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| Die Klägerin macht als Grundstückseigentümerin gegenüber der Beklagten als Erbbauberechtigter die Erhöhung des Erbbauzinses geltend. Sie begehrt die Zustimmung zur Erhöhung des Erbbauzinses ab dem 11.11.2007 und die Zahlung des Erhöhungsbetrages für das Jahr 2007/2008. Die Beklagte macht widerklagend Schadensersatz auf Erstattung von ihr aufgewendeter Grunderwerbssteuer wegen einer behaupteten Vertragsverletzung geltend. |
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| Die Beklagte hat am 25.03.2003 das Erbbaurecht an dem Grundstück F-Straße 3 in M erworben, dessen Eigentümerin die Klägerin ist (vgl. AB I, Anlage K 2). Sie ist hierbei in den zwischen der Klägerin und der Verkäuferin am 08.12.1994 geschlossenen Erbbaurechtsvertrag (AB I, Anlage K 1) mit allen Rechten und Pflichten eingetreten. Hiernach dient das Erbbaurecht zur Nutzung eines Wohnhauses. |
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| Der Erbbauzins, der sich bis zum Abschluss des Kaufvertrages auf 7.970,- DM (4.075,- Euro) jährlich belief, wurde anlässlich des Kauf des Erbbaurechts durch die Beklagte ab 11.11.2003 auf 4.661,80 Euro erhöht. In einer Ergänzungsvereinbarung zum Kaufvertrag (ebenfalls AB I, Anlage K 2) wurde auf Wunsch der Klägerin folgende Bestimmung dem Kaufvertrag hinzugefügt: „Vorsorglich wird klargestellt, dass - unabhängig von dem Zeitpunkt der Übergabe - für die Erhöhung des Erbbauzinses und die dafür zugrunde zu legenden Basiswerte der maßgebliche Zeitpunkt die Begründung des Erbbaurechts ist.“ |
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| Der Erbbaurechtsvertrag vom 08.12.1994 enthält in § 3 Nr. 4 folgende Klausel bezüglich der Erhöhung des Erbbauzinses: „Ändern sich die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse, die Geldwährung oder der Grundstückswert in dem Maße, dass der vereinbarte Erbbauzins nicht mehr angemessen sein sollte, so kann jede Partei verlangen, dass der Erbbauzins neu festgesetzt wird; bei einer Wohnbebauung bleiben die Grundstückswerte außer Betracht.“ § 5 Abs. 2 des Erbbaurechtsvertrages enthält die Verpflichtung des Erbbauberechtigten, bei einer Erhöhung des Erbbauzinses das Erbbaurecht in Höhe des Erbbauzinsmehrbetrages zu belasten. |
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| Die Klägerin hat mit Schreiben vom 19.06.2007 (AB I, Anlage K 3) von der Beklagten eine Erhöhung des Erbbauzinses ab 11.11.2007 um jährlich 403,43 Euro‚ insgesamt auf einen Erbbauzins in Höhe von 5.065,23 Euro verlangt, sowie die Bewilligung der Eintragung einer Reallast auf dem Erbbaurecht in Höhe des Erhöhungsbetrages. |
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| Die Beklagte wollte das mit ihrem Erbbaurecht belastete Grundstück gestützt auf § 12 des Erbbaurechtsvertrages erwerben. § 12 des Erbbaurechtsvertrages enthält folgende Regelung: „Der Grundstückseigentümer kann das Erbbaugrundstück während der Dauer des Erbbaurechts dem jeweiligen Erbbauberechtigten zu Eigentum übertragen, wenn sie ihm ein anderes geeignetes Grundstück zum Tausch anbieten, das für den Grundstückseigentümer nach dessen pflichtgemäßem Ermessen den gleichen Wert besitzt wie das Erbbaugrundstück, ohne die auf dem Erbbaurecht erstellten Bauten.“ |
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| Wegen des Erwerbswunschs der Beklagten fand zwischen den Parteien eine Korrespondenz statt. Insoweit wird auf die Schreiben der Klägerin vom 29.09.2005 und vom 06.03.2006 Bezug genommen. Die Beklagte schloss am 31.03.2006 einen Kaufvertrag über das Grundstück H Straße 7, M. Sie vereinbarte in § 8 des Kaufvertrages, dass die Klägerin in diesen statt der Beklagten eintreten könne. Mit Schreiben vom 06.04.2006 bot die Beklagte der Klägerin das erworbene Grundstück zum Tausch gegen das mit ihrem Erbbaurecht belastete Grundstück an. Die Klägerin lehnte einen Tausch ab. Die Beklagte hat wegen des Erwerbs des der Klägerin zum Tausch angebotenen Grundstücks Grunderwerbssteuer in Höhe von 6.125,- Euro zahlen müssen. Die Erstattung dieses Betrages macht sie mit der Widerklage geltend. |
