Landgericht Köln Urteil, 02. Juni 2015 - 156 Ns 23/15

Gericht
Tenor
Die Berufung wird mit der Maßgabe kostenpflichtig verworfen, dass die Tagessatzhöhe auf 10,- € ermäßigt wird.
1
G r ü n d e :
2I.
3Das Amtsgericht hat die Angeklagte mit dem angefochtenen Urteil wegen Störung der Religionsausübung gemäß § 167 Abs. 1 Nr. 1 StGB kostenpflichtig zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt.
4Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt mit dem Ziel eines Freispruchs, hilfsweise einer milden Verurteilung nach Jugendrecht.
5Die Berufung der Angeklagten hat in der Sache nur einen geringen Teilerfolg insoweit, als sie aufgrund der verschlechterten Einkommensverhältnisse zu einer Herabsetzung der Tagessatzhöhe auf 10,- € führt.
6II.
7Die erneute Hauptverhandlung vor der Kammer hat zu nachfolgenden Feststellungen geführt:
8Die im Zeitpunkt der Hauptverhandlung 21 Jahre alte Angeklagte wuchs gemeinsam mit drei jüngeren Geschwister im Haushalt ihrer Eltern in Hamburg auf. Ihr Vater betreibt eine Firma im Bereich Wärmeenergietechnik, die Mutter ist als angestellte Physiotherapeutin berufstätig.
9Zur Zeit ihrer Geburt waren ihre Eltern noch nicht verheiratet. Die Angeklagte führte daher bis zur Eheschließung ihrer Eltern den Mädchennamen ihrer Mutter X. Nach der Heirat der Eltern, die erfolgte, als die Angeklagte 6 Jahre alt war, nahm sie den Familiennamen N an.
10Die Angeklagte besuchte den Kindergarten und wurde sodann altersgemäß in die Grundschule eingeschult. Sie wechselte danach auf ein Gymnasium in Hamburg-M. Im ersten Halbjahr 2009, der Klasse 10, besuchte die Angekalgte im Wege des Schüleraustausches ein Gymnasium in Großbritannien. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland konnte sie die Schule fortsetzen, ohne durch den Auslandaufenthalt ein Schuljahr zu verlieren. Sie wollte eigentlich nach der Rückkehr aus England die Schule abbrechen und Schauspielerin werden. Auf Druck ihrer Eltern gab sie diesen Plan auf und setzte den Schulbesuch fort. Im Sommer 2011 erwarb sie mit Abschluss der Klasse 12, da für sie bereits die Regelung des 8-jährigen Gymnasiums galt, im Alter von 18 Jahren das Abitur. In der Schulzeit hatte sie durchgehend gute Noten.
11Die Angeklagte wurde im christlichen Glauben als Protestantin erzogen, getauft und konfirmiert, wobei sie mit ihren Eltern immer wieder Diskussionen über die christliche Erziehung, den Glauben und Proteste in diesem Zusammenhang führte.
12Nach dem Erwerb des Abiturs kam es zwischen der Angeklagten und ihren Eltern zu heftigen Auseinandersetzungen über ihren weiteren Werdegang. Während die Eltern ein Studium der Rechtswissenschaft oder Medizin befürworteten, interessierte sich die Angeklagte für eine künstlerische Richtung. Gegen den Willen der Eltern arbeitete sie zunächst für ca. 8 Monate in einem Projekt zur Betreuung von Straßenkindern – in erster Linie Mädchen - in Bolivien. Hier erwachte ihr Interesse an der Frauenbewegung.
13Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland nahm sie im Wintersemester 2012/2013
14ebenfalls gegen den Willen der Eltern, die sie zu einem Studium der Medizin oder
15Rechtswissenschaft drängen wollten, das Studium der Philosophie an der Universität in Hamburg auf. Zudem schloss sie sich, wie unten noch näher ausgeführt wird, den Femen an. Das Studium der Philosophie brach sie nach zwei Semestern ab und begann 2014 nach der Tat an der Universität Hamburg mit dem Studium der Zahnmedizin, nach ihren Angaben auf Druck ihrer Eltern hin. Vor kurzem brach sie jedoch auch dieses Studium ab. Sie will nun an der Universität Berlin wieder das Studium der Philosophie aufnehmen und ist dabei, nach Berlin umzuziehen. Sie erhält derzeit noch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von ca. 597 € monatlich. Ihre Nebentätigkeit in einem Café, mit der sie zusätzlich monatlich ca. 200 € verdiente, hat die Angeklagte vor einem Monat aufgegeben. Bis zur Hauptverhandlung vor der Kammer lebte sie in einem Studentenwohnheim mit einer monatlichen Miete von 255,- €, hielt sich zeitweise aber auch im Haushalt ihrer Eltern auf. Ob sie in Zukunft wieder Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) erhält, ist derzeit ungewiss, da eine Ausbildungsförderung grundsätzlich nach zweimaligem Wechsel des Studienfachs nicht mehr gewährt wird. Ob in ihrem Fall wie von ihr beantragt eine Ausnahme greift oder sie ein Stipendium bekommt, stand im Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch nicht fest. Eine Arbeitsstelle hat sie in Berlin ebenfalls noch nicht gefunden. Ob sie eine solche findet, ist noch unsicher. Zur Zeit arbeitet sie an einem Dokumentarfilm und will sich in Berlin in Zukunft neben dem Studium im Bereich Theater/Film weiterbilden.
16Unterhalt von ihren Eltern erhält die Angeklagte nicht.
17Inzwischen hat die Angeklagte sich von der Femenbewegung losgesagt, da sie zwischen ihren Ansichten und denen der Femenbewegung ideologisch eine große Diskrepanz sieht. Ihre Protestaktionen will sie in Zukunft nicht mehr unbekleidet durchführen.
18Strafrechtlich ist die Angeklagte auch weiterhin nicht in Erscheinung getreten.
19Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Angaben der
20Angeklagten zu ihrer Person, den Ausführungen des Vertreters der Jugendgerichtshilfe, den durch Verlesen nach Maßgabe des Sitzungsprotokolls zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Urkunden und dem mit der Angeklagten erörterten und von ihr als richtig anerkannten Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 11.3.2015.
21III.
22In der Sache selbst hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:
23Während ihres Aufenthalts in Bolivien wuchs in der Angeklagten ihr Interesse an der Frauenbewegung und dem Kampf für die Rechte der Frauen. Sie schloss sich deshalb Anfang 2013 den „Femen“ an. Damit ihre Eltern durch ihre Aktionen keine Nachteile erleiden, unternahm sie ihre Aktionen unter dem Pseudonym K. X, entsprechend dem Mädchennamen ihrer Mutter und ihrem zweiten Vornamen. Im Rahmen ihres Engagements für diese Organisation nahm sie an verschiedenen Protestaktionen teil. Zunächst beteiligte sie sich an einer Demonstration gegen die NPD. Im April 2013 nahm sie an einer Protestaktion gegen den Präsidenten der russischen Föderation Wladimir Putin während der Eröffnung der Hannover-Messe durch ihn und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel teil. Gemeinsam mit anderen versuchte sie, in die Nähe der beiden Politiker zu gelangen. Dabei hatte sie auf ihren nackten Oberkörper den Schriftzug „Fuck Dictator“ geschrieben.
24Am 29.5.2013 demonstrierte die Angeklagte mit zwei französischen Mitgliedern der Femenbewegung in Tunesien gegen die Inhaftierung einer tunesischen Kollegin durch Entblößung ihres Oberkörpers vor dem Justizministerium in Tunis. Sie wurde daraufhin von einem tunesischen Gericht wegen unsittlichen Verhaltens zu vier Monaten Haft verurteilt und befand sich bis zur Strafaussetzung zur Bewährung durch das Berufungsgericht vom 29.5.2013 bis 26.6.2013 unter aus ihrer Sicht
25menschenunwürdigen Bedingungen in einem tunesischen Gefängnis in einer Zelle
26gemeinsam mit 27 anderen Frauen in Haft.
27Am 11.12.2013 beteiligte sie sich an einer Protestaktion der Femen während einer Fernsehsendung von Markus Lanz. Dort protestierte sie ebenfalls barbusig gegen die Arbeitsbedingungen auf der Baustelle für die geplante Fußball Weltmeisterschaft in Katar.
282 bis 3 Tage vor der Tat kam es zu einer teilweise fernmündlich geführten Besprechung der Angeklagten mit weiteren Mitgliedern der Femenbewegung Deutschland und den in der Ukraine lebenden Gründungsmitgliedern der Bewegung, insgesamt etwa 9 Personen. In dieser Gruppe war die Angeklagte die jüngste; die anderen Femenmitgliedern waren zwischen 23 – 35 Jahre alt. Zu dieser Zeit fand eine Protestreihe verschiedener Femenmitglieder in Rom, Paris und Madrid statt. Die Angeklagte hielt angesichts der Äußerungen von Joachim Kardinal Meisner u.a. zur Stellung der Frau, zur Position der Kirche, - u.a. der Staat müsse sich der Kirche unterordnen – und zur Abtreibung einen Protest in Köln für angezeigt. Hierzu bereit waren angesichts der Weihnachtstage allerdings nur eine andere Aktivistin und die Angeklagte. Ob ein Protest durchgeführt wird, wird nach den glaubhaften Angaben der Angeklagten in der Femengruppe in einem demokratischen Prozess entschieden. Es liegt an der Aktivistin selbst, ob sie die Aktion durchführen will. In der Vergangenheit hatte die Angeklagte zumindest einmal kurzfristig von der Durchführung einer geplanten Aktion gegen die Bundeskanzlerin im Wahlkampf abgesehen, aus ideologischen Gründen oder aufgrund von Sicherheitsbedenken. Die Angeklagte entschied sich zur Durchführung der Aktion im Weihnachtsgottesdienst, weil sie durch die o.g. Äußerungen von Joachim Kardinal Meisner es für sinnvoll erachtete, sich zu dieser Zeit in dieser Form zu äußern, um möglichst große Aufmerksamkeit zu erzielen, wobei für sie auch ausschlaggebend war, dass an diesem Tag Joachim Kardinal Meisner seinen 80. Geburtstag feierte.
