Landgericht Köln Urteil, 11. Feb. 2015 - 118 KLs 9/13
Tenor
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.
1
G r ü n d e:
2A.
3I.
4Die Staatsanwaltschaft Köln hat dem Angeklagten, einem niedergelassenen Arzt, mit Anklageschrift vom 14.01.2013 zur Last gelegt, in der Zeit vom 05.04.2005 bis zum 12.07.2011 in Köln in 1.033 Fällen Privatpatienten bei der Abrechnung von Laborleistungen betrogen zu haben.
5Im Anklagesatz heißt es:
6„Im oben genannten Tatzeitraum betrieb der Angeschuldigte als Arzt auf der H-Straße in Köln eine Arztpraxis und ließ die für seine Privatpatienten zu erbringenden Speziallaborleistungen aus den Bereichen M III und M IV der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) durch die Laborgemeinschaft "Ärztliche Gemeinschaft für Diagnostik L1" durchführen, deren Mitglied er war und die ihm im Tatzeitraum hierfür - sowie für weitere Laborleistungen - einen Gesamtbetrag in Höhe von 31.134,78 € in Rechnung stellte, wobei sich dieser Betrag nach den bei der Erbringung der Laborleistung tatsächlich anfallenden Kosten bemaß.
7Gegenüber seinen Patienten stellte der Angeschuldigte die von der "Ärztlichen Gemeinschaft für Diagnostik L1" erbrachten Speziallaborleistungen aus den Bereichen M III und M IV in einem Gesamtvolumen in Höhe von 42.002,16 € unzulässiger Weise nach § 4 Abs. 2 GOÄ als selbst erbrachte Leistungen in Rechnung, wobei der in der GOÄ normierte und von ihm berechnete Gebührensatz erheblich über den von der Laborgemeinschaft in Rechnung gestellten Kosten lag.
8Hierbei spiegelte er seinen Patienten wahrheitswidrig vor, zur Abrechnung in dem in Rechnung gestellten Umfang berechtigt gewesen zu sein, obwohl eine persönliche Leistungserbringung nach § 4 Abs. 2 GOÄ durch ihn oder unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung tatsächlich nicht erfolgte, wobei er zumindest billigend in Kauf nahm, zur Abrechnung der Laborleistungen nicht berechtigt gewesen zu sein.
9Daraufhin überwiesen seine Privatpatienten bzw. deren Krankenversicherungen, die von einer ordnungsgemäßen Rechnungserstellung ausgingen, die in Rechung gestellten Geldbeträge.
10Der Angeschuldigte handelte jeweils in der Absicht, sich aus wiederholten Betrugsstraftaten eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von erheblichem Umfang zu verschaffen und eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen.“
11Es folgt eine tabellarische Auflistung der angeklagten Taten.
12II.
13Mit Beschluss vom 23.09.2014 hat die Kammer das Verfahren in den Fällen 16, 24, 27, 53, 54, 97, 101, 119, 120, 128, 131, 136, 145, 166, 173, 181, 189, 204, 211, 221, 226, 228, 233, 283, 291, 305, 311, 315, 330, 332, 351, 352, 358, 368, 381, 398, 410, 414, 424, 441, 447, 449, 498, 501, 513, 559, 577, 612, 618, 637, 640, 644, 648, 668, 670, 680, 692, 700, 710, 725, 734, 740, 743, 746, 747, 779, 788, 794, 797, 809, 820, 828, 837, 852, 857, 865, 879, 880, 902, 907, 908, 925, 935, 941, 944, 947, 955, 956, 966, 970, 982 und 990 vorläufig gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Mit Beschluss vom 18.11.2014 hat die Kammer das Verfahren in den Fällen 111, 125 und 484 vorläufig gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und die Anklage im Übrigen zur Hauptverhandlung zugelassen.
14B.
15I.
16Zur Person des Angeklagten hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:
17Der Angeklagte Dr. Y wurde am 27.11.1949 in Köln geboren. Er ist verheiratet und hat einen 32-jährigen Sohn sowie zwei Enkelkinder.
18Der Angeklagte ist seit etwa 40 Jahren als Arzt tätig. Er absolvierte seine Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin im Krankenhaus und bei der Bundeswehr. Seit 1983 ist der Angeklagte als niedergelassener Arzt mit hausärztlicher Praxis in der H-Straße in Köln tätig.
19Der Angeklagte lebt in geordneten finanziellen Verhältnissen.
20Der Bundeszentralregisterauszug des Angeklagten weist keine Eintragungen auf.
21II.
22Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung hat sich der Anklagevorwurf nicht bestätigt. Der Angeklagte war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
23In der Sache hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:
241. Der Angeklagte erbringt die im Rahmen seiner hausärztlichen Praxis anfallenden Laboruntersuchungen zum Teil selbst in seinem eigenen Labor in den Praxisräumlichkeiten; hier werden u.a. Urinuntersuchungen gemäß der Abrechnungsziffern 3760 und 4605 des Gebührenverzeichnisses für Ärztliche Leistungen der GOÄ durchgeführt. Andere Laborleistungen werden außerhalb der Praxisräume in einer Laborgemeinschaft erbracht, bei der der Angeklagte Gesellschafter ist. Die in der Praxis und der Laborgemeinschaft erbrachten Untersuchungen rechnet der Angeklagte als eigene Leistungen ab. Die übrigen anfallenden Laboruntersuchungen werden durch Laborfachärzte auf deren Rechnung erbracht. Gegenstand des Anklagevorwurfs sind nur bestimmte in der Laborgemeinschaft erbrachte Laborleistungen des Angeklagten.
25Der Angeklagte war zunächst ab Mitte der 1980er-Jahre Mitglied einer kleineren Laborgemeinschaft in A1, die sich nach einigen Jahren auflöste, da sie mit dem technischen Fortschritt nicht mithalten konnte. Er wurde sodann Gesellschafter der Ärztlichen Gemeinschaft für Diagnostik L1, einer Laborgemeinschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ihren Sitz zunächst in der L-Straße in A hatte. Im Februar 2006 verlegte die Laborgemeinschaft ihren Sitz in die benachbarte J-Straße in A. Im Jahr 2008 wurde der Angeklagte Gesellschafter der neu gegründeten Privatärztlichen Gemeinschaft für Diagnostik L1, die ebenfalls in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben wurde und den Geschäftsbetrieb der Laborgemeinschaft in denselben Räumlichkeiten übernahm (im Folgenden werden die beiden letztgenannten Laborgemeinschaften des Angeklagten einheitlich als Ärztliche Gemeinschaft bezeichnet).
262. Die Ärztliche Gemeinschaft hatte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum durchgehend ca. 800 Mitglieder, ausschließlich niedergelassene Ärzte, bei wechselndem Bestand durch Ein- und Austritte. Geschäftsführer der Ärztlichen Gemeinschaft waren in dieser Zeit die gesondert Verfolgten Dr. S, Dr. I und Dr. C. Die gesondert Verfolgte Dr. C betrieb in den Räumlichkeiten der Laborgemeinschaft zugleich ihr Facharztlabor. Bei der Ärztlichen Gemeinschaft waren und sind eine Vielzahl von Mitarbeitern beschäftigt, sowohl in der Verwaltung (u.a. Rechnungswesen, Telefonzentrale) als auch im Labor. Die Räumlichkeiten der Laborgemeinschaft befanden sich in der L-Straße auf einer Etage, wobei Labor und Probenannahme sich in getrennten Räumen befanden. Seit dem Umzug in die J-Straße erstrecken sich die Räumlichkeiten über zwei Etagen in einem Geschäfts- und Bürogebäude. Im ersten Obergeschoss befindet sich der Eingangsbereich mit der Telefonzentrale. Die eigentlichen Laborräumlichkeiten sowie die Verwaltung befinden sich im Stockwerk darüber, wobei hier die Probenannahme in dem gleichen Raum erfolgt, in dem sich auch die Zentrifugen und Untersuchungsgeräte befinden.
27Die Ärztliche Gemeinschaft bietet ihren Gesellschaftern die Möglichkeit, in ihrem Labor in begrenztem Umfang Laborleistungen gemäß des Abschnitts M. III. des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen der GOÄ (im Folgenden: M-III-Untersuchungen) zu erbringen. Es handelt sich dabei ausschließlich um Blutuntersuchungen, die voll automatisiert und computergesteuert in Untersuchungsgeräten ablaufen (sog. Black-Box-Verfahren). Leistungen aus dem Abschnitt M. IV. des Gebührenverzeichnisses der GOÄ bietet die Ärztliche Gemeinschaft nicht an. Die in der Ärztlichen Gemeinschaft erbrachten M-III-Leistungen rechnen die als Gesellschafter beteiligten Ärzte unmittelbar als eigene Leistungen gegenüber ihren Patienten ab. Die Ärztliche Gemeinschaft stellt den Ärzten lediglich die Kosten der Untersuchung in Rechnung, die bei M-III-Leistungen ca. 20-25 % des nach der GOÄ abrechenbaren Betrages ausmachen.
28Im Rahmen der vierten Änderungsverordnung zur GOÄ, die zum 01.01.1996 in Kraft getreten ist, änderte der Verordnungsgeber die Voraussetzungen für die Abrechenbarkeit von Laborleistungen gemäß § 4 Abs. 2 GOÄ und strukturierte den Bereich „M. Laboratoriumsuntersuchungen“ des Gebührenverzeichnisses neu. Die Laborleistungen wurden in die Bereiche „Praxislabor“ (M. I., Ziffern 3500 bis 3532), „Basislabor“ (M. II., Ziffern 3541 bis 3621) und „Speziallabor“ (M. III., Ziffern 3630 bis 4469, und M. IV., Ziffern 4500 bis 4787) unterteilt.
29In der seit dem 01.01.1996 gültigen Fassung lautet § 4 Abs. 2 GOÄ wie folgt:
30„Der Arzt kann Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). Als eigene Leistungen gelten auch von ihm berechnete Laborleistungen des Abschnitts M II des Gebührenverzeichnisses (Basislabor), die nach fachlicher Weisung unter der Aufsicht eines anderen Arztes in Laborgemeinschaften oder in von Ärzten ohne eigene Liquidationsberechtigung geleiteten Krankenhauslabors erbracht werden. (…)“
31Die Bundesärztekammer (im Folgenden: BÄK) veröffentlichte im Deutschen Ärzteblatt vom 01.03.1996 eine Stellungnahme zur Auslegung des § 4 Abs. 2 S.1 GOÄ betreffend die Erbringung von Speziallaborleistungen. Die BÄK führte zur Abrechenbarkeit von M-III-Leistungen u.a. Folgendes aus:
32„In solchen Fällen ergibt sich daher gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ (1996) die Notwendigkeit, dass der Arzt bei allen Schritten der Leistungserstellung persönlich anwesend ist, auch wenn er das Labor einer Laborgemeinschaft zur eigenen Leistungserbringung in Anspruch nimmt. Während der technischen Erstellung durch automatisierte Verfahren, welche im Labor ausgeführt werden, ist allerdings die persönliche Anwesenheit während dieses Teilschritts nicht erforderlich.
33Zur Wahrnehmung der „Aufsicht“ sind mindestens folgende Voraussetzungen zu erfüllen:
34- 35
Sicherstellung ordnungsgemäßer Probenvorbereitung;
- die regelmäßig – stichprobenartige – Überprüfung der ordnungsgemäßen Laborgerätewartung und der Bedienungsabläufe durch das Laborpersonal einschließlich der Durchführung der Qualitätssicherungsmaßnahmen;
- die persönliche und nicht nur telefonische Erreichbarkeit innerhalb kurzer Zeit zur Aufklärung von Problemfällen;
- die persönliche Überprüfung der Plausibilität der aus einem Untersuchungsmaterial erhobenen Parameter im Labor nach Abschluss des Untersuchungsganges, um bei auftretenden Zweifeln aus derselben Probe eine weitere Analyse zeitgerecht durchführen zu können;
- 36
die unmittelbare Weisungsberechtigung gegenüber dem Laborpersonal;
- 37
die Dokumentation der Wahrnehmung der Verantwortung.“
Diese Auslegung des § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ bestätigte die BÄK u.a. in Veröffentlichungen im Deutschen Ärzteblatt vom 18.10.1996 und vom 28.07.2000. Die Ärztekammer Nordrhein (im Folgenden: ÄKNO) machte sich in einer im Rheinischen Ärzteblatt 3/96 veröffentlichen Stellungnahme die Auslegung der Bundesärztekammer zu eigen.
393. Der Ablauf der von der Laborgemeinschaft angebotenen Untersuchungen – soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung – ist grundsätzlich Folgender:
40Dem Patienten wird in der Arztpraxis des jeweiligen Gesellschafters Blut abgenommen. Die Probenröhrchen werden dort nach der Eingangsbegutachtung mit einem Barcodeaufkleber versehen und es wird eine Anforderungskarte ausgefüllt, aus der sich die durchzuführenden Untersuchungen ergeben. Diese wird ebenfalls mit einem Barcode dem Patienten zugeordnet. Je nach Art der Untersuchung (Basislabor, Speziallabor, Fachlabor) und des Versicherungsstatus der Patienten werden verschiedenfarbige Probenröhrchen verwendet. Die Proben werden dann per Fahrdienst ins Labor gebracht. Der Transport in den bruchsicheren Probenröhrchen hat auf die Qualität der Proben keine Auswirkungen.
41In der Probenannahmestelle des Labors werden die Probenröhrchen von den Anforderungskarten getrennt. Während die Anforderungskarten in einem Nebenraum eingescannt werden, werden die Probenröhrchen zentrifugiert. Über die automatisch ablaufende Zentrifugation hinaus erfolgt im Labor jedenfalls bei M-III-Untersuchungen keine gesonderte Probenvorbereitung. Die Probenröhrchen werden nach Farben sortiert, in Metallgestelle, sog. Racks, eingestellt und dann über einen automatischen Probenverteiler den entsprechenden Untersuchungsgeräten zugeführt. Dort werden die Barcodes eingescannt und der Computer gleicht die Patientendaten mit denen der Anforderungskarten ab. Die für den jeweiligen Patienten angeforderten Untersuchungen werden vollautomatisch durchgeführt. Nach Abschluss der Untersuchung erhält der Arzt die Ergebnisse per Post oder Datenfernübertragung übermittelt. An keiner Stelle des Untersuchungsvorgangs nach Übergabe der Proben an den Fahrdienst bis zur Fertigstellung der Untersuchungen ist eine Beteiligung oder ein Eingreifen der einsendenden Ärzte, die für ihre eigenen Untersuchungen den Labormitarbeiterinnen gegenüber weisungsbefugt sind, vorgesehen. Hierfür besteht auch keine medizinische Notwendigkeit. Die Untersuchungen werden – vorbehaltlich anderer Anweisungen des Arztes – grundsätzlich zeitnah am Tag des Probeneingangs im Labor durchgeführt. Nach der Untersuchung werden die Proben zwei Wochen lang aufbewahrt. Alle in der Laborgemeinschaft angebotenen M-III-Untersuchungen können in dieser Zeit problemlos wiederholt werden, weil der Zeitablauf auf die Untersuchungsergebnisse keinen Einfluss hat.
42Wenn im Labor technische Probleme auftreten, welche die Labormitarbeiterinnen nicht selbst lösen können, können sie sich an die technische Leiterin des Labors – im verfahrensgegenständlichen Zeitraum die Zeugin W – oder die leitende MTA – im verfahrensgegenständlichen Zeitraum die Zeugin K –wenden oder unmittelbar den Service des Herstellers der Untersuchungsgeräte kontaktieren. Im Labor können bei Problemfällen zudem jederzeit die gesondert Verfolgte Dr. C oder ihre ärztlichen Mitarbeiter angesprochen werden. Möglich ist grundsätzlich auch eine Kontaktaufnahme zu den einsendenden Ärzten, wobei eine solche wegen Problemen bei der Untersuchung aufgrund der vollautomatischen Analysevorgänge praktisch nicht vorkommt. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum waren neben den Telefonnummern der Arztpraxen der Gesellschafter der Ärztlichen Gemeinschaft jedenfalls teilweise auch die Privat- und Handynummern der Ärzte hinterlegt.
43Die Qualitätssicherung erfolgt über mehrfach am Tag durchgeführte Qualitätskontrollen und durch sog. Ringversuche. Bei den täglichen Kontrollen wird die ordnungsgemäße Funktion der Untersuchungsgeräte durch Kontrollproben überprüft, wobei die Ergebnisse innerhalb bestimmter Parameter liegen müssen. Bei den Ringversuchen handelt es sich um externe Kontrollen, bei denen Proben von hierauf spezialisierten externen Laboren zur Untersuchung eingesandt und die Untersuchungsergebnisse kontrolliert werden. Das Labor der Ärztlichen Gemeinschaft ist zudem von der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkrediert. Die Ärzte können die Ergebnisse der Qualitätssicherung im Labor am Validierungsarbeitsplatz einsehen. Kontrollen des Labors und der dortigen Abläufe durch die Ärzte selbst sind nicht vorgesehen.
444. In dem Verfahren 810 Js 21/99 ermittelte die Staatsanwaltschaft Wuppertal u.a. gegen die Mitglieder der Ärztlichen Gemeinschaft wegen des Verdachts des Abrechnungsbetruges bei Speziallaborleistungen im kassenärztlichen Bereich. Das Verfahren gegen den Angeklagten Dr. Y wurde abgetrennt (StA Wuppertal 830 Js 326/02) und gegen die Zahlung einer Geldauflage eingestellt.
45a) U.a. als Reaktion auf diese staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen beauftragten die Gesellschafter der Ärztlichen Gemeinschaft die Geschäftsführung, ein „rechtssicheres Modell“ für die Erbringung von M-III-Leistungen zu entwickeln. Die Ärztliche Gemeinschaft führte daraufhin im Jahr 2003 für M-III-Leistungen ein sog. Validationsverfahren ein. Bei den M-III-Laborleistungen erhält der Arzt die Untersuchungsergebnisse seither erst übermittelt, nachdem er diese im Labor medizinisch validiert hat. Dazu kommt der Arzt nach Abschluss der Untersuchungen in die Räumlichkeiten der Ärztlichen Gemeinschaft, ruft dort an einem eigens eingerichteten Computerarbeitsplatz die Befunde der von ihm angeforderten M-III-Untersuchungen auf und prüft diese auf medizinische Plausibilität. Sind die Befunde medizinisch plausibel, gibt der Arzt diese mit einem Kennwort am Computer frei; anderenfalls kann er eine Kontrolluntersuchung aus der gleichen Blutprobe durch die zuständige Labormitarbeiterin veranlassen. Dieser Computerarbeitsplatz befand sich bis zum Umzug der Ärztlichen Gemeinschaft in die J-Straße im Februar 2006 in den Laborräumen selbst in unmittelbarer Nähe zu den Untersuchungsgeräten und danach bis Anfang 2011 in der Telefonzentrale im Eingangsbereich. Danach wurde er im Hinblick auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln wieder neben die Untersuchungsgeräte im Labor verlegt.
46Im Anschluss an die Befundfreigabe werden Befundberichte erstellt und dem Arzt übermittelt. Eine Übermittlung der Befundberichte ist technisch erst nach der Freigabe der Ergebnisse durch den anfordernden Arzt möglich. Auf den Befundberichten sind sowohl das Datum des Eingangs der Blutprobe im Labor (Eingangsdatum) sowie das Datum der Übermittlung an die Arztpraxis (Ausgangsdatum) vermerkt. Zudem ist festgehalten, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit der Arzt die Befundergebnisse validiert hat. Der Arzt kann seine Anwesenheit im Labor außerdem mit seiner Unterschrift in einem am Empfang ausliegenden Kalender, welcher der Laborgemeinschaft als „Anwesenheitsbuch“ dient, dokumentieren.
47Die Ärzte haben im Rahmen des Validationsverfahrens zudem die Möglichkeit, den Wochentag für ihre M-III-Laborleistungen durch Anbringen eines farbigen Zusatzetiketts auf den Probenröhrchen zu bestimmen. An diesem Wochentag werden dann vormittags die von diesem Arzt angeforderten M-III-Untersuchungen durchgeführt. Der Arzt kann die Untersuchungsergebnisse am selben Tag validieren.
48Das Validationsverfahren wurde den hieran teilnehmenden Ärzten ab Anfang 2003 in Workshops und schriftlich – u.a. in einem Rundschreiben vom 17.02.2003 – vorgestellt und erläutert. Bis 2007 war die Teilnahme am Validationsverfahren freiwillig. Seit Januar 2008 ist es für alle Gesellschafter verpflichtend, wobei lediglich die Durchführung der Validation als solcher technisch sichergestellt wurde. Die Einhaltung der von der Geschäftsführung der Ärztlichen Gemeinschaft empfohlenen Validation am Untersuchungstag wurde weder kontrolliert noch anderweitig durchgesetzt.
49b) In einem Schreiben vom 15.09.2003 bat der gesondert Verfolgte Dr. S für die Ärztliche Gemeinschaft die ÄKNO um Stellungnahme dazu, ob die in der Laborgemeinschaft geübte Praxis der Durchführung von M-III-Leistungen GOÄ-konform sei. Er schilderte die Untersuchungsabläufe in der Ärztlichen Gemeinschaft anhand der von der BÄK aufgestellten Abrechnungsvoraussetzungen und führte zur Frage der Qualitätssicherung, Erreichbarkeit der Ärzte und Überprüfung der Plausibilität aus:
50„Die Punkte 2-4 werden für MIII-Untersuchungen wie folgt sichergestellt:
51Jede Praxis hat die Möglichkeit, den Wochentag für die eigene MIII-Diagnostik festzulegen, indem das Serumröhrchen mit einem farbigen Zusatzetikett versehen wird. Diese Proben werden am jeweiligen Vormittag analysiert und der Arzt überprüft das Analyseergebnis in der Mittagszeit desselben Tages im Labor und gibt die Analyse persönlich frei. Dies entspricht dem Ablauf „wie in der eigenen Praxis“. So ist sichergestellt, dass der Arzt am Tag der Analytik auch persönlich kurzfristig erreichbar ist.
52Im Labor überprüft der Arzt die Ergebnisplausibilität persönlich. Er kann bei Zweifelsfällen unmittelbar eine Kontrolluntersuchung anordnen, die dann während seiner Anwesenheit durchgeführt werden kann. Alle notwendigen Unterlagen bezüglich der analytischen Plausibilität der Serie sowie alle Unterlagen zur Qualitätssicherung befinden sich griffbereit am Validationsplatz. Die MTA, welche die Analysen durchgeführt hat, steht für Rückfragen zur Verfügung.“
53Die ÄKNO teilte durch ihren Justiziar Dr. V mit Schreiben vom 30.09.2003 mit, dass ihres Erachtens die geschilderten Arbeitsabläufe der Laborgemeinschaft grundsätzlich den Anforderungen der GOÄ genügten.
54Im September 2005 informierten die Geschäftsführer der Ärztlichen Gemeinschaft ihre Mitglieder über eine Einigung mit der Versicherung F zur Frage der Anwesenheitspflicht bei M-III-Untersuchungen. Die F hatte zuvor die Berechtigung der Ärzte zur Abrechnung von M-III-Leistungen bezweifelt und gegenüber Versicherten und Ärzten Nachfragen gestellt. Die Gesellschafter der Ärztlichen Gemeinschaft konnten nunmehr eine freiwillige Verpflichtungserklärung abgeben, die u.a. folgenden Inhalt hatte:
55„Für Leistungen, die mittels voll automatisierter Analysegeräte durchgeführt werden, bin ich während der Maschinenlaufzeit nicht im Labor anwesend. Nach Beendigung der technischen Erstellung wird die Analyse von mir persönlich im Labor, L-Straße in A beurteilt. (…)“
56Im Gegenzug verzichtete die F auf Nachfragen an Ärzte oder Patienten, akzeptierte also letztlich die Abrechenbarkeit der in der Ärztlichen Gemeinschaft erbrachten M-III-Laborleistungen als eigene Leistungen im Sinne der GOÄ.
57Nachdem die Räumlichkeiten der Ärztlichen Gemeinschaft im Rahmen des vorliegenden Verfahrens im März 2007 durchsucht worden waren, beauftragte der gesondert Verfolgte Dr. S Herrn Prof. Dr. U mit der Erstattung eines Rechtsgutachtens zur Frage der Abrechenbarkeit der in der Laborgemeinschaft durchgeführten M-III-Leistungen durch die behandelnden Ärzte. In seinem Rechtsgutachten vom 14.08.2007 führte Prof. Dr. U u.a. zum Merkmal der „Aufsicht“ in § 4 Abs. 2 GOÄ aus, dass diese in eine allgemeine und eine konkrete Aufsicht zu unterteilen sei. Dabei könne die allgemeine Aufsicht (Auswahl des Personals, Gerätewartung, Organisationsablauf) grundsätzlich stellvertretend für alle Ärzte von der Geschäftsführung der Ärztlichen Gemeinschaft wahrgenommen werden. Die Wahrnehmung der konkreten Aufsicht bei den angeforderten Laboruntersuchungen durch den jeweiligen Arzt erfordere bei den sog. Black-Box-Verfahren keine ständige räumliche Präsenz des Arztes im Labor. Erforderlich seien jedoch die kurzfristige persönliche Erreichbarkeit des Arztes, um bei ggf. festgestellten Messabweichungen über Freigabe oder Wiederholung der Analyse am Ort des Geschehens zu urteilen, sowie die Anwesenheit des Arztes im Labor bei der medizinischen Validierung der Ergebnisse im Anschluss an die Analyse, wobei die medizinische Validierung im Labor jedenfalls am Tag der Analyse stattfinden sollte.
58Über die Durchsuchungsmaßnahme informierte die Geschäftsführung der Ärztlichen Gemeinschaft ihre Mitglieder erstmals mit Schreiben vom 13.03.2007 und teilte mit, dass es u.a. um den „üblichen Vorwurf“ der persönlichen Leistungserbringung gehe. Im November 2007 wandte sich die Geschäftsführung sodann mit einem Rundschreiben an die Gesellschafter. Sie wies im Hinblick auf die laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungen bezüglich der Abrechenbarkeit von M-III-Leistungen auf Folgendes hin:
59„Es besteht kein Zweifel daran, dass die Berechtigung zur Abrechnung des Speziallabors nicht die persönliche Anwesenheit des Arztes während der voll automatischen Analyseerstellung erfordert. (…) Fest steht aber, dass eine abrechenbare Leistung als selbständige ärztliche Leistung dann vorliegt, wenn im Anschluss an den automatisierten Analysengang eine persönliche Validierung durch den abrechnenden Arzt erfolgt.
60Dem Erfordernis der persönlichen Leistungserbringung ist gemäß einem aktuellen Gutachten eines renommierten Medizinrechtlers jedenfalls dann genüge getan, wenn der Arzt das Befundergebnis am Tage der Analyse im Labor persönlich validiert.“
61Zudem übersandte Rechtsanwalt Dr. N, der den gesondert Verfolgten Dr. S anwaltlich vertritt, Ende November 2007 das Gutachten von Prof. Dr. U vom 14.08.2007 an die ÄKNO und bat um Mitteilung, ob diese sich den dort getroffenen Feststellungen zum Umfang der persönlichen Anwesenheitspflicht des Arztes bei der Erbringung von M-III-Leistungen anschließe. Die ÄKNO bejahte dies durch ihren Justiziar Dr. V mit Schreiben vom 12.12.2007.
62In einem Rundschreiben vom 04.01.2008 an die Gesellschafter stellte die Geschäftsführung der Ärztlichen Gemeinschaft folgende „Segelanweisungen für die die Erbringung von M3-Leistungen“ vor:
63„Die Erbringung von M3-Leistungen muss nicht nur nach medizinischen, sondern auch nach rechtlichen Regeln erfolgen. Diese verlangen eine zeitnahe Validierung von M3-Leistungen. Um das für Sie organisatorisch sicherzustellen, gibt es ab Januar 2008 nur noch einen Weg:
64- ein Patient
65- zwei Serumröhrchen (das eine für M2-, das andere für M3-Leistungen) mit
66- zwei verschiedenen Barcodes (einen für M2-, den anderen für M3-Leistungen)
67- und einem Tagesaufkleber auf dem M3-Röhrchen für den Validationstag ihrer Wahl.
68Damit ist sichergestellt:
69- Sie erhalten die M2-Ergebnisse tagesgleich.
70- Die M3-Analytik erfolgt an Ihrem Validationstag.“
71Mit Schreiben vom 04.06.2008 bat der gesondert Verfolgte Dr. S die ÄKNO um eine Stellungnahme zum Begriff der „fachlichen Weisung“ gemäß § 4 Abs. 2 GOÄ zur Erbringung von Laborleistungen. Die ÄKNO, vertreten durch ihren Justiziar Dr. V, nahm mit Schreiben vom 24.06.2008 umfassend zu den Voraussetzungen der Abrechnung von Laborleistungen nach § 4 Abs. 2 GOÄ Stellung, wobei sie sich im Wesentlichen an den Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. U vom 14.08.2007 orientierte. In ihrer Stellungnahme wies die ÄKNO u.a. darauf hin, dass eine abschließende Feststellung, welche Anforderungen an die konkrete Aufsicht zu stellen sind, nicht möglich sei. Zwar sprächen gute Gründe dafür, dass durch das Erfordernis der kurzfristigen persönlichen Erreichbarkeit und die Präsenzpflicht im Rahmen der medizinischen Validierung die Aufsicht durch den Arzt wahrgenommen werde. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass die Rechtsprechung bislang eine eher restriktive Haltung an den Tag gelegt und die persönliche Anwesenheit des Arztes im Labor bzw. in dessen unmittelbarer Nähe während der Untersuchung gefordert habe.