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| Die Klägerin hat behauptet, die begehrte Erhöhung des Erbbauzinses berücksichtige die seit 1994 eingetretene wirtschaftliche Entwicklung und Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Seit der Bestellung des Erbbaurechtes im Jahr 1994 und dem 31.12.2006 seien die Indices der Bruttoverdienste der Arbeiter und Angestellten in Industrie und Handel sowie die Lebenshaltungskosten nach dem Verbraucherpreisindex Deutschland im Mittel um 24,3 % gestiegen. Die Klägerin meint, es ergebe sich damit, ausgehend von dem im Jahr 1994 vereinbarten Erbbauzins in Höhe von 4.075,- Euro bei einer Erhöhung von 24,3 % ein neuer Erbbauzins in Höhe von 5.065,23 Euro. Unter Abzug des zuletzt bezahlten Erbbauzinses in Höhe von 4.661,80 Euro ergebe sich ein Erhöhungsbetrag in Höhe von 403,43 Euro. |
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| die Beklagte zu verurteilen, |
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| 1. mit Wirkung ab dem 11.11.2007 (Martini) einer Erhöhung des jährlich am 11.11.2007 (Martini) im Voraus zahlbaren Erbbauzinses für das Erbbaurecht an dem Grundstück Flst.-Nr. der Gemarkung M, eingetragen im Erbbaugrundbuch von Ma, von bisher jährlich 4.661,80Euro auf jährlich 5.065,23Euro zuzustimmen; |
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| 2. die Eintragung einer Reallast zugunsten des jeweiligen Grundstückseigentümers an nächst bereiter Stelle im Erbbaugrundbuch von M Nr. zur Flst.-Nr., zahlbar jeweils am 11.11. (Martini) eines Jahres im Voraus, beginnend mit dem 11.11.2007, in Höhe des Erbbauzinsmehrbetrages von 403,43Euro zu bewilligen; |
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| 3. an die Klägerin 403,43 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 12.11.2007 zu zahlen. |
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| Die Beklagte hat beantragt, |
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| Die Beklagte hat vorgetragen, sie sei der Auffassung, dass mit Sachverhalten, die sich vor ihrem Eintritt in den Erbbaurechtsvertrag am 25.03.2003 ereignet hätten, eine Erhöhung des Erbbauzinses nicht begründet werden könne, zumal dieser zu diesem Zeitpunkt angepasst worden sei. Seit 2003 seien Reallohnverluste der Arbeitnehmer, Nullrunden bei den Rentnern, erheblicher Kaufkraftschwund u.s.w. eingetreten, weshalb die geltend gemachte Erhöhung des Erbbauzinses gemäß § 9a ErbbauRVO unbillig sei. |
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| Die Berechnungen der Klägerin in deren Anlage AB I, Anlage K 4 seien nicht nachvollziehbar; die Beklagte bestreitet diese. Einen Index „Bruttoverdienste der Arbeiter in der Industrie, 2000 = 100“ gebe es nicht, weshalb auch die Rückrechnung auf das Jahr 1994 - selbst wenn diese zulässig wäre - nicht nachvollzogen werden könne. Gleiches gelte für den Index „Bruttoverdienst der Angestellten in Industrie und Handel, 2000 = 100“. „Der Verbraucherindex (VPI) und Indexverbraucherpreise 2000 = 100“ seien zudem falsch vorgetragen. Der von der Klägerin dargelegte und benötigte Schwellenwert von 24,3 % sei bei weitem nicht erreicht. Ein Anstieg der allgemeinen Lebensverhältnisse betrage 8,65 % und liege weit unter dem notwendigen Schwellenwert. Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerseite habe mit ihrem Schreiben vom 29.09.2005 einem Grundstückstausch zugestimmt, wenn das Tauschgrundstück geeignet und verwertbar sei. Sie meint, die Klägerin habe in ihrem Schreiben vom 06.03.2006 ihre Tauschbereitschaft erneut bestätigt. Deshalb könne sie den Tausch nicht wegen vermeintlich fehlender Gleichwertigkeit ablehnen, da einvernehmlich festgestellt worden sei, dass das Tauschgrundstück sogar höherwertiger und ertragreicher sei, als das Erbpachtgrundstück der Beklagten. Die Klägerin habe den angebotenen Tausch auch nicht sachgerecht geprüft, sondern diesen aufgrund persönlicher Animositäten abgelehnt. |