29Ca. 24 Stunden vor der Tat wurde durch ein Mitglied der Femenbewegung die Presse von dem bevorstehenden Ereignis informiert.
30Die Angeklagte begab sich am 24.12.2013 nach Köln. Sie übernachtete bei einer Freundin.
31Am 25.12.2014 begab die Angeklagte sich etwa 1 ½ Stunden vor Beginn der Weihnachtsmesse an diesem Tag in den Kölner Dom und setzte sich dort in die erste Reihe. Sie war im Wesentlichen mit einem schwarzen Mantel, einem schwarzen Slip und Stiefeln bekleidet. Um ihren Kopf hatte sie ein buntes Tuch geschlungen. In der ersten Sitzreihe wartete sie den Beginn der Weihnachtsmesse um 10.00 Uhr ab. Während des von Orgelmusik begleiteten Einzugs des Kölner Erzbischofs Joachim Kardinal Meisner und der kirchlichen Würdenträger, die an einem solchen Hauptgottesdienst teilnehmen, entledigte sich die Angeklagte ihres schwarzen Mantels, des Tuchs und der Stiefel, um den Altar nicht zu beschädigen. Sie stürmte aus der ersten Reihe über die Begrenzung in den Altarraum und sprang auf den geweihten Altartisch, wobei sie zu diesem Zeitpunkt nur noch mit einem schwarzen Slip und einem darüber geschlungenen schwarzen Tuch bekleidet war. Auf ihren entblößten Brüsten und den Oberkörper hatte sie in großen schwarzen auch in einiger Entfernung noch deutlich sichtbaren Großbuchstaben den Schriftzug „I AM GOD“ geschrieben. Auf dem Altar stehend, wandte sie sich den Gottesdienstbesuchern zu, streckte ihre Arme seitlich nach oben, und rezitierte mit lauter Stimme in Richtung Gottesdienstbesucher die Worte: „Ich glaube an die selbstbestimmte und freie Frau, an die……“ Nachdem Domschweizer den Altar umringten, sprang die Angeklagte vom Altar und lief mit weiter erhobenen Armen in Richtung der Gottesdienstbesucher in den Mittelgang bis in Höhe der 1. oder 2. Reihe, wobei sie fortfuhr, mit lauter Stimme die Worte zu rezitieren: „Unantastbarkeit des Körpers der Frau, ich glaube an die Gleichheit aller Menschen, an die…“ . Hier trat ein männlicher Gottesdienstbesucher auf sie zu und versetzte ihr zwei Schläge ins Gesicht. Sodann gelang es einem Domschweizer und zwei anderen Männern, sie
32zu überwältigen und zu Boden zu bringen. Noch während sie von mehreren Männern in Richtung der vom Innenraum des Domes baulich separierten Hubertuskapelle
33geschleift bzw. getragen wurde, begann die Angeklagte neben dem Hinweis darauf, dass man ihr weh tue, erneut, mit lauter Stimme die Worte „Ich glaube an die Gleichberechtigung aller Menschen, an die Freiheit…“ zu rezitieren.
34Die Aktion dauerte vom Loslaufen der Angeklagten bis zu ihrer Überwältigung etwa 30 Sekunden, bis zum Verbringen der Angeklagten in die Kapelle 1 ½ Minuten.
35Aufgrund der Schläge und das Schleifen über den Boden erlitt die Angeklagte Schmerzen und Verletzungen in Form von Schürfwunden und Hämatomen an den Füßen und dem Rücken.
36Nachdem die Angeklagte aus dem Gottesdienstraum entfernt worden war, weihte Joachim Kardinal Meisner den Altar neu. Der Gottesdienst wurde sodann fortgesetzt.
37Insgesamt war er aufgrund der Aktion der Angeklagten für etwa 2 Minuten unterbrochen.
38Die gesamte Aktion der Angeklagten wurde aus zwei verschiedenen Perspektiven von im Dom anwesenden Journalisten gefilmt.
39Die Messe insgesamt wurde auf dem Sender des Dom-Radios live übertragen.
40Wegen der Einzelheiten des Aussehens der Angeklagten und ihrer Pose auf dem Altar wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Lichtbilder Blatt 147, unteres Bild, 146 unteres Bild, 151 der Akte Bezug genommen.
41Die Angeklagte handelte bei dieser Aktion in der Absicht, mit der Störung des Gottesdienstes gegen die frauenfeindliche Haltung der katholischen Kirche und eines ihrer höchsten Würdenträger, des Kölner Erzbischofs Joachim Kardinal Meisner, insbesondere dessen Einstellung zu Abtreibung und dem Verhältnis von Staat und Kirche, zu protestieren und aufmerksam zu machen.
42Am Tag nach der Tat gab die Angeklagte vor dem Dom einem Journalisten des WDR ein Interview.
43Anhaltspunkte für eine erhebliche Einschränkung oder gar Aufhebung der Einsichtsfähigkeit der Angeklagten oder ihrer Fähigkeit, ihr Verhalten entsprechend
44der uneingeschränkt vorhandenen Einsicht in das Unrecht ihres Handelns zu steuern, sind nicht gegeben.
45IV.
46Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf der Einlassung der Angeklagten, soweit die Kammer ihr zu folgen vermochte, den durch Inaugenscheinnahme zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Videoaufnahmen des Geschehens sowie den weiteren durch Verlesen und Inaugenscheinnahme nach Maßgabe des Sitzungsprotokolls zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Urkunden, Lichtbilder und sonstigen Beweismittel.
47Die Angeklagte hat den äußeren Geschehensablauf der Tat in vollem Umfang glaubhaft eingeräumt. Die vorstehend getroffenen Feststellungen zur Planung der Tat, dem Entscheidungsprozess, der Verständigung der Presse sowie der Vorbereitung und Durchführung der Tat beruhen ebenfalls auf der entsprechenden glaubhaften Einlassung der Angeklagten.
48Im Übrigen hat sie sich wie folgt eingelassen:
49Ihre Aktion habe sich gegen Joachim Kardinal Meisner, insbesondere seine Haltung zu Frauen und Abtreibung, und nicht gegen die Gläubigen gerichtet. Sie habe die Gottesdienstbesucher nicht absichtlich stören wollen. Sie sei der Meinung gewesen, in einer öffentlichen Veranstaltung wie einem Gottesdienst sei ihre Aktion durch Art. 5 GG gedeckt. Sie habe sich für ihre Aktion bewusst einen „Pausenslot“ in der Prozession ausgewählt. Durch die von ihr auf dem Altar eingenommene Haltung habe sie auf das Bild von Jesus am Kreuz angespielt. Von der Reaktion des Gottesdienstbesuchers, der sie geschlagen habe, sei sie überrascht gewesen. Sie habe zwar gewusst, dass ihre Meinung nicht mit der der Gottesdienstbesucher übereinstimme. Sie habe aber diesen Moment nutzen wollen, um ihre Kritik an der
50frauenfeindlichen Haltung der Kirche und insbesondere Joachim Kardinal Meisners zu äußern. Sie sei der Meinung gewesen, nur durch einen Tabubruch ausreichendes Gehör für ihre Meinung zu finden. Sie wisse allerdings, dass andere dies auch anders sehen würden. Nach der Tat hätten ihr Personen auch zu ihrer Tat gratuliert.
51Das von ihr rezitierte „Glaubensbekenntnis“ der Femen sei nicht antichristlich, sondern eine Gegendarstellung zu dem christlichen Glaubensbekenntnis. Sie habe niemanden mit den Worten persönlich beleidigen wollen.
52Grund für ihre Tat sei nicht etwa Abenteuerlust gewesen. Vielmehr habe sie ihre Aktion als politischen Protest verstanden und durch ihre performance eine politische Diskussion anstoßen wollen. Dabei begreife sie Nacktheit nicht als Provokation, sondern als Strategie der Femenbewegung.
53Die Vorschrift des § 167 StGB sei ihr nicht bekannt gewesen. Sie habe nicht gewusst, dass ihr Handeln einen Straftatbestand erfüllt.
