Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 13. Nov. 2018 - 3 W 2064/18

bei uns veröffentlicht am13.11.2018

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 08.10.2018, Az. 11 O 6394/18, wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert beträgt 5.500,00 €.

Gründe

I.

1. Der Antragsteller betreibt eine „Praxis für ganzheitliche Physiotherapie“.

Der Antragsgegner stellte sich am 21.06.2018 beim Antragsteller zur Behandlung vor.

Daraufhin veröffentlichte der Antragsgegner im Juli 2018 eine Rezension auf „Google“, in der er den Antragsteller mit einem von fünf Sternen bewertete. Zur Begründung machte er u.a. folgende unzutreffenden Ausführungen:

„Für die 117,00 € die er verlangt, hat er zudem versucht, mich von Gott zu überzeugen… Zudem hat er mir Melantonin mitgegeben (natürlich zusätzliche Bezahlung) die mir absolut nicht gut getan haben“ (Anlage ASt 1).

Nachdem der Antragsteller Anfang August 2018 von der Bewertung Kenntnis erlangte, mahnte er den Antragsgegner mit Schreiben vom 13.08.2018 ab (Anlage ASt 2).

Daraufhin rief ein Anrufer, der sich als Bruder des Antragsgegners ausgab, Ende August in der Praxis des Antragstellers an und einigte sich mit diesem darauf, dass der Antragsgegner die Bewertung vollständig löscht, die entworfene strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt und Schadenersatz in Höhe von 200,00 € bezahlt.

2. Mit Anwaltsschriftsatz vom 05.10.2018, eingegangen bei Gericht am 10.10.2018, begehrte der Antragsteller beim Landgericht Nürnberg-Fürth den Erlass einer einstweiligen Verfügung in Bezug auf die streitgegenständlichen Bewertungen des Antragstellers und seiner Praxis.

Das Landgericht wies diesen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 08.10.2018 zurück. Zur Begründung führte es aus, dass der Antragsteller keinen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht habe, da er länger als vier Wochen nach Kenntniserlangung von der Rechtsverletzung zugewartet habe.

Gegen diesen, seinem Prozessbevollmächtigen am 12.05.2018 zugestellten, Beschluss wendete sich der Antragsteller in seiner sofortigen Beschwerde vom 17.10.2018, eingegangen bei Gericht am 18.10.2018. Darin beantragt er unter Abänderung des Beschlusses vom 08.10.2018:

I. Der Antragsgegner hat es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, der Antragsteller habe

a) im Rahmen einer Behandlung versucht, den Antragsgegner „von Gott zu überzeugen“, b) für den am 21.06.2018 stattgefundenen Termin oder etwaig mitgegebene Medikamente eine Vergütung gefordert und erhalten zu haben.

II.

Den Antragsgegnern wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer I ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,- und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt werden kann.

III.

Die vom Antragsgegner auf „Google“ veröffentlichte Rezension der Praxis des Antragstellers dahingehend abzuändern, dass diese die unter Ziffer I. beschriebenen Behauptungen nicht mehr enthält.

Mit Beschluss vom 22.10.2018 half das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze des Antragstellers nebst Anlagen, wegen des Inhalts der Beschlüsse auf die Entscheidungen des Landgerichts Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht Nürnberg-Fürth den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es fehlt an der Darlegung eines Verfügungsgrundes.

1. Folgender Rechtsrahmen ist für den Senat streitentscheidend:

a) Ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes werde die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert, so dass er aufgrund einer besonderen Dringlichkeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache einer einstweiligen Sicherung seines Anspruchs bedarf (OLG Köln, Urteil vom 08. März 2012 - I-15 U 193/11, Rn. 8). Dabei darf man die Wiederholungsgefahr als Voraussetzung des Verfügungsanspruchs nicht mit dem Verfügungsgrund, also der Dringlichkeit wegen drohender Nachteile, gleichsetzen (OLG Dresden, Urteil vom 7. April 2005 - 9 U 263/05).

Ein Verfügungsgrund ist festzustellen, wenn das Begehren des Verfügungsklägers dringlich ist und ihm nicht zugemutet werden kann, den Weg des Hauptsacheverfahrens einzuschlagen und in diesem auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten. Im Rahmen der Interessenabwägung ist eine Folgenabschätzung vorzunehmen. Das Interesse des Verfügungsklägers muss die Nachteile eines Zuwartens bis zur Hauptsacheentscheidung so überwiegen, dass der Eingriff in die Sphäre des Verfügungsbeklagten auf Grund eines bloß summarischen Verfahrens gerechtfertigt ist. Dabei ist insbesondere zu fragen, welche Folgen beim Antragsteller aus der Rechtsverletzung bis zum Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache erwachsen, ob diese Nachteile nachträglich angemessen kompensiert werden können und wann mit einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu rechnen ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 12. Juni 2018 - 3 W 1013/18; Voß, in Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 1. Aufl. 2015, § 940 ZPO Rn. 62).

b) Der Verfügungsgrund fehlt wegen Selbstwiderlegung, wenn die Antragstellerpartei nach Eintritt der Gefährdung mit einem Antrag zuwartet oder das Verfahren nicht zügig betreibt und damit durch ihr Verhalten selbst zu erkennen gegeben hat, dass es ihr nicht eilig ist. Die Grundsätze sind im Wettbewerbsrecht entwickelt worden, enthalten aber einen verallgemeinerungsfähigen Ausschlussgedanken hinsichtlich des Verfügungsgrundes, der in anderen Rechtsgebieten ebenfalls Gültigkeit besitzt (Drescher, in MüKoZPO, 5. Aufl. 2016, § 935 ZPO Rn. 18).

Im Wettbewerbsrecht ist anerkannt, dass es an der zeitlichen Dringlichkeit fehlt, wenn der Antragsteller eine bestimmte Frist zugewartet hat, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder grob fahrlässig nicht kennt. Dies kann zwar nicht ohne Weiteres auf andere Rechtsgebiete übertragen werden, weshalb die Frage, wie lange der Antragsteller bei einer behaupteten Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zuwarten darf, von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt (OLG München, Beschluss vom 17. Juli 2018 - 18 W 858/18, Rn. 51). Dennoch kann eine Regelfrist als Richtwert für die Dringlichkeit in Pressesachen oder bei sonstigen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts ebenfalls herangezogen werden, auch wenn sie eine Einzelfallwürdigung (unter Berücksichtigung der Art des Verstoßes, der Erforderlichkeit von Ermittlungen oder der Reaktion des Gegners auf eine Abmahnung) nicht überflüssig macht, sondern vielmehr nur einen Orientierungsrahmen setzt. Denn Regelfristen erleichtern die Rechtsanwendung und Berechenbarkeit gerichtlicher Entscheidungen (Burkhard, in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, 12. Kapitel Rn. 144a). Bei einem Überschreiten dieser Frist obliegt es dann dem Antragsteller, triftige Gründe für das Zuwarten vorzubringen.

Nach ständiger Rechtsprechung des OLG Nürnberg ist im Wettbewerbsrecht regelmäßig ein Zuwarten von mehr als 1 Monat dringlichkeitsschädlich (OLG Nürnberg, Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 7. November 2017 - 3 U 1206/17). Auch in Pressesachen wird überwiegend davon ausgegangen, dass bei einem Zuwarten von mehr als einem Monat nach Kenntnis von der Verletzungshandlung die Eilbedürftigkeit in der Regel nicht mehr gegeben ist (Burkhard, a.a.O., 12. Kapitel Rn. 144a unter Bezugnahme auf OLG Koblenz, 10. Januar 2013 - 4 W 680/12; OLG Karlsruhe, 14. Januar 2015 - 6 U 156/14; OLG Köln - 15 W 69/14; KG, 2. November 2015 - 10 W 33/15). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs ist ein Verfügungsgrund im vorliegenden Fall weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Denn der Antragsteller erlangte bereits Anfang August 2018 von der streitgegenständlichen Bewertung Kenntnis. Dennoch ging der Anwaltsschriftsatz vom 05.10.2018, mit dem der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt, erst am 10.10.2018 beim Landgericht Nürnberg-Fürth ein.

Unter Berücksichtigung der hier maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ist das Abwarten einer Frist von zwei Monaten als dringlichkeitsschädlich anzusehen. Es handelt sich hier nicht um einen Fall, in dem der Gegner seinen Sitz im Ausland hat und der höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen zum Gegenstand hat (Abgrenzung zu OLG München, Beschluss vom 17. Juli 2018 - 18 W 858/18, Rn. 53). Folgerichtig hat der Antragsteller den Antragsgegner auch bereits mit Anwaltsschreiben vom 13.08.2018 abgemahnt.

Der Vortrag des Antragstellers, wonach jemand - der sich als Bruder des Antragsgegners ausgegeben habe - in seiner Praxis angerufen und sich mit ihm darauf geeinigt habe, dass der Antragsgegner die Bewertung vollständig lösche, die entworfene strafbewehrte Unterlassungserklärung abgebe und Schadenersatz in Höhe von 200,00 € zahle, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar kann aus dem Umstand von Vergleichsverhandlungen grundsätzlich nicht darauf geschlossen werden, dass es dem Verletzten mit der Verfolgung des Unterlassungsanspruchs nicht so eilig sei, wenn die Vergleichsverhandlungen in einer die Eilbedürftigkeit berücksichtigenden Weise zügig geführt werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. April 1998 - 20 U 155/97, Rn. 7). Daran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Es entspricht nicht den Anforderungen an ein zügiges Betreiben des Verfahrens, wenn der Antragsteller nach einem Telefonat mit einem ihm unbekannten Anrufer über einen Monat lang abwartet, ob die telefonisch zugesagte Unterlassungserklärung abgegeben wird.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Der Beschwerdewert entspricht dem erstinstanzlich festgesetzten Wert.

Dem Antragsgegner ist - entgegen § 922 Abs. 3 ZPO - der Beschluss formlos mitzuteilen, da er den Nichtabhilfebeschluss des Erstgericht erhalten und damit Kenntnis von dem Verfahren hat (vgl. Drescher, in MüKoZPO, 5. Aufl. 2016, § 922 ZPO Rn. 13).

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 567 Sofortige Beschwerde; Anschlussbeschwerde


(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde E

Zivilprozessordnung - ZPO | § 935 Einstweilige Verfügung bezüglich Streitgegenstand


Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 940 Einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes


Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile

Zivilprozessordnung - ZPO | § 922 Arresturteil und Arrestbeschluss


(1) Die Entscheidung über das Gesuch ergeht im Falle einer mündlichen Verhandlung durch Endurteil, andernfalls durch Beschluss. Die Entscheidung, durch die der Arrest angeordnet wird, ist zu begründen, wenn sie im Ausland geltend gemacht werden soll.

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Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 05.10.2018 wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 5.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller hat keinen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht.

Darüberhinaus hat der Antragsteller länger als vier Wochen zugewartet nachdem er von der Rechtsverletzung Kenntnis erlangt hat. Es ist allgemein anerkannt, dass ein Verfügungsgrund fehlt, wenn der Antragsteller trotz eines ursprünglich bestehenden Regelungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat, bevor er die einstweilige Verfügung beantragt, vgl. KG Berlin, NJW-RR 2001, 1201. Die Kammer ist der Auffassung, dass bei einem Zuwarten von mehr als vier Wochen die einen Verfügungsgrund begründende besondere Dringlichkeit regelmäßig widerlegt ist.

(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.

(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 08.05.2018, Az. 11 O 2758/18, wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert beträgt 7.500,00 €.

Gründe

I. 1. Der Antragsteller ist niedergelassener Arzt in Erlangen.

Die Antragsgegnerin betreibt im Internet u.a. den Geolokalisationsdienst ….. Im Rahmen dieses Dienstes veröffentlichte sie die zwei streitgegenständlichen Bewertungen, welche die Nutzer mit den Profilnamen „John D…“ und „Maximilian L…“ über den Antragsteller uns seine Praxis verfasst hatten. Beide Nutzer hatten in ihren Rezensionen jeweils einen Stern von fünf möglichen Sternen vergeben, ohne einen Freitext hinzuzufügen. Insgesamt enthält diese Website der Antragsgegnerin neun Rezensionen über den Antragsteller mit einer Gesamtbewertung von 3,9 Sternen (Anlage ASt 1).

Der Antragsteller trägt vor und macht durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft (Anlage ASt 2), dass er die streitgegenständlichen Bewertungen und die dazugehörigen Nutzernamen keinem Patienten zuordnen könne. Mit dafür vorgesehenen Formularen vom 16.04.2018 beanstandete der Antragsteller die streitgegenständlichen Bewertungen und forderte die Antragsgegnerin auf, die Schreiben dem jeweiligen Bewertungsverfasser zur Stellungnahme zu übermitteln (Anlagen ASt 3 und 4).

Die Antragsgegnerin führte daraufhin mit E-Mails vom 16.04.2018 bzw. 18.04.2018 aus, dass sie keinen offensichtlichen Verstoß gegen ihre Richtlinien zur Entfernung von Inhalten bzw. keine unschwer zu erkennende Rechtsverletzung feststellen könne. Sie erläuterte jedoch ein Verfahren, mit welchem der Antragsteller direkt auf veröffentlichte Bewertungen antworten könne (Anlagen ASt 6 und 7).

2. Mit Anwaltsschriftsatz vom 02.05.2018 begehrte der Antragsteller beim Landgericht Nürnberg-Fürth den Erlass einer einstweiligen Verfügung, in welcher der Antragsgegnerin verboten wird, auf der Webseite www…..de die streitgegenständlichen Bewertungen bezüglich des Antragstellers und seiner Praxis zu veröffentlichen.

Das Landgericht wies diesen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 08.05.2018 zurück. Zur Begründung führte es aus, dass der Antragsteller keinen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht habe. Es sei nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller durch eine Durchführung der Hauptsache ein erheblicher Schaden drohe oder die Rechtsdurchsetzung gefährdet wäre. Daher sei es zumutbar, den Antragsteller auf ein Hauptsacheverfahren zu verweisen.

Gegen diesen, ihm am 15.05.2018 zugestellten Beschluss wendete sich der Antragsteller in seiner sofortigen Beschwerde vom 25.05.2018, eingegangen bei Gericht am 28.05.2018. Zur Begründung führte er u.a. aus, dass ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens in zeitlicher Hinsicht unzumutbar sei. Es würden bereits mehrere Monate vergehen, bis eine Klage in … überhaupt zugestellt werde. Durch die negativen Bewertungen würden dem Antragsteller erhebliche Nachteile drohen.

Mit Beschluss vom 29.05.2018 half das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze des Antragstellers nebst Anlagen, wegen des Inhalts der Beschlüsse auf die Entscheidungen des Landgerichts Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht Nürnberg-Fürth den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es fehlt an der Darlegung eines Verfügungsgrundes.

1. Ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes werde die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert, so dass er aufgrund einer besonderen Dringlichkeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache einer einstweiligen Sicherung seines Anspruchs bedarf (OLG Köln, Urteil vom 08. März 2012 - I-15 U 193/11, Rn. 8). Dabei darf man die Wiederholungsgefahr als Voraussetzung des Verfügungsanspruchs nicht mit dem Verfügungsgrund, also der Dringlichkeit wegen drohender Nachteile, gleichsetzen (OLG Dresden, NJW 2005, 1871).

Ein Verfügungsgrund ist festzustellen, wenn das Begehren des Verfügungsklägers dringlich ist und ihm nicht zugemutet werden kann, den Weg des Hauptsacheverfahrens einzuschlagen und in diesem auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten. Im Rahmen der Interessenabwägung ist eine Folgenabschätzung vorzunehmen. Das Interesse des Verfügungsklägers muss den Nachteilen eines Zuwartens bis zur Hauptsacheentscheidung so überwiegen, dass der Eingriff in die Sphäre des Verfügungsbeklagten auf Grund eines bloß summarischen Verfahrens gerechtfertigt ist. Dabei ist insbesondere zu fragen, welche Folgen beim Antragsteller aus der Rechtsverletzung bis zum Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache erwachsen, ob diese Nachteile nachträglich angemessen kompensiert werden können und wann mit einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu rechnen ist (Voß, in Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 1. Aufl. 2015, § 940 ZPO Rn. 62).

