Landgericht Nürnberg-Fürth Beschluss, 07. Juni 2019 - 11 O 3362/19

bei uns veröffentlicht am07.06.2019

Gericht

Landgericht Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - wegen jeder Zuwiderhandlung

untersagt,

den Account des Antragstellers („@...“) auf twitter.com wegen der nachfolgenden Äußerung auf twitter.com befristet zu sperren:

„Aktueller Anlass: Dringende Wahlempfehlung für alle AfD-Wähler. Unbedingt den Stimmzettel unterschreiben. ;-)“

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

4. Mit dem Beschluss ist zuzustellen:

Antragsschrift vom 04.06.2019

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtet auf die Untersagung einer befristeten Sperre seines Accounts auf twitter.com wegen einer von ihm verfassten Äußerung.

Die Antragsgegnerin betreibt die Plattform „twitter.com“, unter anderem für Nutzer auch in Deutschland.

Der Antragssteller unterhält auf der Plattform den Account „@...“ und benötigt den Account auch für die Arbeit in seiner Firma ...

Am 05.05.2019 veröffentlichte der Antragsteller über sein Twitterprofil folgenden Tweet:

„Aktueller Anlass: Dringende Wahlempfehlung für alle AfD-Wähler. Unbedingt den Stimmzettel unterschreiben. ;-)“.

Am 06.05.2019 wurde der Antragsteller von der Antragsgegnerin darüber Informiert, dass sein Twitter-Account aufgrund dieses Tweets vorübergehend für zunächst 12 Stunden in einigen Funktionen eingeschränkt wurde.

Der Antragsteller legte noch am 06.05.2019 Einspruch gegen diese Sperre ein, dessen Eingang ihm von der Antragsgegnerin bestätigt wurde.

Am 07.05.2019 wurde der Antragsteller von der Antragsgegnerin darüber informiert, dass sein Twitter-Account nunmehr aufgrund dieses Tweets gesperrt wurde.

Hiergegen legte der Antragsteller noch am 07.05.2019 Einspruch ein, was ihm wiederum von der Antragsgegnerin bestätigt wurde.

Mit Schreiben vom 17.05.2019 mahnte der Antragsteller die Antragsgegnerin förmlich ab und forderte sie auf, seinen Account umgehend wieder freizuschalten. Er setzte der Antragsgegnerin hierfür eine Frist bis 18.05.2019, 14:00 Uhr.

Ein Ergebnis der Prüfung der Einspruchsbegehren des Antragstellers durch die Antragsgegnerin liegt bislang nicht vor, auch eine Reaktion auf die Abmahnung erfolgte nicht. Die Sperrung des Twitter-Accounts des Antragstellers dauert an. Er kann sich zwar noch bei Twitter einloggen, kann aber keine neuen Tweets veröffentlichen, andere Tweets lesen, retweeten, liken oder kommentieren.

Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellt der Antragsteller den Antrag gemäß Ziffer 1 der Tenorierung. Hilfsweise beantragt er:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Sperrung des Twitter-Accounts des Antragstellers „@...“ auf twitter.com wegen der Äußerung „Aktueller Anlass: Dringende Wahlempfehlung für alle AfD-Wähler. Unbedingt den Stimmzettel unterschreiben. ;-)“ aufzuheben.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat Erfolg.

1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Nürnberg-Fürth zuständig.

Die internationale und örtliche Zuständigkeit folgt aus Art. 7 EuGVVO. Für einen vertraglichen Anspruch folgt die Zuständigkeit insoweit aus Art. 7 Nr. 1 a) EuGVVO, da die Bereitstellung der Twitter-Dienste am Wohn-/Arbeitsort des Antragstellers zu erfüllen wäre. Ein Unterlassungsanspruch analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB unterfällt Art. 7 Nr. 2 EuGVVO. Die Begriffe „unerlaubte Handlung“ und „Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ sind autonom und weit auszulegen (BGH, Urt. v. 8.5.2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 zum damaligen Art. 5 Nr. 3 EuGVVO). Das schädigende Ereignis im Sinne der Norm tritt am Wohn-/Arbeitsort des Antragstellers ein, da sich die Sperre hier auswirkt. Der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, erfasst nämlich nicht nur den Handlungsort, sondern auch den Erfolgsort, d.h. den Ort, wo das haftungsauslösende Ereignis den unmittelbar Betroffenen direkt geschädigt hat (vgl. Dörner, in: Saenger, Zivilprozessordnung, 8. Auflage 2019, Art. 7 EuGVVO, Rn, 32 m.w.N.).

Die sachliche Zuständigkeit folgt aus §§ 937 Abs. 1 ZPO, § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG.

2. Der Antrag ist auch begründet, denn der Antragsteller begehrt zu Recht eine Untersagung der befristeten Sperre.

a) Dem Antragsteller steht ein entsprechender Verfügungsanspruch zu.

Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Unterlassung einer befristeten Sperre seines Twitter-Accounts wegen der im Tenor genannten Äußerung gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB (analog) i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

aa) Vorliegend ist deutsches Recht anwendbar.

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unter dem Punkt „5. Haftungsbeschränkung“ geregelt, dass die Antragsgegnerin einer begrenzten Haftung in Übereinstimmung mit den maximal zulässigen Einschränkungen gemäß den Gesetzen in jenem Land, in dem der Nutzer seinen Wohnsitz hat, unterliegt. Demnach ist deutsches Recht anwendbar.

bb) Zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin besteht ein Vertrag über die Nutzung der Plattform Twitter. Dabei kann der Betreiber einer solchen Plattform grundsätzlich auch Verhaltensregeln zur Nutzung der Plattform aufstellen und diese durch Sperrung des Nutzeraccounts durchsetzen.

Mit der Richtlinie zur Integrität von Wahlen aus April 2019 untersagte die Antragsgegnerin die Nutzung von Twitter mit dem Ziel, Wahlen zu manipulieren oder zu beeinträchtigen. Darunter falle das Posten oder Teilen von Inhalten, die sich negativ auf die Wahlbeteiligung auswirken oder falsche Angaben zum Termin, zum Ort, oder zum Ablauf einer Wahl machen. Als Reaktion auf einen Verstoß gegen die Richtlinie ist unter anderem vorgesehen, dass dem Nutzer der Zugriff auf seinen Account vorübergehend verwehrt wird bis hin zu einer permanenten Sperrung des Accounts. Auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist eine Sperrung eines Accounts unter Ziffer 4 vorgesehen.

Darüber hinaus steht dem Betreiber einer Internetplattform ein „virtuelles Hausrecht“ zu (vgl. etwa LG Ulm, Beschluss vom 13.1.2015 - 2 O 8/15, MMR 2016, 31; OLG Köln, Beschluss vom 25.8.2000 - 19 U 2/00, MMR 2001, 52; LG Mosbach, Beschluss vom 01.06.2018 - 1 O 108/18, BeckRS 2018, 20323).

cc) Dabei darf der Plattformbetreiber seine Befugnisse jedoch nicht grenzenlos ausüben, sondern wird beschränkt durch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes, insbesondere durch die mittelbare Drittwirkung der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG (so auch LG Mosbach, Beschluss vom 01.06.2018 - 1 O 108/18, BeckRS 2018, 20323).

Die Äußerung des Antragstellers, die die Sperrung des Accounts verursachte, ist vorliegend vom Grundrecht der Meinungsfreiheit erfasst. Es handelt sich erkennbar um die Äußerung eines bloßen Werturteils und nicht um die Behauptung unwahrer Tatsachen. Dabei ist bei satirischen Äußerungen zunächst der Aussagekern, d.h. der hinter dem wörtlichen Gehalt der Äußerung stehende Aussagegehalt zu ermitteln und zu bewerten (BeckOGK/Specht-Riemenschneider, 1.5.2019, BGB § 823 Rn. 1289 m.w.N.).