72Mit Schreiben vom 22.07.2009 wiesen die Geschäftsführer der Ärztlichen Gemeinschaft die Gesellschafter darauf hin, dass inzwischen einige Gesellschafter Schreiben der Staatsanwaltschaft erhalten hätten, und rieten dazu, rechtlichen Beistand einzuholen.
73In weiteren Rundschreiben an die Gesellschafter vom 09.09.2009, 14.07. und 27.11.2010 wiederholte die Geschäftsführung der Ärztlichen Gemeinschaft ihre Auffassung, dass das in der Laborgemeinschaft durchgeführte medizinische Validierungsverfahren den Stellungnahmen und Hinweisen der Ärztekammer zur Eigenleistungserbringung bei den M-III-Laborleistungen entspräche. Dabei wies sie im Schreiben vom 14.07.2010 u.a. darauf hin, dass die Validation der Untersuchungsergebnisse „im Labor am individuellen M3-Tag“ erfolgen solle. Im Schreiben vom 27.11.2010 wies sie auf die Möglichkeit hin, „sich während der Analytik im oder in unmittelbarer Nähe des Labors aufzuhalten, um den Anforderungen der Staatsanwaltschaft Köln gerecht zu werden.“, betonte aber zugleich dass das mit der ÄKNO abgestimmte Verfahren – allerdings „aus rein medizinischer Sicht“ – für ausreichend angesehen werde.
74Mit Rundschreiben vom 25.08.2011 empfahl die Geschäftsführung den Mitgliedern der Ärztlichen Gemeinschaft im Hinblick auf die andauernden staatsanwaltlichen Ermittlungen unter Vorsichtsgesichtspunkten die Durchführung der sog. Präsenzvalidation, bei welcher der Arzt die Proben vor der Untersuchung gemeinsam mit der zuständigen Labormitarbeiterin in Augenschein nimmt, sich während der Untersuchung im Labor oder in einem eigens eingerichteten Warteraum aufhält und die Untersuchungsergebnisse unmittelbar im Anschluss an die Analytik im Labor validiert. Die Durchführung der Präsenzvalidation wurde Ende 2011/Anfang 2012 als einzig zulässige Möglichkeit der Erbringung von M-III-Laborleistungen durch den jeweiligen Arzt eingeführt.
75Über diese Schreiben hinaus waren die Voraussetzungen der Abrechnung von M-III-Leistungen und das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Köln auch Gegenstand der Erörterung auf Gesellschafterversammlungen der Ärztlichen Gemeinschaft (u.a. vom 03.04.2006, 20.04.2010 und 07.04.2011) und besonderen Informationsveranstaltungen (u.a. am 16.01.2008, im September und Dezember 2009 sowie am 13.07. und 18.11.2010). An Gesellschafterversammlungen und Informationsveranstaltungen nahm der Angeklagte regelmäßig teil. Bei welchen konkreten Veranstaltungen er anwesend war, konnte in der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden.
765. Der Angeklagte nimmt die Möglichkeit, M-III-Untersuchungen in der Ärztlichen Gemeinschaft durchzuführen, ebenfalls in Anspruch. Er meldete sich im Jahr 2003 zur Teilnahme am Validationsverfahren an. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ging er bei der Erbringung von M-III-Leistungen wie folgt vor:
77Die Blutentnahme bei den Patienten erfolgte in der Regel in der Praxis des Angeklagten. Im Anschluss an die Blutentnahme wurden die Blutproben begutachtet, mit einem Barcode versehen und auf der Anforderungskarte der Laborgemeinschaft die gewünschten Untersuchungen markiert. Die bei Erscheinen des Fahrdienstes des Labors in der Praxis gegen 9:00 Uhr bereits vorhandenen Blutproben gab der Angeklagte, allerdings nur soweit es sich um Blutproben von Kassenpatienten handelte, dem Fahrdienst für den Transport ins Labor mit. Die Blutproben von Privatpatienten, bei denen M-II- oder M-III-Untersuchungen vorgesehen waren, gingen nicht mit dem Fahrdienst ins Labor; hier verfuhr der Angeklagte aus Gründern der Abrechenbarkeit anders. Der Angeklagte, der nach seiner Sprechstunde Hausbesuche durchführte, nahm sie in einem besonderen Probenbeutel mit. Im Anschluss an die Hausbesuche fuhr er auf dem Weg in die Mittagspause, die er normalerweise zuhause, ca. einen Kilometer von den Räumlichkeiten der Ärztlichen Gemeinschaft entfernt verbrachte, im Labor vorbei und gab dort die Blutproben der Privatpatienten sowie die nach 9.00 Uhr in der Praxis oder bei Hausbesuchen abgenommenen Blutproben von Kassenpatienten persönlich ab.
78Die Labormitarbeiterinnen führten die angeforderten Untersuchungen unmittelbar nach der Abgabe der Blutproben durch den Angeklagten durch. Die einzelnen Untersuchungen nahmen dabei einen Zeitrahmen von 10 bis 45 Minuten in Anspruch. Im Regelfall standen alle Untersuchungsergebnisse spätestens nach 1,5 bis 2 Stunden und damit noch vor dem Ende der ca. zweistündigen Mittagspause des Angeklagten zur Verfügung.
79Die Mittagspause verbrachte der Angeklagte regelmäßig zuhause, wo er gemeinsam mit seiner Ehefrau zu Mittag aß. Gelegentlich verbrachte der Angeklagte seine Mittagspause auch gemeinsam mit seiner Ehefrau in einem gegenüber der Ärztlichen Gemeinschaft gelegenen Restaurant. Der Angeklagte war in der Mittagspause telefonisch über seinen privaten Festnetzanschluss oder über sein Handy erreichbar. Das Labor hätte er in wenigen Minuten erreichen können. Die telefonische Erreichbarkeit des Angeklagten war während des gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraums im Labor hinterlegt. Dass der Angeklagte in einem der verfahrensgegenständlichen Fälle nicht erreichbar gewesen wäre, konnte in der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden.
80Der Angeklagte war fast täglich im Labor. Einen Tag für die M-III-Analytik bestimmte er entgegen der Empfehlungen der Geschäftsführung der Ärztlichen Gemeinschaft nicht, sondern ließ diese – auch zur möglichst zeitnahen Erlangung der Untersuchungsergebnisse – an dem Tag durchführen, an dem sie anfielen, was im Durchschnitt zwei bis dreimal die Woche der Fall war. Normalerweise validierte er, wenn er zur Abgabe der Blutproben im Labor war, zugleich die Ergebnisse der Untersuchungen des Vortages, was im Regelfall einem Zeitraum von unter 24 Stunden nach Untersuchungsabschluss entsprach. Nur im Einzelfall, bei eiligen Untersuchungen, begab er sich entweder nach der Mittagspause oder am Ende seines Arbeitstags noch einmal ins Labor, um zu validieren. Der Angeklagte dokumentierte seine Anwesenheit im Labor jeweils mit seiner Unterschrift unter Hinzufügung der ihm vom Labor zugeteilten Labornummer 318 in dem am Empfang des Labors ausliegenden Anwesenheitsbuch.
81Der Angeklagte nahm bei seinen Besuchen im Labor regelmäßig die Gelegenheit wahr, sich auch mit den für die M-III-Untersuchungen zuständigen Labormitarbeiterinnen zu unterhalten. Er war – im Gegensatz zu anderen Gesellschaftern der Ärztlichen Gemeinschaft – den Labormitarbeiterinnen persönlich bekannt. Der Angeklagte konnte auch den Raum, in dem sich die Untersuchungsgeräte befinden, in Augenschein zu nehmen. In der L-Straße war letzteres vor allem bei der Validation der Fall, weil sich der Validationsarbeitsplatz neben den Untersuchungsgeräten befand, in der J-Straße vor allem bei der Abgabe der Blutproben im Labor. Der Angeklagte sah auch in regelmäßigen Abständen von ca. zwei Wochen die Ergebnisse von Qualitätskontrollen und Ringversuchen ein. Eigene Kontrollen der Zustände und Abläufe im Labor nahm er nicht vor. Aufgrund seiner fast täglichen Anwesenheit auch in den eigentlichen Laborräumlichkeiten hatte er aber einen persönlichen Eindruck von den Zuständen im Labor und den dort tätigen Mitarbeiterinnen. Anlass für Beanstandungen hatte der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt.
82Die Ärztliche Gemeinschaft stellte dem Angeklagten die durchgeführten Untersuchungen monatlich in Rechnung. Der Angeklagte rechnete die M-III-Laborleistungen gegenüber seinen Privatpatienten im Regelfall vierteljährlich ab. Die Rechnungen des Angeklagten enthielten folgenden Hinweis:
83„Bei der Berechnung von Laborwerten wird darauf hingewiesen, dass die Qualifikation zur Erbringung besteht und die Untersuchungen von qualifizierten Laborpersonal unter meiner unmittelbaren fachlichen Aufsicht durchgeführt werden.“
84Zudem fügte der Angeklagte seinen Rechnungen ab dem Jahr 2002 auf Empfehlung der Laborgemeinschaft im Anschluss an das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal ein Beiblatt „Information zu Ihren Laborleistungen“ mit folgendem Inhalt bei:
85„Nur ein kleiner Teil der Laboruntersuchungen erfolgt im Anschluß an die Blutentnahme in unserer Praxis direkt. Für die meisten Untersuchungen nutzen wir die Einrichtungen einer Laborgemeinschaft, die mit modernsten Geräten ausgestattet ist. Die Geräte sind in hohem Maße automatisiert und computerisiert. Untersuchungen, die früher fehlerträchtig von Menschenhand ausgeführt wurden, laufen heute in Analyseautomaten ab, was zu einer erheblichen Qualitätsverbesserung führt. Ihre in Ihrer Rechnung ausgewiesenen Laborwerte werden in meiner Laborgemeinschaft auf diese hoch technisierte Art und Weise untersucht. Das führt dazu, dass die persönliche Anwesenheit des Arztes während der Laufzeit der Maschinen – die teilweise gefordert wird – heutzutage keinen Sinn mehr macht. Die Ergebnisse werden nach Abschluss der Analytik von mir persönlich im Labor auf Korrektheit überprüft.“
86In der Zeit vom 05.04.2005 bis zum 12.07.2011 stellte der Angeklagte 918 Rechnungen an Privatpatienten aus, die in der Laborgemeinschaft erbrachte M-III-Leistungen betrafen. Die Kosten für die in Rechnung gestellten Laborleistungen beliefen sich für die einzelne Leistung auf Beträge zwischen 2,68 € und 50,27 €. Insgesamt machen diese Leistungen einen Betrag von ca. 40.000 € aus. Im gleichen Zeitraum berechnete die Ärztliche Gemeinschaft dem Angeklagten einen Kostenanteil von über 30.000,00 € für die dort erbrachten M-II- und M-III-Leistungen.
87Die Patienten des Angeklagten beglichen die verfahrensgegenständlichen Rechnungen vollständig. Die Kammer hat keine Feststellungen zu den Vorstellungen der Patienten hinsichtlich der Berechtigung des Angeklagten zur Abrechnung der in Rechnung gestellten Gebühren sowie ihrer Motivation zur Begleichung der Rechnungen getroffen.
88Dem Angeklagten waren die Veröffentlichungen der BÄK und der ÄKNO zur Auslegung des § 4 Abs. 2 GOÄ im Hinblick auf die Abrechenbarkeit von Speziallaborleistungen bekannt. Er wusste auch, dass es die Intention des Verordnungsgebers war, Gebührenanreizen durch die Selbstzuweisung von Laborleistungen entgegenzuwirken. Der Angeklagte kannte zudem Empfehlungen der Geschäftsführung der Ärztlichen Gemeinschaft und er war auch über die Durchsuchungen und den Lauf des Ermittlungsverfahrens im Allgemeinen informiert. Das Rechtsgutachten von Prof. Dr. U sowie die Stellungnahmen der ÄKNO auf die Anfragen des gesondert Verfolgten Dr. S waren dem Angeklagten im Detail nicht bekannt. Bekannt war dem Angeklagten insoweit nur das von der Geschäftsführung übermittelte Ergebnis des Rechtsgutachtens und der Anfragen bei der ÄKNO, wonach die Abläufe in der Laborgemeinschaft „in Ordnung seien“.
89Die Kammer konnte nicht feststellen, dass der Angeklagte davon ausging oder billigend in Kauf nahm, dass das von ihm praktizierte System bei der Erbringung der M-III-Laborleistungen den Anforderungen der GOÄ an eine eigene Leistung nicht genügte. Seine Einlassung, er habe sich an den Vorgaben der BÄK und der ÄKNO orientiert und diese für erfüllt gehalten, ist unwiderlegt geblieben.
906. Die Fälle 85, 87, 275, 511, 811 und 829 der Anklageschrift betreffen Untersuchungen gemäß der Ziffern 3760 und 4605 des Gebührenverzeichnisses für Ärztliche Leistungen der GOÄ, die im Praxislabor des Angeklagten durchgeführt worden sind. In Fall 701 konnte der Gegenstand der Rechnung in der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden. Die übrigen Fälle betreffen in der Ärztlichen Gemeinschaft durchgeführte M-III-Untersuchungen.
91In zwölf Fällen ist die gleiche Rechnung zweimal zum Gegenstand der Anklageschrift gemacht worden:
92Fall 86 = Fall 584
93Fall 92 = Fall 582
94Fall 574 = Fall 586
95Fall 830 = Fall 858
96Fall 831 = Fall 859
97Fall 832 = Fall 860
98Fall 833 = Fall 861
99Fall 834 = Fall 862
100Fall 835 = Fall 863
101Fall 836 = Fall 864
102Fall 838 = Fall 866
103Fall 839 = Fall 867
104In Fall 409 findet sich auf der Rechnung ein handschriftlicher Vermerk, dass die Rechnung falsch sei und eine neue Rechnung ausgestellt worden sei. Welchen Teil der Abrechnung dies betrifft und ob eine neue Rechnung ausgestellt worden ist, ist in der Hauptverhandlung offen geblieben.
105III.
106Seinen Ursprung hatte das vorliegende Verfahren im Ermittlungsverfahren 3 Js 33170/01 der Staatsanwaltschaft Limburg/Lahn, wo gegen ein Mitglied der Ärztlichen Gemeinschaft der Vorwurf des Abrechnungsbetruges erhoben worden war. Aufgrund der Erkenntnisse aus diesem Ermittlungsverfahren wurde ein Verfahren gegen die Verantwortlichen der Ärztlichen Gemeinschaft eingeleitet und an die Staatsanwaltschaft Köln abgegeben, wo es unter dem Aktenzeichen 115 Js 74/03 (= LG Köln 118 KLs 1/14) geführt wird. Angeschuldigte dieses Verfahrens sind die gesondert Verfolgten Dr. C, Dr. I und Dr. S. Nachdem in diesem Verfahren bereits in den Jahren 2005 und 2006 Durchsuchungsbeschlüsse erlassen worden waren, die aber nicht vollstreckt werden konnten, ergingen unter dem 24.01.2007 weitere Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Köln (502 Gs 229/07) u.a. hinsichtlich der Räumlichkeiten der Ärztlichen Gemeinschaft. Als Beschuldigte waren in diesen Beschlüssen bezeichnet die gesondert Verfolgte Dr. C „sowie weitere Verantwortliche der Ärztlichen Gemeinschaft für Diagnostik L1“. In der Begründung der Beschlüsse heißt es:
107„(…) Zur Aufklärung, welche Ärzte über die Laborgemeinschaft ihre Laborleistungen bezogen, wann und zu welchem Preis und wie sie abgerechnet wurden sowie zur Aufklärung, welche Personen die Arbeitsgemeinschaft betreiben und zum Nachweis der Tathandlungen im Einzelnen ist eine Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen der Laborgemeinschaft erforderlich. (…)“
108Da die bei der Durchsuchung sichergestellten EDV-Daten nicht ausgewertet werden konnten, ergingen im August 2007 zwei weitere Durchsuchungsbeschlüsse, die ebenfalls u.a. der Ermittlung der Ärzte, welche in der Ärztlichen Gemeinschaft Laborleistungen erbrachten, dienten.
109In der Folge wurden Ermittlungsverfahren gegen die Mitglieder der Laborgemeinschaft, u.a. auch das vorliegende Verfahren gegen den Angeklagten, eingeleitet. Dem Angeklagten wurde mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Köln vom 14.01.2011 mitgeteilt, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Abrechnungsbetruges anhängig sei. Insgesamt hat die Staatsanwaltschaft Köln über 1.000 Ermittlungsverfahren gegen Gesellschafter der Ärztlichen Gemeinschaft eingeleitet.
110Die Anklageschrift vom 14.01.2013 ist am 18.01.2013 beim Landgericht Köln eingegangen.
111C.
112Die Feststellungen haben sich folgendermaßen aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ergeben:
113I.
114Zu seinen persönlichen Verhältnissen hat der Angeklagte glaubhafte Angaben gemacht, die den unter B.I. getroffenen Feststellungen entsprechen.
115Dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, ergibt sich aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszug vom 27.01.2015.
116II.
117Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung und der weiteren nach Maßgabe des Sitzungsprotokolls durchgeführten Beweisaufnahme.
1181.
119Der Angeklagte hat sich wie folgt eingelassen:
120Am zweiten Hauptverhandlungstag hat der Angeklagte eine vorbereitete Einlassung verlesen, in der er zunächst Angaben zu seinem beruflichen Werdegang und seiner Praxis gemacht hat. Er hat hervorgehoben, als Gesellschafter der Ärztlichen Gemeinschaft sowohl finanziell für Räume, Apparate und Personal des Labors als auch fachlich für die medizinischen Ergebnisse der Untersuchungen zu haften. Die Untersuchungen würden nicht durch einen anderen Arzt, auch nicht die Mitgesellschafterin Dr. C, welche das Labor für ihre Facharztpraxis nutze, durchgeführt, sondern durch sein Personal und durch ihn selbst erbracht. Er arbeite als Gesellschafter mit seinem Personal, seinen Geräten und in seinen Räumen. Daher seien die Untersuchungen auch seine eigene Leistung. Die Anwesenheit im Labor sei eine Organisationsfrage im Tagesablauf. Sie sei durch das Anwesenheitsbuch und in der EDV dokumentiert. Er habe sämtliche Anforderungen des § 4 Abs. 2 GOÄ erfüllt, so dass für ihn feststehe, dass er weder Patienten getäuscht noch ihnen einen Schaden zugefügt habe. Er habe im Gegenteil dafür gesorgt, dass die Untersuchungsergebnisse besonders schnell und ohne Umwege an ihn gelangt seien.
121Diese Einlassung hat der Angeklagte im Anschluss und im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung auf Befragen durch das Gericht und die Verfahrensbeteiligten umfassend ergänzt. Er hat die objektiven Gegebenheiten und Abläufe in seiner Praxis und der Ärztlichen Gemeinschaft im Wesentlichen wie festgestellt geschildert.
122Zur Erbringung und Abrechnung der M-III-Laboruntersuchungen durch ihn hat er sich wie unter B.II.5. festgestellt eingelassen.
123Er hat insoweit allerdings zunächst erklärt, dass er die Blutproben auf dem Weg in die Mittagspause persönlich im Labor abgegeben und die Befundergebnisse nach seiner Mittagspause am gleichen Tag validiert habe. In jedem Fall sei die Validierung am Tag der Untersuchung erfolgt. Nachdem sich diese Einlassung des Angeklagten nicht bestätigt hat, da sich aus den zur Akte gereichten Befundberichten, die im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt bzw. verlesen worden sind (Selbstlesepaket Band V, Bl. 154 ff. und 217 ff. sowie Sonderheft Laborberichte, Bl. 94ff.), ergibt, dass der Angeklagte die Untersuchungsergebnisse in der Regel erst am nächsten Laborarbeitstag validiert hat, hat er seine Einlassung entsprechend den Feststellungen zu B.II.5. korrigiert. Der Angeklagte hat erklärt, dass er bei der Durchsicht der Befundberichte selbst erstaunt gewesen sei, dass er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht in dem Umfang tagesgleich validiert habe, wie er dies in Erinnerung gehabt habe. Der Eindruck der letzten Jahre, in denen er aufgrund der nunmehr in der Ärztlichen Gemeinschaft vorgeschriebenen Präsenzvalidation die Ergebnisse stets am Untersuchungstag validiert habe, habe wohl seine Erinnerung verfälscht.
124Der Angeklagte hat erklärt, er sei davon ausgegangen, dass das von ihm bei der Erbringung der M-III-Laborleistungen praktizierte System den Anforderungen der GOÄ an eine eigene, durch den behandelnden Arzt abrechenbare Leistung genüge. Er habe sich an den Vorgaben der BÄK und der ÄKNO orientiert und diese für mehr als erfüllt gehalten. Er habe persönlich dafür gesorgt, dass die Blutproben „korrekt“ im Labor angekommen seien, regelmäßig die Ergebnisse der Qualitätssicherungsmaßnahmen kontrolliert und sei während der Untersuchungen in der Nähe und kurzfristig erreichbar gewesen. Er sei gegenüber den Mitarbeiterinnen des Labors weisungsbefugt gewesen und habe seine Anwesenheit im Labor durch Unterschrift im „Anwesenheitsbuch“ dokumentiert. Die Befundergebnisse habe er zeitnah auf ihre medizinische Plausibilität überprüft. Zwar habe die Ärztliche Gemeinschaft die Durchführung einer tagesgleichen Validation der Untersuchungsergebnisse empfohlen, eine solche sei jedoch von der BÄK und der ÄKNO nicht gefordert worden. Erforderlich sei – wie von ihm praktiziert – lediglich eine zeitnahe Validation gewesen.
125Der Angeklagte hat weiter dargelegt, dass Grund für die besondere Behandlung der Blutproben von Privatpatienten und den eigenen Transport dieser Blutproben durch ihn ins Labor auch die Abrechenbarkeit der M-III-Untersuchungen als eigene Leistung gewesen sei. Durch den persönlichen Transport der Blutproben gebe er diese bis zur Abgabe im Labor nicht aus der Hand, was weder von der BÄK noch von der ÄKNO gefordert werde, so dass er insoweit von einer „Übererfüllung“ der Anforderungen durch ihn ausgegangen sei. Sein System habe gegenüber den Empfehlungen der Geschäftsführung der Ärztlichen Gemeinschaft zudem den Vorteil, dass die M-III-Untersuchungen durchgeführt würden, wenn sie anfallen und nicht erst an einem bestimmten „M-III-Tag“, der ggfs. bis zu einer Woche nach der Blutentnahme liege.
126Der Angeklagte hat sich ferner dahingehend eingelassen, regelmäßig an den Gesellschafterversammlungen und Informationsveranstaltungen der Ärztlichen Gemeinschaft teilgenommen zu haben. Die Rundschreiben der Ärztlichen Gemeinschaft zu den Voraussetzungen der Abrechnung von M-III-Leistungen sowie zum Stand des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Köln seien ihm bekannt gewesen. Von den Intentionen des Verordnungsgebers bei der Änderungen der GOÄ und den Veröffentlichungen der BÄK und der ÄKNO zur Auslegung des § 4 Abs. 2 GOÄ im Hinblick auf die Abrechenbarkeit von Speziallaborleistungen habe er ebenfalls Kenntnis gehabt. Der Schriftverkehr des gesondert Verfolgten Dr. S und der Ärztlichen Gemeinschaft mit der ÄKNO sowie das Gutachten des Prof. Dr. U seien ihm im Detail nicht bekannt gewesen. Durch die Ärztliche Gemeinschaft sei nur das Ergebnis der verschiedenen Anfragen mitgeteilt worden, wonach die Abläufe in der Laborgemeinschaft in Ordnung seien.
127Der Angeklagte hat angegeben, dass das gegen ihn anhängige Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal wegen des Verdachts des Abrechnungsbetruges bei Speziallaborleistungen im kassenärztlichen Bereich gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden sei. Er sei auch damals von der Ordnungsmäßigkeit seiner Abrechnungen ausgegangen, habe jedoch aus ökonomischen Gründen dem Rat seines Rechtsanwaltes folgend einer Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage zugestimmt.
1282. Die Kammer hat keine im Widerspruch zu dieser Einlassung des Angeklagten stehenden Feststellungen getroffen. Im Einzelnen gilt Folgendes:
129a) Die Feststellungen zur Mitgliedschaft des Angeklagten in der Ärztlichen Gemeinschaft und anschließend in der Privatärztlichen Gemeinschaft beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten, die im Einklang mit den im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden, namentlich den Gesellschaftsverträgen, den Ausgangsrechnungen der Ärztlichen Gemeinschaft und den Befundberichten (im Selbstlesepaket Band IV und V enthalten) stehen.
130b) Die Feststellungen zur Organisation der Ärztlichen Gemeinschaft, ihren Mitarbeitern, ihren Räumlichkeiten, den allgemeinen Abläufen bei Laboruntersuchungen sowie dem Validationsverfahren beruhen auf den glaubhaften Angaben der als Zeugen vernommenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Ärztlichen Gemeinschaft, den Zeugen K, C1, W, Z, B1, Q, D und E, die diese wie festgestellt im Einklang mit der Einlassung des Angeklagten geschildert haben. Anlass für Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben hat sich in der Hauptverhandlung nicht ergeben. Zu den räumlichen Verhältnissen in der J-Straße haben auch die Zeugen KHK’in P und KHK T Angaben gemacht. Bestätigt und ergänzt werden diese zeugenschaftlichen Angaben durch die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder und Pläne der Räumlichkeiten in der J-Straße (Anlage 1 zum Protokoll vom 16.01.2015 sowie SH 9 der Beiakte 118 KLs 1/14) und die von der Zeugin K gefertigte Skizze der Räumlichkeiten in der L-Straße (Anlage 1 zum Protokoll vom 28.01.2015) sowie die in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden, die sich mit der Organisation der Laborgemeinschaft, den räumlichen Verhältnissen und den Verfahrensweisen befassen (im Selbstlesepaket Band V enthalten).
131Die Zeuginnen K, W und E haben darüber hinaus bekundet, dass sämtliche Blutproben zwei Wochen aufbewahrt würden und die in der Ärztlichen Gemeinschaft angebotenen M-III-Untersuchungen innerhalb dieses Zeitraums problemlos wiederholt werden könnten. Aufgrund der Kühlung der Proben würden diese sich nicht auf eine Weise verändern, dass die Gefahr verfälschter Untersuchungsergebnisse bestehe.
132Die Rundschreiben der Ärztlichen Gemeinschaft an ihre Gesellschafter, die Protokolle der Mitgliederversammlungen im verfahrensgegenständlichen Zeitraum, der Schriftwechsel zwischen der Ärztlichen Gemeinschaft bzw. dem gesondert Verfolgten Dr. S und der ÄKNO, die Stellungnahmen der BÄK und der ÄKNO zur Auslegung von § 4 Abs. 2 GOÄ sowie das Gutachten von Herrn Prof. Dr. U vom 14.08.2007 sind im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt worden (im Selbstlesepaket Band V enthalten).
133c) aa) Die objektiven Feststellungen zur Vorgehensweise des Angeklagten bei der Durchführung von M-III-Untersuchungen beruhen auf seiner glaubhaften Einlassung. Diese wird bestätigt durch die Angaben der Zeugen K, W, Z, B1, Q, D und E, die übereinstimmend bekundet haben, den Angeklagten persönlich mit Namen zu kennen, weil dieser sehr häufig in den Räumlichkeiten der Ärztlichen Gemeinschaft anwesend sei. Er sei auch in der Zeit ab 2005 in der Regel täglich in der Mittagszeit erschienen, um Blutproben persönlich im Labor abzugeben und – soweit erforderlich – Untersuchungsergebnisse zu validieren. Im Einzelfall sei er auch zweimal täglich in den Räumlichkeiten der Ärztlichen Gemeinschaft gewesen. Hierdurch habe sich der Angeklagte von anderen Gesellschaftern der Ärztlichen Gemeinschaft abgehoben, die in der Regel nur an ihrem M-III-Analysetag und auch nur zur Validation in die Räumlichkeiten der Ärztlichen Gemeinschaft gekommen seien. Die Zeugin Q hat darüber hinaus bestätigt, dass der Angeklagte am Validationsarbeitsplatz im Empfangsbereich, den sie von ihrem Arbeitsplatz in der Telefonzentrale sehen könne, regelmäßig die ausgelegten Ordner mit den Ergebnissen der Qualitätskontrollen eingesehen habe.
134Dass die M-III-Analysen zeitnah nach Abgabe der Proben durch den Angeklagten, in der Regel innerhalb von 1,5 bis 2 Stunden, abgearbeitet wurden, haben die Zeuginnen K, die Leitende MTA der Ärztlichen Gemeinschaft war, W, die technische Leiterin des Labors war und inzwischen Leitende MTA ist, und E, die mit der Durchführung der M-III-Untersuchungen befasst war und ist, bestätigt. Sie haben mit den Feststellungen im Einklang stehende Angaben zur Dauer der einzelnen Untersuchungen gemacht und erklärt, selbst bei Verzögerungen durch hohen Arbeitsanfall und/oder besonders zeitaufwändige Untersuchungen sei die Bearbeitung in dem o.g. Zeitrahmen sichergestellt.
135Die Einlassung des Angeklagten steht auch im Einklang mit den im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten bzw. auszugsweise verlesenen Befundberichten der Laborgemeinschaft, die regelmäßig eine Validation am Arbeitstag nach dem Eingang der Probe und zur Mittagszeit, ausnahmsweise schon am frühen oder späten Nachmittag des Eingangstags, belegen. Nachdem entsprechende Befundberichte für drei zusammenhängende Zeiträume – mit Ausnahme der Berichte für verstorbene und verzogene Patienten – vorlagen, war die Einführung von sämtlichen Befundberichten zu den verfahrensgegenständlichen Fällen, deren Beschaffung in der Praxis des Angeklagten mit erheblichem Aufwand verbunden gewesen wäre, nicht veranlasst.