Es kann an einem Verfügungsgrund fehlen, wenn der Antragsteller seine Rechte einstweilen selbst gewahrt hat, indem er auf die angegriffene Negativbewertung durch den Antragsgegner in einem Internetbewertungssystem erwidert hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. März 2011 -15 W 14/11, Rn. 16). Gleichermaßen fehlt für eine einstweilige Verfügung gegen kritische Äußerungen auf einer Internetplattform der Verfügungsgrund, wenn ein Gegenkommentar möglich ist (Drescher, in MüKoZPO, 5. Aufl. 2016, § 935 ZPO Rn. 76) bzw. das Bewertungssystem dem Anbieter ermöglicht, seine schutzwürdigen Interessen vorerst durch eine Gegenäußerung geltend zu machen (Reichold, in Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 824 BGB Rn. 44). Vor diesem Hintergrund ist es dem Antragsteller grundsätzlich möglich und zumutbar, den Ausgang eines etwaigen Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Einer einstweiligen Verfügung, die das Ziel hat, einen möglichen Anspruch vorläufig „in der Waage zu halten“ und der Gefahr vorzubeugen, dass durch die tatsächlichen Umstände die Durchsetzung eines solchen Anspruchs im Wege einer Hauptsacheklage vereitelt oder wesentlich erschwert würde, bedarf es in dieser Fallkonstellation grundsätzlich nicht (OLG Köln, Urteil vom 08. März 2012 - I-15 U 193/11, Rn. 10).

Wenn mit der beantragten einstweiligen Verfügung inhaltlich die endgültige Regelung des streitigen Rechtsverhältnisses und damit eine Leistungsverfügung begehrt wird, ist ein Verfügungsgrund nur zu bejahen bei einer Not- bzw. Zwangslage des Gläubigers, ansonsten drohender Existenzgefährdung oder in solchen Fällen, in denen die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist, da ansonsten ein schwerer und nicht wiedergutzumachender anderweitiger Schaden droht (OLG Köln, Urteil vom 08. März 2012- I-15 U 193/11, Rn. 11).

2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs hat der Antragsteller aufgrund der nachfolgenden Umstände bei der notwendigen Abwägung aller relevanten Umstände des Einzelfalls einen - von der Wiederholungsgefahr als Voraussetzung des Verfügungsanspruchs zu unterscheidenden - Verfügungsgrund nicht hinreichend dargetan.

a) Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung sprechen folgende Umstände gegen die Annahme eines Verfügungsgrunds.

aa) Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die streitgegenständlichen Bewertungen keine massive Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Antragstellers darstellen.

(1) Der Antragsteller weist zutreffend darauf hin, dass der Bundesgerichtshof im Rahmen der Prüfung einer Haftung des Hostproviders als (mittelbarer) Störer - und damit im Rahmen der Prüfung des materiellen Anspruchs - auch darauf abstellte, dass die angegriffene Bewertung geeignet war, die Chancen des (dortigen) Klägers im Wettbewerb mit anderen Ärzten nachhaltig zu beeinträchtigen. Die für jedermann abrufbare Bewertung einer Behandlungsleistung in drei zentralen Bereichen mit der Note „ungenügend“ begründe die erhebliche Gefahr, dass (potenzielle) Patienten an der ärztlichen Kompetenz des (dortigen) Klägers zweifeln und sich deshalb statt an den (dortigen) Kläger an einen anderen Zahnarzt wenden. Auch dies spreche dafür, dass an die zu ergreifenden Prüfungsmaßnahmen hohe Anforderungen zu stellen sind (BGH, GRUR 2016, 855 Rn. 41 -www.jameda.de).

(2) Auch im vorliegenden Fall sind die streitgegenständlichen Bewertungen grundsätzlich geeignet, sich auf das Bild des Antragstellers in der Öffentlichkeit und damit auf seine Chancen im Wettbewerb mit anderen Ärzten negativ auszuwirken. Diese negativen Auswirkungen sind jedoch aufgrund der nachfolgenden Umstände nicht so gravierend, dass es dem Antragsteller nicht möglich und zumutbar wäre, den Ausgang eines etwaigen Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

Aus der in Anlage ASt 1 vorgelegten Website der Antragsgegnerin ergibt sich, dass die Nutzer mit den Profilnamen „John D…“ und „Maximilian L “ in ihren Rezensionen jeweils einen Stern von fünf möglichen Sternen vergaben, ohne einen Freitext hinzuzufügen. Die Rezensionen sind damit überwiegend nichtssagend und aufgrund ihrer Pauschalität nur bedingt dazu geeignet, eine Entscheidung des Verbrauchers über die Auswahl eines Arztes zu beeinflussen. Dies kann der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen, weil seine Mitglieder als Nutzer des Internets und potentielle Patienten zu den angesprochenen Verkehrskreisen derartiger Rezensionen im Internet gehören. Damit unterscheiden sich die streitgegenständlichen Bewertungen auch wesentlich von der Fallgestaltung, welcher der BGH-Entscheidung " zugrunde lag, weil die dortige Bewertung auch Textbeiträge und nach Kategorien aufgeschlüsselte Einzelnoten enthielt.

Hinzu kommt, dass auf der Website der Antragsgegnerin insgesamt 9 Rezensionen über den Antragsteller mit einer Gesamtbewertung von 3,9 Sternen aufgeführt sind. Die Gesamtbewertung ist somit - einschließlich der streitgegenständlichen Rezensionen - überwiegend positiv.

bb) Zum anderen hat in die Abwägung einzufließen, dass der Antragsteller mit der beantragten einstweiligen Verfügung inhaltlich die endgültige Regelung des streitigen Rechtsverhältnisses und damit eine Leistungsverfügung anstrebt. Besondere Umstände, die es vor diesem Hintergrund rechtfertigen, ausnahmsweise einen Verfügungsgrund anzunehmen - insbesondere eine Notbzw. Zwangslage, eine drohende Existenzgefährdung oder das Drohen eines sonstigen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens - sind vom Antragsteller nicht dargetan.

cc) Ein im Rahmen der Abwägung wesentlicher Aspekt ist schließlich die Tatsache, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller ein Verfahren erläuterte, mit welchem dieser direkt auf veröffentlichte Bewertungen antworten könne, und der Antragsteller von dieser Möglichkeit einer Gegenäußerung keinen Gebrauch machte.

Ein Nutzer der Bewertungsplattform der Antragsgegnerin würde einer - in räumlicher Nähe zu den streitgegenständlichen Bewertungen befindlichen - Erläuterung des Antragstellers, dass den Rezensionen kein Behandlungskontakt zugrunde liege, eine maßgebliche Bedeutung beimessen, zumal den pauschalen „Ein-Stern-Rezensionen“ kein auf den Antragsteller zugeschnittener Inhalt beigefügt ist. Die ohnehin substanzlosen Bewertungen würden durch einen derartigen Gegenkommentar nochmals an Bedeutung für das Nutzerverhalten verlieren. Auch dies kann der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen.

Dass der Antragsteller diese effektive Möglichkeit der Wahrung seiner Rechte bzw. der Verkleinerung seiner Beeinträchtigung nicht wahrgenommen hat, zeigt, dass ihm die Angelegenheit nicht so dringend ist, was wegen der darin liegenden Selbstwiderlegung gegen einen Verfügungsgrund spricht.

b) Für die Annahme eines Verfügungsgrunds spricht hingegen die Tatsache, dass die Antragsgegnerin ihren Sitz in … hat. Denn es kann ein Argument für die Dringlichkeit eine erforderliche Auslandszustellung sein, die zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens führen würde (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. Oktober 2003 - I-20 W 38/03, Rn. 24).

In diesem Zusammenhang kann jedoch nicht außer Acht bleiben, dass nach der gesetzlichen Wertung des § 937 Abs. 2 ZPO das Gericht dem Verfügungsantrag nur in dringenden Fällen ohne mündliche Verhandlung stattgeben darf. Ein dringender Fall im Sinne dieser Vorschrift liegt dabei nur dann vor, wenn die Eilbedürftigkeit der Maßnahme über die dem einstweiligen Verfügungsverfahren ohnehin innewohnende Dringlichkeit (Verfügungsgrund) hinausgeht und selbst eine innerhalb kürzester Frist terminierte mündliche Verhandlung nicht abgewartet werden kann, oder wenn der Zweck der einstweiligen Verfügung gerade den Überraschungseffekt der Beschlussverfügung erfordert (Vollkommer, in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 937 Rn. 2). Da die Antragstellerin nicht darlegt, dass im vorliegenden Fall diese besondere, über den Verfügungsgrund hinausgehende Dringlichkeit gegeben ist, wäre unter Umständen auch im Rahmen des Verfügungsverfahren bei Erlass der Beschlussverfügung eine mündliche Verhandlung und eine dafür erforderliche Zustellung in … notwendig gewesen.

c) In Abwägung aller obigen Umstände kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Antragstellers am Erlass der begehrten Beschlussverfügung den Nachteilen eines Zuwartens bis zur Hauptsacheentscheidung nicht so überwiegt, dass der Eingriff in die Sphäre der Antragsgegnerin auf Grund eines bloß summarischen Verfahrens gerechtfertigt wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Der Beschwerdewert entspricht dem erstinstanzlich festgesetzten Wert.

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 30.05.2018, Az.: 41 O 7430/18, abgeändert und folgende

einstweilige Verfügung

erlassen:

Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten untersagt, einen vom Antragsteller auf der Plattform www.f...com eingestellten Beitrag mit folgendem Wortlaut:

"Wir betrachten diese Menschen nicht als muslimische Flüchtlinge. Wir betrachten sie als muslimische Invasoren. Um aus Syrien in Ungarn einzutreffen, muss man vier Länder durchqueren. Die Menschen rennen nicht um ihr Leben, sondern suchen ein besseres Leben. Die Flüchtlinge hätten vorher um ihre Aufnahme bitten sollen, stattdessen aber haben sie die Grenze illegal durchbrochen. Das war keine Flüchtlingswelle, das war eine Invasion. Ich habe nie verstanden, wie in einem Land wie Deutschland das Chaos, die Anarchie und das illegale Überschreiten von Grenzen als etwas Gutes gefeiert werden konnte‘. Orbán Viktor Wer gibt dem Mann ein LIKE?“

zu löschen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens tragen der Antragsteller zwei Drittel und die Antragsgegnerin ein Drittel.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000 € festgesetzt.

4. Der vorgenannte Beschluss des Landgerichts München I vom 30.05.2018 wird in Ziffer 3 dahin abgeändert, dass der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 15.000 € festgesetzt wird.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch welche der Antragsgegnerin untersagt werden soll, ihn wegen des Einstellens des im Tenor unter Ziffer 1 wiedergegebenen Textbeitrages oder eines Textbeitrages mit gleichem Sinngehalt auf www.f...com zu sperren, insbesondere ihm die Nutzung der Funktionen des sozialen Netzwerks wie das Posten von Beiträgen, das Kommentieren von fremden Beiträgen und die Nutzung des Nachrichtensystems vorzuenthalten, oder den wiedergegebenen bzw. einen inhaltsgleichen Textbeitrag im Falle einer von ihm veranlassten Einstellung in das soziale Netzwerk zu löschen.

Das Landgericht München I hat mit Beschluss vom 30.05.2018 den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es ist der Ansicht, dass der Antragsteller weder einen Verfügungsanspruch, noch das Vorliegen des behaupteten Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht habe. Hinsichtlich der näheren Begründung wird auf die Ausführungen in den Gründen des vorgenannten Beschlusses (Bl. 23/28 d.A.) Bezug genommen.

Gegen den ihm am 08.06.2018 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 15.06.2018, beim Landgericht München I eingegangen am selben Tage „Beschwerde“ eingelegt. Hinsichtlich der Begründung des Rechtsmittels wird auf den vorgenannten Schriftsatz (Bl. 30/34 d.A. mit den zugehörigen Anlagen) verwiesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 18.06.2018 (Bl. 35/36 d.A.), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 29.06.2018, auf den verwiesen wird, hat der Antragsteller zum Nichtabhilfebeschluss Stellung genommen.

Der zuständige Einzelrichter hat mit Beschluss vom 20.06.2018 das Beschwerdeverfahren wegen besonderer Schwierigkeiten rechtlicher Art und grundsätzlicher Bedeutung dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II.

Das Rechtsmittel des Antragstellers ist als sofortige Beschwerde im Sinne von § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der zweiwöchigen Notfrist des § 569 ZPO eingelegt worden.

In der Sache hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers nur zum Teil Erfolg.

1. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist zulässig.

a) Die vom Landgericht stillschweigend unterstellte – auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28.11.2002 – III ZR 102/02, NJW 2003, 426) – internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist zu bejahen.

Maßgeblich ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in Irland und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat. Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung kann letztlich dahinstehen, ob es sich bei dem geltend gemachten Verfügungsanspruch um einen vertraglichen Erfüllungsanspruch oder um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung handelt; denn in beiden Fällen wäre das Landgericht München I örtlich und damit auch international zuständig.

aa) Eine Vertragspflicht der Antragsgegnerin im Sinne von Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVVO auf Bereitstellung von „F.-Diensten“ wäre mangels einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien kraft Natur der Sache am Wohnsitz des Antragstellers zu erfüllen.

bb) Falls die Sperrung des Antragstellers bzw. die Löschung eines von ihm geposteten Beitrages ein „schädigendes Ereignis“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO darstellen sollte, träte dieses primär am Wohnsitz des Antragstellers ein. Denn dort käme es zur Kollision der widerstreitenden Interessen der Parteien, des Antragstellers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Antragstellerin auf Wahrung ihrer „Community-Standards“ (vgl. zur Bedeutung dieses Gesichtspunkts für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte im Falle einer Klage wegen einer Persönlichkeitsverletzung durch eine im Internet abrufbare Veröffentlichung BGH, Urteil vom 02.03.2010 – VI ZR 23/09, Rn. 20 ff., BGHZ 184, 313). Mit dem streitgegenständlichen Beitrag will sich der Antragsteller nach eigenen Angaben an der in Deutschland derzeit geführten Debatte über die Flüchtlingskrise und Migration beteiligen.

b) Der Senat teilt nicht die Ansicht des Landgerichts, dass der Verfügungsantrag vom 29.05.2018 mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig ist, soweit der Antragsteller der Antragsgegnerin verbieten lassen will, eine Sperrung oder Löschung an das Einstellen eines dem im Tenor wiedergegebenen Text „sinngemäßen“ Beitrages zu knüpfen.

Für den umgekehrten Fall der Untersagung einer rechtswidrigen Äußerung ist allgemein anerkannt dass dem Störer nicht nur deren wortwörtliche Wiederholung verboten ist. Die Verhängung von Ordnungsmitteln ist vielmehr gerechtfertigt, wenn dem Störer ein kerngleicher Verstoß zur Last liegt. Häufig wird die Klarstellung, dass dem Gegner auch eine Äußerung mit gleichem Sinngehalt verboten werden soll, bereits in den Klageantrag aufgenommen. Ob die begehrte Untersagung einer Sperrung bzw. Löschung wegen sinngemäß identischer Textbeiträge angesichts der gebotenen Interpretation einer Äußerung in ihrem jeweiligen Kontext inhaltlich zu weit geht, stellt eine Frage der Begründetheit dar.

Unabhängig davon hätte das Landgericht einen inhaltlich zu unbestimmten Verfügungsantrag konkretisieren können, weil es nach freiem Ermessen bestimmen kann, welche Anordnungen zur Erreichung des erfolgten Zwecks erforderlich sind (§ 938 Abs. 1 ZPO).

2. Der Verfügungsantrag ist begründet, soweit der Antragsteller begehrt, der Antragsgegnerin eine erneute Löschung des im Tenor unter Ziffer 1 wiedergegebenen Textbeitrages, den der Antragsteller nach eigenen Angaben nochmals auf www.f...com einzustellen beabsichtigt, zu untersagen.

a) Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag, durch den sich die Antragsgegnerin verpflichtet hat, dem Antragsteller die Nutzung der von ihr angebotenen „F.-Dienste“ zu ermöglichen, in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB. Eines Rückgriffs auf die vom Antragsteller als weitere Anspruchsgrundlage herangezogene Vorschrift des § 1004 Abs. 1 BGB bedarf es nicht.

aa) Der Antragsteller hat durch seine eidesstattliche Versicherung vom 30.05.2018 glaubhaft gemacht, dass er sich im sozialen Netzwerk „F.“ unter Anlegung eines persönlichen Profils („Konto“) angemeldet hatte. Die Tatsache der Anmeldung wird außerdem durch die in die Antragsschrift vom 29.05.2018 auf Seite 6 eingescannte Mitteilung der Antragsgegnerin über die Löschung des vom Antragsteller geposteten streitgegenständlichen Textbeitrages bestätigt.