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| Dass die Klägerin neuerdings einen Tausch wegen eines Strategiewechsel verweigere, ist nach Auffassung der Beklagten in Anbetracht der Regelung von § 12 des Erbpachtvertrages und der Zusage der Klägerin zum Tausch unbeachtlich. Die Beklagte meint, sie habe gemäß § 12 des Erbpachtvertrages einen Anspruch darauf, dass die Klägerin, die einem Tausch grundsätzlich zugestimmt habe, nach pflichtgemäßem Ermessen dem Tausch mit dem von der Beklagten hierzu angebotenen Grundstück zustimme, da dieses dem Erbpachtgrundstück gleichwertig sei. Die Klägerin müsse ihr daher die beim Erwerb des Tauschgrundstücks nutzlos aufgebrachte Grunderwerbssteuer erstatten. |
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| Die Beklagte hat Widerklage erhoben mit dem Antrag, |
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| die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 6.125, - Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Widerklage zu zahlen. |
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| Die Klägerin hat beantragt, |
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| die Widerklage abzuweisen. |
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| Sie ist der Auffassung, dass § 12 des Erbpachtvertrages der Beklagten keinen Anspruch auf einen Grundstückstausch gebe. Die Klägerin habe auch zu keinem Zeitpunkt einen Tausch zugesagt, auch nicht in ihren Schreiben vom 29.09.2005 und vom 06.03.2006. Sie habe einen Tausch auch nicht wegen persönlicher Animositäten abgelehnt, sondern weil das ihr von der Beklagten angebotene Grundstück wegen seiner Größe und weil es mit Lasten und Zufahrtsrechten behaftet gewesen sei, aus ihrer Sicht zur Verwendung als Erbbaugrundstück nicht geeignet gewesen sei. |
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| Das Landgericht hat durch Urteil vom 29. Juli 2008, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge zu Klage und Widerklage weiterverfolgt. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. |
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| Die zulässige Berufung ist hat hinsichtlich der Klage Erfolg, bleibt jedoch hinsichtlich der Widerklage erfolglos. |
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| Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf Erhöhung des Erbpachtzinses gem. § 3 Nr. 4 des Vertrages über die Bestellung eines Erbbaurechtes vom 21.10.1994 nicht zu. |
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| 1. Diese Bestimmung stellt eine schuldrechtliche Anpassungsverpflichtung des Erbbauzinses dar. Die grundsätzliche Zulässigkeit derartiger Anpassungsklauseln ist mittlerweile allgemein anerkannt (von Oefele, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2009, § 9 ErbbauRG, Rdnr. 47). Aus der schuldrechtlichen Wirkung der Anpassungsvereinbarung ergibt sich, dass ein Einzelrechtsfolger des Erbbauberechtigten daran nur gebunden ist, wenn er in die Verpflichtung eintritt (Räfle, in: BGB-RGRK, 12. Auflage 1996, § 9 ErbbVO, Rdnr. 26). Dies hat die Beklagte in § 1 des Kaufvertrages zwischen ihr und Frau Buhl vom 25. März 2003 getan. |
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| Bei schuldrechtlichen Anpassungsverpflichtungen ist methodisch zwischen den Voraussetzungen , die den Anspruch auf Anpassung auslöst, und dem Maßstab der Anpassung zu unterscheiden (BGHZ 74, 341; Räfle, a.a.O., Rdnr. 39), wobei dies für jede Art der Anpassungsklausel gilt. Fehlt hinsichtlich des Maßstabs der Anpassung ein Wertmaßstab in der vertraglichen Vereinbarung, so gilt billiges Ermessen (§§ 316, 315 Abs. 1 BGB), wobei in diesem Fall bei Wohnbauwerken von den gleichen Grundsätzen wie bei § 9a ErbbauRG auszugehen ist (BGH, NJW 1977, 433; von Oefele, a.a.O., Rdnr. 52). |