136Dass die Proben des Angeklagten unmittelbar nach Abgabe noch in der Mittagspause analysiert wurden, der Angeklagte die Validation aber in der Regel erst am nächsten Laborarbeitstag vorgenommen hat, ist nicht aufgrund der von der Geschäftsführung der Ärztlichen Gemeinschaft empfohlenen tagesgleichen Validation ausgeschlossen. Es handelte sich hierbei um eine bloße Empfehlung, die, wie die Zeugin K bestätigt hat, nicht durch technische Maßnahmen durchgesetzt wurde. Das EDV-System habe lediglich eine Befundfreigabe ohne Validation verhindert. Dass Gesellschaftern der Ärztlichen Gemeinschaft, die ggf. nur aufgrund eines unvorhergesehenen Ereignisses an der tagesgleichen Validation gehindert waren, keinen Zugriff mehr auf die Untersuchungsergebnisse erhalten haben könnten, erscheint auch ausgesprochen lebensfremd und wäre unter haftungsrechtlichen Aspekten bedenklich. Ebenso wenig bietet der Umstand, dass der Angeklagte sich zur Teilnahme am Validationsverfahren mit dem in der Hauptverhandlung verlesenen Formular Anlage 1 zum Protokoll vom 04.02.2015 angemeldet hat, in dem er erklärt, einen Tag für die Durchführung der M-III-Analysen zu bestimmen, Anlass, an seiner Darstellung der objektiven Abläufe zu zweifeln. Es handelt sich um ein von der Geschäftsführung der Ärztlichen Gemeinschaft vorgegebenes Formular auf der Grundlage ihrer Empfehlungen. Eine rechtliche oder tatsächliche Verpflichtung, tagesgleich zu validieren, war damit nicht verbunden.
137Die Angaben des Angeklagten zur Gestaltung seiner Mittagspause hat seine Ehefrau, die Zeugin Y, bestätigt, die insbesondere bekundet hat, dass der Angeklagte die Pause in der Regel mit ihr zu Hause oder in einem italienischen Restaurant gegenüber der Räumlichkeiten der Laborgemeinschaft verbracht habe, er in der Regel gegen 15.00 Uhr wieder in die Praxis gefahren und per Privatanschluss und Handy erreichbar gewesen sei. Dass Privat- und Mobilnummern zahlreicher Ärzte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bei der Ärztlichen Gemeinschaft hinterlegt waren, hat zudem die Zeugin K bestätigt.
138Die verfahrensgegenständlichen Rechnungen sowie die Rechnungen der Ärztlichen Gemeinschaft an den Angeklagten sind im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt worden (Selbstlesepaket Band I-IV), ein Exemplar des Erläuterungsschreibens, das der Angeklagte ab 2002 verwendet hat, ist verlesen worden (Bl. 178 d.A.).
139bb) Dass der Angeklagte davon ausging oder billigend in Kauf nahm, dass er zur Abrechnung der M-III-Laborleistungen gegenüber seinen Privatpatienten nach den Vorschriften der GOÄ nicht berechtigt sei, konnte in der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden. Die Einlassung des Angeklagten, er habe sich an den Vorgaben der BÄK und ÄKNO orientiert und diese für erfüllt gehalten, ist unwiderlegt geblieben.
140Dass der Angeklagte sich gezielt Gedanken darüber gemacht hat, wie er die Anforderungen an die Erbringung einer „eigenen Leistung“ im Sinne des § 4 Abs. 2 GOÄ erfüllen kann, wird dadurch belegt, dass er – ohne dass dies von der BÄK, der ÄKNO oder der Ärztlichen Gemeinschaft gefordert oder empfohlen worden wäre – die Blutproben der Privatpatienten eigenhändig ins Labor gebracht hat und diese nicht wie die Blutproben der Kassenpatienten dem Fahrdienst des Labors mitgegeben hat. Bei M-III-Untersuchungen wies der Angeklagte zudem in den Rechnungen und dem diesen beigefügten Hinweisschreiben auf die Besonderheiten der Durchführung der Untersuchung in der Laborgemeinschaft hin. Er hat mithin für M-III-Untersuchungen ein eigenes System eingerichtet, was nur unter Abrechnungsgesichtspunkten einen Sinn ergibt.
141Für die Einlassung des Angeklagten spricht, dass er das von ihm entwickelte System zur Erbringung von M-III-Leistungen erkennbar an den Anforderungen der BÄK und ÄKNO ausgerichtet hat. Der Angeklagte hat insbesondere sichergestellt, dass er während der Durchführung der Untersuchungen telefonisch erreichbar und jederzeit in der Lage war, innerhalb weniger Minuten persönlich ins Labor zu kommen. Hierdurch und indem er in der Regel täglich im eigentlichen Labor war, Mitarbeiter und Abläufe kannte sowie regelmäßig die Ergebnisse der Qualitätskontrollen zur Kenntnis nahm, gab er den M-III-Leistungen ein derartiges persönliches Gepräge, dass die Annahme, er sei als juristischer Laie vom Vorliegen einer eigenen Leistung im Sinne von § 4 Abs. 2 GOÄ ausgegangen, nachvollziehbar erscheint.
142Gegen den Angeklagten spricht nicht, dass die Ärztliche Gemeinschaft die Durchführung der Validation am Untersuchungstag empfahl. Die Ärztliche Gemeinschaft hat zwar ihren Gesellschaftern gegenüber ausgeführt, dass dem Erfordernis der persönlichen Leistungserbringung „jedenfalls dann genüge getan ist, wenn der Arzt das Befundergebnis am Tage der Analyse im Labor persönlich validiert“ (vgl. Rundschreiben der Ärztlichen Gemeinschaft vom November 2007), und ihnen empfohlen, bei M-III-Laborleistungen mit einem Tagesaufkleber eine Untersuchungs-und Validationstag zu bestimmen, um eine „zeitnahe Validierung“ organisatorisch sicherzustellen (vgl. Rundschreiben der Ärztlichen Gemeinschaft vom 04.01.2008). Es handelt sich indessen um eine über die von der BÄK und der ÄKNO in ihren Stellungnahmen im Deutschen Ärzteblatt bzw. dem Rheinischen Ärzteblatt postulierten Anforderungen hinausgehende Empfehlung. Erforderlich ist danach lediglich eine persönliche Überprüfung der Plausibilität der Untersuchungsergebnisse, um bei auftretenden Zweifeln aus derselben Probe eine weitere Analyse zeitgerecht durchführen zu können. Eine solche Wiederholung der Untersuchung war bei der vom Angeklagten praktizierten Validierung am nächsten Laborarbeitstag ohne Weiteres möglich. Soweit dies anhand der in die Hauptverhandlung eingeführten Unterlagen nachvollzogen werden kann, ist eine tagesgleiche Validation erstmals im Rahmen des Schreibens des gesondert Verfolgten Dr. S vom 15.09.2003 an die ÄKNO im Rahmen der Darstellung des Validationsverfahrens erwähnt. Die ÄKNO hat diese dann im Rahmen ihrer Schreiben an die Ärztliche Gemeinschaft ebenso wie später Herr Prof. Dr. U aufgegriffen und als den rechtlichen Anforderungen genügend angesehen. Dem Angeklagten waren diese Schreiben der ÄKNO und das Gutachten von Prof. Dr. U im Einzelnen nicht bekannt. Da das Vorgehen des Angeklagten insoweit den Anforderungen der BÄK und ÄKNO in ihren veröffentlichten Stellungnahmen in vollem Umfang genügte, spricht der Umstand, dass er den Empfehlungen der Ärztlichen Gemeinschaft nicht gefolgt ist, nicht ohne Weiteres dafür, dass er billigend in Kauf genommen hat, dass sein Vorgehen der Abrechenbarkeit entgegenstehen könnte.
143Auch daraus, dass der Angeklagte seine Einlassung im Hinblick auf den Zeitpunkt der Validierung im Laufe der Hauptverhandlung korrigieren musste, kann nicht auf einen Vorsatz des Angeklagten bzgl. des Fehlens der Abrechnungsvoraussetzungen geschlossen werden. Zwar hat der Angeklagte sich zunächst dahingehend eingelassen, die Ergebnisse der M-III-Laboruntersuchungen am gleichen Tag nach der Mittagspause validiert zu haben, womit er auch den Empfehlungen der Ärztlichen Gemeinschaft entsprochen hätte. Abgesehen davon, dass auch eine bewusst falsche Einlassung eines Angeklagten nicht den zwingenden Schluss auf seine Schuld zulässt, weil sich auch der Unschuldige in die Lüge flüchten kann, ist offen geblieben, ob der Angeklagte zunächst bewusst falsche Angaben gemacht hat, um seine Sachverhaltsdarstellung den Empfehlungen der Ärztlichen Gemeinschaft anzugleichen. Dies liegt zwar auf den ersten Blick nahe, ebenso nachvollziehbar ist angesichts des Zeitablaufs indessen seine Erklärung, dass er sich aufgrund der seit 2012 praktizierten Präsenzvalidation schlicht geirrt habe.
144Dass der Angeklagte von den Durchsuchungen bei der Ärztlichen Gemeinschaft im Jahr 2007 und dem weiterem Gang des Ermittlungsverfahrens Kenntnis hatte, spricht angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falls nicht gegen seine Einlassung. Nicht nur hat die Ärztliche Gemeinschaft gegenüber den Gesellschaftern im verfahrensgegenständlichen Zeitraum stets betont, dass das in der Laborgemeinschaft durchgeführte Validierungsverfahren den rechtlichen Anforderungen an die Erbringung von M-III-Laborleistungen als eigene Leistung im Sinne von § 4 Abs. 2 GOÄ entspreche. Der Angeklagte hat vor allem die Erbringung der M-III-Laborleistungen gerade anders als von der Ärztlichen Gemeinschaft empfohlen und von der Mehrheit der Gesellschafter praktiziert gehandhabt. Dabei hat er sich in die Leistungserbringung deutlich mehr als von der Ärztlichen Gemeinschaft empfohlen eingebracht. Es liegt daher nicht fern, dass er angenommen hat, die Monita der Staatsanwaltschaft an der Verfahrensweise in der Ärztlichen Gemeinschaft beträfen ihn nicht, zumal in den Durchsuchungsbeschlüssen auch unzutreffend eine Rabattgewährung des Labors angesprochen wurde, die nicht an die Patienten weitergegeben worden sei.
145Nach alledem hat die Kammer durchgreifende Zweifel an einem vorsätzlichen Handeln des Angeklagten.
146d) Die Feststellungen zu dem von der Staatsanwaltschaft Wuppertal geführten Ermittlungsverfahren gegen die Mitglieder der Ärztlichen Gemeinschaft und die Einstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten gegen Geldauflage beruhen auf der Einlassung des Angeklagten sowie den in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden aus dem Sonderheft 7 zur Akte 115 Js 74/03 der Staatsanwaltschaft Köln.
147Die Feststellungen zum Gang des vorliegenden Ermittlungsverfahrens beruhen auf den Angaben der Zeugin KHK´in P, der Ermittlungsführerin der Polizei, des Zeugen KOK T, der ebenfalls an den Ermittlungen beteiligt war, den verlesenen Durchsuchungsbeschlüssen sowie dem verlesenen Schreiben der Staatsanwaltschaft Köln an den Angeklagten vom 14.01.2011.
148D.
149Nach den getroffenen Feststellungen war der Angeklagte insgesamt freizusprechen.
150I.
151Die angeklagten Fälle 1 – 134 sind verjährt. Die Verjährungsfrist für die dem Angeklagten zur Last gelegten Betrugstaten beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die Verjährung ist gegenüber dem Angeklagten erst durch das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 14.11.2011, in dem ihm die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn bekannt gegeben worden ist, unterbrochen worden, § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB.
152Die Verjährung ist gegenüber dem Angeklagten nicht bereits durch den Erlass der Durchsuchungsbeschlüsse in dem Ermittlungsverfahren 115 Js 74/03 gegen die Verantwortlichen der Ärztlichen Gemeinschaft nach § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB unterbrochen worden, da sich die Durchsuchungsanordnungen nicht gegen den zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten Angeklagten richteten. Gemäß § 78c Abs. 4 StGB wirkt die Unterbrechung der Verjährung nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht. Durchsuchungsbeschlüsse können nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung entfalten, wenn die Durchsuchung innerhalb eines Verfahrens erfolgt, das gegen einen bereits bekannten Täter geführt wird. Zwar muss der Täter nicht namentlich bekannt sein. Es müssen jedoch Merkmale vorliegen, die den Täter sicher individuell bestimmen. Dafür reicht es nicht aus, wenn der Täter durch die Maßnahme seiner Person nach erst ermittelt werden soll, auch wenn das mit Hilfe vorhandener schriftlicher Unterlagen erfolgsversprechend oder möglich und der in Betracht kommende Personenkreis begrenzt ist. Vielmehr ist erforderlich, dass der Täter auf Grund bei den Akten befindlicher Unterlagen bestimmt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 16.03.1972 - 4 StR 55/72 -; BGH, Urteil vom 12.03.1991 - 1 StR 38/91 -; BGH, Beschluss vom 06.03.2007 - KRB 1/07 -).
153Die Durchsuchungsbeschlüsse im Verfahren 115 Js 74/03 richteten sich gegen die Verantwortlichen der Ärztlichen Gemeinschaft und nennen den Angeklagten nicht. Die Durchsuchung diente ausweislich der Begründung der Durchsuchungsbeschlüsse vielmehr dazu, noch unbekannte weitere Tatverdächtige, in diesem Fall die Ärzte, die Leistungen der Laborgemeinschaft in Anspruch genommen haben, zu ermitteln. Da der Angeklagte zum Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsbeschlüsse den Ermittlungsbehörden noch nicht bekannt war, konnte die Durchsuchungsbeschlüsse auch keine verjährungsunterbrechende Wirkung entfalten.
154Trotz des Vorliegens dieses Verfahrenshindernisses war im Urteil in diesen Fällen nicht die Verfahrenseinstellung auszusprechen, sondern auf Freispruch zu erkennen, soweit das Verfahren nicht bereits vor Eröffnung der Hauptverhandlung nach § 154 StPO vorläufig eingestellt worden war, da nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung feststeht, dass dem Angeklagten keine Straftat nachzuweisen ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage 2014, § 260 Rn. 44; KK-Ott, StPO, 7. Auflage 2013, § 260 Rn. 50 f.).
155II.
156In den unter B.II.6. genannten Fällen schied eine Verurteilung des Angeklagten schon deshalb aus, weil entweder nicht festgestellt werden konnte, dass sie in der Ärztlichen Gemeinschaft durchgeführte M-III-Laboruntersuchungen betrafen, oder die gleiche Rechnung doppelt zum Gegenstand der Anklage gemacht worden ist.
157III.
158Der Angeklagte hat sich im Übrigen nicht wegen Betruges nach § 263 StGB strafbar gemacht, da kein Vorsatz in Bezug auf die Täuschungshandlung und die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils festgestellt werden konnte.
1591. Der Angeklagte täuschte in den verfahrensgegenständlichen Fällen objektiv seine Patienten über das Vorliegen der Voraussetzungen, die zur Abrechnung von M-III-Leistungen berechtigen. Durch die Abrechnung der Leistungen machte der Angeklagte nicht lediglich einen Zahlungsanspruch geltend, sondern behauptete auch, die Voraussetzungen der zugrunde liegenden Rechtsvorschriften eingehalten zu haben. Wer eine Leistung einfordert, bringt damit zugleich das Bestehen des zugrunde liegenden Anspruchs, hier also die Abrechnungsfähigkeit der in Rechnung gestellten ärztlichen Leistung zum Ausdruck (vgl. BGH, Beschluss vom 25.01.2012 - 1 StR 45/11 -; BGH, Urteil vom 04.09.2012 - 1 StR 534/11 -; BGH, Urteil vom 10.03.1993 - 3 StR 461/92 -; Fischer, StGB, 62. Auflage 2015, § 263 Rn. 35).
160Der Angeklagte war in den verfahrensgegenständlichen Fällen nicht zur Abrechnung der M-III-Laborleistungen gegenüber seiner Patienten nach § 4 Abs. 2 GOÄ berechtigt, da es sich nicht um eigene Leistungen des Angeklagten handelte. Erbringt der Arzt die Leistung nicht persönlich, liegt eine eigene Leistung im Sinne dieser Vorschrift nur vor, wenn sie unter seiner Aufsicht nach seiner fachlichen Weisung erbracht wird. Eine Ausnahme gilt lediglich für Laborleistungen des Abschnitts M. II. des Gebührenverzeichnisses der GOÄ.
161a) Vorliegend wurden die M-III-Leistungen nach der fachlichen Weisung des Angeklagten erbracht. Der Angeklagte besitzt insbesondere aufgrund seiner abgeschlossenen Facharztausbildung die erforderliche Qualifikation zur Erbringung der verfahrensgegenständlichen Laborleistungen (vgl. Uleer u.a., GOÄ, § 4, Rn. 47; Hess, DÄBl. 1995, A-3509, A-3510). Da er seine Facharztweiterbildung vor Inkrafttreten der Weiterbildungsverordnung aus dem Jahr 1992 absolviert hat, ist ein gesonderter Fachkundenachweis nicht erforderlich.
162b) Der Angeklagte ist jedoch seiner Aufsichtspflicht nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen.
163Welche Anforderungen an die Aufsichtspflicht des Arztes bei der Erbringung von Speziallaborleistungen in Laborgemeinschaften zu stellen sind, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet.
164aa) Im Mittelpunkt der Diskussion steht insbesondere die Frage, ob der Arzt während des gesamten Untersuchungsvorgangs im Labor anwesend sein muss. Während eine strenge Auffassung eine Anwesenheit im Labor oder dessen unmittelbarer Nähe fordert (so etwa LG Duisburg, Urteil vom 28.05.1996 - 1 O 139/96 -; LG Hamburg, Urteil vom 20.02.1996 - 312 O 57/96 -; Uleer u.a., GOÄ, § 4, Rn. 44 ff.), lässt die Gegenauffassung eine telefonische Erreichbarkeit des Arztes bei allen in der Laborgemeinschaft durchgeführten Arbeitsschritten genügen (so etwa Hess aaO.; Zuck, VersR, 1996, 1315, 1320). Eine vermittelnde Ansicht, der sich auch die BÄK und die ÄKNO in den unter B.II.2. genannten Stellungnahmen angeschlossen haben, hält während der technischen Durchführung der Untersuchungen durch automatisierte Verfahren eine kurzfristige persönliche, nicht nur telefonische Erreichbarkeit des Arztes für ausreichend (so etwa U, MedR 1996, 498, 499; U/Neikes, MedR, 2008, 121, 130; Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695, 697; Fehn, MedR 2014, 377, 380).
165Die Kammer hält es mit der erstgenannten Auffassung für erforderlich, dass der abrechnende Arzt während des gesamten Untersuchungsvorgangs entweder im Labor selbst oder in dessen unmittelbarer Nähe anwesend ist. Unmittelbare Nähe in diesem Sinne ist nur gegeben, wenn der Arzt für die Labormitarbeiter jederzeit persönlich, nicht nur telefonisch, ansprechbar ist. Nur bei räumlicher und persönlicher Präsenz des Arztes kann er seiner Aufsichtspflicht effektiv nachkommen und die Tätigkeiten der Labormitarbeiter und die labortechnischen Vorgänge in dem erforderlichen Umfang überwachen. Gerade bei einer Laborgemeinschaft mit einer Vielzahl von Mitgliedern wird so sichergestellt, dass die Mitarbeiter, welche die Untersuchung durchführen, wissen, für welchen Arzt sie gerade tätig sind und diesen bei Problemen und Nachfragen unmittelbar ansprechen können, weil er sich im Labor oder etwa einem gesonderten Warteraum aufhält. Zudem ist auch nur so gewährleistet, dass der Arzt zu jedem Zeitpunkt in den Analysevorgang eingreifen kann und bei problematischen Befunden sofort die erforderlichen Beurteilungen und Anweisungen geben kann. Nach Auffassung der Kammer ist zudem eine regelmäßige persönliche stichprobenartige Kontrolle der Zustände und Abläufe im Labor zu fordern. Eine bloße Überprüfung der Durchführung der Qualitätssicherungsmaßnahmen reicht als bloße „Kontrolle der Kontrolle“ nicht aus. Hiervon geht auch die BÄK in ihrer Stellungnahme vom 01.03.1996 (DÄBl. 1996, A-562) aus, die gerade zwischen der stichprobenartigen Überprüfung der ordnungsgemäßen Laborgerätewartung und der Bedienungsabläufe einerseits und der Durchführung der Qualitätssicherungsmaßnahmen andererseits differenziert.
166Die Ausübung der Aufsicht auf diese Weise entspricht den Abläufen in der eigenen Praxis. Die Leistung des Arztes erhält ein persönliches Gepräge, welches ihn zur Abrechnung der Laborleistungen als eigene Leistung berechtigt. Es kann dahinstehen, ob aufgrund der Automatisierung der Untersuchungen (sog. Black-Box-Verfahren) die Ausübung der Aufsicht technisch und medizinisch erforderlich und sinnvoll ist. Der Verordnungsgeber hat jedenfalls die Abrechenbarkeit von M-III-Laborleistungen als eigene Leistung von der persönlichen Wahrnehmung der Aufsicht abhängig gemacht. Dies dient auch dem Ziel des Verordnungsgebers, Gebührenanreize durch die Selbstzuweisung von Laborleistungen zu vermindern, was auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden ist.
167bb) Der Angeklagte genügte diesen Anforderungen an die Aufsichtspflicht bei den verfahrensgegenständlichen Untersuchungen nicht. Er war während des Analysevorganges weder im Labor anwesend noch in dessen unmittelbarer Nähe. Die Anwesenheit in seiner Privatwohnung oder einem Restaurant reichen unabhängig von der räumlichen Entfernung vom Labor nicht aus. Er war dort weder für die Labormitarbeiter unmittelbar persönlich ansprechbar, noch war er in der Lage, von dort eine eigene Aufsicht auszuüben. Auch im Rahmen der allgemeinen Aufsicht hat er lediglich die Ergebnisse der Qualitätssicherungsmaßnahmen zur Kenntnis genommen, nicht aber die Zustände und Abläufe im Labor kontrolliert.
1682. Die Kammer konnte jedoch nicht feststellen, dass der Angeklagte insoweit vorsätzlich und in der Absicht gehandelt hat, sich rechtswidrig zu bereichern.
169Die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ist ein normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der – zumindest bedingte – Vorsatz des Täters erstrecken muss. Stellt er sich für die erstrebte Bereicherung einen Anspruch vor, der in Wirklichkeit nicht besteht, so handelt er in einem Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. In subjektiver Hinsicht erstrebt der Täter eine unrechtmäßige Bereicherung schon dann, wenn er es für möglich hält oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Forderung nicht oder nicht in diesem Umfang besteht. Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn der Täter die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen sich ergibt, dass ihm zivilrechtlich ein Anspruch nicht zusteht. Maßgeblich ist vielmehr, ob er sich als Ergebnis laienhafter Bewertung dieser Umstände einen von der Rechtsordnung anerkannten Anspruch auf die erstrebte Leistung nicht zumisst oder für zweifelhaft hält (vgl. BGH, Urteil vom 07.08.2003 - 3 StR 137/03 -; BGH, Urteil vom 15.10.1991 - 4 StR 420/91 - ; Fischer, StGB, 62. Auflage 2015, § 263 Rn. 193).
170Der Angeklagte ist nach seiner unwiderlegten Einlassung davon ausgegangen, die Abrechnungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 2 GOÄ zu erfüllen. Er hat sich an der von der BÄK und der ÄKNO vertretenen Auslegung des § 4 Abs. 2 GOÄ orientiert und sein Verhalten entsprechend ausgerichtet.
171Der Angeklagte konnte im Rahmen der vorzunehmenden Parallelwertung in der Laiensphäre annehmen, die von der BÄK und der ÄKNO aufgestellten Anforderungen für die Abrechnung von M-III-Leistungen zu erfüllen. Hiernach ist es nicht erforderlich, dass der Arzt während der vollautomatisch ablaufenden Vorgänge bei der Probenvorbereitung und der Analyse im Labor oder dessen unmittelbarer Nähe anwesend ist. Gefordert wird lediglich eine persönliche, nicht nur telefonische Erreichbarkeit des Arztes.
172Zu den einzelnen von der BÄK aufgestellten Voraussetzungen (s.o. B.II.2.) gilt hier Folgendes:
173a) Die Sicherstellung ordnungsgemäßer Probenvorbereitung einschließlich der Eingangsbegutachtung des Probenmaterials erfolgte im Wesentlichen in der Praxis des Angeklagten bzw. durch ihn selbst bei der Blutabnahme außerhalb der Praxis. Im Labor der Ärztlichen Gemeinschaft wurde lediglich die abschließende Probenvorbereitung durch Zentrifugation vorgenommen, wobei es sich um einen vollautomatischen Vorgang handelt, bei dem der Angeklagte nach den von der BÄK und der ÄKNO aufgestellten Kriterien nicht anwesend sein musste.
174b) Die regelmäßige – stichprobenartige – Überprüfung der ordnungsgemäßen Laborgerätewartung und der Bedienungsabläufe durch das Laborpersonal einschließlich der Durchführung der Qualitätssicherungsmaßnahmen hat der Angeklagte durch die Kenntnisnahme von den Berichten über die Qualitätssicherungsmaßnahmen wahrgenommen. Dies allein reicht zwar entgegen der von der ÄKNO im Schreiben vom 04.06.2008 (Selbstlesepaket Band V, Bl. 16) geäußerten und von der Geschäftsführung der Ärztlichen Gemeinschaft vertretenen Auffassung nicht aus. Da der Angeklagte sich indessen durch seine regelmäßige Anwesenheit im Labor einen persönlichen Eindruck von den dortigen Zuständen und Abläufen verschafft hat, wenn auch ohne die erforderlichen konkreten stichprobenartigen Kontrollen durchzuführen, und keinen Anlass zu Beanstandungen hatte, konnte er annehmen, den von den Ärztekammern aufgestellten Anforderungen zu genügen..
175c) Die persönliche und nicht nur telefonische Erreichbarkeit innerhalb kurzer Zeit zur Aufklärung von Problemfällen des Angeklagten war in einer den Anforderungen der BÄK und ÄKNO genügenden Weise sichergestellt. Der persönlichen Erreichbarkeit ist danach genügt, wenn der Arzt während der Untersuchungen kurzfristig in der Lage ist, im Labor zu erscheinen. Welche Anforderungen insoweit an die Entfernung des Arztes vom Labor und die etwaige Organisation von Praxisabläufen während des Untersuchungszeitraums zu stellen sind, kann offen bleiben. Dass der Angeklagte sicherstellte, dass die Untersuchungen während seiner Mittagspause durchgeführt wurden, und diese Zeit im Umkreis von ca. einem Kilometer vom Labor verbrachte, wobei er über seine Privatnummer oder sein Handy erreichbar war, genügt den Anforderungen in jedem Fall.
176d) Die persönliche Überprüfung der Plausibilität der aus einem Untersuchungsmaterial erhobenen Parameter im Labor nach Abschluss des Untersuchungsganges, um bei auftretenden Zweifeln aus derselben Probe eine weiter Analyse zeitgerecht durchführen zu können, hat der Angeklagte durch die Validation der Untersuchungsergebnisse vorgenommen. Er hat die Befundergebnisse in der Regel am nächsten Laborarbeitstag innerhalb von 24 Stunden nach der Untersuchung und damit zeitnah validiert. Eine Validierung am Tag der Analyse – wie sie von der Ärztlichen Gemeinschaft empfohlen wurde – war nicht erforderlich. Die BÄK und die ÄKNO fordern lediglich eine Überprüfung, die eine „zeitgerechte“ weitere Analyse ermöglicht. Da die Proben in der Ärztlichen Gemeinschaft zwei Wochen aufbewahrt wurden und eine Wiederholung der Untersuchung auch medizinisch innerhalb dieses Zeitraums ohne Weiteres möglich ist, ist diesem Erfordernis auch bei einer Validation am nächsten Laborarbeitstag genüge getan.
177e) Die unmittelbare Weisungsberechtigung gegenüber dem Laborpersonal war gegeben.
178f) Die Dokumentation der Wahrnehmung der Verantwortung erfolgte hier dadurch, dass die Person des validierenden Arztes und der Validationszeitpunkt mit dem Befund gespeichert und ausgedruckt wurden. Der Angeklagte hat sich zudem im in der Ärztlichen Gemeinschaft ausliegenden Anwesenheitsbuch eingetragen.
179Nach alledem konnte nach den getroffenen Feststellungen ein auch nur bedingter Vorsatz des Angeklagten nicht angenommen werden.
180E.
181Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.
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Urteil einreichenLandgericht Köln Urteil, 11. Feb. 2015 - 118 KLs 9/13 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Gebühren sind Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis (Anlage) genannten ärztlichen Leistungen.
(2) Der Arzt kann Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). Als eigene Leistungen gelten auch von ihm berechnete Laborleistungen des Abschnitts M II des Gebührenverzeichnisses (Basislabor), die nach fachlicher Weisung unter der Aufsicht eines anderen Arztes in Laborgemeinschaften oder in von Ärzten ohne eigene Liquidationsberechtigung geleiteten Krankenhauslabors erbracht werden. Als eigene Leistungen im Rahmen einer wahlärztlichen stationären, teilstationären oder vor- und nachstationären Krankenhausbehandlung gelten nicht
- 1.