Mit der Anmeldung ist zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis zustande gekommen. Nach ihren eigenen Angaben bietet die Antragsgegnerin ihren Nutzern unter der Bezeichnung „F.-Dienste“ Funktionen und Dienstleistungen an, die sie unter anderem über ihre Webseite unter www.f...com bereitstellt (vgl. „Erklärung der Rechte und Pflichten“, Nr. 17.1, vorgelegt als Anlage KTB 1). Insbesondere eröffnet die Antragsgegnerin ihren Nutzern die Möglichkeit, innerhalb ihres eigenen Profils Beiträge zu posten und die Beiträge anderer Nutzer zu kommentieren, soweit diese eine Kommentierung zulassen, oder mit verschiedenen Symbolen zu bewerten.

Für die von ihr angebotenen Dienste beansprucht die Antragsgegnerin kein Entgelt, weshalb der Nutzungsvertrag nicht als Dienstvertrag im Sinne von § 611 BGB eingeordnet werden kann; es dürfte sich um einen Vertrag sui generis handeln. Eine abschließende Klärung der Rechtsnatur des Vertrages ist im vorliegenden Verfahren indes nicht geboten. Das ausführliche Regelwerk der Antragsgegnerin (Anlagen KTB 1 bis KTB 3) – vor allem die in den Sonderbedingungen für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland (Anlage KTB 2) enthaltenen Klauseln zur Rechtswahl (Nr. 5), zum Kündigungsrecht der Antragsgegnerin aus wichtigem Grund (Nr. 4) und zur Haftungsbegrenzung (Nr. 6) – lässt jedenfalls erkennen, dass die Antragsgegnerin ihre Dienste mit Rechtsbindungswillen anbietet.

bb) Mit der Löschung des vom Antragsteller geposteten, im Tenor dieses Beschlusses unter Ziffer 1 wiedergegebenen Textbeitrages am 27.03.2018 hat die Antragsgegnerin ausweislich der hierfür gegebenen Begründung (vgl. die eingescannte Mitteilung auf Seite 6 der Antragsschrift vom 29.05.2018):

„It looks like something you posted doesn’t follow our Community Standards. We remove posts that attack people based on their race, ethnicity, national origin, religious affiliation, sexual orientation, gender or disability.“

von einer Befugnis Gebrauch machen wollen, welche in ihrer „Erklärung der Rechte und Pflichten“ (Anlage KTB 1) unter Nr. 5.2 geregelt ist. Bei diesem Regelwerk handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die maßgebliche Klausel Nr. 5 lautet auszugsweise wie folgt:

„5. Schutz der Rechte anderer Personen

Wir respektieren die Rechte anderer und erwarten von dir, dass du dies ebenfalls tust.“

1. Du wirst keine Inhalte auf F. posten oder Handlungen auf F. durchführen, welche die Rechte einer anderen Person verletzen oder auf sonstige Art gegen das Gesetz verstoßen.

2. Wir können sämtliche Inhalte und Informationen, die du auf F. postest, entfernen, wenn wir der Ansicht sind, dass diese gegen die Erklärung oder unsere Richtlinien verstoßen. (...)“

cc) Die Klausel 5.2 ist allerdings unwirksam, weil sie die Nutzer als Vertragspartner der Verwenderin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Nach dem Wortlaut der Klausel – dem zugleich die bei der gebotenen Auslegung zu Lasten des Verwenders (§ 305 c Abs. 2 BGB) zugrunde zu legende kundenunfreundlichste Auslegung entspricht – kommt es für die Beurteilung der Frage, ob ein geposteter Beitrag gegen die Richtlinien der Antragsgegnerin verstößt und deshalb gelöscht werden darf, allein auf das Urteil der Antragsgegnerin an. Dieses einseitige Bestimmungsrecht der Antragsgegnerin steht im Widerspruch dazu, dass der Vertrag zwischen Nutzer und Plattformbetreiber gemäß § 241 Abs. 2 BGB seinem Inhalt nach beide Vertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, S. 4).

Für den Inhalt und die Reichweite der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ist im vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung, dass die von der Antragsgegnerin bereitgestellte Social-Media-Plattform dem Zweck dient, den Nutzern einen „öffentlichen M.platz“ für Informationen und Meinungsaustausch zu verschaffen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 10.08.2017 – 16 U 255/16, Rn. 28, zit. nach juris). Im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere des Grundrechts des Nutzers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), muss deshalb gewährleistet sein, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt werden darf (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, S. 4 f. m.w.N.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt den Grundrechten insoweit eine mittelbare Drittwirkung zu, als das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt zugleich Elemente objektiver Ordnung aufgerichtet hat, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung haben, mithin auch das Privatrecht beeinflussen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 – 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261; Urteil vom 15.01.1958 – 1 BvR 400/51, Rn. 26, BVerfGE 7, 198; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., Art. 1 Rn. 54 m.w.N.). In dieser Funktion zielen die Grundrechte nicht auf eine möglichst konsequente Minimierung von freiheitsbeschränkenden Eingriffen, sondern sind im Ausgleich gleichberechtigter Freiheit zu entfalten. Hierbei sind kollidierende Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so zum Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018 – 1 BvR 3080/09, Rn. 32 m.w.N., NJW 2018, 1667). Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektive Normen entfaltet sich im Privatrecht durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und -bedürftigen Begriffe, die im Sinne dieses Rechtsgehalts ausgelegt werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 – 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261).

Im vorliegenden Fall bildet die Vorschrift des § 241 Abs. 2 BGB die konkretisierungsbedürftige Generalklausel, bei deren Auslegung dem vom Antragsteller geltend gemachten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) Rechnung zu tragen ist Mit dem gebotenen Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz wäre es unvereinbar, wenn die Antragsgegnerin gestützt auf ein „virtuelles Hausrecht“ (vgl. LG Bonn, Urteil vom 16.11.1999 – 10 O 457/99, NJW 2000, 961) auf der von ihr bereitgestellten Social-Media-Plattform den Beitrag eines Nutzers, in dem sie einen Verstoß gegen ihre Richtlinien erblickt, auch dann löschen dürfte, wenn der Beitrag die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung nicht überschreitet.

dd) Die in den Gemeinschaftsstandards (Anlage KTB 3, 13. Abschnitt) geregelte Entfernung von sogenannten „Hassbotschaften“ – definiert als Inhalte, die Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnizität, nationalen Herkunft, religiösen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder aufgrund von Behinderungen oder Krankheiten direkt angreifen – wird von der Nichtigkeit der Klausel Nr. 5.2 der „Erklärung der Rechte und Pflichten“ nicht unmittelbar berührt. Denn diese Klausel stellt hinsichtlich der Einordnung eines Inhalts als „Hassbotschaft“ nicht auf die subjektiven Vorstellungen der Antragsgegnerin bzw. der für diese handelnden Personen, sondern auf objektivierbare Kriterien ab. Auf diese Klausel kann die Antragstellerin die Löschung des streitgegenständlichen Textbeitrags aber nicht stützen, weil dieser keinen „Hassbeitrag“ im Sinne der Klauseldefinition darstellt. Es bedarf daher im vorliegenden Fall auch keiner Prüfung, ob die Gemeinschaftsstandards als solche einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten würden.

(1) Die Interpretation einer Äußerung setzt die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums voraus. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 12.04.2016 – VI ZR 505/14, Rn. 11 m.w.N., MDR 2016, 648 f.). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt, oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, Rn. 31, BVerfGE 114, 339–356).

(2) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der im Tenor dieses Beschlusses unter Ziffer 1 wiedergegebene Textbeitrag des Antragstellers wie folgt zu interpretieren:

Anhand der Anführungszeichen und der Quellenangabe „Orbán Viktor“ erkennt der verständige und unvoreingenommene Leser, dass es sich im Wesentlichen um ein Zitat des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán handelt. Lediglich die abschließende Frage „Wer gibt diesem Mann ein LIKE?“ stellt eine eigene Äußerung des – durch Name und Lichtbild identifizierbaren – Antragstellers dar. Im Kontext versteht der Leser diese Frage dahin, dass der Antragsteller sich die zitierte Ansicht des ungarischen Ministerpräsidenten zu eigen macht und die Leser dazu auffordert, sich durch Abgabe einer positiven Bewertung („LIKE“) dieser Auffassung anzuschließen.

Dem Gesamtkontext des wiedergegebenen Zitats entnimmt der maßgebliche Leser, dass es sich bei „diesen Menschen“, von denen Orbán spricht, um Flüchtlinge muslimischen Glaubens handelt, die aus Syrien nach Ungarn gelangt sind und dort um Aufnahme ersucht haben. Orbán ist allerdings der Ansicht, dass es sich nicht wirklich um „muslimische Flüchtlinge“ gehandelt habe, sondern bezeichnet sie als „muslimische Invasoren“. Der verständige und unvoreingenommene Leser erkennt, dass die nachfolgenden Ausführungen der Begründung dieser Aussage dienen sollen: Um von Syrien durch Ungarn zu gelangen, müsse man vier Länder durchqueren. Der Umstand, dass die syrischen Flüchtlinge nicht bereits in einem der von ihnen durchquerten vier Transitländer um Aufnahme gebeten haben, belegt für den ungarischen Ministerpräsidenten, dass sie nicht in ihrer Heimat mit dem Tode bedroht sind oder sich vor dem syrischen Bürgerkrieg in Sicherheit bringen wollen („rennen nicht um ihr Leben“), sondern ein „besseres Leben“ suchen, also von den besseren wirtschaftlichen Verhältnissen in Ungarn profitieren möchten. Orbán wirft den Flüchtlingen vor, dass sie nicht vorher um Aufnahme gebeten, sondern die Grenze illegal durchbrochen hätten. An diesen Vorwurf knüpft er aus Sicht des maßgeblichen Lesers die Feststellung: „Das war keine Flüchtlingswelle, das war eine Invasion.“ Spätestens an dieser Stelle erkennt der Leser, dass Orbán die dem militärischen Sprachgebrauch entlehnten Begriffe „Invasoren“ und „Invasion“ in einem übertragenen Sinn gebraucht, um damit die illegale Überschreitung der ungarischen Grenze durch eine große Anzahl von syrischen Flüchtlingen zu umschreiben.

Im letzten Satz des Zitats bringt der ungarische Ministerpräsident aus Sicht des Lesers sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass in Deutschland das mit der Flüchtlingswelle verbundene „Chaos“, die „Anarchie“ – im Kontext zu verstehen als das zumindest zeitweilige und faktische Außer-Kraft-Setzen der geltenden Einreisebestimmungen – und das illegale Überschreiten von Grenzen positiv bewertet werden konnte.

(3) Mit diesem Aussagegehalt kann der Beitrag des Antragstellers nicht als direkter Angriff auf Personen wegen ihrer Rasse, Ethnizität, nationalen Herkunft und religiöser Zugehörigkeit – die übrigen Eigenschaften, die zum Ziel einer „Hassbotschaft“ im Sinne der Gemeinschaftsstandards der Antragsgegnerin gemacht werden könnten, kommen im vorliegenden Fall von Vorneherein nicht in Betracht – gewertet werden.

Soweit in dem Zitat von „Syrien“ die Rede ist, wird damit nur die geographische Herkunft der Flüchtlinge umschrieben. Diese Herkunft wird aber nicht als solche zum Gegenstand der geäußerten Kritik gemacht. Die von Orbán kritisierte Verhaltensweise der Flüchtlinge, das illegale Durchbrechen von Grenzen auf der Suche nach einem besseren Leben, wird nicht als typisch für Syrer bzw. Menschen syrischer Herkunft hingestellt.

In dem ausdrücklichen Hinweis auf den muslimischen Glauben der Flüchtlinge erkennt der verständige und unvoreingenommene Leser zwar das Bestreben des ungarischen Ministerpräsidenten, gegenüber seinem – nicht näher bekannten – Publikum die Fremdheit der Flüchtlinge in religiöser Hinsicht zu betonen. Ein direkter Angriff auf Menschen muslimischen Bekenntnisses wegen ihrer religiösen Zugehörigkeit kann darin jedoch nicht gesehen werden, zumal Orbán selbst die von ihm kritisierten „muslimische(n) Invasoren“ von „muslimische(n) Flüchtlingen“ abgrenzt.

Der maßgebliche Leser erkennt, dass die Bezeichnung der Flüchtlinge als „Invasoren“ wegen der militärischen Konnotation des Begriffs geeignet ist, beim Publikum diffuse Ängste der Bedrohung hervorzurufen. Entscheidend ist jedoch, dass in dem Zitat die tatsächliche Grundlage dieses Werturteils – das massenhafte illegale Überschreiten der Grenze – offen gelegt und damit einer eigenständigen Überprüfung durch den Leser zugänglich gemacht wird. Die durchaus scharf formulierte Kritik an dem beschriebenen Verhalten der Flüchtlinge ist vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gedeckt, zumal es sich bei der Flüchtlingskrise um eine die Öffentlichkeit stark bewegende Frage handelt.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen verbietet sich nach den eigenen Gemeinschaftsstandards der Antragsgegnerin die Einordnung des streitgegenständlichen Textbeitrags als „Hassbotschaft“. Durch die Entfernung des Beitrags hat die Antragsgegnerin der Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit auf ihr Vertragsverhältnis mit dem Antragsteller nicht ausreichend Rechnung getragen.

ee) Der streitgegenständliche Beitrag stellt schließlich auch keinen rechtswidrigen Inhalt im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der in dieser Vorschrift genannten Strafnormen sind ersichtlich nicht erfüllt, weshalb eine hierauf gestützte Löschung des Beitrages nicht in Betracht kommt.

b) Die rechtswidrige Löschung des Beitrages durch die Antragsgegnerin begründet die für einen Unterlassungsanspruch konstitutive Wiederholungsgefahr.

aa) Bei einem auf die direkte oder analoge Anwendung von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützten Unterlassungsanspruch bildet die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen ein Tatbestandsmerkmal und damit eine materielle Anspruchsvoraussetzung (BGH, Urteil vom 19.10.2004 – VI ZR 292/03, NJW 2005, 594, 595). Für einen Unterlassungsanspruch, der aus einem vertraglichen Erfüllungsanspruch abgeleitet wird, kann nach dem Rechtsgedanken des § 259 ZPO im Ergebnis nichts anderes gelten. Nach dieser Vorschrift setzt eine Klage auf künftige Leistung voraus, dass den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Fehlt die Wiederholungsgefahr, wäre zumindest das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs zu verneinen.

bb) Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Beitrag gelöscht hatte. Die auf Seite 6 der Antragsschrift eingescannte Mitteilung der Antragsgegnerin beginnt mit dem Satz: „We Removed Something You Posted“. Eine Glaubhaftmachung des Umstandes, dass die Löschung des wörtlich wiedergegebenen Beitrags nicht wieder rückgängig gemacht worden sei, war nicht erforderlich.

Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Textbeitrag des Antragstellers rechtswidrig gelöscht hat, begründet eine tatsächliche Vermutung für das Bestehen der Wiederholungsgefahr, an deren Wiederlegung strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. zu einem auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützten Unterlassungsanspruch: BGH, Urteil vom 21.09.2012 – V ZR 230/11, Rn. 12, NJW 2012, 3781, 3782). Im Allgemeinen kann die Wiederholungsgefahr nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden. Dahinstehen kann, ob im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses auch ein Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit der Löschung ausreichend wäre; denn eine derartige Erklärung hat die Antragsgegnerin nicht abgegeben.

cc) Seine Absicht, den streitgegenständlichen Beitrag wieder auf der Plattform www.f...com einzustellen, musste der Antragsteller dagegen nicht glaubhaft machen. Diese innere Tatsache wird allein durch den gestellten Antrag, der Antragsgegnerin die Löschung des Beitrags zu untersagen, hinreichend belegt.

c) Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes hat das Landgericht zu Unrecht verneint. Insbesondere hat der Antragsteller die behauptete Dringlichkeit nicht selbst dadurch widerlegt, dass er erst nach Ablauf von zwei Monaten seit Kenntnis von der Löschung des streitgegenständlichen Beitrags Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt hat.

Es ist allgemein anerkannt, dass ein Verfügungsgrund fehlt, wenn der Antragsteller trotz eines bestehenden Sicherungs- oder Regelungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt (vgl. KG, Urteil vom 09.02.2001 – 5 U 9667/00, Rn. 14, zit. nach juris, NJW-RR 2001, 1201; Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 4 m.w.N.). Wie lange der Antragsteller zuwarten darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab; die in Wettbewerbssachen entwickelte „Richtlinie“ von etwa einem Monat (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 8 – Stichwort: „Wettbewerbsrecht“) kann nicht ohne Weiteres auf andere Rechtsgebiete übertragen werden. Die behauptete Dringlichkeit wird durch das eigene vorprozessuale Verhalten jedenfalls dann widerlegt, wenn der Antragsteller so lange zuwartet, dass er in dem verstrichenen Zeitraum eine Sachentscheidung in der Hauptsache hätte herbeiführen können.