Betrachtet man die vorliegende Äußerung, so zeigt der Zwinker-Smiley am Ende des Tweets ganz klar, dass es sich vorliegend nicht um einen ernst gemeinten Rat an AfD-Wähler handelt. Vielmehr hat der Antragsteller vorliegend unter Verwendung von Satire bzw. Ironie seine ablehnende Haltung gegenüber der AfD ausgedrückt. Die Äußerung ist durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt (vgl. BVerfGE 85,1).

Dies ist als bloßes Werturteil von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit umfasst und nicht zu beanstanden.

Unter Berücksichtigung des Grundrechts der Meinungsfreiheit ist eine Sperrung des Accounts des Antragstellers im vorliegenden Fall daher nicht gerechtfertigt und zu untersagen. Aus diesem Grund kann es letztlich auch dahinstehen, ob die Richtlinie zur Integrität von Wahlen wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen wurde, da auch diese jedenfalls im Lichte des Grundrechts der Meinungsfreiheit auszulegen ist und dementsprechend die hier vorliegende zulässige Meinungsäußerung nicht erfasst.

b) Es besteht auch ein Verfügungsgrund, §§ 935, 940 ZPO.

Die besondere Dringlichkeit der Untersagung ergibt sich daraus, dass der Antragsteller seinen Twitteraccount auch für seine berufliche Tätigkeit benötigt. Die Beeinträchtigung besteht fort, der Antragsteller kann sich zwar noch bei Twitter einloggen, kann aber keine neuen Tweets veröffentlichen, andere Tweets lesen, retweeten, liken oder kommentieren.

Der Verfügungsgrund ist auch nicht aufgrund Zeitablaufs im Wege der Selbstwiderlegung der Dringlichkeit ausgeschlossen. Der Antragsteller erhielt von der Sperrung seines Accounts am 06.05. bzw. 07.05.2019 Kenntnis, der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ging am 04.06.2019 bei Gericht ein. Damit ist der zwischenzeitliche Zeitablauf grenzwertig (vgl. dazu OLG Nürnberg, Beschluss vom 13. November 2018 - 3 W 2064/18 -, wonach bei einem Zuwarten von mehr als einem Monat nach Kenntnis von der Verletzungshandlung die Eilbedürftigkeit in der Regel nicht mehr gegeben ist), führt aber noch nicht zu einer Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, zumal der Antragsteller zwischenzeitlich sowohl Einspruch gegen die Sperrungen eingelegt hat, als auch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17.05.2019 abgemahnt hat, ohne dass jeweils eine über eine bloße Bestätigung des Einspruchseingangs hinausgehende Reaktion seitens der Antragsgegnerin erfolgt wäre.

3. Die einstweilige Verfügung durfte vorliegend im Beschlusswege ohne mündliche Verhandlung ergehen, § 937 Abs. 2 ZPO.

Die besondere Dringlichkeit ergibt sich vorliegend daraus, dass angesichts des Sitzes der Antragsgegnerin in Irland bis zu einer erfolgreichen Zustellung der Antragsschrift und der Ladung erfahrungsgemäß mehrere Wochen vergehen würden, selbst wenn keine Übersetzung der Antragsschrift erforderlich sein sollte. Angesichts dessen würde das Recht des Antragstellers auf effektiven einstweiligen Rechtsschutzes konterkariert, wenn zunächst eine mündliche Verhandlung durchzuführen wäre.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Nürnberg-Fürth Beschluss, 07. Juni 2019 - 11 O 3362/19

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht Nürnberg-Fürth Beschluss, 07. Juni 2019 - 11 O 3362/19

Referenzen - Gesetze

Landgericht Nürnberg-Fürth Beschluss, 07. Juni 2019 - 11 O 3362/19 zitiert 11 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch


(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 935 Einstweilige Verfügung bezüglich Streitgegenstand


Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 940 Einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes


Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 23


Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfaßt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit sie nicht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten zugewiesen sind:1.Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Gelde

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 71


(1) Vor die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen, gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die nicht den Amtsgerichten zugewiesen sind. (2) Die Landgerichte sind ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes auss

Zivilprozessordnung - ZPO | § 937 Zuständiges Gericht


(1) Für den Erlass einstweiliger Verfügungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. (2) Die Entscheidung kann in dringenden Fällen sowie dann, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen ist, ohne mündliche Verhandl

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landgericht Nürnberg-Fürth Beschluss, 07. Juni 2019 - 11 O 3362/19 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Landgericht Nürnberg-Fürth Beschluss, 07. Juni 2019 - 11 O 3362/19 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Mai 2012 - VI ZR 217/08

bei uns veröffentlicht am 08.05.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 217/08 Verkündet am: 8. Mai 2012 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 13. Nov. 2018 - 3 W 2064/18

bei uns veröffentlicht am 13.11.2018

Tenor 1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 08.10.2018, Az. 11 O 6394/18, wird zurückgewiesen. 2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Referenzen

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 217/08 Verkündet am:
8. Mai 2012
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Satz 2; Brüssel I-VO Art. 5 Nr. 3; e-commerce-Richtlinie Art. 3 Abs. 1 und 2;

a) Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen
durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen
eines in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union niedergelassenen
Anbieters jedenfalls dann international zuständig, wenn die Person,
die sich in ihren Rechten verletzt fühlt, den Mittelpunkt ihrer Interessen in
Deutschland hat.

b) § 3 TMG enthält keine Kollisionsnorm, sondern ein sachrechtliches Beschränkungsverbot.

c) Zur Zulässigkeit des Bereithaltens nicht mehr aktueller Beiträge in dem für
Altmeldungen vorgesehenen Teil eines Internetportals (Online-Archiv), in denen
ein verurteilter Straftäter namentlich genannt wird.
BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Mai 2012 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner,
Pauge und Stöhr und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 7. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. Juli 2008 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18. Januar 2008 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der individualisierenden Berichterstattung über eine Straftat in Anspruch.
2
Der in Deutschland wohnhafte Kläger wurde im Jahr 1993 zusammen mit seinem Bruder wegen Mordes an dem bekannten Schauspieler Walter Sedlmayr zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Tat hatte erhebliches Aufsehen erregt. Der Kläger stellte mehrfach, zuletzt im Jahr 2004, Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens, vor deren Bescheidung er sich an die Presse wandte. Sein letzter Wiederaufnahmeantrag wurde im Jahr 2005 verworfen. Im Januar 2008 wurde der Kläger auf Bewährung aus der Strafhaft entlassen. Die in der Republik Österreich niedergelassene Beklagte betreibt das Internetportal www.rainbow.at. Dort hielt sie auf den für Altmeldungen vorgesehenen Seiten bis zum 18. Juni 2007 eine auf den 23. August 1999 datierte Meldung mit dem Titel "Wird der Sedlmayr-Mord neu verhandelt?" zum freien Abruf durch die Öffentlichkeit bereit. Darin heißt es unter voller Namensnennung der Betroffenen u.a.:
3
"W. und L. wollen beide ihre Unschuld nachweisen …
4
…Neun Jahre nach demMord an dem bayerischen Volksschauspieler Walter Sedlmayr wollen die beiden Verurteilten eine Neuauflage des Prozesses erzwingen. Der zu lebenslanger Haft verurteilte W. (44) reichte vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Beschwerde gegen das Urteil ein. Sein Halbbruder L. (46) ... will im September ebenfalls vor das Verfassungsgericht gehen. ... Sedlmayr war am 15. Juli 1990 tot im Schlafzimmer seiner Wohnung gefunden worden. Er hatte schwere Schädelverletzungen durch Hammerschläge und Stichwunden. W. und L. wurden 1993 in einem aufwendigen Indizienprozess nach 53 Verhandlungstagen verurteilt. Die beiden Brüder beauftragten mit der Verfassungsbeschwerde den Frankfurter Rechtsanwalt W. "Wir wollen beweisen, dass mehrere Hauptbelastungszeugen beim Prozess nicht die Wahrheit gesagt haben. Damit wären die Grundlagen für das Urteil erschüttert. Meine Mandanten sind unschuldig." …"
5
Der Kläger sieht in dem Bereithalten der seinen Namen enthaltenden Altmeldung zum Abruf im Internet eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Mit der Klage verlangt er von der Beklagten, es zu unterlassen, über ihn im Zusammenhang mit der Tat unter voller Namensnennung zu berich- ten. Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
6
Der erkennende Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 10. November 2009 (VersR 2010, 226) ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (nachfolgend: Gerichtshof) gemäß Art. 234 EG um eine Vorabentscheidung zur Auslegung von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1 ff., nachfolgend: EuGVVO) und von Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs , im Binnenmarkt (ABl. L 178, S. 1, nachfolgend: e-commerce-Richtlinie) ersucht. Der Gerichtshof hat hierüber durch Urteil vom 25. Oktober 2011 (Rs. C-509/09, AfP 2011, 565 - eDate Advertising) entschieden.