54Das Geständnis der Angeklagten zum äußeren Tathergang wird bestätigt durch die in Augenschein genommenen Videoaufnahmen von der Tat. Das von der „hanspaulmedia“ erstellte Video zeigt aus einem Blickwinkel rechts vom Altar in Richtung des Altars gesehen, wie die Angeklagte – während des Einzugs der geistlichen Würdenträger und noch während die Orgelmusik erklingt - aus der ersten Reihe auf den Altar zustürmt und auf diesen springt, sich in Richtung der Gottesdienstbesucher wendet und ihre Arme nach seitlich oben wegstreckt. Dabei ist sie lediglich mit einem schwarzem um die Hüften geschlungenen Tuch bekleidet. Auf ihre Brust ist in großen schwarzen Großbuchstaben geschrieben I AM GOD. Auf dem Altar stehend rezitiert die Angeklagte laut in Richtung Gottesdienstbesucher die Worte: „Ich glaube an die selbstbestimmte und freie Frau, an die Unantastbarkeit des Körpers der Frau, ich glaube an die Gleichheit aller Menschen, an die…“ . Der weitere Text ist unverständlich. Die Angeklagte bricht ihre Rezitation ab. Sie ist
55inzwischen von Domschweizern umringt und springt vom Altar. Dann läuft sie mit weiter erhobenen Armen in Richtung der Gottesdienstbesucher in den Mittelgang bis in Höhe der 1. oder 2. Reihe. Hier wird sie von einem männlichen Gottesdienstbesucher zweimal ins Gesicht geschlagen und sodann von einem Domschweizer und zwei anderen Männern überwältigt und zu Boden gebracht. Die Männer fassen die Angeklagte erst an den Armen und ziehen sie rückwärts in Richtung einer angrenzenden Kapelle, wobei die nackten Füße der Angeklagten über den Boden schleifen. Dann treten weitere Männer dazu, fassen die Beine der Angeklagten und tragen sie zusammen aus dem Dom zu der angrenzenden Tür.
56Dabei ist zu hören, wie die Angeklagte zunächst zweimal ruft: „Sie tun mir weh“ und anschließend mit lauter Stimme wiederholt: „Ich glaube an die Gleichberechtigung aller Menschen, an die Freiheit…“. Die weiteren Worte sind nicht zu verstehen. Die Angeklagte bricht ihre weitere Rezitation kurz vor Erreichen der Tür ab. Auf dem in Augenschein genommenen Video der „BildTV“ ist der gesamte Vorgang aus einer Perspektive links vom Altar in dessen Richtung gesehen zu erkennen, beginnend mit dem Stehen der Angeklagten auf dem Altar. Hier sind die Schläge des Gottesdienstbesuchers gegen das Gesicht der Angeklagten besser zu erkennen.
57Die Aktion dauerte vom Loslaufen der Angeklagten bis zu ihrer Überwältigung etwa 30 Sekunden, bis zum Verbringen der Angeklagten in die Kapelle 1 ½ Minuten.
58Soweit die Angeklagte bestreitet, den Gottesdienst bzw. die Gottesdienstbesucher absichtlich gestört zu haben, - da sie nur Joachim Kardinal Meisner habe treffen wollen - , ist ihre Einlassung zum einen unerheblich, zum anderen zur sicheren Überzeugung der Kammer widerlegt.
59Schon aus ihrer eigenen Einlassung ergibt sich, dass sie mit ihrer Aktion absichtlich den von Joachim Kardinal Meisner geleiteten Gottesdienst stören wollte, um gegen
60dessen Haltung zu Frauen u.ä. zu protestieren. Bereits damit liegt die in § 167 StGB vorausgesetzte Absicht hinsichtlich der Störung des Gottesdiensts vor, da hiernach unerheblich ist, aus welchen Gründen diese Störung erfolgt und wer mit der Störung des Gottesdienstes getroffen werden sollte.
61Zum anderen ist diese Einlassung auch zur sicheren Überzeugung der Kammer aufgrund der äußeren Umstände widerlegt. Die Angeklagte ist eine intelligente junge Frau, die christlich sozialisiert ist. Schon von daher ist aus Sicht der Kammer unzweifelhaft, dass sie die erheblich störende Wirkung ihrer Aktion auf den Gottesdienst und die Kirchenbesucher erkannt hat und, da sie die Aktion trotz dieser sicheren Kenntnis durchführte, auch im Sinne zielgerichteten Erfolgswillens gewollt hat. Hinzu kommt, dass die Angeklagte sich bei ihrer Aktion ausschließlich an die Gottesdienstbesucher richtete. Sie sprach ihr „Glaubensbekenntnis“ in Richtung der
62Gemeinde und lief nach dem Herabspringen vom Altar in diese Richtung und nicht zu dem in ihrem Rücken befindlichen Kardinal. Auch inhaltlich richteten sich ihre Äußerungen bei ihrer Aktion nicht gegen Joachim Kardinal Meisner, sondern allgemein an die in der Kirche anwesenden gläubigen Christen. Dabei stellte die Beschriftung ihres Oberkörpers mit den Worten „I AM GOD“ ersichtlich eine Provokation aller gläubigen Gottesdienstbesucher und nicht lediglich Joachim Kardinal Meisners dar.
63Dass die Angeklagte die Störung des Gottesdienstes absichtlich herbeigeführt hat, ergibt sich zudem auch aus dem Umstand, dass sie nach ihren eigenen Angaben meinte, nur mit einer so aufsehenerregenden Aktion, die sie selbst als Tabubruch bezeichnet hat, ihr Ziel, eine Diskussion über die Haltung der katholischen Kirche zu Frauen anzustoßen, erreichen zu können. Hierfür spricht auch die Vorabinformation der Presse über die geplante Tat.
64Selbst wenn der Einlassung der Angeklagten gefolgt würde, sie habe sich nicht wohl gefühlt bei dem Gedanken, dass sich die Gläubigen gestört fühlen, würde dies nichts daran ändern, dass die Angeklagte mit Absicht im Sinne zielgerichteten Handelns den Gottesdienst störte. Denn zur Verwirklichung ihres primären Zieles, gegen
65Joachim Kardinal Meisner zu protestieren, beabsichtigte sie jedenfalls als „Durchgangsziel“, eine möglichst große Aufmerksamkeit durch eine möglichst grobe Störung eines bedeutenden Gottesdienstes zu erzielen.
66V.
67Nach den vorstehend getroffenen Feststellungen hat sich die Angeklagte der Störung der Religionsausübung gemäß § 167 Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht.
68Die Angeklagte hat den Gottesdienst der katholischen Kirche im Kölner Dom am 1. Weihnachtsfeiertag durch ihr Verhalten absichtlich und in grober Weise gestört.
69Auch wenn die Aktion der Angeklagten bis zu ihrem Verbringen in die Kapelle nur 1 ½ Minuten andauerte, stellte sie eine grobe Störung des Gottesdienstes dar. Dies
70ergibt sich zum einen daraus, dass sie –zudem nur mit einem Slip und einem darüber geschlungenen Tuch kaum bedeckt- auf den geweihten Altar sprang. Auch die in großen schwarzen Buchstaben auf ihren Oberkörper und quer über ihre unbekleideten Brüste geschriebene Botschaft „I AM GOD“ stellte in einer katholischen Kirche eine erhebliche Provokation und damit Störung dar.
71Verstärkt wird der Störungseffekt zudem durch die von der Angeklagten rezitierten Worte „Ich glaube an die selbstbestimmte und freie Frau, an die Unantastbarkeit des Körpers der Frau, ich glaube an die Gleichheit aller Menschen, … ,an die Gleichberechtigung aller Menschen, an die Freiheit…“ Auch wenn diese für sich allein betrachtet unbedenklich erscheinen, so stellten sie im Zusammenhang mit ihrer Rezitation auf dem Altar und der an das christliche Glaubensbekenntnis angelehnten Formulierung eine weitere Provokation und damit Verstärkung der Störung des Gottesdienstes dar.
72Da die Angeklagte im christlichen Glauben erzogen worden ist, war sie sich der Bedeutung ihrer Aktion und der damit verbundenen erheblichen Störung des Gottesdienstes, die sie selbst als Tabubruch bezeichnet hat, bewusst und handelte vorsätzlich.
73Die Angeklagte hat den Gottesdienst am 25.12.2013 auch absichtlich im Sinne von § 167 Abs. 1 Nr. 1 StGB gestört.
74Absicht liegt dann vor, wenn der Handlungswille des Täters final gerade auf den vom Gesetz bezeichneten Handlungserfolg – hier Störung des Gottesdienstes - gerichtet ist (zielgerichteter Erfolgswille), wobei die Erreichung des Zieles weder das Endziel noch der überwiegend oder gar einzig angestrebte Erfolg zu sein braucht; auch ein neben einem anderen Ziel angestrebter Nebenzweck sowie ein als Mittel zu einem anderen Zweck angestrebtes Ziel (Zwischenziel) genügt (BGH St 4, 109, 18, 151, 246, 35, 326 f., NJW 10, 2673 f). Erstrebt der Täter in diesem Sinne den Handlungserfolg, ist nicht erforderlich, dass der Täter diesen für wünschenswert hält. Denn es ist nicht erforderlich, dass der Täter in böswilliger Absicht handelt. Auch wenn er sich dem Erfolg nicht positiv zuwendet, liegt Absicht vor, wenn der Erfolg denknotwendig eintritt als denknotwendiger Zwischenerfolg zur Erreichung des an
75sich gewünschten Endziels. Weiß der Täter daher, dass er das Endziel nur über die „ungewünschte“ Zwischenfolge erzielen kann, erstrebt er diese und handelt auch insoweit absichtlich.