Durch Bezugnahme auf die sachlichen Angaben in der Antragsschrift vom 29.05.2018 in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 30.05.2018 hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass er nicht vor dem 27.03.2018 von der kurzzeitigen Sperrung sowie der Löschung des streitgegenständlichen Beitrags Kenntnis erlangt hatte. Er hat ein Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 23.04.2018 vorgelegt, in dem er die Antragsgegnerin unter Fristsetzung bis zum 27.04.2018 unter anderem dazu aufgefordert hatte, etwaige gelöschte Beiträge unverzüglich wieder freizuschalten.

Im vorliegenden Fall, in dem der Gegner seinen Sitz im Ausland hat und der höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen zum Gegenstand hat, kann das Verstreichenlassen eines Zeitraums von zwei Monaten nicht als ausreichend angesehen werden, um das Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu widerlegen. Dem Antragsteller war nach Kenntniserlangung von der Löschung seines Beitrags zunächst ein angemessener Zeitraum zuzubilligen, um Rechtsrat einzuholen und die Erfolgsaussichten seines Begehrens prüfen zu lassen. Sodann durfte er die Reaktion der Antragsgegnerin auf seine außergerichtliche Aufforderung, die Löschung rückgängig zu machen, abwarten, um die nachteilige Kostenfolge eines sofortigen Anerkenntnisses zu vermeiden.

d) Die künftige Löschung eines dem streitgegenständlichen Beitrag „sinngemäß“ entsprechenden Postes kann der Antragsgegnerin dagegen nicht untersagt werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geht das Verbot einer Äußerung ohne Bezugnahme auf den jeweiligen Kontext grundsätzlich zu weit, weil eine Untersagung stets eine Abwägung zwischen dem Recht des von der Äußerung Betroffenen, insbesondere auf Schutz seiner Persönlichkeit, und dem Recht des sich Äußernden auf Meinungs- und Medienfreiheit unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem die Äußerung gefallen ist, voraussetzt (BGH, Urteil vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10, Rn. 32, NJW 2013, 790).

Bei der Prüfung der Frage, ob ein „kerngleicher“ Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung vorliegt, kann der Aussagegehalt der beiden Äußerungen unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Kontextes miteinander verglichen werden. Der Kontext eines künftigen „sinngemäßen“ Textes, dessen Löschung der Antragsteller der Antragsgegnerin verbieten lassen will, ist aber erst bekannt, wenn der Text tatsächlich auf F. eingestellt wird. Da die Rechtswidrigkeit einer Äußerung aber maßgeblich vom Kontext abhängt, in dem sie gefallen ist, kann im Vorfeld nicht entschieden werden, ob eine Löschung des „sinngemäßen“ Textbeitrags durch die Antragsgegnerin unzulässig wäre.

3. Soweit der Antragsteller beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, ihn wegen des Einstellens des im Tenor unter Ziffer 1 wiedergegebenen oder eines sinngemäß identischen Textbeitrages auf www.f...com zu sperren, ist die sofortige Beschwerde unbegründet. Dieses Begehren ist auf den Erlass einer Leistungsverfügung gerichtet, die mangels einer nachvollziehbaren Darlegung der hierfür erforderlichen Voraussetzungen zu einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache führen würde.

a) Wie oben unter Ziffer 2 lit. a dargelegt, kommt als Verfügungsanspruch im vorliegenden Fall allein der Erfüllungsanspruch des Antragstellers aus dem mit der Antragsgegnerin geschlossenen Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Mit dem angestrebten Verbot seiner Sperrung auf www.f...com wegen dort eingestellter Beiträge bezweckt der Antragsteller in der Sache, dass ihm die ungehinderte Nutzung der Funktionen von www.f...com, insbesondere das Posten von Beiträgen, das Kommentieren fremder Beiträge sowie die Nutzung des Nachrichtensystems, ermöglicht wird. Der Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung würde hinsichtlich der bestehenden vertraglichen Erfüllungsansprüche gegen die Antragsgegnerin zu einer vollständigen Befriedigung des Antragsstellers und damit zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen.

b) Die auf Erfüllung gerichtete Leistungsverfügung setzt neben dem Bestehen des geltend gemachten Anspruchs ein dringendes Bedürfnis für die begehrte Eilmaßnahme voraus. Der Gläubiger muss auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen sein, was darzulegen und glaubhaft zu machen ist. Entwickelt wurde die Leistungsverfügung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) bei Bestehen einer dringenden Not- bzw. Zwangslage sowie im Falle einer Existenzgefährdung des Gläubigers. Sie ist auch zulässig, wenn die vom Schuldner zu erbringende Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Vollstreckungstitels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist, die Verweisung des Gläubigers auf die Erhebung der Hauptsacheklage praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme (vgl. zum Vorstehenden Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 6).

In vergleichbaren Fällen hat die Rechtsprechung zwar den Erlass einer Leistungsverfügung für möglich erachtet (vgl. LG Kiel, Beschluss vom 14.03.2012 – 1 T 21/12, NJW-RR 2012, 1211: Sperrung eines Mobilfunkanschlusses; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.08.2009 – 3 W 45/09, NJW-RR 2010, 936: Erschwerung des Internetzugangs). Der Antragsteller hat jedoch das Vorliegen des erforderlichen Verfügungsgrundes – ein dringendes Angewiesensein auf die begehrte Eilmaßnahme – nicht nachvollziehbar dargelegt.

Nach seinem eigenen Vortrag wurde der Antragsteller am 27.03.2018 nur „kurzzeitig“ gesperrt (Antragsschrift vom 29.05.2018, S. 5). Er behauptet selbst nicht, dass er derzeit noch gesperrt sei, eine weitere Sperrung unmittelbar bevorstünde oder ihm die Antragsgegnerin wegen eines anderen Beitrags zumindest eine weitere Sperre angedroht hätte. Seiner Befürchtung, dass er wegen der erneuten Einstellung des streitgegenständlichen Beitrags gesperrt werden könnte, ist dadurch, dass der Senat der Antragsgegnerin antragsgemäß die Löschung dieses Beitrages im Wege einstweiliger Verfügung untersagt hat, die Grundlage entzogen worden.

Bei dieser Sachlage muss sich der Antragsteller auf die Möglichkeit verweisen lassen, die Antragsgegnerin gegebenenfalls im Rahmen einer Hauptsacheklage auf Unterlassung einer Sperrung wegen des streitgegenständlichen Textbeitrages bzw. auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrung in Anspruch zu nehmen.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. ZPO, die zugrundeliegende Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.

Der Senat bewertet das Interesse des Antragstellers an der Unterlassung der von ihm befürchteten Sperrung auf www.f...com wegen des streitgegenständlichen oder eines sinngemäßen identischen Textbeitrages mit 10.000 €. Maßgeblich hierfür ist das Vorbringen des Antragstellers, dass www.f...com mit 31 Mio. Nutzern allein in Deutschland unter den sozialen Netzwerken „klar marktbeherrschend“ sei und derjenige, der sich in Deutschland politisch oder anderweitig äußern und andere Menschen erreichen wolle, zwingend auf „F.“ angewiesen sei (Antragsschrift, S. 4). Das vom Antragsteller mit 7.500 € bezifferte Gesamtinteresse am Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung erscheint daher deutlich zu niedrig bemessen.

Soweit der Antragsteller begehrt, der Antragsgegnerin die (erneute) Löschung des im Tenor unter Ziffer 1 wiedergegebenen Textbeitrages zu untersagen, hält der Senat einen Streitwert von 5.000 € für angemessen. Nach der allgemeinen Wertvorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bemisst sich der Gegenstandswert bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen im Regelfall auf 5.000 €. Dieser Wertansatz erscheint im vorliegenden Fall angesichts des hohen Rangs des Grundrechts auf Meinungsfreiheit sowie der vom Antragsteller hervorgehobenen Reichweite der Social-Media-Plattform angemessen.

In Bezug auf den sich ergebenden Gesamtstreitwert von 15.000 € unterliegt der Kläger mit einer Quote von zwei Dritteln. Der Senat wertet es nicht als Teilunterliegen des Antragstellers, dass er dessen Begehren, der Antragsgegnerin auch die Löschung sinngemäß identischer Beiträge zu untersagen, nicht entsprochen hat (arg. e § 938 Abs. 1 ZPO).

2. Eine ausdrückliche Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich. Einstweilige Verfügungen sind Vollstreckungstitel, die mit Erlass des Beschlusses sofort vollstreckbar sind, ohne dass es einer Entscheidung hierüber bedarf (Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 929 Rn. 1 m.w.N.).

3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde, soweit der Senat die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen hat, kommt gemäß § 574 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht in Betracht.

IV.

Der Senat macht von der ihm durch § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren abzuändern. Hinsichtlich der Begründung wird auf die obigen Ausführungen unter Ziffer III 1 verwiesen.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19.05.2017, Az. 3 HK O 2070/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1422 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.

Gründe

Das Erstgericht hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung liegen nicht vor, da es -zumindest nunmehr in der Berufungsinstanz - an einem nach §§ 935, 936, 917 Abs. 1 ZPO erforderlichen Verfügungsgrund fehlt:

I.

Der Verfügungsgrund fehlt zum einen deshalb, da die Verfügungsklägerin die dafür notwendige Eilbedürftigkeit weder dargetan noch glaubhaft gemacht hat:

1. Die Verfügungsklägerin begehrt im vorliegenden Fall von der Verfügungsbeklagten, es zu unterlassen, Aktien der Verfügungsbeklagten an die J GmbH oder deren Rechtsnachfolgern in Ausübung und dem Umfang einer durch sie begebenen Pflichtwandelanleihe auszugeben, bevor das Bundeskartellamt das Zusammenschlussvorhaben „G…/J “ freigegeben hat, die Fristen nach § 40 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 2 GWB abgelaufen sind oder das Bundeskartellamt eine Befreiung vom Vollzugsverbot erteilt hat. Der Verfügungsanspruch soll sich aus §§ 33 Abs. 1, 41 Abs. 1 GWB ergeben.

2. Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn die objektiv begründete Gefahr besteht, dass durch Veränderung des Status quo die Rechtsverwirklichung des Verfügungsklägers mittels des im Hauptsacheprozess erlangten Urteils einschließlich dessen Vollstreckung vereitelt oder erschwert werden könnte (Drescher, in MüKoZPO, 5. Aufl. 2016, § 935 ZPO Rn. 15). Er ist festzustellen, wenn das Begehren des Verfügungsklägers dringlich ist und ihm nicht zugemutet werden kann, den Weg des Hauptsacheverfahrens einzuschlagen und in diesem auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten. Im Rahmen der Interessenabwägung ist eine Folgenabschätzung vorzunehmen (Voß, in Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 1. Aufl. 2015, § 940 ZPO Rn. 62). Das Interesse des Verfügungsklägers muss den Nachteilen eines Zuwartens bis zur Hauptsacheentscheidung so überwiegen, dass der Eingriff in die Sphäre des Verfügungsbeklagten auf Grund eines bloß summarischen Verfahrens gerechtfertigt ist.

Maßgebender Zeitpunkt ist der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung, gegebenenfalls in der Rechtsmittelinstanz (Köhler, in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 12 Rn. 3.12). Eine analoge Anwendung der Vermutungsregel des § 12 Abs. 2 UWG scheidet im Anwendungsbereich des GWB aus (OLG Stuttgart, NJW-RR 1990, 940; LG Düsseldorf, WRP 1998, 81, 83), weshalb die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast vollumfänglich bei der Verfügungsklagepartei liegt.

3. Mit Schreiben vom 15.05.2017 lehnte die Verfügungsklägerin im vorliegenden Fall den entscheidenden Richter des Erstgerichts wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Die Verfügungsklägerin ergänzte ihr Gesuch im Termin vom 16.05.2017 und stützt es auch darauf, dass der die Sitzung leitende Vorsitzende den Termin durchführe, ohne zu erläutern, weshalb die Angelegenheit noch eilbedürftig sei. Wörtlich führt der Verfügungsklägervertreter laut dem Sitzungsprotokoll aus:

„Ich stütze das Ablehnungsgesuch … auch auf den Umstand, dass der VRiLG W trotz offenkundig fehlender Eilbedürftigkeit nach der Begebung der Aktien heute den Vorsitz übernehmen will, ohne näher zu erläutern, warum die heutige mündliche Verhandlung eilbedürftig im Sinne des § 47 Abs. 1 ZPO ist. Die Aktien sind unstreitig begeben, sodass eine heutige einstweilige Verfügung, gleich ob eine Aufrechterhaltung oder Aufhebung, keinen Einfluss m ehr hat… .“

Mit diesem Vorbringen in der ersten Instanz zeigt die insoweit darlegungsbelastete Verfügungsklägerin selbst, dass sie - zumindest ab dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - nicht mehr von einer für den Verfügungsgrund notwendigen Eilbedürftigkeit ausgeht. In der Berufungsbegründung fehlen Ausführungen dazu, aufgrund welcher Umstände nunmehr die Dringlichkeit wieder zu bejahen sei.

II.

Der Verfügungsgrund fehlt zum anderen wegen Selbstwiderlegung, da die Verfügungsklägerin durch ihr Verhalten selbst zu erkennen gegeben hat, dass es ihr nicht eilig ist. Die erforderliche Interessenabwägung aller Umstände des Einzelfalles ergibt im vorliegenden Fall, dass die Verfügungsklägerin das Verfahren nicht in der erforderlichen Zügigkeit betrieben hat und deswegen - zumindest in der Berufungsinstanz - die Dringlichkeit entfallen ist:

1. Es fehlt an der zeitlichen Dringlichkeit, wenn der Verfügungskläger längere Zeit zugewartet hat, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder grobfahrlässig nicht kennt. Nach ständiger Rechtsprechung des OLG Nürnberg ist bereits ein Zuwarten von mehr als 1 Monat dringlichkeitsschädlich (MDR 2002, 533). Dabei genügt grundsätzlich die Kenntnis der Tatsachen, die den Wettbewerbsverstoß begründen (OLG Hamburg, WRP 2007, 675).

Der positiven Kenntnis steht die grob fahrlässige Unkenntnis gleich (OLG Karlsruhe, WRP 2010, 793). Sie liegt vor, wenn sich der Verfügungskläger bewusst der Kenntnis verschließt oder ihm nach Lage der Dinge der Wettbewerbsverstoß nicht verborgen geblieben sein kann (OLG Hamm, WRP 2012, 985). Kennt der Verfügungskläger bereits konkrete Umstände, die einen Wettbewerbsverstoß naheliegend erscheinen lassen, ist von ihm zu erwarten, dass er alle ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen mit der gebotenen Zielstrebigkeit ergreift und die Sachlage weiter aufklärt (Voß, in Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 1. Aufl. 2015, § 940 ZPO Rn. 75).

Im vorliegenden Fall stützt die Verfügungsklägerin ihren Antrag vom 31.03.2017 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, auf eine Adhoc-Meldung der Verfügungsbeklagten vom 14.02.2017 sowie auf eine Pressemitteilung der Verfügungsbeklagten und einen Artikel in der Zeitung vom gleichen Tag. Die Verfügungsklägerin legt nicht dar, wieso es ihr nicht möglich und zumutbar war, binnen der Monatsfrist den Verfügungsantrag bei Gericht einzureichen.

2. Es besteht in Rechtsprechung (BGH, GRUR 2000, 151) und Literatur (Drescher, in MüKoZPO, 5. Aufl. 2016, § 935 ZPO Rn. 18) darüber hinaus Einigkeit darüber, dass der Verfügungsgrund wegen Selbstwiderlegung fehlt, wenn der Verfügungskläger nach Eintritt der Gefährdung mit einem Antrag eine länger Zeit zuwartet oder das Verfahren nicht zügig betreibt, weil er damit zum Ausdruck bringt, dass ihm selbst die Sache nicht so eilig ist. Dies ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Verfügungskläger sich mit der Begründung der Berufung nicht beeilt, sondern die gesetzlich eingeräumte zweimonatige Begründungsfrist verlängern lässt und auch diese Frist vollständig ausschöpft (Kammergericht, MDR 2009, 888; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2003, 31; OLGR Köln 1999, 416; OLG Nürnberg, GRUR 1987 727; OLG Nürnberg, Beschluss vom 15.06.2009, Az. 3 U 651/09). Dabei kann ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist dringlichkeitsschädlich sein, selbst wenn es nur um eine Fristverlängerung um wenige Tage geht (OLG Hamm, MMR-Aktuell 2011, 321651). Hierbei handelt es sich um allgemeine Grundsätze, die nicht nur für Unterlassungsansprüche aus dem UWG gelten, sondern auch für solche, die auf Anspruchsgrundlagen aus dem BGB oder anderen Gesetzen gestützt werden (OLG Nürnberg, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall hob das Erstgericht mit Endurteil vom 19.05.2017 die einstweilige Verfügung des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.03.2017 auf und lehnte den auf ihren Erlass gerichteten Antrag ab. Das Urteil wurde der Verfügungsklägerin ausweislich des in der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses am 26.05.2017 zugestellt. Am 26.06.2017 legte die Verfügungsklägerin Berufung gegen das Endurteil ein. Mit Schriftsatz vom 26.07.2017 beantragte die Verfügungsklägerin die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um zwei Wochen. Durch diesen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 ZPO um weitere Wochen und das Ausschöpfen dieser Frist hat die Verfügungsklägerin zu erkennen gegeben, dass sie nicht derart eilig auf das begehrte Verbot angewiesen ist, dass es ihr nicht zugemutet werden kann, ihr Rechtsschutzziel in einem Hauptsacheverfahren durchzusetzen.