Entscheidungsgründe:

I.

7
Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO bejaht. Das schädigende Ereignis drohe in Deutschland einzutreten, da der Internetauftritt der Beklagten bestimmungsgemäß hier abgerufen werden könne. Dementsprechend sei der vom Kläger geltend gemachte Anspruch gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nach deutschem Recht zu beurteilen. Aus § 3 Abs. 2 TMG folge nichts anderes, da diese Norm keinen kollisionsrechtlicher Charakter habe. In dem Bereithalten der den Kläger identifizierenden Meldung zum Abruf im Internet liege eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers, die einen Unterlassungsanspruch aus den § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG begründe. Der Kläger habe sich Mitte des Jahres 2006, als die Meldung noch abrufbar gewesen sei, kurz vor der Entlassung aus der Strafhaft unter Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung befunden, weshalb eine Konstellation gegeben gewesen sei, wie sie der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Juni 1973 (BVerfGE 35, 202 ff. - Lebach I) zugrunde gelegen habe. Das im Hinblick auf seine bevorstehende Wiedereingliederung in die Gesellschaft besonders schutzwürdige Interesse des Klägers, nicht weiterhin öffentlich mit der Tat konfrontiert zu werden, überwiege das Interesse der Beklagten an der weiteren Verbreitung der Meldung umso mehr, als die Einschränkungen, die dem Verbreiter solcher Meldungen auferlegt würden, denkbar gering seien. Diesem werde nämlich nicht die Berichterstattung über die Tat, sondern nur die Nennung der Namen der Täter untersagt.
8
Der Umstand, dass - wie auch im Streitfall - Meldungen im Internet häufig dauerhaft abrufbar gehalten würden und als ältere Meldungen erkennbar seien, rechtfertige keine andere Beurteilung. Es mache keinen Unterschied, ob die Identität des Betroffenen in einer neuen oder in einer älteren Meldung preisgegeben werde. Es komme auch nicht darauf an, ob die beanstandete Meldung mittels Suchmaschinen oder Querverweisen über ein auf die Tat bezogenes Schlagwort oder über den Namen des Täters auffindbar sei. Auch der Umstand, dass über das Internet verbreiteten Meldungen in der Regel ein geringerer Verbreitungsgrad zukomme als Meldungen, die über die Tagespresse, Rundfunk oder Fernsehen verbreitet würden, lasse nicht die Anlegung anderer als der vom Bundesverfassungsgericht für die Massenmedien entwickelten Maßstäbe zu.
9
Die Beklagte sei hinsichtlich der Rechtsbeeinträchtigung auch Störer. Ihre Störereigenschaft könne insbesondere nicht im Hinblick darauf verneint werden , dass es sich bei dem Teil des Internetauftritts, in dem die beanstandete Meldung zum Abruf bereitgehalten worden sei, um ein privilegiertes Internetarchiv handle. Denn eine über das Internet allgemein zugängliche, in die Rubrik "Archiv" eingestellte Äußerung werde ebenso verbreitet wie jede andere Äußerung auch. Der Rubrik, in der die beanstandete Meldung zum Abruf bereitgehalten werde, komme auch unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einer Kontrolle über den eigenen Internetauftritt keine Bedeutung zu. Ferner sei unerheblich , ob bereits die erstmalige Veröffentlichung der beanstandeten Inhalte rechtswidrig oder ob die Verbreitung der Meldung ursprünglich rechtmäßig gewesen sei.
10
Aus dem Herkunftslandprinzip des § 3 Abs. 2 TMG folge nichts anderes, da das weitere Zugänglichhalten der Meldung unter Namensnennung auch nach österreichischem Recht unzulässig gewesen sei. Nach österreichischem Recht stehe dem Kläger ein Unterlassungsanspruch aus § 1330 Abs. 1 des Österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Verbindung mit § 7a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Österreichischen Mediengesetzes zu. Die große Bedeutung , die das österreichische Recht dem Schutz der Resozialisierung eines aus der Strafhaft entlassenen verurteilten Straftäters beimesse, komme in § 113 des Österreichischen Strafgesetzbuches zum Ausdruck.

II.