76Nach diesen Grundsätzen ist hier unzweifelhaft, dass die Angeklagte den Gottesdienst absichtlich im Sinne von § 167 StGB störte.
77Dies ergibt sich bereits aus ihrer eigenen Einlassung. Denn sie hat eingeräumt, dass sie mit ihrer Aktion absichtlich den von Joachim Kardinal Meisner geleiteten Gottesdienst stören wollte, um gegen dessen Haltung zu Frauen u.ä. zu protestieren.
78Die Einlassung der Angeklagten, sie habe die Gottesdienstbesucher nicht stören,
79sondern nur Joachim Kardinal Meisner treffen wollen, ist angesichts dessen zum einen unerheblich, weil § 167 StGB lediglich eine absichtliche Störung des
80Gottesdienstes voraussetzt, gleichgültig aus welchen Gründen diese Störung erfolgt und wer mit der Störung des Gottesdienstes getroffen werden sollte.
81Zum anderen ist diese Einlassung auch zur sicheren Überzeugung der Kammer aufgrund der äußeren Umstände wie bereits oben unter IV. ausgeführt widerlegt.
82Die Angeklagte handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
83Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist die Tat der Angeklagten nicht gerechtfertigt. Eine Rechtfertigung gemäß § 193 StGB scheidet bereits deshalb aus, weil diese Vorschrift lediglich auf die im 14. Abschnitt des Strafgesetzbuchs aufgeführten Delikte anwendbar ist; eine allgemeine Abwägungsklausel auch für sonstige Delikte ist aus dieser Vorschrift nicht abzuleiten.
84Sonstige Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. Auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gemäß Artikel 5 GG kann sich die Angeklagte zur Rechtfertigung ihrer Tat nicht berufen. Dieses Recht findet gemäß Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranke in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen § 167 StGB zählt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorschrift verfassungswidrig ist, bestehen nicht. Vielmehr ist sie Ausfluss des Grundrechts der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit, insbesondere des Rechts auf ungestörte Religionsausübung, die in Art. 4 Abs. 2 GG unbeschränkt gewährleistet wird. Auch bei der gebotenen
85grundrechtswahrenden Auslegung von § 167 StGB als ein das Grundrecht des Art. 5 GG einschränkendes Gesetz unter Abwägung der Interessen derjenigen, die auf Art. 4 GG gestützt ihre Religion ungestört ausüben wollen einerseits und der Interessen derjenigen, die gestützt auf Art. 5 GG ihre Meinung frei äußern wollen, andererseits ist die Tat der Angeklagten entgegen ihrer Auffassung zweifelsfrei nicht mehr vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt.
86Ob eine Schutzbedürftigkeit der katholischen Kirche als Institution besteht oder sich diese als öffentliche Institution Kritik gefallen lassen muss, wie von der Verteidigung
87als Rechtfertigung aufgeführt, kann dahin stehen, da jedenfalls eine Kritik in dieser Form in § 167 StGB unter Strafe gestellt ist.
88Die Strafbarkeit der Angeklagten ist auch nicht aufgrund fehlender Unrechtseinsicht in Form eines unvermeidbaren Verbotsirrtums gemäß § 17 S.1 StGB ausgeschlossen. Zwar hat sich die Angeklagte dahin eingelassen, nicht gewusst zu haben, dass ihr Verhalten strafbar ist, insbesondere die Vorschriften der §§ 166, 167 StGB nicht gekannt und geglaubt zu haben, ihr Verhalten sei durch Art. 5 GG gedeckt. Ein Verbotsirrtum liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn ein Täter die Strafbarkeit seines Handelns nicht kennt. Unrechtseinsicht ist vielmehr schon dann zu bejahen, wenn der Täter das Bewusstsein hat, Unrecht zu tun. Dabei genügt allerdings nicht das Bewusstsein moralischer Verwerflichkeit oder Sozialwidrigkeit. Erforderlich ist die Einsicht, dass das Tun gegen die durch verbindliches Recht erkennbare Wertordnung verstößt. Dabei ist ausreichend, wenn der Täter mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun und dies billigend in Kauf nimmt (vgl. zu allem vorstehenden Fischer, Kommentar zum StGB, 62. Aufl., § 17 Rdnr. 3-5 m.w.N.).
89Nach diesen Grundsätzen fehlte der Angeklagten die Unrechtseinsicht nicht. Die Angeklagte ist in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen und im christlichen Glauben erzogen worden. Sie hat die allgemeine Hochschulreife erworben und hatte zur Tatzeit bereits zwei Semester das Studium der Philosophie absoviert. Angesichts
90dessen steht für die Kammer außer Frage, dass sie das Grundrecht der Glaubensfreiheit ebenso wie das der Meinungsfreiheit gekannt hat und die Wirkung ihrer Tat auf gläubige Katholiken einschätzen konnte. Wie von ihr selbst eingeräumt wusste sie, dass sie mit ihrer Aktion einen Tabubruch begeht. Schon hierin kommt zum Ausdruck, dass ihr bewusst war, mit ihrer von ihr selbst als „performance“ bezeichneten Aktion gegen die durch verbindliches Recht erkennbare Wertordnung zu verstoßen. Jedenfalls ergibt sich hieraus, dass sie zumindest mit der Möglichkeit rechnete, Unrecht zu tun, und dies billigend in Kauf nahm.
91Selbst wenn zugunsten der Angeklagten – entgegen der Überzeugung der Kammer - ein Verbotsirrtum angenommen würde, wäre dieser jedenfalls vermeidbar gewesen. Vermeidbarkeit liegt vor, wenn dem Täter zum Zeitpunkt der Tathandlung sein Vorhaben unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse hätte Anlass geben müssen, über dessen mögliche Rechtswidrigkeit nachzudenken oder sich zu erkundigen, und er auf diesem Wege zur Unrechtseinsicht gekommen wäre. Angesichts ihrer Sozialisation – siehe oben - hätte ihr Plan ihr als intelligentem Menschen Anlass geben müssen, über seine mögliche Rechtswidrigkeit nachzudenken, sich jedenfalls zumindest hierüber bei einem Rechtskundigen oder in anderer Form zu erkundigen. Dies hat sie unterlassen. Hätte sie dies getan, wäre ihr – angesichts der eindeutigen und unmissverständlichen Formulierung des § 167 StGB - die Strafbarkeit ihres Vorhabens bewusst geworden und sie daher auf diesem Wege zur Unrechtseinsicht gekommen.
92VI.
93Die Angeklagte war zur Tatzeit 20 Jahre und 6 Monate alt und damit Heranwachsende im Sinne von § 1 Abs. 2 JGG. Auf sie war allgemeines Strafrecht anzuwenden.
94Die Voraussetzungen für die Anwendung von Jugendrecht gemäß § 105 JGG liegen nicht vor.
95Die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit der Angeklagten bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen und ihres Werdegangs im häuslichen und sozialen Umfeld ergibt nicht, dass sie zur Zeit der Tat nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch einer Jugendlichen gleichstand, § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG.
96Auch handelt es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat nicht um eine Jugendverfehlung, § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG.
97Ein Heranwachsender ist einem Jugendlichen gleichzustellen, wenn es sich um einen ungefestigten, in der Entwicklung stehenden, auch noch prägbaren Menschen handelt, in dem Entwicklungskräfte noch in größerem Umfang wirksam sind. Der Tatrichter, der sich einen persönlichen Eindruck vom Angeklagten verschaffen kann, hat dabei einen erheblichen Beurteilungsspielraum (BGH NJW 1989, 1490 m.w. Nachw.).
98Anhaltspunkte für die Entscheidung liefern dabei zum einen die von der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V. und der deutschen Vereinigung für Jugendpsychiatrie erarbeiteten Marburger Richtlinien. Danach legt das Fehlen folgender Züge es nahe, einen Heranwachsenden einem Jugendlichen gleichzustellen, spricht das Vorliegen dieser Kriterien also gegen Reifeverzögerungen:
99 Eine gewisse Lebensplanung
100 Fähigkeit zum selbständigen Urteilen und Entscheiden
101 Fähigkeiten zum zeitlich überschauenden Denken
102 Fähigkeit, Gefühlsurteile rational zu unterbauen
103 Ernsthafte Einstellung zur Arbeit
104 Gewisse Eigenständigkeit zu anderen Menschen
105Charakteristisch jugendtümliche Züge sind demgegenüber z.B.