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| 2. Die Voraussetzungen der Anpassung regelt § 3 Nr. 4 des Vertrages über die Bestellung eines Erbbaurechts. Hiernach kann jede Partei eine Neufestsetzung des Erbbauzinses verlangen, wenn „sich die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse, die Geldwährung oder der Grundstückswert in dem Maße [ändern], dass der vereinbarte Erbbauzins nicht mehr angemessen sein sollte […], bei einer Wohnbebauung bleiben die Grundstückswerte außer Betracht.“ Der Inhalt dieser Bestimmung ist durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Im Einzelnen: |
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| a) Es ist Sache der Auslegung, was unter dem Begriff der „Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse“ zu verstehen ist. |
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| Die „wirtschaftlichen Verhältnisse“ sind im vorliegenden Fall mangels Hinweisen auf ein eingeschränktes Verständnis der Parteien umfassend zu verstehen, so dass in diesen Begriff sowohl Elemente der Kaufkraft als auch der Einkommensentwicklung einfließen (vgl. Räfle, a.a.O., Rdnr. 41). Regelmäßig wird in diesem Kontext auf die die Entwicklung der Lebenshaltungskosten sowie die Bruttolöhne der Industriearbeiter sowie der Angestellten in Industrie und Handel abgestellt (vgl. BGH, NJW 1992, 2088; NJW 1995, 1360). Daher sind diese Kennzahlen auch für den vorliegenden Fall heranzuziehen. Zu Grunde zu legen ist daher der vom BGH im Rahmen seiner Rechtsprechung zu § 9a ErbbauRG entwickelte Mischindex (BGH, NJW 1980, 2243), der sich in folgender Formel zusammenfassen lässt (von Oefele, a.a.O., § 9a ErbbauRG, Rdnr. 9): |
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Verbraucherpreisindex + Einkommensentwicklung (= [Brutto-Verdienste der Arbeiter in der Industrie + Brutto-Verdienste der Angestellten in Industrie und Handel] : 2) |
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| Das Ausmaß der Änderung, die zu einer Anpassung berechtigen soll, ist ebenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Ist vereinbarte Voraussetzung für eine Anpassung des Erbbauzinses eine „erhebliche” oder „wesentliche” Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse (der Lebenshaltungskosten und der Einkommen), so genügt eine Änderung um mehr als 10 % (Räfle, a.a.O., Rdnr. 42). Das gilt auch, wenn die Anpassung davon abhängt, dass der bisherige Erbbauzins nicht mehr eine angemessene Vergütung für die Nutzung des Erbbaugrundstücks darstellt, und sich dies nach Treu und Glauben beurteilen soll (BGH, NJW 1995, 1360). Dies entspricht der Konstellation im vorliegenden Fall, da auch hier von einer „angemessenen Vergütung“ die Rede ist und jede Anpassung des Erbbauzinses auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ohnehin unter dem Vorbehalt des allgemeinen Rechtsprinzips von Treu und Glauben steht. Mithin ist die im vorliegenden Vertrag verwendete Klausel, dass „sich die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse […] in dem Maße [ändern], dass der vereinbarte Erbbauzins nicht mehr angemessen sein sollte […]“, so zu verstehen, dass eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse um mehr als 10 % eingetreten sein muss. |
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| b) Bezugspunkt der Änderung ist nach § 3 Nr. 4 des Vertrages über die Bestellung eines Erbbaurechtes vom 21.10.1994 „der vereinbarte Erbbauzins“. Hierunter ist gem. §§ 133, 157 BGB der zuletzt geschuldete Erbbauzins und nicht der bei Bestellung des Erbbaurechts erstmals vereinbarte Erbbauzins zu verstehen. |