11
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Dem Kläger steht kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.
12
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz zu prüfen ist (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, VersR 2012, 114 Rn. 10 - Blog-Eintrag; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, BGHZ 190, 28 Rn. 16, jeweils mwN). Sie ergibt sich, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat, aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Nach dieser Bestimmung kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor dem Gericht desjenigen Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden.
13
a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Begriffe "unerlaubte Handlung" und "Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist" in Art. 5 Nr. 3 EuGVVO autonom und weit auszulegen. In diesem Gerichtsstand sind alle Klagen zulässig, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpft (vgl. EuGH, Urteile vom 25. Oktober 2011 - Rs. C-509/09, AfP 2011, 565 Rn. 38 - eDate Advertising; zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ: EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2002 - Rs. C-167/00, NJW 2002, 3617 Rn. 36 - Henkel, jeweils mwN). Abzugrenzen ist die unerlaubte Handlung ebenso wie die ihr gleichgestellte Handlung von einem Vertrag, d.h. von einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung. Unter den Begriff der unerlaubten Handlung fallen daher auch Persönlichkeitsrechts- oder Ehrverletzungen (vgl. EuGH, Urteile vom 25. Oktober 2011 - Rs. C-509/09, aaO Rn. 42 ff. - eDate Advertising; vom 7. März 1995 - Rs. C-68/93 - Slg. 1995, I-415 Rn. 17 ff. - Shevill). Erfasst werden neben Ansprüchen auf Geldersatz auch Unterlassungsansprüche. Auf den Eintritt eines Schadens kommt es nicht an. Ausweislich des Wortlauts des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO fallen auch vorbeugende Klagen in den Anwendungsbereich der Bestimmung (vgl. EuGH, Urteile vom 25. Oktober 2011 - Rs. C-509/09, aaO Rn. 35 - eDate Advertising; vom 1. Oktober 2002 - Rs. C-167/00, aaO Rn. 44 ff. - Henkel; BGH, Urteil vom 24. Oktober 2005 - II ZR 329/03, VersR 2006, 566; MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl., Art. 5 EuGVVO, Rn. 56, 59).
14
b) Die Frage, wie das Tatbestandsmerkmal "Ort, an dem das schädigende Ereignis einzutreten droht" in Art. 5 Nr. 3 EuGVVO bei (drohenden) Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Inhalte auf einer Internet-Website auszulegen ist, hat der Senat dem Gerichtshof mit Beschluss vom 10. November 2009 ge- mäß Art. 234 EGV (jetzt: Art. 267 AEUV) zur Vorabentscheidung vorgelegt (VersR 2010, 226). Der Gerichtshof hat die Frage mit Urteil vom 25. Oktober 2011 (Rs. C-509/09, aaO - eDate Advertising) wie folgt beantwortet:
15
"Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Inhalte, die auf einer Website veröffentlicht worden sind, die Person, die sich in ihren Rechten verletzt fühlt, die Möglichkeit hat, entweder bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem der Urheber dieser Inhalte niedergelassen ist, oder bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet, eine Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens zu erheben. Anstelle einer Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens kann diese Person ihre Klage auch vor den Gerichten jedes Mitgliedstaats erheben, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war. Diese sind nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts verursacht worden ist."
16
Zur Begründung hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die von ihm für Schadensersatzklagen wegen ehrverletzender Äußerungen in einem Druckerzeugnis entwickelten Kriterien (vgl. Urteil vom 7. März 1995, C-68/93, aaO, - Shevill) für Internetsachverhalte fortzuschreiben seien. Die Auswirkungen eines im Internet veröffentlichten Inhalts auf die Persönlichkeitsrechte einer Person könnten am besten von dem Gericht des Ortes beurteilt werden, an dem das mutmaßliche Opfer den Mittelpunkt seiner Interessen habe. Der Ort, an dem eine Person den Mittelpunkt ihrer Interessen habe, entspreche im Allgemeinen ihrem gewöhnlichen Aufenthalt. Allerdings könne eine Person den Mit- telpunkt ihrer Interessen auch in einem anderen Mitgliedstaat haben, in dem sie sich gewöhnlich nicht aufhalte, sofern andere Indizien wie die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit einen besonders engen Bezug zu diesem Staat herstellten (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 - Rs. C-509/09, aaO Rn. 48 f. - eDate Advertising).
17
Diese Grundsätze gelten auch für Unterlassungsklagen (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 - Rs. C-509/09, aaO Rn. 35 - eDate Advertising; Hess, JZ 2012, 189, 191).
18
c) Danach ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte vorliegend gegeben. Der Mittelpunkt der Interessen des Klägers befand und befindet sich in Deutschland. Hier hat er seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Lebensmittelpunkt. Hier wohnt er und ist sozial und familiär eingebunden (zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts vgl. Hess, JZ 2012, 189, 191 f.; Mankowski , EWiR 2011, 743 f.). Hier wirkt sich eine Verletzung seines Achtungsanspruchs aus.
19
2. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Klageantrag hinreichend bestimmt. Er ist dahingehend auszulegen , dass der Beklagten untersagt werden soll, auf ihrer Internetseite nicht mehr aktuelle Meldungen zum Abruf bereit zu halten, in denen im Zusammenhang mit dem Mord an Walter Sedlmayr der Name des Klägers genannt wird. Der Klageantrag ist dagegen nicht auf Unterlassung jedweder künftigen Berichterstattung gerichtet. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der Klagebegründung, die zur Ermittlung des Klagebegehrens heranzuziehen ist (vgl. Senatsurteile vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08 - VersR 2009, 1269 Rn. 13; vom 22. Februar 2011 - VI ZR 346/09, AfP 2011, 180 Rn. 8 - Internetportal faz.net; BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 17 - jugendgefährdende Medien bei e-Bay, jeweils mwN). Der Kläger hat schriftsätzlich deutlich gemacht , dass er sich lediglich gegen das weitere Vorhalten ihn identifizierender Altmeldungen wie der konkret angegriffenen zum Abruf im Internet wendet. In diesem Sinne haben auch die Vorinstanzen das Begehren des Klägers verstanden. Dieses Verständnis hat der Kläger auch in der Revisionserwiderung bestätigt.
20
3. Die Klage ist aber nicht begründet.
21
a) Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nach deutschem Recht zu beurteilen ist. Dieses Ergebnis folgt aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB.
22
aa) Die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (nachfolgend: Rom II-Verordnung) ist im Streitfall nicht anwendbar, da gemäß deren Art. 1 Abs. 2 lit. g außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Persönlichkeitsrechte vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind.
23
bb) Art. 40 EGBGB wird auch nicht durch § 3 Abs. 2 TMG in der hier noch maßgeblichen Fassung vom 26. Februar 2007 verdrängt. Denn diese Bestimmung enthält keine Kollisionsnorm.
24
(1) Der mit dem Begriff "Herkunftslandprinzip" überschriebene § 3 TMG regelt in seinem Absatz 1, dass in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassene Diensteanbieter und ihre Telemedien den Anforderungen des deutschen Rechts auch dann unterliegen, wenn die Telemedien in einem anderen Staat innerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (nachfolgend: e-commerceRichtlinie ) geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 TMG wird der freie Dienstleistungsverkehr von Telemedien, die in der Bundesrepublik Deutschland von Diensteanbietern geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden, die in einem anderen Staat innerhalb des Geltungsbereichs der e-commerce-Richtlinie niedergelassen sind, nicht eingeschränkt.
25
(2) Die Rechtsnatur und Reichweite des in § 3 TMG angeordneten Herkunftslandprinzips sind im Einklang mit Art. 3 der e-commerce-Richtlinie zu bestimmen , dessen Umsetzung die genannte nationale Vorschrift dient (vgl. BTDrucks. 14/7345, S. 31; 16/3078, S. 14; Vorlagebeschluss vom 10. November 2009, AfP 2010, 150; vgl. auch Nickels, Der Betrieb 2001, 1919, 1923; ders., CR 2002, 302, 304).
26
(a) Der Senat hat deshalb mit Beschluss vom 10. November 2009 dem Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG (jetzt: Art. 267 AEUV) vorgelegt, ob die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 1 und 2 der e-commerce-Richtlinie kollisionsrechtlichen Charakter in dem Sinne haben, dass sie auch für den Bereich des Zivilrechts unter Verdrängung der nationalen Kollisionsnormen die alleinige Anwendung des im Herkunftsland geltenden Rechts anordnen oder ob es sich bei diesen Vorschriften um ein Korrektiv auf materiell-rechtlicher Ebene handelt, durch das das sachlich-rechtliche Ergebnis des nach den nationalen Kollisionsnormen für anwendbar erklärten Rechts inhaltlich modifiziert und auf die Anforderungen des Herkunftslandes reduziert wird.
27
(b) Der Gerichtshof hat die Frage mit Urteil vom 25. Oktober 2011 (C509 /09, aaO - eDate Advertising) wie folgt beantwortet:
28
"Art. 3 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft , insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr") ist dahin auszulegen, dass er keine Umsetzung in Form einer speziellen Kollisionsregel verlangt. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch vorbehaltlich der bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2001/31 gestatteten Ausnahmen im koordinierten Bereich sicherstellen, dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs keinen strengeren Anforderungen unterliegt , als sie das im Sitzmitgliedstaat dieses Anbieters geltende Sachrecht vorsieht."
29
Zur Begründung hat der Gerichtshof (aaO, Rn. 60 ff.) u.a. ausgeführt, dass bei der Auslegung des Art. 3 der Richtlinie deren Art. 1 Abs. 4 zu berücksichtigen sei, wonach die Richtlinie keine zusätzlichen Regeln im Bereich des internationalen Privatrechts hinsichtlich des anwendbaren Rechts schaffe. Eine Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie dahin, dass sie zu einer Anwendung des im Sitzmitgliedstaat geltenden Sachrechts führe, ziehe nicht ihre Einordnung als Regel im Bereich des internationalen Privatrechts nach sich. Dieser Absatz verpflichte die Mitgliedstaaten in erster Linie dazu, dafür Sorge zu tragen , dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht würden, den in diesen Mitgliedstaaten geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprächen, die in den koordinierten Bereich fallen. Die Auferlegung einer solchen Verpflichtung weise nicht die Merkmale einer Kollisionsregel auf, die dazu bestimmt wäre, einen spezifischen Konflikt zwischen mehreren zur Anwendung berufenen Rechtsordnungen zu lösen. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie untersage den Mitgliedstaaten, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat aus Gründen einzuschränken, die in den koordinierten Bereich fallen. Aus Art. 1 Abs. 4 in Verbindung mit dem 23. Erwägungsgrund der Richtlinie folge dagegen, dass es den Aufnahmemitgliedstaaten grundsätzlich freistehe , das anwendbare Sachrecht anhand ihres internationalen Privatrechts zu bestimmen, soweit sich daraus keine Einschränkung der Freiheit zur Erbringung von Diensten des elektronischen Geschäftsverkehrs ergebe.
30
(c) Danach enthält auch die Bestimmung des § 3 TMG, die wie Art. 3 der e-commerce-Richtlinie auszulegen ist (BT-Drucks. 14/7345, S. 31; Nickels, Der Betrieb 2001, 1919, 1923; ders., CR 2002, 302, 304), keine Kollisionsnorm, sondern ein sachrechtliches Beschränkungsverbot (vgl. auch Sack, EWS 2011, 513 ff.; Hess, JZ 2012, 189, 192; Spindler, CR 2012, 176, 177; Brand, NJW 2012, 127, 130).
31
cc) Der nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB maßgebliche Erfolgsortliegt in Deutschland. Hier wird die Achtung, die der in Deutschland wohnhafte Kläger in seinem Lebenskreis in Deutschland genießt, gestört bzw. gefährdet (vgl. zur Störung des Achtungsanspruchs am Wohnort des Betroffenen: Senatsurteile vom 3. Mai 1977 - VI ZR 24/75, NJW 1977, 1590 f.; vom 2. März 2010 - VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Rn. 23). Hier kollidiert sein Interesse an der Unterlassung der sein Persönlichkeitsrecht berührenden Veröffentlichung mit dem Interesse der Beklagten an der Gestaltung ihres Internetauftritts und an einer Berichterstattung.
32
dd) Sein Bestimmungsrecht zugunsten deutschen Rechts gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB hat der Kläger in der Klageschrift ausgeübt.