106 ungenügende Ausformung der Persönlichkeit
107 Hilfslosigkeit, nicht selten hinter Trotz und Arroganz versteckt
108 Naiv vertrauensseliges Verhalten
109 Leben im Augenblick
110 Starke Anlehnungebedürftigkeit
111 Spielerische Einstellung zur Arbeit
112 Neigung zum Tagtraum
113 Hang zu abenteuerlichem Handeln
114 Sich Hineinleben in selbsterhöhende Rollen
115 Mangelnder Anschluss an Altersgenossen
116Von Esser/Fritz/Schmidt (Die Beurteilung der sittlichen Reife Heranwachsender im Sinne des § 105 JGG – Versuch einer Operationalisierung, MKrim. 64, 256) sind für die Beurteilung folgende Kriterien ausgearbeitet worden:
117Zeichen einer reifen Persönlichkeit sind danach:
118 Realistische Lebensplanung
119 Eigenständigkeit gegenüber den Eltern
120 Eigenständigkeit gegenüber Gleichaltrigen und Partner
121 Ernsthafte Einstellung gegenüber Arbeit und Schule
122 Äußerer Eindruck
123 Realistische Altersbewältigung
124 Gleichaltrige oder ältere Freunde
125 Bindungsfähigkeit
126 Integration von Eros und Sexus
127 Konsistente berechenbare Stimmungslage
128Demgegenüber sind Zeichen einer unreifen, noch in der Entwicklung stehenden Persönlichkeit:
129 Vorherrschen des Gefühls- und Trieblebens mit Launen und allgemeiner Unausgeglichenheit
130 Ausweichen vor Belastungen
131 Leben in den Tag hinein
132 Labilität
133 Handlungen entspringen der Gelegenheit, nicht der Planung und sind ohne Verbindung zu tieferen Schichten der Persönlichkeit, weshalb den Verlockungen nicht genügend Widerstand entgegen gesetzt werden kann
134Bei Zugrundelegung dieser Kriterien haben sich weder aus dem Eindruck, den die Kammer in der Hauptverhandlung von der Angeklagten gewonnen hat, noch aus den Ermittlungen der Kammer zum Entwicklungsstand der Angeklagten zur Tatzeit durch Inaugenscheinnahme des von der Angeklagten am Tag nach der Tat geführten Interviews mit einem Journalisten des WDR sowie durch Verlesen der von der Angeklagten den Journalisten des NDR am 4.7.2013 und der Zeitschrift Zeit am 7.7.2013 gegebenen Interviews irgendwelche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Angeklagte bei Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit und Berücksichtigung ihres Werdegangs im häuslichen und sozialen Umfeld zur Zeit der Tat nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch einer Jugendlichen gleichstand.
135Die Angeklagte ist in einem behüteten Elternhaus in wirtschaftlich unproblematischen Verhältnissen aufgewachsen. Sie hat die Schule ohne Probleme durchlaufen und trotz eines halbjährigen Auslandsaufenthalts ohne Wiederholung einer Klasse ihr Abitur mit 18 Jahren abgelegt. Irgendwelche Auffälligkeiten in ihrer Entwicklung, die zu einer Reifeverzögerung hätten führen können, sind nicht ersichtlich. Schon im Alter von 18 Jahren hat sie sich nach Erreichen des Schulabschlusses gegen den Willen ihrer Eltern nach Bolivien begeben, um dort Straßenkinder zu betreuen. Ebenfalls gegen den Willen ihrer Eltern hat sie im Anschluss das Studium der Philosophie aufgenommen. Dieser Lebenslauf lässt erkennen, dass sie Angeklagte schon im Alter von 18 Jahren bis heute sowohl eine realistische Lebensplanung und ernsthafte Einstellung zur Arbeit hat als auch gegenüber ihren Eltern eigenständig ist und selbständig denkt und entscheidet. Dass sie zur Tatzeit noch im Haus ihrer Eltern lebte, lässt keinen Schluss auf fehlende Selbstständigkeit oder Entwicklungsverzögerungen zu. Schon aus ihrem längeren Auslandsaufenthalt in Bolivien vor Aufnahme ihres Studiums ist ersichtlich, dass sie zur Tatzeit durchaus selbständig war.
136Der Umstand, dass ihre Eltern sie kurzfristig sowohl nach ihrer Rückkehr aus Bolivien als auch nach Rückkehr aus Tunesien und der Begehung der vorliegenden Tat des
137Hauses verwiesen hatten, und ihr Verhältnis zu ihren Eltern schwierig ist, hat zur Überzeugung der Kammer ebenfalls nicht zu Reifeverzögerungen bei der Angeklagten in einem Umfang, die die Anwendung von Jugendrecht rechtfertigen könnten, geführt. Zum einen sind Differenzen zwischen Eltern und Kindern in einem gewissen Umfang normal und für einen normalen Reifeprozess unabdingbar. Zum anderen erfolgte die mehrfache Verweisung der Angeklagten aus dem Haus der Eltern erst, nachdem diese bereits 18 Jahre alt war und sich schon von ihren Eltern gelöst hatte, wie ihre Entscheidungen für den Auslandsaufenthalt in Bolivien und die Aktion in Tunesien gegen den Willen der Eltern zeigen.
138Allein der nun zweimalige Wechsel des Studienfachs durch die Angeklagte lässt zur Überzeugung der Kammer ebenfalls keine Reifeverzögerung der Angeklagten zur Tatzeit in einem Umfang, der die Anwendung von Jugendrecht rechtfertigen könnte, erkennen. Der nunmehr erneute Wechsel des Studienfachs erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die Angeklagte bereits Erwachsene war. Der Wechsel von dem Studium der Philosophie zum Studium der Zahnmedizin zum Wintersemester 2013/2014 stellt ebenfalls keinen Anhaltspunkt für eine nicht ausgereifte Entwicklung der Angeklagten dar. Er erfolgte nach den Angaben der Angeklagten auf Druck ihrer Eltern, die ihr andernfalls den Entzug jeglicher finanzieller Unterstützung androhten. Das Motiv für den Studienwechsel war von daher durchaus nachvollziehbar und durchdacht, zumal sie nach den belastenden Erfahrungen in Tunesien sich zumindest vorübergehend nach emotionalem Rückhalt durch ihre Eltern sehnte. Hinzu kam, dass sie nach der Inhaftierung in Tunesien nach ihren eigenen Angaben in den von ihr gegebenen Interviews damit rechnete, die Prüfungen in ihrem bisherigen Studienfach nicht bestehen zu können. Der Studienfachwechsel ist daher zur Überzeugung der Kammer kein Hinweis auf eine nicht ernsthafte Einstellung zur Arbeit oder fehlende Lebensplanung. Soweit sich daraus Zweifel an der Eigenständigkeit gegenüber den Eltern ergeben, sind auch diese letztlich nicht durchgreifend. Angesichts der schon zuvor gezeigten Eigenständigkeit gegenüber
139den Eltern handelte es sich insoweit zur Überzeugung der Kammer um eine lediglich vorübergehende Nachgiebigkeit der Angeklagten vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen in Tunesien. Schon die gegen die Wertvorstellungen der Eltern verstoßende hier abzuurteilende Tat belegt, dass sie sich jedenfalls insgesamt zur Tatzeit durchaus von ihren Eltern gelöst hatte.
140Die Anwendung von Jugendrecht ist auch nicht damit zu begründen, dass die Angeklagte als jüngstes Mitglied der Femengruppierung zur Tat von den älteren Mitgliedern verführt wurde. Weder handelte es sich bei der Angeklagten um eine von den älteren Mitgliedern der Femenbewegung verführte Täterin noch handelte sie aus Nachahmungs- oder Herdentrieb. Nach ihren eigenen glaubhaften Angaben wurde die Entscheidung zu der Protestaktion im Dom demokratisch getroffen und hatte sie sich von sich aus hierzu aus Überzeugung bereit erklärt, ohne dass sie hierzu gedrängt oder überredet werden müsste. Zudem war es bis zur Durchführung der Tat ihre eigene Entscheidung, ob sie tatsächlich die Aktion durchführen oder abbrechen wollte. Dass sie tatsächlich insoweit in ihrer Entscheidung frei war und auch reif genug war, eine entsprechende Entscheidung zu treffen, belegt ihre Schilderung einer zuvor geplanten, dann von ihr aber nicht durchgeführten Aktion gegen die Bundeskanzlerin im Wahlkampf. Aus der Schilderung der Angeklagten zum Entscheidungsprozess bezüglich der hier abzuurteilenden Tat haben sich für die Kammer auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Angeklagte ihre Position und Rolle innerhalb der Gruppe falsch beurteilt haben könnte. Vielmehr wirkte ihre Schilderung – auch auf Nachfragen zu Details - überzeugend und realistisch. Insgesamt spricht alles dafür, dass sie die Entscheidung zur Begehung der Tat selbstbestimmt und unabhängig aus Überzeugung getroffen hat, durchaus unter Einkalkulierung der sich daraus für sie ergebenden Konsequenzen.
141Das Verhalten der Angeklagten weist auch nicht insofern jugendtümliche Züge auf,
142als sie in ihren Aktivitäten im Zusammenhang mit Femen einen Hang zu
143abenteuerlichem Handeln oder Sich Hineinleben in selbsterhöhende Rollen sowie Drang zur Selbstdarstellung auslebt oder bloß aus Schwärmerei, Abenteuerlust oder Romantik so agiert.
144Die Angeklagte hat selbst angegeben, nicht aus Abenteuerlust gehandelt zu haben, sondern mit dem Willen, hierdurch politischen Protest auszuüben, um durch derartige Perfomances politische Diskussionen anzustoßen.
145Zur Überzeugung der Kammer handelt es sich bei ihrem Hang zur Selbstdarstellung um der Persönlichkeit der Angeklagten immanente Persönlichkeitsmerkmale, eine Persönlichkeitsakzentuierung, die nicht Zeichen einer noch unreifen in der Entwicklung stehenden Persönlichkeit ist, sondern altersunabhängig bei der Angeklagten besteht, die sich in der Rolle der radikalen Provokateurin gefällt. Auch in der Hauptverhandlung vor der Kammer genoss die inzwischen 21 Jahre alte und damit unzweifelhaft nach dem Gesetz als Erwachsene geltende Angeklagte offensichtlich die ihr von der anwesenden Presse und den Fotografen zukommende Aufmerksamkeit. Sie äußerte sich trotz der mitschreibenden Journalisten unbefangen und ausführlich. Auch ihr als Jugendliche geäußerter Wunsch, Schauspielerin werden zu wollen, wie ihre gegenwärtig geäußerte Absicht, sich im Film und Theatergeschäft weiterbilden zu wollen, lassen erkennen, dass ihre Neigung, sich in der Öffentlichkeit in Aufsehen erregender Weise darzustellen, kein bloß vorübergehender Entwicklungszustand, sondern Teil ihrer Persönlichkeit ist.