Leistungen nach den Nummern 1 bis 62 des Gebührenverzeichnisses innerhalb von 24 Stunden nach der Aufnahme und innerhalb von 24 Stunden vor der Entlassung, - 2.
Visiten nach den Nummern 45 und 46 des Gebührenverzeichnisses während der gesamten Dauer der stationären Behandlung sowie - 3.
Leistungen nach den Nummern 56, 200, 250, 250a, 252, 271 und 272 des Gebührenverzeichnisses während der gesamten Dauer der stationären Behandlung,
(2a) Für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann der Arzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte. Die Rufbereitschaft sowie das Bereitstehen eines Arztes oder Arztteams sind nicht berechnungsfähig.
(3) Mit den Gebühren sind die Praxiskosten einschließlich der Kosten für den Sprechstundenbedarf sowie die Kosten für die Anwendung von Instrumenten und Apparaten abgegolten, soweit nicht in dieser Verordnung etwas anderes bestimmt ist. Hat der Arzt ärztliche Leistungen unter Inanspruchnahme Dritter, die nach dieser Verordnung selbst nicht liquidationsberechtigt sind, erbracht, so sind die hierdurch entstandenen Kosten ebenfalls mit der Gebühr abgegolten.
(4) Kosten, die nach Absatz 3 mit den Gebühren abgegolten sind, dürfen nicht gesondert berechnet werden. Eine Abtretung des Vergütungsanspruchs in Höhe solcher Kosten ist gegenüber dem Zahlungspflichtigen unwirksam.
(5) Sollen Leistungen durch Dritte erbracht werden, die diese dem Zahlungspflichtigen unmittelbar berechnen, so hat der Arzt ihn darüber zu unterrichten.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Gebühren sind Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis (Anlage) genannten ärztlichen Leistungen.
(2) Der Arzt kann Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). Als eigene Leistungen gelten auch von ihm berechnete Laborleistungen des Abschnitts M II des Gebührenverzeichnisses (Basislabor), die nach fachlicher Weisung unter der Aufsicht eines anderen Arztes in Laborgemeinschaften oder in von Ärzten ohne eigene Liquidationsberechtigung geleiteten Krankenhauslabors erbracht werden. Als eigene Leistungen im Rahmen einer wahlärztlichen stationären, teilstationären oder vor- und nachstationären Krankenhausbehandlung gelten nicht
- 1.
Leistungen nach den Nummern 1 bis 62 des Gebührenverzeichnisses innerhalb von 24 Stunden nach der Aufnahme und innerhalb von 24 Stunden vor der Entlassung, - 2.
Visiten nach den Nummern 45 und 46 des Gebührenverzeichnisses während der gesamten Dauer der stationären Behandlung sowie - 3.
Leistungen nach den Nummern 56, 200, 250, 250a, 252, 271 und 272 des Gebührenverzeichnisses während der gesamten Dauer der stationären Behandlung,
(2a) Für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann der Arzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte. Die Rufbereitschaft sowie das Bereitstehen eines Arztes oder Arztteams sind nicht berechnungsfähig.
(3) Mit den Gebühren sind die Praxiskosten einschließlich der Kosten für den Sprechstundenbedarf sowie die Kosten für die Anwendung von Instrumenten und Apparaten abgegolten, soweit nicht in dieser Verordnung etwas anderes bestimmt ist. Hat der Arzt ärztliche Leistungen unter Inanspruchnahme Dritter, die nach dieser Verordnung selbst nicht liquidationsberechtigt sind, erbracht, so sind die hierdurch entstandenen Kosten ebenfalls mit der Gebühr abgegolten.
(4) Kosten, die nach Absatz 3 mit den Gebühren abgegolten sind, dürfen nicht gesondert berechnet werden. Eine Abtretung des Vergütungsanspruchs in Höhe solcher Kosten ist gegenüber dem Zahlungspflichtigen unwirksam.
(5) Sollen Leistungen durch Dritte erbracht werden, die diese dem Zahlungspflichtigen unmittelbar berechnen, so hat der Arzt ihn darüber zu unterrichten.
(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht.
(3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist
- 1.
dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, - 2.
zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind, - 3.
zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind, - 4.
fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind, - 5.
drei Jahre bei den übrigen Taten.
(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.
(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch
- 1.
die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe, - 2.
jede richterliche Vernehmung des Beschuldigten oder deren Anordnung, - 3.
jede Beauftragung eines Sachverständigen durch den Richter oder Staatsanwalt, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist, - 4.
jede richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten, - 5.
den Haftbefehl, den Unterbringungsbefehl, den Vorführungsbefehl und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten, - 6.
die Erhebung der öffentlichen Klage, - 7.
die Eröffnung des Hauptverfahrens, - 8.
jede Anberaumung einer Hauptverhandlung, - 9.
den Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung, - 10.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens oder im Verfahren gegen Abwesende zur Ermittlung des Aufenthalts des Angeschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen ergeht, - 11.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten ergeht, oder - 12.
jedes richterliche Ersuchen, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen.
(2) Die Verjährung ist bei einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung oder Entscheidung abgefasst wird. Ist das Dokument nicht alsbald nach der Abfassung in den Geschäftsgang gelangt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem es tatsächlich in den Geschäftsgang gegeben worden ist.
(3) Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn seit dem in § 78a bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist und, wenn die Verjährungsfrist nach besonderen Gesetzen kürzer ist als drei Jahre, mindestens drei Jahre verstrichen sind. § 78b bleibt unberührt.
(4) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht.
(5) Wird ein Gesetz, das bei der Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert und verkürzt sich hierdurch die Frist der Verjährung, so bleiben Unterbrechungshandlungen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts vorgenommen worden sind, wirksam, auch wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung die Verfolgung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre.
BUNDESGERICHTSHOF
2. Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Betroffenen zu 1 sowie die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zu 2 werden nach § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO verworfen; der Betroffene zu 2 hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Betroffenen zu 1, an einen anderen Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.
G r ü n d e
- 1
- Das Oberlandesgericht hat die Betroffenen wegen vorsätzlichen „SichHinwegsetzens“ über die Unwirksamkeit eines nach § 1 GWB 1990 unwirksamen Vertrages, den Betroffenen zu 2 darüber hinaus – tateinheitlich – we- gen vorsätzlichen Zuwiderhandelns gegen das Verbot des § 1 GWB 1999 verurteilt. Gegen den Betroffenen zu 1 hat es eine Geldbuße in Höhe von 25.000 Euro, gegen den Betroffenen zu 2 eine solche in Höhe von 150.000 Euro verhängt. Während die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zu 2 aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg hat, führt die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zu 1 zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
- 2
- Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts trafen sich die Vertreter der im Vertriebsgroßraum H. tätigen Papiergroßhändler zwischen 1996 und 2000, um Mindestverkaufspreise für holzfreies Bilderdruckpapier abzusprechen. Für die P. GmbH & Co. KG (künftig: P. ), als deren Prokurist der Betroffene zu 1 für den Vertrieb in H. verantwortlich war, nahm deren Niederlassungsleiter G. an drei bis fünf Treffen bis Ende 1996 teil. Im Rahmen dieser Treffen hatte G. zumindest vorgetäuscht, sich an die Preisabsprachen halten zu wollen. Von diesen Treffen berichtete G. jeweils seinem Vorgesetzten, dem Betroffenen zu 1, der dieses Verhalten G. billigte.
- 3
- Das Oberlandesgericht sieht in dem Verhalten des Betroffenen zu 1 eine Förderung der verbotenen Absprachen, an denen sich G. beteiligt habe. Damit habe der Betroffene zu 1 gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 OWiG selbst ordnungswidrig gehandelt. Diese Tat, die bis zum Beginn des Jahres 1997 beendet gewesen sei, sei nicht verjährt, weil die Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Bonn vom 3. und 6. April 2000 die Verjährung rechtzeitig unterbrochen hätten.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zu 1 hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Annahme des Oberlandesgerichts , die Verjährung sei durch die Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Bonn unterbrochen worden, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 5
- 1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Oberlandesgericht allerdings davon aus, dass die Tat des Betroffenen zu 1 im Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsbeschlüsse noch nicht verjährt war. Zwar galt zum Zeitpunkt der Beendigung der Tat noch die dreijährige Verjährungsfrist, die jedoch durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13. August 1997 (BGBl. I 2038), das am 20. August 1997 in Kraft trat, auf fünf Jahre verlängert wurde (Art. 8 Nr. 1). Die Verlängerung der Verjährungsfrist erfasste auch die hier zu beurteilende Tat, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch nicht verjährt war (vgl. BGHSt 50, 30, 36 – Einspruchsrücknahme ). Die insoweit maßgebende fünfjährige Verjährungsfrist endete deshalb nicht vor Ablauf des Jahres 2001.
- 6
- 2. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Bonn die Verjährung in Bezug auf den Betroffenen zu 1 unterbrochen haben.
- 7
- a) Das Oberlandesgericht hält die Durchsuchungsbeschlüsse gegenüber dem Betroffenen zu 1 nach § 33 Abs. 1 Nr. 4 OWiG für verjährungsunterbrechend. Diese hätten sich gegen die P. gerichtet und seien auf eine umfassende Sachaufklärung angelegt gewesen. Ihre verjährungsunterbrechende Wirkung erstrecke sich deshalb auf sämtliche Vertriebsverantwortliche der P. . Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 8
- b) Ein Durchsuchungsbeschluss unterbricht nach § 33 Abs. 1 Nr. 4 OWiG nur dann die Verjährung gegen einen Tatverdächtigen, wenn er sich auf diesen Tatverdächtigen bezieht (BGH, Beschl. v. 1.8.1995 – 1 StR 275/95, StV 1995, 585). Die Unterbrechung der Verjährung wirkt immer nur gegenüber einer konkreten Person (§ 33 Abs. 4 Satz 1 OWiG). Dies setzt voraus, dass gegen diese Person ein entsprechendes Ermittlungsverfahren anhängig ist, hinsichtlich dessen die Verjährung unterbrochen werden kann. Deshalb ist es allgemein anerkannt, dass richterlichen Maßnahmen, die sich auf die Ermittlung eines noch unbekannten Täters richten, die Eignung fehlt, den Lauf der Verjährungsfrist zu unterbrechen (BGHSt 24, 321, 323; 2, 54, 55). Der Betroffene muss vielmehr im Zeitpunkt der Vornahme der Unterbrechungshandlung bereits „der Person nach“ bekannt sein (BGHSt 42, 283, 290). Deshalb kommt dem bisherigen Gang des Ermittlungsverfahrens und seiner Dokumentation in den Verfahrensakten eine entscheidende Bedeutung zu. Der hieraus erkennbare Verdachtsgrad und insbesondere auch die Fassung der Durchsuchungsanträge sind maßgeblich für die Beurteilung heranzuziehen, ob die Verfolgungsbehörde ihre Ermittlungen bereits auf den Betroffenen erstreckt hat.
- 9
- Durchsuchungsbeschlüsse können nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung entfalten, wenn die Durchsuchung, mag sie sich auch gegen einen Dritten richten, innerhalb eines Verfahrens erfolgt, das gegen einen bereits bekannten Täter geführt wird. Zwar muss dessen Name nicht zutreffend bezeichnet sein (BGHSt 42, 283, 290). Es müssen jedoch Merkmale bekannt sein, die den Täter sicher individuell bestimmen. Dabei ist es wegen der Bedeutung der Verjährung und der Rechtssicherheit im Hinblick auf ihren Ablauf erforderlich, dass der Täter aufgrund bei den Akten befindlicher Unterlagen bestimmt werden kann (BGHSt 24, 321, 323). Er muss als Tatverdächtiger im Zeitpunkt des Antrags auf Erlass des Durchsuchungsbeschlusses in den Akten genannt sein (BGH, Urt. v. 7.3.1961 – 1 StR 22/61, GA 1961, 239, 240; BGH bei Holtz, MDR 1991, 701).
- 10
- c) Ob diese Anforderungen im vorliegenden Fall erfüllt sind, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen. Die Durchsuchungsbeschlüsse weisen lediglich aus, dass gegen die P. allgemein der Verdacht bestand, Beschäftigte von ihr könnten sich an Preisabsprachen beteiligt haben. Konkrete Personen sind in den Durchsuchungsbeschlüssen nicht genannt. Vielmehr wurde die Durchsuchung von Räumen solcher Personen angeordnet, die abstrakt und nur ihrer Funktion nach bestimmt waren (Verantwortliche im Verkauf, Kalkulation und Akquisition sowie die Aufsichtspflichtigen ). Dies legt den Schluss nahe, dass insoweit die Durchsuchung erst Erkenntnisse über mögliche Beteiligte erbringen sollte. Anhaltspunkte, die den allgemeinen Verdacht – auch im Hinblick auf den Vertriebsraum H. als hier maßgeblichem Tatort – näher eingrenzen könnten, werden aus den Durchsuchungsbeschlüssen nicht deutlich. Gegen welche Personen ein konkreter Verdacht gegeben war, lässt sich den Durchsuchungsbeschlüssen mithin ebenso wenig entnehmen wie den Ausführungen des Oberlandesgerichts hierzu. Das Oberlandesgericht sieht sämtliche Vertriebsverantwortliche als Tatverdächtige. Abgesehen davon, dass es weder näher ausführt, ob sich die Verdachtsmomente gerade auch auf den Vertriebsraum H. bezogen, noch, auf welchen Grundlagen diese gegebenenfalls beruhten , könnte hierdurch lediglich ein abstrakter Tatverdacht begründet werden. Der abstrakte Tatverdacht sollte mit Hilfe der Durchsuchungen erst auf bestimmte Personen eingegrenzt werden. Dies reicht für eine verjährungsunterbrechende Wirkung der Durchsuchungsbeschlüsse jedoch nicht aus.
- 11
- d) Es lässt sich nicht klären, ob eine wirksame Unterbrechungshandlung vorliegt. Der Senat kann aufgrund der Aktenlage gleichfalls nicht sicher ausschließen, dass eine rechtzeitige Unterbrechung der Verjährung erfolgt ist. Deshalb kommt die Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung derzeit ebenfalls nicht in Betracht. Da das vorgelegte Aktenmaterial nicht die Ermittlungsvorgänge umfasst, die im Vorfeld der Durchsuchungsbeschlüsse erfolgt sind, vermag der Senat nicht zu überprüfen, ob sich aufgrund des Ermittlungsstands der Verfolgungswille des Bundeskartellamts schon so weitgehend konkretisiert hatte, dass der Betroffene zu 1 als Tatverdächtigter anzusehen war. Dann müssten freilich gegenüber der P. bereits konkrete Verdachtsmomente auch für den Vertriebsraum H. bestanden haben und der Betroffene zu 1, wenn auch nicht mit vollständigen Personalien, so doch jedenfalls aufgrund seiner konkreten Funktion als Person identifiziert in Verdacht geraten sein. Ließe sich das anhand des vorliegenden Aktenmaterials belegen, käme den Durchsuchungsbeschlüssen verjährungsunterbrechende Wirkung zu.
- 12
- 3. Das Verfahren ist an das Oberlandesgericht zur Prüfung dieser Fragen zurückzuverweisen. Der Senat sieht davon ab, das von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Prozesshindernis der Verjährung selbst im Freibeweisverfahren zu klären (vgl. BGH, Beschl. v. 27.5.2003 – 4 StR 142/03, NStZ 2004, 275, 276). Ihm liegen weder die hierfür erforderlichen Akten vor, noch lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausschließen, dass zum Umfang des Verdachtsgrads gegebenenfalls sogar Ermittlungsbeamte zur Klärung von Zweifelsfragen als Zeugen vernommen werden müssten (BGH aaO). Ermittlungen mit erheblichem Aufwand könnten zudem für die Überprüfung notwendig werden, ob möglicherweise andere Unterbrechungstatbestände gegeben sind. Hierzu bedarf es gleichfalls der Sichtung des gesamten Aktenmaterials.
III.
- 13
- Der neue Tatrichter wird unter Berücksichtigung des Aktenmaterials zu prüfen haben, ob bereits ein entsprechender Tatverdacht gegen den Betroffenen zu 1 bestand und sich das Verfahren mithin zu diesem Zeitpunkt schon gegen ihn als Person richtete. Sollte dies nicht der Fall sein, wird weiter zu untersuchen sein, ob andere rechtzeitige verjährungsunterbrechende Maßnahmen in Betracht kommen können.
- 14
- Die Feststellungen zur Tat bleiben sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht aufrechterhalten. Sie sind – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausführt – rechtsfehlerfrei getroffen und ersichtlich von dem zur Aufhebung führenden Rechtsfehler unbeeinflusst (§ 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 353 Abs. 2 StPO).
Strohn Kirchhoff
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 19.06.2006 - VI-Kart 4/06 (Owi) -
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat, - 2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, - 3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt, - 4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder - 5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) (weggefallen)
BUNDESGERICHTSHOF
a) die Verurteilung im Fall Nr. 71 der Urteilsgründe aufgehoben und das Verfahren insoweit eingestellt;
b) der Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Betruges in 128 Fällen verurteilt ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last. Die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels hat der Beschwerdeführer zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 129 Fällen (jeweils in einer unterschiedlichen Anzahl tateinheitlich begangener Einzeltaten, insgesamt 2.339) zu drei Jahren und drei Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und ihm verboten, für die Dauer von drei Jahren als liquidationsberechtigter Arzt oder als angestellter Arzt mit eigenem Abrechnungsrecht tätig zu werden. Das Landgericht hat ferner festgestellt, dass der Angeklagte aus den Taten insgesamt Vermögen im Wert von 748.244,87 € erlangt hat, wobei auf die Taten vor dem 1. Januar 2007 ein Betrag in Höhe von 630.581,99 € und auf die Taten nach dem 1. Januar 2007 in Höhe von 117.662,88 € entfällt. Die „Fest- setzung von Wertersatz oder des Verfalls von Wertersatz“ unterbleibt, da Ansprüche geschädigter Dritter gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen.
- 2
- Die hiergegen gerichtete, mit der Verletzung formellen und sachlichen Rechts begründete Revision hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO, nachfolgend B.), im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Revision zeigt weder einen durchgreifenden Verfahrensfehler auf (C.) noch hat die umfassende sachrechtliche Nachprüfung des Urteils im Schuldspruch (D.) oder im Rechtsfolgenausspruch (E.) einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
A.
- 3
- Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
- 4
- I. Der Angeklagte betrieb als Arzt für Allgemeinmedizin im Tatzeitraum (Oktober 2002 bis September 2007) eine mit der Erbringung von Naturheilverfahren , Homöopathie- und Osteopathieleistungen sowie Traditioneller Chinesischer Medizin beworbene Praxis, in der er grundsätzlich Privatpatienten behandelte ; eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung hatte er nicht. Zur Abrechnung gegenüber den Patienten bediente er sich der (gutgläubigen) M. GmbH, der er die - für die von ihm gewünschte Abrechnung erforderlichen - Daten übermittelte.
- 5
- Um sich neben Honoraransprüchen „eine auf Dauer gerichtete Einnah- memöglichkeit zu verschaffen“ (UA S. 19) ließ der Angeklagte an 129 Tagen mehr als 2.300 „inhaltlich unrichtige Abrechnungen“ an seine Patienten schicken , um „unter Täuschung seiner Patienten über die Richtigkeit dieser Ab- rechnungen bei diesen Honorare für tatsächlich nicht erbrachte, tatsächlich nicht von ihm erbrachte und tatsächlich nicht so erbrachte Leistungen zu be- rechnen und entsprechende Erlöse einzunehmen“ (UA S.14). Der Angeklagte ging dabei wie folgt vor:
- 6
- 1. Der Angeklagte hat in Absprache mit sechs seiner Patienten Rechnungen , die angeblich erbrachte und erstattungsfähige Leistungen auswiesen, erstellen lassen, obwohl er keine Leistungen oder nicht erstattungsfähige Leistungen erbracht hat (Lieferung nicht erstattungsfähiger Medikamente bzw. Injektionen ; Behandlung einer nicht privat versicherten Tochter einer privatversi- cherten Patientin; fingierte Hausbesuche zur „Ersparung“ eines Selbstbehalts; fingierte Leistungen zur hälftigen Teilung des Erstattungsbetrags mit dem Patienten ). Die Patienten reichten diese Rechnungen - wovon der Angeklagte sicher ausging (UA S.112) - bei ihren jeweiligen Versicherungen, in einem Fall zusätzlich bei einer Beihilfestelle ein und erhielten so die in Rechnung gestellten Kosten des Angeklagten erstattet. Wäre den Sachbearbeitern bei den Versicherungen bzw. der Beihilfestelle der wahre Sachverhalt bekannt gewesen, wäre eine Erstattung unterblieben.
- 7
- 2. Ferner hat der Angeklagte, der Mitglied einer Laborgemeinschaft war, von dieser Laborleistungen der Klasse M II bezogen, welche er gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) selbst abrechnen konnte, wobei hierfür gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 GOÄ ein Standard-Steigerungsfaktor von 1,15 vorgesehen ist. Mit dem Hinweis auf eine „sehr umfangreiche und zeitintensive Leistung aufgrund persönlicher Befundung“ ließ der Angeklagte demgegenüber Laborleistungen der Klasse M II mit dem Höchst-Steigerungs- faktor (§ 5 Abs. 4 Satz 1 GOÄ) von 1,3 abrechnen. Der Angeklagte wusste je- doch, „dass er keine einzige Befundung im Bereich M II selbst je durchgeführt hatte, sondern sämtliche Parameter bei der Laborgemeinschaft“ bezogen hatte (UA S. 109). Die Patienten „irrten entsprechend und bezahlten“ die um die Dif- ferenz zwischen dem 1,15- und dem 1,3-fachen „überhöhten Beträge“ (UA S. 24).
- 8
- Zudem rechnete der Angeklagte die von der Laborgemeinschaft bezogenen Untersuchungen der Klasse M II als angeblich im eigenen Labor erbrachte Leistungen der Klasse M I ab, dies wiederum teilweise mit dem - unzutreffenden - Höchststeigerungsfaktor von 1,3. „Hätten die Patienten gewusst, dass es sich in Wirklichkeit um niedriger bewertete M II Leistungen gehandelt hat, hätten sie lediglich den Preis für M II Leistungen bezahlt“ (UA S. 27).
- 9
- 3. Darüber hinaus (und vor allem) hat der Angeklagte nicht persönlich erbrachte Leistungen abrechnen lassen.
- 10
- a) Laborleistungen der Klassen M III und M IV (Speziallaborleistungen) konnte der Angeklagte nur von einem hierzu befähigten und einzig gegenüber dem Patienten liquidationsberechtigten Laborarzt (Speziallabor) erbringen lassen. Um dennoch Gewinne aus der Erbringung von Speziallaborleistungen zu erzielen, profitierte der Angeklagte von einer von der Laborgruppe des Dr. Sch. (Augsburg) „seit vielen Jahren vielen tausend interessier- ten Ärzten im Bundesgebiet“ (UA S. 21) angebotenen Kooperation (Rahmen- vereinbarung), die sich in gleicher Weise auch bei zwei weiteren Laboren wie folgt gestaltete:
- 11
- Der Angeklagte sandte, wenn er Untersuchungen der Klassen M III oder M IV benötigte, die dafür erforderlichen Proben an die im Urteil näher feststell- ten Labore/Laborgruppen (im Folgenden: Laborarzt), wo die Proben seinen Wünschen entsprechend fachlich und medizinisch korrekt untersucht (beprobt) wurden (UA S. 21). Die Ergebnisse wurden ihm per Datenfernübertragung übermittelt. Die erbrachten Leistungen des Laborarztes wurden von diesem „gegenüber dem Patienten nicht geltend gemacht“ (UA S. 22). Vielmehr wurden den jeweiligen Einsendeärzten - so auch dem Angeklagten - die Laborleistungen zu einem niedrigen, der Höhe nach vom Gesamtbeauftragungsumfang abhängigen Betrag in Rechnung gestellt. Der Angeklagte zahlte je nach Labor zwischen 0,32 (Rabattstufe für „gute Kunden“) und 1,0 des für die Leistung maßgeblichen jeweiligen GOÄ-Satzes. Der Angeklagte rechnete sodann gegenüber Privatpatienten die durchgeführten Untersuchungen als eigene ab, „regelmäßig unter Geltendmachung des Standard-Erhöhungsfaktors nach § 5 Abs. 4 GOÄ, d.h. mit einem Faktor von 1,15“ (UA S. 22).
- 12
- In allen der Verurteilung zugrunde liegenden Fällen waren die Laborleis- tungen „tatsächlich benötigt“ und wurden „fachlich und medizinisch korrekt“ er- bracht (UA S. 21). Nach den Feststellungen des Landgerichts wusste der An- geklagte, „dass er zur eigenen Liquidation dieser Laborleistungen nicht berech- tigt war. Hätten die Privatpatienten gewusst, dass der Angeklagte die Leistungen nicht selbst erbracht hat, zur Liquidation nicht berechtigt war, weil er nicht Inhaber der Forderung war und damit die Rechnung auch nicht erstattungsfähig war, hätten sie diese Leistung nicht auf die durch die M. GmbH erstellten Rechnungen hin auf das dort angegebene Konto bezahlt“ (UA S. 24).
- 13
- b) Ferner ließ der Angeklagte Behandlungen als eigene abrechnen, die in seinen Praxisräumen tätige Therapeuten (ein Osteopath und ein aus China stammender Arzt für Traditionelle Chinesische Medizin) erbrachten, die im Tat- zeitraum weder approbiert noch niedergelassen waren und „daher keine Be- rechtigung hatten, selbständig Leistungen an Patienten zu erbringen und abzu- rechnen“ (UA S. 27 f.). Tatsächlich erbrachten diese an Patienten des Angeklagten „in eigener Verantwortung, ohne Aufsicht oder Kontrolle durch den Angeklagten“ (UA S. 28), aber fehlerfrei, osteopathische Leistungen und Akupunk- turleistungen. Der Angeklagte führte jeweils ein „Eingangsgespräch“ und ein „Abschlussgespräch“ mit den Patienten, er hatte aber nicht die fachlichen Kenntnisse, die Tätigkeit der Therapeuten zu überwachen. Diese erhielten vom Angeklagten zwischen 40 und 55 € für jede Behandlung. Der Angeklagte ließ diese („eingekauften“) Leistungen den Patienten sodann als selbst erbrachte ärztliche Leistung in Rechnung stellen: Leistungen des Osteopathen wurden meist mit 125,60 € berechnet, Leistungen des Akupunkteurs mit 71,17 € oder 83,76 €. Der Angeklagte verwendete zur Abrechnung jeweils eine „Kette“ ver- schiedener GOÄ-Ziffern, von denen einige Leistungen betreffen (Bsp: Injektionen gem. GOÄ-Ziffern 255 und 256), die tatsächlich nicht durchgeführt worden waren.
- 14
- c) Des Weiteren ließ der Angeklagte bestimmte Untersuchungen der Klasse M III, die in einem Speziallabor hätten erbracht werden müssen, in der oben 2. genannten Laborgemeinschaft durchführen. Diese Laborleistungen ließ der Angeklagte sodann wie eigene Untersuchungen der Klasse M II gegenüber den Patienten abrechnen.
- 15
- II. Die Strafkammer hat die Fälle oben 1. als mittäterschaftlich begangenen Betrug zum Nachteil der jeweiligen Versicherungen/Beihilfestellen gewertet , alle anderen Fälle als Betrugstaten zum Nachteil der jeweiligen Patienten.
- 16
- In den Fällen oben 3.a. (Abrechnung von Speziallaborleistungen) sieht die Strafkammer einen Schaden beim Patienten darin, dass der Rechnung des Angeklagten keine durch die Zahlung erlöschende Forderung zugrunde liege.
- 17
- Das Erbringen der Laborleistungen stelle keine vollständige, unmittelbar mit der Verfügung des Patienten verbundene Kompensation dar. Überdies sei (1.) der Patient hinsichtlich einer Rückforderung bezahlter Beträge mit einem bereits konkretisierten Insolvenzrisiko des Angeklagten belastet, (2.) der tatsächliche Leistungserbringer, obgleich für den Patienten von besonderer Be- deutung, nicht erkennbar, was „ein zusätzliches Risiko bzw. eine Minderleistung , welches nicht kompensiert werden kann“ (UA S. 102) unter dem Ge- sichtspunkt des persönlichen Schadenseinschlages für den Patienten begründe und (3.) der Patient bei Bekanntwerden der wahren Verhältnisse dem Risiko einer von Versicherungen oder Beihilfestellen versagten Kostenerstattung oder einer Rückforderung gezahlter Beträge durch diese ausgesetzt.
- 18
- III. Die vom Angeklagten geltend gemachte Spielsucht hat die Strafkammer - gestützt auf ein Sachverständigengutachten - als nicht krankheitswertiges Verhalten bewertet, das sich im normalpsychologischen Spektrum wie bei jedem Menschen mit einem ausgeprägten Hobby bewege, und daher uneingeschränkte Schuldfähigkeit bejaht.
B.
- 19
- Hinsichtlich des Falles Nr. 71 der Urteilsgründe besteht ein zur Einstellung des Verfahrens führendes Verfahrenshindernis.
- 20
- Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: „Fall Nr. 71 der Urteilsgründe betrifft eine Rechnung vom 19. Juli 2005 (…). Hinsichtlich dieser Tat ist das Verfahren mit Beschluss vom 25. Juni 2010 (…) gemäß § 154 Abs. 1 Nr.1, Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden; eine Wiedereinbeziehung dieses Tatvorwurfs ist nicht erfolgt. Die Verurteilung wegen Betruges wegen dieser Tat muss daher entfallen.“
- 21
- Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Mit der Einstellung durch einen Gerichtsbeschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO entsteht ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, zu dessen Beseitigung ein förmlicher Wiederaufnahmebeschluss erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 18. April 2007 - 2 StR 144/07; BGH, Beschluss vom 7. März 2006 - 2 StR 534/05 mwN). Einen solchen Beschluss hat das Landgericht nicht erlassen.