33
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger aber kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.
34
aa) Das Berufungsgericht hat allerdings mit Recht angenommen, dass das Bereithalten der den Kläger namentlich als wegen Mordes Verurteilten bezeichnenden Meldung zum Abruf im Internet einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellt. Denn die Berichterstattung über eine Straftat unter namentlicher Nennung des Straftäters beeinträchtigt zwangsläufig dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens , weil sie sein Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 10 - Online-Archiv I mit NA-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2010 - 1 BvR 535/10; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08 - Online-Archiv II mit NABeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2010 - 1 BvR 923/10; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, AfP 2010, 261 Rn. 11 mit NA-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2010 - 1 BvR 1316/10; vom 22. Februar 2011 - VI ZR 346/09, AfP 2011, 180 Rn. 10 - Internetportal faz.net; BVerfGE 35, 202, 226; BVerfG, NJW 2006, 2835 Rn. 10; AfP 2009, 365 Rn. 15). Dies gilt nicht nur bei aktiver Informationsübermittlung durch die Medien , wie es im Rahmen der herkömmlichen Berichterstattung in Tagespresse, Rundfunk oder Fernsehen geschieht, sondern auch dann, wenn - wie im Streitfall - den Täter identifizierende Inhalte lediglich auf einer passiven Darstellungsplattform im Internet zum Abruf bereitgehalten werden (vgl. BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17). Diese Inhalte sind nämlich grundsätzlich jedem interessierten Internetnutzer zugänglich (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO - Online-Archiv I; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO - Online-Archiv II; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, aaO; Verweyen/Schulz, AfP 2008, 133, 137).
35
bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat es das Berufungsgericht auch für geboten erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs - und Medienfreiheit zu entscheiden. Die Beklagte als ausländische juristische Person mit Sitz in der Europäischen Union kann sich in europarechtskonformer Erweiterung des Anwendungsbereichs des Art. 19 Abs. 3 GG im vorliegenden Zusammenhang auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen (vgl. BVerfG, NJW 2011, 3428 Rn. 69 ff.). Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO Rn. 11 - Online-Archiv I; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 14 - Online-Archiv II; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, aaO; vom 22. Februar 2011 - VI ZR 346/09, AfP 2011, 180 Rn. 11 - Internetportal faz.net, jeweils mwN). Insoweit ist die Rechtslage anders als bei der Verletzung absoluter Rechte wie beispielsweise des Urheberrechts, bei der der Eingriff in das Recht die Rechtswidrigkeit regelmäßig indiziert (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 1957 - GSZ 1/56, BGHZ 24, 21, 27 f.; Urteile vom 12. Juli 1996 - V ZR 280/94, VersR 1997, 119; vom 5. Oktober 2010 - I ZR 127/09, GRUR 2011, 335 Rn. 12, 24; Dauner-Lieb/Langen/Katzenmeier, BGB, 2. Aufl., § 823 Rn. 7 mwN).
36
cc) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch das Bereithalten der beanstandeten Inhalte zum Abruf im Internet in rechtswidriger Weise verletzt worden sei. Das Berufungsgericht hat die besonderen Umstände des Streitfalles nicht ausreichend berücksichtigt und das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung mit einem zu geringen Gewicht in die Abwägung eingestellt.
37
(1) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61 f., jeweils mwN). Danach müssen wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. BVerfGE 97, 391, 404 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17).
38
Geht es um eine Berichterstattung über eine Straftat, so ist zu berücksichtigen , dass eine solche Tat zum Zeitgeschehen gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. BVerfGE 35, 202, 230 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 18; vgl. auch Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204).
39
Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung mit der damit zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang. Denn wer den Rechtsfrieden bricht und durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird (vgl. BVerfGE 35, 202, 231 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 19; vgl. auch Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204; vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 22 f.; vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04, VersR 2006, 274 Rn. 14).
40
Mit zeitlicher Distanz zur Straftat gewinnt dagegen das Interesse des Täters , von einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben, zunehmende Bedeutung. Das Persönlichkeitsrecht bietet Schutz vor einer zeitlich uneingeschränkten Befassung der Medien mit der Person des Straftäters und seiner Privatsphäre (vgl. BVerfGE 35, 202, 233; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 21).
Hat die das öffentliche Interesse veranlassende Tat mit der Verfolgung und Verurteilung die gebotene rechtliche Sanktion erfahren und ist die Öffentlichkeit hierüber hinreichend informiert worden, lassen sich wiederholte Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Täters im Hinblick auf sein Interesse an der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft nicht ohne weiteres rechtfertigen. Hiermit ist allerdings keine vollständige Immunisierung vor der ungewollten Darstellung persönlichkeitsrelevanter Geschehnisse gemeint. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit ihrer Tat konfrontiert zu werden. Selbst die Verbüßung der Strafhaft führt nicht dazu, dass ein Täter den uneingeschränkten Anspruch erwirbt, mit der Tat "allein gelassen zu werden". Maßgeblich ist vielmehr stets, in welchem Ausmaß das Persönlichkeitsrecht einschließlich des Resozialisierungsinteresses des Straftäters von der Berichterstattung unter den konkreten Umständen des Einzelfalls beeinträchtigt wird (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO Rn. 16 - Online-Archiv I mit NABeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2010 - 1 BvR 535/10; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 19 - Online-Archiv II mit NABeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2010 - 1 BvR 923/10; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, AfP 2010, 261 Rn. 17 mit NA-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2010 - 1 BvR 1316/10; vom 1. Februar 2011 - VI ZR 345/09, VersR 2011, 634 Rn. 17; BVerfG, NJW 2000, 1859, 1860; AfP 2009, 365 Rn. 21; EGMR, Urteil vom 7. Dezember 2006 - Beschwerde Nr. 35841/02, - Österreichischer Rundfunk gegen Österreich, Nr. 68, ÖJZ 2007, 472, 473, jeweils mwN). Für die Intensität der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts kommt es auch auf die Art und Weise der Darstellung , insbesondere auf den Grad der Verbreitung des Mediums an. So stellt eine Fernsehberichterstattung in der Regel einen weitaus stärkeren Eingriff in
die Privatsphäre des Betroffenen dar als eine Wortberichterstattung (vgl. BVerfG, NJW 2000, 1859, 1860 und AfP 2009, 365 Rn. 21, jeweils mwN).
41
