Landgericht Hof Endurteil, 17. Sept. 2015 - 24 S 36/15

bei uns veröffentlicht am17.09.2015

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichts Hof vom 18.05.2015 (Az.: 17 C 156/15) aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Hinsichtlich der Tatsachenfeststellung wird zunächst Bezug genommen auf das angefochtene Endurteil des Amtsgerichts Hof vom 18.05.2015 (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Erstgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer eingelegten Berufung und beantragen:

Das Endurteil des Amtsgerichts Hof vom 18.05.2015, Aktenzeichen 17 C 156/15, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der öffentlichen Sitzung vom 27.08.2015 Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet; unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts Hof war die Klage abzuweisen.

Der Klagepartei steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines um 335,45 € erhöhten Erbbauzinses ab 01.01.2015 gegenüber den Beklagten nicht zu, weil weder nach den zwischen den Parteien notariell getroffenen Vereinbarungen noch auch sonstigen Gründen die Voraussetzungen für eine entsprechende Erhöhung gegeben sind.

Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts kann ein derartiger Erhöhungsanspruch nicht auf die Klausel im Notarvertrag vom 05.03.1970 gestützt werden, da die dort maßgebliche Regelung nach Wortlaut und Zweck hinsichtlich der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erbbauzinserhöhung einen eindeutigen, d.h. zweifelsfreien Inhalt hat und deshalb hier für eine Auslegung kein Raum ist (vgl. insoweit Parlandt, 74. Auflage BGB, § 133 Anm. 6, m.w.N.).

Bei schuldrechtlichen Anpassungsverpflichtungen, die in Verbindung mit Erbbauzinsvereinbarungen getroffen werden, ist zunächst methodisch stets zwischen den Voraussetzungen, die den Anspruch auf Anpassung auslösen und dem Maßstab/Umfang der Anpassung zu unterscheiden (BGH, Urteil v. 26.02.1988m V ZR 155/86; OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.07.2010, 12 U 63/10 m.w.N.).

Mit der gegenständlichen Anpassungvereinbarung vom 05.03.1970, wonach der Erbbauzins alle fünf Jahre, beginnend mit der erstmaligen Zahlung des Erbbauzinses, für die folgenden fünf Jahre neu festgesetzt wird, „wenn sich der Lebenshaltungskostenindex für alle privaten Haushalte in der Bundesrepublik gegenüber dem Stand vor jeweils fünf Jahren um mehr als 10 Punkte nach oben oder nach unten geändert hat“ haben die Parteien für beide Seiten gleichermaßen zunächst die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Durchsetzung ihres beiderseitigen Interesses, im Falle einer nachhaltigen Veränderung der wirtschaftlichen Lage den bisher festgesetzten Erbbauzins nach oben oder nach unten anzupassen, zweifelsfrei eindeutig geregelt. Voraussetzung ist demnach für das Entstehen des Anpassungsanspruchs, dass zum gleichfalls geregelten Bestimmungszeitpunkt sich der Lebenshaltungskostenindex innerhalb der letzten fünf Jahre um mehr als 10 Punkte verändert hat, und das Risiko, dass dies unter Umständen für einen längeren Zeitraum nicht der Fall ist, ist von beiden Seiten zu tragen.

Dieser Feststellung kann auch nicht - wie vom Berufungsbeklagten geltend gemacht - der Inhalt weiterer zwischen den Parteien im Notarvertrag vom 13.01.1995 (Anlage K9) und dem Notarvertrag vom 23.01.1995 (Anlage K3) gertroffenen Vereinbarungen entgegen gehalten werden. Denn diese enthalten keine von der am 05.03.1970 getroffenen Vereinbarung abweichende Regelung der Voraussetzungen des Anpassungsanspruchs. Sie haben u.a. nur den Maßstab bzw. Umfang der Anpassung des Erbbauzinses und diesen auch in Übereinstimmung mit der am 05.03.1970 getroffenen Vereinbarung zum Gegenstand. So bestimmt § 2 des Vertrages vom 13.01.1995 „In Anwendung der vereinbarten Anpassungsmöglichkeit ...“ die dort berechnete Erhöhung und knüpft „für die Berechnung“, d.h. nur hinsichtlich des Erhöhungsmaßstabes - auch in Übereinstimmung mit der am 05.03.1970 getroffenen Regelung - an den Index „sechs Monate vor letztmaliger Anpassung“ an. Denn da sich der Lebenshaltungskostenindex von 1989 bis 1994 um 27,3 Punkte geändert hatte, wurde insoweit - wie in § 2 Satz 1 (s.o.) zuvor festgestellt - die ab 01.01.1995 angepasste Erhöhung um 294,78 DM vollzogen.

Die klägerseits genannten späteren Notarverträge sind daher für eine über den Wortlaut hinausgehende und diesen auch inhaltlich abändernde Auslegung der Regelung der Anspruchsvoraussetzungen vom 05.03.1970 nicht geeignet.

Das Erfordernis einer über den eindeutigen Wortlaut der notariellen Vereinbarung vom 05.03.1970 hinausgehenden Auslegung kann auch nicht auf weiteres Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss gestützt werden. Hier ist zum einen die Tatsache zu berücksichtigen, dass der Kläger in der Vergangenheit bis zur gegenständlichen Geltendmachung im Herbst 2014 keine Erbbauzinserhöhung unter Berufung auf die nunmehr von ihm in Anspruch genommenen Auslegung verlangt hat, obwohl deren Voraussetzungen, wenn man seiner Ansicht folgte, bereits zu den grundsätzlich möglichen Erhöhungszeitpunkten zum 01.01.2005 sowie zum 01.01.2010 gegeben waren. Zum anderen hat der Kläger selbst im Herbst 2014 den Beklagten eine Vereinbarung angetragen, wonach unter Ziffer III. die bisherigen notariellen Vereinbarungen aufgehoben und inhaltlich neu vereinbart werden sollten, was jedoch von den Beklagten abgelehnt wurde.

Soweit der Kläger meint, dass eine wortlautgetreue „Auslegung“ darauf hinauslaufen würde, dass ihm in keinem der vergangenen fünf Jahreszeiträume ein Erhöhungsverlangen möglich gewesen und ihm auch nach 20 Jahren keine Erhöhung möglich sei und dies nicht dem Grundgedanken der Erhöhungsklausel entspreche, kann dies hier einen Erhöhungsanspruch gleichfalls nicht begründen. Denn Grundgedanke dieser Erhöhungsklausel vom 05.03.1970 ist lediglich, den Erbbauzins an die Entwicklung der Kaufkraft des Geldes bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nach oben oder nach unten anzupassen. Dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Erklärung diese Voraussetzungen zugunsten des Klägers derzeit seit 15 Jahren (seit 2000) nicht gegeben sind und sich damit eine mögliche Erwartung des Klägers (oder die seines Rechtsvorgängers) bei Vertragsschluss, der Lebenshaltungskostenindex werde sich regelmäßig innerhalb von fünf Jahren stets um mindestens 10 Prozent erhöhen, nicht erfüllt hat, vermag allein eine Auslegungsbedürftkeit dieser eindeutigen Vereinbarung nicht zu begründen.

Für eine ergänzende Vertragsauslegung ist daher vorliegend kein Raum, sodass der klägerische Einwand, die Rechtsansicht des Berufungsführers entspreche nicht dem Grundgedanken der Erhöhungsklausel, weil deren Zweck nicht mehr erfüllt werde, nur nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu einer entsprechenden Anpassung führen könnte, deren Voraussetzungen hier aber gleichfalls nicht gegeben sind (vgl. BGH Urteil v. 18.11.2011, V ZR 31/11 und Urteil v. 03.02.2012, V ZR 23/11 m.w.N.) Denn nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt eine insoweit zu beachtende Äquivalenzstörung, mit der die Grenze des für den Kläger Tragbaren überschritten worden wäre, erst dann vor, wenn die Lebenshaltungskosten seit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (hier 1995) um mehr als 150 % gestiegen wären, was hier unstreitig nicht der Fall ist.

Eine Anpassung des Erbbauzinses kann daher weder im Wege einer ergänzenden Vertragauslegung noch nach den Regeln des Wegfallls der Geschäftsgrundlage erfolgen, sodass dem Kläger derzeit kein Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses zusteht.

Entsprechend war auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Endurteil des Amtsgerichts Hof vom 18.05.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

II.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 543 ZPO hier gegeben sind. Die Berufungskammer geht im Gegensatz zum Erstgericht davon aus, dass die gegenständliche Anpassungsklausel nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat und deshalb nicht auslegungsbedürftig ist. Ob Eindeutigkeit vorliegt, ist jedoch eine revisible Frage (vgl. BGHZ 32, 63).

Verkündet am 17.09.2015

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Tenor

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ab 01.01.2015 einen jährlichen Erbbauzinsbetrag in Höhe von 1.299,39 € für das von den Beklagten bewohnte Wohnhaus ... zu bezahlen.

2. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Erbbauzinserhöhung.