C.
- 22
- Die Revision zeigt - auch soweit sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt - keinen durchgreifenden Verfahrensfehler auf.
- 23
- I. Mit zulässig erhobener Verfahrensrüge macht die Revision einen Verstoß gegen § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO geltend, den sie darin sieht, dass eine die einzelnen Taten auflistende (mehrere Ordner umfassende) Tabelle nicht im Anklagesatz aufgenommen und dementsprechend nicht verlesen worden war.
- 24
- Der Rüge bleibt aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen der Erfolg versagt. Der vom Großen Senat für Strafsachen (vgl. Beschluss vom 12. Januar 2011 - GSSt 1/10) für unerlässlich erachtete Teil des Anklagesatzes wurde in der Hauptverhandlung verlesen. Trotz der gerügten Lückenhaftigkeit des Anklagesatzes erfüllt die Anklage ihre Umgrenzungsfunktion hinreichend, wenn der Angeklagte - wie hier - die einzelnen Tatvorwürfe dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen entnehmen kann. Die Informationsfunktion , die der Verlesung des Anklagesatzes in der Hauptverhandlung zukommt, wird durch die unvollständige Fassung des Anklagesatzesebenfalls nicht berührt; die die Einzeltaten näher individualisierenden tatsächlichen Umstände müssen nicht in der Hauptverhandlung verlesen werden. Daher stellt der Umstand, dass die näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten oder der Einzelakte in Tabellen enthalten waren, die zwar Teil der Anklageschrift, aber nicht Teil des Anklagesatzes i.S.v. § 243 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 200 Abs. 1 StPO waren, keinen Verfahrensfehler dar, auf dem das Urteil beruht (BGH, Beschluss vom 15. März 2011 - 1 StR 260/09).
- 25
- II. Die Rüge eines Verstoßes gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO hat keinen Erfolg. Ihr liegt folgendes prozessuales Geschehen zugrunde:
- 26
- In der Hauptverhandlung stellte der Angeklagte einen Antrag auf Zeugenvernehmung mit den Behauptungen, dass die Patienten wegen der vom Angeklagten abgerechneten Laborleistungen der Klassen M I, M III oder M IV keinem „latenten Rückforderungsanspruch einer Beihilfestelle oder eines privaten Versicherungsunternehmens ausgesetzt“ seien, weil sie entweder dieLeis- tungen nicht bezahlt hätten, oder sie im Zeitpunkt der jeweiligen Behandlung weder beihilfeberechtigt noch privat versichert gewesen seien, oder die Laborleistungen nicht vom Versicherungstarif umfasst seien, oder die Rechnungen nicht zur Erstattung bei Versicherung oder Beihilfestelle geltend gemacht worden seien oder weil die Erstattung der Laborleistungen abgelehnt worden sei. Ferner sollte bewiesen werden, dass keiner der Patienten tatsächlich auf Rückzahlung in Anspruch genommen worden sei.
- 27
- Dem Antrag war eine Tabelle beigefügt, in der der jeweilige Zeuge mit ladungsfähiger Anschrift sowie zugehöriger Rechnungsnummer und die jeweils ihn betreffenden GOÄ-Ziffern der Leistungsgruppen M I, M III und M IV aufgeführt waren. Nach Hinweis auf die Fehlerhaftigkeit dieser Anlage, legte die Verteidigung zwei Leitzordner vor, die nunmehr als Anlage zum Beweisantrag genommen wurden. Hinsichtlich dieser wurde, ebenso wie zu einer vom nach Antragstellung gehörten Zeugen S. übergebenen Ausbuchungsliste der M. GmbH vom 2. August 2010 das Selbstleseverfahren angeordnet. Der Staatsanwalt gab eine Erklärung zum Beweisantrag ab und übergab sodann die Stellungnahme in schriftlicher Form zu den Akten (HV-Protokoll S. 58). Unter Bezugnahme auf die Aussagen des Zeugen S. erklärte der Verteidiger, eine Zeugeneinvernahme dazu „welche Rechnungen nicht bzw. nicht in voller Höhe bezahlt wurden“ werde nicht beantragt bzw. zurückgenommen (HV-Protokoll S. 59). Im Folgenden wurde mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und unter Bezugnahme auf vorerwähnte Ausbuchungsliste das Verfahren durch Beschluss der Strafkammer gemäß § 154a StPO beschränkt (HV-Protokoll S. 60). Ferner wurde ein „Schriftsatz des Verteidigers vom 20.08.2010 über die bisher geltend gemachten Rückforderungsansprüche der Krankenkassen und Beihil- festellen besprochen“ (HV-Protokoll S. 62).
- 28
- Die Strafkammer hat den Antrag sodann durch Beschluss vom 26. August 2010 „gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 2. Alt. StPO abgelehnt, soweit er sich nicht durch die (teilweise) Rücknahme vom 12.08.2010“ erledigt hat. Es komme nicht darauf an, ob ein Geschädigter seinen Schaden von einer Versicherung ersetzt erhalten hat. Rechtlich entscheidend für die Annahme eines vollendeten Betruges sei, ob der Patient auf eine tatsächlich nicht oder nicht in dieser Höhe bestehende Forderung des Arztes gezahlt habe; ein Ausgleich durch eine Versicherung führe nur zu einer Schadensverlagerung nach Schadenseintritt.
- 29
- 1. Die Rüge ist bereits unzulässig.
- 30
- Gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO sind bei Erhebung einer Verfahrensrüge die auf die jeweilige Angriffsrichtung bezogenen Verfahrenstatsachen vollständig und zutreffend so vorzutragen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung die einzelnen Rügen darauf überprüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegen würde, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09 mwN; BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 656/99; Kuckein in KK-StPO, 6. Aufl., § 344 Rn. 38 mwN). Dem genügt der Revisionsvortrag nicht.
- 31
- a) Der Revisionsvortrag ist unvollständig. Die Revision legt schon nicht die im mitgeteilten Beweisantrag in Bezug genommenen Anlagen in ihrer jeweiligen Fassung vor. Auch werden weder der Inhalt der staatsanwaltschaftlichen Stellungnahme zum Beweisantrag, noch der Schriftsatz der Verteidigung vom 20. August 2010 mitgeteilt, auf die das Revisionsvorbringen Bezug nimmt. Ebenso wenig trägt die Revision die für die Beurteilung des Beweisbegehrens erforderliche, auch im Teileinstellungsbeschluss in Bezug genommene „Ausbuchungsliste der M. “ vor, und auch nicht den sich „durch die heutige Einvernahme des Zeugen S. “ ergebenden Umfang, in dem die Beweisaufnahme „nicht beantragt bzw. zurückgenommen“ worden war. Dem Senat wird soins- besondere nicht die Überprüfung ermöglicht, in welchem Umfang und auf welcher Grundlage über den Beweisantrag nach dessen teilweiser Rücknahme und einer erfolgten Teileinstellung des Verfahrens noch zu entscheiden war.
- 32
- b) Die Revision bleibt durch widersprüchliches Vorbringen auch die erforderliche klare Bezeichnung der Angriffsrichtung schuldig, mithin werden die den Mangel begründenden Tatsachen nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise dargetan (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 StR 620/09; BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - 1 StR 157/10).
- 33
- Zum einen beruft sich die Revision darauf, die von der Strafkammer erörterte Gefahr der Inanspruchnahme der Patienten auf Rückzahlung von Versicherungen geleisteter Beträge könne nicht gegeben sein, wenn - wie im Antrag behauptet - ein Versicherungsschutz nicht bestehe, so dass diese Behauptung nicht bedeutungslos sei. Zum anderen macht die Revision geltend, bei der Strafzumessung hätte berücksichtigt werden müssen, dass kein einziger Patient auf Rückzahlung in Anspruch genommen worden sei, und insinuiert damit (anderes wäre offenkundig bedeutungslos), eine Rückforderung sei trotz bestehenden Versicherungsschutzes unterblieben. Damit aber macht die Revision zum einen geltend, der Beweisantrag sei von Bedeutung, weil kein Versicherungsschutz bestehe, zum anderen sei er deswegen nicht bedeutungslos, weil trotz bestehenden Versicherungsschutzes und erfolgter Erstattungen Rückforderungsansprüche nicht geltend gemacht worden waren. Nach dem Revisionsvortrag bleiben also mehrere Möglichkeiten, warum der Beweisantrag fehlerhaft abgelehnt worden sein könnte.
- 34
- 2. Die Rüge wäre überdies auch unbegründet.
- 35
- Die Strafkammer hat - wie auch der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt - den Antrag ohne durchgreifenden Rechtsfehler als bedeutungslos abgelehnt. Das Bestehen eines Versicherungsschutzes ist für den Schuldspruch (was auch nachfolgend noch aufgezeigt wird) ohne Bedeutung. Die nachträglichen Leistungen eines Versicherers sind für die Feststellung eines strafrechtlich relevanten Schadens bedeutungslos (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 263 Rn. 155; Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695 Fn. 9). Gleiches gilt für den Strafausspruch. Eine Erstattung des vom Patienten bereits an den Angeklagten bezahlten Betrages durch Versicherung und/oder Beihilfe führt lediglich zu einer Schadensverlagerung; sie entlastet den Angeklagten ebenso wenig, wie es einen Autodieb entlasten könnte, dass die Versicherung des Bestohlenen diesem den Schaden ersetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 20.Oktober 2010 - 1 StR 400/10 mwN).
- 36
- Es bedarf danach keiner Entscheidung, ob der rügegenständliche Antrag nicht ohnedies lediglich als Beweisermittlungsantrag zu qualifizieren wäre. Soll eine begehrte Beweisaufnahme erst ergeben, welche der als möglich hingestellten , sich gegenseitig aber ausschließenden Tatsachen vorliegen, fehlt es an einer für einen Beweisantrag erforderlichen bestimmten Beweisbehauptung, mögen auch beide Behauptungen nach dem Willen des Antragstellers auf das gleiche Ziel gerichtet sein (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 1997 - 1 StR 627/97). Auch die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nötigte das Gericht nicht zur Einvernahme der mehr als 2.300 Zeugen zu der unklaren Fragestellung. Schon gar nicht drängte die Aufklärungspflicht zur Beweisaufnahme über im Ergebnis bedeutungslose Tatsachen.
- 37
- III. Der Rüge eines Verstoßes „gegen § 265 Abs. 1 StPO analog“, den die Revision darin sieht, dass die Kammer den Schuldspruch ohne vorherigen Hinweis auf eine im Vergleich zur Anklage (dort „Gefährdungsschaden“) andere tatsächliche Grundlage („auch Realschaden“) gestützt habe- die Revision vermisst einen Hinweis dahingehend, dass auch in der Nichterkennbarkeit des Leistungserbringers ein Schaden liegen könne - bleibt der Erfolg versagt.
- 38
- Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob es hier überhaupt eines ausdrücklichen Hinweises entsprechend § 265 StPO bedurft hätte (mit beachtlichen Argumenten verneinend der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ). Denn der Angeklagte konnte aus dem Gang der Hauptverhandlung die von der Kammer in den Blick genommene tatsächliche und rechtliche Bewertung in einem für sein Verteidigungsverhalten ausreichenden Umfang erkennen. Nach dem unwidersprochenen Vortrag (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - 1 StR 582/10, Rn. 16 mwN) in der vom Generalbundesanwalt in Bezug genommenen Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft (inhaltsgleich zu einer dienstlichen Stellungnahme des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft) wurde „die Frage des Schadensbegriffs, insbesondere die Frage des möglichen Vorliegens eines Schadens in der Form eines Gefährdungs - oder Realschadens“ von Beginn der Sitzung an „vielfach vom Gericht mit der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft erörtert und diskutiert“. Die Strafkammer hat (auch) in der Begründung des von der Revision im Rahmen vorstehender Rüge angeführten Beschlusses zur Ablehnung eines Beweisantrags unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass sie der Sache nach auf einen „Realschaden“abstellt (Patient zahlt auf tatsächlich nicht oder nicht in dieser Höhe bestehende Forderung). Bei dieser Sachlage kann der Senat - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - jedenfalls ausschließen , dass sich der Angeklagte, wäre der von der Revision vermisste Hin- weis ausdrücklich erteilt worden, anders, insbesondere erfolgreicher hätte verteidigen können (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 265 Rn. 48 mwN). Es kommt überdies - wie nachfolgend dargelegt wird - zur Schadensbestimmung nicht, worauf sich aber nach dem Revisionsvorbringen der Hinweis beziehen sollte, auf die Erkennbarkeit des Leistungserbringers an.
D.
- 39
- In dem nach Teileinstellung verbleibenden Umfang hält der Schuldspruch revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Die unter anderem auf dem Geständnis und einer früheren Einlassung des Angeklagten beruhenden, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen in allen Fällen sowohl einen täuschungsbedingten Irrtum (I.) und den Eintritt eines dadurch verursachten, mit dem Vorteil des Angeklagten stoffgleichen Schadens i.S.v. § 263 StGB (II.) als auch die betrugsrelevante subjektive Tatseite (III.). Die konkurrenzrechtliche Bewertung durch das Landgericht ist ebenfalls rechtsfehlerfrei (IV.).
- 40
- I. Der Angeklagte täuschte - vermittels der nach den Feststellungen gutgläubigen Mitarbeiter der M. GmbH und teils im Zusammenwirken mit den Patienten - über Tatsachen und erregte dadurch einen entsprechenden Irrtum.
- 41
- 1. In den Fällen kollusiven Zusammenwirkens mit den Patienten unterlagen die zuständigen Sachbearbeiter der Versicherungen / der Beihilfestelle im vorliegenden Fall einem mit Wissen und Wollen des Angeklagten herbeigeführten Irrtum über das tatsächliche Vorliegen eines zur Kostenerstattung ver- pflichtenden Versicherungsfalles. Bei Betrugsvorwürfen im Zusammenhang mit standardisierten, auf Massenerledigung angelegten Abrechnungsverfahren ist nicht erforderlich, dass der jeweilige Mitarbeiter hinsichtlich jeder einzelnen geltend gemachten Position die positive Vorstellung hatte, sie sei der Höhe nach berechtigt; vielmehr genügt die stillschweigende Annahme, die ihm vorliegende Abrechnung sei insgesamt „in Ordnung”. Daher setzt ein Irrtum nicht voraus, dass tatsächlich eine Überprüfung der Abrechnungen im Einzelfall durchgeführt wurde (BGH, Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05).
- 42
- 2. In allen anderen Fällen täuschte der Angeklagte die Patienten über das Vorliegen der den geltend gemachten Zahlungsanspruch begründenden Tatsachen (a.). Eine damit zugleich behauptete Zahlungspflicht bestand indes nicht (b.). Die Patienten irrten entsprechend (c.).
- 43
- a) Bei der hier in Rede stehenden privatärztlichen Liquidation wird dem Patienten eine gemäß § 12 GOÄ zu spezifizierende Rechnung übersandt, in der - neben dem Steigerungsfaktor, § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ - die erbrachte Leistung mit einer kurzen Bezeichnung anzugeben ist. Hierüber täuscht der Angeklagte ausdrücklich, wenn er - wie etwa im Fall nicht erbrachter Laborleistungen der Klasse M I oder im Fall der Abrechnung von Osteopathie- und Akupunkturleistungen durch tatsächliche nicht durchgeführte ärztliche Leistungen - in Rechnung gestellte Leistungen tatsächlich nicht erbracht hat. Gleiches gilt, soweit der Angeklagte zu der gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 GOÄ erforderlichen Begründung eines erhöhten Steigerungsfaktors eine in Wahrheit nie durchgeführte eigene Befundung angeben lässt (vgl. auch Freitag, Ärztlicher und zahnärztlicher Abrechnungsbetrug im deutschen Gesundheitswesen, 2008, S. 154; Hellmann/Herffs, Der ärztliche Abrechnungsbetrug, Rn. 348 - 351).
- 44
- Auch soweit der Angeklagte - wie in den Fällen der Speziallaborleistungen sowie der Abrechnung von Osteopathie- und Akupunkturleistungen - nicht selbst erbrachte ärztliche Leistungen als eigene hat abrechnen lassen, behauptete er nicht lediglich, zu deren Abrechnung berechtigt zu sein, sondern auch (zumindest konkludent, was vom möglichen Wortsinn des § 263 Abs. 1 StGB umfasst ist, vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR2500/09, 2 BvR 1857/10 Rn. 168), dass die Voraussetzungen der der Abrechnung zugrundeliegenden Rechtsvorschriften eingehalten worden seien. Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung zum Abrechnungsbetrug bei Vertragsärzten (vgl. BGH, Urteil vom 1. September 1993 - 2 StR 258/93; BGH, Urteil vom 10. März 1993 - 3 StR 461/92; BGH, Urteil vom 21. Mai 1992 - 4 StR 577/91; BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 - 4 StR 420/91), für privatliquidierende Ärzte gilt nichts anderes. Wer eine Leistung einfordert, bringt damit zugleich das Bestehen des zugrunde liegenden Anspruchs (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11. Juli 1996 - 3 Ws 164/96, NStZ 1997, 130 mwN), hier also die Abrechnungsfähigkeit der in Rechnung gestellten ärztlichen Leistung zum Ausdruck (vgl. auch Schuhr in Spickhoff, Medizinrecht, § 263 StGB Rn. 16; Schubert, ZRP 2001, 154, 155; Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 263 StGB Rn. 182 ff.). Zutreffend wird in dem von der Revision vorgelegten Rechtsgutachten darauf hingewiesen, dass der wertende Rückgriff auf die in der Abrechnung in Bezug genommene GOÄ die für den Rechnungsempfänger maßgebende Verkehrsauffassung vom Inhalt der mit der Rechnung abgegebenen Erklärung prägt (schon Tiedemann in LK-StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 30 mwN).
- 45
- b) Die tatsächlichen Voraussetzungen zur Geltendmachung der behaupteten Zahlungsansprüche lagen auch in Fällen nicht persönlich erbrachter Leistungen nicht vor. Unbeschadet des jeweiligen Erklärungsgehalts der Rechnun- gen ergibt sich dies vorliegend schon daraus, dass ein Zahlungsanspruch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt bestand.
- 46
- aa) Der Angeklagte konnte für die in Rechnung gestellten Laborleistungen der Klassen M III und M IV (Speziallaborleistungen) einen Zahlungsanspruch gegenüber dem Patienten weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht geltend machen.
- 47
- (1.) Der Angeklagte hat mit jedem seiner Patienten einen wirksamen, als Dienstleistungsvertrag zu qualifizierenden (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1986 - VI ZR 90/85; BGH, Urteil vom 18. März 1980 - VI ZR 247/78; Müller-Glöge in MüKomm-BGB, 5. Aufl., § 611 Rn. 79; OLG Stuttgart, VersR 2003, 992; Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695 jew. mwN) Behandlungsvertrag geschlossen. Dieser begründet selbst noch keine Zahlungspflicht für den Patienten ; der genaue Vertragsinhalt wird nicht im Vorhinein festgelegt, weil erst die Untersuchungen den Umfang der zu erbringenden Leistungen bestimmen (Kern, in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl., § 42 Rn. 1). Der Angeklagte wird aber berechtigt (vgl. § 612 Abs. 1, Abs. 2 BGB), die sodann erbrachten ärztlichen Leistungen gegenüber dem Patienten unabhängig vom etwaigen Bestehen eines Versicherungsschutzes abzurechnen. Grundlage hierfür ist - von hier nicht gegebenen Sonderfällen (z.B. § 85 Abs. 1 SGB V, § 18c IV BVG u.a.) abgesehen - ausschließlich und abschließend die den Honoraranspruch inhaltlich ausfüllende Gebührenordnung.
- 48
- Nach dieser ist dem Angeklagten die Abrechnung delegierter Laborleistungen nach den Abschnitten M III und M IV versagt, die er - wie hier - nicht selbst erbracht hat (§ 4 Abs. 2 GOÄ i.V.m. Nr. 3 der Allgemeinen Bestimmungen zur Anlage M, die als Bestandteil der GOÄ an deren normativen Charakter teilnehmen; vgl. Griebau in Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 2. Aufl., § 11 Rn. 81 mwN; Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Aufl., § 4 GOÄ Rn. 3). Mit der durch die 4. Änderungsverordnung zur GOÄ vom 18. Dezember 1995 (BGBl. I, 1861) eingeführten Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 GOÄ sollte zielgerichtet verhindert werden, dass Ärzte Laborleistungen von darauf spezialisierten (und entsprechend preisgünstiger arbeitenden) Laborärzten beziehen und aus der Differenz zwi- schen dem Preis der „eingekauften“ Laborleistungen und den dafür nach GOÄ in Rechnung gestellten Gebühren erhebliche Gewinne erzielen. Um der damit verbundenen Ausweitung medizinisch nicht indizierter Laborleistungen entgegen zu wirken, sollte dem (Einsende)Arzt jeglicher finanzieller Anreiz im Zusammenhang mit nicht selbst erbrachten Speziallaborleistungen genommen sein (vgl. BR-Drucks. 211/94 S. 88f, 91 f, 94; BR-Drucks. 688/95; Uleer/ Miebach/Patt, aaO, GOÄ § 4 Rn. 7; Spickhoff, aaO, § 4 GOÄ Rn. 20 f.).
- 49
- (2.) Der Angeklagte kann auch - unabhängig von der Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 5 GOÄ - nicht die nach den Feststellungen an die Laborärzte gezahlten Beträge als Aufwendungen geltend machen. Gemäß § 10 GOÄ abrechenbare Versand- und Portokosten sind dem Angeklagten (wie Einsendeärzten regelmäßig, vgl. Uleer/Miebach/Patt, aaO, § 10 GOÄ Rn. 24) nach den Urteilsfeststellungen nicht entstanden, vielmehr wurden die „Proben mittels des Fahr- dienstes der Laborgruppe“ (UA S. 21) zum Laborarzt gebracht und die Befunde „oft per Datenfernübertragung an den Arzt übermittelt“ (UA S. 22).
- 50
- Ein darüber hinausgehender Aufwendungsersatz besteht nicht. § 10 GOÄ regelt den Ersatz von Auslagen im Zusammenhang mit der Erbringung ärztlicher Leistungen abschließend. Die GOÄ stellt - verfassungsrechtlich unbedenklich - ein für alle Ärzte verbindliches zwingendes Preisrecht dar (BGH, Urteil vom 23. März 2006 - III ZR 223/05, Rn. 10; BGH, Urteil vom 12. Novem- ber 2009 - III ZR 110/09 Rn. 7 jew. mwN; vgl. auch Griebau, aaO, § 11 Rn. 10, 14), und regelt abschließend die berechenbaren Leistungen, die Höhe des zu entrichtenden Entgelts und die Art und Weise der Abrechnung (Griebau, aaO, § 11 Rn. 15, 41 mwN). Ein Aufwendungsersatz gemäß § 670 BGB, der ohnehin nur einen Ersatz erforderlicher Aufwendungen ermöglichte (vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. Februar 2003 - 2 StR 411/02), kommt lediglich für andere als ärztliche Leistungen in Betracht (vgl. Uleer/Miebach/Patt, aaO, § 3 GOÄ Rn. 1, § 10 GOÄ Rn. 4; Spickhoff, aaO, § 10 GOÄ Rn. 2; Brück u.a., Kommentar zur GOÄ, 3. Aufl., § 10 Rn. 1; Kiesecker in Prütting, Medizinrecht, § 10 GOÄ Rn. 4; Schmatz/Goetz/Matzke, GOÄ, 2. Aufl., § 10 Vorbem.). Das ist nach dem Willen des Gesetzgebers etwa der Fall, wenn „Laborleistungen von Nichtärzten“ bezogen oder Aufwendungen geltend gemacht werden, „die durch nichtärztliche Leistungen bedingt sind“ (vgl. BR-Drucks.295/82, S. 15). Daher ist für die im Rahmen des Behandlungsvertrages vom Angeklagten beauftragten und - wie hier - von einem Laborarzt erbrachten Laborleistungen kein Raum für eine Anwendung des § 670 BGB neben der GOÄ (vgl. auch Brück u.a., aaO, § 10 Rn. 1).
- 51
- (3.) Vertragliche Ansprüche des Laborarztes gegenüber den Patienten, die der Angeklagte aus abgetretenem Recht hätte geltend machen können, bestanden hier nicht. Die von der Strafkammer vertretene Auffassung, aus den Laborleistungen könne vorliegend „eine Forderung der Gemeinschaftspraxis Dr. Sch. gegen den Patienten“ (UA S. 22) resultieren, teilt der Senat nicht. Für einen zu einer solchen Forderung führenden Vertrag zwischen Laborarzt und Patient wäre jedenfalls erforderlich gewesen, dass der Angeklagte - wie dies bei regelkonform verlaufenden Fällen vermutet werden kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - III ZR 173/09; BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - III ZR 188/09; BGH, Urteil vom 29. Juni 1999 - VI ZR 24/98 jew. mwN) - bei Beauftragung des Laborarztes als Stellvertreter des Patienten im Rahmen seiner Vertretungsmacht und mit dem Willen handelte, hierbei den Patienten zu vertreten; dies ist hier jedoch nicht der Fall. Ob darüber hinaus der Annahme eines Vertrages zwischen Patient und Laborarzt bereits das Fehlen eines Hinweises nach § 4 Abs. 5 GOÄ (Unterrichtung des Patienten über das Hinzuziehen eines seinerseits liquidationsberechtigten Dritten) entgegen steht (so die h.M., z.B. LG Düsseldorf, Urteil vom 3. November 1995 - 20 S 58/95; Uleer/Miebach/Patt, aaO, § 4 GOÄ Rn. 115 mwN; Schmatz/Goetz/Matzke, aaO, § 4 Anm. 11; Brück u.a., aaO, § 4 Rn. 21; in diesem Sinn auch BGH, Urteil vom 19. Dezember 1995 - III ZR 233/94, NJW 1996, 781; a.A. Spickhoff, aaO, § 4 GOÄ Rn. 47; Griebaum, aaO, § 11 Rn. 95), bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung.
- 52
- Der Angeklagte wollte hier jedenfalls nicht als Stellvertreter des jeweiligen Patienten mit dem Laborarzt kontrahieren; es fehlt nach dem festgestellten Sachverhalt schon - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - an einem Vertretungswillen. Nach den Feststellungen der Strafkammer beruht die Beauftragung des Laborarztes nämlich in jedem Einzelfall auf einer „zur Förderung einer dauerhaften Kooperation“ (UA S. 22) geschlossenen besonde- ren „Rahmenvereinbarung“, deren wesentliches Element darin bestand, dass - wie die Revision in anderem Zusammenhang konzediert - der Laborarzt keinen eigenen Anspruch gegenüber dem Patienten soll geltend machen können (UA S. 105). Die Abrechnung der Laborleistung sollte ausschließlich im Verhältnis zwischen Laborarzt und Angeklagtem erfolgen. Gegenüber dem Patienten soll ausschließlich der vereinbarungsgemäß nach außen als Leistungserbringer in Erscheinung tretende Angeklagte abrechnen. Schon dies belegt, dass nach übereinstimmendem Willen von Angeklagtem und Laborarzt nicht der Patient berechtigt und verpflichtet werden sollte (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. März 1998 - 13 U 75/97). Dementsprechend wäre hier sogar (wie sonst üblich, vgl. Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695) eine „förmliche“ Überweisung der Patienten entbehrlich; auch liegt der von der Revision in anderem Zusammenhang gezogene Schluss nahe, Auskunfts- und Herausgabeansprüche betreffend die Laborleistungen richteten sich allenfalls gegen den Angeklagten. Der Angeklagte handelte - anders als in regelkonform verlaufenden Fällen - auch nicht im ausschließlichen Interesse der Patienten, sondern in erster Linie um sich aus dem „Weiterverkauf“ von Laborleistungen „eine auf Dauer gerich- tete Einnahmemöglichkeit“ (UA S. 19) zu verschaffen. In der Behauptung des Angeklagten, es sei ein „Factoring“ vereinbart, hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei ein lediglich „vorgeschobenes“ Argument gesehen, um eine in Wahrheit gewollte Zuwendung zu verdecken (UA S. 22, 107 f.). Daher hat der Angeklagte nach den Feststellungen die Leistungen vom Labor selbst bezogen, hierfür „Einkaufskosten“ gehabt und dann „weiterverrechnet“ (vgl. UA S. 23).
- 53
- Der Annahme fehlenden Vertretungswillens steht nicht entgegen, dass sowohl die „Rahmenvereinbarung“ als auch jede darauf fußende Einzelbeauftragung , mit der sich der Angeklagte in Abhängigkeit zur Zuweisung von Patienten stehende Vorteile vom Laborarzt hat versprechen lassen, als Koppelungsgeschäft gegen § 31 BayBOÄ verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1989 - I ZR 120/87, MedR 1990, 77; OLG Koblenz, MedR 2003, 580; Wigge in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Auf., § 2 Rn. 44; Scholz in Spickhoff, Medizinrecht, § 31 MBO Rn. 4 mwN; Taupitz, MedR 1993, 365, 372) und deswegen (§ 31 BayBOÄ ist ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB, vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1986 - VIII ZR 10/85; BayObLG, Urteil vom 6. November 2000 - 1Z RR 612/98; OLG Hamm, Urteil vom 22. Oktober 1984 - 2 U 172/83; a.A. Taupitz, MedR 1992, 272) ihrem gesamten Umfang nach nichtig sind und Angeklagter und Laborarzt dies erkannten.
