welche traumatischen Ereignisse geeignet sind, wesentlich ursächlich im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre eine Rotatorenmanschettenruptur zu verursachen. Hierzu wird in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 410, ausgeführt, dass ein Riss bzw. Teileinriss der Supraspinatussehne, d.h. der Riss der Rotatorenmanschette, durchaus traumatisch bedingt sein kann. Allerdings darf, um einen geeigneten Verletzungsmechanismus annehmen zu können, der Unfallhergang eine Zugbeanspruchung mit unnatürlicher Längendehnung der Supraspinatussehne nicht ausschließen. Eine solche Zugbeanspruchung ist aber gerade ausgeschlossen, wenn der Unfall eine direkte Krafteinwirkung auf die Schulter in Form eines Sturzes, einer Prellung oder eines Schlages bewirkt hat, da die Rotatorenmanschette durch den knöchernen Schutz der Schulterhöhe (Acromion) und den Deltamuskel gut geschützt ist (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.. S. 412 f.).
35 
Mithin hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Gesundheitsfolgen als Unfallfolge.
36 
Die Berufung des Klägers ist daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
37 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

Gründe

 
24 
Die nach §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Feststellung weiterer Unfallfolgen.
25 
Nach §§ 8 Abs. 1 Satz 2, 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger dann einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge, wenn ein Gesundheitsschaden durch den Versicherungsfall rechtlich wesentlich verursacht wird (BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R - NZS 2012, 909; Senatsurteil vom 27.03.2014 - L 6 U 4426/13 -).
26 
Dabei ist auf einer ersten Prüfungsstufe zu fragen, ob der Versicherungsfall eine naturwissenschaftlich-philosophische Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsstörung ist, wobei insoweit jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nach den einschlägigen Erfahrungssätzen nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Wenn festzustellen ist, dass der Versicherungsfall in diesem Sinne eine Bedingung für den Erfolg ist, ist auf der ersten Prüfungsstufe weiter zu fragen, ob es für den Eintritt des Erfolgs noch andere Ursachen i. S. der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie gibt; das können Bedingungen aus dem nicht versicherten Lebensbereich wie z. B. Vorerkrankungen, Anlagen, nicht versicherte Betätigungen oder Verhaltensweisen sein (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Hinsichtlich des Überzeugungsmaßstabs genügt für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (st. Rspr, z. B. BSG, Urteile vom 02.02.1978 - 8 RU 66/77 - SozR 2200 § 548 Nr. 38 - und 30.04.1985 - 2 RU 43/84 - SozR 2200 § 555a Nr. 1).
27 
Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, aus-reichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands.
28 
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auf-fassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte.
29 
Bei dieser Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, ein-schließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, ferner das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein.
30 
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls in einem oder mehreren Schritten zu prüfende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache das angeschuldigte Ereignis eine Ursache ist oder die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellte versicherte Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde.
31 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hält es der Senat nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass das Unfallereignis vom 04.08.2008 die geltend gemachten dauerhaften Gesundheitsschäden hervorgerufen hat. Das hat das SG in Auswertung der im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Prof. Dr. W. und Dr. E. ausführlich begründet und ebenso dargelegt, dass und aus welchen Gründen dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. B. nicht zu folgen ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung in vollem Umfang an und sieht insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.
32 
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass die vom Senat durchgeführten Ermittlungen umso mehr dafür sprechen, dass über die bereits bekannten AU-Zeiten hinaus bereits eine beachtliche degenerative Vorschädigung der rechten Schulter bestand, was der Senat sowohl den Angaben des Dr. S. als auch der Karteikarte des Allgemeinmediziners K. entnimmt. Letztere belegt, dass der Kläger bereits vor dem stattgehabten Arbeitsunfall häufig wegen Beschwerden in der Schulterregion bei Allgemeinmediziner K. in Behandlung war, insbesondere vom 24. bis zum 29.05.1999 wegen einer Schulterdistorsion rechts und vom 02. bis 06.05.2005 wegen einer Läsion der Rotatorenmanschette krankgeschrieben war, wie dies zuletzt auch die AOK Stuttgart-Böblingen ebenso wie Dr. St., dem gegenüber der Kläger noch nicht einmal von einem Arbeitsunfall berichtet hat, bestätigt haben. Der Kläger hat auch nach dem Arbeitsunfall weitergearbeitet und sich erstmalig am 10.11.2008 bei einem Orthopäden, nämlich Dr. L. vorgestellt, hierbei einen sich vor ca. 8 Wochen ereigneten Unfall angegeben und wurde, da von einem Arbeitsunfall gerade nicht die Rede war, folgerichtig und entgegen § 11 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), wonach Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei einem Arbeitsunfall ausgeschlossen sind, zunächst auf Kosten der Krankenkasse behandelt. Deswegen haben Prof. Dr. W. und Dr. E. zu Recht einen Kausalzusammenhang in ihren Gutachten verneint haben. Soweit Dr. B. eine andere Ansicht vertreten hat, hat Dr. H. diesem Gutachten schlüssig entgegengehalten, dass das vom Sachverständigen gefundene Ergebnis schon insoweit widersprüchlich ist, als in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem stattgehabten Arbeitsunfall überhaupt keine Behandlungen erfolgt oder Arbeitsunfähigkeitszeiten festgestellt worden sind. Nach der unfallmedizinischen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 418) ist aber Indiz gegen den Kausalzusammenhang, wenn nach dem Unfallereignis keine Arbeitseinstellung erfolgt und kein Arzt am Unfalltag oder am Unfallfolgetag aufgesucht wird.
33 
Aus den Ausführungen des Beratungsarztes, auf die sich der Kläger gestützt hat, ergibt sich insoweit nichts anderes. Denn Dr. S. hat nur die MRT-Aufnahmen ausgewertet, deswegen ausdrücklich einen Vorbehalt hinsichtlich degenerativer Vorschaden gestellt und den Unfallhergang nicht gewürdigt. Die isolierte Auswertung der bildgebenden Diagnostik kann nicht eine Kausalität mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachweisen. Dies gilt auch für die Einschätzung des Radiologen Dr. R. im Arztbrief vom 21.11.2008 über das MRT vom 20.11.2008.
34 
Dessen ungeachtet weist der Senat darauf hin, dass sich die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. W. und Dr. E., die bereits einen für eine Rotatorenmanschettenruptur geeigneten Unfallhergang verneint haben, im Einklang mit der herrschenden wissenschaftlich-medizinischen Lehrmeinung dazu befinden, welche traumatischen Ereignisse geeignet sind, wesentlich ursächlich im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre eine Rotatorenmanschettenruptur zu verursachen. Hierzu wird in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 410, ausgeführt, dass ein Riss bzw. Teileinriss der Supraspinatussehne, d.h. der Riss der Rotatorenmanschette, durchaus traumatisch bedingt sein kann. Allerdings darf, um einen geeigneten Verletzungsmechanismus annehmen zu können, der Unfallhergang eine Zugbeanspruchung mit unnatürlicher Längendehnung der Supraspinatussehne nicht ausschließen. Eine solche Zugbeanspruchung ist aber gerade ausgeschlossen, wenn der Unfall eine direkte Krafteinwirkung auf die Schulter in Form eines Sturzes, einer Prellung oder eines Schlages bewirkt hat, da die Rotatorenmanschette durch den knöchernen Schutz der Schulterhöhe (Acromion) und den Deltamuskel gut geschützt ist (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.. S. 412 f.).
35 
Mithin hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Gesundheitsfolgen als Unfallfolge.
36 
Die Berufung des Klägers ist daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
37 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Feststellung einer Knieverdrehung als Arbeitsunfall, die der Kläger am 29.4.2010 während der Pflege seines Vaters erlitt.

2

Der 1914 geborene und 2012 verstorbene Vater und die ebenfalls verstorbene Mutter des 1955 geborenen Klägers übergaben ihm am 21.11.1978 mit notariellem Vertrag vom gleichen Tag ihren gesamten landwirtschaftlichen Betrieb mit Inventar und Zubehör sowie Hausrat. In diesem Vertrag räumte der Kläger seinen Eltern für die Übergabe und zur Sicherung ihres Lebensbedarfs auf Lebenszeit unentgeltliche Leibgedingsrechte ein, ua die Verrichtung aller Hausarbeiten, Wart und Pflege in den Tagen des Alters, der Gebrechlichkeit und Krankheit, ein Wohnrecht, tägliche Tischkost, Naturalleistungen, ein monatliches Taschengeld iHv 100 DM sowie Zahlung aller Arzt-, Apotheker-, Krankenhaus- und Sterbekosten, soweit die Leistungsfähigkeit des Klägers reiche und soweit nicht Versicherungsträger bzw staatliche oder andere Institutionen dafür aufzukommen hätten. Weiterhin verpflichtete sich der Kläger, die Benutzung des beim Anwesen vorhandenen Kraftwagens oder Traktors in angemessenem Umfang, auf Verlangen auch mit Fahrer und dem erforderlichen Treibstoff, zu gewährleisten. In der Folgezeit gab der Kläger die Viehhaltung auf. Den Großteil der Flächen verpachtete er zu einem jährlichen Pachtzins von etwa 2200 Euro. Der verbliebene landwirtschaftliche Betrieb umfasste am 29.4.2010 noch 2,47 ha, die der Kläger nicht mehr selbst bewirtschaftete. Das Hofgebäude nutzten der Kläger und sein Vater nur zu Wohnzwecken. Der Vater erhielt Leistungen der Pflegekasse, und zwar seit dem 1.11.2008 nach Pflegestufe II bei einem Pflegeaufwand von mehr als 21 Stunden wöchentlich. Der Kläger übte neben der Pflegetätigkeit für seinen Vater keine Beschäftigung aus. Zur Sicherung des gemeinsamen Lebensunterhalts standen das von der Pflegekasse gezahlte Pflegegeld, von dem der Vater 220 Euro an den Kläger weiterleitete, die Renten des Vaters iHv insgesamt ca 900 Euro monatlich sowie die Pachteinnahmen iHv ca 183 Euro monatlich zur Verfügung.

3

Der Kläger verdrehte sich am 29.4.2010 beim Umsetzen seines Vaters vom Bett in den Toilettenstuhl das linke Knie und erlitt einen Reizerguss. Der beklagte kommunale Unfallversicherungsträger lehnte durch Bescheid vom 8.11.2010 und Widerspruchsbescheid vom 9.9.2011 die Anerkennung des Ereignisses vom 29.4.2010 als Arbeitsunfall ab. Der Kläger sei in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht als Pflegeperson versichert gewesen, weil er durch den Vertrag aus dem Jahre 1978 als Gegenleistung für die Übergabe des landwirtschaftlichen Betriebes die Verpflichtung zur Pflege seines Vaters übernommen und deshalb seinen Vater erwerbsmäßig gepflegt habe. Die Pflege sei eine unternehmerische Tätigkeit gewesen.

4

Das SG hat nach Beiladung des landwirtschaftlichen Unfallversicherungsträgers mit Urteil vom 30.1.2012 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass der Unfall des Klägers vom 29.4.2010 ein bei der Beklagten versicherter Arbeitsunfall gewesen sei. Das LSG hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 13.5.2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, der Kläger sei als Pflegeperson versichert gewesen. Zwar habe er einen Teil des Pflegegeldes erhalten. Auch sei mit dem Pflegegeld und den Renten des Vaters der gemeinsame Lebensunterhalt bestritten worden. Dies reiche jedoch nicht aus, die Pflegetätigkeit als erwerbsmäßig anzusehen. Die Verpflichtung, als Gegenleistung für die Übergabe des landwirtschaftlichen Betriebes dem Vater Pflege zukommen zu lassen, begründe die Erwerbsmäßigkeit ebenfalls nicht. Auch sei die Beklagte und nicht der beigeladene landwirtschaftliche Unfallversicherungsträger zuständig, weil der Kläger nicht als landwirtschaftlicher Unternehmer tätig gewesen sei und ein landwirtschaftlicher Haushalt nicht mehr bestanden habe.

5

Die Beklagte rügt mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision die Verletzung der § 2 Abs 1 Nr 17 Halbs 1 SGB VII iVm § 19 Satz 1 SGB XI, § 135 Abs 3 Satz 1 und § 123 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Der Kläger habe die Pflege erwerbsmäßig erbracht, weil er durch die Hofübergabe als Gegenleistung für die vertraglich übernommene, über eine bloße sittliche Pflicht hinausgehende Verpflichtung zur Pflege erhebliche Vermögenswerte erlangt habe. Auch sei ausschließlich die Beigeladene zuständig. Es habe eine vorrangige Versicherung als landwirtschaftlicher Unternehmer nach § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII bestanden, weil die Erfüllung der durch den Übergabevertrag begründeten Verpflichtungen im inneren Zusammenhang mit der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer gestanden habe.

6

Die Beklagte beantragt,

                 

die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Mai 2013 und des Sozialgerichts Augsburg vom 30. Januar 2012 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

7

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

8

Die Beigeladene beantragt,

                 

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Ergänzend führt sie aus, Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII könne nicht durch eine schuldrechtliche Verpflichtung im Übergabevertrag begründet werden. Der Kläger habe keine landwirtschaftliche unternehmerische Tätigkeit ausgeübt, denn sein Haushalt sei nicht mehr landwirtschaftlich geprägt gewesen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht die Berufung der Beklagten gegen das den Klagen stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen. Der die Feststellung eines Arbeitsunfalles ablehnende Bescheid der Beklagten vom 8.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.9.2011 ist rechtswidrig. Der Kläger hat am 29.4.2010 als bei der Beklagten versicherte Pflegeperson iS des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII einen Arbeitsunfall erlitten.

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Der Kläger begehrt zulässiger Weise die Aufhebung der Regelungen in dem Bescheid der Beklagten vom 8.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.9.2011 sowie die Feststellung des Eintritts eines Versicherungsfalles am 29.4.2010 (§ 54 Abs 1 SGG iVm § 55 Abs 1 Nr 1 SGG; vgl hierzu zB BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4).

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Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb Versicherter ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21 RdNr 10 mwN; vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 26f; vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46 RdNr 20; vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 12; zuletzt vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 10 und - B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 14). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, weil der Kläger als versicherte Pflegeperson bei einer versicherten Pflegetätigkeit iS von § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII einen Unfall und infolgedessen einen Gesundheitsschaden erlitt.

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Gemäß § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII sind kraft Gesetzes versichert Pflegepersonen iS des § 19 SGB XI bei der Pflege eines Pflegebedürftigen iS des § 14 SGB XI; die versicherte Tätigkeit umfasst Pflegetätigkeiten im Bereich der Körperpflege und - soweit diese Tätigkeiten überwiegend Pflegebedürftigen zugute kommen - Pflegetätigkeiten in den Bereichen der Ernährung, der Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs 4 SGB XI). Der Kläger stand als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson iS von § 19 SGB XI gemäß § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung(vgl dazu unten 1.). Die unmittelbar vor dem Unfall ausgeübte Verrichtung war auch eine gemäß § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte Tätigkeit(vgl dazu unten 2.). Die Zuständigkeit der Beklagten ist gemäß § 129 Abs 1 Nr 7 SGB VII gegeben(vgl dazu unten 3.).

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1. Der Kläger stand während der unmittelbar dem Unfall vorausgehenden Tätigkeit als Pflegeperson seines Vaters unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII iVm § 19 Satz 1 SGB XI sind versichert Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen iS des § 14 SGB XI in seiner häuslichen Umgebung pflegen. Der Kläger pflegte seinen Vater in dessen häuslicher Umgebung. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfolgte die Pflege auch nicht erwerbsmäßig. Erwerbsmäßige Pflege iS des § 19 SGB XI liegt nicht schon dann vor, wenn der Pflegebedürftige das Pflegegeld bzw einen Teil hiervon an den Pflegenden weitergibt(hierzu a.). Das gemeinschaftliche Wirtschaften in einem Haushalt unter Einsatz der Rente des Vaters macht die Pflegetätigkeit eines Sohnes ebenfalls noch nicht zu einer erwerbsmäßigen Pflege (hierzu b.). Schließlich folgt auch nichts anderes aus dem Hofübergabevertrag aus dem Jahre 1978 (hierzu c.).

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a. Nicht erwerbsmäßige ehrenamtliche Pflege ist von der den Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII iVm § 19 SGB XI ausschließenden erwerbsmäßigen Pflege abzugrenzen. Der Begriff der erwerbsmäßigen Pflege umfasst Pflegetätigkeiten, die zur Erzielung von Erwerbseinkommen, insbesondere Arbeitsentgelt aufgrund einer Beschäftigung iS von § 7 SGB IV oder Arbeitseinkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit, verrichtet werden. Wird die Pflege dagegen nicht im Rahmen einer Beschäftigung oder als auf die Erzielung von Arbeitseinkommen gerichteten selbstständigen Tätigkeit, sondern ehrenamtlich ohne Vergütung erbracht, liegt keine erwerbsmäßige Pflege vor. Dagegen sind die als Beschäftigte den Versicherungsschutz des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII genießenden sowie die im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit erwerbsmäßig pflegenden und ggf nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII versicherten Personen nicht nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII versichert. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angefochtenen und daher den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) pflegte der Kläger seinen Vater nicht aufgrund einer Beschäftigung oder im Rahmen einer auf die Erbringung von Pflegeleistungen gerichteten selbstständigen Tätigkeit.

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Eine solche Pflegetätigkeit im innerfamiliären Bereich, wie hier zwischen Vater und Sohn, ist auch dann nicht erwerbsmäßig iS des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII iVm § 19 SGB XI, wenn der Pflegende als Anerkennung für seine Pflege finanzielle Zuwendungen oder andere Vorteile erhält. Dies gilt zunächst jedenfalls dann, wenn der Wert der Zuwendungen den Betrag des dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechenden Pflegegeldes nicht überschreitet, es sei denn, aus den weiteren Umständen ergibt sich, dass eine Erwerbsmäßigkeit der Pflegetätigkeit vorliegt (hierzu noch unter b. und c.).

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Dies folgt aus dem Schutzzweck des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII. Durch diese Vorschrift soll Pflegenden Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt werden, die dieses Schutzes deshalb bedürfen, weil sie Pflegebedürftige in deren häuslicher Umgebung pflegen, mangels Beschäftigung nicht anderweitig in der gesetzlichen Unfallversicherung abgesichert sind und die Pflege nicht im Rahmen einer ggf versicherten selbstständigen Erwerbstätigkeit erbringen. Da nach § 3 Satz 1 SGB XI die Leistungen der Pflegeversicherung vorrangig die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn fördern und unterstützen sollen, sollen diese Personen während ihrer außerhalb einer Beschäftigung oder einer selbstständigen Tätigkeit erfolgenden Pflege in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen sein(vgl zB Udsching in Udsching/Schütze/Behrend/Bassen, SGB XI, 3. Aufl 2010 § 19 RdNr 2; Krahmer/Plantholz in Klie/Krahmer/Plantholz Lehr- und Praxiskommentar SGB XI, 4. Aufl 2014, § 3 RdNr 6; Behrend in jurisPK - SGB XI, Stand 6.5.2014, § 44 RdNr 23, 26). Diesem Schutzzweck widerspräche es, den Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII nur deshalb zu versagen, weil die Pflegeperson außerhalb einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit für ihre Pflege als Anerkennung finanzielle Zuwendungen erhält, jedenfalls soweit diese den Wert des dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechenden Pflegegeldes nicht übersteigen.

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Bestätigt wird dies durch die Entstehungsgeschichte des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII sowie den Regelungszusammenhang dieser Vorschrift mit § 19 SGB XI sowie § 3 Satz 2 SGB VI. Der Versicherungstatbestand des § 539 Abs 1 Nr 19 RVO, der inhaltlich dem nunmehr geltenden § 2 Satz 1 Nr 17 SGB VII entsprach, wurde mit Wirkung zum 1.4.1995 durch das Pflege-Versicherungsgesetz vom 26.5.1994 (BGBl I 1014) in die RVO eingefügt. Das Pflege-Versicherungsgesetz sollte insbesondere die Pflegeleistungen der Angehörigen und die Nachbarschaftshilfe nachhaltig unterstützen und fördern. Zur Förderung der Pflege im häuslichen Bereich durch Verwandte und zur Unterstützung der häuslichen Pflege sollten pflegende Familienangehörige in der Renten- und Unfallversicherung sozial abgesichert sein, so dass ihnen durch ihre Pflegetätigkeit insoweit keine Nachteile entstehen (vgl Begr des Entwurfes eines Pflegeversicherungsgesetzes - PflegeVG - BT-Drucks 12/5262 S 3 f, 162). Als des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung bedürftig wurde der Personenkreis der Pflegepersonen angesehen, die nicht als Beschäftigte und nicht selbstständig zu Erwerbszwecken, sondern ehrenamtlich insbesondere in den eigenen Familien und im Bekanntenkreis tätig sind. Die soziale Absicherung dieses Personenkreises wurde aber auch dann für erforderlich gehalten, wenn die Pflegenden finanzielle Zuwendungen als Anerkennung ihrer Tätigkeit erhalten, so, wenn der Pflegebedürftige das ihm zustehende Pflegegeld an die Pflegeperson weiterreicht (vgl Begr aaO S 82, 101).