Der Kläger ist Eigentümer und die Beklagten sind Erbbaurechtsinhaber der Immobilie ... Der Rechtsvorgänger des Klägers hatte mit den Beklagten am 05.03.1970 einen notariellen Vertrag über die Entrichtung eines Erbbauzinses geschlossen. In diesem Vertrag wurde u. a. Folgendes geregelt:

„(...) Alle fünf Jahre, beginnend mit der erstmaligen Zahlung des Erbbauzinses wird der Erbbauzins für die folgenden fünf Jahre neu festgesetzt, wenn sich der Lebenshaltungsindex für alle privaten Haushalte in der Bundesrepublik gegenüber dem Stand vor jeweils fünf Jahren um mehr als zehn Punkte nach oben oder unten geändert hat. Die Neufestsetzung des Erbbauzinses erfolgt im ... gleichen Verhältnis, in dem sich dieser Lebenshaltungskostenindex gegenüber dem ... jeweils maßgeblichen ... Stand ... geändert ... hat. (...)“

Die erste Anpassung des Erbbauzinses erfolgte am 29.11.1994, weitere Anpassungen im Jahr 1990 und die letzte am 13.01.1995. Bis zum 31.12.2014 zahlten die Beklagten einen Erbbauzins von jährlich 963,94 €. Mit Schreiben vom 13.10.2014 verlangte der Kläger gegenüber den Beklagten eine Erhöhung des jährlichen Erbbauzinses ab 01.01.2015 auf jährlich 1.299,39 €. Dies wurde von den Beklagten mit Schreiben vom 06.11.2014 abgelehnt. Der (umbasierte) Verbraucherpreisindexes betrug im Juli 1994 79,4 Punkte und im Juli 2014 107,0 Punkte.

Der Kläger ist der Auffassung, dass sich aufgrund der Veränderung des Verbraucherpreisindexes von Juli 1994 bis Juli 2014 um 34,8% ergebe, dass die Beklagten als Gesamtschuldner nunmehr ab 01.01.2015 einen jährlichen Erbbauzins von 1.299,39 € schulden würden.

Der Kläger beantragte zuletzt:

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ab 01.01.2015 einen jährlichen Erbbauzinsbetrag in Höhe von 1.299,39 € für das von den Beklagten bewohnte Wohnhaus ... zu bezahlen.

Die Beklagten beantragten,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass aufgrund der Klausel im Notarvertrag vom 05.03.1970 jeweils lediglich auf die letzten 5 Jahre abgestellt werden könne und insoweit eine Abänderung des Indexes von weniger als 10 Punkten erfolgt sei, so dass der Kläger eine Erhöhung des jährlichen Erbbauzinses nicht verlangen könne.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Zulässigkeit der Erhebung der Leistungsklage ergibt sich aus § 258 ZPO. Dem Kläger steht nach Auffassung des Gerichts gegenüber den Beklagten ein erhöhter Erbbauzins ab 01.01.2015 und zwar in Höhe von jährlich 1.299,39 € zu.

Streitentscheidend ist vorliegend allein die Frage, ob aufgrund der Klausel im Notarvertrag vom 05.03.1970 bei der Frage der Erhöhung des Erbbauzinses immer lediglich auf einen Zeitraum von exakt 5 Jahren abgestellt werden muss oder auch ein längerer Zeitraum Grundlage eines Erhöhungsanspruches sein kann. Das Gericht vertritt insoweit die Auffassung, dass die Klausel nach Sinn und Zweck, nämlich der Tatsache, dass der Erbbauzins an den jeweiligen Lebenshaltungsindex angepasst werden sollte, so ausgelegt werden muss, dass innerhalb eines Zeitraumes von mindestens 5 Jahren eine Erhöhung von mehr als 10 Punkten erfolgt sein muss. Unstreitig ist in Bezug auf die letzte Erhöhung im Januar 1995 im Zeitraum Juli 1994 bis Juli 2014 eine Erhöhung des (umbasierten) Verbraucherpreisindexes von 34,8% eingetreten, so dass die Erhöhungsvoraussetzungen gegeben sind und sich insoweit der jährliche Erbbauzinsbetrag von 963,94 € nunmehr auf 1.299,39 € erhöht. Der Klage ist damit stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

Tenor

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ab 01.01.2015 einen jährlichen Erbbauzinsbetrag in Höhe von 1.299,39 € für das von den Beklagten bewohnte Wohnhaus ... zu bezahlen.

2. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Erbbauzinserhöhung.

Der Kläger ist Eigentümer und die Beklagten sind Erbbaurechtsinhaber der Immobilie ... Der Rechtsvorgänger des Klägers hatte mit den Beklagten am 05.03.1970 einen notariellen Vertrag über die Entrichtung eines Erbbauzinses geschlossen. In diesem Vertrag wurde u. a. Folgendes geregelt:

„(...) Alle fünf Jahre, beginnend mit der erstmaligen Zahlung des Erbbauzinses wird der Erbbauzins für die folgenden fünf Jahre neu festgesetzt, wenn sich der Lebenshaltungsindex für alle privaten Haushalte in der Bundesrepublik gegenüber dem Stand vor jeweils fünf Jahren um mehr als zehn Punkte nach oben oder unten geändert hat. Die Neufestsetzung des Erbbauzinses erfolgt im ... gleichen Verhältnis, in dem sich dieser Lebenshaltungskostenindex gegenüber dem ... jeweils maßgeblichen ... Stand ... geändert ... hat. (...)“

Die erste Anpassung des Erbbauzinses erfolgte am 29.11.1994, weitere Anpassungen im Jahr 1990 und die letzte am 13.01.1995. Bis zum 31.12.2014 zahlten die Beklagten einen Erbbauzins von jährlich 963,94 €. Mit Schreiben vom 13.10.2014 verlangte der Kläger gegenüber den Beklagten eine Erhöhung des jährlichen Erbbauzinses ab 01.01.2015 auf jährlich 1.299,39 €. Dies wurde von den Beklagten mit Schreiben vom 06.11.2014 abgelehnt. Der (umbasierte) Verbraucherpreisindexes betrug im Juli 1994 79,4 Punkte und im Juli 2014 107,0 Punkte.

Der Kläger ist der Auffassung, dass sich aufgrund der Veränderung des Verbraucherpreisindexes von Juli 1994 bis Juli 2014 um 34,8% ergebe, dass die Beklagten als Gesamtschuldner nunmehr ab 01.01.2015 einen jährlichen Erbbauzins von 1.299,39 € schulden würden.

Der Kläger beantragte zuletzt:

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ab 01.01.2015 einen jährlichen Erbbauzinsbetrag in Höhe von 1.299,39 € für das von den Beklagten bewohnte Wohnhaus ... zu bezahlen.

Die Beklagten beantragten,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass aufgrund der Klausel im Notarvertrag vom 05.03.1970 jeweils lediglich auf die letzten 5 Jahre abgestellt werden könne und insoweit eine Abänderung des Indexes von weniger als 10 Punkten erfolgt sei, so dass der Kläger eine Erhöhung des jährlichen Erbbauzinses nicht verlangen könne.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Zulässigkeit der Erhebung der Leistungsklage ergibt sich aus § 258 ZPO. Dem Kläger steht nach Auffassung des Gerichts gegenüber den Beklagten ein erhöhter Erbbauzins ab 01.01.2015 und zwar in Höhe von jährlich 1.299,39 € zu.

Streitentscheidend ist vorliegend allein die Frage, ob aufgrund der Klausel im Notarvertrag vom 05.03.1970 bei der Frage der Erhöhung des Erbbauzinses immer lediglich auf einen Zeitraum von exakt 5 Jahren abgestellt werden muss oder auch ein längerer Zeitraum Grundlage eines Erhöhungsanspruches sein kann. Das Gericht vertritt insoweit die Auffassung, dass die Klausel nach Sinn und Zweck, nämlich der Tatsache, dass der Erbbauzins an den jeweiligen Lebenshaltungsindex angepasst werden sollte, so ausgelegt werden muss, dass innerhalb eines Zeitraumes von mindestens 5 Jahren eine Erhöhung von mehr als 10 Punkten erfolgt sein muss. Unstreitig ist in Bezug auf die letzte Erhöhung im Januar 1995 im Zeitraum Juli 1994 bis Juli 2014 eine Erhöhung des (umbasierten) Verbraucherpreisindexes von 34,8% eingetreten, so dass die Erhöhungsvoraussetzungen gegeben sind und sich insoweit der jährliche Erbbauzinsbetrag von 963,94 € nunmehr auf 1.299,39 € erhöht. Der Klage ist damit stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird unter deren Zurückweisung im Übrigen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 29. Juli 2008 - 1 O 83/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt neu gefasst:

Klage und Widerklage werden abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin macht als Grundstückseigentümerin gegenüber der Beklagten als Erbbauberechtigter die Erhöhung des Erbbauzinses geltend. Sie begehrt die Zustimmung zur Erhöhung des Erbbauzinses ab dem 11.11.2007 und die Zahlung des Erhöhungsbetrages für das Jahr 2007/2008. Die Beklagte macht widerklagend Schadensersatz auf Erstattung von ihr aufgewendeter Grunderwerbssteuer wegen einer behaupteten Vertragsverletzung geltend.
Die Beklagte hat am 25.03.2003 das Erbbaurecht an dem Grundstück F-Straße 3 in M erworben, dessen Eigentümerin die Klägerin ist (vgl. AB I, Anlage K 2). Sie ist hierbei in den zwischen der Klägerin und der Verkäuferin am 08.12.1994 geschlossenen Erbbaurechtsvertrag (AB I, Anlage K 1) mit allen Rechten und Pflichten eingetreten. Hiernach dient das Erbbaurecht zur Nutzung eines Wohnhauses.
Der Erbbauzins, der sich bis zum Abschluss des Kaufvertrages auf 7.970,- DM (4.075,- Euro) jährlich belief, wurde anlässlich des Kauf des Erbbaurechts durch die Beklagte ab 11.11.2003 auf 4.661,80 Euro erhöht. In einer Ergänzungsvereinbarung zum Kaufvertrag (ebenfalls AB I, Anlage K 2) wurde auf Wunsch der Klägerin folgende Bestimmung dem Kaufvertrag hinzugefügt: „Vorsorglich wird klargestellt, dass - unabhängig von dem Zeitpunkt der Übergabe - für die Erhöhung des Erbbauzinses und die dafür zugrunde zu legenden Basiswerte der maßgebliche Zeitpunkt die Begründung des Erbbaurechts ist.“
Der Erbbaurechtsvertrag vom 08.12.1994 enthält in § 3 Nr. 4 folgende Klausel bezüglich der Erhöhung des Erbbauzinses: „Ändern sich die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse, die Geldwährung oder der Grundstückswert in dem Maße, dass der vereinbarte Erbbauzins nicht mehr angemessen sein sollte, so kann jede Partei verlangen, dass der Erbbauzins neu festgesetzt wird; bei einer Wohnbebauung bleiben die Grundstückswerte außer Betracht.“ § 5 Abs. 2 des Erbbaurechtsvertrages enthält die Verpflichtung des Erbbauberechtigten, bei einer Erhöhung des Erbbauzinses das Erbbaurecht in Höhe des Erbbauzinsmehrbetrages zu belasten.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 19.06.2007 (AB I, Anlage K 3) von der Beklagten eine Erhöhung des Erbbauzinses ab 11.11.2007 um jährlich 403,43 Euro‚ insgesamt auf einen Erbbauzins in Höhe von 5.065,23 Euro verlangt, sowie die Bewilligung der Eintragung einer Reallast auf dem Erbbaurecht in Höhe des Erhöhungsbetrages.
Die Beklagte wollte das mit ihrem Erbbaurecht belastete Grundstück gestützt auf § 12 des Erbbaurechtsvertrages erwerben. § 12 des Erbbaurechtsvertrages enthält folgende Regelung: „Der Grundstückseigentümer kann das Erbbaugrundstück während der Dauer des Erbbaurechts dem jeweiligen Erbbauberechtigten zu Eigentum übertragen, wenn sie ihm ein anderes geeignetes Grundstück zum Tausch anbieten, das für den Grundstückseigentümer nach dessen pflichtgemäßem Ermessen den gleichen Wert besitzt wie das Erbbaugrundstück, ohne die auf dem Erbbaurecht erstellten Bauten.“
Wegen des Erwerbswunschs der Beklagten fand zwischen den Parteien eine Korrespondenz statt. Insoweit wird auf die Schreiben der Klägerin vom 29.09.2005 und vom 06.03.2006 Bezug genommen. Die Beklagte schloss am 31.03.2006 einen Kaufvertrag über das Grundstück H Straße 7, M. Sie vereinbarte in § 8 des Kaufvertrages, dass die Klägerin in diesen statt der Beklagten eintreten könne. Mit Schreiben vom 06.04.2006 bot die Beklagte der Klägerin das erworbene Grundstück zum Tausch gegen das mit ihrem Erbbaurecht belastete Grundstück an. Die Klägerin lehnte einen Tausch ab. Die Beklagte hat wegen des Erwerbs des der Klägerin zum Tausch angebotenen Grundstücks Grunderwerbssteuer in Höhe von 6.125,- Euro zahlen müssen. Die Erstattung dieses Betrages macht sie mit der Widerklage geltend.
Die Klägerin hat behauptet, die begehrte Erhöhung des Erbbauzinses berücksichtige die seit 1994 eingetretene wirtschaftliche Entwicklung und Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Seit der Bestellung des Erbbaurechtes im Jahr 1994 und dem 31.12.2006 seien die Indices der Bruttoverdienste der Arbeiter und Angestellten in Industrie und Handel sowie die Lebenshaltungskosten nach dem Verbraucherpreisindex Deutschland im Mittel um 24,3 % gestiegen. Die Klägerin meint, es ergebe sich damit, ausgehend von dem im Jahr 1994 vereinbarten Erbbauzins in Höhe von 4.075,- Euro bei einer Erhöhung von 24,3 % ein neuer Erbbauzins in Höhe von 5.065,23 Euro. Unter Abzug des zuletzt bezahlten Erbbauzinses in Höhe von 4.661,80 Euro ergebe sich ein Erhöhungsbetrag in Höhe von 403,43 Euro.
Die Klägerin beantragt,
10 
die Beklagte zu verurteilen,
11 
1. mit Wirkung ab dem 11.11.2007 (Martini) einer Erhöhung des jährlich am 11.11.2007 (Martini) im Voraus zahlbaren Erbbauzinses für das Erbbaurecht an dem Grundstück Flst.-Nr. der Gemarkung M, eingetragen im Erbbaugrundbuch von Ma, von bisher jährlich 4.661,80Euro auf jährlich 5.065,23Euro zuzustimmen;
12 
2. die Eintragung einer Reallast zugunsten des jeweiligen Grundstückseigentümers an nächst bereiter Stelle im Erbbaugrundbuch von M Nr. zur Flst.-Nr., zahlbar jeweils am 11.11. (Martini) eines Jahres im Voraus, beginnend mit dem 11.11.2007, in Höhe des Erbbauzinsmehrbetrages von 403,43Euro zu bewilligen;
13 
3. an die Klägerin 403,43 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 12.11.2007 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
16 
Die Beklagte hat vorgetragen, sie sei der Auffassung, dass mit Sachverhalten, die sich vor ihrem Eintritt in den Erbbaurechtsvertrag am 25.03.2003 ereignet hätten, eine Erhöhung des Erbbauzinses nicht begründet werden könne, zumal dieser zu diesem Zeitpunkt angepasst worden sei. Seit 2003 seien Reallohnverluste der Arbeitnehmer, Nullrunden bei den Rentnern, erheblicher Kaufkraftschwund u.s.w. eingetreten, weshalb die geltend gemachte Erhöhung des Erbbauzinses gemäß § 9a ErbbauRVO unbillig sei.
17 
Die Berechnungen der Klägerin in deren Anlage AB I, Anlage K 4 seien nicht nachvollziehbar; die Beklagte bestreitet diese. Einen Index „Bruttoverdienste der Arbeiter in der Industrie, 2000 = 100“ gebe es nicht, weshalb auch die Rückrechnung auf das Jahr 1994 - selbst wenn diese zulässig wäre - nicht nachvollzogen werden könne. Gleiches gelte für den Index „Bruttoverdienst der Angestellten in Industrie und Handel, 2000 = 100“. „Der Verbraucherindex (VPI) und Indexverbraucherpreise 2000 = 100“ seien zudem falsch vorgetragen. Der von der Klägerin dargelegte und benötigte Schwellenwert von 24,3 % sei bei weitem nicht erreicht. Ein Anstieg der allgemeinen Lebensverhältnisse betrage 8,65 % und liege weit unter dem notwendigen Schwellenwert. Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerseite habe mit ihrem Schreiben vom 29.09.2005 einem Grundstückstausch zugestimmt, wenn das Tauschgrundstück geeignet und verwertbar sei. Sie meint, die Klägerin habe in ihrem Schreiben vom 06.03.2006 ihre Tauschbereitschaft erneut bestätigt. Deshalb könne sie den Tausch nicht wegen vermeintlich fehlender Gleichwertigkeit ablehnen, da einvernehmlich festgestellt worden sei, dass das Tauschgrundstück sogar höherwertiger und ertragreicher sei, als das Erbpachtgrundstück der Beklagten. Die Klägerin habe den angebotenen Tausch auch nicht sachgerecht geprüft, sondern diesen aufgrund persönlicher Animositäten abgelehnt.
18 
Dass die Klägerin neuerdings einen Tausch wegen eines Strategiewechsel verweigere, ist nach Auffassung der Beklagten in Anbetracht der Regelung von § 12 des Erbpachtvertrages und der Zusage der Klägerin zum Tausch unbeachtlich. Die Beklagte meint, sie habe gemäß § 12 des Erbpachtvertrages einen Anspruch darauf, dass die Klägerin, die einem Tausch grundsätzlich zugestimmt habe, nach pflichtgemäßem Ermessen dem Tausch mit dem von der Beklagten hierzu angebotenen Grundstück zustimme, da dieses dem Erbpachtgrundstück gleichwertig sei. Die Klägerin müsse ihr daher die beim Erwerb des Tauschgrundstücks nutzlos aufgebrachte Grunderwerbssteuer erstatten.
19 
Die Beklagte hat Widerklage erhoben mit dem Antrag,
20 
die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 6.125, - Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Widerklage zu zahlen.
21 
Die Klägerin hat beantragt,
22 
die Widerklage abzuweisen.
23 
Sie ist der Auffassung, dass § 12 des Erbpachtvertrages der Beklagten keinen Anspruch auf einen Grundstückstausch gebe. Die Klägerin habe auch zu keinem Zeitpunkt einen Tausch zugesagt, auch nicht in ihren Schreiben vom 29.09.2005 und vom 06.03.2006. Sie habe einen Tausch auch nicht wegen persönlicher Animositäten abgelehnt, sondern weil das ihr von der Beklagten angebotene Grundstück wegen seiner Größe und weil es mit Lasten und Zufahrtsrechten behaftet gewesen sei, aus ihrer Sicht zur Verwendung als Erbbaugrundstück nicht geeignet gewesen sei.
24 
Das Landgericht hat durch Urteil vom 29. Juli 2008, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge zu Klage und Widerklage weiterverfolgt.
25 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
26 
Die zulässige Berufung ist hat hinsichtlich der Klage Erfolg, bleibt jedoch hinsichtlich der Widerklage erfolglos.
A.
27 
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf Erhöhung des Erbpachtzinses gem. § 3 Nr. 4 des Vertrages über die Bestellung eines Erbbaurechtes vom 21.10.1994 nicht zu.
28 
1. Diese Bestimmung stellt eine schuldrechtliche Anpassungsverpflichtung des Erbbauzinses dar. Die grundsätzliche Zulässigkeit derartiger Anpassungsklauseln ist mittlerweile allgemein anerkannt (von Oefele, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2009, § 9 ErbbauRG, Rdnr. 47). Aus der schuldrechtlichen Wirkung der Anpassungsvereinbarung ergibt sich, dass ein Einzelrechtsfolger des Erbbauberechtigten daran nur gebunden ist, wenn er in die Verpflichtung eintritt (Räfle, in: BGB-RGRK, 12. Auflage 1996, § 9 ErbbVO, Rdnr. 26). Dies hat die Beklagte in § 1 des Kaufvertrages zwischen ihr und Frau Buhl vom 25. März 2003 getan.
29 
Bei schuldrechtlichen Anpassungsverpflichtungen ist methodisch zwischen den Voraussetzungen , die den Anspruch auf Anpassung auslöst, und dem Maßstab der Anpassung zu unterscheiden (BGHZ 74, 341; Räfle, a.a.O., Rdnr. 39), wobei dies für jede Art der Anpassungsklausel gilt. Fehlt hinsichtlich des Maßstabs der Anpassung ein Wertmaßstab in der vertraglichen Vereinbarung, so gilt billiges Ermessen (§§ 316, 315 Abs. 1 BGB), wobei in diesem Fall bei Wohnbauwerken von den gleichen Grundsätzen wie bei § 9a ErbbauRG auszugehen ist (BGH, NJW 1977, 433; von Oefele, a.a.O., Rdnr. 52).
30 
2. Die Voraussetzungen der Anpassung regelt § 3 Nr. 4 des Vertrages über die Bestellung eines Erbbaurechts. Hiernach kann jede Partei eine Neufestsetzung des Erbbauzinses verlangen, wenn „sich die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse, die Geldwährung oder der Grundstückswert in dem Maße [ändern], dass der vereinbarte Erbbauzins nicht mehr angemessen sein sollte […], bei einer Wohnbebauung bleiben die Grundstückswerte außer Betracht.“ Der Inhalt dieser Bestimmung ist durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Im Einzelnen:
31 
a) Es ist Sache der Auslegung, was unter dem Begriff der „Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse“ zu verstehen ist.
32 
Die „wirtschaftlichen Verhältnisse“ sind im vorliegenden Fall mangels Hinweisen auf ein eingeschränktes Verständnis der Parteien umfassend zu verstehen, so dass in diesen Begriff sowohl Elemente der Kaufkraft als auch der Einkommensentwicklung einfließen (vgl. Räfle, a.a.O., Rdnr. 41). Regelmäßig wird in diesem Kontext auf die die Entwicklung der Lebenshaltungskosten sowie die Bruttolöhne der Industriearbeiter sowie der Angestellten in Industrie und Handel abgestellt (vgl. BGH, NJW 1992, 2088; NJW 1995, 1360). Daher sind diese Kennzahlen auch für den vorliegenden Fall heranzuziehen. Zu Grunde zu legen ist daher der vom BGH im Rahmen seiner Rechtsprechung zu § 9a ErbbauRG entwickelte Mischindex (BGH, NJW 1980, 2243), der sich in folgender Formel zusammenfassen lässt (von Oefele, a.a.O., § 9a ErbbauRG, Rdnr. 9):
33 
Verbraucherpreisindex + Einkommensentwicklung
(= [Brutto-Verdienste der Arbeiter in der Industrie