(2) Nach diesen Grundsätzen hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und an der Achtung seines Privatlebens vorliegend hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten. Zwar kommt dem Interesse des Klägers, von einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben, vorliegend erhöhtes Gewicht zu. Die von ihm begangene Straftat und die Verurteilung liegen lange zurück; der Kläger ist im Januar 2008 aus der Strafhaft entlassen worden. Andererseits beeinträchtigt die beanstandete Meldung sein Persönlichkeitsrecht einschließlich seines Resozialisierungsinteresses unter den besonderen Umständen des Streitfalls nicht in erheblicher Weise. Sie ist insbesondere nicht geeignet, den Kläger "ewig an den Pranger" zu stellen oder in einer Weise "an das Licht der Öffentlichkeit zu zerren", die ihn als Straftäter (wieder) neu stigmatisieren könnte.
42
Die Meldung enthält wahrheitsgemäße Aussagen über ein Kapitalverbrechen an einem bekannten Schauspieler, das erhebliches öffentliches Aufsehen erregt hatte. In ihr werden die Umstände der Tat und das Strafverfahren sachbezogen und objektiv dargestellt. Die den Kläger identifizierenden Angaben in der Meldung waren unter Berücksichtigung der Schwere des Verbrechens, der Bekanntheit des Opfers, des erheblichen Aufsehens, das die Tat in der Öffentlichkeit erregt hatte, und des Umstands, dass sich der Kläger noch im Jahr 2004 unter Inanspruchnahme aller denkbaren Rechtsbehelfe um die Aufhebung seiner Verurteilung bemüht und sich zu diesem Zweck gezielt an die Öffentlichkeit gewandt hatte, zum Zeitpunkt der Einstellung der Meldung in den Internetauftritt der Beklagten zulässig. Der Kläger stand zu diesem Zeitpunkt "im Licht der Öffentlichkeit"; durch die erstmalige Veröffentlichung der streitgegenständli- chen Meldung wurde er nicht in unzulässiger Weise "erneut in das Licht der Öffentlichkeit gezerrt" (vgl. BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 30, 33).
43
In der Art und Weise, wie die Meldung in der Folgezeit zum Abruf bereitgehalten wurde, kam ihr eine nur geringe Breitenwirkung zu. Der Verbreitungsgrad des konkret gewählten Mediums war gering; eine Fallgestaltung, wie sie der Lebach-I-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 35, 202) zugrunde lag, ist nicht gegeben. Gegenstand dieser Entscheidung war eine Fernsehdokumentation zur besten Sendezeit, die zu einem intensiven Nacherleben der Straftat unter Betonung der emotionalen Komponente führte (vgl. BVerfGE 35, 202, 228 f.). Unter den damaligen Fernsehbedingungen war gerade für eine solche Sendung mit einer besonders hohen Einschaltquote zu rechnen (BVerfGE 35, 202, 227 f.). Hingegen setzte eine Kenntnisnahme vom Inhalt der beanstandeten Meldung im Streitfall eine gezielte Suche voraus. Die Meldung wurde nur auf einer als passive Darstellungsplattform geschalteten Website angeboten, die typischerweise nur von solchen Nutzern zur Kenntnis genommen wird, die sich selbst aktiv informieren (vgl. BVerfG, NJW 2003, 2818, 2819; NJW 2008, 1298 Rn. 20; Feldmann, JurisPR-ITR 15/2009 Anm. 5). Sie war auch nicht (mehr) auf den aktuellen Seiten des Internetauftritts der Beklagten zugänglich, wo sie dem Nutzer unmittelbar nach Aufruf der Homepage der Beklagten ins Auge hätte fallen können. Vielmehr war sie ausweislich der Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, nur noch auf den für Altmeldungen vorgesehenen Seiten des Internetauftritts der Beklagten zugänglich und ausdrücklich - und für den Nutzer ohne weiteres ersichtlich - als Altmeldung gekennzeichnet. Sie war auch nicht in sonstiger Weise in einen Kontext eingebettet, der ihr den Anschein der Aktualität oder den Charakter einer erneuten Berichterstattung verlieh und die Annahme rechtfertigen würde, die Beklagte habe sich erneut bzw. zeitlich uneingeschränkt mit der Person des Straftäters befasst (vgl. dazu Hoecht, AfP 2009, 342, 346 f.; von Petersdorff-Campen, ZUM 2008, 102, 107; Feldmann, aaO; LG Düsseldorf, ZUM 2008, 156).
44
Zugunsten der Beklagten fällt darüber hinaus ins Gewicht, dass ein anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit nicht nur an der Information über das aktuelle Zeitgeschehen, sondern auch an der Möglichkeit besteht, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse zu recherchieren (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO Rn. 20 - Online-Archiv I; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 23 - Online-Archiv II; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, aaO Rn. 21; vom 22. Februar 2011 - VI ZR 346/09, AfP 2011, 180 Rn. 20 - Internetportal faz.net; OLG Köln, AfP 2007, 126, 127; KG, AfP 2006, 561, 563; OLG Frankfurt, ZUM 2007, 915, 917; AfP 2006, 568, 569; Hoecht, aaO, 345 ff.; Libertus, MMR 2007, 143, 148). Dementsprechend nehmen die Medien ihre Aufgabe, in Ausübung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken, auch dadurch wahr, dass sie nicht mehr aktuelle Veröffentlichungen für interessierte Mediennutzer verfügbar halten. Ein generelles Verbot der Einsehbarkeit und Recherchierbarkeit bzw. ein Gebot der Löschung aller früheren den Straftäter identifizierenden Darstellungen in "Online-Archiven" würde dazu führen, dass Geschichte getilgt und der Straftäter vollständig immunisiert würde (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO - Online-Archiv I; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO - Online-Archiv II; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, aaO; vom 22. Februar 2011 - VI ZR 346/09, AfP 2011, 180 Rn. 20 - Internetportal faz.net; Hoecht, aaO, S. 345 f.; Dreier, FS Loewenheim, 2009, S. 67, 68, 76 mwN). Hierauf hat der Täter aber keinen Anspruch (vgl. BVerfG, NJW 2000, 1859, 1860; AfP 2009, 365 Rn. 21). Dies gilt insbesondere bei einem schweren Kapitalverbrechen wie im vorliegenden Fall, das in der Öffentlichkeit besondere Aufmerksamkeit erregt hat.
45
Weiterhin ist zu beachten, dass das vom Kläger begehrte Verbot einen abschreckenden Effekt auf den Gebrauch der Meinungs- und Pressefreiheit hätte, der den freien Informations- und Kommunikationsprozess einschnüren würde (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO Rn. 21 - Online-Archiv I; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 24 - OnlineArchiv II; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, aaO Rn. 22; vom 1. Februar 2011 - VI ZR 345/09, aaO Rn. 22; BVerfGE 93, 266, 292; 99, 185, 197; BVerfG AfP 2009, 480 Rn. 62; vgl. ferner BGH, Urteil vom 1. April 2004 - I ZR 317/01, BGHZ 158, 343, 353). Die Beklagte könnte ihren verfassungsrechtlichen Auftrag , in Wahrnehmung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren, nicht vollumfänglich erfüllen, wenn es ihr generell verwehrt wäre, dem interessierten Nutzer den Zugriff auf frühere Veröffentlichungen zu ermöglichen. Würde auch das weitere Bereithalten als solcher erkennbarer und im Zeitpunkt der erstmaligen Veröffentlichung zulässiger Altmeldungen auf für Altmeldungen vorgesehenen Seiten zum Abruf im Internet nach Ablauf einer gewissen Zeit oder nach Veränderung der zugrunde liegenden Umstände ohne weiteres unzulässig und wäre die Beklagte verpflichtet, sämtliche archivierten Beiträge von sich aus immer wieder auf ihre Rechtmäßigkeit zu kontrollieren, würde die Meinungs - und Medienfreiheit in unzulässiger Weise eingeschränkt. Angesichts des mit einer derartigen Kontrolle verbundenen personellen und zeitlichen Aufwands bestünde die erhebliche Gefahr, dass die Beklagte entweder ganz von einer der Öffentlichkeit zugänglichen Archivierung absehen oder bereits bei der erstmaligen Veröffentlichung die Umstände ausklammern würde, die - wie vorliegend der Name des Straftäters - das weitere Vorhalten des Beitrags später rechtswidrig werden lassen könnten, an deren Mitteilung die Öffentlichkeit aber im Zeitpunkt der erstmaligen Berichterstattung ein schützenswertes Interesse hat.