Besondere Umstände, die trotz Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist den Fortbestand der Dringlichkeit rechtfertigen könnten, wie außergewöhnliche Schwierigkeiten bei der Tatsachenermittlung, Erkrankung des Prozessbevollmächtigten oder besondere rechtliche Probleme sind nicht vorgetragen. Der für die Fristverlängerung angegebene Grund der Arbeitsüberlastung des Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsklägerin rechtfertigt zwar die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist prozessual, steht jedoch insbesondere bei völliger Ausschöpfung der verlängerten Frist dem Verfügungsgrund entgegen. So ist zu erwarten, dass innerhalb eines Eilverfahrens für Vertretung zu sorgen ist oder notfalls weniger eilbedürftige Sachen zurückgestellt werden (Kammergericht, GRUR 1999, 1133). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem im Verlängerungsantrag gemachten Vortrag der Verfügungsklägerin, dass die dienstliche Stellungnahme des wegen Befangenheit abgelehnten Richters unvollständig sei, da sich die Berufungsbegründung nicht auf Tatsachen stützt, zu der eine (weitere) dienstliche Stellungnahme des Erstrichters erforderlich war.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Verfügungsklägerin nicht rechtzeitig auf die Folgen einer Ausschöpfung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist hingewiesen worden ist. Denn die Rechtsprechung zum Verlust der Dringlichkeit bei Ausschöpfung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist ist als bekannt vorauszusetzen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2003, 31; OLG Nürnberg, a.a.O.).

Nürnberg, 07.11.2017

Tenor

1. Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 29.09.2014, Az. 4 O 128/14, im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Der Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Verfügungskläger.