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| Bei der Frage, ob die Voraussetzungen einer Anpassung des Erbbauzinses vorliegen, wird regelmäßig darauf abgestellt, ob sich seit der letzten Erbbauzinserhöhung die wirtschaftlichen Verhältnisse nachhaltig geändert haben (vgl. BGH, NJW 1992, 2088; NJW 1995, 1360). Es entspricht dem allgemeinen Verständnis, dass sich die Frage der Anpassungsbedürftigkeit einer Leistung bei einem Dauerschuldverhältnis nach der Höhe der zuletzt geschuldeten Leistung bemisst. Denn bei der Beurteilung, ob das Äquivalenzinteresse der Parteien noch gewahrt ist, kommt es auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung an. Die Gegenleistung für die Erbpacht ist der Erbbauzins, der derzeit geschuldet ist und nicht der, der einmal geschuldet war. Dies entspricht auch Sinn und Zweck der Parteivereinbarung. Wie oben dargestellt, soll nach dem Willen der Parteien nicht jede Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Anpassungsbedürftigkeit auslösen, sondern nur eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse von über 10 %. Dem würde es jedoch zuwiderlaufen, bei der Frage der Voraussetzungen einer Erbbauzinserhöhung auf den - unter Umständen mehrere Jahrzehnte zurückliegenden - erstmals vereinbarten Erbbauzins abzustellen. Denn dann könnte der Grundstückseigentümer nach dem erstmaligen Überschreitung der 10%-Schwelle wegen jeder, auch noch so geringfügigen Änderung der Wirtschaftsverhältnisse eine Anpassung verlangen. Das haben die Parteien jedoch gerade nicht vereinbart, denn sie haben bewusst auf eine Klausel mit einer jährlichen Anpassung oder einer automatischen Anpassung gemessen an einem bestimmten Index verzichtet. |
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| Hiergegen spricht auch nicht die zwischen den Parteien getroffene ergänzende Regelung im Vertrag vom 26. Mai 2003 (AB I, AS 25 ff), wonach „klargestellt wird, dass - unabhängig von dem Zeitpunkt der Übergabe - für die Erhöhung des Erbbauzinses und die dafür zu Grunde legenden Basiswerte der der maßgebliche Zeitpunkt die Begründung des Erbbaurechts ist“. Gem. §§ 133, 157 BGB ist vom Wortlaut der Ergänzung her darauf abzustellen, dass hier die Frage der Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse und damit die Voraussetzungen einer Neufestsetzung des Erbbauzinses nicht angesprochen werden. Angesprochen wird vielmehr das Thema der „Erhöhung des Erbbauzinses und die dafür zu Grunde zu legenden Basiswerte“. Damit geht es diesbezüglich um die Frage, was im Falle der Anpassungsbedürftigkeit des Erbbauzinses der Umfang und der Maßstab für die Erhöhung des Erbbauzinses sein sollen. Dies ist eine nach Sinn und Zweck des Vertrages sinnvolle Vertragsergänzung, da in § 3 Nr. 4 des Vertrages über die Bestellung eines Erbbaurechtes vom 21.10.1994 jeglicher Wertmaßstab für eine vorzunehmende Neufestsetzung des Erbbauzinses fehlte. Diese Lücke will die Ergänzung ersichtlich teilweise schließen. Mithin regelt diese Bestimmung nicht die Anpassungsvoraussetzungen , sondern den Anpassungsumfang . Hätten die Parteien die Voraussetzungen für eine Anpassungsbedürftigkeit des Erbbauzinses ändern wollen, so hätten sie nicht lediglich eine Klarstellung vorgenommen, sondern § 3 Nr. 4 des Vertrages über die Bestellung eines Erbbaurechtes vom 21.10.1994 klar abbedungen. |
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| Gegen diese Auslegung spricht auch nicht die Regelung des § 9a ErbbauRG und die hierzu ergangene Rechtsprechung, bei der anknüpfend an den Wortlaut von § 9a Abs. 1 S. 2 ErbbauRG auf die Entwicklung seit der vertraglichen Vereinbarung der Anpassungsklausel abgestellt wird (von Oefele, a.a.O., § 9a ErbbauRG, Rdnr. 8). Diese Regelung wurde zum Zwecke der Missbrauchsbekämpfung eingeführt und statuiert eine spezielle Beschränkung des Anspruchsumfangs . Es handelt sich um eine gesonderte Billigkeitsprüfung der Höhe der geltend gemachten Erbbauzinserhöhung, wobei eine Anpassungsvereinbarung zwischen den Parteien vorausgesetzt wird (Räfle, a.a.O., § 9a ErbbVO, Rdnr. 3, 8). Die Frage der Voraussetzungen einer Neufestsetzung des Erbbauzinses regelt diese Bestimmung gerade nicht. Insofern kann diese Regelung auch nicht gegen die hier vertretene Auslegung zu den Voraussetzungen einer Neufestsetzung nach § 3 Nr. 4 des Vertrages über die Bestellung eines Erbbaurechtes vom 21.10.1994 ins Feld geführt werden. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof auch unter Geltung des § 9a ErbbauRG Auslegungen von Anpassungsklauseln, die hinsichtlich des Änderungszeitpunkts auf die Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse seit der letzten Erbbauzinserhöhung abgestellt haben, in diesem Punkt unbeanstandet gelassen (vgl. BGH, NJW 1995, 1360 ). |