46
dd) Eine andere rechtliche Beurteilung ist auch nicht nach den Grundsätzen des Datenschutzrechts geboten. Der Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes ist im Streitfall nicht eröffnet. Selbst wenn es sich bei dem Bereithalten der den Namen des Klägers enthaltenden Meldung zum Abruf im Internet um ein "Verarbeiten" personenbezogener Daten im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG handelte, wäre die Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes jedenfalls nach dessen § 1 Abs. 5 Satz 1 ausgeschlossen. Danach findet das Gesetz keine Anwendung, wenn eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum belegene verantwortliche Stelle personenbezogene Daten im Inland erhebt, verarbeitet oder nutzt, es sei denn, dies erfolgt durch eine Niederlassung im Inland (vgl. auch BT-Drucks. 14/4329, S. 29; Jotzo, MMR 2009, 232, 233). Die beanstandete Meldung wurde aber von der in Österreich - und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union - ansässigen Beklagten zum Abruf im Internet bereitgehalten.

47
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Galke Wellner Pauge Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 18.01.2008 - 324 O 548/07 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.07.2008 - 7 U 22/08 -

(1) Für den Erlass einstweiliger Verfügungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig.

(2) Die Entscheidung kann in dringenden Fällen sowie dann, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen ist, ohne mündliche Verhandlung ergehen.

Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfaßt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit sie nicht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten zugewiesen sind:

1.
Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von fünftausend Euro nicht übersteigt;
2.
ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes:
a)
Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses; diese Zuständigkeit ist ausschließlich;
b)
Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirten, Fuhrleuten, Schiffern oder Auswanderungsexpedienten in den Einschiffungshäfen, die über Wirtszechen, Fuhrlohn, Überfahrtsgelder, Beförderung der Reisenden und ihrer Habe und über Verlust und Beschädigung der letzteren, sowie Streitigkeiten zwischen Reisenden und Handwerkern, die aus Anlaß der Reise entstanden sind;
c)
Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes; diese Zuständigkeit ist ausschließlich;
d)
Streitigkeiten wegen Wildschadens;
e)
(weggefallen)
f)
(weggefallen)
g)
Ansprüche aus einem mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung stehenden Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils- oder Auszugsvertrag.

(1) Vor die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen, gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die nicht den Amtsgerichten zugewiesen sind.

(2) Die Landgerichte sind ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig

1.
für die Ansprüche, die auf Grund der Beamtengesetze gegen den Fiskus erhoben werden;
2.
für die Ansprüche gegen Richter und Beamte wegen Überschreitung ihrer amtlichen Befugnisse oder wegen pflichtwidriger Unterlassung von Amtshandlungen;
3.
für Ansprüche, die auf eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation, auf die Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder auf die Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, gestützt werden;
4.
für Verfahren nach
a)
(weggefallen)
b)
den §§ 98, 99, 132, 142, 145, 258, 260, 293c und 315 des Aktiengesetzes,
c)
§ 26 des SE-Ausführungsgesetzes,
d)
§ 10 des Umwandlungsgesetzes,
e)
dem Spruchverfahrensgesetz,
f)
den §§ 39a und 39b des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes;
5.
in Streitigkeiten
a)
über das Anordnungsrecht des Bestellers gemäß § 650b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
b)
über die Höhe des Vergütungsanspruchs infolge einer Anordnung des Bestellers (§ 650c des Bürgerlichen Gesetzbuchs);
6.
für Ansprüche aus dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz.

(3) Der Landesgesetzgebung bleibt überlassen, Ansprüche gegen den Staat oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts wegen Verfügungen der Verwaltungsbehörden sowie Ansprüche wegen öffentlicher Abgaben ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten ausschließlich zuzuweisen.

(4) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Entscheidungen in Verfahren nach Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe a bis e und Nummer 5 einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zu übertragen. In Verfahren nach Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe a bis e darf die Übertragung nur erfolgen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 08.10.2018, Az. 11 O 6394/18, wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert beträgt 5.500,00 €.

Gründe

I.

1. Der Antragsteller betreibt eine „Praxis für ganzheitliche Physiotherapie“.

Der Antragsgegner stellte sich am 21.06.2018 beim Antragsteller zur Behandlung vor.

Daraufhin veröffentlichte der Antragsgegner im Juli 2018 eine Rezension auf „Google“, in der er den Antragsteller mit einem von fünf Sternen bewertete. Zur Begründung machte er u.a. folgende unzutreffenden Ausführungen:

„Für die 117,00 € die er verlangt, hat er zudem versucht, mich von Gott zu überzeugen… Zudem hat er mir Melantonin mitgegeben (natürlich zusätzliche Bezahlung) die mir absolut nicht gut getan haben“ (Anlage ASt 1).

Nachdem der Antragsteller Anfang August 2018 von der Bewertung Kenntnis erlangte, mahnte er den Antragsgegner mit Schreiben vom 13.08.2018 ab (Anlage ASt 2).

Daraufhin rief ein Anrufer, der sich als Bruder des Antragsgegners ausgab, Ende August in der Praxis des Antragstellers an und einigte sich mit diesem darauf, dass der Antragsgegner die Bewertung vollständig löscht, die entworfene strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt und Schadenersatz in Höhe von 200,00 € bezahlt.

2. Mit Anwaltsschriftsatz vom 05.10.2018, eingegangen bei Gericht am 10.10.2018, begehrte der Antragsteller beim Landgericht Nürnberg-Fürth den Erlass einer einstweiligen Verfügung in Bezug auf die streitgegenständlichen Bewertungen des Antragstellers und seiner Praxis.

Das Landgericht wies diesen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 08.10.2018 zurück. Zur Begründung führte es aus, dass der Antragsteller keinen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht habe, da er länger als vier Wochen nach Kenntniserlangung von der Rechtsverletzung zugewartet habe.

Gegen diesen, seinem Prozessbevollmächtigen am 12.05.2018 zugestellten, Beschluss wendete sich der Antragsteller in seiner sofortigen Beschwerde vom 17.10.2018, eingegangen bei Gericht am 18.10.2018. Darin beantragt er unter Abänderung des Beschlusses vom 08.10.2018:

I. Der Antragsgegner hat es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, der Antragsteller habe

a) im Rahmen einer Behandlung versucht, den Antragsgegner „von Gott zu überzeugen“, b) für den am 21.06.2018 stattgefundenen Termin oder etwaig mitgegebene Medikamente eine Vergütung gefordert und erhalten zu haben.