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In der gesetzlichen Rentenversicherung sollte darüber hinaus die Rentenversicherungspflicht als Pflegeperson selbst dann bestehen, wenn im Rahmen einer Beschäftigung nach § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI Arbeitsentgelt bis zur Höhe des entsprechenden Pflegegeldes gezahlt wird(vgl hierzu Begr aaO S 159). Gemäß § 3 Satz 2 SGB VI gelten daher Pflegepersonen in der gesetzlichen Rentenversicherung als nicht erwerbsmäßig tätig und sind nicht nach § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI als Beschäftigte, sondern nach § 3 Satz 1 Nr 1a SGB VI als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen versicherungspflichtig, wenn sie ein Arbeitsentgelt erhalten, das das dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld iS von § 37 SGB XI nicht übersteigt. Zwar fehlt eine entsprechende Regelung für die gesetzliche Unfallversicherung, sodass die gegen Arbeitsentgelt beschäftigten Pflegepersonen grundsätzlich gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert sind, auch wenn ihr Arbeitsentgelt den Betrag des entsprechenden Pflegegeldes nicht übersteigt. Entsprechend dem Schutzzweck des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII sowie entsprechend der Regelung in § 3 Satz 2 SGB VI ist die Pflege jedoch außerhalb einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit jedenfalls dann nicht erwerbsmäßig, wenn der Pflegebedürftige der Pflegeperson lediglich eine finanzielle Anerkennung bis zu der Höhe des dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechenden Pflegegeldes gewährt(so auch zB Kruschinsky in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky SGB VII Stand Oktober 2013, § 2 RdNr 784; Bereiter-Hahn/Mehrtens SGB VII Stand Januar 2014, § 2 RdNr 33.3; Riebel in Hauck/Noftz, SGB VII Stand April 2014, § 2 RdNr 258, Schwerdtfeger in Lauterbach, SGB VII Stand Dezember 2012, § 2 RdNr 604 f; Richter in Becker/Franke/Molkentin 3. Aufl 2011, § 2 RdNr 198; Bieresborn in jurisPK-SGB VII 2. Aufl 2014 Stand 23.6.2014, § 2 RdNr 364; vgl zur Abgrenzung von nicht erwerbsmäßiger und erwerbsmäßiger Pflege auch BSG vom 6.6.2002 - B 3 P 2/02 R - SozR 3-3300 § 39 Nr 5 sowie BSG vom 18.7.1996 - 4 RA 25/95 - SozR 3-2600 § 249b Nr 1). Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen und der Unfallversicherungsträger sehen ebenfalls die Pflegetätigkeit von Personen als nicht erwerbsmäßig an, wenn die finanziellen Zuwendungen zur Anerkennung der Pflege die Höhe des dem Umfang der Pflege entsprechenden Pflegegeldes nach § 37 Abs 1 Satz 3 SGB XI nicht übersteigen(vgl Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger vom 20.2.1995 und vom 17.12.2006 S 3 f, abgedruckt jeweils in Die Leistungen 1995, 491 und Die Leistungen 2007, 200 ff).

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Im vorliegenden Fall lag der von dem pflegebedürftigen Vater an den Kläger weitergeleitete Anteil des Pflegegeldes iHv 220 Euro monatlich unter dem Betrag des im Jahre 2010 an den Vater gezahlten Pflegegeldes, das gemäß § 37 Abs 1 Satz 3 Nr 2 Buchst b SGB XI(in der vom 1.7.2008 bis 29.10.2012 geltenden Fassung des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.5.2008, BGBl I 874) 430 Euro monatlich betrug. Die Weiterleitung dieses Anteils des Pflegegeldes an den Kläger konnte bereits aus diesem Grund die Erwerbsmäßigkeit der Pflege nicht begründen.

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b. Auch das gemeinsame Wirtschaften unter Verbrauch der Renten des Vaters und des Pflegegeldes führt hier nicht zur Erwerbsmäßigkeit der Pflegetätigkeit iS des § 19 SGB XI. Selbst wenn dem Kläger insgesamt tatsächlich Leistungen zugewandt worden sein sollten, die den Betrag des gezahlten Pflegegeldes iHv 430 Euro überschritten hätten, erfolgten diese Zuwendungen nicht im Hinblick auf die Pflegetätigkeit, sondern aufgrund der gemeinsamen Haushaltsführung des Klägers mit seinem pflegebedürftigen Vater und dienten der Sicherstellung ihres Lebensunterhalts. Dem Zweck der Versicherung nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII, durch die Absicherung der Pflegepersonen in der gesetzlichen Unfallversicherung insbesondere auch die Pflege durch Familienangehörige in der häuslichen Umgebung des Pflegenden zu fördern und zu unterstützen, würde es zuwider laufen, die Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen wegen der finanziellen Beiträge des Pflegebedürftigen zum Lebensunterhalt als erwerbsmäßig anzusehen. Andernfalls wäre die Pflege naher Angehöriger, die in demselben Haushalt mit dem Pflegebedürftigen leben und ohne eigene Einkünfte von ihm unterhalten werden, immer eine erwerbsmäßige, den Versicherungsschutz ausschließende Pflegetätigkeit, obwohl gerade diese Pflegepersonen des Unfallversicherungsschutzes bedürfen und gerade deren Pflege gefördert und unterstützt werden soll.

22

Auch die Spitzenverbände gehen in den genannten Gemeinsamen Rundschreiben davon aus, dass dann, wenn die Zuwendungen an den Pflegenden das Pflegegeld nach § 37 SGB XI überschreiten, eine Prüfung erforderlich wird, ob eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit oder gleichwohl eine nicht erwerbsmäßige Pflege vorliegt. Darüber hinaus wird in den Rundschreiben bei der Pflege durch nahe Verwandte und sonstige Familienangehörige von einer grundsätzlichen widerlegbaren Vermutung in der gesetzlichen Unfallversicherung ausgegangen, dass die Pflegetätigkeit ungeachtet der Höhe der finanziellen Zuwendungen des Pflegebedürftigen an die Pflegeperson nicht erwerbsmäßig ausgeübt wird (vgl Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger vom 20.2.1995 und vom 17.12.2006 S 3 f, aaO). Der Senat kann offenlassen, ob dem folgend die Pflege durch nahe Familienangehörige, die im Haushalt des Pflegebedürftigen leben, unabhängig von der Höhe der finanziellen Zuwendungen grundsätzlich nicht erwerbsmäßig ist oder ob jedenfalls hierfür eine widerlegbare Vermutung spricht. Denn im vorliegenden Fall war die Pflege des Vaters in Anbetracht des Umfangs und der Art und Weise der Zuwendungen an den Kläger jedenfalls nicht erwerbsmäßig.

23

c. Das LSG und das SG sind auch zu Recht davon ausgegangen, dass eine Erwerbsmäßigkeit der Pflegetätigkeit iS des § 19 SGB XI nicht aus der im Hofübergabevertrag aus dem Jahre 1978 geregelten Verpflichtung des Klägers folgt, seinen Vater zu pflegen. Zum einen erzielte der Kläger nach den Feststellungen des LSG aus der Hofübergabe nur noch Pachteinnahmen iHv etwa 2200 Euro jährlich und damit ca 183 Euro monatlich, sodass auch unter Berücksichtigung des an ihn weitergeleiteten anteiligen Pflegegeldes der gemäß § 37 SGB XI relevante Betrag von 430 Euro(hierzu soeben a.) noch nicht einmal erreicht wäre. Zum anderen enthielt der Hofübergabevertrag neben der zu erbringenden Pflege zahlreiche andere, beiden Elternteilen seit 1978 geschuldete Leistungen, so ua ein Wohnrecht, Naturalleistungen, Mahlzeiten, Hausarbeiten und Taschengeld.

24

Die Verpflichtung zur Pflege war damit jedenfalls nur eine von zahlreichen Gegenleistungen für die Hofübergabe. Die Erträge aus der Verpachtung iHv 183 Euro monatlich können schon wegen dieser vielfältigen Verpflichtungen deshalb nicht ausschließlich als Gegenleistung für die Pflegetätigkeit betrachtet werden. Aber auch darüber hinaus standen Hofübergabe und die Pflege des Vaters nicht im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Der Übergabevertrag regelte die Übergabe des landwirtschaftlichen Betriebes von den Eltern auf den Kläger. Daneben räumte der Vertrag den Eltern Leibgedingsrechte gegenüber dem Kläger ein. Es handelte sich um einen in der Landwirtschaft gebräuchlichen Übergabevertrag mit der Zusage von als Altenteil oder Leibgedinge bezeichneten Versorgungsleistungen, für die aufgrund Art 96 EGBGB weiterhin besondere landesrechtliche Vorschriften gelten. Die in einem Übergabevertrag vereinbarten Leistungen des Übernehmers zur Versorgung des Übergebenden bei gleichzeitigem Einrücken des Übernehmenden in die Existenzgrundlage des Übergebenden sind in der Regel keine Gegenleistungen für die Übertragung des Grundbesitzes, sondern aus dem zugewendeten Vermögen zu leistende Auflagen (vgl BGH vom 7.4.1989 - V ZR 252/87 - BGHZ 107, 156; BayOLG vom 22.5.1995 - 1Z RR 62/94 - BayObLGZ 1995, 186). Dementsprechend werden im Steuerrecht die Versorgungsleistungen auch nicht als Veräußerungsentgelt oder Anschaffungskosten des landwirtschaftlichen Betriebes angesehen (vgl BFH vom 5.7.1990 - GrS 4/89 ua - BFHE 161, 317). Bereits dies spricht dagegen, die Pflege aufgrund eines in einem landwirtschaftlichen Hofübergabevertrag vereinbarten Leibgedinges als auf die Erzielung von Erwerbseinkommen gerichtete und damit erwerbsmäßige Pflegetätigkeit anzusehen. Ein Ausschluss des Versicherungsschutzes für Pflegende, die aufgrund eines solchen Leibgedinges zur Pflege ihrer Eltern in deren häuslichem Umfeld verpflichtet sind, widerspricht zudem auch dem Schutzzweck des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII. Ein solcher Pflegender wie der Kläger bedarf des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn er nicht anderweitig gegen das Risiko eines Unfalles abgesichert ist. Seine Pflege ist eine Pflegetätigkeit im Haushalt des Pflegebedürftigen durch einen Angehörigen, die durch das SGB XI gerade gefördert und unterstützt werden sollte, wie § 3 SGB XI unterstreicht(vgl oben a.).

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Wurde ein als Lebensgrundlage dienender landwirtschaftlicher Betrieb vor Jahren von dem Pflegebedürftigen seinem Kind übergeben und hatte sich dieses - entsprechend bestehender Gepflogenheiten in der Landwirtschaft - zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes der Eltern einschließlich der Pflege verpflichtet, so dürfte die Übernahme dieser Verpflichtung jeweils auch im Hinblick auf mögliche gesetzliche Unterhaltspflichten gegenüber den Eltern erfolgt sein. Dem Versicherungsschutz als Pflegeperson in der gesetzlichen Unfallversicherung steht aber grundsätzlich nicht entgegen, dass die Pflege durch dem Pflegebedürftigen gesetzlich zum Unterhalt verpflichtete Angehörige erbracht wird. Der Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII stellt jedenfalls nach dem Wortlaut der Norm nicht darauf ab, ob eine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht. Allein der Umstand, dass aufgrund des Hofübergabevertrages der Grundbesitz auf den Kläger übergegangen ist, kann ebenfalls nicht zum Ausschluss des pflegenden Hofübernehmers aus dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung führen. Für die Versicherung nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII ist es unerheblich, ob und über welches Vermögen oder sonstige Einkünfte der Pflegende verfügt.

26

Mithin stellte sich die Pflegetätigkeit des Klägers aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles als nicht erwerbsmäßige Pflege iS des § 19 SGB XI dar, sodass dieser grundsätzlich Versicherter in der gesetzlichen Unfallversicherung war.

27

2. Der Kläger verrichtete unmittelbar vor dem Unfall auch eine vom Versicherungsschutz des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII umfasste Tätigkeit iS von § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII iVm § 14 SGB XI. Sein von der Pflegekasse Pflegegeld nach Pflegestufe II beziehender Vater war pflegebedürftig iS von § 14 Abs 1 und Abs 2 SGB XI. Indem der Kläger ihn aus dem Bett auf den Toilettenstuhl umsetzte, half er ihm beim Aufstehen aus dem Bett und damit bei einer Verrichtung im Bereich der Mobilität nach § 14 Abs 4 Nr 3 SGB XI bzw übernahm diese, um dem Vater die Benutzung des Toilettenstuhls, einer Verrichtung im Bereich der Körperpflege nach § 14 Abs 4 Nr 1 SGB XI, zu ermöglichen. Infolge dieser Verrichtung kam es zu einem Gesundheitsschaden des Klägers, der auch rechtlich wesentlich durch die versicherte Pflegetätigkeit verursacht wurde.

28

3. Die Pflegetätigkeit des Klägers erfüllte entgegen der Auffassung der Beklagten auch keinen anderen, die Versicherung nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII verdrängenden und deshalb die Zuständigkeit der Beklagten ausschließenden Versicherungstatbestand. Gemäß § 129 Abs 1 Nr 7 SGB VII war die Beklagte deshalb der für die Durchführung der Versicherung zuständige Versicherungsträger. Allerdings geht gemäß § 135 Abs 1 Nr 6, Abs 3 Satz 1 SGB VII eine Versicherung nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII als Beschäftigter, nach Nr 5 als landwirtschaftlicher Unternehmer, nach Nr 9 als im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege Tätiger oder nach Nr 10 als in den dort genannten Bereichen ehrenamtlich Tätiger einer Versicherung als Pflegeperson nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII vor.

29

In Betracht kommt hier allenfalls die Versicherung nach § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII als landwirtschaftlicher Unternehmer, für deren Durchführung die Beigeladene gemäß § 123 Abs 1 Nr 3 SGB VII zuständig wäre. Bestandteile des landwirtschaftlichen Unternehmens sind nach § 124 Nr 1 SGB VII auch die Haushalte der Unternehmer, wenn die Haushalte dem Unternehmen wesentlich dienen. Nach diesen Vorschriften war die unmittelbar vor dem Unfallereignis verrichtete Pflegetätigkeit jedoch keine gemäß § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII, § 124 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit eines landwirtschaftlichen Unternehmers.

30

Eine versicherte Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII setzt eine Verrichtung voraus, die in einem inneren Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Unternehmen steht. Sie muss wesentlich dem Haushalt eines landwirtschaftlichen Unternehmens bzw dem landwirtschaftlichen Unternehmen dienen. Die Zugehörigkeit des Haushaltes zum landwirtschaftlichen Unternehmen setzt nach § 124 Nr 1 SGB VII voraus, dass der Haushalt dem Unternehmen nützlich ist und sich von anderen Haushalten unterscheidet(vgl zB BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 5/11 R - NZS 2012, 826). Eine frühere landwirtschaftliche Prägung genügt nicht, wenn der Haushalt sich zwar noch auf einem landwirtschaftlichen Anwesen befindet, sich jedoch nicht mehr von einem üblichen privaten Haushalt unterscheidet (vgl Feddern in: jurisPK-SGB VII 2. Aufl 2014 Stand 15.3.2014 § 124 RdNr 18 f).

31

Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG diente der Haushalt, in dem der Kläger seinen Vater pflegte, nicht (mehr) einem landwirtschaftlichen Unternehmen iS des § 124 Nr 1 SGB VII. Der Kläger hatte die Viehhaltung aufgegeben, wesentliche Flächen verpachtet und bewirtschaftete selbst keine Flächen mehr. Das landwirtschaftliche Anwesen diente dem Kläger und seinem Vater damit lediglich noch zu Wohnzwecken. Tätigkeiten, die einen Bezug zu einem landwirtschaftlichen Unternehmen hatten, waren im Haushalt nicht zu verrichten und wurden auch nicht verrichtet. Damit hatte der Haushalt kein landwirtschaftliches Gepräge und unterschied sich nicht von sonstigen Privathaushalten.

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Die Pflegetätigkeit des Klägers diente schließlich auch nicht deshalb einem landwirtschaftlichen Unternehmen iS des § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII, weil der Kläger aufgrund des in dem Hofübergabevertrag vereinbarten Leibgedinges zur Pflege verpflichtet war. Es kann dahinstehen, ob der Auffassung des SG München (vom 24.5.2012 - S 1 U 5029/11 - Breithaupt 2013, 684) zu folgen ist, das davon ausgeht, Tätigkeiten eines landwirtschaftlichen Unternehmers in seinem Betrieb zur Erfüllung von Verpflichtungen aus einem Hofübergabevertrag seien vom Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII erfasst, wenn die vereinbarten Tätigkeiten dem Zweck des Übergabevertrages, nämlich einer angemessenen Existenzsicherung der Altenteiler, dienen. Jedenfalls war die Erfüllung der im Hofübergabevertrag übernommenen Verpflichtung zur Pflege unmittelbar vor dem Unfall keine einem landwirtschaftlichen Unternehmen des Klägers dienende Tätigkeit mehr. Der Kläger war nicht mehr als landwirtschaftlicher Unternehmer tätig, weil er die Viehhaltung aufgegeben, Flächen verpachtet und Flächen nicht mehr selbst bewirtschaftet hat. Dass der Kläger als Übernehmer in der Vergangenheit durch einen Hofübergabevertrag in die Lage versetzt worden war, als landwirtschaftlicher Unternehmer tätig zu sein, führt jedenfalls nach Aufgabe dieser Tätigkeit nicht dazu, dass weiterhin die aus diesem Hofübergabevertrag zu erfüllende Verpflichtung zur Pflege eine einem landwirtschaftlichen Unternehmen dienende Tätigkeit eines landwirtschaftlichen Unternehmers ist.