+ Brutto-Verdienste der Angestellten in Industrie und Handel] : 2)
2
34 
Das Ausmaß der Änderung, die zu einer Anpassung berechtigen soll, ist ebenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Ist vereinbarte Voraussetzung für eine Anpassung des Erbbauzinses eine „erhebliche” oder „wesentliche” Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse (der Lebenshaltungskosten und der Einkommen), so genügt eine Änderung um mehr als 10 % (Räfle, a.a.O., Rdnr. 42). Das gilt auch, wenn die Anpassung davon abhängt, dass der bisherige Erbbauzins nicht mehr eine angemessene Vergütung für die Nutzung des Erbbaugrundstücks darstellt, und sich dies nach Treu und Glauben beurteilen soll (BGH, NJW 1995, 1360). Dies entspricht der Konstellation im vorliegenden Fall, da auch hier von einer „angemessenen Vergütung“ die Rede ist und jede Anpassung des Erbbauzinses auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ohnehin unter dem Vorbehalt des allgemeinen Rechtsprinzips von Treu und Glauben steht. Mithin ist die im vorliegenden Vertrag verwendete Klausel, dass „sich die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse […] in dem Maße [ändern], dass der vereinbarte Erbbauzins nicht mehr angemessen sein sollte […]“, so zu verstehen, dass eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse um mehr als 10 % eingetreten sein muss.
35 
b) Bezugspunkt der Änderung ist nach § 3 Nr. 4 des Vertrages über die Bestellung eines Erbbaurechtes vom 21.10.1994 „der vereinbarte Erbbauzins“. Hierunter ist gem. §§ 133, 157 BGB der zuletzt geschuldete Erbbauzins und nicht der bei Bestellung des Erbbaurechts erstmals vereinbarte Erbbauzins zu verstehen.
36 
Bei der Frage, ob die Voraussetzungen einer Anpassung des Erbbauzinses vorliegen, wird regelmäßig darauf abgestellt, ob sich seit der letzten Erbbauzinserhöhung die wirtschaftlichen Verhältnisse nachhaltig geändert haben (vgl. BGH, NJW 1992, 2088; NJW 1995, 1360). Es entspricht dem allgemeinen Verständnis, dass sich die Frage der Anpassungsbedürftigkeit einer Leistung bei einem Dauerschuldverhältnis nach der Höhe der zuletzt geschuldeten Leistung bemisst. Denn bei der Beurteilung, ob das Äquivalenzinteresse der Parteien noch gewahrt ist, kommt es auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung an. Die Gegenleistung für die Erbpacht ist der Erbbauzins, der derzeit geschuldet ist und nicht der, der einmal geschuldet war. Dies entspricht auch Sinn und Zweck der Parteivereinbarung. Wie oben dargestellt, soll nach dem Willen der Parteien nicht jede Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Anpassungsbedürftigkeit auslösen, sondern nur eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse von über 10 %. Dem würde es jedoch zuwiderlaufen, bei der Frage der Voraussetzungen einer Erbbauzinserhöhung auf den - unter Umständen mehrere Jahrzehnte zurückliegenden - erstmals vereinbarten Erbbauzins abzustellen. Denn dann könnte der Grundstückseigentümer nach dem erstmaligen Überschreitung der 10%-Schwelle wegen jeder, auch noch so geringfügigen Änderung der Wirtschaftsverhältnisse eine Anpassung verlangen. Das haben die Parteien jedoch gerade nicht vereinbart, denn sie haben bewusst auf eine Klausel mit einer jährlichen Anpassung oder einer automatischen Anpassung gemessen an einem bestimmten Index verzichtet.
37 
Hiergegen spricht auch nicht die zwischen den Parteien getroffene ergänzende Regelung im Vertrag vom 26. Mai 2003 (AB I, AS 25 ff), wonach „klargestellt wird, dass - unabhängig von dem Zeitpunkt der Übergabe - für die Erhöhung des Erbbauzinses und die dafür zu Grunde legenden Basiswerte der der maßgebliche Zeitpunkt die Begründung des Erbbaurechts ist“. Gem. §§ 133, 157 BGB ist vom Wortlaut der Ergänzung her darauf abzustellen, dass hier die Frage der Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse und damit die Voraussetzungen einer Neufestsetzung des Erbbauzinses nicht angesprochen werden. Angesprochen wird vielmehr das Thema der „Erhöhung des Erbbauzinses und die dafür zu Grunde zu legenden Basiswerte“. Damit geht es diesbezüglich um die Frage, was im Falle der Anpassungsbedürftigkeit des Erbbauzinses der Umfang und der Maßstab für die Erhöhung des Erbbauzinses sein sollen. Dies ist eine nach Sinn und Zweck des Vertrages sinnvolle Vertragsergänzung, da in § 3 Nr. 4 des Vertrages über die Bestellung eines Erbbaurechtes vom 21.10.1994 jeglicher Wertmaßstab für eine vorzunehmende Neufestsetzung des Erbbauzinses fehlte. Diese Lücke will die Ergänzung ersichtlich teilweise schließen. Mithin regelt diese Bestimmung nicht die Anpassungsvoraussetzungen , sondern den Anpassungsumfang . Hätten die Parteien die Voraussetzungen für eine Anpassungsbedürftigkeit des Erbbauzinses ändern wollen, so hätten sie nicht lediglich eine Klarstellung vorgenommen, sondern § 3 Nr. 4 des Vertrages über die Bestellung eines Erbbaurechtes vom 21.10.1994 klar abbedungen.
38 
Gegen diese Auslegung spricht auch nicht die Regelung des § 9a ErbbauRG und die hierzu ergangene Rechtsprechung, bei der anknüpfend an den Wortlaut von § 9a Abs. 1 S. 2 ErbbauRG auf die Entwicklung seit der vertraglichen Vereinbarung der Anpassungsklausel abgestellt wird (von Oefele, a.a.O., § 9a ErbbauRG, Rdnr. 8). Diese Regelung wurde zum Zwecke der Missbrauchsbekämpfung eingeführt und statuiert eine spezielle Beschränkung des Anspruchsumfangs . Es handelt sich um eine gesonderte Billigkeitsprüfung der Höhe der geltend gemachten Erbbauzinserhöhung, wobei eine Anpassungsvereinbarung zwischen den Parteien vorausgesetzt wird (Räfle, a.a.O., § 9a ErbbVO, Rdnr. 3, 8). Die Frage der Voraussetzungen einer Neufestsetzung des Erbbauzinses regelt diese Bestimmung gerade nicht. Insofern kann diese Regelung auch nicht gegen die hier vertretene Auslegung zu den Voraussetzungen einer Neufestsetzung nach § 3 Nr. 4 des Vertrages über die Bestellung eines Erbbaurechtes vom 21.10.1994 ins Feld geführt werden. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof auch unter Geltung des § 9a ErbbauRG Auslegungen von Anpassungsklauseln, die hinsichtlich des Änderungszeitpunkts auf die Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse seit der letzten Erbbauzinserhöhung abgestellt haben, in diesem Punkt unbeanstandet gelassen (vgl. BGH, NJW 1995, 1360 ).
39 
c) Nach diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer Erbbauzinserhöhung nicht erfüllt. Denn zwischen der letzten Anpassung des Erbbauzinses im Jahr 2003 und dem Zeitpunkt der geltend gemachten Erhöhung liegen die Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht über 10%.
40 
Der Verbrauchsindex für Deutschland ist von 2003 bis 2007 um 7,2 % von 96,9 Punkten auf 103,9 Punkte gestiegen (2005 = 100; Statistisches Jahrbuch 2008, Seite 522). Der Verdienst der Arbeiter im produzierenden Gewerbe ist von 2003 bis 2007 um 9,3 % von 105,3 Punkten (2000 = 100, Statistisches Jahrbuch 2006, Seite 530 unter Beachtung von Tabelle 1, Fußnote 1) auf 115,1 Punkte (2000 = 100, Statistisches Jahrbuch 2008, Seite 538 (Das Statistische Jahrbuch 2008 weist im Gegensatz zu den Statistischen Jahrbüchern der Vorjahre die Indexe der durchschnittlichen Bruttoverdienste der Arbeiter und Arbeiterinnen im Produzierenden Gewerbe und der durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste im Produzierenden Gewerbe nicht mehr aus. Im Hinblick auf das klare Unterschreiten der 10%-Grenze im vorliegenden Fall hat es der Senat als vertretbar erachtet, für die Berechnung stattdessen auf den Index der tariflichen Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten in der gewerblichen Wirtschaft abzustellen. Die hierdurch bedingten rechnerischen Ungenauigkeiten sind im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich gewesen, so dass es auf Grund dieser Besonderheit beim Rückgriff auf die im Statistischen Jahrbuch verfügbaren und damit öffentlich zugänglichen Auswertungen verbleiben konnte.) ) gestiegen. Der Verdienst der Angestellten im produzierenden Gewerbe und Handel ist von 2003 bis 2007 um 5,4 % von 108,8 Punkten (2000 = 100, Statistisches Jahrbuch 2006, Seite 530) auf 114,7 Punkte (2000 = 100, Statistisches Jahrbuch 2008, Seite 538 () ) gestiegen. Nach dem Mischindex ergibt dies zusammengenommen eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse von 7,3 %.
41 
3. Da bereits die Voraussetzungen für eine Neufestsetzung des Erbbauzinses nicht vorliegen, kann die nach §§ 316, 315 Abs. 1 BGB i.V.m. der ergänzenden Regelung im Vertrag vom 26. Mai 2003 (AB I, AS 25 ff) und den Grundsätzen des § 9a ErbbauRG zu bestimmende Höhe der Anpassung des Erbbauzinses dahingestellt bleiben.
B.
42 
Die Widerklage bleibt ohne Erfolg.
43 
Das Landgericht hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus Pflichtverletzung verneint, da weder § 12 des Erbbaurechtsvertrages noch die vor dem Grundstückskauf der Beklagten gewechselte Korrespondenz der Parteien eine Verpflichtung der Klägerin zu einem Grundstückstausch beinhaltet.
44 
Hinsichtlich des von der Beklagten geltend gemachten Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ist zu beachten, dass bei der streitgegenständlichen Klausel „Der Grundstückseigentümer kann das Erbbaugrundstück während der Dauer des Erbbaurechts dem jeweiligen Erbbauberechtigten zu Eigentum übertragen, wenn sie ihm ein anderes geeignetes Grundstück zum Tausch anbieten, das für den Grundstückseigentümer nach dessen pflichtgemäßem Ermessen den gleichen Wert besitzt wie das Erbbaugrundstück, ohne die auf dem Erbbaurecht erstellten Bauten“ das Ermessen nicht auf der Rechtsfolgenseite steht, sondern nur bei den tatbestandlichen Voraussetzungen. Wenn nach pflichtgemäßem Ermessen ein vergleichbares Grundstück vorliegt, so kann der Grundstückseigentümer das Grundstück übertragen, wobei seine Handlungsfreiheit gerade nicht durch eine Pflicht zu pflichtgemäßem Handeln oder in sonst einer Weise eingeengt ist. Die Klägerin hat zunächst ihre einen Tausch ablehnende Entscheidung damit begründet, dass das tauschweise angebotene Grundstück nicht gleichwertig ist. Selbst wenn dies - wie die Beklagte vorträgt - nicht zutreffen sollte, so folgt aus der im Vertrag vorgesehenen bloßen Möglichkeit der Grundstücksübertragung durch den Grundstückseigentümer („kann“), dass dieser zu einer Ablehnung der Übertragung auch aus anderen Gründen berechtigt ist. Hierzu zählen sowohl wirtschaftliche Argumente wie ein einzelnes Grundstück in einem bestimmten Jahr nicht erwerben zu wollen als auch eine grundsätzliche strategische Unternehmensentscheidung der Klägerin, mit Privatpersonen keine Grundstücke mehr tauschen zu wollen. Insofern kann die Beklagte von der Klägerin gerade nicht eine positive Entscheidung über den Tausch eines bestimmten Grundstücks einfordern.
45 
Aus den zutreffenden Erwägungen des Landgerichts ist ebenfalls ein Anspruch der Beklagten aus Verschulden bei Vertragsschluss zu verneinen, da sich hier letztlich allein das Risiko der Beklagten realisiert hat, das von ihr erworbene Grundstück ohne jede konkrete Absprache mit der Klägerin bezüglich des spezifisch zu tauschenden Grundstücks gekauft zu haben.
C.
46 
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
47 
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 31/11 Verkündet am:
18. November 2011
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 157 D, 242 Bb; ErbbauVO §§ 9, 9a aF
Erfüllt die in einem Erbbaurechtsbestellungsvertrag vereinbarte wertsichernde Klausel
ab einem bestimmten Zeitpunkt ihren Zweck nicht mehr, ist im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung zu ermitteln, was die Vertragspartner nach Treu und
Glauben für diesen Fall vereinbart hätten; führt die Auslegung zu keinem Ergebnis,
kommt die Erhöhung des Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in
Betracht. In beiden Fällen sind nicht die seit Vertragsabschluss, sondern die seit der
letzten aufgrund der Klausel vorgenommenen Erhöhung geänderten Verhältnisse
maßgebend (Fortführung von Senat, Urteil vom 3. Juli 1981 - V ZR 100/80,
BGHZ 81, 135 und Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220).
BGH, Urteil vom 18. November 2011 - V ZR 31/11 - LG Lübeck
AG Lübeck
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann
und den Richter Dr. Czub