Gründe

 
I.
Der Verfügungskläger (fortan: Kläger) nimmt den Verfügungsbeklagten (fortan: Beklagten) auf Unterlassung in Anspruch.
Der Kläger ist Landesvorsitzender der Partei Alternative für Deutschland (AfD) …. Nachdem er Platz 3 der Europaliste erlangt hatte, wurde er in das Europaparlament gewählt. Der Beklagte war Mitglied dieser Partei. Nach Einleitung eines Parteiausschlussverfahrens trat er freiwillig aus der AfD aus. Im Februar 2014 hatte der Kläger gegen den Beklagten Privatklage wegen übler Nachrede beim Amtsgericht B. erhoben. Die Klage wurde abgewiesen, weil die Frist des § 194 StGB versäumt war. Mit dem folgenden auszugsweise wiedergegebenen E-Mailschreiben vom 11.08.2014 (Anlage 1) wandte sich der Beklagte an zahlreiche Parteimitglieder der AfD, wobei für K. der Kläger und B. für den Beklagten zu lesen ist:
„Liebe AfD-Mitglieder,
sehet, ich verkünde Euch große Freude:
im Anhang
findet Ihr eine Entscheidung des Amtsgerichts B. Da hat der wehleidige K. (der Mann mit dem Hundeblick) doch gegen mich eine Privatklage wegen „Beleidigung“ eingereicht, die mich schon am 20.05.2014 (Anhang 2) dazu verleitete, eine Rundmail an seine AfD-Schäfchen zu schreiben. Und: verloren!!!! Jauchzet und jubilieret: bald wird der Betrüger fallen, obwohl er einst lichtreich von L. und der Jungen Freiheit in den Politikerhimmel erhoben wurde, von wo er auf das gemeine AfD-Volk herabsah!
Ja, Sie haben richtig gelesen! K. konnte mir weder „Beleidigung“ noch „üble Nachrede“ nachweisen! Wie denn auch? Ich habe meine Vorwürfe ja stets mit Beweisen [sic] Sie in dieser Email alle finden und verifizieren können!
Gegenstand seiner Privatklage war meine „Anlage 3“, die ich im Zuge des faschistoiden „Ausschlussverfahrens“ gegen meine Person an das Schiedsgericht, Landesvorstand und die AfD-Basis versand [sic], um durch sarkastische Art und Weise, aufzuzeigen, dass ich mich nicht von derlei feigen und totalitären Methoden einschüchtern lasse sowie in gleicher Weise zu unterstreichen, dass sowohl der Landesvorstand als auch das Landesschiedsgericht niemals ernstgenommen werden dürfen:
http:// (…)
Was habe ich denn in „Anlage 3“ so beleidigendes von mir gegeben, wollen jetzt wohl alle wissen, da man B.s Mails ja nie las, denn der „Führer“ bzw. K. hat ja Querulant [sic], den man nicht ernst nehmen soll, oder nicht?
Sie können noch gespannt den Ausgang der anderen Verfahren abwarten, die K. ebenfalls überführen werden (oder war da nicht sogar schon etwas mit ein paar Tausend Landesvorstand [sic], wegen dieses diffamierenden sog. Ausschlussurteils auf der Landeshomepage an mich zahlen muss?).
K. schrieb an das AG B. (Anhang 3):
10 
„Durch diese Äußerungen fühle ich mich in meiner Ehre verletzt“.
11 
Dazu bitte eine Runde Mitleid:
„Oooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo.
Ochjöööööööööööööööööööööööööööööööö.“
12 
Wie wäre es, wenn man K. auf AfD-Veranstaltungen erst einmal mit einer Runde Mitleid begrüßen würde? Das täte dem geschundenen Mann sicherlich sehr gut.
13 
Die zitierten Äußerungen oben in K.s Schriftsatz, bitte ich im Kontext meines Schreibens einmal genauer zu studieren (sind zwar über 30 Seiten, die aber voll mit Wa [sic] sind und sich lohnen!)!
14 
Handelt es sich da wirklich um eindeutige „Beleidigungen“ oder nicht eher um „Schmähkritik“, die wegen ihrer argumentativen Untermauerung von der Meinungsfreiheit gedeckt ist? A. P. kann ein Lied davon singen, dass die „Schmähschrift“ nicht mehr die Selbstverständlichkeit besitzt, die ihr die Meinungsfreiheit einst zusprach.
15 
Ich werde meine „Beleidigungen“ [sic] für sie noch einmal mit Beweisen und Argumenten untermauern: also lassen Sie uns einmal alles Schritt für Schritt durchgehen!
16 
K. meint in seinem Schreiben, dass ich den Eindruck erwecken wollte, er sei „unqualifiziert, feige, verlogen und ein Rechtsbrecher“.
1.
17 
K. ist ein Betrüger und Rechtsbrecher. Dies habe ich schon anhand des Gründungsparteitags in (…) vom (…) klar nachgewiesen.
18 
http://(...) (vgl. dazu auch die rechtlichen Ausführungen des Anhangs 4 dieser E-Mail [Anlage 2 laut Protokoll AS I 47]).
19 
Aus dem nichts wurde ein Nichts und Niemand Landessprecher, während der deutsche … ... mittag brav seiner Arbeit nachging.
20 
2. Was die Welt aber noch nicht weiß: auch Platz 3 der Europaliste erlangte K. nur durch Betrug:
21 
http://(….)
22 
Wie die meisten noch wissen, blieben im zweiten Wahlgang zu Platz 3 nur noch M. P., T. H. und K. übrig (JF-Live-Ticker 14 Uhr 20).
23 
In der elektronischen Vorwahl wurde aber zu Lasten M.P. manipuliert, da man ihn einfach wegließ und damit den Delegierten vortäuschte, dass man nur H. und oder K. wählen könne (Bilder in Anhang 5a und 5b dieser E-Mail).
24 
Es war im Vorneherein klar, dass P. und H. wegen ihrer großen Beliebtheit an der AfD-Basis dem Favoriten L..s (K., der Betrüger) den sicheren Listenplatz 3 streitig machen könnten. Also ging man um B.L. und F. P. herum in die Vollen und tat sein Bestes, um die Unsicherheiten des demokratischen Prozesses - z.B. die Widerborstigkeit der Mitglieder, die schon in Erfurt in unverschämter Weise gegen L…s Allmachtswahn aufbegehrten - zu minimieren. Tage vorher ging schon eine diffamierende Rundmail durch die AfD, in welcher T. H. üble Zitate in den Mund geschoben wurden, die er aber durch eine Rundmail seinerseits entkräften konnte. Da man nun nicht mehr sicher war, H. erledigt zu haben, legte man in Aschaffenburg noch einmal nach, indem F. P. seine Rede unter Verstoß gegen § 10 III EuWG unterbrach, bloß um das Ergebnis von Wahlgang 2 bekannt zu geben (JF-Live-Ticker 13 Uhr 30 und 35). Wurde noch jemand unterbrochen? Hätte man nicht bis zum Ende von H.s Rede warten können? Oder ist etwa ein Feuer ausgebrochen? Hat es so eine Dreistigkeit überhaupt schon in der deutschen Parteiengeschichte gegeben?
25 
Summa summarum: K. ist ein Halunke! Ein Rechtsbrecher, schlimmer geht nimmer!
26 
3. K. ist ein Loser, ein geborener Verlierer!
27 
Erstens wäre er dies in der AfD immer schon gewesen, wenn er bei seinen Wahlerfolgen nicht mit dubiosen Mitteln nachgeholfen hätte.
28 
Zweitens hat er in Ö. schon die Gemeinderatswahl 2009 verloren, obwohl er 5 Jahre Zeit hatte, die Ö… in diesem Gremium sowie als örtlicher Schachverein- und CDU-Vorsitzender von sich zu überzeugen!
29 
http://www.(…)
30 
Was hat er in Ö. denn für einen Griff ins Klo platziert, dass man ihn nicht wiedergewählt hat. Bei mir zu Hause, im ebenso beschaulichen I., werden Gemeinderäte nicht einfach so wieder abgewählt. Oder hat er in Ö. dasselbe getrieben, wie in der AfD? Die Demokratie verhindert, unschuldige Menschen diffamiert, das Recht gebeugt und inhaltlich sowie organisatorisch einfach nichts gemacht, außer seine Unfähigkeit und die Vergehen seiner Kollegen unter den Tisch gekehrt?
31 
Drittens verliert er als studierter Rechtspfleger, ehemaliger Polizist (zu feige für diesen Männerjob), Ministerialrat, Berufspolitiker und Vereinsmeierer eine Privatklage gegen mich, da er zu unfähig war, deren Erfolgschancen richtig beurteilen zu können. Ein bischen [sic] Jura müsste in diesem Lebenslauf doch hängen geblieben sein, oder?
32 
4. K.s Niedertracht und Unfähigkeit wird übrigens auch die Europawahl gefährden: Nicht nur seine „Platz 3“-Inszenierung sondern auch seine Unfähigkeit als Tagungsleiter steigern die Erfolgschancen meiner Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundestag (Az. EuWP…) beträchtlich.
33 
Vor allem der von K. dirigierte Delegiertennominierungsparteitag führte zu schweren Bedenken des Bundeswahlausschusses:
34 
http://www(…)
35 
In Hamburg war die von K. geleitete Delegiertenwahl sogar gänzlich ungültig. Kann das daran liegen, dass K. Angst davor hatte, dass der Hamburger K.-Kritiker M. W. (Anhang 6) mit Gleichgesinnten in Aschaffenburg ansonsten unbequeme Fragen an K. gestellt hätten oder gar P. oder H. gewählt hätten?
36 
Und in Rheinland Pfalz verstieß K. wie auch in Tettnang (der abgesagte BW-Parteitag, um Neuwahlen zu verhindern), gegen das demokratische Öffentlichkeitsprinzip aus Art. 21 I 2 GG, indem er im Stile der NPD die Presse ausschloss.
37 
http://www (…)
38 
5. Konklusion:
39 
Ich habe K. stets völlig zu Recht angegriffen. Und wenn sich einmal ein staatliches Gericht der AfD annimmt, kann K. mit Hilfe von M..s Schiedsgericht die Mitglieder nicht mehr mit seiner Propaganda blenden!
40 
Und noch eine bittere Wahrheit: der AN hat schon am 10.11.2013 Mut zur Wahrheit bewiesen:
41 
http://(…)
42 
Darum stelle ich diese Rundmail auch sehr gerne dem AN zur Verfügung, unter meinem Namen!
43 
Und zum Schluss posaune ich es noch einmal die Welt hinaus:
44 
K. ist ein Lügner, Betrüger, ein Versager ein chronischer Verlierer, die wandelnde Inkompetenz und vor allem eines: ein Gauner!
45 
Bitte zeigen Sie mich noch einmal an, Sie armes, armes Sensibelchen!“
46 
Der Kläger ist der Auffassung, die mit dem Verfügungsantrag beanstandeten Äußerungen seien nicht mehr vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Es handele sich dabei um reine Schmähkritik.
47 
Der Kläger hat beantragt:
48 
der Antragsgegner hat es bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00 ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten:
49 
K. ist ein Betrüger und Rechtsbrecher.
auch Platz 3 der Europaliste erlangte K. nur durch Betrug.
K. ist ein Halunke! Ein Rechtsbrecher,…
K. ist ein Lügner, () und vor allem eines; ein Gauner!
50 
Der Beklagte hat beantragt,
51 
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.
52 
Der Beklagte hat vorgetragen, bei den Begriffen „Lügner“, „Rechtsbrecher“ und „Betrüger“ handele es sich um Tatsachenbehauptungen, die von ihm durch die Anhänge und Internetverlinkungen belegt würden. Somit könnten allenfalls die Begriffe „Halunke“ und „Gauner“ Gegenstand des Verfügungsantrags sein.
53 
Mit dem angefochtenen Urteil, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, hat das Landgericht die beantragte einstweilige Verfügung erlassen. Die beanstandeten Äußerungen verletzten das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Es handele sich um in die Form von Formalbeleidigungen gekleidete Schmähkritik. Die von dem Beklagten mitgeteilten Verweise auf andere Internetseiten und Anhänge seien unbeachtlich. Andernfalls wäre es möglich, auch plakative Schmähkritik und Formalbeleidigungen durch einen bloßen Hinweis auf andere Texte oder Erkenntnisquellen in den Bereich des erlaubten Meinungskampfes zu stellen. Es bestehe auch der Verfügungsgrund der Dringlichkeit. Angesichts des bevorstehenden Landesparteitags der AfD am 04./05.10.2014 bestehe die objektiv begründete Besorgnis, dass durch eine Fortsetzung der Formalbeleidigungen durch den Beklagten ein Schaden entstehen könne. In einem Hauptsacheverfahren könne dieser Gefahr nicht wirksam begegnet werden, weil innerhalb der noch zur Verfügung stehenden wenigen Tagen nicht mit einer Endentscheidung gerechnet werden könne. Hiergegen könne von dem Beklagten nicht mit Erfolg eingewandt werden, der Kläger habe die vermeintlichen Schmähungen durch ihn in der Vergangenheit bereits eine geraume Zeit hingenommen. Denn die Dringlichkeit beurteile sich allein danach, ob die objektiv begründete Besorgnis bestehe, dass ohne den Erlass einer einstweiligen Verfügung ein Schaden entstehe.
54 
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag auf Zurückweisung des Verfügungsantrags weiterverfolgt. Die einstweilige Verfügung sei zu Unrecht ergangen. Das Landgericht habe die angegriffenen Äußerungen zu Unrecht als Schmähkritik eingeordnet, es handele sich vielmehr um Tatsachenbehauptungen, welche nur in besonderen Fällen eine unzulässige Schmähkritik darstellten. Erforderlich sei hierfür, dass die Äußerung in keinem sachlichem Zusammenhang mit ihrem Anlass stehe. Die Tatsachenbehauptungen seien wahr. In den Dokumenten 4, 5a und 5b und 6 der streitgegenständlichen E-Mail werde die Manipulation der Wahlen schlüssig und nachvollziehbar dokumentiert. Aus der Formulierung des Beklagten werde erkennbar, dass dem Kläger selbst nicht ausdrücklich die Manipulation der Listenaufstellung unterstellt werde. Im Hinblick auf die Zulässigkeit des politischen Meinungskampfes könne nicht von einer unzulässigen Schmähkritik ausgegangen werden. Das Landgericht habe auch zu Unrecht einen Verfügungsgrund bejaht. Seit Verbreitung der E-Mail bis zur Verkündung des Urteils seien 7 Wochen vergangen. Das Landgericht habe die Tatsache ignoriert, dass die streitgegenständlichen Äußerungen vom Beklagten bereits zu einem früheren Zeitpunkt verbreitet worden seien. Der Beklagte bestreitet die Rechtsanwaltszulassung der in erster Instanz für den Kläger tätig gewordenen Prozessbevollmächtigten.
55 
Der Beklagte beantragt:
56 
das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 29.09.2014, Az. 4 O 128/14 wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
57 
Der Kläger beantragt,
58 
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
59 
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Wenn anhaltende Formalbeleidigungen und anhaltende Schmähkritik Grund eines Unterlassungsbegehrens seien, könne es auf Umstände wie Zuwarten etc. von vornherein nicht ankommen. Die in erster Instanz tätige Prozessbevollmächtigte des Klägers verfüge über eine Zulassung, wie sich aus dem als Anlage K 1 (AS II 93) vorgelegten Ausdruck aus dem bundeseinheitlichen amtlichen Anwaltsverzeichnis ergebe. Fürsorglich werde die erstinstanzliche Prozessführung durch die jetzigen Prozessbevollmächtigten genehmigt. Wenn Schmähkritik vorliege, sei es äußerungsrechtlich unerheblich, ob der Beklagte mit seinen Vorwürfen „Recht habe“.
60 
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
II.
61 
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Landgericht die beantragte einstweilige Verfügung erlassen.
62 
A. Allerdings hat das Landgericht zu Recht das Vorliegen eines Verfügungsgrundes bejaht. Nach § 935 ZPO, § 940 ZPO kann eine einstweilige Verfügung nur dann ergehen, „wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder erschwert werden könnte“ oder wenn eine Regelung „zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint“. Der Kläger hat darzutun und glaubhaft zu machen, dass er auf eine gerichtliche Eilmaßnahme angewiesen ist (§§ 936, 920 Abs. 2 ZPO). Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass im Hinblick auf den Landesparteitag der AfD im Oktober 2014 und der dort anstehenden Wahlen für den Kläger wesentliche Nachteile durch die beanstandeten Äußerungen drohten. Der Kläger hat nicht durch sein Verhalten gezeigt, dass ihm die Sache nicht so dringlich erscheint. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte auf den Umstand, dass zwischen der Verbreitung der E-Mail am 11.08.2014 und der Verkündung des landgerichtlichen Urteils 7 Wochen vergangen waren. Denn der Kläger hatte keinen Einfluss darauf, wann das Gericht sein Urteil verkündet. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat der Kläger bereits am 05.09.2014 eingereicht. Soweit der Beklagte unwidersprochen geltend macht, dass er den Kläger bereits während des Jahres 2013 mehrfach als Betrüger, Rechtsbrecher und Verbrecher bezeichnet und ihn der Lüge bezichtigt habe (II 59), lässt sich daraus nicht ohne weiteres herleiten, dass dem Kläger selbst die Sache nicht dringlich erscheint. Da der Sinngehalt von Äußerungen sich lediglich anhand des Kontextes, in dem sie gefallen sind, ermitteln lässt (BVerfG, BeckRS 2013, 54173 Rn. 18), kommt es auf den Kontext an, in dem diese Bezeichnungen gefallen sind. Den vom Senat beigezogenen Strafakten des Amtsgerichts B. lässt sich nicht entnehmen, dass die im Strafverfahren beanstandeten Aussagen in einem ähnlichen Kontext gefallen sind.
63 
B. Mit Erfolg wendet sich die Berufung jedoch gegen die Annahme des Landgerichts, ein Verfügungsanspruch ergebe sich aus § 1004 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 185 StGB.
64 
1. Allerdings ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die beanstandeten Äußerungen einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellen. Denn die Bezeichnungen des Klägers als Betrüger, Rechtsbrecher, Halunke, Lügner und Gauner beeinträchtigen zwangsläufig seinen guten Ruf, da sie seine Person aus der Sicht des Adressaten negativ qualifizieren.
65 
2. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. EGMR, Urteil vom 7. Februar 2012 - 39954/08, EGMR, K & R 2012, 187 Rn. 89 ff. - Axel Springer AG gegen Deutschland; BGH, GRUR 2013, 94 Rn. 10). Abzuwägen sind danach das Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit.
66 
3. Mit Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Annahme des Landgerichts, bei den beanstandeten Aussagen handele es sich um Schmähkritik, bei der es keiner Abwägung der betroffenen Interessen bedarf. Verfassungsrechtlich ist die Schmähung eng definiert. Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit interessierenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (BVerfG, GRUR 2013, 1266 Rn. 15 - Winkeladvokat). Eine Schmähkritik ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG, GRUR 2013, 1266 Rn. 15 - Winkeladvokat). Wesentliches Merkmal der Schmähung ist eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung (BVerfG, BeckRS 2013, 54173 Rn. 21). Davon kann hier keine Rede sein. Das im Streit stehende E-Mailschreiben befasst sich unzweifelhaft mit Angelegenheiten, welche für die Mitglieder der AfD von öffentlichem Interesse sind. Dies gilt insbesondere für die von dem Kläger allein beanstandeten Äußerungen, er sei ein Betrüger und Rechtsbrecher (a), er habe auch Platz 3 der Europaliste nur durch Betrug erlangt, er sei ein Halunke, ein Rechtsbrecher (b), er sei ein Lügner, und vor allem eines: ein Gauner (c).
67 
a) Der Beklagte bezeichnet den Kläger in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Schreibens vom 11.08.2014 als „Betrüger und Rechtsbrecher“. Er behauptet, er habe dies schon anhand des Gründungsparteitags in (…) vom (…) klar nachgewiesen. Nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vortrag (Erwiderungsschrift S. 7, AS I 31; Prot. v. 19.09.2014, S. 2, AS I 47) verweist der daran anschließende Link auf den Inhalt der Anlage 2 (Schreiben des Beklagten vom 17.10.2013). Entgegen der Auffassung des Landgerichts (LU S. 5) sind die in dem Schreiben genannten Links nicht unbeachtlich. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (BVerfG, BeckRS 2013, 54173 Rn. 18). Durch einfaches Anklicken sind die in einer E-Mail gesetzten Links regelmäßig für den Adressaten abrufbar, so dass er ohne weiteres von dessen Inhalt Kenntnis erlangen kann. In dem verlinkten Schreiben vom 17.10.2013 (Anlage 2), welches als Betreff „Belegter Wahlbetrug in der AfD …“ angibt, stellt der Beklagte zunächst dar, dass der Landesvorstand gegen ihn Mitte Oktober ein Parteiausschlussverfahren vor dem Landesschiedsgericht eingeleitet habe. Er teilt mit, dass die Funktionäre ihm in diesem Verfahren vorwerfen, dass er beim Landesschiedsgericht und bei der Landeswahlleiterin gegen den Gründungsparteitag in (…) interveniert habe. Der Landesvorstand wolle seine Handlungen durch einen Parteiausschluss unterbinden, da er diese Kritik insbesondere an fünf seiner Mitglieder - in einem Klammerzusatz wird u.a. der Kläger genannt - betreibe und auch juristisch gegen einige dieser Landesvorstandsmitglieder vorgehe. Die Vorwürfe, die noch juristisch geprüft werden müssten, bezögen sich auf den Gründungsparteitag. Der Beklagte listet sodann mehrere Vorgänge des Gründungsparteitags auf, deren gerichtliche Überprüfung nach Auffassung des Beklagten zu verhindern versucht werde. U.a. rügt er unter Buchstabe e) eine „willkürliche Verteilung der Mitgliederrechte“ und führt hierzu u.a. aus, wobei für K. der Kläger zu lesen ist:
68 
„Ich dagegen stand in der Mitgliederliste und habe daher auch alle Unterlagen ausgehändigt bekommen. Außerdem wurde ich als Kandidat auf der Homepage geführt und K. hat mich sogar am 20.04.2013 noch per Email gebeten im Falle eines Scheiterns bei den Beisitzerwahlen für das Schiedsgericht zu kandidieren. Nachdem ich aber Satzungsänderungen beantragt hatte, teilte er mir einen Tag vor (…) per E-Mail mit, dass ich doch nicht stimmberechtigt sei. Statt einzusehen, dass er rechtlich meine Mitgliedschaft bestätigt hat, sorgt er mit Ku. und S. beim Parteitag für einen Eklat, indem er Ku. dazu veranlasste, mir durch zwei Muskelmänner die Unterlagen abzunehmen! By the way: auf meinem Mitgliedsausweis steht der 14.04.2013 als Eintrittsdatum.“
69 
Unter Buchstabe g) rügt der Beklagte die Nichteinladung von über 500 Mitgliedern und schildert diesen Vorgang wie folgt:
70 
„Am 16. April 2013 ging den Landesbeauftragten die neue Mitgliederliste mit 1386 Mitgliedern zu, wohingegen die alte Liste 861 Mitglieder führte. Damit hätten bis zum 22. April am Parteitag 525 Mitglieder geladen werden müssen. Daran ändert auch § 12 II 3 der Bundessatzung nichts, da dieser nur die Frist, aber nicht die Ladung als solche obsolet macht. Da diese Mitglieder nicht geladen wurden, liegt ein erheblicher Verstoß gegen Art. 21 I 3 GG vor. Eine Einladung war innerhalb dieser Zeit möglich und zumutbar (vgl. Landessatzung § 5 IX 3), da in Eilfällen eine Ladungsfrist von fünf Tagen ausreicht. Für eine Einladung genügte der Emailversand, der per Rundmail innerhalb von höchstens drei Stunden erledigt gewesen wäre. Ich habe dem Schiedsgericht eine Email als Beweis zukommen lassen, die belegt, dass F. und K. diese Mitglieder bewusst nicht einluden, „da jede weitere Mail Rückfragen produziert, die keiner mehr beantworten kann“. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
(…)
71 
Wenn das Gericht dies alles bestätigen würde, so wären zumindest K., F.,S. und Ku.(…) wegen ihres delinquenten Verhaltens in ihren Ämtern nicht mehr haltbar. Sogar ein Parteiausschluss käme (zwingend) in Frage, da die benannten Personen das eigene Streben nach Ämtern, Mandaten und persönlicher Geltung über eine rechtlich einwandfreie, faire und demokratisch integre Landesverbandsgründung gestellt haben. Sie haben wissentlich und willentlich manipuliert und dadurch den Antritt der AfD zur Bundestagswahl in … massiv gefährdet.“
72 
Da der Beklagte seine Äußerung, bei dem Kläger handele es sich um einen Betrüger und Rechtsbrecher unter Verweis auf dieses Schreiben als nachgewiesen bezeichnet, wird deutlich, dass es sich bei dieser Äußerung ihrem Sinn und systematischen Kontext nach um eine das beanstandete Geschehen zusammenfassende bewertende Stellungnahme handelt. Dafür spricht auch, dass die Einstufung eines Vorgangs als strafrechtlich relevanter Tatbestand und Rechtsmeinungen im außerstrafrechtlichen Bereich zunächst nur die ganz überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des Äußernden zum Ausdruck bringen (vgl. BVerfG, NJW 2009, 1872, 1874 Rn. 15). Daraus ergibt sich der Sachbezug zu dem Vorwurf, im Vorfeld des Gründungsparteitags und auf dem Gründungsparteitag seien Rechtsverstöße begangen worden. Dies betrifft eine Frage von öffentlichem Interesse.
73 
b) Auch hinsichtlich des an den Kläger gerichteten Vorwurfs, er habe auch Platz 3 der Europaliste nur durch Betrug erlangt und er sei ein Halunke und Rechtsbrecher, lässt sich ein Sachbezug zu einer die Parteimitglieder interessierenden Frage nicht leugnen. Der Beklagte begründet den Vorwurf, er habe auch Platz 3 der Europaliste nur durch Betrug erlangt, nämlich in dem beanstandeten E-Mailschreiben vom 11.08.2014 damit, dass bei der Wahl des Klägers auf den 3. Listenplatz die elektronische Vorwahl zu Lasten eines weiteren Kandidaten manipuliert worden sei, indem man ihn nach dem zweiten Wahlgang nicht mehr aufgeführt habe. Dadurch habe man den Delegierten vorgetäuscht, es seien nur noch der Kläger und ein weiterer Kandidat wählbar. Dem verbleibenden Konkurrenten des Klägers seien schon im Vorfeld der Wahl durch eine diffamierende Rundmail der AfD „üble Zitate in den Mund“ gelegt worden. Seine Rede sei unter Verstoß gegen § 10 Abs. 3 EuWG unterbrochen worden. Aus diesen Vorgängen zieht der Beklagte - was er durch die Wortwahl „summa summarum“ zum Ausdruck bringt - den Schluss, der Kläger sei ein Halunke, ein Rechtsbrecher. Da es sich dabei auch um eine das beanstandete Geschehen zusammenfassende bewertende Stellungnahme handelt, kann auch dieser Äußerung ein Sachbezug nicht abgesprochen werden. Die von dem Kläger aufgeführten Beanstandungen sind für die Mitglieder der Partei, an welche das E-Mailschreiben ausschließlich gerichtet war, von öffentlichem Interesse.
74 
c) Auch die Bezeichnung des Klägers als Lügner und Gauner lässt sich nach dem Kontext, in dem sie steht, ein Bezug zu diesen die Parteimitglieder interessierenden Fragen nicht absprechen. Diese Bezeichnungen finden sich im Schlusssatz, der lautet:
75 
„Und zum Schluss posaune ich es noch einmal die Welt hinaus:
K. ist ein Lügner, Betrüger, ein Versager ein chronischer Verlierer, die wandelnde Inkompetenz und vor allem eines: ein Gauner!
Bitte zeigen Sie mich noch einmal an, Sie armes, armes Sensibelchen!“
76 
Die Begriffe „Lügner“ und „Gauner“, gegen welche sich der Kläger ausschließlich wendet, wiederholen erkennbar lediglich die Bewertung des von dem Beklagten beanstandeten Ablaufs der Wahlen bzw. des Gründungsparteitags.
77 
4. Bei der hiernach gebotenen Abwägung fällt zu Gunsten des Klägers ins Gewicht, dass die beanstandeten Äußerungen geeignet sind, ihn in seinem öffentlichen Ansehen erheblich zu beeinträchtigen und auch seine Politikerkarriere zu erschweren. Andererseits ist zu Gunsten des Beklagten zu beachten, dass das von dem Beklagten geschilderte Geschehen in tatsächlicher Hinsicht nicht angegriffen ist und es sich um Fragen von öffentlichem Interesse handelt (vgl. BVerfG, NJW 2009, 1872 Rn. 22). Adressaten der E-Mail waren ausschließlich Mitglieder der AfD. Hier spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede, weil sonst die Meinungsfreiheit, die Voraussetzung eines freien und offenen politischen Prozesses ist, in ihrem Kern betroffen wäre (vgl. BVerfG, NJW 1983, 1415, 1416). Im Rahmen der politischen Diskussion hat der Beklagte ein typisches Mittel verwendet, nämlich die Polemik gegen den politischen Gegner in der Absicht, sich einprägsam von ihm abzugrenzen, wofür allgemeine, unsubstantiierte Formeln als besonders geeignet angesehen werden (vgl. BVerfG, NJW 1983, 1415, 1416). Entgegen der Auffassung des Klägers fällt dabei nicht entscheidend ins Gewicht, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Äußerungen selbst freiwillig aus der AfD ausgetreten ist. Denn dies hindert ihn nicht, sich mit dieser Partei und deren Mitglieder öffentlich auseinanderzusetzen.
III.
78 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst (§ 542 Abs. 2 ZPO).

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 30.05.2018, Az.: 41 O 7430/18, abgeändert und folgende

einstweilige Verfügung

erlassen:

Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten untersagt, einen vom Antragsteller auf der Plattform www.f...com eingestellten Beitrag mit folgendem Wortlaut:

"Wir betrachten diese Menschen nicht als muslimische Flüchtlinge. Wir betrachten sie als muslimische Invasoren. Um aus Syrien in Ungarn einzutreffen, muss man vier Länder durchqueren. Die Menschen rennen nicht um ihr Leben, sondern suchen ein besseres Leben. Die Flüchtlinge hätten vorher um ihre Aufnahme bitten sollen, stattdessen aber haben sie die Grenze illegal durchbrochen. Das war keine Flüchtlingswelle, das war eine Invasion. Ich habe nie verstanden, wie in einem Land wie Deutschland das Chaos, die Anarchie und das illegale Überschreiten von Grenzen als etwas Gutes gefeiert werden konnte‘. Orbán Viktor Wer gibt dem Mann ein LIKE?“

zu löschen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens tragen der Antragsteller zwei Drittel und die Antragsgegnerin ein Drittel.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000 € festgesetzt.