33

Damit hat der Kläger als nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII iVm § 19 SGB VII versicherte nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson bei der Pflege iS des § 2 Abs 1 Nr 17 SGB VII, dem Umsetzen seines Vaters vom Bett in den Toilettenstuhl, am 29.4.2010 einen Arbeitsunfall erlitten, für den die Zuständigkeit der Beklagten gemäß § 129 Abs 1 Nr 7 SGB VII als Unfallversicherungsträger im kommunalen Bereich besteht.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24.04.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Kosten des auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz eingeholten Gutachtens von Dr. C. vom 23.01.2012 sowie die dadurch entstandenen baren Auslagen der Klägerin werden auf die Staatskasse übernommen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat und ob eine posttraumatische Belastungsstörung Folge des Arbeitsunfalls ist.
Die 1954 geborene Klägerin ist bei der D. R. Baden-Württemberg beschäftigt. Ende 2001/Anfang 2002 wurde die Klägerin von einem Versicherten, der im Flur laut herum schrie, in ihr Büro gedrängt, an beiden Unterarmen festgehalten und zunächst in die Zimmerecke hinter die Türe gedrückt und schließlich unter lautem Geschrei kraftvoll auf den Bürostuhl in der diagonal gegenüber liegende Ecke geschleudert. Zwei zur Hilfe gekommene Kollegen konnten den Versicherten nicht beruhigen. Er warf einen auf dem Schreibtisch liegenden Packen Papier in die Luft und schrie weiter. Er packte die Klägerin am Arm und schwang sie vom Bürostuhl in die Mitte des Zimmers, worauf sie aus dem Zimmer flüchten konnte.
Unter dem 28.01.2010 erstattete die D. R. wegen dieses Vorfalls Unfallanzeige bei der Beklagten. Beigefügt war eine Vorgangsschilderung der Klägerin. In dieser führte die Klägerin aus, sie hätte Todesangst ausgestanden, weil sie befürchtet habe, der Mann könne eine Waffe ziehen. Sie sei danach total aufgelöst gewesen. Man habe sie gefragt, ob sie Anzeige erstatten wolle. Die verständigte Polizei habe ihr aber gesagt, wenn sie nicht direkt bedroht worden sei, würde das Verfahren sowieso eingestellt werden, weshalb sie auf eine Anzeige verzichtet habe. Der Versicherte habe kein Hausverbot erhalten, sondern sie sei ihm danach noch zweimal im Haus begegnet. Im Jahr 2006 sei ihre Behörde umgezogen. Es sei eine Einweisung am Empfang in die Sicherheitsmaßnahmen mit Notfall-Knöpfen, Alarm etc. erfolgt, weshalb sie retraumatisiert worden sei. Weitere Retraumatisierungen seien erfolgt, jedoch immer nur im Dienstgebäude, außerhalb passiere ihr das nie. Anfang 2008 habe sie die Psychotherapeutin N. aufgesucht. Bis Herbst 2008 sei sie stabil gewesen, danach seien erneut Traumatisierungen erfolgt und seit Januar 2009 sei sie wöchentlich bei der Psychologin R.-R. in Behandlung.
Vorgelegt wurde die Bescheinigung der Psychologin R.-R. vom 23.12.2009, wonach die Klägerin an Ängsten am Arbeitsplatz, intrusiven Erinnerungen und Konzentrationsschwierigkeiten leide. Diese Symptome stünden im Zusammenhang mit Zuständen nach Retraumatisierungen. Es liege keine psychische Krankheit vor, die Symptomatik sei nach neuropsychologischen Zusammenhängen der Psychotraumatologie zu erklären.
Die Beklagte holte die beratungsärztliche Stellungnahme von PD Dr. Ro. vom 26.04.2010 ein, der einen psychischen Erstschaden als nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht beurteilte. Die Klägerin habe seinerzeit keine medizinische Hilfe in Anspruch genommen. Ein Zusammenhang der später aufgetretenen Beeinträchtigung lasse sich nicht herleiten, denn die geltend gemachten Retraumatisierungen seien nach Art und Umfang nicht geeignet, den Zusammenhang mit dem Vorfall 2001 herzustellen.
Mit Bescheid vom 09.06.2010 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des geltend gemachten Vorfalls Ende des Jahres 2001/Anfang 2002 ab. Es sei davon auszugehen, dass bei einer entsprechenden Traumatisierung ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werde, was hier erstmals sechs Jahre nach dem Vorfall aufgrund von Depressionen und einer Angststörung der Fall sei. Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung äußerten sich in der Regel einige Wochen nach dem Ereignis. Anhaltspunkte, die Rückschlüsse auf die erforderliche Schwere des Ereignisses zuließen, seien den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. Plausibel sei allenfalls eine kurzzeitige Belastungsreaktion, die aber nicht länger als wenige Stunden angedauert haben könne. Ein primärer Gesundheitsschaden aufgrund des Ereignisses von Ende 2001/Anfang 2002 liege nicht vor.
Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und verwies auf den vorgelegten Befundbericht der Universitätsklinik F. für Psychiatrie und Psychosomatik vom 15.01.2009. Dort hatte sich die Klägerin erstmals am „07.02.2009“ in der Spezialsprechstunde Psychotraumata vorgestellt. Leitender Oberarzt Prof. Dr. V. hatte die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung mit verspätetem Beginn (ICD-10: F43.1) gestellt.
Diplom-Psychologin R.-R. teilte der Beklagten mit Bericht vom 30.06.2010 mit, die Klägerin habe nach dem Überfall 2001/2002 zunächst unter traumaspezifischen Symptomen wie Intrusionen, Albträumen und Schlafstörungen gelitten. Sie habe zeitnah zur Selbsthilfe gegriffen und sich einer Karategruppe angeschlossen. Der Zeitrahmen, innerhalb dessen eine posttraumatische Belastungsstörung auftrete, sei umstritten. Nach ICD-10 werde vom Auftreten belastender Symptome innerhalb von sechs Monaten nach dem Ereignis ausgegangen, jedoch seien verspätete Reaktionen durchaus üblich. Bemerkenswert sei, dass die Klägerin sich im privaten Bereich völlig angstfrei bewegen könne. Die Umstände des ursprünglichen Überfalls legten den Schluss nahe, dass psychosoziale Begleitumstände eine spontane Bewältigung der traumatischen Situation erschwert hätten, wie z.B. die mangelhafte Unterstützung und Bagatellisierung durch die Polizei, unzureichende Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte.
PD Dr. Ro. hielt in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13.07.2010 an seiner Einschätzung fest, dass der verspätete Beginn der Symptomatik mehrere Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis nicht die Bedingungen einer Retraumatisierung erfüllten. Vielmehr handele es sich um persönlichkeitsbedingte Reaktionen auf fiktive Bedrohungssituationen.
10 
In dem von der Beklagten veranlassten Gutachten des Neurologen Dr. Co. vom 14.10.2010 wird ein gegenwärtiger krankheitswertiger Befund verneint. Die Kriterien einer psychoreaktiven Störung bzw. einer posttraumatischen Belastungsstörung seien gemäß den Diagnosemanuals ICD-10 oder DSM IV nicht erfüllt. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei nur dann zu diagnostizieren, wenn die zugehörige Symptomatik innerhalb von sechs Monaten nach dem Ereignis mit hinreichender Sicherheit nachzuweisen sei. Selbst 2008 sei eine psychotherapeutische Behandlung bereits nach vier Sitzungen aufgrund subjektiven Wohlbefindens beendet worden.
11 
Die Klägerin erhob hiergegen Einwände. Die behandelnde Psychologin R.-R. verwies darauf (Bericht vom 06.12.2010), dass eine Langzeittherapie nach der 25. Sitzung durch die Krankenkasse genehmigt worden sei und bereits zweimal externe Gutachter die Indikation und den Behandlungsplan überprüft hätten. Entgegen der Auffassung von Dr. Co. sei die Klägerin angesichts des angezeigten Untersuchungstermins emotional besonders belastet gewesen, ebenso leide sie an Nachhallerinnerungen. Die Beeinträchtigungen der Klägerin seien die noch nicht verarbeiteten Auswirkungen des Überfalls. Die Klägerin kämpfe nicht um einen finanziellen Ausgleich, sondern um die Anerkennung, dass sie 2002 einen Arbeitsunfall erlitten habe.
12 
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
13 
Die Klägerin erhob am 10.01.2011 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG).
14 
Das SG holte von Prof. Dr. T. das nervenärztliche Gutachten vom 09.05.2011 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 10.08.2011 und 01.02.2012. Der Sachverständige führte aus, bei der Klägerin lägen psychovegetativ anmutende und teilweise auch dissoziative Zustände vor, die durch eine Reihe von Auslösesituationen am Arbeitsplatz zu Stande gekommen seien. Eine diagnostische Zuordnung dieser Angstattacken zu einer der klassischen Kategorien wie einer posttraumatischen Belastungsstörung falle zum jetzigen Zeitpunkt schwer, die Kriterien könnten nicht voll erfüllt werden. Die Gesundheitsstörungen wären ohne das Traumaereignis wohl nicht zu Stande gekommen, ein Zusammenhang sei wahrscheinlich. Andere Ursachen als das unmittelbare Traumaereignis für die unzureichende Krankheitsverarbeitung seien die hilflos gehandhabte Krisensituation, die zu geringe Hilfestellung durch Kollegen und die Nachbearbeitung des Vorfalls. Der Ablauf weise erhebliche Lücken auf, eine psychologische Beratung oder ein Gespräch mit Vorgesetzten habe nicht stattgefunden.
15 
Mit Urteil vom 24.04.2012 wies das SG die Klage ab. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei nicht bewiesen. Prof. Dr. T. habe die typischen Merkmale der posttraumatischen Belastungsstörung bei der Klägerin nicht erheben können. Er vermute nur, dass in den Voruntersuchungen im Universitätsklinikum F. und bei der behandelnden Therapeutin diese Symptome vorgelegen hätten. Gegen den Zusammenhang spreche aber die Dauer zwischen dem Ereignis und dem erstmaligen Auftreten der Erkrankung. Nach dem Sachverständigen betrage die Latenz selten mehr als sechs Monate. Aufgrund der erheblichen Zeitdauer im Falle der Klägerin stehe ein Ursachenzusammenhang für das Gericht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest.
16 
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 25.05.2012 zugestellten Urteil hat die Klägerin am 18.06.2012 beim SG Berufung eingelegt. Sie macht geltend, auch bei einer Latenz von mehreren Jahren sei die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
17 
Die Klägerin beantragt,
18 
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24.04.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 09.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.12.2010 aufzuheben und festzustellen, dass eine posttraumatische Belastungsstörung und eine dissoziative Störung mit psychogenem Mutismus Folgen des Ende 2001/Anfang 2002 eingetretenen Arbeitsunfalles sind,
19 
hilfsweise zum Beweis dafür, dass die bei der Klägerin bis 2006 bestandene Beschwerdelatenz aufgrund aktueller wissenschaftlicher medizinischer Erkenntnisse auch in Deutschland keinen Anlass bieten, die Diagnose eines PTBS in Frage zu stellen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, hilfsweise Dr. C. hierzu zu hören.
20 
Die Beklagte beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Sie bezieht sich auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG. Bei dem Ereignis Ende 2001/Anfang 2002 sei es nicht zu einem primären Gesundheitsschaden gekommen. Dagegen spreche, dass die Klägerin sich nach dem Ereignis nicht in ärztliche Behandlung begeben habe. Die Klägerin habe unmittelbar nach dem Ereignis ihre Tätigkeit wieder aufgenommen.
23 
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das Gutachten von Dr. C. vom 23.01.2013 eingeholt. Er hat aufgrund der Untersuchung der Klägerin einen Status nach posttraumatischer Belastungsstörung mit spätem Beginn (ICD-10: F43.1) und einen Status nach dissoziativer Störung mit psychogenem Mutismus (ICD-10: F 44 - Konversionsstörungen -) diagnostiziert. Aktuell lägen bei der Klägerin keine psychischen Störungen von Krankheitswert vor. Die seit 2006 aufgetretenen Symptome seien mittlerweile durch adäquate Behandlung abgeklungen. Die überwundenen Gesundheitsstörungen seien auf das Unfallgeschehen 2001/2002 zurückzuführen. Nach derzeitigem Stand der Begutachtungspraxis gelte, dass eine längere Latenz von mehr als sechs Monaten umso plausibler sei, je höher die nachvollziehbare seelische Beeindruckung durch das seelische Ereignis gewesen sei. Danach sei die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs vorliegend gegeben, ein Vollbeweis könne aber nicht erbracht werden. Die grundsätzliche Existenz posttraumatischer Belastungsstörungen mit verspätetem Beginn können nach Stand der internationalen Literatur kaum bestritten werden. Zum psychodynamischen Befund sei zu berücksichtigen, dass als zusätzliches Belastungsmoment die fehlende soziale Unterstützung in Erscheinung getreten sei. Der Arbeitgeber und der Unfallversicherungsträger habe keine prophylaktische Primärbetreuung vermittelt, die Polizei habe den Vorfall bagatellisiert und eine Unterstützung von Vorgesetzten und Kollegen sei ausgeblieben. Über Jahre habe sich auf einer Ebene unauffälligen Funktionierens ein großer Bodensatz persistierenden Grolls angestaut. Nach dem Umzug in das neue Amtsgebäude seien einerseits die alten traumatischen Erinnerungen in ihr geweckt worden, andererseits sei ihr angesichts der neuen Sicherheitseinrichtungen bewusst geworden, welche anderen und professionelleren Formen des Managements aggressiven Verhaltens von Klienten ihr nicht angeboten worden seien. Es gehe ihr weniger um die Erlangung materieller Entschädigung als um die Anerkennung, dass ihr Unrecht widerfahren sei.
24 
Die Beteiligten haben sich zu dem Gutachten geäußert. Der Klägerbevollmächtigte hat auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 01.03.2013 hingewiesen (Schriftsatz vom 05.03.2013), in dem der „Oberste Traumatologe der Bundeswehr“, Peter Zimmermann, zitiert werde, wonach in der eingeführten Schutzzeit von bis zu acht Jahren nur die Entlassung aus eigenem Wunsch aus dem Dienst gesetzlich zulässig sei, was eine der wichtigsten Errungenschaften bei der Versorgung traumatisierter Soldaten sei. Denn seelische Schädigungen würden oft erst Jahre nach dem traumatisierenden Erlebnis erkannt. Die Beklagte hat geltend gemacht (Schriftsatz vom 18.02.2013), der Sachverständige halte einen kausalen Zusammenhang nur für wahrscheinlich, ein Vollbeweis für eine posttraumatische Belastungsstörung könne aber nicht erbracht werden. Der seit 1980 bekannte Erkenntnisstand der amerikanischen medizinischen Wissenschaft, dass nach Erfahrungen des Vietnamkriegs sich seelische Störungen auch in einem längeren Zeitraum als sechs Monate noch bemerkbar machen können, habe keinen Einfluss auf die Kriterien nach dem ICD-10 gefunden. Zur Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung müsse ein primäres Ereignis stattgefunden haben, welches die einschlägige Reaktion erst einmal hervorrufen könne. Dies sei vorliegend nicht bewiesen.
25 
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten unter die Akte des SG beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
26 
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG).
27 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
28 
Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 SGG. Der Antrag der Klägerin, eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls Ende 2001/Anfang 2002 festzustellen, ist gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1, Nr.3 SGG als Feststellungsklage zulässig. Begehrt werden die Feststellung eines Arbeitsunfalls und von Unfallfolgen.
29 
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wie es das durch Arbeitsunfall begründete Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin als Versicherte und der Beklagten als Trägerin der Unfallversicherung darstellt. Vor Erhebung einer Feststellungsklage muss der Versicherte im Regelfall einen entsprechenden (Feststellungs-)Antrag an den Versicherungsträger gerichtet haben, mit dem er eine bestimmte Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt hat, z.B. dass ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit vorliegt. Das Begehren zur Feststellung eines Arbeitsunfalles ist nicht auf die Feststellung eines nicht feststellungsfähigen Tatbestandsmerkmals einer Anspruchsnorm gerichtet (BSG Urt. vom 27.06.2006 - B 2 U 77/06 B -, SozR 4-1500 § 55 Nr. 4). Nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann mit der Feststellungsklage auch die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Unfallfolge begehrt werden (BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R -). Über beide Feststellungsbegehren ist durch die Beklagte auch durch anfechtbaren Verwaltungsakt inzident entschieden worden, weshalb die prozessuale Voraussetzung einer Verwaltungsentscheidung und eines durchgeführten Vorverfahrens vorliegt. Im streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 09.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2010 wurden Entschädigungsleistungen abgelehnt, weil weder eine posttraumatische Belastungsstörung noch eine sonstige psychoreaktive Störung (so der Widerspruchbescheid) vorgelegen habe, womit die begehrte Feststellung einer posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge konkludent abgelehnt ist. Ein Arbeitsunfall wurde mangels „primärer Gesundheitsschädigung“ aufgrund des Ereignisses Ende 2001/Anfang 2002 (so der Ausgangsbescheid) zunächst konkludent und im Widerspruchbescheid ausdrücklich ein Versicherungsfall (nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind das Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten) verneint.
30 
Voraussetzung ist auch für diese Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 SGG), dass ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung besteht. Dieses besondere Feststellungsinteresse liegt hier vor, da ein Gesundheitsschaden behauptet wird, der nach klägerischer Auffassung auf das angeschuldigte Geschehen zurückzuführen ist und geeignet ist, zum einen als -fraglicher- Erstschaden die Feststellung eines Arbeitsunfalles zu erlauben und zum anderen Leistungen für die Vergangenheit und gegebenenfalls auch für die Zukunft zu begründen.
31 
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheit(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheit(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, B 2 U 40/05 R= UV-Recht Aktuell 2006, 419-422, B 2 U 26/04 R= UV-Recht Aktuell 2006, 497-509, alle auch in juris).
32 
Nach diesen Grundsätzen ist ein Arbeitsunfall der Klägerin im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Ereignis nicht nachgewiesen. Der nicht genau datierte Vorfall Ende 2001/Anfang 2002 erfüllt jedenfalls die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls insoweit, als es bei der Verrichtung der versicherten Tätigkeit der Klägerin durch den handgreiflichen Übergriff zu einer Einwirkung auf den Körper der Klägerin gekommen ist. Der Senat geht davon aus, dass der randalierende Versicherte die Klägerin an den Armen gepackt und sie, wie in der Unfallanzeige von ihr dargestellt, mehrfach gegen ihren Willen an verschiedene Orte in ihrem Büro gezwungen hatte. Ebenso geht der Senat davon aus, dass hierdurch auch eine Einwirkung auf die Psyche der Klägerin stattgefunden hat, die grundsätzlich auch ohne eine physische Verletzung entstehen kann (BSG Urteile v. 09.05.2006, a.a.O.), und sich vorliegend in der Angst, der Versicherte möge eine Waffe dabei haben, dem Erschrecken über das Verhalten des Versicherten und dem Gefühl der Hilflosigkeit äußerte.
33 
Dagegen ist dem Senat die Feststellung nicht möglich, dass durch diese Einwirkungen ein Gesundheitserstschaden entstanden ist.
34 
Gesundheitserstschaden i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Arbeitsunfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolgen) sind (BSG Urt. v. 15.05.2012 - B 2 U 16/11 R -, juris, Rnr. 19) oder sich in der Folge gegebenenfalls unter Hinzutreten weiterer Bedingungen entwickeln oder der versicherten Tätigkeit aufgrund Spezialvorschriften (z.B. § 11 SGB VII, vgl. BSG Urteil vom 15.05.2012, a.a.O.) zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher Art ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls. Der den Gesundheitserstschaden begründende regelwidrige physische oder psychische Zustand entspricht nach herrschender Meinung dem allgemeinen Krankheitsbegriff (vgl. BSG Urt. vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, a.a.O. Rn. 21, 22; Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB VII Rn. 20), was angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden psychischen Erkrankungen und möglicher Schulenstreite in der Medizin eine sichere und nachvollziehbare Diagnosestellung unter Verwendung der üblichen Diagnose-Manuale voraussetzt (BSG, a.a.O.).
35 
Ein für den Senat ersichtlicher Gesundheitserstschaden ist durch die genannten Einwirkungen nicht erwiesen. Der Gesundheitserstschaden setzt, wie dargelegt, keine Dauerschädigung oder Gesundheitsschäden von erheblichem Gewicht oder mit notwendiger Behandlungsbedürftigkeit voraus. Auch Bagatellverletzungen (z.B. „blauer Fleck“) sind regelwidrige Gesundheitszustände, die zwar einen Arbeitsunfall begründen, aber zumeist keine Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung auslösen. Jedoch hat die Klägerin weder einen somatischen Gesundheitsschaden vorgetragen noch ergibt sich aus ihrem Vorbringen eine unmittelbar verursachte psychische Gesundheitsstörung.
36 
Die Handgreiflichkeiten des randalierenden Versicherten haben keine Veränderung des Körperzustands der Klägerin in diesem Sinne bewirkt. Der Eingriff in die körperliche Integrität der Klägerin, indem der Versicherte sie gewaltsam an beiden Armen gepackt hat, hat keine körperliche Verletzung verursacht. Ein ärztlicher Befund hierüber wurde entsprechend dem klägerischen Vorbringen nicht erhoben und ein solcher wurde dem Senat auch nicht vorgelegt. Soweit die Klägerin möglicherweise hierbei Schmerzen empfunden haben sollte, ist damit allein noch keine substantielle körperliche Verletzung dargelegt, sondern zunächst nur eine regelhafte Enervierung der Schmerzsensoren, die nicht zwingend eine - auch nur geringfügige - Verletzung von Körperstrukturen belegt.
37 
Ein unmittelbar aufgetretener psychischer Gesundheitsschaden ist dem Bericht der Klägerin, den sie der Unfallanzeige ihrer Beschäftigungsbehörde vom 28.01.2010 beigefügt hatte, nicht zu entnehmen. Als unmittelbare Reaktion auf den geschilderten Übergriff des Versicherten gibt die Klägerin zwar an, geschockt gewesen zu sein, entsetzliche Angst gehabt zu haben und nach der gelungenen Flucht aus dem Zimmer total aufgelöst gewesen zu sein. Sonstige Angaben über ihren psychischen Zustand finden sich in ihrem sonstigen Vorbringen nicht. In den vorgelegten Berichten aus der ab 2009 aufgenommenen ärztlichen und psychologischen Behandlung sind krankheitswertige Symptome eines psychischen Gesundheitsschadens nicht oder nur unzureichend dargelegt. Die Klägerin hatte nach dem Vorfall bis 2008 noch keinen Arzt aufgesucht. Eine Arbeitsunfähigkeit bestand nicht. Eine Diagnose über einen krankheitswertigen Zustand im unmittelbaren Anschluss an den Vorfall, insbesondere eine akute Belastungsreaktion nach ICD-10 F43.0 (eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt und die im allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingen), wurde damals nicht gestellt und ist von keinem der sich nachfolgend gutachterlich äußernden Ärzten überzeugend thematisiert oder durch eine eigene Diagnosestellung belegt. Die Psychologin R.-R. zählt ohne nähere Darlegung aufgrund der Schilderung der Klägerin als Anfangssymptomatik unmittelbar nach dem Vorfall 2001/2002 aufgetretene Intrusionen von Bildern an den Überfall, Albträume und Schlafstörungen auf (Bericht vom 30.06.2010), was traumaspezifische Krankheitssymptome nicht nachvollziehbar belegt und im Widerspruch dazu steht, dass die Klägerin bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. angegeben hatte, sich an die unmittelbaren Folgen des Ereignisses nicht mehr erinnern zu können. Im Bericht der Universitätsklinik F. vom 15.01.2009 sind zur Erstsymptomatik zum Zeitpunkt des Vorfalls, wobei dieser auf das Jahr 2003 datiert wird, keine Ausführungen gemacht. PD Dr. Ro. verneinte nach Auswertung der Aktenlage - für den Senat daher insoweit nachvollziehbar - ausdrücklich den Nachweis einer psychoreaktiven Störung (Stellungnahmen vom 26.04.2010 und 13.07.2010). Auch Prof. Dr. T. hat in seinem Gutachten vom 09.05.2011 eine akute Belastungsstörung (ICD 10: F 43.0) ausgeschlossen.
38 