146Die Angeklagte ist bereits seit Anfang 2013 mit verschiedenen ähnlich gelagerten Aktionen aktiv geworden, deswegen sogar in Tunesien verhaftet worden. Unabhängig davon, wie die Ziele und die Art der Durchsetzung dieser Ziele bewertet werden, agiert die Angeklagte insoweit nicht etwa spontan und unüberlegt, sondern überlegt und geplant. Dies ergibt sich z.B. aus ihren Angaben in den von ihr nach ihrer Haftentlassung in Tunesien geführten Interviews. Die Aktionen fallen auch nicht aus Abenteuerlust oder Selbsterhöhungstrieb derart provokant aus, sondern um die
147erwünschte Aufmerksamkeit zu erzielen, die nach der durchaus durchdachten
148Einschätzung der Angeklagte bei weniger provokanten Aktionen nicht erreicht werden könnte. Auch die vorliegende Tat wurde durch die Angeklagte und die hinter ihr stehende Gruppierung Femen schon zumindest zwei Tage vorher geplant, wie die Vorabinformation der Presse und der bereits am 23.12.2013 erfolgte anonyme Hinweis belegen. Die Angeklagte hat die Tat u.a. durch ihre Anreise am 24.12.2013, das Bemalen ihres Körpers, die Wahl der Kleidung und das Aufsuchen des Doms bereits eineinhalb Stunden vor der Messe gewissenhaft vorbereitet. Sie hat nach ihren glaubhaften Angaben ihre Tat detailliert geplant und entsprechend diesem Plan ausgeführt. So hat sie nach ihren glaubhaften Angaben bewusst eine Pause im Gottesdienst für ihre Aktion ausgewählt, die Stiefel vor der Erstürmung des Altars ausgezogen, um diesen nicht zu beschädigen, und die Pose auf dem Altar bewusst gewählt in Anspielung auf das Bild von Jesus am Kreuz. Sie hat bewusst den Gottesdienst am Weihnachtstag im Kölner Dom gewählt, an dem Joachim Kardinal Meisner den Gottesdienst hielt und zugleich seinen 80. Geburtstag feierte, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu erreichen. Sie hat bewusst einen christlichen Gottesdienst gewählt, weil sie selbst christlich sozialisiert worden ist und sie für sich entschieden hatte, nur an Aktionen gegen christliche Glaubensrichtungen teilzunehmen, weil sie nur insoweit über ausreichendes Wissen verfügt. All diese Umstände belegen, dass es sich um eine ausgesprochen durchdachte, geplante Aktion gehandelt hat, die keinerlei Züge jugendlicher Unreife erkennen lässt.
149Auch aus dem in Augenschein genommenen Interview der Angeklagten mit einem Reporter des WDR am Tag nach der Tat haben sich keinerlei Hinweise auf Reifeverzögerungen oder jugendtümliches Verhalten der Angeklagten ergeben. Sie beantwortete die Fragen des Reporters ruhig und überlegt, legte ihre Kritik an Joachim Kardinal Meisner dar, räumte ein, auch Momente des Zweifels und der Angst zu haben, die Aktionen aber dennoch durchzuführen, da sich ansonsten nichts
150verändern würde. Insgesamt machte sie einen sehr erwachsenen eloquenten Eindruck.
151Gleiches gilt für die verlesenen Interviews der Angeklagten nach ihrer Inhaftierung in Tunesien. Hieraus ergibt sich, dass die Angeklagte sich durchaus Gedanken über die Risiken ihrer Aktion in Tunesien gemacht und diese bewusst in Kauf genommen hatte, auch wenn sie mit anderen – wenn auch nicht weniger gefährlichen – Risiken wie einer Entführung von Islamisten gerechnet hatte. Trotz des sicherlich traumatischen Hafterlebnisses konnte sie nicht nur ihre Aktion verteidigen, sondern kündigte für die Zukunft weitere Beteiligung an Nackt-Protestaktionen der Femen an – unabhängig von der Meinung ihrer Eltern zu ihren Aktionen. Dabei legte sie eloquent und überlegt dar, dass nach ihrer Auffassung nur Protest in dieser Form geeignet ist, sich das nötige Gehör zu verschaffen, um Debatten anzustoßen. Ihre Angabe, sie habe in der Berufungsverhandlung in Tunesien nur deshalb ein wenig Reue gezeigt, um aus der Haft frei zu kommen, belegt ebenso wie ihr Hinweis darauf, dass der Protest in Tunesien ihre eigene freie Entscheidung war und sie bereits lange politisch aktiv und Feministin sei, dass sie bereits zu diesem Zeitpunkt nicht aus bloßer Abenteuerlust, sondern aus eigener politischer Überzeugung gehandelt hat.
152Aus den Interviews hat die Kammer insgesamt den Eindruck gewonnen, dass die Angeklagte bereits zu diesem Zeitpunkt eine ausgereifte, gefestigte Persönlichkeit war. Dass aufgrund der Haft Reifeverzögerungen eingetreten sein könnten, die die Anwendung von Jugendrecht rechtfertigen könnten, ist zur Überzeugung der Kammer ausgeschlossen.
153Der Anwendung des allgemeinen Strafrechts steht auch nicht entgegen, dass – wie von der Verteidigerin aufgeführt - auch bei der Angeklagten wie bei allen jungen Erwachsenen noch Entwicklungskräfte wirken. Denn der Gesetzgeber hat mit der Altersgrenze von 21 Jahren unabhängig von dieser sicherlich zutreffenden Tatsache eine Grenze für die Anwendung von Jugendrecht gesetzt. Bei Heranwachsenden
154findet danach gemäß § 105 JGG Jugendrecht nur dann Anwendung, wenn es sich um einen ungefestigten, in der Entwicklung stehenden, auch noch prägbaren
155Menschen handelt, in dem Entwicklungskräfte noch in größerem Umfang wirksam sind. Dies ist zur Überzeugung der Kammer bei der Angeklagten schon zur Tatzeit nicht mehr der Fall gewesen.
156Auch die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG liegen nicht vor. Zur Überzeugung der Kammer handelt es sich bei der vorliegend abzuurteilenden Tat nach Art und Umständen sowie Beweggründen nicht um eine Jugendverfehlung, die einen Rückfall in jugendtümliches Verhalten erkennen lässt.
157Eine Jugendverfehlung im Sinne von § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG liegt dann vor, wenn entweder Art und Umstände der Tat eine jugendtümliche Verhaltensweise zeigen oder die Beweggründe bzw. die Veranlassung der Tat solche Merkmale erkennen lassen, die als charakteristisch für die jugendliche Entwicklungsphase verstanden werden (vgl etwa BayObLG StVert 81, 527: Mangel an Ausgeglichenheit, Besonnenheit und Hemmungsvermögen). Darüber hinaus zählen dazu „aus den Antriebskräften der Entwicklung entspringende Entgleisungen“ (BGH St 8, 90) bzw. Motive, auch wenn das äußere Erscheinungsbild der Tat der Begehungsweise durch Erwachsene entspricht (BGH NStZ 01, 102; betr. Spontanverhalten OLG Zweibrücken v 8. 3. 93 NStZ 93, 530; Hamm StV 01, 182). Soweit sich die Jugendverfehlung nicht aus Art und Umständen der Tat ergibt, bedarf es einer individuellen Erforschung der Reife der angeklagten Person. Dabei geht es jedoch nicht um eine Gesamtwürdigung der Persönlichkeit, sondern um die Bedeutung des Entwicklungsverlaufs des konkreten Heranwachsenden für die Tat. Maßgeblich für die Anwendung von Jugendstrafrecht ist, dass die einzelne Tat und ihre Motivation Züge jugendlicher Unreife trägt, auf jugendlichen Leichtsinn, Unüberlegtheit oder soziale Unreife zurückzuführen ist. Ist dies der Fall, so schließt überlegtes, zweckgerichtetes Handeln den jugendtypischen Charakter einer Tat nicht
158grundsätzlich aus (BGH StV 83, 377). Stets kommt es auf Gestaltung und
159Entstehungszusammenhänge der konkreten Tat an, wobei dem Tatrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum eingeräumt ist (BGH NStZ 86, 549; BGH NStZ-RR 99, 27).
160Nach diesen Grundsätzen ist nicht von einer Jugendverfehlung auszugehen.