- 54
- Wirtschaftlich stellt die Vereinbarung zwischen dem Angeklagten und dem Laborarzt nichts anderes dar als die Vereinbarung einer umsatzabhängi- gen „kick-back“ Zahlung. Ob die Beauftragung des Laborarztes (deswegen) sogar als nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig anzusehen ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 3. Juni 2002 - 11 W 13/02, MedR 2003, 460), bedarf keiner Entscheidung. Die Hypothese der Revision, Laborarzt und Angeklagter hätten im Zweifel einen wirksamen Honoraranspruch gewollt (§ 140 BGB), ist urteilsfremd und übersieht, dass nach den Feststellungen Zweifel am tatsächlichen Willen des Angeklagten nicht verbleiben. Für die Anwendung einer Auslegungsregel, Vertragsparteien wollen sich gesetzeskonform verhalten und nichts Unredliches anstreben (dazu BGH, Urteil vom 3. Dezember 2003 - VIII ZR 86/03, NJW 2004, 1240; BGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - IX ZR 117/99, NJW 2000, 1333), ist kein Raum, wenn - wie hier festgestellt - Angeklagter und Laborarzt übereinkamen, unter „Verzicht auf die rechtlich gebotene Direktabrechnung“ gegenüber dem Patienten dem Laborarzt „eine stetige und möglichst umfang- reiche Weiterbeauftragung durch die Einsendeärzte, die ihrerseits an Honoraren beteiligt werden, auf die sie keinen Anspruch haben“, zu sichern (UA S. 22 f.).
- 55
- Einer von der Revision erstrebten Umdeutung steht - abgesehen von der beiderseitigen Kenntnis der Nichtigkeit (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 140 Rn. 8) - überdies entgegen, dass jedes andere Rechtsgeschäft, das auf die Erreichung des von § 31 BayBOÄ untersagten wirtschaftlichen Ziels gerichtet ist (sei es als Forderungsabtretung im Rahmen des behaupteten „Factoring“ , sei es als Erfüllung der Patientenschuld durch Zahlung des Angeklagten mit notwendigerweise gleichzeitigem Erlassvertrag i.S.v. § 397 BGB), ebenfalls nichtig wäre. § 31 BayBOÄ missbilligt den vom Angeklagten und dem Laborarzt erstrebten Erfolg, nicht lediglich das hier gewählte Mittel zu dessen Erreichen.
- 56
- (4.) Ebenso wenig sind sonstige Ansprüche des Laborarztes gegen die Patienten gegeben, die der Angeklagte aus abgetretenem Recht hätte geltend machen können. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 677, 670 BGB) bestehen nicht. Der Laborarzt erbrachte die Laborunterleistungen - wenngleich aufgrund eines nichtigen, als solches erkannten aber gleichwohl in seiner Durchführung gewollten Rechtsgeschäfts - ausschließlich an den Angeklagten und handelte nach den Urteilsfeststellungen - unbeschadet einer naheliegender Weise anonymisierten Übersendung des Untersuchungsmaterials - nicht mit dem Willen, ein auch dem Patienten zugutekommendes Geschäft zu besorgen (vgl. §§ 687, 684 BGB). Vielmehr sollte allein der Angeklagte als vermeintlicher Leistungserbringer auftreten können. Auch auf § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB gestützte Ansprüche - eine Nichtleistungskondiktion findet wegen deren Subsidiarität nicht statt (Schwab in MüKomm-BGB, 5. Aufl., § 812 Rn. 57 mwN) - kann der Laborarzt allenfalls (vgl. § 817 Satz 2 BGB) im Leistungsverhältnis gegenüber dem Angeklagten geltend machen; auch ein Anspruch nach § 822 BGB besteht nicht.
- 57
- (5.) Der Verstoß gegen das Verbot aus § 31 BayBOÄ, das sich - wie auch das von der Revision vorgelegte Gutachten ausführt - nach Inhalt und Zweck gleichermaßen gegen Verpflichtungs- wie Verfügungsgeschäft richtet, würde überdies zu einem Abtretungsverbot (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 134 Rn. 13; Wendtland in BeckOK-BGB, § 134 Rn. 22) und zur Unwirksamkeit der von der Revision geltend gemachten Einziehungsermächtigung führen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1992 - IX ZR 57/91; Bayreuther in MüKomm-BGB, 6. Aufl., § 185 Rn. 36; Grüneberg in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 398 Rn. 37).
- 58
- (6.) Der Angeklagte kann gegen die Patienten auch keine (eigenen) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 677, 670 BGB) geltend machen. Für die im Rahmen und nicht nur gelegentlich des mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrages erbrachten Leistungen bestimmen die Regelungen der GOÄ mögliche Aufwendungsersatzansprüche wie aufgezeigt abschließend. Überdies resultieren die zur „Beschaffung“ der Laborleistungen getätigten „Aufwendungen“ allein aus einervom Gesetz verbotenen Tätigkeit. Der Angeklagte durfte sie also nicht für erforderlich i.S.v. § 670 BGB halten (gefestigte Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - IX ZR 48/10 mwN). Wegen grundsätzlicher Vorrangigkeit der vertraglichen Ansprüche scheiden auch bereicherungsrechtliche Ansprüche aus (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 - XII ZR 253/90 mwN; Sprau in Palandt, BGB, 71. Aufl., vor § 812 Rn. 6 mwN). Überdies ist es, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt und was auch für den - hier nicht gegebenen - Fall des von der Verteidigung geltend gemachten aber unwirksamen „Factoringgeschäfts“ gilt, „nicht Aufgabe des Bereicherungsrechts, Vermögensnachteile auszugleichen, die sich Ärzte durch eine bewusst den Vorschriften der GOÄ zuwiderlaufende Abrechnungsweise selbst einhandeln.“ Die von § 4 Abs. 2 Satz 2 GOÄ und § 31 BayBOÄ dem Angeklagten untersagte Vermögensmehrung kann diesem nicht auf dem Umweg des Bereicherungsrechts zufließen (vgl. §§ 814, 817 BGB).
- 59
- bb) Dem Angeklagten steht gegen den Patienten auch kein Zahlungsanspruch hinsichtlich der in seinen Praxisräumen erbrachten Akupunktur- und Osteopathieleistungen zu.
- 60
- (1.) Nach den Urteilsfeststellungen haben die Patienten allein mit dem Angeklagten einen Behandlungsvertrag geschlossen. Danach ist ihm die Abrechnung der nicht selbst erbrachten Leistungen verwehrt.
- 61
- (a.) Die Therapeuten haben ihre Leistungen „aufgrund vorheriger Ver- schreibung entsprechender Leistungen durch den Angeklagten“ erbracht (UA S. 28), teilweise habe es auch „eine Art ‚Abschlussgespräch‘ mit dem Ange- klagten nach Durchführung der empfohlenen Behandlung durch B. /D. ge- geben“ (UA S. 74). Der Angeklagte hat die „eingekauften Leistungen“als eige- ne den Patienten verkaufen wollen (UA S. 50). Schon daraus ergibt sich, dass die Patienten, die sich „über die arbeitsrechtliche Einordnung der Herren B. und D. innerhalb der Praxis des Angeklagten keine näheren Gedanken ge- macht“ haben (UA S. 74), nicht mit dem Willen handelten, mit den Therapeuten einen Vertrag abzuschließen; in der schlichten (widerspruchslosen) Hinnahme der Vertreterleistung kann ein dahingehender Rechtsgeschäftswille nicht erblickt werden (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1987, 1489; Spickhoff, aaO, § 4 GOÄ Rn. 18 mwN; Kuhla, NJW 2000, 841, 846 mwN).
- 62
- Auch der Angeklagte handelte nach diesen Feststellungen nicht mit dem Willen, die Patienten bei einem solchen Vertragsschluss zu vertreten. Hinzu kommt, dass nach den Urteilsfeststellungen die Therapeuten nicht über eine Approbation oder Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde verfügten (UA S. 27 f.). Ohne eine solche sowohl für die Erbringung von Akupunkturleistungen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. März 2011 - 8 ME 8/11; VG Trier, Urteil vom 18. August 2010 - 5 K 221/10.TR, 5 K 221/10 ) als auch für osteopathische Behandlungen (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 8. Dezember 2008 - 7 K 967/07) erforderliche Erlaubnis nach § 1 HeilPrG, würde im Übrigen auch die Wirksamkeit eines mit den Therapeuten geschlossenen Behandlungsvertrages durchgreifenden Bedenken begegnen (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1988, 2308; OLG München NJW 1984, 1826; Armbrüster in MüKomm-BGB, 6. Aufl. 2012, § 134 Rn. 89 mwN).
- 63
- (b.) Umfang und Höhe des für die Akupunktur- und der Osteopathieleistungen Abrechenbaren werden - wiederum ausschließlich und abschließend - durch die Regelungen der GOÄ bestimmt. Diese finden für alle „beruflichen Leistungen der Ärzte“ i.S.v. § 1 Abs. 1 GOÄ Anwendung, also alle Tätigkeiten, die sich auf die Ausübung der Heilkunde beziehen (Diagnose und Therapie) oder die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Maßnahmen (Lang/Schäfer/Stiel/Vogt, GOÄ-Kommentar, 2. Aufl., § 1 Rn. 4), wozu auch Sonderleistungen der Alternativmedizin rechnen (vgl. § 6 Abs. 2 GOÄ und Lang/Schäfer/Stiel/Vogt, aaO, § 1 Rn. 16; Hoffmann, GOÄ, 3. Aufl., § 6 GOÄ Rn. 7). Die Hypothese der Revision, die Geltung der GOÄ sei hier - wenn auch nicht wirksam (§§ 125, 126 BGB) - abbedungen worden, wird von den Feststellungen nicht getragen. Vielmehr belegt das Fehlen einer sich auf konkret bestimmte einzelne Leistungen beziehenden (vgl. Lang/Schäfer/Stiel/Vogt, aaO, § 2 Rn. 8), schriftlichen Honorarvereinbarung (vgl. § 2 Abs. 2 GOÄ) und die nachfolgende Abrechnung unter Bezugnahme auf die GOÄ, dass ein Rechtsgeschäftswille zum Abschluss einer gesonderten Honorarvereinbarung nicht bestand.
- 64
- Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ, der als Einschränkung der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung eng auszulegen ist (AG München, Urteil vom 9. Juni 1993 - 232 C 4391/93; Hübner in Prütting, Medizinrecht, § 4 GOÄ Rn. 4), kann der Angeklagte Gebühren (also Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis genannten ärztlichen Leistungen) für die nicht selbst erbrachten Therapieleistungen nur abrechnen, wenn sie unter seiner Aufsicht und nach fachlicher Weisung erbracht worden wären (vgl. auch Uleer/Miebach/Patt, aaO, § 4 Rn. 6, 39 ff.). Nach den Feststellungen haben die Therapeuten indes ihre Leistungen „in eigener Verantwortung, ohne Aufsicht und Kontrolle durch den Angeklagten“ (UA S. 28) erbracht. Der Angeklagte hatdie Therapeuten nicht „persönlich überwacht“, teils war er ortsabwesend und auch wenn er zeitgleich mit den Therapeuten in den Praxisräumen anwesend war, hat er diesen keine Weisungen erteilt. Hierzu fehlte ihm auch „die fachliche Qualifikation“ (UA S. 51). Damit liegen die Voraussetzungen für eine Abrechenbarkeit der Thera- pieleistungen durch den Angeklagten nicht vor. Als nach „fachlicher“ Weisung erbracht können Leistungen schon nicht angesehen werden, die der Arzt selbst mangels entsprechender Ausbildung nicht fachgerecht durchführen kann (vgl. Brück u.a., aaO, Einl. u § 4; Lang/Schäfer/Stiel/Vogt, aaO, § 4 Rn. 6; Uleer/ Miebach/Patt, aaO, § 4 Rn. 40; Cramer/Henkel, MedR 2004, 593, 596). Der Hinweis der Revision auf § 5 Abs. 2 GOÄ verfängt nicht. Der Angeklagte hätte die Therapieleistungen - abgesehen davon, dass er nach den Urteilsfeststellungen auch nicht delegationsfähige, vom Arzt selbst zu erbringende Kernleistungen (Untersuchung, Beratung, Entscheidung über therapeutische Maßnahmen ) den Therapeuten übertragen hat - auch nicht an die dadurch gegen § 5 HeilPrG verstoßenden Therapeuten delegieren dürfen.
- 65
- (2.) Im Hinblick auf den wirksamen Behandlungsvertrag mit den Patienten kann der Angeklagte - in gleicher Weise wie im Zusammenhang mit den „eingekauften“ Speziallaborleistungen - auch keine anderen als vertragliche Ansprüche (aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht) geltend machen. Einem Aufwendungsersatz hinsichtlich der an die Therapeuten gezahlten Beträge steht die auch solche Ansprüche hier abschließend regelnde GOÄ entgegen. Für eine Anwendung des § 670 BGB besteht für die hier im Rahmen des Behandlungsvertrages erbrachten Osteopathie- und Akupunktur- leistungen kein Raum. Die Zahlungen des Angeklagten an die mangels Approbation oder Erlaubnis nach HeilPrG nicht zu Therapieleistungen befugten Therapeuten waren überdies wiederum nicht erforderlich i.S.v. § 670 BGB.
- 66
- (3.) Der Angeklagte konnte auch keine von den Therapeuten abgetretenen Ansprüche, die diesen gegenüber den Patienten zustünden, geltend machen. Vertragliche Ansprüche der Therapeuten bestehen - wie aufgezeigt - nicht. Sonstige Ansprüche könnten sie - unbeschadet der Frage der Wirksamkeit der zugrunde liegenden Vereinbarung - allenfalls im Verhältnis zum Angeklagten geltend machen.
- 67
- cc) Ein Zahlungsanspruch des Angeklagten - sei es aus eigenem oder abgetretenem Recht - besteht auch nicht hinsichtlich der als Leistungen der Klasse M II abgerechneten Laborleistungen der Klasse M III, die weder vom Angeklagten selbst noch unter seiner Aufsicht (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 GOÄ) noch von einem einzig zur Leistungserbringung und -abrechnung ermächtigten Speziallabor erbracht wurden (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anlage M zur GOÄ). Aufgrund der Gesetzwidrigkeit der Vereinbarung zwischen Laborarzt und der die Leistung tatsächlich erbringenden Laborgemeinschaft (vgl. auch LG Duisburg , Urteil vom 18. Juni 1996 - 1 O 139/96), konnte der Angeklagte in diesem Zusammenhang erbrachte Aufwendungen wiederum auch nicht für erforderlich i.S.d. § 670 BGB erachten.
- 68
- c) Das Vorliegen eines durch die dargestellte Täuschung bei den Patienten hervorgerufenen Irrtums i.S.d. § 263 StGB - was Tatfrage ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05 mwN) - hat die Strafkammer (wie in Fällen kollusiven Zusammenwirkens mit den Patienten, siehe oben unter 1.) ohne Rechtsfehler bejaht. Nach den durch Zeugenaussagen gestützten, rechtsfehlerfreien Feststellungen unterlagen die Patienten, wie der Generalbundes- anwalt zutreffend ausführt, einer mit der Täuschung korrelierenden, der Wirklichkeit nicht entsprechenden Fehlvorstellung.
- 69
- Ein Irrtum i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB setzt grundsätzlich nicht voraus (zu Einschränkungen vgl. Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, aaO, § 263 StGB Rn. 61), dass sich der Adressat einer auf einer Gebührenordnung basierenden (Ab)Rechnung eine konkrete Vorstellung über die Berechnung und die in Ansatz gebrachten Bemessungsgrundlagen macht. Entscheidend - aber auch ausreichend - ist das gedankliche Mitbewusstsein über die Ordnungsgemäßheit der Rechnungsstellung und sei es nur - wie es die Strafkammer hier feststellt - als „allgemein gehaltene Vorstellung, die Abrechnung sei in Ordnung“ (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 5 StR 394/08 mwN; Tiedemann in LKStGB , 11. Aufl., § 263 Rn. 79, 91 mwN; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 37 ff.; Beukelmann in BeckOK-StGB, § 263 Rn. 25).
- 70
- Nach den Urteilsfeststellungen mussten die Patienten - soweit die Straf- kammer nicht ohnehin ausdrücklich feststellt, dass „die Patientenirrten“ (UA S. 24) - in allen Fällen mangels hinreichender eigener Fachkenntnisse („Die gebührenrechtlichen Einzelheiten waren ihnen gänzlich unbekannt“, UA S. 103) auf die sachliche Richtigkeit der Rechnungen vertrauen und haben dies auch. Sie haben „darauf vertraut, dass die Rechnungen von dem Angeklagten korrekt erstellt werden“ (UA S. 103) und „an die Rechtmäßigkeit der Abrechnung geglaubt“ (UA S.109).
- 71
- Demzufolge trifft die Auffassung hier jedenfalls aus tatsächlichen Gründen nicht zu, in Fällen nicht oder nicht selbst erbrachter Leistungen fehle es „in aller Regel“ wegen der Erkennbarkeit des tatsächlichen Leistungsumfangs und des tatsächlichen Leistungserbringers sowie der gemäß § 12 GOÄ spezifizierten Rechnung an einem Irrtum (Dahm, MedR 2003, 268, 269; Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, aaO, § 263 StGB Rn. 185; Schuhr in Spickhoff, aaO, § 263 Rn. 25; Tsambikakis in Prütting, Medizinrecht, § 263 StGB Rn. 32).
- 72
- Ein Patient kann nicht wissen, ob in seiner Abwesenheit vom Angeklagten - wie behauptet - Laboruntersuchungen selbst durchgeführt oder eine eigene Befundung vorgenommen werden. Patienten, denen - wie hier - die „gebüh- renrechtlichen Einzelheiten gänzlich unbekannt“ sind, kennen weder die Diffe- renzierung nach unterschiedlichen Laborleistungen, noch die Voraussetzungen, unter denen in der Praxis eines Arztes von Dritten erbrachte Leistungen (etwa bei der Blutentnahme) oder Osteopathieleistungen im Wege einer Analogbewertung gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ vom Arzt abgerechnet werden können. Auch weiß ein solcher Patient nicht, ob der Angeklagte Labor- oder sonstige ärztliche oder heilkundliche Leistungen im gebührenrechtlichen Sinn selbst erbracht hat. Soweit die Patienten von anderen als dem Angeklagten, aber in dessen Praxis und nach einer Eingangsuntersuchung durch diesen behandelt wurden, haben sie „die Fehlerhaftigkeit der Abrechnungen“ nicht erkannt (UA S. 30), sie gingen vielmehr davon aus, dass die Rechnungen „inhaltlich richtig und den Abrech- nungsvorschriften entsprechend erstellt worden waren“ (UA S. 74).
- 73
- Die Strafkammer hat nicht festgestellt, dass die Patienten Zweifel an der Richtigkeit der von der M. GmbH erstellten Rechnungen gehabt haben, die ohnedies einen Irrtum grundsätzlich nicht entfallen ließen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02; BGH, Urteil vom 8. Mai 1990 - 1 StR 144/90; Satzger in SSW-StGB, § 263 Rn. 78 jew. mwN). Eine etwaige Leichtgläubigkeit der Patienten stünde der Annahme eines Irrtums ebenso wenig entgegen, wie die Erkennbarkeit der Täuschung bei hinreichend sorgfältiger Prüfung (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 1991 - 4 StR 420/91 mwN). Weiter ist unerheblich, dass oder ob der Patient die Abrechnung bereits einer Versicherung oder Beihilfestelle vorgelegt hat (Schubert, ZRP 2001, 154, 155).
- 74
- II. Auch die Annahme eines Schadens i.S.v. § 263 StGB wird von den Feststellungen belegt.
- 75
- 1. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter Vermögensschaden i.S.d. § 263 StGB - gleichermaßen wie unter Nachteil i.S.d. § 266 StGB - jede durch die Tat verursachte Vermögensminderung zu verstehen, wobei diese nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung auf Grund eines Vergleichs des Vermögensstandes vor und nach der Tat bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise festzustellen ist (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 StR 444/10; BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09; BGH, Urteil vom 4. März 1999 - 5 StR 355/98; BGH, Beschluss vom 30. Juli 1996 - 5 StR 168/96; Fischer, aaO, § 263 Rn. 110 ff. mwN). Normative Gesichtspunkte können bei der Bewertung von Schäden eine Rolle spielen; sie dürfen die wirtschaftliche Betrachtung allerdings nicht überlagern oder verdrängen (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 1857/10 Rn. 176). Ein Schaden liegt nicht vor, wenn zugleich ein den Verlust aufwiegender Vermögenszuwachs begründet wird. Ein solcher Vermögenszuwachs tritt beispielsweise ein, soweit das Vermögen von einer Verbindlichkeit in Höhe des Verlustes befreit wird (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 StR 444/10 mwN). Eine solche Kompensation scheidet hingegen regelmäßig dann aus, wenn sich die Vermögensmehrung nicht aus der Verfügung selbst ergibt, sondern durch eine andere, rechtlich selbständige Handlung hervorgebracht wird (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09; BGH, Urteil vom 4. März 1999 - 5 StR 355/98).
- 76
- Maßgeblich für den Vermögensvergleich ist der Zeitpunkt der täuschungsbedingten Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögens- werts unmittelbar vor und nach der hier in der Zahlung an den Angeklagten liegenden Vermögensverfügung; spätere Entwicklungen, wie Schadensvertiefung oder Schadensausgleich, berühren den tatbestandlichen Schaden nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 – 2 StR 616/10; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08; BGH, Urteil vom 4. März 1999 - 5 StR 355/98 jew. mwN).
- 77
- 2. Gemessen hieran hält die Annahme eines Schadens i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen revisionsrechtlicher Prüfung stand.
- 78
- a) In Fällen kollusiven Zusammenwirkens mit den Patienten zahlten die Versicherungen / die Beihilfestelle, ohne zur Zahlung verpflichtet zu sein, ohne also durch die Zahlung eine gleichwertige Forderung des beihilfeberechtigten Versicherungsnehmers zum Erlöschen zu bringen. Das Entstehen eines Rückforderungs - oder Schadenersatzanspruchs gegenüber dem Arzt kann - wie auch sonst bei durch die Tat entstehenden Schadens- und Gewährleistungsansprüchen (vgl. Satzger in aaO, § 263 Rn. 152; Fischer, aaO, § 263 Rn. 155) - nicht zu einer schadensausschließenden Kompensation führen.
- 79
- b) In gleicher Weise stand in allen anderen Fällen den Zahlungen der Patienten kein äquivalenter Vermögensausgleich gegenüber. Dies gilt auch in den insoweit einzig näher zu erörternden (vgl. Schuhr, aaO, § 263 StGB Rn. 43) Fällen, in denen der Angeklagte nicht selbst erbrachte Leistungen abrechnete. Durch die irrtumsbedingte Zahlung der Patienten (nach den Feststellungen zahlten die Patienten in allen Fällen jeweils unmittelbar selbst nach Erhalt der Rechnung an die zum Einzug berechtigte M. GmbH vollständig „die jeweils in den Rechnungen ersichtlichen Beträge“; UA S. 15, auch S. 24, 25, 26) wird deren Vermögen gemindert, ohne dass dem ein äquivalenter Vermö- genszufluss gegenübersteht. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zahlung war das Vermögen der Patienten - unbeschadet der Frage der Fälligkeit, vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 StR 444/10 - nicht mit einem Zahlungsanspruch belastet; ohne diesen hat die erbrachte ärztliche Leistung hier keinen eigenen, zur Bestimmung des tatbestandlichen Schadens i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB maßgeblichen wirtschaftlichen Wert.
- 80
- aa) Die Bewertung des Vermögens bzw. Schadens erfolgt nach objektiven wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Auf die subjektive Einschätzung des Patienten , ob er sich wegen der von einem anderen als dem Angeklagten erbrachten Leistung nicht geschädigt fühlt, kommt es nicht an. Maßgebend für den Vergleich von Leistung und Gegenleistung ist regelmäßig der Verkehrswert (vgl. Cramer/ Perron in Schönke/Schröder, aaO, § 263 Rn. 109 ff. mwN) oder ein an Angebot und Nachfrage orientierter Marktpreis, der auch nach dem von den Vertragsparteien vereinbarten Preis unter Berücksichtigung der für die Parteien des fraglichen Geschäfts maßgeblichen preisbildenden Faktoren bestimmt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 1 StR 245/09).
- 81
- Für privatärztliche Leistungen, für die es weder einen Verkehrswert noch einen (objektiven) Markt oder einen von den Vertragsparteien frei zu vereinbarenden Preis gibt, bestimmen die materiell-rechtlichen Normen zur Abrechenbarkeit der Leistung, namentlich der GOÄ, zugleich deren wirtschaftlichen Wert. Ist etwa eine Behandlungsleistung zwar erbracht, gilt sie aber als mit einer anderen Leistung abgegolten (vgl. z.B. § 4 Abs. 2a GOÄ), kommt ihr kein eigener wirtschaftlicher Wert zu, mag auch der Patient, hätte er die Leistung alleine bezogen , daraus resultierende Aufwendungen gehabt haben. In dem Umfang, in dem die Rechtsordnung einer privatärztlichen Leistung die Abrechenbarkeit versagt, weil etwa die für die Abrechenbarkeit vorgesehenen Qualifikations- und Leistungsmerkmale nicht eingehalten sind, kann ihr kein für den tatbestandlichen Schaden i.S.v. § 263 StGB maßgeblicher wirtschaftlicher Wert zugesprochen werden (vgl. Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315, 316; für wahlärztliche Leistungen: Hellmann/Herffs, aaO, Rn. 391 ff.; Freitag, aaO, S. 175 f.). Führt die erbrachte ärztliche Leistung mangels Abrechenbarkeit nicht zum Entstehen eines Zahlungsanspruchs, findet eine saldierende Kompensation nicht statt. Zahlt der in Anspruch Genommene irrtumsbedingt ein nicht geschuldetes Honorar, ist er in Höhe des zu Unrecht Gezahlten geschädigt. Wer eine Leistung unter den jeweils gegebenen Umständen unentgeltlich erlangen oder bereits dafür Geleistetes zurückfordern kann, ohne hierfür Wertersatz leisten zu müssen, ist in Höhe desjenigen Betrages geschädigt, den er täuschungsbedingt gleichwohl hierfür aufgewandt hat.
- 82
- Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum vertragsärztlichen Abrechnungsbetrug (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02; BGH, Beschluss vom 28. September 1994 - 4 StR 280/94; BGH, Urteil vom 10. März 1993 - 3 StR 461/92; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8. September 1997 - 2 BvR 2414/97), deren zugrunde liegendeWertung - unbeschadet sozialrechtlicher Besonderheiten - auf den Bereich privatärztlicher Leistungserbringung und Abrechnung übertragbar ist (vgl. auch Peickert, MedR 2000, 352, 354; a.A. Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695).
- 83
- Für privatärztliche Leistungen bestimmt die GOÄ den Inhalt der abrechnungsfähigen ärztlichen Leistungen und deren taxmäßige (standardisierte) Honorierbarkeit abschließend. Die Anspruchsvoraussetzungen sind jeweils - dort nach Sozialrecht, hier nach den materiell-rechtlichen Vorschriften der GOÄ - fest umschrieben, eine tatbestandliche Schadenskompensation allein mit erbrachter ärztlicher Leistung ist dadurch ausgeschlossen (zutreffend Tiedemann in LK-StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 267). Der Leistende wird nicht von einer Verpflichtung gegenüber dem Arzt befreit, eine wirtschaftliche Vermögenssaldierung ergibt daher ein Minus (Hellmann, NStZ 1995, 232; Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315, 316).
- 84
- Dass der Arzt durch Leistungserbringung von einer Leistungspflicht be- freit wird, eine erneute Behandlung „wirtschaftlich unsinnig“ wäre (Gaizik, wistra 1998, 329, 332, ebenso Idler, JUS 2004, 1037, 1040; Stein, MedR 2001, 124, 127), ist für die Schadensbestimmung unbeachtlich. Auch eine von einem Laien durchgeführte und zufällig erfolgreiche Behandlung würde erneute Leistungserbringung „unsinnig“ machen (vgl. Grunst, NStZ 2004, 533, 535), ohne dass ihr ein wirtschaftlicher Wert zugesprochen werden könnte.
- 85
- Im Bereich privatärztlicher Liquidation, bei der der behauptete Honoraranspruch nicht schon aus dem Behandlungsvertrag, sondern erst aufgrund der erbrachten Leistungen entsteht, kann eine Zahlung für die Leistungserbringung nicht kausal werden; die Zahlung ist ohne eigenen Vermögenswert, wenn nicht die Rechtsordnung durch Ansprüche eine Korrespondenzbeziehung herstellt (Schuhr, aaO, § 263 StGB, Rn. 44). Lediglich formalrechtliche „Leistungsge- währungsvoraussetzungen“, wie sie als Einschränkungen der zum Vertragsarztrecht entwickelten „streng formalen Betrachtungsweise“ diskutiert werden (vgl. Volk, NJW 2000, 3385, 3386) oder wie sie im Bereich des Subventionsbetruges zum Tragen kommen können (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - 5 StR 334/05; Fischer, aaO, § 263 Rn. 142 mwN), sind der Abrechnung privatärztlicher Leistungen auf der Grundlage der an die Person des Leistungserbringers (z.B. § 4 Abs. 2 Satz 2 GOÄ) oder an die Art und Weise der Leistungserbringung (z.B. § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ) anknüpfenden GOÄ fremd; auch wenn der zahlende Patient die Art der Leistungserbringung oder die Art der Ab- rechnung genehmigen wollte, bestünde dem Grunde nach ein materieller Anspruch nicht.