Bei dieser Ausgangslage ist die bei psychischen Belastungen schwierige Abgrenzung, ob die Reaktion des Betroffenen sich noch im Bereich des zu erwartenden und angemessenen normalen Verhaltens bewegt oder bereits eine krankheitswertige Regelabweichung vom gesunden normalen Zustand erkennen lässt, nicht zuverlässig möglich. Der mit einem persönlichen körperlichen Übergriff auf die Klägerin einhergehende Vorfall geht weit über alltägliche, berufliche Belastungssituationen hinaus, zwingt aber nicht ohne weiteres - auch wegen seines noch glimpflichen Ausgangs - zu der Annahme, dass damit notwendigerweise gravierende psychische Beeinträchtigungen verbunden gewesen sein müssen. Andererseits ist aber bei gegen die eigene Person gerichteten Attacken eine Schreckreaktion, Angst vor Weiterungen des Übergriffs und eine auch nach Ende des Vorfalls anhaltende Aufgeregtheit mit nervlicher Angespanntheit eine zu erwartende und noch normale Reaktion. Nicht jede nicht alltägliche Gemütslage oder anlassbezogene, psychisch angespannte Befindlichkeit rechtfertigt den Schluss auf einen regelwidrigen Körperzustand. Soweit die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 09.06.2010 eine kurzzeitige Belastungsreaktion unmittelbar nach dem Übergriff als allenfalls noch plausibel bewertet, ist diese anscheinende Hilfsüberlegung, dass eine Belastungsreaktion nach ICD-10 F43.0 vorgelegen haben könnte, aber wegen ihrer Kurzzeitigkeit einen Arbeitsunfall oder jedenfalls Entschädigungsleistungen ausschließt, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar wäre wegen der Kurzzeitigkeit der akuten Belastungsreaktion aus den oben genannten Gründen, wonach es auf die Schwere, Dauer und Behandlungsbedürftigkeit eines Gesundheitserstschadens nicht ankommt, die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nicht zu verneinen, jedoch reicht die bloße Möglichkeit neben anderen ebenso möglichen Sachverhaltskonstellationen für den Nachweis eines Gesundheitserstschadens nicht aus. Diese Überlegung kommt hinreichend in der Formulierung zum Ausdruck, dass hier eine Belastungsreaktion allenfalls noch plausibel sein könnte. Die im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen haben insoweit keine hinreichende Aufklärung erbracht. Der Senat sieht keinen Ansatz für dahingehende weitere Ermittlungen. Solche sind auch nicht vorgetragen.
39 
Eine posttraumatische Belastungsstörung nach ICD-10 F43.1, deren Vorliegen der Senat unterstellt, ist zur Überzeugung des Senats ebenfalls als Gesundheitserstschaden nicht nachgewiesen.
40 
Entgegen der Auffassung der Beklagten scheidet zur Überzeugung des Senats die Annahme eines Gesundheitserstschadens in Form dieser Erkrankung nicht deshalb aus, weil eine wahrnehmbare Symptomatik erst lange Zeit nach dem die Erkrankung auslösenden Initialereignis aufgetreten ist. Nach den von den Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. dargelegten medizinischen Zusammenhängen ist bei einem Ereignis, das nach Art und Schweregrad der Definition des A-Kriteriums der posttraumatischen Belastungsstörung (ein belastendes Ereignis mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß) entspricht, und den später auftretenden B-, C- und D-Diagnosekriterien (Nachhallerinnerungen, Flashbacks; Vermeidungsverhalten; vegetative und dissoziative psychoreaktive Symptomatik) anzunehmen, dass der Betroffene in der Phase der seelischen Latenz nicht gesund ist. Damit ist mit Auftreten der Symptomatik zwar die Diagnosestellung erst gesichert, ein Gesundheitsschaden kann dagegen bereits mit dem Initialereignis eingetreten sein - Behandlungsbedürftigkeit ist keine zwingende Voraussetzung - bzw. die zum Gesundheitsschaden führende Kausalkette wurde dadurch in Gang gesetzt und der hierauf beruhende Gesundheitserstschaden kann auch erst später eintreten.
41 
Für den Vollbeweis hinreichende Anhaltspunkte für einen seelischen Gesundheitsschaden unmittelbar nach dem Ereignis hat der Senat nach den obigen Ausführungen nicht. Ob eine Phase einer latenten seelischen Erkrankung vorlag, ist nicht sicher festzustellen. Der Senat geht jedoch zu Gunsten der Klägerin von dem Ingangsetzen eines Kausalverlaufs zur Entstehung der von Dr. C. diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung aus.
42 
Hierbei stellt der Senat die auch vom SG aufgeworfenen Zweifel daran, ob die Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung erfüllt sind, zurück. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. T. konnte bei seiner Untersuchung die typischen Merkmale wie aufdrängende Erinnerungen, Albträume, das Gefühl von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit usw. nicht erheben. Soweit der Sachverständige auf eine entsprechende Befunderhebung bei den Voruntersuchungen durch das Universitätsklinikum F. verweist, wo die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt worden ist, ist dies nicht vollständig überzeugend. Zum einen wurde dort bei der Untersuchung der Klägerin im Januar 2009 fälschlich angenommen, dass der auslösende Vorfall erst im Jahre 2003 eingetreten und eine unmittelbar hieran anknüpfende Behandlung durch die Psychologin N. durchgeführt worden sei (Befundbericht der Universitätsklinik F. vom 15.01.2009). Zum anderen sind die dort wiedergegebenen Symptome von tagsüber auftretendem Wiedererleben szenischer Erinnerungen und Bilder bei der Arbeit, Schreckhaftigkeit und Ängstlichkeit mit verringerter Belastbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Vermeidungsverhalten teils wenig spezifisch und teils nicht vollständig korrekt, da ein Kundenkontakt erst ab 2010 durch Übernahme einer neuen Tätigkeit endgültig vermieden wurde und die Klägerin zuvor gerade mit vielen Menschen über den Vorfall im Rahmen der Selbsthilfe gesprochen hat, wie sich aus den Darlegungen der Psychologin R.-R. vom 30.06.2010 entnehmen lässt. Diese beurteilte die erstmals 2006 aufgetretenen Beschwerden der Klägerin, die sie ihr nach Behandlungsbeginn im Jahr 2009 schilderte, als die typischen Belastungssymptome, die die genannten Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung erfüllen (Bescheinigungen vom 23.12.2009 und vom 30.06.2010). Die Psychologin R.-R. bezeichnete die von ihr bei der Untersuchung der Klägerin selbst erhobenen Beschwerden jedoch nicht als Krankheit. Damit stimmt überein, dass auch Dr. C. ebenso wie Prof. Dr. T. keine akute Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung mehr hat diagnostizierten können. Seine Diagnose eines Status nach posttraumatischer Belastungsstörung bezieht sich auf einen früheren Zustand. Eine Befunderhebung aufgrund des während der Exploration gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Klägerin zum Zeitpunkt des angenommenen erstmaligen Auftretens der typischen Symptomatik hat die Psychologin R.-R. gerade nicht zur Grundlage ihrer Einschätzung machen können. Dass die Diagnosekriterien der posttraumatischen Belastungsstörung ab 2006 erfüllt waren, wovon Psychologin R.-R. und die gerichtlichen Sachverständigen ausgehen, hat der Senat dennoch als zutreffend unterstellt.
43 
Zur Überzeugung des Senats sind die ab 2006 aufgetretenen psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin jedoch nicht wesentlich kausal auf den angeschuldigten Vorfall Ende 2001/Anfang 2002 zurückzuführen.
44 
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11).
45 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Bedingung eines Erfolges, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Bedingungen.
46 
Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).
47 
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).
48 
Nach diesen Grundsätzen besteht zur Überzeugung des Senats kein wesentlicher Zusammenhang der seit 2006 aufgetretenen psychischen Beschwerden mit dem angeschuldigten Vorfall. Dies ergibt sich für den Senat aus den übereinstimmenden Darlegungen der medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. zu den psychodynamisch wirkenden Bedingungen, die den geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin zu Grunde liegen. Auch die Psychologin R.-R. beschreibt eine damit weitgehend übereinstimmende Psychodynamik. Prof. Dr. T. stellt ebenso wie Dr. C. darauf ab, dass andere Ursachen als das unmittelbare Traumaereignis für die unzureichende Krankheitsverarbeitung der Klägerin auch die hilflos gehandhabte Krisensituation und die zu geringe Hilfestellung durch die Kollegen waren. Dr. C. geht hiermit deckungsgleich davon aus, freilich unter Hinweis auf den hypothetischen Charakter des Bedingungsgefüges, das nur in einer längeren Psychotherapie falsifiziert oder verifiziert werden könne, dass die fehlende soziale Unterstützung durch den Arbeitgeber oder die Beklagte, wonach sie keine prophylaktische Primärbetreuung nach dem Vorfall erfahren habe, bei der im Gutachten näher beschriebenen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin zum Durchbruch des deshalb seit dem Vorfall aufgestauten Grolls führte, als die Klägerin nach dem Umzug 2006 mit den jetzt möglichen Sicherheitseinrichtungen und Bemühungen der Dienststelle zum Schutz vor aggressiven Publikum sich konfrontiert sah und erkennen musste, dass ihr dieser Schutz nicht zuteil geworden sei. Ebenso beschreibt er die unterbliebene Unterstützung von Vorgesetzten und Kollegen, wobei in der Wahrnehmung der Klägerin sogar der Täter durch diese eher geschützt und umworben wurde, da er schließlich sogar Rente erhalten habe. Auch die Bagatellisierung des Vorfalls durch die herbeigerufenen Polizeibeamten, die von einer Anzeige abgeraten hatten, hatte zu der psychischen Konstellation geführt, dass die Klägerin sich als ungerecht behandelt fühlt und sie nun einen - auch juristischen - Kampf um Gerechtigkeit und weniger um materielle Entschädigung führt. Der Senat erachtet diese Umstände als nachgewiesene mitwirkende Bedingungen, denn die behandelnde Psychologin R.-R. hat aufgrund ihrer durchgeführten Langzeittherapie die von Dr. C. als hypothetisch angestellten Überlegungen in dem vom Sachverständigen gemeinten Sinne auch verifiziert. In ihrem Bericht vom 06.12.2010 hatte sie nach 60 Sitzungen bereits ebenso wie Dr. C. dargelegt, dass die Klägerin durch das erlebte Verhalten der Dienststelle, der Polizei und der Vorgesetzten und Kollegen eine Entwertung ihrer Person empfunden hat, weshalb sie um Anerkennung des ihr widerfahrenen Unrechts durch Feststellung dieses Vorfalls als Arbeitsunfall kämpft und nicht, um eine Entschädigung zu erlangen.
49 
Diese in den gutachterlichen Darlegungen der Mediziner und der Psychologin aufgezeigten Bedingungszusammenhänge ergeben aber entgegen deren Einschätzung keinen wesentlichen Zusammenhang der psychischen Beschwerden der Klägerin mit dem Vorfall 2001/2002. Bei geklärtem medizinischem Sachverhalt ist die wertende Entscheidung, welche der aus dem jeweiligen Fachgebiet dargelegten Bedingungen wesentlich ist, eine Rechtsfrage, die dem Gericht vorbehalten ist. Nach den gutachtlichen Darlegungen ist aber das angeschuldigte Unfallereignis nur noch auslösendes Moment, d.h. conditio sine qua non, für die diese von den Sachverständigen und der Psychologin genannten Bedingungen, die die Beschwerden der Klägerin ausgelöst und unterhalten haben. Die psychische Beeinträchtigung der Klägerin beruht weit überwiegend auf Erscheinungen, die mit dem eigentlichen Vorfall des Übergriffs des randalierenden Versicherten entweder nur am Rande zu tun haben - wie die von der Klägerin empfundene verspätete Hilfeleistung durch Kollegen oder die empfundene Bagatellisierung durch die Polizeibeamten - oder auf nachfolgende Eindrücke und Erfahrungen - wie die unterbliebene Betreuung und Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen bzw. die ungerecht empfundene Bevorzugung des Verursachers ihr gegenüber -. Der Vorfall selbst, das in Betracht kommende Unfallereignis, ist demgegenüber vollständig in den Hintergrund gerückt. Dies kommt zur Überzeugung des Senats auch darin zum Ausdruck, dass die von der Psychologin R.-R. beschriebene Beschwerdesymptomatik im Sinne der Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung nur vergleichsweise gering ausgeprägt ist. Das typische Vermeidungsverhalten ist nicht erkennbar. Obgleich Beschwerden ab 2006 bestehen, übt die Klägerin erst seit Anfang 2010 eine Tätigkeit ohne Kundenkontakt aus, wie sie bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. angegeben hat. Auch treten die Beschwerden nur im Dienstgebäude auf, nicht zuhause oder bei privaten Beschäftigungen, wie die Klägerin mehrfach angegeben hat. Der Bezug zum Dienstbetrieb spricht einerseits für den Schwerpunkt des Bedingungsgefüges im Bereich des Verhaltens der Dienststelle und andererseits gegen die Merkmale der sich ungewollt aufdrängenden typischen Erinnerungen an das Initialereignis, wobei teilweise die auslösenden Momente (Einweisung in die Sicherheitseinrichtungen, Deeskalationstraining) mit dem Vorfall nur geringe Berührungspunkte haben und die typisch intrusiven Erinnerungen an das Unfallgeschehen nicht immer vollständig erkennbar sind, denn erinnert wird häufig die unterbliebene Unterstützung bzw. die empfundene Geringschätzung. In diesem Zusammenhang ist auch die lange Latenz zwischen Initialereignis und auftretender Symptomatik von Bedeutung. Nach Dr. C. ist nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand, er verweist hierzu auf Foerster/Widder (2007), bei einer längeren Latenz zu berücksichtigen, dass ein Zusammenhang umso plausibler anzusehen ist, je höher die nachvollziehbare seelische Beeindruckung durch das Ereignis war. Der trotz allem noch glimpflich ablaufende Vorfall hat keinen unmittelbaren, erkennbaren tiefergehenden psychischen Eindruck hinterlassen. Bei Prof. Dr. T. hatte die Klägerin sich an die unmittelbaren Folgen des Ereignisses nicht mehr erinnern können, anders als später bei der Untersuchung durch Dr. C., wo sie angab, sie habe nach der Flucht aus dem Büro weinen müssen, sei in aufgewühltem Zustand nachhause gegangen und selbst am nächsten Tag habe sie ihr Ehemann nicht zur Arbeit gehen lassen wollen. Wie oben dargelegt ist eine tiefergehende Beeindruckung, insbesondere eine akute Belastungsreaktion nicht nachgewiesen. Selbst wenn man mit Dr. C. davon ausgeht, dass trotz der Latenz von mindestens vier Jahren der Zusammenhang mit dem Unfallereignis noch herzustellen ist, ist es nach seinen eigenen Ausführungen nur unter den mitwirkenden anderen Bedingungen (naturwissenschaftlich-philosophisch) kausal geworden.
50 
Diese Bedingungen sind entgegen der Einschätzung von Prof. Dr. T. und Dr. C., die dies offenkundig unterstellen, dem infrage stehenden Versicherungsfall nicht zuzurechnen, sie sind „unfallfremd“. Damit übereinstimmend stuft auch PD Dr. Ro. in seiner Stellungnahme vom 13.07.2010 den Zusammenhang der psychischen Beeinträchtigung ein, die er als persönlichkeitsbedingte Reaktion bewertet.
51 
Dem entspricht die Rechtsprechung des Senats. Danach liegt ein wesentlicher unfallbedingter Zusammenhang eines psychischen Leidens nicht schon dann vor, wenn in der Persönlichkeitsstruktur des Versicherten angelegte Eigenschaften durch das Unfallereignis, die psychischen Unfallfolgen oder durch die Unfallabwicklung des Unfallversicherungsträgers stimuliert werden. Maßstab der wertenden Beurteilung ist vielmehr, dass nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand aus objektiver Sicht ein Zusammenhang herzustellen ist; allein die subjektive Sicht des Versicherten reicht nicht aus (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 27.08.2010 - L 8 U 1427/10 -, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Das Verhalten der Polizei und des Arbeitgebers einschließlich der Vorgesetzten und Kollegen ist als ursächliche Bedingung der später aufgetretenen psychischen Beeinträchtigung der Klägerin und deren Unterhaltung weder einer fehlerhaften Unfallabwicklung durch die Beklagte noch irgendwelchen Auswirkungen psychischer Unfallfolgen zuzurechnen. Die Klägerin hatte nach dem Vorfall ihre Tätigkeit am nächsten Tag fortgeführt, ärztliche oder psychotherapeutische Betreuung nicht in Anspruch genommen und der Beklagten den Vorfall nicht gemeldet. Für die Beklagte bestand daher kein Anlass präventive Maßnahme oder unterstützende Maßnahmen zur Verarbeitung einer etwaigen Traumatisierung zu ergreifen. Abgesehen davon, dass für den Senat nicht erkennbar ist, dass der Dienststelle der Klägerin insoweit überhaupt ein Versäumnis vorzuwerfen ist, hat der Unfallversicherungsträger grundsätzlich nicht für das dem Unfall nachgehende Verhalten des Arbeitgebers einzustehen, es sei denn es ist durch den Arbeitsunfall oder dessen Folgen veranlasst und hat zu wesentlichen Weiterungen der Unfallfolgen beigetragen (z.B. psychische Erkrankung wegen einer arbeitgeberseitigen Kündigung aufgrund unfallbedingter Leistungsbeeinträchtigung). Für den Senat ist auch nicht ersichtlich, dass die seelische Einwirkung durch den Vorfall einer Behandlung oder sonstigen Intervention bedürftig war, denn die Klägerin hatte im Rahmen der Selbsthilfe das Erlebnis verarbeitet, u.a. hatte sie einen Karatekurs belegt, wie Dr. C. und die Psychologin R.-R. ausführen, und hatte keine nach außen sichtbar werdenden funktionellen, körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen bis 2006. Zwar sind Gesundheitsstörungen, die sich wegen der unterbliebenen, notwendigen Behandlung einer unfallbedingten Schädigung entwickelt haben, wesentlich kausal auf den Unfall zurückzuführen. Nach den Darlegungen der Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. wäre bei der Klägerin eine präventive bzw. prophylaktische Intervention sinnvoll gewesen und nicht eine Behandlung akuter/latenter Krankheitserscheinungen. Doch war das Auftreten der Symptomatik 2006 nicht Folge der Fortwirkung einer unbehandelt gebliebenen seelischen Beeindruckung durch den eigentlichen Vorfall, sondern die hierfür ursächliche seelische Beeindruckung der Klägerin beruhte nach den Darlegungen der Sachverständigen gerade auf dem Umstand, dass die Krisenintervention des Arbeitgebers oder des Unfallversicherungsträgers unterblieben ist, bzw. auf einer vermeintlichen Bagatellisierung durch die Polizei, was aufgrund der dargelegten psychodynamischen Prozesse bei der Klägerin das nachvollziehbare, aber ungerechtfertigte Gefühl erweckt hatte, ein Unrecht seitens der Dienststelle, der Polizei und der Beklagten und eine Geringschätzung ihrer Person erfahren zu haben. Dies steht nicht im Zusammenhang mit dem angeschuldigten Unfallereignis und beruht letztlich allein auf der Zuschreibung der Klägerin. Nach den Darlegungen von Prof. Dr. T. und Dr. C. ist davon auszugehen, dass der Vorfall lediglich Anknüpfungspunkt für die bei der vorgegebenen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin ablaufenden Bewertungsprozesse ist, was aber deren rechtlich unzutreffende Bewertung einer wesentlichen Mitursache des Arbeitsunfalls nicht zu rechtfertigen vermag.
52 
Damit fehlt es an der haftungsbegründenden Kausalität mangels nachgewiesenen Gesundheitserstschadens, woran die Feststellung eines Arbeitsunfalls scheitert.
53 
Mangels Arbeitsunfall ist auch die begehrte Feststellung von Unfallfolgen nicht begründet. Weder eine posttraumatischen Belastungsstörung, selbst wenn sie aus medizinischer Sicht eine begründete Diagnose sein mag, die allein die naturwissenschaftlich-philosophische Kausalitätstheorie zur Grundlage haben kann, noch die von Dr. C. diagnostizierte dissoziative Störung, die der Sachverständiger auf die gleichen Wirkungszusammenhänge zurückführt, können rechtlich Folgen eines Arbeitsunfalls sein. Darüber hinaus wird die dissoziative Störung nach der von Dr. C. mitgeteilten Definition nach ICD-10 als ursächlich psychogen angesehen und verkörpert häufig das Konzept der betroffenen Person, wie sich eine körperliche Erkrankung manifestieren müsse, was ohne nähere Darlegung das auslösende Trauma eher als Gelegenheitsursache im Sinne einer nicht wesentlichen Bedingung nahelegt.
54 
Zu weiteren Ermittlungen hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, da die vorliegenden gutachterlichen Äußerungen den medizinischen Sachverhalt hinreichend aufgeklärt haben. Die hieran anknüpfenden rechtlichen Fragen, ob damit die im Vollbeweis oder nur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu belegenden Tatsachen einer Primärschädigung, eines wesentlichen unfallbedingten Zusammenhangs bzw. eines Zusammenhangs unfallfremder Konkurrenzursachen nachgewiesen sind, hat der Senat zu entscheiden. Der Anregung des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 28.02.2013, hierzu Dr. C. ergänzend zu hören, musste der Senat daher nicht nachkommen. Dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Beweisantrag der Klägerin, zum Beweis dafür, dass die bei ihr bis 2006 bestandene Beschwerdelatenz aufgrund aktueller wissenschaftlicher medizinischer Erkenntnisse auch in Deutschland keinen Anlass bietet, die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung infrage zu stellen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, hilfsweise Dr. C. hierzu zu hören, war nicht stattzugeben. Der Senat hatte die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung bei der Klägerin unterstellt. Dass in der medizinischen Wissenschaft die Kriterien einer verzögert auftretenden posttraumatischen Belastungsstörung bei Beschwerdelatenz möglicherweise unterschiedlich diskutiert werden, wie die insoweit – noch – voneinander abweichenden Diagnosemanuale ICD-10 und DSM-IV erkennen lassen, war für den Senat nicht entscheidungserheblich. Ebenso wenig bedurfte es der vom Klägerbevollmächtigten angeregten ergänzenden Anhörung des Sachverständigen zum Vorbringen, dass durch die Versorgung traumatisierter Soldaten in der Medizin seit langem bekannt sei, dass seelische Schädigungen oft erst Jahre nach dem traumatisierenden Erlebnis erkannt würden (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 05.03.2013). Der Sachverständige Dr. C. hat in seinem Gutachten den derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis unter Bezugnahme auf die genannten Veröffentlichungen (Seite 35 seines Gutachtens) und mit Hinweis auf die internationale Literatur mit Forschung zu der verzögerten posttraumatischen Belastungsstörung bei Kriegsveteranen (Seite 36 seines Gutachtens) bereits dargelegt. Nachdem in den richterlichen Hinweisen vom 12.03.2013 und 14.03.2013 diese Gesichtspunkte den Beteiligten erläutert worden sind, hat der Klägerbevollmächtigte zu den Aufklärungsverfügungen keine Einwendungen erhoben oder seine Anregung auf weitere Ermittlungen nicht weiter konkretisiert.
55 
Die Kostenentscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG. Die Kosten der Begutachtung durch Dr. C., über die der Senat als Gerichtskosten in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens auch im Urteil entscheiden kann (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.08.2006 - L 1 U 3854/06 KO-B, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de), werden auf die Staatskasse übernommen. Nach der Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung oder die Erledigung des Rechtsstreits (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 28.02.2013 - L 8 SB 727/13 B -, vom 19.10.2011 - L 8 SB 3043/11 B; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl., § 109 Rdnr. 16a) von wesentlicher Bedeutung war bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht, diese also objektiv gefördert hat. Dabei kann nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung gesehen werden. Es muss sich vielmehr, gemessen am klägerischen Prozessziel, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben. Dies bedeutet aber weder, dass nur Gutachten, welche ein für die Klägerseite günstiges Ergebnis haben, hierunter fallen können, noch, dass für das Klagebegehren günstige Gutachten stets von der Staatskasse zu bezahlen sind. Vorliegend sind die Ausführungen von Dr. C. zum aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand einer verzögerten posttraumatischen Belastungsstörung und deren Beurteilungskriterien in der Begutachtungspraxis für die Entscheidung des Senats förderlich gewesen und haben die Einholung eines Gutachtens von Amts wegen aufgrund ambulanter Untersuchung entbehrlich gemacht. Der Senat hat davon abgesehen, nur die voraussichtlichen Kosten eines Aktengutachtens für erstattungsfähig zu erklären, da neben der Vermittlung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes, die nur ein Gutachten nach Aktenlage erfordert hätte, auch die Anwendung der Bewertungskriterien auf die Klägerin zu klären war, was in der Regel die psychiatrische Exploration im Rahmen einer ambulanten Untersuchung voraussetzt. Dass sich der Senat den aus der Exploration folgenden Schlussfolgerungen des Sachverständigen nicht angeschlossen hat, ist für die Kostenentscheidung insoweit ohne Belang.
56 
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Gründe

