Landgericht Köln Urteil, 09. März 2016 - 26 O 409/15
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T A T B E S T A N D :
2Der Kläger verlangt verzinsliche Rückzahlung der Beiträge, die er auf eine mit Wirkung zum 1.10.2004 im sog. Policenmodell mit der H Lebensversicherung AG als Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossene fondsgebundene Lebensversicherung (VersicherungsNr. ###) geleistet hat.
3Das Übersendungsschreiben von Versicherungsschein (Bl. 79 d.A.) und Versicherungsbedingungen einschließlich aller Verbraucherinformationen vom 31.08.2004 (Bl. 101 d.A.) enthält nach dem einleitenden Satz:
4„wir überreichen Ihnen als Anlage die Unterlagen zu der abgeschlossenen H Variable Fondspolice“
5auf der zweiten Seite folgende fettgedruckte und unterstrichene Widerspruchsbelehrung:
6„Widerspruchsrecht
7Der Versicherungsvertrag gilt auf der Grundlage des Versicherungsscheins, insbesondere der Versicherungsbedingungen, als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“
8Am Ende des Versicherungsschein sind die „Vertragsbestandteile“ im Einzelnen aufgeführt.
9Insgesamt wurden Beiträge in Höhe von 7.433,65 € entrichtet.
10Aufgrund des Anwaltsschreibens vom 28.2.2014 (Bl. 20 f d.A.), mit dem der Widerspruch des Versicherungsvertrages gem. § 5a VVG a.F., vorsorglich der Rücktritt nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. erklärt wurde, und des weiteren Anwaltsschreibens vom 13.3.2014 (hilfsweise Kündigung) ermittelte die Beklagte einen Rückkaufswert in Höhe von 3.359,67 € (Schreiben vom16.4.2014, Bl. 109 f d.A.) und zahlte diesen aus.
11Der Kläger ist der Ansicht, die Widerspruchsbelehrung sei fehlerhaft, so dass der Widerspruch wirksam erklärt worden sei. § 5a VVG verstoße auch gegen EU-Recht. Zusätzlich zu den gezahlten Prämien habe die beklagte Partei die in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz berechneten Nutzungen in Höhe von 2.515,39 € zu erstatten.
12Der Kläger beantragt die Beklagte zu verurteilen,
131. an ihn 6.589,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 31.7.2014 zu bezahlen,
142. an die E-Schadenservice GmbH, B-Straße, 65189 Wiesbaden zu Leistungsnummer ##### außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 737,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung und an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 150,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu bezahlen.
15Die Beklagte beantragt
16die Klage abzuweisen.
17Sie hält den Widerspruch im Hinblick auf die Wirksamkeit der Belehrung für verfristet und bestreitet die Höhe der Nutzungen. Vorsorglich erhebt sie die Einrede der Verjährung.
18Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
20Die Klage ist nicht begründet.
21Bereicherungsansprüche gemäß § 812 BGB bestehen nicht. Die Beklagte hat die von dem Kläger entrichteten Versicherungsbeiträge nicht ohne rechtlichen Grund erlangt. Der mit anwaltlichem Schreiben vom 28.2.2014 erklärte Widerspruch ist nicht fristgerecht erfolgt.
22Nach § 5a VVG a.F. gilt für den Fall, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG unterlassen hat, der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als geschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht binnen bestimmter Frist widerspricht (sog. Policenmodell).
23Gemäß § 5a Absatz 1 und 2 VVG in der Fassung vom 13.7.2001 (gültig vom 1.8.2001 bis 7.12.2004) betrug die Widerspruchsfrist 14 Tage.
24Der Lauf dieser Frist beginnt gem. § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F., wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1, nämlich die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
25An dem Vorliegen einer solchen ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerspruchsrecht bestehen hier indes keine Zweifel. Zur Überzeugung der Kammer und nach ihrer ständigen Rechtsprechung ist die Widerspruchsbelehrung formal und inhaltlich nicht zu beanstanden. Insoweit wird – zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen – beispielhaft auf die Entscheidungen des OLG Köln vom 6.12.2013 – 20 U 252/12 – und des BGH vom 30.6.2015 – IV ZR 16/14 – zu einer gleichlautenden Belehrung verwiesen, die daher auch in gleicher Weise für den vorliegenden Fall gelten. Danach macht die zweifellos drucktechnisch deutlich hervorgehobene Belehrung dem Versicherungsnehmer im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben insbesondere noch ausreichend deutlich, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Der weiteren vom Kläger als fehlend beanstandeten Angaben (Rechtsfolge, Benennung des Widerspruchsadressaten) bedarf es nicht.
26Damit begann die Frist ab Erhalt des Versicherungsscheins zu laufen; der Widerspruch vom 28.2.2014 konnte die Frist deshalb nicht mehr wahren und die ordnungsgemäß in Lauf gesetzte Widerspruchsfrist nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF ist verstrichen.
27Europarechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 5a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. und das sog. Policenmodell insgesamt bestehen nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.7.2014 – IV ZR 73/13 und der vorausgegangenen einhelligen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nicht (vgl. etwa OLG Köln, VersR 2011, 245 ff und 248 ff.; OLG Hamm, VersR 2012, 745; zuletzt OLG Stuttgart, VersR 2012, 1373; OLG München, VersR 2012, 1545; OLG München vom 20.6.2013 – 14 U 103/13). Letztlich kommt es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den insoweit in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien unvereinbar ist, nicht entscheidungserheblich an. Denn hier ist es dem ordnungsgemäß belehrten Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach Durchführung des Vertrages über mehr als 9 Jahre hinweg auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (s. BGH vom 16.7.2014 – IV ZR 73/13 – und BGH VersR 2015, 876). Dieser Einwand von Treu und Glauben greift selbst im Falle einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union unterliegen nationale Rechtsmaximen, die einem Anspruch entgegengehalten werden können, dem nationalen Recht, das unter Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden muss; auch insoweit ist eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich (BGH aaO mwN; BVerfG Beschlüsse vom 2.2.15 – 2 BvR 2437/14 – und vom 4.3.2015 – 1 BvR 3280/14 –).
28Da ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Beiträge nicht besteht, scheidet auch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten aus.
29Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
30Streitwert: 6.589,37 €
31Der Rückkaufswert (3.359,67 €) ist auf die Zinsforderung von 2.515,39 € anzurechnen, der verbleibende Restbetrag (844,28 €) ist von der Hauptforderung (Beitragsrückerstattung iHv 7.433,65 €) in Abzug zu bringen, so dass sich der Streitwert von 6.589,37 € ergibt (im Anschluss an Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 28.1.2015, 20 W 72/14).
3226 O 409/15
33Landgericht Köln
34Beschluss
35wird gemäß § 320 ZPO der Tatbestand des Urteils vom 09.03.2016 dahingehend berichtigt, dass es auf Seite 3 richtig heißen muss:
36Insgesamt wurden nach dem Vortrag des Klägers Beiträge in Höhe von 7.433,65 € entrichtet.
37Köln, 12.04.2016
3826. Zivilkammer
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Annotations
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.
(2) Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Der Antrag kann schon vor dem Beginn der Frist gestellt werden. Die Berichtigung des Tatbestandes ist ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten seit der Verkündung des Urteils beantragt wird.
(3) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme. Bei der Entscheidung wirken nur diejenigen Richter mit, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters den Ausschlag. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(4) Die Berichtigung des Tatbestandes hat eine Änderung des übrigen Teils des Urteils nicht zur Folge.