- 86
- Auch sonst bestimmt sich der wirtschaftliche Wert einer Arbeitsleistung nach deren Abrechenbarkeit; die Möglichkeit, die eigene Arbeitskraft zur Erbringung von Dienstleistungen einzusetzen, hat Vermögenswert nur, soweit sie üblicher Weise gegen Entgelt erbracht wird (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2001 - 4 StR 315/00 mwN zu durch Betrug erlangter Arbeitsleistung). Indes wird gesetzeswidrigen Handlungen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2008 - 2 StR 421/08; BGH, Beschluss vom 2. Mai 2001 - 2 StR 128/01) oder Leistungen , die verboten sind oder unsittlichen Zwecken dienen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 1987 - 5 StR 566/86; BGH, Beschluss vom 20. Dezember1988 - 1 StR 654/88), mögen sie auch „üblicherweise“ nur gegen Entgelt (z.B. „Killer- lohn“) erbracht werden, kein Vermögenswert zuerkannt, da sich das Strafrecht ansonsten in Widerspruch zur übrigen Rechtsordnung setzen würde, wenn es im Rahmen des Betrugstatbestandes nichtigen - weil gesetzeswidrigen - Ansprüchen Schutz gewährte (vgl. auch Eckstein JZ 2012, 101, 104). Es entspricht einem allgemeinen Rechtsgedanken, wirtschaftliche Vorteile aus rechtsmissbräuchlichen Gestaltungen zu versagen (vgl. z.B. §§ 814, 817 S. 2 BGB, §§ 41, 42 AO); in Verbotenes Investiertes soll unwiederbringlich verloren sein (vgl. BT-Drucks. 11/1134, S.12 zum Verfall). Ebenso wird einer Arbeitsleistung ein wirtschaftlicher Wert abgesprochen, wenn Gesetz oder Verwaltungsvorschriften einer zu deren Entlohnung führenden Anstellung entgegenstanden, selbst wenn fachlich nicht zu beanstandende Leistungen erbracht wurden (BGH, Beschluss vom 18. Februar 1999 - 5 StR 193/98 mwN). Im Übrigen ist auch zur Frage der Rechtswidrigkeit des erlangten Vermögensvorteils allein das materiell-rechtliche Bestehen eines Anspruchs maßgeblich (vgl. BGH, Be- schluss vom 20. November 1981 - 2 StR 586/81; BayObLG, Beschluss vom 29. Juni 1994 - 2St RR 118/94).
- 87
- Es kann nicht eingewandt werden, der Patient habe sich durch den Erhalt der Leistungen ansonsten erforderliche Aufwendungen erspart, er hätte die Leistungen auch vom Laborarzt (direkt) beziehen können und müssen. Die gegenteilige Ansicht (vgl. Gaizik, wistra 1998, 329, 331 ff. mwN, der allerdings zutreffend darauf hinweist, dass diese ersparten Aufwendungen kein unmittelbar aus der Zahlung fließendes Äquivalent darstellen) bezieht in unzulässiger Weise einen zwar anspruchsbegründenden, tatsächlich aber nicht gegebenen (und überdies nicht vorhersehbaren, vgl. Freitag, aaO, S. 139) Sachverhalt und somit hypothetische Reserveursachen ein, und überspielt damit im Wege einer Gesamtbetrachtung das Fehlen eines Anspruchs auf die durch Täuschung erlangte Leistung (zutreffend Tiedemann in LK-StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 267; ebenso Schuhr, aaO, § 263 StGB, Rn. 44; Fischer, aaO, § 263 Rn. 155; Grunst, NStZ 2004, 533, 537 jew. mwN).
- 88
- bb) Dies zugrunde gelegt hat die Strafkammer im Ergebnis rechtsfehler- frei die „lege artis“ (Laborleistungen) bzw. „fehlerfrei“ (Akupunktur- undOsteo- pathieleistungen) erbrachten Leistungen nicht zur Verneinung des tatbestandlichen Schadens i.S.v. § 263 StGB herangezogen. Die erbrachten Leistungen haben das Vermögen des Patienten zum Zeitpunkt der Zahlung nicht mit einem Zahlungsanspruch in Höhe des Rechnungsbetrages belastet.
- 89
- Wie bereits aufgezeigt, steht im Fall abgerechneter Speziallaborleistungen dem Angeklagten kein Zahlungsanspruch gegen den Patienten zu. Ebenso wenig ist das Vermögen des Patienten - wie auch die Revision in anderem Zusammenhang ausführt - mit einem Zahlungsanspruch des Laborarztes belastet.
- 90
- Der Laborarzt, wiewohl er seine Leistung üblicherweise nur gegen Entgelt erbringt, leistet hier nicht an den Patienten, sondern erbringt seine Leistung - die Befundung, die sich in einem dem Angeklagten direkt übermittelten Datenwerk niederschlägt - ausschließlich im Verhältnis zum Angeklagten. Von diesem erhält er auch (bei „Verzicht auf die Abrechnung gegenüber dem Patienten“ ) das hierfür geforderte, der Höhe nach umsatzabhängige Entgelt. Erst aus dem Tätigwerden des Angeklagten, nämlich dessen „Weiterverkauf“ dieser Laborleistungen, erlangt der Patient etwas. Nach den abschließenden Regelungen der GOÄ erwachsen hieraus aber keine Zahlungsansprüche gegen den Patienten; der Angeklagte wird so gestellt, als habe er eine mit anderen Gebührenziffern bereits abgegoltene Leistung erbracht. Durch die materiell-rechtlichen Vorschriften der §§ 4 Abs. 2 und 10 GOÄ wird - der gesetzgeberischen Intention entsprechend - unterbunden, dass der Angeklagte aus dem Bezug erbrachter und sodann „weiterverkaufter“ Speziallaborleistungen einen wirtschaftlichen Wert schöpfen kann.
- 91
- In gleicher Weise stehen die den taxmäßigen Wert der Akupunktur- und Osteopathieleistungen bestimmenden Regelungen der GOÄ deren Abrechnung durch den Angeklagten oder die Therapeuten entgegen. Die Leistungserbringung kann nicht zu einem das Vermögen des Patienten belastenden Zahlungsanspruch führen. Der auch mangels Approbation oder Erlaubnis nach HeilPrG nicht abrechenbaren Leistung kann ein zur Bestimmung des tatbestandsmäßigen Schadens i.S.v. § 263 StGB maßgeblicher wirtschaftlicher Wert nicht beigemessen werden. Dies gilt auch für Leistungen der nicht zur Erbringung von Laborleistungen der Klasse M III qualifizierten Laborgemeinschaft.
- 92
- III. Die Feststellungen belegen, dass der Angeklagte auch vorsätzlich gehandelt hat. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es für den Betrugsvor- satz, dass der Täter die schadensbegründenden Umstände kannte (BGH, Urteil vom 3. November 1987 - 1 StR 292/87 mwN). Entscheidend ist, ob er in der Annahme gehandelt hat, eine Zahlung in der geltend gemachten Höhe beanspruchen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 - 4 StR 420/91 mwN).
- 93
- Nach den Urteilsfeststellungen war dem Angeklagten in allen Fällen - auch in den Fällen abgerechneter Speziallaborleistungen - bewusst, dass er zur Liquidation nicht berechtigt war und sich durch Vortäuschen eines in Wahrheit nicht bestehenden Zahlungsanspruchs zu Unrecht bereicherte. Er handelte gleichwohl.
- 94
- Der Einlassung des Angeklagten, er habe sein „Abrechnungsverhalten überwiegend als legal angesehen“ (UA S. 51), hat die Strafkammer auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung keinen Glauben geschenkt. Die Strafkammer konnte sich dabei auch auf eine frühere Einlassung des Angeklagten stützen, in der er einräumte, dass er die Abrechnungspraxis in Kenntnis ihrer Unrechtmäßigkeit beibehielt, „weil er das Geld benötigte“ (UA S. 69). „Er sei sich des wirtschaftlichen Vorteils durchaus bewusst gewesen und habe trotz zuletzt positiver Kenntnis von der Illegalität dieser Abrechnungen bis zuletzt daran festgehalten, da ihm ansonsten der Praxisumsatz zu abrupt ein- gebrochen wäre“ (UA S. 53).
- 95
- Dies korreliert mit den Angaben einer Außendienstmitarbeiterin eines involvierten Labors, wonach die „veränderten gesetzlichen Vorgaben in der GOÄ“ nicht nur in internen Schulungen erörtert, sondern auch „mit den Ärzten die Möglichkeiten der Gebührenordnung“ besprochen worden waren, und der Angeklagte „sehr daran interessiert gewesen“ sei, „die wirtschaftlichen Vorteile der Direktabrechnung von Laborleistungen nicht zu verlieren“ (UA S. 66); seitens des Angeklagten habe „eine gewisse Erwartungshaltung bestanden“ (UA S. 68).
- 96
- Die Einlassung des Angeklagten, er habe in der Annahme gehandelt, den Patienten entstehe wegen der erbrachten Leistungen kein Schaden, steht der Annahme eines Vorsatzes nicht entgegen. Derjenige, der weiß, dass er sich auf Kosten eines anderen durch Vortäuschen eines in Wahrheit nicht gegebenen Zahlungsanspruchs bereichert, weiß oder nimmt zumindest billigend in Kauf, dass er trotz erbrachter Leistungen keinerlei Zahlungsanspruch hat, der Zahlende also rechtsgrundlos leistet und dadurch in Höhe des Gezahlten geschädigt ist.
- 97
- IV. Rechtsfehlerfrei geht die Strafkammer bei Rechnungen gleichen Datums von Tateinheit aus, auch soweit dabei mittäterschaftliche Begehung - zum Nachteil der Versicherungen - und mittelbare Täterschaft - zum Nachteil der Patienten - zusammentreffen. Da der Angeklagte die zur Abrechnung erforderlichen Daten an den entsprechenden Tagen „einheitlich an die M. GmbH übermittelt“ hat (UA S.15), liegt eine zu Tateinheit führende Teilidentität der Ausführungshandlung vor (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 3 StR 485/10; BGH, Beschluss vom 24. November 2010 - 2 StR 519/10; BGH, Beschluss vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09; BGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - 3 StR 148/09; v. Heintschel-Heinegg in MüKomm-StGB, § 52 Rn. 86 ff. mwN).
- 98
- V. Eines Eingehens auf die von der Strafkammer zur Begründung des Schadens zusätzlich herangezogenen weiteren Gesichtspunkte bedarf es nicht. Hierauf hatte der Generalbundesanwalt in seinem Antrag, auf den die Revision mit einem Rechtsgutachten umfassend erwidert hat, bereits zutreffend hingewiesen. Es kann hier auch dahinstehen, ob vom Revisionsgericht analog § 265 StPO ein Hinweis auf die rechtlich etwas von der Auffassung des Landgerichts abweichende Begründung des Schadens zu erteilen wäre. Denn der Senat schließt im vorliegenden konkreten Einzelfall, in dem die maßgeblichen Rechtsfragen auch von der Verteidigung erörtert worden sind, aus, dass sich der Angeklagte anders, insbesondere erfolgreicher gegen den ihm gemachten Vorwurf hätte verteidigen können.
E.
- 99
- Die Nachprüfung des Urteils hat auch hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
- 100
- I. Der Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
- 101
- 1. Die Strafkammer legt der Strafzumessung einen jeweils zutreffenden Strafrahmen zugrunde.
- 102
- a) Das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 21, 20 StGB „bei Begehung der Tat“ hat die insoweit sachkundig beratene Strafkammer rechtsfehler- frei verneint (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 1 StR 122/11).
- 103
- b) Die Strafkammer musste auch - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - ungeachtet der Annahme eines „überschießenden Geständ- nisses“ (UA S. 115) in den Fällen kollusiven Zusammenwirkens mit den Patien- ten den - hier bereits anwendbaren - § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nicht aus- drücklich erörtern. Denn durch die Benennung der an den Taten beteiligten Patienten deckt der Angeklagte keine Katalogtat i.S.d. § 46b Abs. 1 StGB i.V.m. § 100a Abs. 2 StPO auf.
- 104
- Die vom Angeklagten benannten Patienten handelten weder selbst gewerbsmäßig , noch kann ihnen die Gewerbsmäßigkeit im Handeln des Angeklagten , ein strafschärfendes persönliches Merkmal i.S.d. § 28 Abs. 2 StGB, zugerechnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2008 - 3 StR 193/08 (zu § 260 StGB); BGH, Beschluss vom 11. Januar 2005 - 1 StR 547/04 (zu § 152a Abs. 2 StGB); BGH, Beschluss vom 21. September 1995 - 1 StR 316/95 (zu § 243 Abs. 2 StGB); Kudlich in BeckOK-StGB, § 28 Rn. 24). Sie können also „nur“ wegen Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) bestraft werden.
- 105
- Für eine Anwendbarkeit des § 46b Abs. 1 StGB reicht indes nicht aus, dass lediglich eine Nichtkatalogtat aufgedeckt wird, mag diese auch - wie hier - mit einer Katalogtat im Zusammenhang stehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 46b Abs. 1 Satz 3 StGB. Der Täter einer Katalogtat soll nicht durch die Offenbarung einer Bagatelltat (nachgeordnete Beihilfehandlung zu einer vom Täter mitverwirklichten geringeren Tat) in den Genuss einer Strafrahmenverschiebung kommen können. Andernfalls würde sich überdies ein Wertungswiderspruch zu Fällen ergeben, in denen die offenbarte Tat als eigenständiges Delikt verfolgbar wäre, und in denen demzufolge eine Strafmilderung nur bei Aufdeckung einer als Katalogtat verfolgbaren Tat in Betracht kommt.
- 106
- c) Grundsätzlich rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen, wonach der Angeklagte rund 30 % seines gesamten Praxisumsatzes mit den ihm zur Last liegenden (und nicht gemäß §§ 154, 154a StPO ausgeschiedenen) manipulierten Abrechnungen erwirtschaftete , sowohl das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB (Ge- werbsmäßigkeit) als auch des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB (große Anzahl) bejaht (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2011 - 1 StR 343/11). Ohne Erfolg rügt die Revision in diesem Zusammenhang, die Strafkammer habe in den Fällen mit festgestellten Schadenssummen unter 50 € (Fälle 16, 42, 66, 71, 108 und 117 der Urteilsgründe) die Regelung des § 263 Abs. 4 i.V.m. § 243 Abs. 2 StGB verkannt. Denn die Strafkammer geht in diesen, wie in allen Fällen mit Schadensbeträgen bis 2.500 € vom Regelstrafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB aus, so dass es auf die Verwirklichung der Regelbeispiele insoweit nicht ankommt. Dass sie in allen anderen Fällen die Anwendung des erhöhten Strafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB unter anderem mit der Verwirklichung zweier Regelbeispiele bejaht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl. Rn. 401).
- 107
- 2. Die Bemessung der Strafe innerhalb des rechtsfehlerfrei bestimmten Strafrahmens ist ebenfalls frei von den Angeklagten belastenden Rechtsfehlern.
- 108
- In den unter Verstoß gegen § 5 HeilPrG erbrachten Osteopathie- und Akupunkturleistungen, zu denen der Angeklagte angestiftet hat, musste die Strafkammer ebenso wenig einen bestimmenden Milderungsgrund sehen, wie in dem Umstand, dass die Laborleistungen bei einem anderen als dem tatsächlichen - also hypothetischen - Sachverhalt anders hätten abgerechnet werden können.
- 109
- Ob darüber hinaus bei der Strafzumessung in Fällen zu Unrecht abgerechneter ärztlicher Leistungen der Umstand tatsächlich erbrachter Leistungen und hierzu entstandener Aufwendungen strafmildernd berücksichtigt werden muss (vgl. für vertragsärztliche Abrechnungen BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02; BGH, Beschluss vom 28. September 1994 - 4 StR 280/94), oder ob - wozu der Senat neigt - sich dies im Bereich privatärztlicher Liquidation schon deswegen verbietet, weil hier die “Bereicherung” des Opfers dessen Schaden gerade nicht kompensiert und der Täter eigenmächtig und auf strafbare Weise den Ausgleich, den er materiell-rechtlich nicht beanspruchen kann, herbeiführt (vgl. Hellmann NStZ 1995, 232, 233), bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
- 110
- Nach der ausdrücklichen Hervorhebung in den Urteilsgründen ist nicht zu besorgen, die Strafkammer könnte bei der Strafzumessung nicht auch im Blick gehabt haben, dass die Speziallaborleistungen - nach der allgemeinen Handhabe und ohne dass dies für jeden Einzelfall festgestellt wurde - „tatsächlich benötigt“ und von einem dazu befähigten Laborarzt „fachlich und medizinisch korrekt“ erbracht wurden (UA S. 21). Auf UA S. 110 werden die Untersuchungsergebnisse erneut als „medizinisch korrekt“ bezeichnet und auf UA S. 122 wird generell festgestellt, dass die „Patienten mit der ärztlichen Leistung des Angeklagten ganz überwiegend sehr zufrieden waren“. Dass in den Straf- zumessungsgründen eine Erwägung nicht ausdrücklich wiederholt wird, lässt nicht ohne weiteres den Schluss zu, das Tatgericht habe sie bei der Zumessung der Strafe übersehen (BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - 3 StR 413/11 mwN). Dies gilt gleichermaßen für den Umstand, dass eine fehlerhafte Behandlung durch die nicht abrechnungsbefugten Leistungserbringer nicht bekannt geworden sind (UA S. 28) und dass der Angeklagte zu deren „Beschaffung“ jeweils eigene, von der Strafkammer zu den jeweiligen Fallgruppen spezifizierte Aufwendungen hatte. Beleg für eine entsprechende Berücksichtigung sind auch die Annahme eines besonders schweren Falles erst ab Rechnungsbeträgen über 2.500 € und die gemessen an der von der Strafkammer festgestellten kriminellen Energie des Angeklagten und dem gesamten Tatbild geringen Einzelstrafen sowie die ebenfalls milde Gesamtfreiheitsstrafe.
- 111
- 3. Die Gesamtstrafe hat ebenfalls Bestand. Soweit die Teileinstellung des Verfahrens (oben B.) zum Wegfall der bezüglich Fall Nr. 71 der Urteils- gründe verhängten Einzelgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 € führt, schließt der Senat in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts angesichts der Vielzahl der verbleibenden Fälle und der dafür verhängten Einzelstrafen bis zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe aus, dass die Strafkammer auf eine noch mildere als die verhängte Gesamtfreiheitstrafe erkannt hätte.
- 112
- II. Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen das auf die Ausübung als selbständig liquidierender oder liquidationsberechtigter Arzt beschränkte Berufsverbot (§ 70 Abs. 1 StGB) auf eine Gesamtwürdigung des Angeklagten und der Taten gestützt (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2011 - 2 StR 609/10; BGH, Urteil vom 2. Mai 1990 - 3 StR 59/89) und ebenso ohne Rechtsfehler im Rahmen ihres Ermessens (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2007 - 1 StR 164/07) die Gefahr weiterer erheblicher Straftaten und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bejaht.
- 113
- Es kann dahinstehen, ob das Verhalten eines Angeklagten nach der Tat stets im Rahmen der für § 70 Abs. 1 StGB erforderlichen Gefahrprognose zu berücksichtigen ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. August 2009 - 5 StR 248/09). Denn hier hätte sich dabei ungeachtet der festgestellten Teilschadenswiedergutmachung Günstiges für den Angeklagten deswegen nicht ergeben können, da er - wie das Landgericht ebenfalls feststellt - nach der Durchsuchung seiner Praxisräume in diesem Verfahren weiterhin gegen § 31 BayBOÄ verstoßen hat, indem er nunmehr mit einem anderen Labor Beraterverträge abschloss, die ihm zukünftig umsatzabhängige (Rück)Vergütungen sichern sollten (UA S. 108).
- 114
- III. Der vom Generalbundesanwalt angeregten Berichtigung des Ausspruchs nach § 111i Abs. 2 StPO bedarf es nicht.
- 115
- Zwar hat für vor dem 1. Januar 2007 beendete Taten ein Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO zu unterbleiben. Einer Anwendung der am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Regelung des § 111i Abs. 2 StPO auf bereits zuvor beendete Taten steht § 2 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 StGB entgegen (vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 - 4 StR 502/07 mwN). Letzteres hat die Strafkammer indes gesehen und auch ausgeführt (UA S. 114), so dass nicht zu besorgen ist, ein Auffangrechtserwerb nach § 111i Abs. 5 StPO sollte oder könnte auf den im Tenor für Taten vor dem 1. Januar 2007 festgestellten Betrag erstreckt werden.
- 116
- Durch die vom Generalbundesanwalt zutreffend aufgezeigte, rechtsfehlerhafte Annahme eines vorzeitigen Beendigungszeitpunktes und daraus resultierend einer zu geringen Bemessung des nach dem 1. Januar 2007 Erlangten ist der Angeklagte gerade nicht beschwert.
- 117
- IV. Anhaltspunkte für eine - zu Kompensation nötigende, von der Verteidigung aber ohnehin nicht mit einer entsprechenden Verfahrensrüge geltend gemachte - rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung liegen nicht vor. Gemessen an Umfang, Bedeutung (vgl. Graf in BeckOK-StPO, § 198 GVG Rn. 8) und Schwierigkeit der Sache (Beleg hierfür ist u.a. das von der Revision in Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts nachgereichte weitere Rechtsgutachten) wurde das Verfahren insgesamt innerhalb angemessener Frist (Art. 6 Abs. 1 EMRK) abgeschlossen; dies gilt auch für das Revisionsverfahren , in dem die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung zur Veröffentlichung vorgesehen ist.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und ausgesprochen , dass er wegen der Durchsuchungen vom 14. Januar 2009 aus der Staatskasse zu entschädigen ist. Die hiergegen gerichtete, auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
- 2
- I. Dem Angeklagten lag zur Last, unerlaubt Fertigarzneimittel, die nicht über eine nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) für Deutschland erforderliche Zulassung verfügten, zur Versorgung krebskranker Patienten in den Verkehr gebracht zu haben (§ 96 Nr. 5 AMG). Weiter wurde ihm vorgeworfen, die wahre Herkunft der Arzneimittel und den tatsächlich erbrachten Einkaufspreis nicht offengelegt und dadurch - soweit privat versichert - die Patienten, im Übrigen die gesetzlichen Krankenkassen betrogen zu haben (§ 263 StGB).
- 3
- Er habe statt des in Deutschland zugelassenen - ohne weiteres erhältlichen - Medikaments eine nur für einige ausländische Staaten zugelassene - deutlich preisgünstigere - stoffgleiche Herstellung erworben, aber diese - ohne es kenntlich zu machen - zum vollen Preis abgerechnet, um sich entsprechend zu bereichern.
- 4
- Das Landgericht hat die Eröffnung des Hauptverfahrens aus Rechtsgründen abgelehnt.
- 5
- Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Es ist der Rechtsansicht, dass der Angeklagte nicht nur gegen § 96 Nr. 5 AMG, sondern auch gegen § 96 Nr. 13 AMG verstoßen habe. Danach macht sich strafbar, wer Arzneimittel ohne entsprechende Verschreibung abgibt. Hinsichtlich des Betrugsschadens hat das Oberlandesgericht darauf hingewiesen, dass dieser in voller Höhe des erlangten Betrages und nicht nur - wie in der Anklageschrift angenommen - in der „Differenz zum Einkaufspreis“ zu sehen sei.
- 6
- 1. Die Anklage ging von folgendem Sachverhalt aus:
- 7
- Der Angeklagte betrieb in den Jahren 2006 und 2007 die A. Apotheke (vormals: ) in O. . In derenLabor, das der Angeklagte als „A. -GmbH“ gesondert führte, stellten unter seiner Aufsicht hierzu ausgebildete Mitarbeiter unter besonderen technischen Sicherheitsvorkehrungen Injektionslösungen zur Behandlung krebskranker Patienten her.
- 8
- Die Zubereitung dieser Lösungen erfolgte auf der Basis des Zytostati- kums „Gemzar“, das auf dem Markt als Pulver zur Herstellung einer Injektions- lösung angeboten wird. Die Zubereitung erfolgte jeweils auf Rezept. Die Ärzte verordneten entweder „Gemzar“ oder dessen Wirkstoff „Gemcitabine“ sowie eine patientenindividuelle Konzentrationsvorgabe für die zu dem Pulver hinzuzugebende Kochsalzlösung. Der Angeklagte gab die nach diesen Vorgaben zubereitete Lösung zur baldigen Verabreichung an die Patienten ab.
- 9
- Für die Zubereitung erwarb der Angeklagte jeweils vorab in unterschied- lichen Chargen „Gemzar“ aus Herstellungen der in Frankreich ansässigen Firma „L. “. Diese stellt „Gemzar“ sowohl für den deutschen Markt als auch für andere Märkte her. Der Angeklagte orderte jedoch nicht die für den deutschen Markt produzierten und zugelassenen, sondern andere, im Einkaufspreis günstigere Herstellungen, die u.a. für Tschechien, Ungarn, Ägypten, Kenia und Bangladesh vorgesehen waren und über keine in Deutschland gültige Arzneimittelzulassung verfügten. Die verschiedenen Herstellungen waren in ihrer inhaltlichen Zusammensetzung identisch, unterschieden sich jedoch durch die äußere Gestaltung, Etikettierung und Beschriftung der Verpackung.
- 10
- Der Erwerb von in Deutschland zugelassenem „Gemzar“ wäre dem Angeklagten jederzeit möglich gewesen. Sein handlungsleitendes Motiv bestand darin, durch die Verwendung der in Deutschland nicht zugelassenen, preisgünstigeren Herstellung Einkaufsvorteile zu erwerben und dadurch seine Gewinnspanne zu vergrößern.
- 11
- Im Jahr 2006 erwarb der Angeklagte auf die beschriebene Weise 26mal „Gemzar“, insgesamt 545 Packungen, zum Gesamtpreis von 106.273,50 Euro und ersparte hierbei gegenüber dem Einkauf des in Deutschland zugelassenen Arzneimittels Aufwendungen in Höhe von 37.485,85 Euro. Im Jahr 2007 nahm er 18 Bestellungen mit insgesamt 385 Packungen „Gemzar“ zum Preis von 81.182,50 Euro vor und ersparte sich Aufwendungen von insgesamt 21.274 Euro.
- 12
- Für die gesetzlich versicherten Patienten rechnete der Angeklagte monatlich mit deren Krankenversicherungen ab, wobei er auf den eingereichten Rechnungen die als Kürzel für in Apotheken hergestellte Zytostatika-Lösungen gebräuchliche Pharmazentralnummer (PZN) 9999092 angab. Gegenüber den privat versicherten Patienten erfolgte jeweils ein direkter Verkauf. Stets legte der Angeklagte dabei die handelsüblichen Preise nach der sogenannten Hilfstaxe zur Lauer-Taxe zugrunde, die als Datenbank für die Abrechnung branchenüblich herangezogen wird. Dass er für die Zubereitung jeweils das wesent- lich günstigere, in Deutschland nicht zugelassene „Gemzar“ verwendet hatte, legte er dabei weder gegenüber den privat Versicherten noch den gesetzlichen Krankenkassen offen. Bei insgesamt 272 Abrechnungen in 2006 und 258 in 2007 gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen oder privat versicherten Patienten verursachte er Schäden in Höhe von163.423,04 Euro bzw. 169.895,12 Euro. Bei den Krankenkassen bzw. den von ihnen mit der Abrechnung betrauten Rechenzentren wurden die Abrechnungen nur stichprobenartig geprüft und mangels Auffälligkeit nicht beanstandet.
- 13
- 2. Das Landgericht hat „den angeklagten Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht weitgehend“ (UA S. 7) festgestellt und ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme - entgegen der Einlassung des Angeklagten, er habe mit den Vorgängen selbst nichts zu tun gehabt - von seiner Verantwortlichkeit für die Bestellungen und Lieferungen (UA S. 11, 14) überzeugt. Es hat den Angeklag- ten jedoch „primär aus Rechtsgründen“ (UA S. 3) freigesprochen.
- 14
- Den Vorwurf des Inverkehrbringens von Fertigarzneimitteln ohne Zulassung (§ 96 Nr. 5 AMG) hat es mit der Begründung abgelehnt, der Angeklagte habe schon keine Fertigarzneimittel in den Verkehr gebracht. Vielmehr habe er aus dem erworbenen „Gemzar“ - das allerdings ein Fertigarzneimittel darstelle - in seiner Apotheke durch die Hinzugabe der jeweils patientenindividuell dosierten Kochsalzlösung ein Rezepturarzneimittel hergestellt. Rezepturarzneimittel bedürften jedoch keiner Arzneimittelzulassung.
- 15
- Auch den Tatbestand der Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente ohne Verschreibung (§ 96 Nr. 13 AMG) sieht das Landgericht nicht als erfüllt an. Die in § 48 AMG näher geregelte Verschreibungspflicht knüpfe nicht an die Zulassung oder Verkehrsbezeichnung des Medikaments an, sondern, wie sich aus der Anlage zur Arzneimittelverschreibungsverordnung ergebe, an die in den Arzneimitteln enthaltenen Wirkstoffe. Der Angeklagte habe, soweit „Gemzar“ verordnet worden sei, genau dieses, und, soweit der Wirkstoff „Gemcitabi- ne“ verordnet worden sei, „Gemzar“ als ein „Gemcitabine“ enthaltendes Arzneimittel abgegeben. Es sei kein Fertigarzneimittel, sondern eine in der Apotheke herzustellende Zubereitung verschrieben worden. Die Verschreibungspflicht diene nicht der Durchsetzung von Zulassungsvorschriften.
- 16
- Hinsichtlich des verbleibenden Betrugsvorwurfs (§ 263 StGB) sieht die Strafkammer bereits keine Täuschung: Weder mangele es der vom Angeklagten abgerechneten Lösung an der Verkehrsfähigkeit, noch habe der Angeklagte über preisbildende Umstände getäuscht. Seine tatsächlichen Einkaufspreise habe er nicht offenlegen müssen, weil sich eine entsprechende Verpflichtung weder aus dem Gesetz noch aus den vertraglichen Preisbildungsregelungen zwischen Apotheker- und Krankenkassenverbänden ergäbe.