 
26 
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG).
27 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
28 
Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 SGG. Der Antrag der Klägerin, eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls Ende 2001/Anfang 2002 festzustellen, ist gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1, Nr.3 SGG als Feststellungsklage zulässig. Begehrt werden die Feststellung eines Arbeitsunfalls und von Unfallfolgen.
29 
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wie es das durch Arbeitsunfall begründete Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin als Versicherte und der Beklagten als Trägerin der Unfallversicherung darstellt. Vor Erhebung einer Feststellungsklage muss der Versicherte im Regelfall einen entsprechenden (Feststellungs-)Antrag an den Versicherungsträger gerichtet haben, mit dem er eine bestimmte Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt hat, z.B. dass ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit vorliegt. Das Begehren zur Feststellung eines Arbeitsunfalles ist nicht auf die Feststellung eines nicht feststellungsfähigen Tatbestandsmerkmals einer Anspruchsnorm gerichtet (BSG Urt. vom 27.06.2006 - B 2 U 77/06 B -, SozR 4-1500 § 55 Nr. 4). Nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann mit der Feststellungsklage auch die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Unfallfolge begehrt werden (BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R -). Über beide Feststellungsbegehren ist durch die Beklagte auch durch anfechtbaren Verwaltungsakt inzident entschieden worden, weshalb die prozessuale Voraussetzung einer Verwaltungsentscheidung und eines durchgeführten Vorverfahrens vorliegt. Im streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 09.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2010 wurden Entschädigungsleistungen abgelehnt, weil weder eine posttraumatische Belastungsstörung noch eine sonstige psychoreaktive Störung (so der Widerspruchbescheid) vorgelegen habe, womit die begehrte Feststellung einer posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge konkludent abgelehnt ist. Ein Arbeitsunfall wurde mangels „primärer Gesundheitsschädigung“ aufgrund des Ereignisses Ende 2001/Anfang 2002 (so der Ausgangsbescheid) zunächst konkludent und im Widerspruchbescheid ausdrücklich ein Versicherungsfall (nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind das Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten) verneint.
30 
Voraussetzung ist auch für diese Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 SGG), dass ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung besteht. Dieses besondere Feststellungsinteresse liegt hier vor, da ein Gesundheitsschaden behauptet wird, der nach klägerischer Auffassung auf das angeschuldigte Geschehen zurückzuführen ist und geeignet ist, zum einen als -fraglicher- Erstschaden die Feststellung eines Arbeitsunfalles zu erlauben und zum anderen Leistungen für die Vergangenheit und gegebenenfalls auch für die Zukunft zu begründen.
31 
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheit(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheit(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, B 2 U 40/05 R= UV-Recht Aktuell 2006, 419-422, B 2 U 26/04 R= UV-Recht Aktuell 2006, 497-509, alle auch in juris).
32 
Nach diesen Grundsätzen ist ein Arbeitsunfall der Klägerin im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Ereignis nicht nachgewiesen. Der nicht genau datierte Vorfall Ende 2001/Anfang 2002 erfüllt jedenfalls die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls insoweit, als es bei der Verrichtung der versicherten Tätigkeit der Klägerin durch den handgreiflichen Übergriff zu einer Einwirkung auf den Körper der Klägerin gekommen ist. Der Senat geht davon aus, dass der randalierende Versicherte die Klägerin an den Armen gepackt und sie, wie in der Unfallanzeige von ihr dargestellt, mehrfach gegen ihren Willen an verschiedene Orte in ihrem Büro gezwungen hatte. Ebenso geht der Senat davon aus, dass hierdurch auch eine Einwirkung auf die Psyche der Klägerin stattgefunden hat, die grundsätzlich auch ohne eine physische Verletzung entstehen kann (BSG Urteile v. 09.05.2006, a.a.O.), und sich vorliegend in der Angst, der Versicherte möge eine Waffe dabei haben, dem Erschrecken über das Verhalten des Versicherten und dem Gefühl der Hilflosigkeit äußerte.
33 
Dagegen ist dem Senat die Feststellung nicht möglich, dass durch diese Einwirkungen ein Gesundheitserstschaden entstanden ist.
34 
Gesundheitserstschaden i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Arbeitsunfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolgen) sind (BSG Urt. v. 15.05.2012 - B 2 U 16/11 R -, juris, Rnr. 19) oder sich in der Folge gegebenenfalls unter Hinzutreten weiterer Bedingungen entwickeln oder der versicherten Tätigkeit aufgrund Spezialvorschriften (z.B. § 11 SGB VII, vgl. BSG Urteil vom 15.05.2012, a.a.O.) zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher Art ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls. Der den Gesundheitserstschaden begründende regelwidrige physische oder psychische Zustand entspricht nach herrschender Meinung dem allgemeinen Krankheitsbegriff (vgl. BSG Urt. vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, a.a.O. Rn. 21, 22; Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB VII Rn. 20), was angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden psychischen Erkrankungen und möglicher Schulenstreite in der Medizin eine sichere und nachvollziehbare Diagnosestellung unter Verwendung der üblichen Diagnose-Manuale voraussetzt (BSG, a.a.O.).
35 
Ein für den Senat ersichtlicher Gesundheitserstschaden ist durch die genannten Einwirkungen nicht erwiesen. Der Gesundheitserstschaden setzt, wie dargelegt, keine Dauerschädigung oder Gesundheitsschäden von erheblichem Gewicht oder mit notwendiger Behandlungsbedürftigkeit voraus. Auch Bagatellverletzungen (z.B. „blauer Fleck“) sind regelwidrige Gesundheitszustände, die zwar einen Arbeitsunfall begründen, aber zumeist keine Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung auslösen. Jedoch hat die Klägerin weder einen somatischen Gesundheitsschaden vorgetragen noch ergibt sich aus ihrem Vorbringen eine unmittelbar verursachte psychische Gesundheitsstörung.
36 
Die Handgreiflichkeiten des randalierenden Versicherten haben keine Veränderung des Körperzustands der Klägerin in diesem Sinne bewirkt. Der Eingriff in die körperliche Integrität der Klägerin, indem der Versicherte sie gewaltsam an beiden Armen gepackt hat, hat keine körperliche Verletzung verursacht. Ein ärztlicher Befund hierüber wurde entsprechend dem klägerischen Vorbringen nicht erhoben und ein solcher wurde dem Senat auch nicht vorgelegt. Soweit die Klägerin möglicherweise hierbei Schmerzen empfunden haben sollte, ist damit allein noch keine substantielle körperliche Verletzung dargelegt, sondern zunächst nur eine regelhafte Enervierung der Schmerzsensoren, die nicht zwingend eine - auch nur geringfügige - Verletzung von Körperstrukturen belegt.
37 
Ein unmittelbar aufgetretener psychischer Gesundheitsschaden ist dem Bericht der Klägerin, den sie der Unfallanzeige ihrer Beschäftigungsbehörde vom 28.01.2010 beigefügt hatte, nicht zu entnehmen. Als unmittelbare Reaktion auf den geschilderten Übergriff des Versicherten gibt die Klägerin zwar an, geschockt gewesen zu sein, entsetzliche Angst gehabt zu haben und nach der gelungenen Flucht aus dem Zimmer total aufgelöst gewesen zu sein. Sonstige Angaben über ihren psychischen Zustand finden sich in ihrem sonstigen Vorbringen nicht. In den vorgelegten Berichten aus der ab 2009 aufgenommenen ärztlichen und psychologischen Behandlung sind krankheitswertige Symptome eines psychischen Gesundheitsschadens nicht oder nur unzureichend dargelegt. Die Klägerin hatte nach dem Vorfall bis 2008 noch keinen Arzt aufgesucht. Eine Arbeitsunfähigkeit bestand nicht. Eine Diagnose über einen krankheitswertigen Zustand im unmittelbaren Anschluss an den Vorfall, insbesondere eine akute Belastungsreaktion nach ICD-10 F43.0 (eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt und die im allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingen), wurde damals nicht gestellt und ist von keinem der sich nachfolgend gutachterlich äußernden Ärzten überzeugend thematisiert oder durch eine eigene Diagnosestellung belegt. Die Psychologin R.-R. zählt ohne nähere Darlegung aufgrund der Schilderung der Klägerin als Anfangssymptomatik unmittelbar nach dem Vorfall 2001/2002 aufgetretene Intrusionen von Bildern an den Überfall, Albträume und Schlafstörungen auf (Bericht vom 30.06.2010), was traumaspezifische Krankheitssymptome nicht nachvollziehbar belegt und im Widerspruch dazu steht, dass die Klägerin bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. angegeben hatte, sich an die unmittelbaren Folgen des Ereignisses nicht mehr erinnern zu können. Im Bericht der Universitätsklinik F. vom 15.01.2009 sind zur Erstsymptomatik zum Zeitpunkt des Vorfalls, wobei dieser auf das Jahr 2003 datiert wird, keine Ausführungen gemacht. PD Dr. Ro. verneinte nach Auswertung der Aktenlage - für den Senat daher insoweit nachvollziehbar - ausdrücklich den Nachweis einer psychoreaktiven Störung (Stellungnahmen vom 26.04.2010 und 13.07.2010). Auch Prof. Dr. T. hat in seinem Gutachten vom 09.05.2011 eine akute Belastungsstörung (ICD 10: F 43.0) ausgeschlossen.
38 
Bei dieser Ausgangslage ist die bei psychischen Belastungen schwierige Abgrenzung, ob die Reaktion des Betroffenen sich noch im Bereich des zu erwartenden und angemessenen normalen Verhaltens bewegt oder bereits eine krankheitswertige Regelabweichung vom gesunden normalen Zustand erkennen lässt, nicht zuverlässig möglich. Der mit einem persönlichen körperlichen Übergriff auf die Klägerin einhergehende Vorfall geht weit über alltägliche, berufliche Belastungssituationen hinaus, zwingt aber nicht ohne weiteres - auch wegen seines noch glimpflichen Ausgangs - zu der Annahme, dass damit notwendigerweise gravierende psychische Beeinträchtigungen verbunden gewesen sein müssen. Andererseits ist aber bei gegen die eigene Person gerichteten Attacken eine Schreckreaktion, Angst vor Weiterungen des Übergriffs und eine auch nach Ende des Vorfalls anhaltende Aufgeregtheit mit nervlicher Angespanntheit eine zu erwartende und noch normale Reaktion. Nicht jede nicht alltägliche Gemütslage oder anlassbezogene, psychisch angespannte Befindlichkeit rechtfertigt den Schluss auf einen regelwidrigen Körperzustand. Soweit die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 09.06.2010 eine kurzzeitige Belastungsreaktion unmittelbar nach dem Übergriff als allenfalls noch plausibel bewertet, ist diese anscheinende Hilfsüberlegung, dass eine Belastungsreaktion nach ICD-10 F43.0 vorgelegen haben könnte, aber wegen ihrer Kurzzeitigkeit einen Arbeitsunfall oder jedenfalls Entschädigungsleistungen ausschließt, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar wäre wegen der Kurzzeitigkeit der akuten Belastungsreaktion aus den oben genannten Gründen, wonach es auf die Schwere, Dauer und Behandlungsbedürftigkeit eines Gesundheitserstschadens nicht ankommt, die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nicht zu verneinen, jedoch reicht die bloße Möglichkeit neben anderen ebenso möglichen Sachverhaltskonstellationen für den Nachweis eines Gesundheitserstschadens nicht aus. Diese Überlegung kommt hinreichend in der Formulierung zum Ausdruck, dass hier eine Belastungsreaktion allenfalls noch plausibel sein könnte. Die im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen haben insoweit keine hinreichende Aufklärung erbracht. Der Senat sieht keinen Ansatz für dahingehende weitere Ermittlungen. Solche sind auch nicht vorgetragen.
39 
Eine posttraumatische Belastungsstörung nach ICD-10 F43.1, deren Vorliegen der Senat unterstellt, ist zur Überzeugung des Senats ebenfalls als Gesundheitserstschaden nicht nachgewiesen.
40 
Entgegen der Auffassung der Beklagten scheidet zur Überzeugung des Senats die Annahme eines Gesundheitserstschadens in Form dieser Erkrankung nicht deshalb aus, weil eine wahrnehmbare Symptomatik erst lange Zeit nach dem die Erkrankung auslösenden Initialereignis aufgetreten ist. Nach den von den Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. dargelegten medizinischen Zusammenhängen ist bei einem Ereignis, das nach Art und Schweregrad der Definition des A-Kriteriums der posttraumatischen Belastungsstörung (ein belastendes Ereignis mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß) entspricht, und den später auftretenden B-, C- und D-Diagnosekriterien (Nachhallerinnerungen, Flashbacks; Vermeidungsverhalten; vegetative und dissoziative psychoreaktive Symptomatik) anzunehmen, dass der Betroffene in der Phase der seelischen Latenz nicht gesund ist. Damit ist mit Auftreten der Symptomatik zwar die Diagnosestellung erst gesichert, ein Gesundheitsschaden kann dagegen bereits mit dem Initialereignis eingetreten sein - Behandlungsbedürftigkeit ist keine zwingende Voraussetzung - bzw. die zum Gesundheitsschaden führende Kausalkette wurde dadurch in Gang gesetzt und der hierauf beruhende Gesundheitserstschaden kann auch erst später eintreten.
41 
Für den Vollbeweis hinreichende Anhaltspunkte für einen seelischen Gesundheitsschaden unmittelbar nach dem Ereignis hat der Senat nach den obigen Ausführungen nicht. Ob eine Phase einer latenten seelischen Erkrankung vorlag, ist nicht sicher festzustellen. Der Senat geht jedoch zu Gunsten der Klägerin von dem Ingangsetzen eines Kausalverlaufs zur Entstehung der von Dr. C. diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung aus.
42 
Hierbei stellt der Senat die auch vom SG aufgeworfenen Zweifel daran, ob die Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung erfüllt sind, zurück. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. T. konnte bei seiner Untersuchung die typischen Merkmale wie aufdrängende Erinnerungen, Albträume, das Gefühl von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit usw. nicht erheben. Soweit der Sachverständige auf eine entsprechende Befunderhebung bei den Voruntersuchungen durch das Universitätsklinikum F. verweist, wo die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt worden ist, ist dies nicht vollständig überzeugend. Zum einen wurde dort bei der Untersuchung der Klägerin im Januar 2009 fälschlich angenommen, dass der auslösende Vorfall erst im Jahre 2003 eingetreten und eine unmittelbar hieran anknüpfende Behandlung durch die Psychologin N. durchgeführt worden sei (Befundbericht der Universitätsklinik F. vom 15.01.2009). Zum anderen sind die dort wiedergegebenen Symptome von tagsüber auftretendem Wiedererleben szenischer Erinnerungen und Bilder bei der Arbeit, Schreckhaftigkeit und Ängstlichkeit mit verringerter Belastbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Vermeidungsverhalten teils wenig spezifisch und teils nicht vollständig korrekt, da ein Kundenkontakt erst ab 2010 durch Übernahme einer neuen Tätigkeit endgültig vermieden wurde und die Klägerin zuvor gerade mit vielen Menschen über den Vorfall im Rahmen der Selbsthilfe gesprochen hat, wie sich aus den Darlegungen der Psychologin R.-R. vom 30.06.2010 entnehmen lässt. Diese beurteilte die erstmals 2006 aufgetretenen Beschwerden der Klägerin, die sie ihr nach Behandlungsbeginn im Jahr 2009 schilderte, als die typischen Belastungssymptome, die die genannten Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung erfüllen (Bescheinigungen vom 23.12.2009 und vom 30.06.2010). Die Psychologin R.-R. bezeichnete die von ihr bei der Untersuchung der Klägerin selbst erhobenen Beschwerden jedoch nicht als Krankheit. Damit stimmt überein, dass auch Dr. C. ebenso wie Prof. Dr. T. keine akute Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung mehr hat diagnostizierten können. Seine Diagnose eines Status nach posttraumatischer Belastungsstörung bezieht sich auf einen früheren Zustand. Eine Befunderhebung aufgrund des während der Exploration gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Klägerin zum Zeitpunkt des angenommenen erstmaligen Auftretens der typischen Symptomatik hat die Psychologin R.-R. gerade nicht zur Grundlage ihrer Einschätzung machen können. Dass die Diagnosekriterien der posttraumatischen Belastungsstörung ab 2006 erfüllt waren, wovon Psychologin R.-R. und die gerichtlichen Sachverständigen ausgehen, hat der Senat dennoch als zutreffend unterstellt.
43 
Zur Überzeugung des Senats sind die ab 2006 aufgetretenen psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin jedoch nicht wesentlich kausal auf den angeschuldigten Vorfall Ende 2001/Anfang 2002 zurückzuführen.
44 
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11).
45 
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Bedingung eines Erfolges, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Bedingungen.
46 
Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).
47 
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).
48 
Nach diesen Grundsätzen besteht zur Überzeugung des Senats kein wesentlicher Zusammenhang der seit 2006 aufgetretenen psychischen Beschwerden mit dem angeschuldigten Vorfall. Dies ergibt sich für den Senat aus den übereinstimmenden Darlegungen der medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. zu den psychodynamisch wirkenden Bedingungen, die den geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin zu Grunde liegen. Auch die Psychologin R.-R. beschreibt eine damit weitgehend übereinstimmende Psychodynamik. Prof. Dr. T. stellt ebenso wie Dr. C. darauf ab, dass andere Ursachen als das unmittelbare Traumaereignis für die unzureichende Krankheitsverarbeitung der Klägerin auch die hilflos gehandhabte Krisensituation und die zu geringe Hilfestellung durch die Kollegen waren. Dr. C. geht hiermit deckungsgleich davon aus, freilich unter Hinweis auf den hypothetischen Charakter des Bedingungsgefüges, das nur in einer längeren Psychotherapie falsifiziert oder verifiziert werden könne, dass die fehlende soziale Unterstützung durch den Arbeitgeber oder die Beklagte, wonach sie keine prophylaktische Primärbetreuung nach dem Vorfall erfahren habe, bei der im Gutachten näher beschriebenen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin zum Durchbruch des deshalb seit dem Vorfall aufgestauten Grolls führte, als die Klägerin nach dem Umzug 2006 mit den jetzt möglichen Sicherheitseinrichtungen und Bemühungen der Dienststelle zum Schutz vor aggressiven Publikum sich konfrontiert sah und erkennen musste, dass ihr dieser Schutz nicht zuteil geworden sei. Ebenso beschreibt er die unterbliebene Unterstützung von Vorgesetzten und Kollegen, wobei in der Wahrnehmung der Klägerin sogar der Täter durch diese eher geschützt und umworben wurde, da er schließlich sogar Rente erhalten habe. Auch die Bagatellisierung des Vorfalls durch die herbeigerufenen Polizeibeamten, die von einer Anzeige abgeraten hatten, hatte zu der psychischen Konstellation geführt, dass die Klägerin sich als ungerecht behandelt fühlt und sie nun einen - auch juristischen - Kampf um Gerechtigkeit und weniger um materielle Entschädigung führt. Der Senat erachtet diese Umstände als nachgewiesene mitwirkende Bedingungen, denn die behandelnde Psychologin R.-R. hat aufgrund ihrer durchgeführten Langzeittherapie die von Dr. C. als hypothetisch angestellten Überlegungen in dem vom Sachverständigen gemeinten Sinne auch verifiziert. In ihrem Bericht vom 06.12.2010 hatte sie nach 60 Sitzungen bereits ebenso wie Dr. C. dargelegt, dass die Klägerin durch das erlebte Verhalten der Dienststelle, der Polizei und der Vorgesetzten und Kollegen eine Entwertung ihrer Person empfunden hat, weshalb sie um Anerkennung des ihr widerfahrenen Unrechts durch Feststellung dieses Vorfalls als Arbeitsunfall kämpft und nicht, um eine Entschädigung zu erlangen.
49 
Diese in den gutachterlichen Darlegungen der Mediziner und der Psychologin aufgezeigten Bedingungszusammenhänge ergeben aber entgegen deren Einschätzung keinen wesentlichen Zusammenhang der psychischen Beschwerden der Klägerin mit dem Vorfall 2001/2002. Bei geklärtem medizinischem Sachverhalt ist die wertende Entscheidung, welche der aus dem jeweiligen Fachgebiet dargelegten Bedingungen wesentlich ist, eine Rechtsfrage, die dem Gericht vorbehalten ist. Nach den gutachtlichen Darlegungen ist aber das angeschuldigte Unfallereignis nur noch auslösendes Moment, d.h. conditio sine qua non, für die diese von den Sachverständigen und der Psychologin genannten Bedingungen, die die Beschwerden der Klägerin ausgelöst und unterhalten haben. Die psychische Beeinträchtigung der Klägerin beruht weit überwiegend auf Erscheinungen, die mit dem eigentlichen Vorfall des Übergriffs des randalierenden Versicherten entweder nur am Rande zu tun haben - wie die von der Klägerin empfundene verspätete Hilfeleistung durch Kollegen oder die empfundene Bagatellisierung durch die Polizeibeamten - oder auf nachfolgende Eindrücke und Erfahrungen - wie die unterbliebene Betreuung und Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen bzw. die ungerecht empfundene Bevorzugung des Verursachers ihr gegenüber -. Der Vorfall selbst, das in Betracht kommende Unfallereignis, ist demgegenüber vollständig in den Hintergrund gerückt. Dies kommt zur Überzeugung des Senats auch darin zum Ausdruck, dass die von der Psychologin R.-R. beschriebene Beschwerdesymptomatik im Sinne der Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung nur vergleichsweise gering ausgeprägt ist. Das typische Vermeidungsverhalten ist nicht erkennbar. Obgleich Beschwerden ab 2006 bestehen, übt die Klägerin erst seit Anfang 2010 eine Tätigkeit ohne Kundenkontakt aus, wie sie bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. angegeben hat. Auch treten die Beschwerden nur im Dienstgebäude auf, nicht zuhause oder bei privaten Beschäftigungen, wie die Klägerin mehrfach angegeben hat. Der Bezug zum Dienstbetrieb spricht einerseits für den Schwerpunkt des Bedingungsgefüges im Bereich des Verhaltens der Dienststelle und andererseits gegen die Merkmale der sich ungewollt aufdrängenden typischen Erinnerungen an das Initialereignis, wobei teilweise die auslösenden Momente (Einweisung in die Sicherheitseinrichtungen, Deeskalationstraining) mit dem Vorfall nur geringe Berührungspunkte haben und die typisch intrusiven Erinnerungen an das Unfallgeschehen nicht immer vollständig erkennbar sind, denn erinnert wird häufig die unterbliebene Unterstützung bzw. die empfundene Geringschätzung. In diesem Zusammenhang ist auch die lange Latenz zwischen Initialereignis und auftretender Symptomatik von Bedeutung. Nach Dr. C. ist nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand, er verweist hierzu auf Foerster/Widder (2007), bei einer längeren Latenz zu berücksichtigen, dass ein Zusammenhang umso plausibler anzusehen ist, je höher die nachvollziehbare seelische Beeindruckung durch das Ereignis war. Der trotz allem noch glimpflich ablaufende Vorfall hat keinen unmittelbaren, erkennbaren tiefergehenden psychischen Eindruck hinterlassen. Bei Prof. Dr. T. hatte die Klägerin sich an die unmittelbaren Folgen des Ereignisses nicht mehr erinnern können, anders als später bei der Untersuchung durch Dr. C., wo sie angab, sie habe nach der Flucht aus dem Büro weinen müssen, sei in aufgewühltem Zustand nachhause gegangen und selbst am nächsten Tag habe sie ihr Ehemann nicht zur Arbeit gehen lassen wollen. Wie oben dargelegt ist eine tiefergehende Beeindruckung, insbesondere eine akute Belastungsreaktion nicht nachgewiesen. Selbst wenn man mit Dr. C. davon ausgeht, dass trotz der Latenz von mindestens vier Jahren der Zusammenhang mit dem Unfallereignis noch herzustellen ist, ist es nach seinen eigenen Ausführungen nur unter den mitwirkenden anderen Bedingungen (naturwissenschaftlich-philosophisch) kausal geworden.
50 
Diese Bedingungen sind entgegen der Einschätzung von Prof. Dr. T. und Dr. C., die dies offenkundig unterstellen, dem infrage stehenden Versicherungsfall nicht zuzurechnen, sie sind „unfallfremd“. Damit übereinstimmend stuft auch PD Dr. Ro. in seiner Stellungnahme vom 13.07.2010 den Zusammenhang der psychischen Beeinträchtigung ein, die er als persönlichkeitsbedingte Reaktion bewertet.
51 
Dem entspricht die Rechtsprechung des Senats. Danach liegt ein wesentlicher unfallbedingter Zusammenhang eines psychischen Leidens nicht schon dann vor, wenn in der Persönlichkeitsstruktur des Versicherten angelegte Eigenschaften durch das Unfallereignis, die psychischen Unfallfolgen oder durch die Unfallabwicklung des Unfallversicherungsträgers stimuliert werden. Maßstab der wertenden Beurteilung ist vielmehr, dass nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand aus objektiver Sicht ein Zusammenhang herzustellen ist; allein die subjektive Sicht des Versicherten reicht nicht aus (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 27.08.2010 - L 8 U 1427/10 -, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Das Verhalten der Polizei und des Arbeitgebers einschließlich der Vorgesetzten und Kollegen ist als ursächliche Bedingung der später aufgetretenen psychischen Beeinträchtigung der Klägerin und deren Unterhaltung weder einer fehlerhaften Unfallabwicklung durch die Beklagte noch irgendwelchen Auswirkungen psychischer Unfallfolgen zuzurechnen. Die Klägerin hatte nach dem Vorfall ihre Tätigkeit am nächsten Tag fortgeführt, ärztliche oder psychotherapeutische Betreuung nicht in Anspruch genommen und der Beklagten den Vorfall nicht gemeldet. Für die Beklagte bestand daher kein Anlass präventive Maßnahme oder unterstützende Maßnahmen zur Verarbeitung einer etwaigen Traumatisierung zu ergreifen. Abgesehen davon, dass für den Senat nicht erkennbar ist, dass der Dienststelle der Klägerin insoweit überhaupt ein Versäumnis vorzuwerfen ist, hat der Unfallversicherungsträger grundsätzlich nicht für das dem Unfall nachgehende Verhalten des Arbeitgebers einzustehen, es sei denn es ist durch den Arbeitsunfall oder dessen Folgen veranlasst und hat zu wesentlichen Weiterungen der Unfallfolgen beigetragen (z.B. psychische Erkrankung wegen einer arbeitgeberseitigen Kündigung aufgrund unfallbedingter Leistungsbeeinträchtigung). Für den Senat ist auch nicht ersichtlich, dass die seelische Einwirkung durch den Vorfall einer Behandlung oder sonstigen Intervention bedürftig war, denn die Klägerin hatte im Rahmen der Selbsthilfe das Erlebnis verarbeitet, u.a. hatte sie einen Karatekurs belegt, wie Dr. C. und die Psychologin R.-R. ausführen, und hatte keine nach außen sichtbar werdenden funktionellen, körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen bis 2006. Zwar sind Gesundheitsstörungen, die sich wegen der unterbliebenen, notwendigen Behandlung einer unfallbedingten Schädigung entwickelt haben, wesentlich kausal auf den Unfall zurückzuführen. Nach den Darlegungen der Sachverständigen Prof. Dr. T. und Dr. C. wäre bei der Klägerin eine präventive bzw. prophylaktische Intervention sinnvoll gewesen und nicht eine Behandlung akuter/latenter Krankheitserscheinungen. Doch war das Auftreten der Symptomatik 2006 nicht Folge der Fortwirkung einer unbehandelt gebliebenen seelischen Beeindruckung durch den eigentlichen Vorfall, sondern die hierfür ursächliche seelische Beeindruckung der Klägerin beruhte nach den Darlegungen der Sachverständigen gerade auf dem Umstand, dass die Krisenintervention des Arbeitgebers oder des Unfallversicherungsträgers unterblieben ist, bzw. auf einer vermeintlichen Bagatellisierung durch die Polizei, was aufgrund der dargelegten psychodynamischen Prozesse bei der Klägerin das nachvollziehbare, aber ungerechtfertigte Gefühl erweckt hatte, ein Unrecht seitens der Dienststelle, der Polizei und der Beklagten und eine Geringschätzung ihrer Person erfahren zu haben. Dies steht nicht im Zusammenhang mit dem angeschuldigten Unfallereignis und beruht letztlich allein auf der Zuschreibung der Klägerin. Nach den Darlegungen von Prof. Dr. T. und Dr. C. ist davon auszugehen, dass der Vorfall lediglich Anknüpfungspunkt für die bei der vorgegebenen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin ablaufenden Bewertungsprozesse ist, was aber deren rechtlich unzutreffende Bewertung einer wesentlichen Mitursache des Arbeitsunfalls nicht zu rechtfertigen vermag.