II.

Den Antragsgegnern wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer I ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,- und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt werden kann.

III.

Die vom Antragsgegner auf „Google“ veröffentlichte Rezension der Praxis des Antragstellers dahingehend abzuändern, dass diese die unter Ziffer I. beschriebenen Behauptungen nicht mehr enthält.

Mit Beschluss vom 22.10.2018 half das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze des Antragstellers nebst Anlagen, wegen des Inhalts der Beschlüsse auf die Entscheidungen des Landgerichts Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht Nürnberg-Fürth den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es fehlt an der Darlegung eines Verfügungsgrundes.

1. Folgender Rechtsrahmen ist für den Senat streitentscheidend:

a) Ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes werde die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert, so dass er aufgrund einer besonderen Dringlichkeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache einer einstweiligen Sicherung seines Anspruchs bedarf (OLG Köln, Urteil vom 08. März 2012 - I-15 U 193/11, Rn. 8). Dabei darf man die Wiederholungsgefahr als Voraussetzung des Verfügungsanspruchs nicht mit dem Verfügungsgrund, also der Dringlichkeit wegen drohender Nachteile, gleichsetzen (OLG Dresden, Urteil vom 7. April 2005 - 9 U 263/05).

Ein Verfügungsgrund ist festzustellen, wenn das Begehren des Verfügungsklägers dringlich ist und ihm nicht zugemutet werden kann, den Weg des Hauptsacheverfahrens einzuschlagen und in diesem auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten. Im Rahmen der Interessenabwägung ist eine Folgenabschätzung vorzunehmen. Das Interesse des Verfügungsklägers muss die Nachteile eines Zuwartens bis zur Hauptsacheentscheidung so überwiegen, dass der Eingriff in die Sphäre des Verfügungsbeklagten auf Grund eines bloß summarischen Verfahrens gerechtfertigt ist. Dabei ist insbesondere zu fragen, welche Folgen beim Antragsteller aus der Rechtsverletzung bis zum Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache erwachsen, ob diese Nachteile nachträglich angemessen kompensiert werden können und wann mit einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu rechnen ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 12. Juni 2018 - 3 W 1013/18; Voß, in Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 1. Aufl. 2015, § 940 ZPO Rn. 62).

b) Der Verfügungsgrund fehlt wegen Selbstwiderlegung, wenn die Antragstellerpartei nach Eintritt der Gefährdung mit einem Antrag zuwartet oder das Verfahren nicht zügig betreibt und damit durch ihr Verhalten selbst zu erkennen gegeben hat, dass es ihr nicht eilig ist. Die Grundsätze sind im Wettbewerbsrecht entwickelt worden, enthalten aber einen verallgemeinerungsfähigen Ausschlussgedanken hinsichtlich des Verfügungsgrundes, der in anderen Rechtsgebieten ebenfalls Gültigkeit besitzt (Drescher, in MüKoZPO, 5. Aufl. 2016, § 935 ZPO Rn. 18).

Im Wettbewerbsrecht ist anerkannt, dass es an der zeitlichen Dringlichkeit fehlt, wenn der Antragsteller eine bestimmte Frist zugewartet hat, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder grob fahrlässig nicht kennt. Dies kann zwar nicht ohne Weiteres auf andere Rechtsgebiete übertragen werden, weshalb die Frage, wie lange der Antragsteller bei einer behaupteten Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zuwarten darf, von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt (OLG München, Beschluss vom 17. Juli 2018 - 18 W 858/18, Rn. 51). Dennoch kann eine Regelfrist als Richtwert für die Dringlichkeit in Pressesachen oder bei sonstigen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts ebenfalls herangezogen werden, auch wenn sie eine Einzelfallwürdigung (unter Berücksichtigung der Art des Verstoßes, der Erforderlichkeit von Ermittlungen oder der Reaktion des Gegners auf eine Abmahnung) nicht überflüssig macht, sondern vielmehr nur einen Orientierungsrahmen setzt. Denn Regelfristen erleichtern die Rechtsanwendung und Berechenbarkeit gerichtlicher Entscheidungen (Burkhard, in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, 12. Kapitel Rn. 144a). Bei einem Überschreiten dieser Frist obliegt es dann dem Antragsteller, triftige Gründe für das Zuwarten vorzubringen.

Nach ständiger Rechtsprechung des OLG Nürnberg ist im Wettbewerbsrecht regelmäßig ein Zuwarten von mehr als 1 Monat dringlichkeitsschädlich (OLG Nürnberg, Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 7. November 2017 - 3 U 1206/17). Auch in Pressesachen wird überwiegend davon ausgegangen, dass bei einem Zuwarten von mehr als einem Monat nach Kenntnis von der Verletzungshandlung die Eilbedürftigkeit in der Regel nicht mehr gegeben ist (Burkhard, a.a.O., 12. Kapitel Rn. 144a unter Bezugnahme auf OLG Koblenz, 10. Januar 2013 - 4 W 680/12; OLG Karlsruhe, 14. Januar 2015 - 6 U 156/14; OLG Köln - 15 W 69/14; KG, 2. November 2015 - 10 W 33/15). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs ist ein Verfügungsgrund im vorliegenden Fall weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Denn der Antragsteller erlangte bereits Anfang August 2018 von der streitgegenständlichen Bewertung Kenntnis. Dennoch ging der Anwaltsschriftsatz vom 05.10.2018, mit dem der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt, erst am 10.10.2018 beim Landgericht Nürnberg-Fürth ein.

Unter Berücksichtigung der hier maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ist das Abwarten einer Frist von zwei Monaten als dringlichkeitsschädlich anzusehen. Es handelt sich hier nicht um einen Fall, in dem der Gegner seinen Sitz im Ausland hat und der höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen zum Gegenstand hat (Abgrenzung zu OLG München, Beschluss vom 17. Juli 2018 - 18 W 858/18, Rn. 53). Folgerichtig hat der Antragsteller den Antragsgegner auch bereits mit Anwaltsschreiben vom 13.08.2018 abgemahnt.

Der Vortrag des Antragstellers, wonach jemand - der sich als Bruder des Antragsgegners ausgegeben habe - in seiner Praxis angerufen und sich mit ihm darauf geeinigt habe, dass der Antragsgegner die Bewertung vollständig lösche, die entworfene strafbewehrte Unterlassungserklärung abgebe und Schadenersatz in Höhe von 200,00 € zahle, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar kann aus dem Umstand von Vergleichsverhandlungen grundsätzlich nicht darauf geschlossen werden, dass es dem Verletzten mit der Verfolgung des Unterlassungsanspruchs nicht so eilig sei, wenn die Vergleichsverhandlungen in einer die Eilbedürftigkeit berücksichtigenden Weise zügig geführt werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. April 1998 - 20 U 155/97, Rn. 7). Daran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Es entspricht nicht den Anforderungen an ein zügiges Betreiben des Verfahrens, wenn der Antragsteller nach einem Telefonat mit einem ihm unbekannten Anrufer über einen Monat lang abwartet, ob die telefonisch zugesagte Unterlassungserklärung abgegeben wird.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Der Beschwerdewert entspricht dem erstinstanzlich festgesetzten Wert.

Dem Antragsgegner ist - entgegen § 922 Abs. 3 ZPO - der Beschluss formlos mitzuteilen, da er den Nichtabhilfebeschluss des Erstgericht erhalten und damit Kenntnis von dem Verfahren hat (vgl. Drescher, in MüKoZPO, 5. Aufl. 2016, § 922 ZPO Rn. 13).

(1) Für den Erlass einstweiliger Verfügungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig.

(2) Die Entscheidung kann in dringenden Fällen sowie dann, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen ist, ohne mündliche Verhandlung ergehen.