4. Der vorgenannte Beschluss des Landgerichts München I vom 30.05.2018 wird in Ziffer 3 dahin abgeändert, dass der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 15.000 € festgesetzt wird.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch welche der Antragsgegnerin untersagt werden soll, ihn wegen des Einstellens des im Tenor unter Ziffer 1 wiedergegebenen Textbeitrages oder eines Textbeitrages mit gleichem Sinngehalt auf www.f...com zu sperren, insbesondere ihm die Nutzung der Funktionen des sozialen Netzwerks wie das Posten von Beiträgen, das Kommentieren von fremden Beiträgen und die Nutzung des Nachrichtensystems vorzuenthalten, oder den wiedergegebenen bzw. einen inhaltsgleichen Textbeitrag im Falle einer von ihm veranlassten Einstellung in das soziale Netzwerk zu löschen.

Das Landgericht München I hat mit Beschluss vom 30.05.2018 den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es ist der Ansicht, dass der Antragsteller weder einen Verfügungsanspruch, noch das Vorliegen des behaupteten Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht habe. Hinsichtlich der näheren Begründung wird auf die Ausführungen in den Gründen des vorgenannten Beschlusses (Bl. 23/28 d.A.) Bezug genommen.

Gegen den ihm am 08.06.2018 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 15.06.2018, beim Landgericht München I eingegangen am selben Tage „Beschwerde“ eingelegt. Hinsichtlich der Begründung des Rechtsmittels wird auf den vorgenannten Schriftsatz (Bl. 30/34 d.A. mit den zugehörigen Anlagen) verwiesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 18.06.2018 (Bl. 35/36 d.A.), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 29.06.2018, auf den verwiesen wird, hat der Antragsteller zum Nichtabhilfebeschluss Stellung genommen.

Der zuständige Einzelrichter hat mit Beschluss vom 20.06.2018 das Beschwerdeverfahren wegen besonderer Schwierigkeiten rechtlicher Art und grundsätzlicher Bedeutung dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II.

Das Rechtsmittel des Antragstellers ist als sofortige Beschwerde im Sinne von § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der zweiwöchigen Notfrist des § 569 ZPO eingelegt worden.

In der Sache hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers nur zum Teil Erfolg.

1. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist zulässig.

a) Die vom Landgericht stillschweigend unterstellte – auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28.11.2002 – III ZR 102/02, NJW 2003, 426) – internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist zu bejahen.

Maßgeblich ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in Irland und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat. Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung kann letztlich dahinstehen, ob es sich bei dem geltend gemachten Verfügungsanspruch um einen vertraglichen Erfüllungsanspruch oder um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung handelt; denn in beiden Fällen wäre das Landgericht München I örtlich und damit auch international zuständig.

aa) Eine Vertragspflicht der Antragsgegnerin im Sinne von Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVVO auf Bereitstellung von „F.-Diensten“ wäre mangels einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien kraft Natur der Sache am Wohnsitz des Antragstellers zu erfüllen.

bb) Falls die Sperrung des Antragstellers bzw. die Löschung eines von ihm geposteten Beitrages ein „schädigendes Ereignis“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO darstellen sollte, träte dieses primär am Wohnsitz des Antragstellers ein. Denn dort käme es zur Kollision der widerstreitenden Interessen der Parteien, des Antragstellers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Antragstellerin auf Wahrung ihrer „Community-Standards“ (vgl. zur Bedeutung dieses Gesichtspunkts für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte im Falle einer Klage wegen einer Persönlichkeitsverletzung durch eine im Internet abrufbare Veröffentlichung BGH, Urteil vom 02.03.2010 – VI ZR 23/09, Rn. 20 ff., BGHZ 184, 313). Mit dem streitgegenständlichen Beitrag will sich der Antragsteller nach eigenen Angaben an der in Deutschland derzeit geführten Debatte über die Flüchtlingskrise und Migration beteiligen.

b) Der Senat teilt nicht die Ansicht des Landgerichts, dass der Verfügungsantrag vom 29.05.2018 mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig ist, soweit der Antragsteller der Antragsgegnerin verbieten lassen will, eine Sperrung oder Löschung an das Einstellen eines dem im Tenor wiedergegebenen Text „sinngemäßen“ Beitrages zu knüpfen.

Für den umgekehrten Fall der Untersagung einer rechtswidrigen Äußerung ist allgemein anerkannt dass dem Störer nicht nur deren wortwörtliche Wiederholung verboten ist. Die Verhängung von Ordnungsmitteln ist vielmehr gerechtfertigt, wenn dem Störer ein kerngleicher Verstoß zur Last liegt. Häufig wird die Klarstellung, dass dem Gegner auch eine Äußerung mit gleichem Sinngehalt verboten werden soll, bereits in den Klageantrag aufgenommen. Ob die begehrte Untersagung einer Sperrung bzw. Löschung wegen sinngemäß identischer Textbeiträge angesichts der gebotenen Interpretation einer Äußerung in ihrem jeweiligen Kontext inhaltlich zu weit geht, stellt eine Frage der Begründetheit dar.

Unabhängig davon hätte das Landgericht einen inhaltlich zu unbestimmten Verfügungsantrag konkretisieren können, weil es nach freiem Ermessen bestimmen kann, welche Anordnungen zur Erreichung des erfolgten Zwecks erforderlich sind (§ 938 Abs. 1 ZPO).

2. Der Verfügungsantrag ist begründet, soweit der Antragsteller begehrt, der Antragsgegnerin eine erneute Löschung des im Tenor unter Ziffer 1 wiedergegebenen Textbeitrages, den der Antragsteller nach eigenen Angaben nochmals auf www.f...com einzustellen beabsichtigt, zu untersagen.

a) Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag, durch den sich die Antragsgegnerin verpflichtet hat, dem Antragsteller die Nutzung der von ihr angebotenen „F.-Dienste“ zu ermöglichen, in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB. Eines Rückgriffs auf die vom Antragsteller als weitere Anspruchsgrundlage herangezogene Vorschrift des § 1004 Abs. 1 BGB bedarf es nicht.

aa) Der Antragsteller hat durch seine eidesstattliche Versicherung vom 30.05.2018 glaubhaft gemacht, dass er sich im sozialen Netzwerk „F.“ unter Anlegung eines persönlichen Profils („Konto“) angemeldet hatte. Die Tatsache der Anmeldung wird außerdem durch die in die Antragsschrift vom 29.05.2018 auf Seite 6 eingescannte Mitteilung der Antragsgegnerin über die Löschung des vom Antragsteller geposteten streitgegenständlichen Textbeitrages bestätigt.

Mit der Anmeldung ist zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis zustande gekommen. Nach ihren eigenen Angaben bietet die Antragsgegnerin ihren Nutzern unter der Bezeichnung „F.-Dienste“ Funktionen und Dienstleistungen an, die sie unter anderem über ihre Webseite unter www.f...com bereitstellt (vgl. „Erklärung der Rechte und Pflichten“, Nr. 17.1, vorgelegt als Anlage KTB 1). Insbesondere eröffnet die Antragsgegnerin ihren Nutzern die Möglichkeit, innerhalb ihres eigenen Profils Beiträge zu posten und die Beiträge anderer Nutzer zu kommentieren, soweit diese eine Kommentierung zulassen, oder mit verschiedenen Symbolen zu bewerten.

Für die von ihr angebotenen Dienste beansprucht die Antragsgegnerin kein Entgelt, weshalb der Nutzungsvertrag nicht als Dienstvertrag im Sinne von § 611 BGB eingeordnet werden kann; es dürfte sich um einen Vertrag sui generis handeln. Eine abschließende Klärung der Rechtsnatur des Vertrages ist im vorliegenden Verfahren indes nicht geboten. Das ausführliche Regelwerk der Antragsgegnerin (Anlagen KTB 1 bis KTB 3) – vor allem die in den Sonderbedingungen für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland (Anlage KTB 2) enthaltenen Klauseln zur Rechtswahl (Nr. 5), zum Kündigungsrecht der Antragsgegnerin aus wichtigem Grund (Nr. 4) und zur Haftungsbegrenzung (Nr. 6) – lässt jedenfalls erkennen, dass die Antragsgegnerin ihre Dienste mit Rechtsbindungswillen anbietet.

bb) Mit der Löschung des vom Antragsteller geposteten, im Tenor dieses Beschlusses unter Ziffer 1 wiedergegebenen Textbeitrages am 27.03.2018 hat die Antragsgegnerin ausweislich der hierfür gegebenen Begründung (vgl. die eingescannte Mitteilung auf Seite 6 der Antragsschrift vom 29.05.2018):

„It looks like something you posted doesn’t follow our Community Standards. We remove posts that attack people based on their race, ethnicity, national origin, religious affiliation, sexual orientation, gender or disability.“

von einer Befugnis Gebrauch machen wollen, welche in ihrer „Erklärung der Rechte und Pflichten“ (Anlage KTB 1) unter Nr. 5.2 geregelt ist. Bei diesem Regelwerk handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die maßgebliche Klausel Nr. 5 lautet auszugsweise wie folgt:

„5. Schutz der Rechte anderer Personen

Wir respektieren die Rechte anderer und erwarten von dir, dass du dies ebenfalls tust.“

1. Du wirst keine Inhalte auf F. posten oder Handlungen auf F. durchführen, welche die Rechte einer anderen Person verletzen oder auf sonstige Art gegen das Gesetz verstoßen.

2. Wir können sämtliche Inhalte und Informationen, die du auf F. postest, entfernen, wenn wir der Ansicht sind, dass diese gegen die Erklärung oder unsere Richtlinien verstoßen. (...)“

cc) Die Klausel 5.2 ist allerdings unwirksam, weil sie die Nutzer als Vertragspartner der Verwenderin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Nach dem Wortlaut der Klausel – dem zugleich die bei der gebotenen Auslegung zu Lasten des Verwenders (§ 305 c Abs. 2 BGB) zugrunde zu legende kundenunfreundlichste Auslegung entspricht – kommt es für die Beurteilung der Frage, ob ein geposteter Beitrag gegen die Richtlinien der Antragsgegnerin verstößt und deshalb gelöscht werden darf, allein auf das Urteil der Antragsgegnerin an. Dieses einseitige Bestimmungsrecht der Antragsgegnerin steht im Widerspruch dazu, dass der Vertrag zwischen Nutzer und Plattformbetreiber gemäß § 241 Abs. 2 BGB seinem Inhalt nach beide Vertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, S. 4).

Für den Inhalt und die Reichweite der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ist im vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung, dass die von der Antragsgegnerin bereitgestellte Social-Media-Plattform dem Zweck dient, den Nutzern einen „öffentlichen M.platz“ für Informationen und Meinungsaustausch zu verschaffen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 10.08.2017 – 16 U 255/16, Rn. 28, zit. nach juris). Im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere des Grundrechts des Nutzers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), muss deshalb gewährleistet sein, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt werden darf (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, S. 4 f. m.w.N.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt den Grundrechten insoweit eine mittelbare Drittwirkung zu, als das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt zugleich Elemente objektiver Ordnung aufgerichtet hat, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung haben, mithin auch das Privatrecht beeinflussen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 – 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261; Urteil vom 15.01.1958 – 1 BvR 400/51, Rn. 26, BVerfGE 7, 198; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., Art. 1 Rn. 54 m.w.N.). In dieser Funktion zielen die Grundrechte nicht auf eine möglichst konsequente Minimierung von freiheitsbeschränkenden Eingriffen, sondern sind im Ausgleich gleichberechtigter Freiheit zu entfalten. Hierbei sind kollidierende Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so zum Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018 – 1 BvR 3080/09, Rn. 32 m.w.N., NJW 2018, 1667). Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektive Normen entfaltet sich im Privatrecht durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und -bedürftigen Begriffe, die im Sinne dieses Rechtsgehalts ausgelegt werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 – 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261).

Im vorliegenden Fall bildet die Vorschrift des § 241 Abs. 2 BGB die konkretisierungsbedürftige Generalklausel, bei deren Auslegung dem vom Antragsteller geltend gemachten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) Rechnung zu tragen ist Mit dem gebotenen Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz wäre es unvereinbar, wenn die Antragsgegnerin gestützt auf ein „virtuelles Hausrecht“ (vgl. LG Bonn, Urteil vom 16.11.1999 – 10 O 457/99, NJW 2000, 961) auf der von ihr bereitgestellten Social-Media-Plattform den Beitrag eines Nutzers, in dem sie einen Verstoß gegen ihre Richtlinien erblickt, auch dann löschen dürfte, wenn der Beitrag die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung nicht überschreitet.

dd) Die in den Gemeinschaftsstandards (Anlage KTB 3, 13. Abschnitt) geregelte Entfernung von sogenannten „Hassbotschaften“ – definiert als Inhalte, die Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnizität, nationalen Herkunft, religiösen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder aufgrund von Behinderungen oder Krankheiten direkt angreifen – wird von der Nichtigkeit der Klausel Nr. 5.2 der „Erklärung der Rechte und Pflichten“ nicht unmittelbar berührt. Denn diese Klausel stellt hinsichtlich der Einordnung eines Inhalts als „Hassbotschaft“ nicht auf die subjektiven Vorstellungen der Antragsgegnerin bzw. der für diese handelnden Personen, sondern auf objektivierbare Kriterien ab. Auf diese Klausel kann die Antragstellerin die Löschung des streitgegenständlichen Textbeitrags aber nicht stützen, weil dieser keinen „Hassbeitrag“ im Sinne der Klauseldefinition darstellt. Es bedarf daher im vorliegenden Fall auch keiner Prüfung, ob die Gemeinschaftsstandards als solche einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten würden.

(1) Die Interpretation einer Äußerung setzt die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums voraus. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 12.04.2016 – VI ZR 505/14, Rn. 11 m.w.N., MDR 2016, 648 f.). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt, oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, Rn. 31, BVerfGE 114, 339–356).

(2) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der im Tenor dieses Beschlusses unter Ziffer 1 wiedergegebene Textbeitrag des Antragstellers wie folgt zu interpretieren:

Anhand der Anführungszeichen und der Quellenangabe „Orbán Viktor“ erkennt der verständige und unvoreingenommene Leser, dass es sich im Wesentlichen um ein Zitat des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán handelt. Lediglich die abschließende Frage „Wer gibt diesem Mann ein LIKE?“ stellt eine eigene Äußerung des – durch Name und Lichtbild identifizierbaren – Antragstellers dar. Im Kontext versteht der Leser diese Frage dahin, dass der Antragsteller sich die zitierte Ansicht des ungarischen Ministerpräsidenten zu eigen macht und die Leser dazu auffordert, sich durch Abgabe einer positiven Bewertung („LIKE“) dieser Auffassung anzuschließen.

Dem Gesamtkontext des wiedergegebenen Zitats entnimmt der maßgebliche Leser, dass es sich bei „diesen Menschen“, von denen Orbán spricht, um Flüchtlinge muslimischen Glaubens handelt, die aus Syrien nach Ungarn gelangt sind und dort um Aufnahme ersucht haben. Orbán ist allerdings der Ansicht, dass es sich nicht wirklich um „muslimische Flüchtlinge“ gehandelt habe, sondern bezeichnet sie als „muslimische Invasoren“. Der verständige und unvoreingenommene Leser erkennt, dass die nachfolgenden Ausführungen der Begründung dieser Aussage dienen sollen: Um von Syrien durch Ungarn zu gelangen, müsse man vier Länder durchqueren. Der Umstand, dass die syrischen Flüchtlinge nicht bereits in einem der von ihnen durchquerten vier Transitländer um Aufnahme gebeten haben, belegt für den ungarischen Ministerpräsidenten, dass sie nicht in ihrer Heimat mit dem Tode bedroht sind oder sich vor dem syrischen Bürgerkrieg in Sicherheit bringen wollen („rennen nicht um ihr Leben“), sondern ein „besseres Leben“ suchen, also von den besseren wirtschaftlichen Verhältnissen in Ungarn profitieren möchten. Orbán wirft den Flüchtlingen vor, dass sie nicht vorher um Aufnahme gebeten, sondern die Grenze illegal durchbrochen hätten. An diesen Vorwurf knüpft er aus Sicht des maßgeblichen Lesers die Feststellung: „Das war keine Flüchtlingswelle, das war eine Invasion.“ Spätestens an dieser Stelle erkennt der Leser, dass Orbán die dem militärischen Sprachgebrauch entlehnten Begriffe „Invasoren“ und „Invasion“ in einem übertragenen Sinn gebraucht, um damit die illegale Überschreitung der ungarischen Grenze durch eine große Anzahl von syrischen Flüchtlingen zu umschreiben.