52 
Damit fehlt es an der haftungsbegründenden Kausalität mangels nachgewiesenen Gesundheitserstschadens, woran die Feststellung eines Arbeitsunfalls scheitert.
53 
Mangels Arbeitsunfall ist auch die begehrte Feststellung von Unfallfolgen nicht begründet. Weder eine posttraumatischen Belastungsstörung, selbst wenn sie aus medizinischer Sicht eine begründete Diagnose sein mag, die allein die naturwissenschaftlich-philosophische Kausalitätstheorie zur Grundlage haben kann, noch die von Dr. C. diagnostizierte dissoziative Störung, die der Sachverständiger auf die gleichen Wirkungszusammenhänge zurückführt, können rechtlich Folgen eines Arbeitsunfalls sein. Darüber hinaus wird die dissoziative Störung nach der von Dr. C. mitgeteilten Definition nach ICD-10 als ursächlich psychogen angesehen und verkörpert häufig das Konzept der betroffenen Person, wie sich eine körperliche Erkrankung manifestieren müsse, was ohne nähere Darlegung das auslösende Trauma eher als Gelegenheitsursache im Sinne einer nicht wesentlichen Bedingung nahelegt.
54 
Zu weiteren Ermittlungen hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, da die vorliegenden gutachterlichen Äußerungen den medizinischen Sachverhalt hinreichend aufgeklärt haben. Die hieran anknüpfenden rechtlichen Fragen, ob damit die im Vollbeweis oder nur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu belegenden Tatsachen einer Primärschädigung, eines wesentlichen unfallbedingten Zusammenhangs bzw. eines Zusammenhangs unfallfremder Konkurrenzursachen nachgewiesen sind, hat der Senat zu entscheiden. Der Anregung des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 28.02.2013, hierzu Dr. C. ergänzend zu hören, musste der Senat daher nicht nachkommen. Dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Beweisantrag der Klägerin, zum Beweis dafür, dass die bei ihr bis 2006 bestandene Beschwerdelatenz aufgrund aktueller wissenschaftlicher medizinischer Erkenntnisse auch in Deutschland keinen Anlass bietet, die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung infrage zu stellen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, hilfsweise Dr. C. hierzu zu hören, war nicht stattzugeben. Der Senat hatte die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung bei der Klägerin unterstellt. Dass in der medizinischen Wissenschaft die Kriterien einer verzögert auftretenden posttraumatischen Belastungsstörung bei Beschwerdelatenz möglicherweise unterschiedlich diskutiert werden, wie die insoweit – noch – voneinander abweichenden Diagnosemanuale ICD-10 und DSM-IV erkennen lassen, war für den Senat nicht entscheidungserheblich. Ebenso wenig bedurfte es der vom Klägerbevollmächtigten angeregten ergänzenden Anhörung des Sachverständigen zum Vorbringen, dass durch die Versorgung traumatisierter Soldaten in der Medizin seit langem bekannt sei, dass seelische Schädigungen oft erst Jahre nach dem traumatisierenden Erlebnis erkannt würden (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 05.03.2013). Der Sachverständige Dr. C. hat in seinem Gutachten den derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis unter Bezugnahme auf die genannten Veröffentlichungen (Seite 35 seines Gutachtens) und mit Hinweis auf die internationale Literatur mit Forschung zu der verzögerten posttraumatischen Belastungsstörung bei Kriegsveteranen (Seite 36 seines Gutachtens) bereits dargelegt. Nachdem in den richterlichen Hinweisen vom 12.03.2013 und 14.03.2013 diese Gesichtspunkte den Beteiligten erläutert worden sind, hat der Klägerbevollmächtigte zu den Aufklärungsverfügungen keine Einwendungen erhoben oder seine Anregung auf weitere Ermittlungen nicht weiter konkretisiert.
55 
Die Kostenentscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG. Die Kosten der Begutachtung durch Dr. C., über die der Senat als Gerichtskosten in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens auch im Urteil entscheiden kann (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.08.2006 - L 1 U 3854/06 KO-B, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de), werden auf die Staatskasse übernommen. Nach der Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung oder die Erledigung des Rechtsstreits (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 28.02.2013 - L 8 SB 727/13 B -, vom 19.10.2011 - L 8 SB 3043/11 B; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl., § 109 Rdnr. 16a) von wesentlicher Bedeutung war bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht, diese also objektiv gefördert hat. Dabei kann nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung gesehen werden. Es muss sich vielmehr, gemessen am klägerischen Prozessziel, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben. Dies bedeutet aber weder, dass nur Gutachten, welche ein für die Klägerseite günstiges Ergebnis haben, hierunter fallen können, noch, dass für das Klagebegehren günstige Gutachten stets von der Staatskasse zu bezahlen sind. Vorliegend sind die Ausführungen von Dr. C. zum aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand einer verzögerten posttraumatischen Belastungsstörung und deren Beurteilungskriterien in der Begutachtungspraxis für die Entscheidung des Senats förderlich gewesen und haben die Einholung eines Gutachtens von Amts wegen aufgrund ambulanter Untersuchung entbehrlich gemacht. Der Senat hat davon abgesehen, nur die voraussichtlichen Kosten eines Aktengutachtens für erstattungsfähig zu erklären, da neben der Vermittlung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes, die nur ein Gutachten nach Aktenlage erfordert hätte, auch die Anwendung der Bewertungskriterien auf die Klägerin zu klären war, was in der Regel die psychiatrische Exploration im Rahmen einer ambulanten Untersuchung voraussetzt. Dass sich der Senat den aus der Exploration folgenden Schlussfolgerungen des Sachverständigen nicht angeschlossen hat, ist für die Kostenentscheidung insoweit ohne Belang.
56 
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt im Wege eines Überprüfungsverfahrens die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Der 1941 geborene Kläger stellte sich am 22.05.2003 beim Chirurgen T., Oberarzt am Kreiskrankenhaus Sch., vor und führte aus, er habe vor circa 10 Jahren im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kontrolleur beim Herunternehmen eines großen Gehäuses aus einem Regal einen plötzlichen Schmerz in seinem rechten Arm verspürt und sei damals bei verschiedenen Ärzten behandelt worden. Bei der klinischen Untersuchung zeigten sich eine deutliche Muskelatrophie des rechten Oberarmes und deutliche Zeichen eines Abrisses der langen Bizepssehne proximal (H-Arzt-Bericht vom 22.05.2003, Nachschaubericht vom 22.05.2003). Auf Anfrage der Beklagten legte die AOK - Die Gesundheitskasse L. - das über den Kläger geführte Vorerkrankungsverzeichnis (unter anderem Arbeitsunfähigkeitszeit wegen einer Periarthritis Coxae vom 03.01.1995 bis zum 25.03.1995) vor. Auf Nachfrage gab der Kläger gegenüber der Beklagten am 15.06.2003 an, der Arbeitsunfall habe sich am 18.01.1993 zugetragen und sei vom Orthopäden L. behandelt worden. Die AOK - Die Gesundheitskasse L. - führte sodann aus, sie könne keine Auskünfte über einen sich am 18.01.1993 zugetragenen Arbeitsunfall machen. Es lägen ihr weder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch ein sonstiger Schriftwechsel hierüber vor. Der Orthopäde L. führte in seiner Auskunft vom 15.07.2003 aus, er habe den Kläger erstmals am 07.06.1988 behandelt. Ende der 80er Jahre seien beim Kläger Schmerzen im Bereich der rechten Schulter aufgetreten, nachdem dieser während seiner beruflichen Tätigkeit eine Büchse von einem Regal heruntergeholt habe. Ein eigentlicher Unfall sei ihm nicht bekannt. Seit Mitte der 90er Jahre bestehe der Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur mit Impingement-Syndrom der rechten Schulter. Er legte den Arztbrief des Prof. Dr. H., Chefarzt der Orthopädischen Abteilung im Kreiskrankenhaus R., vom 06.09.1995 (Verdacht auf Rotatorenmanschettenruptur mit Impingement-Syndrom rechts, der Kläger habe vor 7 Jahren beim Herunterholen einer Büchse von einem Regal ein plötzliches Stechen in der rechten Schulter verspürt und seither ständig Schmerzen und Bewegungsprobleme) vor. Die ESD GmbH - EKATO Sicherheits- und Dichtungstechnik, teilte unter dem 17.07.2003 mit, ein sich in ihrem Betrieb zugetragener Arbeitsunfall sei ihr nicht bekannt. Daraufhin führte der Kläger aus, das Herunterholen einer schweren Zylinderbüchse stelle ein Unfallereignis dar. Er habe sich am 18.01.1993 ordnungsgemäß bei seinem Vorgesetzten abgemeldet, da er die Arbeit nicht mehr habe fortsetzen können und sofort einen Orthopäden aufgesucht habe. Er habe von dort keinen „gelben Zettel“ mitgenommen und sei noch am gleichen Tag, wenn auch unter erheblichen Schmerzen, bei der Arbeit erschienen. Er legte eine Bescheinigung des Orthopäden L. (Behandlung am 18.01.1993) und den Arztbrief des Radiologen Dr. B. vom 25.05.2001 (magnetresonanztomografisch am 25.05.2001 gesicherte komplette Ruptur der Supraspinatussehne mit Retraktion des Muskels und Ruptur der langen Bizepssehne, konsekutiv HO.tand im glenohumeralen Gelenk, zusätzlich Nachweis einer aktivierten AC-Gelenkarthrose) vor. Auf Anfrage der Beklagten teilte V. N., ein Kollege des Klägers, unter dem 09.06.2004 mit, ein Vorarbeiter habe ihn am 18.01.1993 darüber informiert, den Kläger vertreten zu müssen, da dieser wegen eines Unfalls, den er selbst nicht gesehen habe, dringend zu einem Arzt habe gehen müssen. Sodann zog die Beklagte über den Orthopäden L. unter anderem dessen Arztbriefe vom 10.06.1986 (die Schmerzen an der rechten Schulter seien auf eine überlastungsbedingte Peritendinose zurückzuführen), 14.08.1989 (röntgenologisch subperiostale Sklerosierung am Tuberus majus rechte Schulter), 25.01.1993 (wie schon 1988 bestehe beim Kläger eine überlastungsbedingte Periarthropathie der rechten Schulter, röntgenologisch erkenne man eine leichte Periostose am Tuberus majus, die Gelenkskonturen der Schulter seien unauffällig) und 05.01.1995 (rezidivierende Schulterperiarthropathie und Periostose, dieses Mal nach Überanstrengungsreaktion) bei. Auf nochmalige Anfrage der Beklagten teilte der Orthopäde L. mit Schreiben vom 20.09.2004 mit, der Kläger habe sich am 18.01.1993 wegen Schulterschmerzen rechts bei ihm vorgestellt. Ein eigentliches Unfallereignis sei zu diesem Zeitpunkt nicht angegeben worden. Beschrieben worden sei eine seit 1988 längere Anamnese von Schulterschmerzen im Sinne einer überlastungsbedingten Schulterperiarthropathie. In der Karteikarte seien für den 18.01.1993 keine Unfallangaben erwähnt.
Der Chirurg Dr. Sch. führte in Auswertung dieser Unterlagen in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme aus, es habe kein von außen wirkendes Ereignis vorgelegen, der Vorschaden sei unstrittig und selbst bei Annahme eines Unfallereignisses bestünden weder ein verletzungskonformer Verlauf noch ein entsprechender Erstbefund.
Mit Bescheid vom 28.04.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen ab und führte zur Begründung aus, trotz Ausschöpfung aller erreichbaren Beweismittel sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass der Kläger am 18.01.1993 während der betrieblichen Tätigkeit die rechte Schulter verletzt und somit einen Arbeitsunfall erlitten habe. Ferner sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Beschwerden, die sich am 18.01.1993 nach dem Herunterholen der Zylinderbüchse wieder bemerkbar gemacht hätten, auf vorbestehende degenerative Veränderungen an der rechten Schulter zurückzuführen seien. Der am 22.05.2003 festgestellte Abriss der langen Bizepssehne könne ebenfalls nicht auf das Ereignis vom 18.01.1993 zurückgeführt werden, sondern sei auf vorbestehende degenerative Veränderungen im Bereich der rechten Schulter zurückzuführen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2005 zurück. Sie führte aus, nach gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen liege einem Riss der langen Bizepssehne in der Mehrzahl der Fälle ein schleichend verlaufender Zermürbungsprozess der Sehnensubstanz in Höhe des Bizepskanals zugrunde. Dies erkläre sich dadurch, dass die Sehne wie ein Seil über eine Winde in der Gleitrinne des Oberarmkopfes verlaufe und an ihrer Umlenkstelle mit Zugkräften, Druck, Reibung und Scherkräften belastet werde. Ähnlich verhalte es sich bei der Supraspinatussehne als Teil des dem Oberarmkopf umschließenden Muskel-/Sehnengebildes. Eine unfallmäßige Irritation der Rotatorenmanschette oder gar ein struktureller Schaden mit entsprechender Begleitsymptomatik wäre denkbar, sofern eine erhebliche Gewalt auf das Schultergelenk einwirke, die vor allem zu einer unnatürlichen Zugbeanspruchung der Supraspinatussehne führe. Das vom Kläger geschilderte Herunterholen einer Zylinderbüchse von einem Regal ohne Hinweise auf sonstige unvorhergesehene Einwirkungen stelle demgegenüber einen willentlich gesteuerten Vorgang dar, welcher nach Art und Schwere weder geeignet gewesen sei, die lange Bizepssehne zum Zerreißen zu bringen, noch einen strukturellen Schaden an tieferen Schulterstrukturen zu bewirken. Die hiergegen beim Sozialgericht F. erhobene und unter dem Aktenzeichen S 10 U 3755/05 geführte Klage nahm der Kläger im Erörterungstermin vom 11.04.2006 zurück.
Am 29.12.2009 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 28.04.2005 und führte aus, es seien nun neue Erkenntnisse aufgetreten. Er legte ein Urteil des Obersten Gerichtshofes in Österreich vom 25.11.2008 (100bS134/08 - Rotatorenmanschettenruptur bei Anheben eines Gewichts von ca. 8 kg), einen Auszug aus der Dissertation „Die Rotatorenmanschettenruptur - eine Berufserkrankung?“ von K. O. vom September 2008 und den Arztbrief des Universitätsklinikums F. vom 07.11.2008 (alte Rotatorenmanschetten-Massenruptur mit Cuffarthropathie rechts, alte proximale Bizepssehnenruptur rechts; Beginn der Beschwerden, als der Kläger etwas aus einem Regal habe nehmen wollen) vor.
Mit Bescheid vom 18.03.2010 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides ab. Sie führte zur Begründung aus, der Kläger habe keine Tatsachen vorgetragen, die für die Entscheidung erheblich seien beziehungsweise bei der Erteilung des Verwaltungsaktes nicht schon berücksichtigt worden seien. Maßgeblich bleibe, dass der beschriebene Vorgang nicht bewiesen sei.
Hiergegen legte der Kläger am 25.03.2010 Widerspruch ein, mit dem er die Ansicht vertrat, der Verlauf des Ereignisses sei unstreitig. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2010 zurück. Ungeachtet des beweislos gebliebenen Unfallhergangs vom 18.01.1993 sei der vom Kläger geschilderte Geschehensablauf auch hinsichtlich der hierbei einwirkenden biodynamischen Kräfte weder im Sinne der Verursachung noch der richtungsgebenden Verschlimmerung geeignet, zu einer unfallbedingten Schädigung von Körperstrukturen, insbesondere des Sehnengeflechts im Bereich der rechten Schulter, zu führen.
Hiergegen hat der Kläger am 27.08.2010 erneut Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben und ergänzend vorgetragen, dass sein Arbeitskollege N. zwar nichts gesehen habe, aber habe einspringen müssen, weil es zu einer unfallbedingten Verletzung gekommen sei.
Das Sozialgericht hat von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden und Chirurgen Prof. Dr. St. vom 24.11.2011 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei dem Ereignis vom 18.01.1993 sei es zu keiner Gewalteinwirkung auf das rechte Schultergelenk gekommen, mit der sich eine Anerkennung als Arbeitsunfall begründen ließe. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die bei dem Ereignis vom 18.01.1993 eingetretenen Läsionen am rechten Schultergelenk und deren Folgen durch anlagebedingte degenerative Veränderungen verursacht worden seien und es sich bei dem angeschuldigten Ereignis um eine Gelegenheitsursache handele. Die Krankheitsanlage sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit so stark und so leicht ansprechbar gewesen, dass jedes alltäglich vorkommende Ereignis zur selben Zeit den Gesundheitsschaden und dessen Folgen hätte verursachen können.
10 
Der Kläger hat Einwände gegen das Gutachten erhoben unter anderem den Arztbrief des Dr. B. vom 08.07.2004 (die beschriebenen Knochenaktivierungen seien nicht als Quelle der sauren Phosphatase anzunehmen, sondern sprächen für degenerative Veränderungen) vorgelegt. Prof. Dr. St. ist in seinen ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen vom 11.02.2012, 10.03.2012 und 02.04.2012 bei seiner Beurteilung geblieben.
11 
Mit Gerichtsbescheid vom 26.06.2012 hat das Sozialgericht nach vorangegangener Anhörung (Schreiben vom 13.04.2012) die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Gesundheitsstörungen des Klägers um Folgen eines Arbeitsunfalles handele. Dies gelte auch dann, wenn das vom Kläger behauptete Ereignis vom 18.01.1993 feststehen würde. Ferner entspreche das vom Kläger geschilderte Ereignis keinem Trauma, das nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet wäre, die festzustellenden Gesundheitsstörungen herbeizuführen. Vielmehr sei mit dem Sachverständigen davon auszugehen, dass anlagebedingte degenerative Schultergelenksveränderungen als Ursache dieser Gesundheitsstörungen anzusehen seien.
12 
Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hat der Kläger am 05.07.2012 Berufung eingelegt. Er hat das Attest des Dr. Sch. vom 24.10.2012 (der Kläger, der angegeben habe, am 11.08.1989 einen Arbeitsunfall erlitten zu haben, habe sich am 16.07.1990 in seine Behandlung begeben) vorgelegt und zur Begründung ausgeführt, das Sozialgericht habe außer Acht gelassen, dass letztendlich nicht nur auf das Unfallereignis vom 18.01.1993, sondern vielmehr auch auf die Vorgeschichte, insbesondere auf den Arbeitsunfall vom 11.08.1989, abzustellen sei. Er habe bei diesem Vorgang einen heftigen Schmerz im Bereich der rechten Schulter verspürt und sich beim Orthopäden L. vorgestellt, der aber ausgeführt habe, es sei wohl nichts Schlimmeres passiert. Es sei aber zu einem vollständigen Abriss der Sehnen, einem Abriss des langen Bizepsmuskels und einer Zerstörung der Rotatorenmanschette gekommen. Wegen der Beschwerden habe er seine Beschäftigung als Formenpolierer aufgegeben und am 05.11.1992 eine Tätigkeit als Güteprüfer aufgenommen. Nach dem sich am 18.01.1993 ereigneten Unfall habe er sich häufig beim Orthopäden L. vorgestellt. Am 25.05.2001 sei eine komplette Rotatorenmanschettenruptur festgestellt worden.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihren Bescheid vom 28. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2005 zurückzunehmen und eine Rotatorenmanschettenruptur sowie einen Riss der langen Bizepssehne als Folge eines am 18. Januar 1993 erlittenen Arbeitsunfalls festzustellen.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie hat zur Begründung ausgeführt, Gegenstand dieses Verfahrens sei lediglich der Arbeitsunfall vom 18.01.1993.
18 
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2013 noch einmal zum vorgetragenen Unfallereignis befragt.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten, die Verwaltungsakte sowie die beigezogene Akte S 10 U 3755/05 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht Freiburg hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
21 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005.
22 
Rechtsgrundlage für die Rücknahme eines bestandskräftigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X).
23 
Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat. Vielmehr hat sie zu Recht die Feststellung des Ereignisses vom 18.01.1993 als Arbeitsunfall abgelehnt, da es einem Vollbeweis dafür fehlt, dass der Kläger einen berufsbedingten Gesundheitserstschaden erlitten hat. Der im Berufungsverfahren erwähnte Arbeitsunfall vom 11.08.1989 ist nicht Gegenstand der Feststellung der Beklagten und des Sozialgerichts gewesen.
24 
Rechtsgrundlage für die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall sind nicht die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung, sondern die §§ 2, 7 und 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Zwar datiert der vom Kläger behauptete Vorgang auf die Zeit vor dem am 01.01.1997 erfolgten Inkrafttreten des SGB VII und gelten nach § 212 SGB VII die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels des SGB VII grundsätzlich für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten des SGB VII eintreten, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung findet sich aber in § 214 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach die Vorschriften des Ersten und Fünften Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB VII auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII eingetreten sind, gelten.
25 
Kraft Gesetzes sind Beschäftigte versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
26 
Nach der Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R; BSG, Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R; jeweils zitiert nach Juris) ist für die Feststellung eines Arbeitsunfalls erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses und der Gesundheitserstschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Lässt sich ein Nachweis nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten.
27 
Trotz des insoweit wenig ergiebigen Akteninhalts ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger am 18.01.1993 den von ihm geschilderten Unfall erlitten hat. Nach den glaubhaften Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Senats hat der Kläger am 18.01.1993 beim Herausnehmen über Kopf eines circa 17 bis 20 Kilogramm schweren Gegenstandes aus einem Regal einen Schulterschmerz verspürt. Obwohl es für diesen Vorgang keine Zeugen gibt, ein sich am 18.01.1993 zugetragener Arbeitsunfall weder dem Arbeitgeber noch der zuständigen Krankenkasse gemeldet worden ist und der am Unfalltag aufgesuchte Orthopäde L. mitgeteilt hat, der Kläger habe am Unfalltag kein eigentliches Unfallereignis angegeben, ist der Senat vom Vorliegen eines Unfallereignisses überzeugt. Zum einen hat der Kläger den Vorgang überzeugend geschildert. Zum anderen muss die Meldung eines Arbeitsunfalls nicht schon deshalb unterblieben sein, weil kein Unfallereignis vorlag, sondern weil der Orthopäde L. das ihm von Kläger geschilderte Ereignis nicht als Unfallereignis im Rechtssinne wertete oder einen Gesundheitserstschaden verneinte.
28 
Trotz des Vorliegens eines am 18.01.1993 erlittenen Unfalls hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls. Denn es fehlt am Nachweis eines am 18.01.1993 eingetretenen Gesundheitserstschadens. Gesundheitsschäden sind alle regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustände entsprechend dem allgemeinen Krankheitsbegriff. Zwar sind Umfang und Dauer unerheblich. Minimale Regelwidrigkeiten ohne Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit sind aber ebenso bedeutungslos (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII, Rz. 20) wie bloße Schmerzen. Der vom Kläger beschriebene einschießende Schmerz in der rechten Schulter stellt nach Ansicht des Senats noch keinen solchen Gesundheitserstschaden dar. Er könnte allenfalls als erstes Zeichen eines im weiteren Verlauf objektivierten Gesundheitserstschadens gewertet werden. An einer solchen Objektivierung fehlt es indessen. Der Senat hat sich aufgrund des Akteninhalts und trotz der Angaben des Klägers nicht davon überzeugen können, dass es am 18.01.1993 im Rahmen der beruflichen Tätigkeit tatsächlich zu einem Gesundheitsschaden gekommen ist. Dagegen spricht schon, dass der Kläger nach den Angaben des Orthopäden L. bereits seit Ende der 80er Jahre an Schmerzen in der rechten Schulter im Sinne einer überlastungsbedingten Periarthropathie gelitten hat. Ferner hat der Orthopäde L. in seinen Eintragungen auf der Patientenkarte am 18.01.1993 keinen neuen Gesundheitsschaden, sondern wieder die Überlastungsperiarthropathie vermerkt. Im Übrigen spricht gegen einen unfallbedingten Erstschaden, dass der Kläger nach dem Aufsuchen des Orthopäden L. weiter gearbeitet hat.
29 
Da es also am Nachweis eines am 18.01.1993 eingetretenen Gesundheitserstschadens fehlt, stellt der erlittene Unfall keinen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII dar. Darauf, dass im Übrigen aufgrund der vom Orthopäden L. seit 1988 beschriebenen Vorerkrankung und der gut nachvollziehbaren Beurteilung durch Prof. Dr. St. in seinem Gutachten vom 24.11.2011 auch ein wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen den ab 18.01.1993 gegenüber dem Orthopäden L. angegebenen Beschwerden, der am 25.05.2001 von Dr. B. magnetresonanztomographisch gesicherten Sehnenruptur mit Muskelretraktion sowie den am 22.05.2003 vom Chirurgen T. beschriebenen Gesundheitsstörungen einerseits und dem angeschuldigten Ereignis andererseits fehlt, kommt es daher nicht an. Insoweit verweist der Senat aber auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides, denen er sich nach § 153 Abs. 2 SGG in vollem Umfang anschließt.
30 
Mithin hat die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005 die Feststellung eines Arbeitsunfalls und mit Bescheid vom 18.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 eine Rücknahme dieses Bescheides abgelehnt. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 26.06.2012 hat sich damit als rechtmäßig erwiesen. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
32 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Gründe