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 22. Dezember 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte ist Erbbauberechtigter an einem der Klägerin gehörenden Grundstück. In dem Erbbaurechtsbestellungsvertrag vom 28. Juni 1949 heißt es u.a.: "3. Der Erbbauberechtigte hat an die jeweilige Grundstückseigentümerin als Erbbauzins jährlich einen Betrag zu zahlen, der 10 (zehn) vom Hundert des mit DM 2,- für den Quadratmeter angenommenen Wertes der Fläche entspricht. Die Grundstückseigentümerin behält sich vor, den Wert für den Grund und Boden zu erhöhen, wenn über einen einfachen Straßenausbau und die Verlegung der Hauptleitung für Licht hinaus weitere Aufschließungskosten für das Gelände entstehen.
Der Erbbauzins ist in vierteljährlichen Teilbeträgen am 1. Werktage der Monate Januar, April, Juli und Oktober hinterher zahlbar. Der Erbbauzins ist durch Eintragung einer Reallast sicherzustellen.

4.

Für die ersten 5 (fünf) Jahre ermäßigt sich der Erbbauzins auf vier vom Hundert des angenommenen Wertes der Fläche.
Die Höhe des danach zu entrichtenden Erbbauzinses wird alle 5 (fünf) Jahre, erstmalig am 1. Januar 1954 von der Finanzverwaltung festgesetzt werden. Gegen die späteren Festsetzungen steht dem Erbbauberechtigten nur die Beschwerde beim Senat, der endgültig entscheidet, offen."
2
Bis Oktober 1983 wurde der Erbbauzins schrittweise auf 10 % des angenommenen Grundstückswerts erhöht; das ergibt 98,68 Euro pro Jahr.
3
Der Beklagte erwarb das Erbbaurecht im Jahr 1993. Zugleich schloss er mit der Klägerin einen Schuldübernahmevertrag, in welchem er in den schuldrechtlichen Teil der Erbbaurechtsbestellung eintrat und alle sich daraus ergebenden Verpflichtungen anstelle des Veräußerers übernahm.
4
Im April 2004 verlangte die Klägerin - gestützt auf eine sich aus den arithmetischen Mitteln der Steigerung der Lebenshaltungskosten sowie der Löhne und Gehälter ergebende Steigerungsrate von 875,9 % - einen jährlichen Erbbauzins von 963 €. Der Beklagte sollte vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2008 jährlich 386,76 €, vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2010 jährlich 674,88 € und ab dem 1. Juli 2010 den vollen Jahresbetrag (963 €) zahlen. Dem kam er nicht nach, sondern zahlte weiterhin nur den ursprünglichen Betrag von 98,68 € pro Jahr.
5
Die auf die Verurteilung zur Zahlung von 540,16 € (Differenz zwischen gezahltem und gefordertem Erbbauzins von Oktober 2006 bis Juli 2008) zuzüglich 10 € vorgerichtlicher Mahnkosten und 38,30 € bezifferter Zinsen gerichtete Klage hat das Amtsgericht abgewiesen. Das Landgericht hat ihr stattgegeben. Mit der von diesem zugelassenen Revision will der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