161Die vorliegende Tat wurde durch die Angeklagte und die hinter ihr stehende Gruppierung Femen geplant, wie die Vorabinformation der Presse und der bereits am 23.12.2013 erfolgte anonyme Hinweis belegen. Das äußere Tatbild trägt eben so wenig jugendtümliche Züge wie die Motivation und Veranlassung der Tat. Denn die Angeklagte ist bereits seit Anfang 2013 mit verschiedenen ähnlich gelagerten Aktionen aktiv geworden, deswegen sogar in Tunesien verhaftet worden. Unabhängig davon, wie die Ziele und die Art der Durchsetzung dieser Ziele bewertet werden, agiert die Angeklagte insoweit nicht etwa spontan und unüberlegt, sondern überlegt und geplant. Dies ergibt sich z.B. aus ihren Angaben in den von ihr nach ihrer Haftentlassung in Tunesien geführten Interviews. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Angeklagte durch andere Femenaktivistinnen zu der Tat hat überreden lassen; vielmehr spricht unter Zugrundelegung ihrer eigenen glaubhaften Einlassung dazu alles dafür, dass sie die Entscheidung zur Begehung der Tat selbstbestimmt und unabhängig aus Überzeugung getroffen hat, durchaus unter Einkalkulierung der sich daraus für sie ergebenden Konsequenzen.
162Trotz der Aktivitäten der Angeklagten im Zusammenhang mit Femen ist – wie bereits oben ausgeführt - aus Sicht der Kammer das Verhalten der Angeklagten nicht als Hang zu abenteuerlichem Handeln oder Sich Hineinleben in selbsterhöhende Rollen oder überhöhtem Drang zu Selbstdarstellung – allesamt jugendtypische Verhaltensweisen - zu sehen; vielmehr handelt es sich um durchdachte, überlegte und geplante Aktionen, die nicht aus Abenteuerlust oder Selbsterhöhungstrieb derart provokant ausfallen, sondern um die erwünschte Aufmerksamkeit zu erzielen, die nach der durchaus durchdachten Einschätzung der Angeklagten bei weniger provokanten Aktionen nicht hätte erreicht werden können.
163Das Handeln der Angeklagten beruhte auch nicht auf jugendlichem Leichtsinn oder
164sozialer Unreife. Im Gegenteil beruhte die Tat auf dem bereits zur Tatzeit seit längerem bestehenden, wohl durchdachten politischen Engagement der Angeklagten, unabhängig davon wie die Art der Durchsetzung ihrer Ziele bewertet wird. Die Angeklagte hatte sich dabei sowohl hinsichtlich der vorliegend abzuurteilenden Tat als auch in der Vergangenheit Gedanken über die Folgen ihrer Aktionen gemacht, auch wenn sie diese falsch einschätzte, also durchaus nicht blauäugig gehandelt.
165Dass für die Begehung einer solchen Tat – wie von der Verteidigung vorgebracht – ein geraumes Maß an Naivität und Mut erforderlich ist und ein Erwachsener in dieser Form nicht handeln würde, ist zur Überzeugung der Kammer unzutreffend. So handelt es sich bei den übrigen Aktivistinnen der Femen um erwachsene Frauen, die mehrfach derartige Aktionen in Deutschland und anderen Ländern durchgeführt haben. Naivität ist zudem gerade bei der Angeklagten angesichts ihres durchdachten Handelns – wie es sich schon hinsichtlich ihrer früheren Aktionen aus ihren Interviews und bezüglich der Tat aus ihren Erklärungen am Tag danach ergibt – in keiner Weise festzustellen.
166Dem Hilfsbeweisantrag der Angeklagten auf Einholung eines gerichtlichen Gutachtens eines klinischen Jugendpsychologen zum Beweis der Tatsachen, dass die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit der Angeklagten bei Berücksichtigung auch ihrer Umweltbedingungen ergibt, dass sie zur Zeit der Tat nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch einer Jugendlichen gleichstand, hilfsweise dass es sich nach der Art, den Umständen und den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt, war gemäß § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht nachzugehen, da die Kammer selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt.
167Die darin enthaltenen Tatsachenbehauptungen haben im Sinne der vorstehend aufgeführten Feststellungen in der Hauptverhandlung in vollem Umfang ihre Bestätigung gefunden.
168Die Vorsitzende ist seit 2004 als Vorsitzende der 1. Kleinen Jugendkammer des
169Landgerichts Köln tätig. Auch die Schöffen in Jugendsachen sind generell gemäß § 35 Abs. 2 JGG erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren.
170Bei der Reifeentscheidung nach § 105 JGG bedarf es nach ständiger Rechtsprechung der Anhörung eines Sachverständigen nur dann, wenn Anlass zu Zweifeln über eine normale Reifeentwicklung des betreffenden Heranwachsenden besteht, insbesondere wegen Auffälligkeiten in seiner sittlichen und geistigen Entwicklung (BGH, NStZ 1984, 467 – 468). Solche Zweifel bestehen hier aus den zuvor ausgeführten Gründen nicht. Dem steht nicht entgegen, dass der Vertreter der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung vor der Kammer die Auffassung vertreten hat, dass Zweifel an der altersgemäßen Entwicklung der Angeklagten zur Tatzeit verbleiben. Denn die dafür vorgebrachten Argumente sind für die Begründung von Zweifeln an einer normalen Reifeentwicklung der Angeklagten zur Überzeugung der sachkundigen Kammer – in Übereinstimmung mit der Auffassung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft – nicht geeignet; eben so wenig sind sie geeignet, das Vorliegen einer Jugendverfehlung – auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes in dubio pro reo – zu begründen. Insoweit ist zum einen zu berücksichtigen, dass der in der Hauptverhandlung anwesende Vertreter der JGH selbst keine Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt der Angeklagten gemäß § 38 JGG vorgenommen hat, sondern sich insoweit lediglich auf den schriftlichen Bericht des zuständigen Mitarbeiters des Fachamtes Straffälligen- und Gerichtshilfe der Stadt Hamburg nach dessen Gespräch mit der Angeklagten am 17.6.2014 bezogen hat. In diesem ist zwar ausgeführt, dass trotz fehlender belastender Einflüsse im Zuge von Erziehung und Heranwachsen sich aus den näheren Umständen der Tat Hinweise ergeben würden, die eher für eine jugendtypische Verfehlung sprechen und die das Einwirken von größeren Entwicklungskräften nahelegen. Aufgeführt sind in diesem Bericht dabei insbesondere der überhöhte Drang zur Selbstdarstellung, der Hang zur Einnahme selbstwerterhöhender Rollen und zu abenteuerlichem Handeln, die auf eine eher
171nicht abgeschlossene Entwicklung schließen lassen würden. Der Bericht hat es deswegen den Erkenntnissen der Hauptverhandlung vorbehalten, ob letzte Reifeverzögerungen mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden können. Aus den oben aufgeführten Gründen sind jedoch zur Überzeugung der Kammer die in diesem Bericht für die Anwendung von Jugendrecht aufgeführten Kriterien kein Hinweis auf eine noch nicht abgeschlossene Entwicklung, sondern allgemeine Charakterzüge der Angeklagten und ihrer Persönlichkeit altersunabhängig immanent. Die vom Vertreter der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung vor der Kammer angeführten Gründe - die erst jetzt bekannt gewordene konfliktbehaftete Beziehung der Angeklagten zu ihren Eltern und der Umstand, dass diese sie sowohl nach ihrem Aufenthalt in Bolivien als auch ihrer Haft in Tunesien und nach der vorliegenden Tat des Hauses verwiesen haben - greifen zur Überzeugung der Kammer ebenfalls nicht. Zwar ist zutreffend, dass es in die Entwicklung junger Menschen einschneidet, wenn Eltern nicht verfügbar sind. Die hier aufgeführten Ereignisse fanden aber erst statt, nachdem die Angeklagte nach einer überwiegend konfliktfreien und behüteten Jugend bereits Heranwachsende war und durch eigenständige Entscheidungen gegen den Willen ihrer Eltern ihre Selbständigkeit und Reife dokumentiert hatte. Auf diesen Umstand angesprochen, blieb der Vertreter der Jugendgerichtshilfe die Antwort schuldig.
172Die Tat der Angeklagten ist danach nach allgemeinem Strafrecht zu ahnden.
173Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:
174Auszugehen war von dem sich aus § 167 StGB ergebenden Strafrahmen, der Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe androht.
175Eine Milderung des Strafrahmens gemäß §§ 17 S.2, 49 StGB ist nicht vorzunehmen. Dies folgt schon daraus, dass die Kammer bereits das Vorliegen eines Verbotsirrtums verneint hat. Selbst wenn ein solcher anzunehmen wäre, wäre jedoch
176zur Überzeugung der Kammer eine Milderung der Strafe nicht vorzunehmen, da sich der Angeklagten hier aufdrängen musste, dass sie sich über die Strafbarkeit ihres Handeln vorab zu informieren hatte, und der Verbotsirrtum durch nur geringfügige Anstrengungen der Angeklagten vermeidbar gewesen wäre.
177Bei der Bemessung der Strafe innerhalb des danach gegebenen Strafrahmens hat die Kammer strafmildernd das jedenfalls zum äußeren Tathergang umfassende Geständnis der Angeklagten berücksichtigt sowie ihr Bedauern darüber, unterschätzt zu haben, wie sehr sich die Gottesdienstbesucher durch ihre Tat verletzt gefühlt haben.
178Zugute zu halten war der Angeklagten darüber hinaus, dass sie bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist.
179Für die Angeklagte sprach auch, dass sie die Tat aus Überzeugung und nicht aus finanziellen Motiven beging, da die höchstwahrscheinlich für die Filmrechte geflossenen finanziellen Mittel jedenfalls nicht ihr zu Gute gekommen sind.