 
20 
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht Freiburg hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
21 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005.
22 
Rechtsgrundlage für die Rücknahme eines bestandskräftigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X).
23 
Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat. Vielmehr hat sie zu Recht die Feststellung des Ereignisses vom 18.01.1993 als Arbeitsunfall abgelehnt, da es einem Vollbeweis dafür fehlt, dass der Kläger einen berufsbedingten Gesundheitserstschaden erlitten hat. Der im Berufungsverfahren erwähnte Arbeitsunfall vom 11.08.1989 ist nicht Gegenstand der Feststellung der Beklagten und des Sozialgerichts gewesen.
24 
Rechtsgrundlage für die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall sind nicht die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung, sondern die §§ 2, 7 und 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Zwar datiert der vom Kläger behauptete Vorgang auf die Zeit vor dem am 01.01.1997 erfolgten Inkrafttreten des SGB VII und gelten nach § 212 SGB VII die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels des SGB VII grundsätzlich für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten des SGB VII eintreten, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung findet sich aber in § 214 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach die Vorschriften des Ersten und Fünften Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB VII auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII eingetreten sind, gelten.
25 
Kraft Gesetzes sind Beschäftigte versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
26 
Nach der Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R; BSG, Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R; jeweils zitiert nach Juris) ist für die Feststellung eines Arbeitsunfalls erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses und der Gesundheitserstschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Lässt sich ein Nachweis nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten.
27 
Trotz des insoweit wenig ergiebigen Akteninhalts ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger am 18.01.1993 den von ihm geschilderten Unfall erlitten hat. Nach den glaubhaften Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Senats hat der Kläger am 18.01.1993 beim Herausnehmen über Kopf eines circa 17 bis 20 Kilogramm schweren Gegenstandes aus einem Regal einen Schulterschmerz verspürt. Obwohl es für diesen Vorgang keine Zeugen gibt, ein sich am 18.01.1993 zugetragener Arbeitsunfall weder dem Arbeitgeber noch der zuständigen Krankenkasse gemeldet worden ist und der am Unfalltag aufgesuchte Orthopäde L. mitgeteilt hat, der Kläger habe am Unfalltag kein eigentliches Unfallereignis angegeben, ist der Senat vom Vorliegen eines Unfallereignisses überzeugt. Zum einen hat der Kläger den Vorgang überzeugend geschildert. Zum anderen muss die Meldung eines Arbeitsunfalls nicht schon deshalb unterblieben sein, weil kein Unfallereignis vorlag, sondern weil der Orthopäde L. das ihm von Kläger geschilderte Ereignis nicht als Unfallereignis im Rechtssinne wertete oder einen Gesundheitserstschaden verneinte.
28 
Trotz des Vorliegens eines am 18.01.1993 erlittenen Unfalls hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls. Denn es fehlt am Nachweis eines am 18.01.1993 eingetretenen Gesundheitserstschadens. Gesundheitsschäden sind alle regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustände entsprechend dem allgemeinen Krankheitsbegriff. Zwar sind Umfang und Dauer unerheblich. Minimale Regelwidrigkeiten ohne Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit sind aber ebenso bedeutungslos (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII, Rz. 20) wie bloße Schmerzen. Der vom Kläger beschriebene einschießende Schmerz in der rechten Schulter stellt nach Ansicht des Senats noch keinen solchen Gesundheitserstschaden dar. Er könnte allenfalls als erstes Zeichen eines im weiteren Verlauf objektivierten Gesundheitserstschadens gewertet werden. An einer solchen Objektivierung fehlt es indessen. Der Senat hat sich aufgrund des Akteninhalts und trotz der Angaben des Klägers nicht davon überzeugen können, dass es am 18.01.1993 im Rahmen der beruflichen Tätigkeit tatsächlich zu einem Gesundheitsschaden gekommen ist. Dagegen spricht schon, dass der Kläger nach den Angaben des Orthopäden L. bereits seit Ende der 80er Jahre an Schmerzen in der rechten Schulter im Sinne einer überlastungsbedingten Periarthropathie gelitten hat. Ferner hat der Orthopäde L. in seinen Eintragungen auf der Patientenkarte am 18.01.1993 keinen neuen Gesundheitsschaden, sondern wieder die Überlastungsperiarthropathie vermerkt. Im Übrigen spricht gegen einen unfallbedingten Erstschaden, dass der Kläger nach dem Aufsuchen des Orthopäden L. weiter gearbeitet hat.
29 
Da es also am Nachweis eines am 18.01.1993 eingetretenen Gesundheitserstschadens fehlt, stellt der erlittene Unfall keinen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII dar. Darauf, dass im Übrigen aufgrund der vom Orthopäden L. seit 1988 beschriebenen Vorerkrankung und der gut nachvollziehbaren Beurteilung durch Prof. Dr. St. in seinem Gutachten vom 24.11.2011 auch ein wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen den ab 18.01.1993 gegenüber dem Orthopäden L. angegebenen Beschwerden, der am 25.05.2001 von Dr. B. magnetresonanztomographisch gesicherten Sehnenruptur mit Muskelretraktion sowie den am 22.05.2003 vom Chirurgen T. beschriebenen Gesundheitsstörungen einerseits und dem angeschuldigten Ereignis andererseits fehlt, kommt es daher nicht an. Insoweit verweist der Senat aber auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides, denen er sich nach § 153 Abs. 2 SGG in vollem Umfang anschließt.
30 
Mithin hat die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005 die Feststellung eines Arbeitsunfalls und mit Bescheid vom 18.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 eine Rücknahme dieses Bescheides abgelehnt. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 26.06.2012 hat sich damit als rechtmäßig erwiesen. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
32 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. März 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer vollständigen Ruptur der Supraspinatussehne (Rotatorenmanschettenabriss) an der rechten Schulter sowie ein Einriss der Sehne des Musculus Subscapularis als weitere Unfallfolgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 04.08.2008 streitig.
Der am … 1961 geborene Kläger griechischer Staatsangehörigkeit ist als Arbeiter bei der Beklagten versicherungspflichtig. Er hatte bereits zahlreiche Behandlungen wegen Schulterbeschwerden und sich bereits vor dem Unfall eine Kontusion der rechten Schulter zugezogen (MRT-Bericht vom 21.11.2008). Am 04.08.2008 rutschte er gegen 15:00 Uhr beim Schieben eines über 100 kg schweren Metallbehälters aus und erlitt beim Nachgreifen ein Stauchungstrauma am rechten Schultergelenk. Er arbeitete weiter und ging bei persistierenden Schmerzen am 10.11.2008 zu seinem Hausarzt Allgemeinmediziner K.. Dieser diagnostizierte eine Läsion der Rotatorenmanschette, stellte ab dem Behandlungstag Arbeitsunfähigkeit (AU) zunächst bis 26.11.2008 fest und überwies den Kläger an den Orthopäden Dr. L., der bei Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur rechts ein MRT in der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Hü./Ha./R. veranlasste. Im MRT vom 20.11.2008 zeigten sich ansatznah eine nahezu vollständige Ruptur der Supraspinatussehne mit geringer Retraktion der Sehne sowie ein Einriss der Sehne des Musculus subscapularis ansatznah mit Flüssigkeitseinlagerung in die Sehne, ferner degenerative Veränderungen des AC-Gelenks und geringe Einengung des subacrominalen Bogens. Dr. R. beurteilte dies dahingehend, dass sowohl Ruptur wie Einriss posttraumatisch bedingt seien (Bl. 75 VA). Am 28.11.2008 begab sich der Kläger zu Durchgangsarzt Prof. Dr. P., Chefarzt der Unfallchirurgischen Klinik S., und gab an, nach dem Unfall weiter gearbeitet zu haben. Prof. Dr. P. beschrieb eine schmerzhaft endgradige Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk bei Abduktion bis 80° und den klinischen Verdacht auf eine Supraspinatussehnenruptur. Vom 04. bis 09.12.2008 wurde der Kläger stationär in der Klinik arthroskopisch behandelt und eine offene Supraspinatusreinsertion und Labrum-Refixation durchgeführt (Zwischenbericht vom 16.12.2008, Bl. 71 VA).
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Arbeitgeberin des Klägers zunächst mit, dieser habe am zunächst berichteten Unfalltag vom 01.08.2008 Urlaub gehabt (Bl. 14 VA). Der Unfall habe sich am 04.08.2008 gegen 16:15 Uhr in der Abteilung für Saftproduktion ereignet (Unfallanzeige vom 23.01.2009, Bl. 18 VA). Der Kläger sei beim Einschieben eines Materialbunkers in die Produktionslinie mit der rechten Hand abgerutscht, habe sich diese dabei verdreht und sei mit der rechten Schulter auf den Container gestürzt.
Beratungsarzt Dr. S. führte aus, die komplette Ruptur mit Retraktion des Sehnenstumpfes ohne darüber hinausgehende Muskelretraktion lasse sich zusammen mit der deutlichen Ergussbildung grundsätzlich mit einer traumatischen Schädigung vereinbaren, allerdings müsse ein degenerativer Vorschaden abgeklärt werden (Bl. 100 VA).
Am 06.05.2009 wurde wegen persistierenden Schmerzen eine weitere MRT-Untersuchung durchgeführt, die eine Reruptur der Supraspinatussehne, die lediglich noch in den anterioren Anteilen fixiert erscheine, bei geringem Erguss in der Bursa subdeltoidea ergab (Befundbericht vom 07.05.2009, Bl. 87 VA). Die Folgebehandlung wurde in der Berufsgenossenschaftlichen (BG) Unfallklinik T. durchgeführt, wo eine eingeschränkte aktive Schultergelenksbeweglichkeit rechts festgestellt wurde und erweiterte ambulante Physiotherapie und Schmerztherapie rezeptiert wurden (Zwischenberichte vom 25.05.2009, Bl. 97 VA; 18.06.2006, Bl. 104 VA; 22.07.2009, Bl. 136 VA; 24.07.2009, Bl. 141 VA).
Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der BG Unfallklinik T., erstattete auf Veranlassung der Beklagten ein unfallchirurgisches Zusammenhangsgutachten. In seinem Gutachten vom 08.09.2009 führte er aus, es bestehe der Verdacht auf einen erneuten Einriss der refixierten Rotatorenmanschette im Bereich des rechten Schultergelenkes. Laut dem Vorerkrankungsregister sei der Kläger wegen einer Schulterdistorsion rechts vom 24. bis 29.05.1999 sowie einer Läsion der Rotatorenmanschette vom 02. bis 06.05.2005 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Über die Primärvorstellung nach dem angeschuldigten Ereignis lägen keinerlei Unterlagen vor. Der vom Unfallverletzten nach expliziter Befragung (mit Dolmetscherin) geschilderte Mechanismus beschreibe, dass die auf die Schulter ausgeübte Druckbewegung durch das Anschieben der schweren Maschine schlagartig weggenommen worden sei und die Schulter in Neutralstellung diskret an den Tank angeprallt wäre. Durch den Unfall sei es somit nicht zu einer Sehnenbelastung einer vorgespannten Sehne gekommen, vielmehr liege ein Anpralltrauma ohne Belastung der Rotatorenmanschette oder des ventralen Labrums vor. Deswegen stelle das Ereignis vom 04.08.2008 eine unwesentliche Teilursache dar und begründe demzufolge auch keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE; Bl. 172 ff. VA).
Auf Betreiben des klägerischen Bevollmächtigten erklärte sich die Beklagte bereit, den Kläger erneut unfallchirurgisch begutachten zu lassen. Der Unfallchirurg Dr. E., der die Untersuchung im Beisein des auch dolmetschenden Rechtsanwalts durchführte, gelangte in seinem Gutachten vom 21.07.2010 erneut zu dem Ergebnis, dass eine traumatische Rotatorenmanschettenruptur nicht vorliege, vielmehr degenerative Veränderungen am rechten Schultergelenk bestünden, welches auch durch das Vorerkrankungsverzeichnis gestützt werde. Umformende Veränderungen am rechten Schultergelenk müssten daher bereits vor dem angeschuldigten Ereignis vom 04.08.2008 vorgelegen haben. Dabei legte er den vom Kläger zuletzt geschilderten Unfallhergang zugrunde. Der Kläger habe mit beiden Armen einen 100 kg schweren Behälter geschoben, beide Arme seien nach seitlich und vorne um etwa 45° abgehalten worden, die Ellenbogen jeweils um 90° gebeugt. Er sei wegen der Nässe mit dem rechten Bein weggerutscht, wodurch sich die Beugung der Ellenbogen auf etwa 150° vermehrt habe, wohingegen die Oberarme an den Körper herangeführt worden seien. Dabei habe er sich die rechte Schulter an der Maschine angeschlagen, zunächst Schmerzen gehabt, dann jedoch weiter gearbeitet. Diese Unfallschilderung stehe in Übereinstimmung mit der in der BG-Klinik geschilderten. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass gegen eine traumatische Läsion der Rotatorenmanschette die direkte Kontusion der rechten Schulter ebenso wie das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall spreche, da er erst vier Monate nach dem Ereignis den Hausarzt aufgesucht und am 28.11.2008 die Erstellung eines D-Arztberichts erfolgt sei.
Mit Bescheid vom 27.07.2010 anerkannte die Beklagte daraufhin einen Arbeitsunfall vom 04.08.2008. Die Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit ab dem 10.11.2008 seien nach übereinstimmender fachärztlicher Feststellung nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen. Der Unfallhergang sei nicht geeignet, eine derartige Verletzung an der Rotatorenmanschette rechtlich wesentlich zu verursachen. Bei dem Kläger bestünden vielmehr degenerative Veränderungen an der rechten Schulter. Außerdem seien die Unfallfolgen folgenlos ausgeheilt, eine rentenberechtigende MdE liege nicht vor.
Der dagegen mit der Begründung eingelegte Widerspruch, dem Kläger könne nicht entgegengehalten werden, dass er zunächst keinen Arzt aufgesucht habe, denn er habe seit dem Unfallereignis an Beschwerden an der rechten Schulter gelitten, sei aber fälschlicherweise nur von einer Zerrung oder gleichartigen Beeinträchtigung ausgegangen, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010).
10 
Hiergegen hat der Kläger am 22.11.2010 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, zu deren Begründung er darauf verwiesen hat, dass die Gesundheitsstörung an der rechten Schulter erst mit dem Unfallereignis aufgetreten sei und keinerlei Vorschäden oder degenerative Veränderungen bestünden, wie dies die Beklagte behaupte. Sein Unfallschaden sei auch nach Einschätzung von Dr. S. mit einer traumatischen Schädigung vereinbar.
11 
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes ist der Kläger bei Dr. B., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begutachtet worden. Dieser hat eine gewisse degenerative Vorschädigung auch aufgrund des Alters angenommen, welche durch das Vorliegen der zwei AU-Bescheinigungen vor dem Unfall belegt werde. Die damals gestellten Diagnosen einer Schulterverrenkung und einer Läsion der Rotatorenmanschette seien indessen nicht nachvollziehbar, da solche Erkrankungen nicht binnen weniger Tage ausheilten. Der Unfallmechanismus sei leider nicht mehr zweifelsfrei zu rekonstruieren. Der Kläger habe nunmehr geschildert, mit dem linken Bein und der linken Hand ausgerutscht und sich dann bei dem Abstürzen an der rechten Schulter gestoßen zu haben, wobei er ein Geräusch vernommen habe. Seines Erachtens seien die danach aufgetretenen Gesundheitsstörungen im Wesentlichen auf den Unfall zurückzuführen. Dafür sprächen insbesondere der sofortige posttraumatische Schmerzbeginn mit Funktionseinschränkung des Armes, die Kombinationsverletzung mit Labrumläsion als Zeichen einer stattgehaben Dislokation des Gelenkes, der im MRT präoperativ und intraoperativ bestätigte Gelenkerguss, die allenfalls mäßige Retraktion der Sehnenenden, welche narbig und nicht glattrandig verändert erschienen, sowie der Umstand, dass keine fettige Degeneration der Muskulatur vorliege.
12 
Die Beklagte hat hierzu eine fachärztliche Stellungnahme von Dr. H. vorgelegt, wonach eine Sehne biomechanisch nur dann geschädigt werden könne, wenn sie über die individuelle Reißfestigkeit hinaus belastet werde. Überdies sei zu beachten, dass die Rotatorenmanschette den Oberarmkopf in der Schulterpfanne zentriere, so dass immer eine Grundspannung des Sehnen-Muskelkomplexes bestehe. Dementsprechend sei ein Anprall der Schulter nicht geeignet, eine Rotatorenmanschettenschädigung oder eine Schulterverrenkung herbeizuführen, sodass das Gutachten von Dr. B. insoweit nicht schlüssig sei. Außerdem widerspreche sich der gerichtliche Sachverständige insoweit, als er die vorangegangenen Erkrankungen ohne Hinweis für eine schwerwiegende Schädigung ansehe, andererseits aber nach dem jetzigen Ereignis eine solche Erkrankung für möglich erachte, obwohl der Kläger überhaupt nicht ärztlich behandelt worden und auch nicht durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei. Als Fazit lasse sich daher nur festhalten, dass das Ereignis sicherlich eine Prellung des Schultergelenkes, möglicherweise auch eine Stauchung verursacht haben könne.
13 
Mit Urteil vom 29.03.2012, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 13.04.2012, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, das allein abweichende Gutachten von Dr. B. vermöge im Ergebnis nicht zu überzeugen. Dabei müsse zunächst berücksichtigt werden, dass nach allgemeiner Meinung in der medizinischen Wissenschaft die Rotatorenmanschette im Bereich der Schulter im hohen Maße der Degeneration unterliege, die bereits ab dem dritten Lebensjahrzehnt beginne. Den isolierten, ausschließlich traumatischen Supraspinatussehnenriss gebe es deshalb nicht. Infrage komme allein ein Verletzungsmechanismus im Sinne einer wesentlichen Teilursache bei bestehender Degeneration, die nämlich zu einer herabgesetzten mechanischen Belastbarkeit führe. Als geeignete Verletzungsmechanismen für einen traumatischen Supraspinatussehnenriss würden unter anderem eine starke Zugbelastung bei gewaltsamer Rotation des Armes, z. B. die Verdrehung des Armes, wenn dieser in eine laufende Maschine gezogen werde oder ein ungeplantes Auffangen eines schweren fallenden Gegenstandes angesehen. Diese Unfallhergänge seien geeignet, aber nicht beweisend. Vorliegend habe der Kläger den Unfallhergang mehrfach, teilweise leicht abweichend geschildert, wobei insoweit zu berücksichtigen sei, dass der Unfallbetroffene ein für ihn mit Schmerzen verbundenes Ereignis nicht objektiv wahrnehmen könne und alle Einzelheiten zu schildern vermöge. Insgesamt bestehe jedoch insoweit Übereinstimmung, als die vom Kläger geschilderte direkte Krafteinwirkung auf die Schulter (Sturz, Prellung, Schlag) nicht geeignet sei, eine Zugbeanspruchung mit unnatürlicher Längendehnung der Sehne des Supraspinatus zu bewirken, da die Rotatorenmanschette durch den knöchernen Schutz der Schulterhöhe (Acromion) und den Deltamuskel gut geschützt sei. Gegen eine traumatische Rotatorenmanschettenverletzung sprächen auch die festgestellten degenerativen Veränderungen in Form einer subacromialen Enge und einer aktivierten AC-Gelenksarthrose, worauf Dr. E. ausdrücklich hingewiesen habe. Dies werde auch durch das Vorerkrankungsverzeichnis belegt. Gegen die These des Sachverständigen, der Kläger habe sofortige posttraumatische Schmerzen verspürt, spreche, dass der Kläger erstmals etwa 3 ½ Monate nach dem Anpralltrauma seinen Hausarzt wegen Schulterbeschwerden aufgesucht und nach dem Unfall weitergearbeitet habe. Bei fehlenden knöchernen Begleitverletzungen könne die von Dr. B. als Pro-Kriterium angeführte Labrumläsion als Zeichen einer stattgehabten Dislokation des Gelenkes, der intraoperativ festgestellte, sich wenig entleerende Erguss sowie das Fehlen einer fettigen Degeneration der Muskulatur ein Überwiegen bedeutsamer Anknüpfungstatsachen für eine traumatische Rotatorenmanschettenruptur nicht begründen. Vielmehr sprächen mit Prof. Dr. W. und Dr. E. mehr Kriterien gegen als für eine traumatische Rotatorenmanschettenverletzung.
14 
Hiergegen hat der Kläger am 30.04.2012 Berufung mit der Begründung eingelegt, die von ihm vorgetragene Unfallschilderung sei geeignet und zumindest wesentlich teilursächlich für seine Rotatorenmanschettenverletzung gewesen. Dies habe auch das Gutachten des Dr. B. ausführlich dargelegt.
15 
Der Kläger beantragt,
16 
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. März 2012 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2010 abzuändern und festzustellen, dass die vollständige Ruptur der Supraspinatussehne (Rotatorenmanschettenabriss) an der rechten Schulter sowie der Einriss der Sehne des Musculus Subscapularis Folgen des Arbeitsunfalls vom 4. August 2008 sind.
17 
Die Beklagte beantragt,
18 
die Berufung zurückzuweisen.
19 
Sie ist der Auffassung, dass das SG zu Recht die Klage abgewiesen habe. Denn nach den von der unfallmedizinischen Literatur ermittelten Kriterien sei für eine traumatische Zerreißung der Supraspinatussehne eine Zugbeanspruchung bzw. eine direkte Krafteinwirkung erforderlich, die aus dem von dem Kläger geschilderten Unfallhergang gerade nicht hervorgehe. Auch liege nach der MRT-Untersuchung des rechten Schultergelenkes keine knöcherne Begleitverletzung vor, die nach der unfallmedizinischen Literatur im Falle einer traumatischen Schädigung der Rotatorenmanschette typischerweise zu erwarten sei. Demgegenüber seien degenerative Veränderungen in Form einer subacromialen Enge und einer aktivierten AC-Gelenksarthrose festgestellt worden. Des Weiteren habe sich der Kläger erstmalig über drei Monate nach dem Ereignis bei seinem Hausarzt wegen Schulterbeschwerden vorgestellt. Eine traumatische Schädigung führe aber zu einem sofortigen Funktionsausfall des betroffenen Armes.
20 
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen befragt.
21 
Der Allgemeinmediziner Dr. S. hat berichtet, dass er den Kläger im Mai 2005 wegen anhaltender Schmerzen der rechten Schulter mit schmerzhaften Bogen und typischen Druckschmerzen an der Supraspinatussehne behandelt habe, die neurologische Untersuchung sei unauffällig gewesen. Der Orthopäde Dr. L., bei dem der Kläger von November 2008 bis Mai 2011 in Behandlung stand, hat einen Erstkontakt vom 10.11.2008 wegen einer Schulterkontusion rechts angegeben. Der Kläger habe damals keine Angaben zu einem Arbeitsunfall gemacht. Die Sportklinik S. hat über eine erneute Arthroskopie im Februar 2010 mit Debridement des Labrums, eine subacrominale Resektion der Vernarbungen und Side-to-Side-Naht der Supraspinatussehne berichtet. Nach der Operation habe sich der Kläger einmalig im Juni 2011 mit Restbeschwerden im Bereich der rechten Schulter vorgestellt und danach nicht mehr. Der Allgemeinmediziner K., bei dem der Kläger seit 1993 in Behandlung steht, hat immer wieder auftretende Schmerzzustände in der Nacken-, Schulter- und Schultergelenksregion angegeben, wodurch überwiegend die linke Schulterregion betroffen sei. Nach der beigefügten elektronischen Karteikarte ist der Kläger 1995 dreimal, 1996 einmal und 2004, 2005 zweimal wegen Beschwerden an der rechten Schulter behandelt worden.
22 
Der damalige Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 25.02.2014 erörtert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom selben Tag verwiesen. Die Beteiligten haben danach einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
23 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die nach §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Feststellung weiterer Unfallfolgen.
25 
Nach §§ 8 Abs. 1 Satz 2, 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger dann einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge, wenn ein Gesundheitsschaden durch den Versicherungsfall rechtlich wesentlich verursacht wird (BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R - NZS 2012, 909; Senatsurteil vom 27.03.2014 - L 6 U 4426/13 -).
26 
Dabei ist auf einer ersten Prüfungsstufe zu fragen, ob der Versicherungsfall eine naturwissenschaftlich-philosophische Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsstörung ist, wobei insoweit jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nach den einschlägigen Erfahrungssätzen nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Wenn festzustellen ist, dass der Versicherungsfall in diesem Sinne eine Bedingung für den Erfolg ist, ist auf der ersten Prüfungsstufe weiter zu fragen, ob es für den Eintritt des Erfolgs noch andere Ursachen i. S. der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie gibt; das können Bedingungen aus dem nicht versicherten Lebensbereich wie z. B. Vorerkrankungen, Anlagen, nicht versicherte Betätigungen oder Verhaltensweisen sein (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Hinsichtlich des Überzeugungsmaßstabs genügt für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (st. Rspr, z. B. BSG, Urteile vom 02.02.1978 - 8 RU 66/77 - SozR 2200 § 548 Nr. 38 - und 30.04.1985 - 2 RU 43/84 - SozR 2200 § 555a Nr. 1).
27 
Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, aus-reichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands.
28 
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auf-fassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte.
29 
Bei dieser Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, ein-schließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, ferner das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein.
30 
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls in einem oder mehreren Schritten zu prüfende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache das angeschuldigte Ereignis eine Ursache ist oder die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellte versicherte Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde.
31 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hält es der Senat nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass das Unfallereignis vom 04.08.2008 die geltend gemachten dauerhaften Gesundheitsschäden hervorgerufen hat. Das hat das SG in Auswertung der im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Prof. Dr. W. und Dr. E. ausführlich begründet und ebenso dargelegt, dass und aus welchen Gründen dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. B. nicht zu folgen ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung in vollem Umfang an und sieht insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.
32 
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass die vom Senat durchgeführten Ermittlungen umso mehr dafür sprechen, dass über die bereits bekannten AU-Zeiten hinaus bereits eine beachtliche degenerative Vorschädigung der rechten Schulter bestand, was der Senat sowohl den Angaben des Dr. S. als auch der Karteikarte des Allgemeinmediziners K. entnimmt. Letztere belegt, dass der Kläger bereits vor dem stattgehabten Arbeitsunfall häufig wegen Beschwerden in der Schulterregion bei Allgemeinmediziner K. in Behandlung war, insbesondere vom 24. bis zum 29.05.1999 wegen einer Schulterdistorsion rechts und vom 02. bis 06.05.2005 wegen einer Läsion der Rotatorenmanschette krankgeschrieben war, wie dies zuletzt auch die AOK Stuttgart-Böblingen ebenso wie Dr. St., dem gegenüber der Kläger noch nicht einmal von einem Arbeitsunfall berichtet hat, bestätigt haben. Der Kläger hat auch nach dem Arbeitsunfall weitergearbeitet und sich erstmalig am 10.11.2008 bei einem Orthopäden, nämlich Dr. L. vorgestellt, hierbei einen sich vor ca. 8 Wochen ereigneten Unfall angegeben und wurde, da von einem Arbeitsunfall gerade nicht die Rede war, folgerichtig und entgegen § 11 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), wonach Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei einem Arbeitsunfall ausgeschlossen sind, zunächst auf Kosten der Krankenkasse behandelt. Deswegen haben Prof. Dr. W. und Dr. E. zu Recht einen Kausalzusammenhang in ihren Gutachten verneint haben. Soweit Dr. B. eine andere Ansicht vertreten hat, hat Dr. H. diesem Gutachten schlüssig entgegengehalten, dass das vom Sachverständigen gefundene Ergebnis schon insoweit widersprüchlich ist, als in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem stattgehabten Arbeitsunfall überhaupt keine Behandlungen erfolgt oder Arbeitsunfähigkeitszeiten festgestellt worden sind. Nach der unfallmedizinischen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 418) ist aber Indiz gegen den Kausalzusammenhang, wenn nach dem Unfallereignis keine Arbeitseinstellung erfolgt und kein Arzt am Unfalltag oder am Unfallfolgetag aufgesucht wird.
33 
Aus den Ausführungen des Beratungsarztes, auf die sich der Kläger gestützt hat, ergibt sich insoweit nichts anderes. Denn Dr. S. hat nur die MRT-Aufnahmen ausgewertet, deswegen ausdrücklich einen Vorbehalt hinsichtlich degenerativer Vorschaden gestellt und den Unfallhergang nicht gewürdigt. Die isolierte Auswertung der bildgebenden Diagnostik kann nicht eine Kausalität mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachweisen. Dies gilt auch für die Einschätzung des Radiologen Dr. R. im Arztbrief vom 21.11.2008 über das MRT vom 20.11.2008.
34 
Dessen ungeachtet weist der Senat darauf hin, dass sich die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. W. und Dr. E., die bereits einen für eine Rotatorenmanschettenruptur geeigneten Unfallhergang verneint haben, im Einklang mit der herrschenden wissenschaftlich-medizinischen Lehrmeinung dazu befinden, welche traumatischen Ereignisse geeignet sind, wesentlich ursächlich im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre eine Rotatorenmanschettenruptur zu verursachen. Hierzu wird in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 410, ausgeführt, dass ein Riss bzw. Teileinriss der Supraspinatussehne, d.h. der Riss der Rotatorenmanschette, durchaus traumatisch bedingt sein kann. Allerdings darf, um einen geeigneten Verletzungsmechanismus annehmen zu können, der Unfallhergang eine Zugbeanspruchung mit unnatürlicher Längendehnung der Supraspinatussehne nicht ausschließen. Eine solche Zugbeanspruchung ist aber gerade ausgeschlossen, wenn der Unfall eine direkte Krafteinwirkung auf die Schulter in Form eines Sturzes, einer Prellung oder eines Schlages bewirkt hat, da die Rotatorenmanschette durch den knöchernen Schutz der Schulterhöhe (Acromion) und den Deltamuskel gut geschützt ist (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.. S. 412 f.).
35 
Mithin hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Gesundheitsfolgen als Unfallfolge.
36 
Die Berufung des Klägers ist daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
37 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