Im letzten Satz des Zitats bringt der ungarische Ministerpräsident aus Sicht des Lesers sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass in Deutschland das mit der Flüchtlingswelle verbundene „Chaos“, die „Anarchie“ – im Kontext zu verstehen als das zumindest zeitweilige und faktische Außer-Kraft-Setzen der geltenden Einreisebestimmungen – und das illegale Überschreiten von Grenzen positiv bewertet werden konnte.

(3) Mit diesem Aussagegehalt kann der Beitrag des Antragstellers nicht als direkter Angriff auf Personen wegen ihrer Rasse, Ethnizität, nationalen Herkunft und religiöser Zugehörigkeit – die übrigen Eigenschaften, die zum Ziel einer „Hassbotschaft“ im Sinne der Gemeinschaftsstandards der Antragsgegnerin gemacht werden könnten, kommen im vorliegenden Fall von Vorneherein nicht in Betracht – gewertet werden.

Soweit in dem Zitat von „Syrien“ die Rede ist, wird damit nur die geographische Herkunft der Flüchtlinge umschrieben. Diese Herkunft wird aber nicht als solche zum Gegenstand der geäußerten Kritik gemacht. Die von Orbán kritisierte Verhaltensweise der Flüchtlinge, das illegale Durchbrechen von Grenzen auf der Suche nach einem besseren Leben, wird nicht als typisch für Syrer bzw. Menschen syrischer Herkunft hingestellt.

In dem ausdrücklichen Hinweis auf den muslimischen Glauben der Flüchtlinge erkennt der verständige und unvoreingenommene Leser zwar das Bestreben des ungarischen Ministerpräsidenten, gegenüber seinem – nicht näher bekannten – Publikum die Fremdheit der Flüchtlinge in religiöser Hinsicht zu betonen. Ein direkter Angriff auf Menschen muslimischen Bekenntnisses wegen ihrer religiösen Zugehörigkeit kann darin jedoch nicht gesehen werden, zumal Orbán selbst die von ihm kritisierten „muslimische(n) Invasoren“ von „muslimische(n) Flüchtlingen“ abgrenzt.

Der maßgebliche Leser erkennt, dass die Bezeichnung der Flüchtlinge als „Invasoren“ wegen der militärischen Konnotation des Begriffs geeignet ist, beim Publikum diffuse Ängste der Bedrohung hervorzurufen. Entscheidend ist jedoch, dass in dem Zitat die tatsächliche Grundlage dieses Werturteils – das massenhafte illegale Überschreiten der Grenze – offen gelegt und damit einer eigenständigen Überprüfung durch den Leser zugänglich gemacht wird. Die durchaus scharf formulierte Kritik an dem beschriebenen Verhalten der Flüchtlinge ist vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gedeckt, zumal es sich bei der Flüchtlingskrise um eine die Öffentlichkeit stark bewegende Frage handelt.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen verbietet sich nach den eigenen Gemeinschaftsstandards der Antragsgegnerin die Einordnung des streitgegenständlichen Textbeitrags als „Hassbotschaft“. Durch die Entfernung des Beitrags hat die Antragsgegnerin der Ausstrahlungswirkung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit auf ihr Vertragsverhältnis mit dem Antragsteller nicht ausreichend Rechnung getragen.

ee) Der streitgegenständliche Beitrag stellt schließlich auch keinen rechtswidrigen Inhalt im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der in dieser Vorschrift genannten Strafnormen sind ersichtlich nicht erfüllt, weshalb eine hierauf gestützte Löschung des Beitrages nicht in Betracht kommt.

b) Die rechtswidrige Löschung des Beitrages durch die Antragsgegnerin begründet die für einen Unterlassungsanspruch konstitutive Wiederholungsgefahr.

aa) Bei einem auf die direkte oder analoge Anwendung von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützten Unterlassungsanspruch bildet die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen ein Tatbestandsmerkmal und damit eine materielle Anspruchsvoraussetzung (BGH, Urteil vom 19.10.2004 – VI ZR 292/03, NJW 2005, 594, 595). Für einen Unterlassungsanspruch, der aus einem vertraglichen Erfüllungsanspruch abgeleitet wird, kann nach dem Rechtsgedanken des § 259 ZPO im Ergebnis nichts anderes gelten. Nach dieser Vorschrift setzt eine Klage auf künftige Leistung voraus, dass den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Fehlt die Wiederholungsgefahr, wäre zumindest das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs zu verneinen.

bb) Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Beitrag gelöscht hatte. Die auf Seite 6 der Antragsschrift eingescannte Mitteilung der Antragsgegnerin beginnt mit dem Satz: „We Removed Something You Posted“. Eine Glaubhaftmachung des Umstandes, dass die Löschung des wörtlich wiedergegebenen Beitrags nicht wieder rückgängig gemacht worden sei, war nicht erforderlich.

Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Textbeitrag des Antragstellers rechtswidrig gelöscht hat, begründet eine tatsächliche Vermutung für das Bestehen der Wiederholungsgefahr, an deren Wiederlegung strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. zu einem auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützten Unterlassungsanspruch: BGH, Urteil vom 21.09.2012 – V ZR 230/11, Rn. 12, NJW 2012, 3781, 3782). Im Allgemeinen kann die Wiederholungsgefahr nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden. Dahinstehen kann, ob im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses auch ein Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit der Löschung ausreichend wäre; denn eine derartige Erklärung hat die Antragsgegnerin nicht abgegeben.

cc) Seine Absicht, den streitgegenständlichen Beitrag wieder auf der Plattform www.f...com einzustellen, musste der Antragsteller dagegen nicht glaubhaft machen. Diese innere Tatsache wird allein durch den gestellten Antrag, der Antragsgegnerin die Löschung des Beitrags zu untersagen, hinreichend belegt.

c) Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes hat das Landgericht zu Unrecht verneint. Insbesondere hat der Antragsteller die behauptete Dringlichkeit nicht selbst dadurch widerlegt, dass er erst nach Ablauf von zwei Monaten seit Kenntnis von der Löschung des streitgegenständlichen Beitrags Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt hat.

Es ist allgemein anerkannt, dass ein Verfügungsgrund fehlt, wenn der Antragsteller trotz eines bestehenden Sicherungs- oder Regelungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt (vgl. KG, Urteil vom 09.02.2001 – 5 U 9667/00, Rn. 14, zit. nach juris, NJW-RR 2001, 1201; Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 4 m.w.N.). Wie lange der Antragsteller zuwarten darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab; die in Wettbewerbssachen entwickelte „Richtlinie“ von etwa einem Monat (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 8 – Stichwort: „Wettbewerbsrecht“) kann nicht ohne Weiteres auf andere Rechtsgebiete übertragen werden. Die behauptete Dringlichkeit wird durch das eigene vorprozessuale Verhalten jedenfalls dann widerlegt, wenn der Antragsteller so lange zuwartet, dass er in dem verstrichenen Zeitraum eine Sachentscheidung in der Hauptsache hätte herbeiführen können.

Durch Bezugnahme auf die sachlichen Angaben in der Antragsschrift vom 29.05.2018 in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 30.05.2018 hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass er nicht vor dem 27.03.2018 von der kurzzeitigen Sperrung sowie der Löschung des streitgegenständlichen Beitrags Kenntnis erlangt hatte. Er hat ein Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 23.04.2018 vorgelegt, in dem er die Antragsgegnerin unter Fristsetzung bis zum 27.04.2018 unter anderem dazu aufgefordert hatte, etwaige gelöschte Beiträge unverzüglich wieder freizuschalten.

Im vorliegenden Fall, in dem der Gegner seinen Sitz im Ausland hat und der höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen zum Gegenstand hat, kann das Verstreichenlassen eines Zeitraums von zwei Monaten nicht als ausreichend angesehen werden, um das Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu widerlegen. Dem Antragsteller war nach Kenntniserlangung von der Löschung seines Beitrags zunächst ein angemessener Zeitraum zuzubilligen, um Rechtsrat einzuholen und die Erfolgsaussichten seines Begehrens prüfen zu lassen. Sodann durfte er die Reaktion der Antragsgegnerin auf seine außergerichtliche Aufforderung, die Löschung rückgängig zu machen, abwarten, um die nachteilige Kostenfolge eines sofortigen Anerkenntnisses zu vermeiden.

d) Die künftige Löschung eines dem streitgegenständlichen Beitrag „sinngemäß“ entsprechenden Postes kann der Antragsgegnerin dagegen nicht untersagt werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geht das Verbot einer Äußerung ohne Bezugnahme auf den jeweiligen Kontext grundsätzlich zu weit, weil eine Untersagung stets eine Abwägung zwischen dem Recht des von der Äußerung Betroffenen, insbesondere auf Schutz seiner Persönlichkeit, und dem Recht des sich Äußernden auf Meinungs- und Medienfreiheit unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem die Äußerung gefallen ist, voraussetzt (BGH, Urteil vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10, Rn. 32, NJW 2013, 790).

Bei der Prüfung der Frage, ob ein „kerngleicher“ Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung vorliegt, kann der Aussagegehalt der beiden Äußerungen unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Kontextes miteinander verglichen werden. Der Kontext eines künftigen „sinngemäßen“ Textes, dessen Löschung der Antragsteller der Antragsgegnerin verbieten lassen will, ist aber erst bekannt, wenn der Text tatsächlich auf F. eingestellt wird. Da die Rechtswidrigkeit einer Äußerung aber maßgeblich vom Kontext abhängt, in dem sie gefallen ist, kann im Vorfeld nicht entschieden werden, ob eine Löschung des „sinngemäßen“ Textbeitrags durch die Antragsgegnerin unzulässig wäre.

3. Soweit der Antragsteller beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, ihn wegen des Einstellens des im Tenor unter Ziffer 1 wiedergegebenen oder eines sinngemäß identischen Textbeitrages auf www.f...com zu sperren, ist die sofortige Beschwerde unbegründet. Dieses Begehren ist auf den Erlass einer Leistungsverfügung gerichtet, die mangels einer nachvollziehbaren Darlegung der hierfür erforderlichen Voraussetzungen zu einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache führen würde.

a) Wie oben unter Ziffer 2 lit. a dargelegt, kommt als Verfügungsanspruch im vorliegenden Fall allein der Erfüllungsanspruch des Antragstellers aus dem mit der Antragsgegnerin geschlossenen Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Mit dem angestrebten Verbot seiner Sperrung auf www.f...com wegen dort eingestellter Beiträge bezweckt der Antragsteller in der Sache, dass ihm die ungehinderte Nutzung der Funktionen von www.f...com, insbesondere das Posten von Beiträgen, das Kommentieren fremder Beiträge sowie die Nutzung des Nachrichtensystems, ermöglicht wird. Der Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung würde hinsichtlich der bestehenden vertraglichen Erfüllungsansprüche gegen die Antragsgegnerin zu einer vollständigen Befriedigung des Antragsstellers und damit zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen.

b) Die auf Erfüllung gerichtete Leistungsverfügung setzt neben dem Bestehen des geltend gemachten Anspruchs ein dringendes Bedürfnis für die begehrte Eilmaßnahme voraus. Der Gläubiger muss auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen sein, was darzulegen und glaubhaft zu machen ist. Entwickelt wurde die Leistungsverfügung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) bei Bestehen einer dringenden Not- bzw. Zwangslage sowie im Falle einer Existenzgefährdung des Gläubigers. Sie ist auch zulässig, wenn die vom Schuldner zu erbringende Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Vollstreckungstitels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist, die Verweisung des Gläubigers auf die Erhebung der Hauptsacheklage praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme (vgl. zum Vorstehenden Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 6).

In vergleichbaren Fällen hat die Rechtsprechung zwar den Erlass einer Leistungsverfügung für möglich erachtet (vgl. LG Kiel, Beschluss vom 14.03.2012 – 1 T 21/12, NJW-RR 2012, 1211: Sperrung eines Mobilfunkanschlusses; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.08.2009 – 3 W 45/09, NJW-RR 2010, 936: Erschwerung des Internetzugangs). Der Antragsteller hat jedoch das Vorliegen des erforderlichen Verfügungsgrundes – ein dringendes Angewiesensein auf die begehrte Eilmaßnahme – nicht nachvollziehbar dargelegt.

Nach seinem eigenen Vortrag wurde der Antragsteller am 27.03.2018 nur „kurzzeitig“ gesperrt (Antragsschrift vom 29.05.2018, S. 5). Er behauptet selbst nicht, dass er derzeit noch gesperrt sei, eine weitere Sperrung unmittelbar bevorstünde oder ihm die Antragsgegnerin wegen eines anderen Beitrags zumindest eine weitere Sperre angedroht hätte. Seiner Befürchtung, dass er wegen der erneuten Einstellung des streitgegenständlichen Beitrags gesperrt werden könnte, ist dadurch, dass der Senat der Antragsgegnerin antragsgemäß die Löschung dieses Beitrages im Wege einstweiliger Verfügung untersagt hat, die Grundlage entzogen worden.

Bei dieser Sachlage muss sich der Antragsteller auf die Möglichkeit verweisen lassen, die Antragsgegnerin gegebenenfalls im Rahmen einer Hauptsacheklage auf Unterlassung einer Sperrung wegen des streitgegenständlichen Textbeitrages bzw. auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrung in Anspruch zu nehmen.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. ZPO, die zugrundeliegende Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.

Der Senat bewertet das Interesse des Antragstellers an der Unterlassung der von ihm befürchteten Sperrung auf www.f...com wegen des streitgegenständlichen oder eines sinngemäßen identischen Textbeitrages mit 10.000 €. Maßgeblich hierfür ist das Vorbringen des Antragstellers, dass www.f...com mit 31 Mio. Nutzern allein in Deutschland unter den sozialen Netzwerken „klar marktbeherrschend“ sei und derjenige, der sich in Deutschland politisch oder anderweitig äußern und andere Menschen erreichen wolle, zwingend auf „F.“ angewiesen sei (Antragsschrift, S. 4). Das vom Antragsteller mit 7.500 € bezifferte Gesamtinteresse am Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung erscheint daher deutlich zu niedrig bemessen.

Soweit der Antragsteller begehrt, der Antragsgegnerin die (erneute) Löschung des im Tenor unter Ziffer 1 wiedergegebenen Textbeitrages zu untersagen, hält der Senat einen Streitwert von 5.000 € für angemessen. Nach der allgemeinen Wertvorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bemisst sich der Gegenstandswert bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen im Regelfall auf 5.000 €. Dieser Wertansatz erscheint im vorliegenden Fall angesichts des hohen Rangs des Grundrechts auf Meinungsfreiheit sowie der vom Antragsteller hervorgehobenen Reichweite der Social-Media-Plattform angemessen.

In Bezug auf den sich ergebenden Gesamtstreitwert von 15.000 € unterliegt der Kläger mit einer Quote von zwei Dritteln. Der Senat wertet es nicht als Teilunterliegen des Antragstellers, dass er dessen Begehren, der Antragsgegnerin auch die Löschung sinngemäß identischer Beiträge zu untersagen, nicht entsprochen hat (arg. e § 938 Abs. 1 ZPO).

2. Eine ausdrückliche Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich. Einstweilige Verfügungen sind Vollstreckungstitel, die mit Erlass des Beschlusses sofort vollstreckbar sind, ohne dass es einer Entscheidung hierüber bedarf (Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 929 Rn. 1 m.w.N.).

3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde, soweit der Senat die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen hat, kommt gemäß § 574 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht in Betracht.

IV.

Der Senat macht von der ihm durch § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren abzuändern. Hinsichtlich der Begründung wird auf die obigen Ausführungen unter Ziffer III 1 verwiesen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Entscheidung über das Gesuch ergeht im Falle einer mündlichen Verhandlung durch Endurteil, andernfalls durch Beschluss. Die Entscheidung, durch die der Arrest angeordnet wird, ist zu begründen, wenn sie im Ausland geltend gemacht werden soll.

(2) Den Beschluss, durch den ein Arrest angeordnet wird, hat die Partei, die den Arrest erwirkt hat, zustellen zu lassen.

(3) Der Beschluss, durch den das Arrestgesuch zurückgewiesen oder vorherige Sicherheitsleistung für erforderlich erklärt wird, ist dem Gegner nicht mitzuteilen.