180Strafmildernd hat sich zudem ausgewirkt, dass die Angeklagte noch jung ist und durch den Schlag eines Gottesdienstbesuchers und das unsanfte Herausbringen aus dem Dom Schmerzen und Verletzungen in Form von Schürfwunden und Hämatomen an den Füßen und Rücken erlitt.
181Strafmildernd hat die Kammer schließlich berücksichtigt, dass die Tat jetzt schon fast 1 ½ Jahre zurück liegt und die Angeklagte durch die von ihr unverschuldete lange Verfahrensdauer nicht ausschließbar zusätzlichen Belastungen ausgesetzt war.
182Demgegenüber war strafschärfend zu berücksichtigen, dass die Angeklagte sich für ihre Protestaktion den Weihnachtsgottesdienst im Kölner Dom am 1. Weihnachtsfeiertag und damit einem besonders hohen christlichen Feiertag in einem besonderen Kirchengebäude ausgewählt hat. Auch wenn Grund hierfür der Umstand war, dass sich ihr Protest gegen Joachim Kardinal Meisner richtete und dieser
183gerade diesen Gottesdienst leitete, zudem an diesem Tag seinen 80. Geburtstag feierte, muss sich die Tatsache, dass aufgrund ihrer Wahl eine besondere Vielzahl von Gottesdienstbesuchern durch die Tat zumindest kurzfristig beeinträchtigt worden ist, auch wenn der Gottesdienst nach kurzer Unterbrechung normal fortgesetzt werden konnte, strafschärfend auswirken. Zudem ist angesichts der präzisen Planung und Vorbereitung der Tat einschließlich der der Angeklagten bekannten Vorabinformation der Presse die von der Angeklagten aufgewandte kriminelle Energie als nicht unerheblich einzuschätzen.
184Bei Abwägung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände hielt die Kammer die Verhängung einer Geldstrafe von
18560 Tagessätzen zu je 10,- Euro
186gegen die Angeklagte zur Ahndung der Tat für unbedingt geboten, Schuld angemessen, aber auch ausreichend, um das von ihr gesetzte Unrecht zu sühnen, sie in Zukunft von derartigen Taten abzuhalten und ihr eindringlich vor Augen zu führen, dass sie sich in Zukunft straffrei zu führen hat.
187Die Höhe des Tagessatzes war dabei gemäß § 40 StGB mit 10,- € zu bemessen.
188Die Ermäßigung der Tagessatzhöhe ergibt sich aus der eingetretenen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten.
189Dass sie in Zukunft weiterhin Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bekommen und eine Arbeitsstelle finden wird, ist derzeit ungewiss. Die Kammer ist daher davon ausgegangen, dass die Angeklagte zumindest öffentliche Leistungen in Form des Arbeitslosengeldes II in
190Höhe des derzeit geltenden Basisregelsatzes von 399,- € erhalten wird.
191VII.
192Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 StPO.

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(1) Wer
- 1.
den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder - 2.
an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt,
(2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Wer
- 1.
den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder - 2.
an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt,
(2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.
Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Wer
- 1.
den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder - 2.
an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt,
(2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
(1) Wer
- 1.
den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder - 2.
an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt,
(2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Wer
- 1.
den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder - 2.
an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt,
(2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.
Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
(1) Wer
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den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder - 2.
an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt,
(2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Wer
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den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder - 2.
an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt,
(2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.
(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist.
(2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.
(3) Ist zweifelhaft, ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, sind die für Jugendliche geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden.
(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn
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die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder - 2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.
(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.
(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
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eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
(1) Die Schöffen der Jugendgerichte (Jugendschöffen) werden auf Vorschlag des Jugendhilfeausschusses für die Dauer von fünf Geschäftsjahren von dem in § 40 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorgesehenen Ausschuß gewählt. Dieser soll eine gleiche Anzahl von Männern und Frauen wählen.
(2) Der Jugendhilfeausschuß soll ebensoviele Männer wie Frauen und muss mindestens die doppelte Anzahl von Personen vorschlagen, die als Jugendschöffen und Jugendersatzschöffen benötigt werden. Die Vorgeschlagenen sollen erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein.
(3) Die Vorschlagsliste des Jugendhilfeausschusses gilt als Vorschlagsliste im Sinne des § 36 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Für die Aufnahme in die Liste ist die Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder, mindestens jedoch der Hälfte aller stimmberechtigten Mitglieder des Jugendhilfeausschusses erforderlich. Die Vorschlagsliste ist im Jugendamt eine Woche lang zu jedermanns Einsicht aufzulegen. Der Zeitpunkt der Auflegung ist vorher öffentlich bekanntzumachen.
(4) Bei der Entscheidung über Einsprüche gegen die Vorschlagsliste des Jugendhilfeausschusses und bei der Wahl der Jugendschöffen und Jugendersatzschöffen führt der Jugendrichter den Vorsitz in dem Schöffenwahlausschuß.
(5) Die Jugendschöffen werden in besondere für Männer und Frauen getrennt zu führende Schöffenlisten aufgenommen.
(6) Die Wahl der Jugendschöffen erfolgt gleichzeitig mit der Wahl der Schöffen für die Schöffengerichte und die Strafkammern.
(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn
- 1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder - 2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.
(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.
(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.
(1) Die Jugendgerichtshilfe wird von den Jugendämtern im Zusammenwirken mit den Vereinigungen für Jugendhilfe ausgeübt.
(2) Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe bringen die erzieherischen, sozialen und sonstigen im Hinblick auf die Ziele und Aufgaben der Jugendhilfe bedeutsamen Gesichtspunkte im Verfahren vor den Jugendgerichten zur Geltung. Sie unterstützen zu diesem Zweck die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und des familiären, sozialen und wirtschaftlichen Hintergrundes des Jugendlichen und äußern sich zu einer möglichen besonderen Schutzbedürftigkeit sowie zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind.
(3) Sobald es im Verfahren von Bedeutung ist, soll über das Ergebnis der Nachforschungen nach Absatz 2 möglichst zeitnah Auskunft gegeben werden. In Haftsachen berichten die Vertreter der Jugendgerichtshilfe beschleunigt über das Ergebnis ihrer Nachforschungen. Bei einer wesentlichen Änderung der nach Absatz 2 bedeutsamen Umstände führen sie nötigenfalls ergänzende Nachforschungen durch und berichten der Jugendstaatsanwaltschaft und nach Erhebung der Anklage auch dem Jugendgericht darüber.
(4) Ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe nimmt an der Hauptverhandlung teil, soweit darauf nicht nach Absatz 7 verzichtet wird. Entsandt werden soll die Person, die die Nachforschungen angestellt hat. Erscheint trotz rechtzeitiger Mitteilung nach § 50 Absatz 3 Satz 1 kein Vertreter der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung und ist kein Verzicht nach Absatz 7 erklärt worden, so kann dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe auferlegt werden, die dadurch verursachten Kosten zu ersetzen; § 51 Absatz 2 der Strafprozessordnung gilt entsprechend.
(5) Soweit nicht ein Bewährungshelfer dazu berufen ist, wacht die Jugendgerichtshilfe darüber, dass der Jugendliche Weisungen und Auflagen nachkommt. Erhebliche Zuwiderhandlungen teilt sie dem Jugendgericht mit. Im Fall der Unterstellung nach § 10 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 übt sie die Betreuung und Aufsicht aus, wenn das Jugendgericht nicht eine andere Person damit betraut. Während der Bewährungszeit arbeitet sie eng mit dem Bewährungshelfer zusammen. Während des Vollzugs bleibt sie mit dem Jugendlichen in Verbindung und nimmt sich seiner Wiedereingliederung in die Gemeinschaft an.
(6) Im gesamten Verfahren gegen einen Jugendlichen ist die Jugendgerichtshilfe heranzuziehen. Dies soll so früh wie möglich geschehen. Vor der Erteilung von Weisungen (§ 10) sind die Vertreter der Jugendgerichtshilfe stets zu hören; kommt eine Betreuungsweisung in Betracht, sollen sie sich auch dazu äußern, wer als Betreuungshelfer bestellt werden soll.
(7) Das Jugendgericht und im Vorverfahren die Jugendstaatsanwaltschaft können auf die Erfüllung der Anforderungen des Absatzes 3 und auf Antrag der Jugendgerichtshilfe auf die Erfüllung der Anforderungen des Absatzes 4 Satz 1 verzichten, soweit dies auf Grund der Umstände des Falles gerechtfertigt und mit dem Wohl des Jugendlichen vereinbar ist. Der Verzicht ist der Jugendgerichtshilfe und den weiteren am Verfahren Beteiligten möglichst frühzeitig mitzuteilen. Im Vorverfahren kommt ein Verzicht insbesondere in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass das Verfahren ohne Erhebung der öffentlichen Klage abgeschlossen wird. Der Verzicht auf die Anwesenheit eines Vertreters der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung kann sich auf Teile der Hauptverhandlung beschränken. Er kann auch während der Hauptverhandlung erklärt werden und bedarf in diesem Fall keines Antrags.
(1) Wer
- 1.
den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder - 2.
an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt,
(2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.
Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
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An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze.
(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.
(3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes können geschätzt werden.
(4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
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auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.