- 17
- Wegen der bei ihm durchgeführten Durchsuchung hat das Landgericht dem Angeklagten einen Anspruch auf Entschädigung für zu Unrecht erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen (§ 2 StrEG) dem Grunde nach zuerkannt.
- 18
- Mit den Ersatzkrankenkassen hat der Angeklagte einen Vergleich geschlossen , nach dem er - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - zur Abgeltung der aus dem Sachverhalt des Ermittlungsverfahrens geltend gemachten Forderungen einen Betrag von 65.000 Euro bezahlt hat. Die AOKs und die Betriebskrankenkassen haben bis jetzt keine Forderungen gegen den Angeklagten erhoben.
- 19
- II. Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
- 20
- 1. Die Auffassung des Landgerichts, der Angeklagte habe den Tatbestand des unerlaubten Inverkehrbringens nicht zugelassener Fertigarzneimittel nicht verwirklicht (§ 96 Nr. 5 AMG), ist rechtsfehlerhaft. Die von der Strafkammer hierzu gefundene Begründung, der Angeklagte habe keine Fertigarzneimittel an seine Patienten abgegeben, sondern aus „Gemzar“ in seiner Apotheke ein neues, zulassungsfreies Rezepturarzneimittel hergestellt, ist nicht tragfähig.
- 21
- Im Ansatz zutreffend ist die Strafkammer allerdings davon ausgegangen, dass „Gemzar“ ein Fertigarzneimittel i.S.v. § 4 Abs. 1 AMGdarstellt, das der arzneimittelrechtlichen Zulassung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG bedarf. Denn „Gemzar“ weist bereits alle Eigenschaften eines Arzneimittels- und nicht nur eines Ausgangsstoffs - auf (zur Abgrenzung vgl. Müller in Kügel/Müller/ Hofmann, AMG-OK, 1. Aufl., § 2 Rn. 63 mwN; Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 2 Rn. 7 mwN) und ist einerseits mittels eines industriellen Verfahrens, andererseits im Voraus, also vor dem Vorliegen einer konkreten ärztlichen Verordnung, hergestellt worden.
- 22
- Fehlerhaft ist indes die Wertung, der Angeklagte habe durch die Zubereitung der Injektionslösung ein Rezepturarzneimittel hergestellt, das keiner Zulassung bedürfe. Es fehlt bereits grundsätzlich an der Herstellung eines neuen Arzneimittels.
- 23
- a) Nicht jeder denkbare Herstellungsschritt innerhalb eines mehrstufigen Herstellungsprozesses führt zur Entstehung eines neuen Arzneimittels.
- 24
- Der Begriff des „Herstellens“ eines Arzneimittels ist in § 4 Abs. 14 AMG definiert. Danach ist Herstellen das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe des Arzneimittels (im Einzelnen dazu Krüger in Kügel/Müller/Hofmann, AMG-OK, 1. Aufl., § 4 Rn. 99 ff.). Der Herstellungsbegriff ist bewusst weit gefasst (Spickhoff, Medizinrecht, 1. Aufl., AMG § 4 Rn. 13); es soll sichergestellt werden, dass die nach dem AMG vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen, insbesondere die Überwachung der an der Arzneimittelherstellung beteiligten Personen (§ 13 AMG), lückenlos bleiben. Bei natürlicher Betrachtung stellt sich ein Arzneimittel als das Ergebnis mehrerer aufei- nanderfolgender Herstellungstätigkeiten i.S.v. § 4 Abs. 14 AMG dar. Wann - erstmalig oder aus einem bereits bestehenden Arzneimittel (vgl. etwa § 11 Abs. 3 Apothekenbetriebsordnung - ApBetrO; zur Arzneimittelherstellung aus ihrerseits als Arzneimitteln zu bewertenden Zwischenprodukten vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. November 2007 - 1 StR 302/07, NStZ 2008, 530 f.) - ein eigenständiges Arzneimittel entsteht, ist eine Frage des Einzelfalls.
- 25
- Aus einem pulverförmigen Fertigarzneimittel - hier: „Gemzar“ - zubereitete Zytostatika-Lösungen sind im Verhältnis zu diesem keine neuen, eigenständigen Arzneimittel, wenn lediglich Kochsalzlösung beigefügt wird.
- 26
- Dem steht nicht entgegen, dass die Zubereitung bereits nach der Frei- gabe des ursprünglichen „Gemzar“ zum Inverkehrbringen direkt in der Apothe- ke und unmittelbar vor der Anwendung erfolgt. Auch nach der Freigabe eines Medikaments liegende Arbeitsschritte können im Hinblick auf den umfassenden Schutzgedanken des weiten Herstellungsbegriffs des § 4 Abs. 14 AMG noch Teil der Herstellung sein. Das gilt insbesondere für die Rekonstitution (§ 4 Abs. 31 AMG; vgl. hierzu die amtl. Begründung der 9. AMG-Novelle, BTDrucks. 16/12256, S. 42 zu Art. 1 Nr. 4g, s. a. LG Hamburg, Urteil vom 22. Juni 2007 - 406 O 8/07, PharmR 2007, 466 f.).
- 27
- Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, dass durch die Zubereitung chemisch-pharmazeutisch auf das Arzneimittel eingewirkt wird oder dass, wie die Strafkammer (UA S. 17 f.) ausführt, ein weiterer Inhaltsstoff hinzutritt und sowohl Aggregatzustand als auch Haltbarkeitsdauer sich verändern. Die chemische Einwirkung auf das Arzneimittel bildet allenfalls ein Indiz für das Entstehen eines neuen Arzneimittels, da durch sie die arzneiliche Wirkung verändert werden kann. Erschöpft sich die Einwirkung aber in der Verbringung des ursprünglichen Arzneimittels in seine zur Anwendung am Patienten geeignete Darreichungsform, stellt das dadurch entstandene Erzeugnis auch dann gegenüber dem Ausgangsarzneimittel kein neues Arzneimittel dar, wenn es - was bei einem derartigen Arbeitsschritt regelmäßig der Fall sein wird - einen anderen Aggregatzustand, zusätzliche Inhaltsstoffe und gegebenenfalls weitere abweichende Eigenschaften, etwa eine kürzere Haltbarkeitsdauer, aufweist. Denn die Darreichungsform stellt lediglich die Verbindung der Form, in der das Arzneimittel vom Hersteller aufgemacht wird, mit der Form, in der es eingenommen wird, einschließlich der physikalischen Form, dar (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - C-106/01
, EuZW 2004, 408, 410, Nr. 37; Kortland in Kügel/Müller/Hofmann, AMG-OK, 1. Aufl., § 24b Rn. 68). Sie verändert die arzneiliche Wirkung nicht, sondern bewirkt, dass diese überhaupt erst an den Patienten herangetragen werden kann.
- 28
- b) Handelt es sich bei dem vom Angeklagten in Verkehr gebrachten Arz- neimittel danach um „Gemzar“, so entfällt auch dessen Zulassungspflicht ge- mäß § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG nicht, nur weil ein Teil der Herstellung - die Zubereitung der Lösung - durch den Angeklagten in der Apotheke erfolgt ist.
- 29
- Zur Einordnung eines Arzneimittels als Fertigarzneimittel oder Rezepturarzneimittel sind bei arbeitsteiligen Herstellungsverfahren, die zum Teil industriell oder im Voraus, zum Teil gewerblich in der Apotheke erfolgen, die unterschiedlichen Arbeitsschritte im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung gegeneinander zu gewichten. Je nach dem Schwerpunkt handelt es sich um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel oder um ein zulassungsfreies Rezepturarzneimittel. Die Vornahme einzelner Arbeitsschritte in der Apotheke macht ein Arzneimittel nicht ohne weiteres zu einem Rezepturarzneimittel.
- 30
- Das ergibt sich aus Folgendem:
- 31
- Der Gesetzgeber stellt die Gewährleistung der Verbrauchergesundheit bei der Arzneimittelherstellung je nach der Art der Herstellung auf unterschiedliche Weise sicher. Bei der Herstellung von Arzneimitteln in Apotheken gelten nach der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) strenge Prüfungs- und Dokumentationspflichten hinsichtlich der Identität und Qualität der dazu verwendeten Stoffe und der Vorgehensweise im Herstellungsprozess (§§ 6 ff. ApBetrO). Bei der industriellen Arzneimittelherstellung liegt die Verantwortung für die Arzneimittelsicherheit demgegenüber beim pharmazeutischen Unternehmer (Brock/ Stoll in Kügel/Müller/Hofmann, AMG-OK, 1. Aufl., § 84 Rn. 18), der das Arzneimittel in den Verkehr bringt (§ 84 AMG), und beim Hersteller (Rehmann, Arzneimittelgesetz, 3. Aufl., § 84 Rn. 2). Zum einen ist eine behördliche Zulassung für das Arzneimittel (§ 21 Abs. 1 AMG) einzuholen, zum anderen ist der konkrete Herstellungsprozess qualitativ abzusichern (zur Herstellerhaftung im Einzelnen vgl. Spindler in Bamberger/Roth, BGB-OK, Ed. 23, § 823 Rn. 525 ff.). Dem belieferten Apotheker kommt Verantwortung nur noch insoweit zu, als er im Zeitpunkt der Abgabe des Arzneimittels an den Patienten die (fortbestehende ) Qualität des Arzneimittels sicherstellen muss (Cyran/Rotta, ApBetrO, 12. Lieferung, § 12 Rn. 3). Seine Prüfungspflicht beschränkt sich in diesem Fall gemäß § 11 Abs. 3, § 12 AMG auf eine Sinnesprüfung (Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 188. Lieferung, § 12 ApBetrO Rn. 1); unbeschadet seiner zusätzlichen, besonderen Beratungsleistung unterscheidet sich diese Prüfungspflicht kaum von vergleichbaren Pflichten anderer Berufe, die fertig gelieferte Waren verkaufen.
- 32
- Das Gesetz trifft keine gesonderte Regelung darüber, wem die Verantwortlichkeit für die Arzneimittelsicherheit bei komplexen, arbeitsteiligen Herstellungsverfahren zuwächst. Ein grundsätzlicher Vorrang der Apothekenherstellung , der dazu führen würde, dass die Vornahme einzelner Herstellungsschritte in der Apotheke (nurmehr) die umfassenden Prüfungspflichten des Apothekers nach der ApBetrO auslöst, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Nach dem Sinn und Zweck der jeweiligen Regelungen und dem sie überspannenden Schutzzweck der Arzneimittelsicherheit darf eine arbeitsteilige Herstellung jedenfalls nicht dazu führen, dass die für die arzneiliche Wirksamkeit des Arzneimittels bestimmenden Herstellungsschritte keiner Qualitätskontrolle mehr unterliegen, weil der Verantwortliche diese Kontrolle (so) nicht (mehr) leisten kann.
- 33
- Der Begriff des „Herstellens“ in § 4 Abs. 1 AMG ist deshalb so auszulegen , dass bei arbeitsteiligen Produktionsprozessen das Arzneimittel dort „hergestellt“ ist, wo der Schwerpunkt der Herstellungstätigkeiten liegt. Nur so wird dem überragenden Schutzzweck der Arzneimittelsicherheit hinreichend Rechnung getragen. Würde durch die Verlagerung einfachster Herstellungstätigkeiten in die Apotheke der für die industrielle Herstellung vorgesehene Schutzmechanismus obsolet, entstünde eine erhebliche Schutzlücke. Es wäre möglich, nicht zugelassene Arzneimittel oder sogar solche, deren Zulassung aufgrund schädlicher Wirkungen widerrufen wurde, durch bloßes Umfüllen oder Abpacken zur zulassungsfreien Apothekenrezeptur umzudeklarieren. Dies würde eine erhebliche Gefährdung der Arzneimittelsicherheit und der Gesundheit der Patienten bewirken.
- 34
- Dem steht nicht entgegen, dass § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG, der die Zulassungsfreiheit sogenannter Defekturarzneimittel regelt, im Gegensatz zu § 4 Abs. 1 AMG eine ausdrückliche Beschränkung auf Arzneimittel enthält, die „in den wesentlichen Schritten in der Apotheke“ erfolgt ist. Aus der Formulierung in § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG lässt sich nicht - auch nicht im Umkehrschluss - ableiten , dass eine gewichtende Begrenzung für die Abgrenzung zwischen Fertigarzneimitteln und Rezepturarzneimitteln nicht in Betracht kommt. Defekturarzneimittel sind im Voraus hergestellte Fertigarzneimittel (Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 21 Rn. 4). Auch für sie kommt es bei arbeitsteiligen Herstellungsverfahren bereits grundsätzlich für die Beurteilung, ob das Arzneimittel in der Apo- theke „hergestellt“ ist, auf eine wertende Gesamtbetrachtung des gesamten Herstellungsverlaufs an. Dementsprechend war bereits vor der Einfügung der Formulierung „in den wesentlichen Schritten“ durch das 4. Gesetz zur Änderung des AMG vom 11. April 1990 (BGBl I, S. 717) anerkannt, dass § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG nicht zur Zulassungsfreiheit eines Fertigarzneimittels führt, wenn lediglich untergeordnete Herstellungsschritte in der Apotheke erfolgt waren (so bereits OLG Köln, Urteil vom 2. März 1990 - 6 U 161/89, GRUR 1990, 691). Dass der Gesetzesänderung über die Klarstellung dieser Beschränkung hinaus Bedeutung zukommen sollte, ist weder der amtlichen Begründung (BT-Drucks. 11/5373, S. 13 zu § 21 AMG) noch sonstigen Umständen zu entnehmen (so bereits
OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juni 1991 – 2 U 18/91, bei Sander, Entscheidungssammlung zum Arzneimittelrecht , § 21 AMG Nr. 14; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 194/02, BGHZ 163, 265 ff.).
- 35
- Bei einer wertenden Gesamtbetrachtung kann die in der Apotheke durchgeführte Zubereitung einer Injektionslösung das im Voraus industriell hergestellte Pulver nicht zu einem Rezepturarzneimittel umwidmen.
- 36
- Die Zubereitung bildet im Vergleich zum vorab erfolgten industriellen Herstellungsteil einen klar untergeordneten Arbeitsschritt. Die die arzneiliche Wirkung bestimmenden Herstellungstätigkeiten, etwa die pharmazeutische Verarbeitung des Wirkstoffs zu einer handelbaren, haltbaren Substanz, sind zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen.
- 37
- Für die Beurteilung, ob ein wesentlicher Herstellungsschritt vorliegt, kommt es zwar nicht entscheidend darauf an, ob auf das Arzneimittel chemisch eingewirkt wird. Allerdings sind Tätigkeiten ohne jede Einwirkung auf das Medikament , etwa das Abpacken oder das Umfüllen, schon aus diesem Grunde keine wesentlichen Herstellungsschritte (so auch OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juni 1991 - 2 U 18/91, bei Sander, Entscheidungssammlung zum Arzneimittelrecht , § 21 AMG Nr. 14). Ebenso stellt sich eine Zubereitung, die das Arzneimittel lediglich in eine anwendbare Darreichungsform versetzt, gegenüber dem vorausgegangenen Prozess nicht mehr als wesentlich dar. Das zeigt sich bereits daran, dass im Zulassungsverfahren für Fertigarzneimittel die spätere Darreichungsform bereits Gegenstand der Zulassungsprüfung ist (vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 4 AMG). Schon aus diesem Grunde ist für die Bewertung des Landgerichts , der Zubereitungsprozess sei zulassungsfreie Apothekenrezeptur, kein Raum.
- 38
- Auch der vom Landgericht betonten Gefährlichkeit des Umgangs mit „Gemzar“ und dem daraus resultierenden Sicherheitsaufwand kommt für die Zuordnung keine entscheidende Bedeutung zu. Nach den Feststellungen der Strafkammer handelt es sich um Eigenschaften, die das pulverisierte „Gemzar“ generell in sich trägt. Anhaltspunkte dafür, dass gerade der Zubereitungsprozess eine im Vergleich zu den übrigen Herstellungsschritten besondere Vor- sicht und - daher - einen besonderen Sicherheitsaufwand erfordert, liegen nicht vor.
- 39
- Auch der Gesetzgeber hat bis zuletzt deutlich gemacht, dass der Zubereitung von Zytostatika-Lösungen gegenüber dem vorausgehenden industriellen Herstellungsprozess des Zytostatikums keine wesentliche Bedeutung für die Arzneimittelsicherheit zukommt. So hat er noch im Jahr 2009 klargestellt, dass es sich bei der Zubereitung um eine nicht zulassungspflichtige Tätigkeit handelt, während das zugrunde liegende Zytostatikum jedoch uneingeschränkt der Zulassung bedarf (§ 21 Abs. 2 Nr. 1b Buchst. a AMG nF; vgl. BGBl. 2009/I, S. 1990 ff., Art. 1 Nr. 22 b, bb).
- 40
- c) Der Tatbestand des § 96 Nr. 5 AMG entfällt schließlich auch nicht dadurch, dass das vom Angeklagten verwendete „Gemzar“ mit einem für Deutschland zugelassenen Alternativmedikament inhaltlich identisch ist. Die Gefahr des Fehlgebrauchs kann auch bei der Verwendung eines inhaltsgleichen Medikaments nicht ausgeschlossen werden. Selbst dann können sich insbesondere aus unterschiedlichen Herstellungsbedingungen und anderer Lagerung der Medikamente Qualitätsunterschiede ergeben.
- 41
- Den Besonderheiten des Parallelimports wird bereits durch das Zulassungsverfahren selbst Rechnung getragen. Die behördliche Prüfung erfolgt zwar nicht umfassend, sondern in einem vereinfachten Verfahren, aber hierdurch soll gerade auch sichergestellt werden, dass es sich tatsächlich um identische Arzneimittel handelt. Auf diese Identitätsfeststellung kann nicht verzichtet werden. Beim Arzneimittelimport ist der Empfängerstaat zu beschränkenden Maßnahmen im Interesse des Gesundheitsschutzes der Verbraucher nicht nur befugt; er ist, worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutref- fend hingewiesen hat, sogar gehalten, zur Gewährleistung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wenigstens ein solches, vereinfachtes Zulassungsverfahren durchzuführen (EuGH, Urteile vom 12. November 1996 - C-201/94, PharmR 1997, 92 ff.; vom 16. Dezember 1999 - C-94/98, GRUR Int. 2000, 349 ff.; Heinemann, PharmR 2001, 180, 180 f.).
- 42
- Die in § 96 Nr. 5 AMG enthaltene formale Anknüpfung der Strafbarkeit an das Fehlen einer behördlichen Zulassung begegnet auch keinen Bedenken (vgl. zur Verwaltungsakzessorietät strafrechtlicher Normen BVerfG, Beschlüsse vom 15. Juni 1989 - 2 BvL 4/87, BVerfGE 80, 244 ff., und vom 6. Mai1987 - 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 329 ff.).
- 43
- 2. Der Frage, ob - was nach den Umständen naheliegt - auch der Tatbestand des § 96 Nr. 13 AMG verwirklicht ist, braucht der Senat nicht abschließend nachzugehen. § 96 Nr. 13 AMG wird jedenfalls im vorliegenden Fall durch § 96 Nr. 5 AMG konsumiert, denn die Verletzung der Verschreibungspflicht beruht hier allein auf der Missachtung von Zulassungsvorschriften. Dass die Verschreibungspflicht zwar ihren Grund in dem jeweils enthaltenen Wirkstoff findet, sich aber nominell auf ein Arzneimittel, nicht auf den Wirkstoff selbst bezieht, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 48 Abs. 1 AMG. Dafür, dass der ärztliche Verordnungswille sich regelmäßig nur auf die Verabreichung zugelassener Medikamente erstreckt, sprechen schon die Risiken, denen sich der Arzt im Fall eines Fehlgebrauchs aussetzt, etwa das Risiko des Verlusts der Approbation gemäß § 5 Abs. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO (vgl. etwa OVG Saarlouis, Beschluss vom 29. Oktober 2004 - 1 Q 9/04, ArztR 2005, 162 ff.; Schelling in Spickhoff, Medizinrecht, 1. Aufl., BÄO § 5 Rn. 39 mwN).
- 44
- 3. Auch die Ablehnung des Betrugsvorwurfs hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 45
- Weil die Strafkammer bereits keinen Verstoß gegen Zulassungspflichten gesehen hat (s. o. II. 1.), hat sie zu Unrecht angenommen, dass das Arzneimittel verkehrsfähig und damit erstattungsfähig sei. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1, § 12 Abs. 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen nach § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs. 1 AMG) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (BSG, Urteile vom 4. April 2006 - B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170 ff., vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R, BSGE 93, 1 mwN; und vom 23. Juli 1998 - B 1 KR 19/96 R, BSGE 82, 233; zusammenfassend Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, OK, SGB V § 31 Rn. 11 mwN).
- 46
- Mit der Übersendung der Rechnung an die gesetzlichen Krankenkassen oder deren Rechenzentren hat der Angeklagte einen sozialrechtlichen Erstattungsanspruch konkludent behauptet (zur parallelen Situation beim Arztabrechnungsbetrug vgl. BGH, Urteil vom 10. März 1993 - 3 StR 461/92, NStZ 1993, 388) bzw. durch den Verkauf an die privat versicherten Patienten einen entsprechenden , tatsächlich nicht existenten Kaufpreisanspruchs geltend gemacht (vgl. zuletzt
BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11 mwN).
- 47
- Auf die vom Landgericht erörterte Frage, ob der Angeklagte zugleich über die Umstände seiner Preisbildung getäuscht hat, kommt es danach nicht mehr an.
- 48
- III. Durch die Aufhebung des Urteils wird die Entscheidung über die Entschädigungspflicht für die erlittene Durchsuchungsmaßnahme gegenstandslos (vgl. BGH, Urteile vom 11. April 2002 - 4 StR 585/01; vom 22. März 2002 - 2 StR 569/01; vom 17. August 2000 - 4 StR 245/00 mwN).
- 49
- IV. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
- 50
- 1. Ergeben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die im Einzelfall abgegebenen Arzneimittel aus größeren, im Voraus beschafften Arzneimittelvorräten stammen, die zudem zum Zwecke des Verkaufs vorrätig gehalten wurden , können die einzelnen Abgabehandlungen eine Bewertungseinheit mit der Folge bilden, dass jeweils nur ein einheitlicher Fall des unerlaubten Inverkehrbringens von Fertigarzneimitteln ohne Zulassung vorliegt (§ 4 Abs. 17 AMG; vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Dezember 2009 - 1 StR 277/09, BGHSt 54, 243 ff.).
- 51
- 2. Die neue Strafkammer wird im Hinblick auf die Feststellung eines infolge der Täuschung ausgelösten Irrtums bei den mit der Abrechnungsprüfung befassten Krankenkassen bzw. Rechnungszentren Gelegenheit haben, detaillierte Feststellungen dazu zu treffen, inwieweit die Mitarbeiter konkret Kenntnis davon hatten, dass der Angeklagte und/oder andere Apotheker Zubereitungen aus nicht zugelassenen Importmedikamenten nach Listenpreis abrechneten (zur Möglichkeit eines Irrtums bei Zweifeln des Opfers vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198 ff.; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 263 Rn. 55 mwN).
- 52
- 3. Bei der betrügerischen Erschleichung nicht erstattungsfähiger Leistungen entfällt der Leistungsanspruch insgesamt; für die Bemessung des Schadens ist auf den gesamten zu Unrecht erlangten Betrag abzustellen (BGH, Beschlüsse vom 25. Januar 2012 - 1 StR 45/11, und vom 28. September 1994 - 4 StR 280/94, NStZ 1995, 85 ff. jew. mwN). Gleiches gilt hinsichtlich der privat versicherten Patienten: In dem Umfang, in dem die Rechtsordnung einer Leistung die Abrechenbarkeit versagt, weil etwa die für die Abrechenbarkeit vorgesehenen Qualifikations- und Leistungsmerkmale nicht eingehalten sind, kann ihr kein für den tatbestandlichen Schaden i.S.v. § 263 StGB maßgeblicher wirtschaftlicher Wert zugesprochen werden (vgl. zuletzt
BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 - 1 StR 45/11; auch Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315, 316). Führt die erbrachte Leistung mangels Abrechenbarkeit nicht zum Entstehen eines Zahlungsanspruchs, findet eine saldierende Kompensation nicht statt. Zahlt der in Anspruch Genommene irrtumsbedingt ein nicht geschuldetes Honorar, ist er in Höhe des zu Unrecht Gezahlten geschädigt (BGH aaO).
- 53
- 4. Bei einem monatlichen Abrechnungsrhythmus gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen wird zu prüfen sein, ob im Einzelnen festgestellte Ausführungshandlungen teilidentisch sind (§ 52 StGB).
- 54
- 5. Eine im Einzelfall festzustellende erhebliche Reduzierung oder gar der Ausschluss einer tatsächlichen Gefährdung der Patienten durch die Verwendung nicht zugelassenen „Gemzar“ kann im Bereich der Strafbemessung Be- rücksichtigung finden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - 3 StR 117/11).
(1) Gebühren sind Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis (Anlage) genannten ärztlichen Leistungen.
(2) Der Arzt kann Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). Als eigene Leistungen gelten auch von ihm berechnete Laborleistungen des Abschnitts M II des Gebührenverzeichnisses (Basislabor), die nach fachlicher Weisung unter der Aufsicht eines anderen Arztes in Laborgemeinschaften oder in von Ärzten ohne eigene Liquidationsberechtigung geleiteten Krankenhauslabors erbracht werden. Als eigene Leistungen im Rahmen einer wahlärztlichen stationären, teilstationären oder vor- und nachstationären Krankenhausbehandlung gelten nicht
- 1.
Leistungen nach den Nummern 1 bis 62 des Gebührenverzeichnisses innerhalb von 24 Stunden nach der Aufnahme und innerhalb von 24 Stunden vor der Entlassung, - 2.
Visiten nach den Nummern 45 und 46 des Gebührenverzeichnisses während der gesamten Dauer der stationären Behandlung sowie - 3.
Leistungen nach den Nummern 56, 200, 250, 250a, 252, 271 und 272 des Gebührenverzeichnisses während der gesamten Dauer der stationären Behandlung,
(2a) Für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann der Arzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte. Die Rufbereitschaft sowie das Bereitstehen eines Arztes oder Arztteams sind nicht berechnungsfähig.
(3) Mit den Gebühren sind die Praxiskosten einschließlich der Kosten für den Sprechstundenbedarf sowie die Kosten für die Anwendung von Instrumenten und Apparaten abgegolten, soweit nicht in dieser Verordnung etwas anderes bestimmt ist. Hat der Arzt ärztliche Leistungen unter Inanspruchnahme Dritter, die nach dieser Verordnung selbst nicht liquidationsberechtigt sind, erbracht, so sind die hierdurch entstandenen Kosten ebenfalls mit der Gebühr abgegolten.
(4) Kosten, die nach Absatz 3 mit den Gebühren abgegolten sind, dürfen nicht gesondert berechnet werden. Eine Abtretung des Vergütungsanspruchs in Höhe solcher Kosten ist gegenüber dem Zahlungspflichtigen unwirksam.
(5) Sollen Leistungen durch Dritte erbracht werden, die diese dem Zahlungspflichtigen unmittelbar berechnen, so hat der Arzt ihn darüber zu unterrichten.
(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.
(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.
(1) Gebühren sind Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis (Anlage) genannten ärztlichen Leistungen.
(2) Der Arzt kann Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). Als eigene Leistungen gelten auch von ihm berechnete Laborleistungen des Abschnitts M II des Gebührenverzeichnisses (Basislabor), die nach fachlicher Weisung unter der Aufsicht eines anderen Arztes in Laborgemeinschaften oder in von Ärzten ohne eigene Liquidationsberechtigung geleiteten Krankenhauslabors erbracht werden. Als eigene Leistungen im Rahmen einer wahlärztlichen stationären, teilstationären oder vor- und nachstationären Krankenhausbehandlung gelten nicht
- 1.
Leistungen nach den Nummern 1 bis 62 des Gebührenverzeichnisses innerhalb von 24 Stunden nach der Aufnahme und innerhalb von 24 Stunden vor der Entlassung, - 2.
Visiten nach den Nummern 45 und 46 des Gebührenverzeichnisses während der gesamten Dauer der stationären Behandlung sowie - 3.
Leistungen nach den Nummern 56, 200, 250, 250a, 252, 271 und 272 des Gebührenverzeichnisses während der gesamten Dauer der stationären Behandlung,
(2a) Für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann der Arzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte. Die Rufbereitschaft sowie das Bereitstehen eines Arztes oder Arztteams sind nicht berechnungsfähig.
(3) Mit den Gebühren sind die Praxiskosten einschließlich der Kosten für den Sprechstundenbedarf sowie die Kosten für die Anwendung von Instrumenten und Apparaten abgegolten, soweit nicht in dieser Verordnung etwas anderes bestimmt ist. Hat der Arzt ärztliche Leistungen unter Inanspruchnahme Dritter, die nach dieser Verordnung selbst nicht liquidationsberechtigt sind, erbracht, so sind die hierdurch entstandenen Kosten ebenfalls mit der Gebühr abgegolten.
(4) Kosten, die nach Absatz 3 mit den Gebühren abgegolten sind, dürfen nicht gesondert berechnet werden. Eine Abtretung des Vergütungsanspruchs in Höhe solcher Kosten ist gegenüber dem Zahlungspflichtigen unwirksam.
(5) Sollen Leistungen durch Dritte erbracht werden, die diese dem Zahlungspflichtigen unmittelbar berechnen, so hat der Arzt ihn darüber zu unterrichten.
(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.
(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.
(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er
- 1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder - 2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.
(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.