6
Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin eine Anpassung der Höhe des Erbbauzinses nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf jährlich 385,19 € verlangen. Die von den Parteien des Erbbaurechtsbestellungsvertrags vereinbarte Möglichkeit der Anpassung des Erbbauzinses sei durch eine Entwicklung der Kaufkraft des Geldes entfallen, welche beide Parteien nicht vorausgesehen hätten. Die Regelungen in Nr. 3 und 4 des Vertrags seien dahin auszulegen, dass ursprünglich ein Erbbauzins von 4 % habe vereinbart werden sollen, der bis zu einer Grenze von 10 % habe erhöht werden können. Dabei handele es sich nicht um eine typische Wertanpassungsklausel ; allerdings habe die Klausel auch dem Zweck der Wertsicherung dienen sollen. Die Anpassungsmöglichkeit sei durch die 10 %-Grenze beschränkt. Diese Grenze sei jedoch nicht als Risikobegrenzung für den Erbbauberechtigten , sondern lediglich als eine theoretische Grenze zur Vermeidung einer Genehmigungspflicht nach § 3 WährG aF vereinbart worden. Es handele sich um eine Anpassungsklausel, die aus unvorhergesehenen Gründen ihren Zweck nicht mehr erfüllen könne. Deshalb müsse eine Anpassung ebenso wie in den Fällen möglich sein, in denen der Erbbaurechtsbestellungsvertrag keine Anpassungsmöglichkeit enthalte, wobei von einem anfänglichen Erbbauzins von 4 % auszugehen sei. Der Umstand, dass die Klägerin bei früheren Erhöhungen oder in früherer Zeit einen möglichen Erhöhungsanspruch nicht ausgeschöpft habe, bewirke nicht, dass sie nunmehr für einen späteren Zeitraum den von der Rechtsprechung eröffneten Erhöhungsrahmen nicht ausschöpfen dürfe.
7
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.


8
1. Die Revision ist wegen der Bindung des Senats an die Zulassung durch das Berufungsgericht (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO) statthaft; sie ist auch im Übrigen zulässig.
9
2. Das Rechtsmittel ist begründet.
10
a) Ohne Erfolg rügt der Beklagte allerdings, das Berufungsgericht habe die Zeugin R. (Sachbearbeiterin der Klägerin) zu der Behauptung vernehmen müssen, sie habe dem Beklagten vor der Unterzeichnung des Schuldübernahmevertrags versichert, dass eine weitere Erhöhung des Erbbauzinses über die bereits erreichte 10 %-Grenze nicht möglich sei. Unterstellt, die Behauptung trifft zu, fehlt ihr jedoch die Erheblichkeit. Der Beklagte meint, aufgrund der "Versicherung" der Zeugin habe er darauf vertrauen dürfen, dass der Erbbauzins bis zum Vertragsende unverändert bleiben werde; deshalb sei die Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) an der Geltendmachung eines Erhöhungsanspruchs gehindert. Diese Ansicht trifft nicht zu. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Sachbearbeiterin die Befugnis hatte, eine für die Klägerin rechtsverbindliche Erklärung abzugeben, auf deren Einhaltung der Beklagte hätte vertrauen können.
11
b) Im Ergebnis zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die Höhe des Erbbauzinses einer Anpassung unterliegt, die nach oben nicht durch die in Ziffer 3 des Erbbaurechtsbestellungsvertrags vereinbarte 10 %-Grenze beschränkt ist.
12
aa) Die Auslegung, der Vertrag ermögliche die Erhöhung des Erbbauzinses bis zu einer Grenze von 10 % des angenommenen Grundstückswerts, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird von beiden Parteien hingenommen. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht jedoch an, die 10 %-Grenze sei als eine lediglich theoretische Grenze zur Vermeidung einer Genehmigung nach § 3 WährG aF und nicht als Risikobegrenzung für den Erbbaurechtserwerber vereinbart worden. Der Beklagte rügt zutreffend, dass dies keine Stütze in dem Parteivortrag und in den Feststellungen des Berufungsgerichts findet. Darauf kommt es indes im Ergebnis nicht an und ebenfalls nicht auf die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, dass - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht er, sondern die Klägerin habe darlegen und beweisen müssen, dass die 10 %-Grenze keine "echte" Obergrenze habe sein sollen. Auch die weiteren Rügen, mit denen der Beklagte die Vernei- nung einer Obergrenze für das Erhöhungsverlangen angreift, bleiben erfolglos. Das gilt insbesondere für das Heranziehen der bis 1994 geltenden Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO aF, wonach der Erbbauzins nach Zeit und Höhe für die ganze Erbbauzeit im Voraus bestimmt sein musste. Denn diese Forderung konnte wegen der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht immer eingehalten werden. Der gegenseitige Vertrag beruht auf der Überzeugung der Vertragsparteien von der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung und ist besonders bei langfristigen Verträgen Teil der objektiven Geschäftsgrundlage , die vorhanden sein und fortdauern muss, damit der Vertrag noch als eine sinnvolle Regelung bestehen kann (Staudinger/Rapp, BGB [2009], § 9 ErbbauRG Rn. 21). Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat deshalb auch bei Erbbaurechtsverträgen, die unter der Geltung der Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO aF abgeschlossen worden waren, unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in der speziellen Ausgestaltung der Äquivalenzstörung korrigierend eingegriffen und eine Anpassung der Höhe des Erbbauzinses über die ursprünglich vereinbarte Höhe hinaus zugelassen (siehe nur Senat, Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 ff.; Urteil vom 23. März 1980 - V ZR 20/78, BGHZ 77, 194, 197 ff.).
13
bb) Auf diese Rechtsprechung stützt sich das Berufungsgericht jedoch, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, zu Unrecht. Denn sie ist zu solchen Erbbaurechtsverträgen ergangen, in denen keine Anpassungsklauseln vereinbart worden waren. Hier ist das Berufungsgericht jedoch - revisionsrechtlich nicht zu beanstanden - davon ausgegangen, dass eine Anpassungsklausel vereinbart worden ist. Da diese, wie es weiter rechtsfehlerfrei und unangegriffen festgestellt hat, auch der Wertsicherung dienen, die Klägerin also gegen das Risiko eines Kaufkraftschwundes in geeigneter Form absichern sollte, diesen Zweck jedoch seit der letzten Anpassung nicht mehr erfüllen kann, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen (vgl. Urteil vom 8. November 1972 - VIII ZR 123/71, WM 1972, 1442; Senat, Urteil vom 21. Dezember 1984 - V ZR 52/84, WM 1985, 417, 418; Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, WM 1984, 406, 407; Urteil vom 3. Juli 1981 - V ZR 100/80, BGHZ 81, 135, 141). Diese hat Vorrang vor einer Anwendung der Regelungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 395/04, BGHZ 164, 286, 292).
14
cc) Die ergänzende Vertragsauslegung ist - entgegen der von der Klägerin in dem Revisionsverfahren vertretenen Ansicht - nicht deshalb entbehrlich, weil die Klägerin die Höhe des Erbbauzinses nach billigem Ermessen bestimmen kann (vgl. § 315 BGB). Ein solches Bestimmungsrecht steht ihr nach dem Wortlaut der Ziffern 3 und 4 des Erbbaurechtsbestellungsvertrags nicht zu, soweit es um eine die 10 %-Grenze übersteigende Erbbauzinshöhe geht. Das Bestimmungsrecht verstieße im Übrigen gegen die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO aF.
15
3. Die ergänzende Auslegung muss das Berufungsgericht nachholen.
16
a) Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien des Erbbaurechtsbestellungsvertrags bei Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten; zunächst ist an die in dem Vertrag vereinbarten Regelungen und Wertungen anzuknüpfen (Senat, Urteil vom 31. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679). Somit ist von den Regelungen in Ziffern 3 und 4 des Vertrags auszugehen, welche (auch) der Wertsicherung dienen sollten. Deshalb kann die Auslegung - insbesondere unter Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten in der Klageerwiderung bzw. in der Be- rufungserwiderung, dass die Anpassungsmöglichkeit der Berücksichtigung einer Steigerung der Lebenshaltungskosten bzw. der wirtschaftlichen Entwicklung dienen sollte - ergeben, dass eine Anhebung des Erbbauzinses nach Maßgabe der Entwicklung der Lebenshaltungskosten dem entspricht, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Ungeeignetheit der nach oben begrenzten Anpassungsklausel bewusst gewesen wäre, und wenn sie dabei die Gebote von Treu und Glauben beachtet hätten; denn die Preisindizes für die Lebenshaltungskosten sind ein unmittelbarer Spiegel der Preisentwicklung, eine hieran orientierte Anpassung bewirkt daher einen von den Parteien gewollten Ausgleich des Kaufkraftschwunds (vgl. Senat, Urteil vom 21. Dezember 1984 - V ZR 52/84, WM 1985, 414, 418; Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, WM 1984, 406, 407). Eine Berücksichtigung auch der Entwicklung der Einkommen läge dagegen nicht mehr im Rahmen des von den Parteien verfolgten Ziels, sondern führte dazu, auch die Änderung des Lebensstandards in die Höhe des Erbbauzinses einfließen zu lassen; das hätte nichts mit der Schließung der Vertragslücke zu tun (vgl. Senat, Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, aaO).
17
b) Da die Vertragsparteien die Klägerin gegen die Risiken eines Kaufkraftschwunds in geeigneter Form absichern wollten und zu diesem Zweck eine nach § 3 WährG aF genehmigungsfreie Anpassungsklausel vereinbart haben, kann es ihrem hypothetischen Willen entsprechen, die vorstehend unter a) beschriebene Anpassungsmöglichkeit in der Weise zu verwirklichen, dass jede Partei die Neufestsetzung der Höhe des Erbbauzinses - nach Ablauf einer mindestens dreijährigen Frist (§ 9a Abs. 1 Satz 5 ErbbauRG) - verlangen kann, wenn die Lebenshaltungskosten seit der jeweils vorausgegangenen Festsetzung um mehr als einen bestimmten Prozentsatz gestiegen oder gefallen sind (vgl. Senat, Urteil vom 3. Juli 1981- V ZR 100/80, BGHZ 81, 135, 141 f.). Des- halb und weil die vereinbarte Anpassungsklausel ab dem 1. Oktober 1983 ihren Zweck nicht mehr erfüllt, ist der Anstieg der Lebenshaltungskosten seit diesem Zeitpunkt maßgeblich; für die Zeit davor bleiben die in Ziffern 3 und 4 vereinbarten Regelungen verbindlich (vgl. Senat, Urteil vom 31. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679, 680).
18
c) Der - eventuelle - vertragliche Anpassungsanspruch ist in der Höhe nach § 9a Abs. 1 ErbbauRG beschränkt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird ein zutreffendes Bild der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse nur gezeichnet, wenn neben den Lebenshaltungskosten auch die Einkommensverhältnisse berücksichtigt werden; als Bemessungsgrundlagen dienen die Entwicklung der Lebenshaltungskosten bzw. der Verbraucherpreise und - mit gleicher Gewichtung - die Entwicklung der Bruttoverdienste der Arbeiter in der Industrie sowie die Bruttoverdiente der Angestellten in Industrie und Handel (siehe nur Senat, Urteil vom 3. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679,