Gründe

 
24 
Die nach §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Feststellung weiterer Unfallfolgen.
25 
Nach §§ 8 Abs. 1 Satz 2, 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger dann einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge, wenn ein Gesundheitsschaden durch den Versicherungsfall rechtlich wesentlich verursacht wird (BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R - NZS 2012, 909; Senatsurteil vom 27.03.2014 - L 6 U 4426/13 -).
26 
Dabei ist auf einer ersten Prüfungsstufe zu fragen, ob der Versicherungsfall eine naturwissenschaftlich-philosophische Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsstörung ist, wobei insoweit jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nach den einschlägigen Erfahrungssätzen nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Wenn festzustellen ist, dass der Versicherungsfall in diesem Sinne eine Bedingung für den Erfolg ist, ist auf der ersten Prüfungsstufe weiter zu fragen, ob es für den Eintritt des Erfolgs noch andere Ursachen i. S. der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie gibt; das können Bedingungen aus dem nicht versicherten Lebensbereich wie z. B. Vorerkrankungen, Anlagen, nicht versicherte Betätigungen oder Verhaltensweisen sein (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Hinsichtlich des Überzeugungsmaßstabs genügt für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (st. Rspr, z. B. BSG, Urteile vom 02.02.1978 - 8 RU 66/77 - SozR 2200 § 548 Nr. 38 - und 30.04.1985 - 2 RU 43/84 - SozR 2200 § 555a Nr. 1).
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Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, aus-reichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands.
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Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auf-fassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte.
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Bei dieser Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, ein-schließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, ferner das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein.
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Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls in einem oder mehreren Schritten zu prüfende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache das angeschuldigte Ereignis eine Ursache ist oder die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellte versicherte Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde.
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hält es der Senat nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass das Unfallereignis vom 04.08.2008 die geltend gemachten dauerhaften Gesundheitsschäden hervorgerufen hat. Das hat das SG in Auswertung der im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Prof. Dr. W. und Dr. E. ausführlich begründet und ebenso dargelegt, dass und aus welchen Gründen dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. B. nicht zu folgen ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung in vollem Umfang an und sieht insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.
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Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass die vom Senat durchgeführten Ermittlungen umso mehr dafür sprechen, dass über die bereits bekannten AU-Zeiten hinaus bereits eine beachtliche degenerative Vorschädigung der rechten Schulter bestand, was der Senat sowohl den Angaben des Dr. S. als auch der Karteikarte des Allgemeinmediziners K. entnimmt. Letztere belegt, dass der Kläger bereits vor dem stattgehabten Arbeitsunfall häufig wegen Beschwerden in der Schulterregion bei Allgemeinmediziner K. in Behandlung war, insbesondere vom 24. bis zum 29.05.1999 wegen einer Schulterdistorsion rechts und vom 02. bis 06.05.2005 wegen einer Läsion der Rotatorenmanschette krankgeschrieben war, wie dies zuletzt auch die AOK Stuttgart-Böblingen ebenso wie Dr. St., dem gegenüber der Kläger noch nicht einmal von einem Arbeitsunfall berichtet hat, bestätigt haben. Der Kläger hat auch nach dem Arbeitsunfall weitergearbeitet und sich erstmalig am 10.11.2008 bei einem Orthopäden, nämlich Dr. L. vorgestellt, hierbei einen sich vor ca. 8 Wochen ereigneten Unfall angegeben und wurde, da von einem Arbeitsunfall gerade nicht die Rede war, folgerichtig und entgegen § 11 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), wonach Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei einem Arbeitsunfall ausgeschlossen sind, zunächst auf Kosten der Krankenkasse behandelt. Deswegen haben Prof. Dr. W. und Dr. E. zu Recht einen Kausalzusammenhang in ihren Gutachten verneint haben. Soweit Dr. B. eine andere Ansicht vertreten hat, hat Dr. H. diesem Gutachten schlüssig entgegengehalten, dass das vom Sachverständigen gefundene Ergebnis schon insoweit widersprüchlich ist, als in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem stattgehabten Arbeitsunfall überhaupt keine Behandlungen erfolgt oder Arbeitsunfähigkeitszeiten festgestellt worden sind. Nach der unfallmedizinischen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 418) ist aber Indiz gegen den Kausalzusammenhang, wenn nach dem Unfallereignis keine Arbeitseinstellung erfolgt und kein Arzt am Unfalltag oder am Unfallfolgetag aufgesucht wird.
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Aus den Ausführungen des Beratungsarztes, auf die sich der Kläger gestützt hat, ergibt sich insoweit nichts anderes. Denn Dr. S. hat nur die MRT-Aufnahmen ausgewertet, deswegen ausdrücklich einen Vorbehalt hinsichtlich degenerativer Vorschaden gestellt und den Unfallhergang nicht gewürdigt. Die isolierte Auswertung der bildgebenden Diagnostik kann nicht eine Kausalität mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachweisen. Dies gilt auch für die Einschätzung des Radiologen Dr. R. im Arztbrief vom 21.11.2008 über das MRT vom 20.11.2008.
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Dessen ungeachtet weist der Senat darauf hin, dass sich die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. W. und Dr. E., die bereits einen für eine Rotatorenmanschettenruptur geeigneten Unfallhergang verneint haben, im Einklang mit der herrschenden wissenschaftlich-medizinischen Lehrmeinung dazu befinden, welche traumatischen Ereignisse geeignet sind, wesentlich ursächlich im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre eine Rotatorenmanschettenruptur zu verursachen. Hierzu wird in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 410, ausgeführt, dass ein Riss bzw. Teileinriss der Supraspinatussehne, d.h. der Riss der Rotatorenmanschette, durchaus traumatisch bedingt sein kann. Allerdings darf, um einen geeigneten Verletzungsmechanismus annehmen zu können, der Unfallhergang eine Zugbeanspruchung mit unnatürlicher Längendehnung der Supraspinatussehne nicht ausschließen. Eine solche Zugbeanspruchung ist aber gerade ausgeschlossen, wenn der Unfall eine direkte Krafteinwirkung auf die Schulter in Form eines Sturzes, einer Prellung oder eines Schlages bewirkt hat, da die Rotatorenmanschette durch den knöchernen Schutz der Schulterhöhe (Acromion) und den Deltamuskel gut geschützt ist (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.. S. 412 f.).
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Mithin hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Gesundheitsfolgen als Unfallfolge.
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Die Berufung des Klägers ist daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
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Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.