681).


19
4. Erst wenn sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Möglichkeit der Anpassung des Erbbauzinses nicht feststellen lässt, kommt die von dem Berufungsgericht bejahte Anpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Diese hat der Senat zwar bisher nur bei Verträgen ohne wertsichernde Klausel bejaht (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 f.). Sie ist aber auch dann möglich, wenn eine vereinbarte Wertsicherungsklausel ihren Zweck nicht mehr erfüllt. Denn ab diesem Zeitpunkt besteht kein Unterschied zu einem von Anfang an ohne Wertsicherungsklausel abgeschlossenen Erbbaurechtsbestellungsvertrag , soweit es um Äquivalenzstörungen geht. Für die davor liegende Zeit seit Vertragsschluss gilt jedoch die vereinbarte Klausel. Daraus folgt, dass - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - darauf abzustellen ist, ob durch die Entwicklung der Lebenshaltungskosten seit dem 1. Oktober 1983 die Grenze des für die Klägerin Tragbaren überschritten worden ist. Das ist indes nicht der Fall. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat der Erbbaurechtsausgeber einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur dann, wenn die Lebenshaltungskosten seit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt um mehr als 150 % gestiegen sind (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 mit umfangreichen Nachweisen). Daran fehlt es nach der von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellung des Amtsgerichts. Danach sind die Lebenshaltungskosten zwischen 1983 und 2009 nur um 59,7 % gestiegen. Ein weiterer Anstieg in der Folgezeit ist nach dem Klageantrag , mit welchem der erhöhte Erbbauzins bis Juli 2008 verlangt wird, nicht zu berücksichtigen.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann RiBGH Dr. Czub ist wegen Krankheit verhindert zu unterschreiben. Krüger
Vorinstanzen:
AG Lübeck, Entscheidung vom 01.04.2010 - 28 C 8/09 -
LG Lübeck, Entscheidung vom 22.12.2010 - 14 S 155/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 23/11 Verkündet am:
3. Februar 2012
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Februar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Parteien wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 22. Dezember 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagten sind Erbbauberechtigte an einem der Klägerin gehörenden Grundstück. In dem Erbbaurechtsbestellungsvertrag vom 9. April 1949 heißt es u.a.: "3. Der Erbbauberechtigte hat an die jeweilige Grundstückseigentümerin als Erbbauzins jährlich einen Betrag zu zahlen, der 10 (zehn) vom Hundert des mit DM 3,- für den Quadratmeter angenommenen Wertes der Fläche entspricht. Die Grundstückseigentümerin behält sich vor, den Wert für den Grund und Boden zu erhöhen, wenn weitere Aufschließungskosten für das Gelände entstehen.
Der Erbbauzins ist in vierteljährlichen Teilbeträgen am 1. Werktage der Monate Januar, April, Juli und Oktober hinterher zahlbar. Der Erbbauzins ist durch Eintragung einer Reallast sicherzustellen. 4. Für die ersten 5 (fünf) Jahre ermäßigt sich der Erbbauzins auf 4 (vier) vom Hundert des angenommenen Wertes der Fläche. Die Höhe des danach zu entrichtenden Erbbauzinses wird alle 5 (fünf) Jahre, erstmalig am 1. Januar 1955 von der Finanzverwaltung festgesetzt werden. Gegen die späteren Festsetzungen steht dem Erbbauberechtigten nur die Beschwerde beim Senat, der endgültig entscheidet, offen."
2
Bis Oktober 1983 wurde der Erbbauzins schrittweise auf 10 % des angenommenen Grundstückswerts erhöht; das ergibt 183,60 Euro pro Jahr.
3
Die Beklagten erwarben das Erbbaurecht im Jahr 1987. Sie schlossen mit der Klägerin einen Schuldübernahmevertrag, in welchem sie in den schuldrechtlichen Teil der Erbbaurechtsbestellung eintraten und alle sich daraus ergebenden Verpflichtungen anstelle des Veräußerers übernahmen.
4
Im April 2004 verlangte die Klägerin - gestützt auf eine sich aus den arithmetischen Mitteln der Steigerung der Lebenshaltungskosten sowie der Löhne und Gehälter ergebende Steigerungsrate von 876,1 % - einen jährlichen Erbbauzins von 1.792,12 €. Die Beklagten sollten vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2008 jährlich 719,76 €, vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2010 jährlich 1.255,92 € und ab dem 1. Juli 2010 den vollen Jahresbetrag (1.792,12 €) zahlen. Dem kamen sie nicht nach, sondern zahlten weiterhin nur den ursprünglichen Betrag von 183,60 € pro Jahr.
5
Der auf die Verurteilung zur Zahlung von 1.072,32 € (Differenz zwischen gezahltem und gefordertem Erbbauzins von Oktober 2006 bis Juli 2008) zuzüglich 75,96 € bezifferter Zinsen und von weiteren 268,08 € vierteljährlich vom 1. Oktober 2008 bis 1. Juli 2010 gerichteten Klage hat das Amtsgericht stattgegeben. Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung von 1.066,50 € nebst 75,54 € Zinsen und zur Zahlung weiterer 1.066,50 € verurteilt. Mit der von diesem zugelassenen Revision will die Klägerin die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen. Die Beklagten streben mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage an. Beide Parteien beantragen jeweils die Zurückweisung des anderen Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.

6
Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin eine Anpassung der Höhe des Erbbauzinses nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf jährlich 716,85 € verlangen. Die von den Parteien des Erbbaurechtsbestellungsvertrags vereinbarte Möglichkeit der Anpassung des Erbbauzinses sei durch eine Entwicklung der Kaufkraft des Geldes entfallen, welche beide Parteien nicht vorausgesehen hätten. Die Regelungen in Nr. 3 und 4 des Vertrags seien dahin auszulegen, dass ursprünglich ein Erbbauzins von 4 % habe vereinbart werden sollen, der bis zu einer Grenze von 10 % habe erhöht werden können. Dabei handele es sich nicht um eine typische Wertanpassungsklausel ; allerdings habe die Klausel auch dem Zweck der Wertsicherung dienen sollen. Die Anpassungsmöglichkeit sei durch die 10 %-Grenze beschränkt. Diese Grenze sei jedoch nicht als Risikobegrenzung für den Erbbauberechtigten , sondern lediglich als eine theoretische Grenze zur Vermeidung einer Genehmigungspflicht nach § 3 WährG vereinbart worden. Es handele sich um eine Anpassungsklausel, die aus unvorhergesehenen Gründen ihren Zweck nicht mehr erfüllen könne. Deshalb müsse eine Anpassung ebenso wie in den Fällen möglich sein, in denen der Erbbaurechtsbestellungsvertrag keine Anpassungsmöglichkeit enthalte, wobei von einem anfänglichen Erbbauzins von 4 % auszugehen sei. Der Umstand, dass die Klägerin bei früheren Erhöhungen oder in früherer Zeit einen möglichen Erhöhungsanspruch nicht ausgeschöpft habe, bewirke nicht, dass sie nunmehr für einen späteren Zeitraum den von der Rechtsprechung eröffneten Erhöhungsrahmen nicht ausschöpfen dürfe.
7
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.

8
Zur Revision der Beklagten:
9
1. Die Revision ist wegen der Bindung des Senats an die Zulassung durch das Berufungsgericht (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO) statthaft; sie ist auch im Übrigen zulässig.
10
2. Das Rechtsmittel ist begründet.
11
a) Das folgt allerdings nicht daraus, dass das Berufungsgericht der Klägerin einen um 268,08 € pro Vierteljahr erhöhten Erbbauzins für acht Vierteljahre zugesprochen hat, obwohl die Klägerin diese Anpassung nur für sieben Vierteljahre (1. Oktober 2008 bis 1. Juli 2010) verlangt hat. Denn ein - von Amts wegen zu berücksichtigender (BGH, Urteil vom 21. Juni 2001 - I ZR 245/98, NJW-RR 2002, 255, 257) - Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO liegt nicht vor, weil der von dem Berufungsgericht ausgeurteilte Betrag unter dem von der Klägerin beantragten Betrag liegt.
12
b) Im Ergebnis zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die Höhe des Erbbauzinses einer Anpassung unterliegt, die nach oben nicht durch die in Ziffer 3 des Erbbaurechtsbestellungsvertrags vereinbarte 10 %-Grenze beschränkt ist. Das hat der Senat bereits in dem Parallelverfahren V ZR 31/11 entschieden (Urteil vom 18. November 2011, GuT 2011, 404 f.).
13
aa) Die Auslegung, der Vertrag ermögliche die Erhöhung des Erbbauzinses bis zu einer Grenze von 10 % des angenommenen Grundstückswerts, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird von beiden Parteien hingenommen. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht jedoch an, die 10 %-Grenze sei als eine lediglich theoretische Grenze zur Vermeidung einer Genehmigung nach § 3 WährG und nicht als Risikobegrenzung für den Erbbaurechtserwerber vereinbart worden. Die Beklagten rügen zutreffend, dass dies nach dem Tatbestand des Berufungsurteils eine Stütze lediglich in dem Vortrag der Klägerin, nicht aber in den Feststellungen des Berufungsgerichts findet. Darauf kommt es indes im Ergebnis nicht an und ebenfalls nicht auf die von den Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, dass - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht sie, sondern die Klägerin habe darlegen und beweisen müssen, dass die 10 %-Grenze keine "echte" Obergrenze habe sein sollen. Auch die weiteren Rügen, mit denen die Beklagten die Verneinung einer Obergrenze für das Erhöhungsverlangen angreifen, bleiben erfolglos.
14
bb) Zu Unrecht stützt sich das Berufungsgericht auf die Rechtsprechung des Senats zur Anpassung der Höhe des Erbbauzinses über die ursprünglich vereinbarte Höhe hinaus unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in der speziellen Ausgestaltung der Äquivalenzstörung (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 ff.; Urteil vom 23. März 1980 - V ZR 20/78, BGHZ 77, 194, 197 ff.). Denn sie ist zu solchen Erbbaurechtsverträgen ergangen, in denen keine Anpassungsklauseln vereinbart worden waren. Hier ist das Berufungsgericht jedoch - revisionsrechtlich nicht zu beanstanden - davon ausgegangen, dass eine Anpassungsklausel vereinbart worden ist. Da diese, wie es weiter rechtsfehlerfrei und unangegriffen festgestellt hat, auch der Wertsicherung dienen, die Klägerin also gegen das Risiko eines Kaufkraftschwundes in geeigneter Form absichern sollte , diesen Zweck jedoch seit der letzten Anpassung nicht mehr erfüllen kann, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen (vgl. Urteil vom 8. November 1972 - VIII ZR 123/71, WM 1972, 1442; Senat, Urteil vom 21. Dezember 1984 - V ZR 52/84, WM 1985, 417, 418; Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, WM 1984, 406, 407; Urteil vom 3. Juli 1981 - V ZR 100/80, BGHZ 81, 135, 141). Diese hat Vorrang vor einer Anwendung der Regelungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 395/04, BGHZ 164, 286, 292).
15
c) Die ergänzende Vertragsauslegung ist nicht deshalb entbehrlich, weil die Klägerin - wie sie meint - die Höhe des Erbbauzinses nach billigem Ermessen bestimmen kann (vgl. § 315 BGB). Ein solches Bestimmungsrecht steht ihr nach dem Wortlaut der Ziffern 3 und 4 des Erbbaurechtsbestellungsvertrags nicht zu, soweit es um eine die 10 %-Grenze übersteigende Erbbauzinshöhe geht. Das Bestimmungsrecht verstieße im Übrigen gegen die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO aF.
16
3. Die ergänzende Auslegung muss das Berufungsgericht nachholen.
17
a) Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien des Erbbaurechtsbestellungsvertrags bei Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten; zunächst ist an die in dem Vertrag vereinbarten Regelungen und Wertungen anzuknüpfen (Senat, Urteil vom 31. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679). Somit ist von den Regelungen in Ziffern 3 und 4 des Vertrags auszugehen, welche (auch) der Wertsicherung dienen sollten. Deshalb kann die Auslegung ergeben, dass eine Anhebung des Erbbauzinses nach Maßgabe der Entwicklung der Lebenshaltungskosten dem entspricht, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Ungeeignetheit der nach oben begrenzten Anpassungsklausel bewusst gewesen wäre, und wenn sie dabei die Gebote von Treu und Glauben beachtet hätten; denn die Preisindizes für die Lebenshaltungskosten sind ein unmittelbarer Spiegel der Preisentwicklung, eine hieran orientierte Anpassung bewirkt daher einen von den Parteien gewollten Ausgleich des Kaufkraftschwunds (vgl. Senat , Urteil vom 21. Dezember 1984 - V ZR 52/84, WM 1985, 414, 418; Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, WM 1984, 406, 407). Eine Berücksichtigung auch der Entwicklung der Einkommen läge dagegen nicht mehr im Rahmen des von den Parteien verfolgten Ziels, sondern führte dazu, auch die Änderung des Lebensstandards in die Höhe des Erbbauzinses einfließen zu lassen ; das hätte nichts mit der Schließung der Vertragslücke zu tun (vgl. Senat, Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, aaO).
18
b) Da die Vertragsparteien die Klägerin gegen die Risiken eines Kaufkraftschwunds in geeigneter Form absichern wollten und zu diesem Zweck eine nach § 3 WährG genehmigungsfreie Anpassungsklausel vereinbart haben, kann es ihrem hypothetischen Willen entsprechen, die vorstehend unter a) beschriebene Anpassungsmöglichkeit in der Weise zu verwirklichen, dass jede Partei die Neufestsetzung der Höhe des Erbbauzinses - nach Ablauf einer mindestens dreijährigen Frist (§ 9a Abs. 1 Satz 5 ErbbauRG) - verlangen kann, wenn die Lebenshaltungskosten seit der jeweils vorausgegangenen Festset- zung um mehr als einen bestimmten Prozentsatz gestiegen oder gefallen sind (vgl. Senat, Urteil vom 3. Juli 1981- V ZR 100/80, BGHZ 81, 135, 141 f.). Deshalb und weil die vereinbarte Anpassungsklausel ab dem 1. Oktober 1983 ihren Zweck nicht mehr erfüllt, ist der Anstieg der Lebenshaltungskosten seit diesem Zeitpunkt maßgeblich; für die Zeit davor bleiben die in Ziffern 3 und 4 vereinbarten Regelungen verbindlich (vgl. Senat, Urteil vom 31. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679, 680).
19
c) Der - eventuelle - vertragliche Anpassungsanspruch ist in der Höhe nach § 9a Abs. 1 ErbbauRG beschränkt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird ein zutreffendes Bild der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse nur gezeichnet, wenn neben den Lebenshaltungskosten auch die Einkommensverhältnisse berücksichtigt werden; als Bemessungsgrundlagen dienen die Entwicklung der Lebenshaltungskosten bzw. der Verbraucherpreise und - mit gleicher Gewichtung - die Entwicklung der Bruttoverdienste der Arbeiter in der Industrie sowie die Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel (siehe nur Senat, Urteil vom 3. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679, 681) bzw. - für die Zeit ab dem 1. Januar 2007 - die Entwicklung der auf Grund von § 3 des Verdienststatistikgesetzes erhobenen Verdienste (vgl. BR-Drucks. 557/06 S. 8).
20
4. Erst wenn sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Möglichkeit der Anpassung des Erbbauzinses nicht feststellen lässt, kommt die von dem Berufungsgericht bejahte Anpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Diese hat der Senat zwar bisher nur bei Verträgen ohne wertsichernde Klausel bejaht (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 f.). Sie ist aber auch dann möglich, wenn eine vereinbarte Wertsicherungsklausel ihren Zweck nicht mehr erfüllt. Denn ab diesem Zeitpunkt besteht kein Unterschied zu einem von Anfang an ohne Wertsicherungsklausel abgeschlossenen Erbbaurechtsbestellungsvertrag , soweit es um Äquivalenzstörungen geht. Für die davor liegende Zeit seit Vertragsschluss gilt jedoch die vereinbarte Klausel. Daraus folgt, dass - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - darauf abzustellen ist, ob durch die Entwicklung der Lebenshaltungskosten seit dem 1. Oktober 1983 die Grenze des für die Klägerin Tragbaren überschritten worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat der Erbbaurechtsausgeber einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur dann, wenn die Lebenshaltungskosten seit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt um mehr als 150 % gestiegen sind (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 mit umfangreichen Nachweisen). Ob das, ausgehend von der letzten Erbbauzinsanpassung im Jahr 1983, der Fall ist, hat das Berufungsgericht bisher nicht festgestellt. Das wird es ggf. nachholen müssen.

III.

21
Zur Revision der Klägerin:
22
1. Die Revision ist ebenfalls statthaft und auch im Übrigen zulässig.
23
2. Das Rechtsmittel ist auch begründet.
24
a) Ohne Erfolg macht die Klägerin allerdings geltend, sie habe die Höhe des Erbbauzinses nach billigem Ermessen bestimmen können. Ein solches Bestimmungsrecht steht ihr nicht zu (siehe die vorstehenden Ausführungen unter II. 2. c; ebenso Senat, Urteil vom 18. November 2011 - V ZR 31/11, GuT 2011, 404, 405).
25
b) Im Ergebnis erfolgreich rügt die Klägerin jedoch die von dem Berufungsgericht vorgenommene Berechnung der Höhe des angepassten Erbbauzinses. Diese hat - wie vorstehend unter II. 4. ausgeführt - keinen Bestand. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Lübeck, Entscheidung vom 26.09.2008 - 31 C 1868/08 -
LG Lübeck, Entscheidung vom 22.12.2010 - 14 S 257/08 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.