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| c) Nach diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer Erbbauzinserhöhung nicht erfüllt. Denn zwischen der letzten Anpassung des Erbbauzinses im Jahr 2003 und dem Zeitpunkt der geltend gemachten Erhöhung liegen die Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht über 10%. |
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| Der Verbrauchsindex für Deutschland ist von 2003 bis 2007 um 7,2 % von 96,9 Punkten auf 103,9 Punkte gestiegen (2005 = 100; Statistisches Jahrbuch 2008, Seite 522). Der Verdienst der Arbeiter im produzierenden Gewerbe ist von 2003 bis 2007 um 9,3 % von 105,3 Punkten (2000 = 100, Statistisches Jahrbuch 2006, Seite 530 unter Beachtung von Tabelle 1, Fußnote 1) auf 115,1 Punkte (2000 = 100, Statistisches Jahrbuch 2008, Seite 538 (Das Statistische Jahrbuch 2008 weist im Gegensatz zu den Statistischen Jahrbüchern der Vorjahre die Indexe der durchschnittlichen Bruttoverdienste der Arbeiter und Arbeiterinnen im Produzierenden Gewerbe und der durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste im Produzierenden Gewerbe nicht mehr aus. Im Hinblick auf das klare Unterschreiten der 10%-Grenze im vorliegenden Fall hat es der Senat als vertretbar erachtet, für die Berechnung stattdessen auf den Index der tariflichen Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten in der gewerblichen Wirtschaft abzustellen. Die hierdurch bedingten rechnerischen Ungenauigkeiten sind im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich gewesen, so dass es auf Grund dieser Besonderheit beim Rückgriff auf die im Statistischen Jahrbuch verfügbaren und damit öffentlich zugänglichen Auswertungen verbleiben konnte.) ) gestiegen. Der Verdienst der Angestellten im produzierenden Gewerbe und Handel ist von 2003 bis 2007 um 5,4 % von 108,8 Punkten (2000 = 100, Statistisches Jahrbuch 2006, Seite 530) auf 114,7 Punkte (2000 = 100, Statistisches Jahrbuch 2008, Seite 538 () ) gestiegen. Nach dem Mischindex ergibt dies zusammengenommen eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse von 7,3 %. |
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| 3. Da bereits die Voraussetzungen für eine Neufestsetzung des Erbbauzinses nicht vorliegen, kann die nach §§ 316, 315 Abs. 1 BGB i.V.m. der ergänzenden Regelung im Vertrag vom 26. Mai 2003 (AB I, AS 25 ff) und den Grundsätzen des § 9a ErbbauRG zu bestimmende Höhe der Anpassung des Erbbauzinses dahingestellt bleiben. |
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| Die Widerklage bleibt ohne Erfolg. |
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| Das Landgericht hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus Pflichtverletzung verneint, da weder § 12 des Erbbaurechtsvertrages noch die vor dem Grundstückskauf der Beklagten gewechselte Korrespondenz der Parteien eine Verpflichtung der Klägerin zu einem Grundstückstausch beinhaltet. |
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| Hinsichtlich des von der Beklagten geltend gemachten Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ist zu beachten, dass bei der streitgegenständlichen Klausel „Der Grundstückseigentümer kann das Erbbaugrundstück während der Dauer des Erbbaurechts dem jeweiligen Erbbauberechtigten zu Eigentum übertragen, wenn sie ihm ein anderes geeignetes Grundstück zum Tausch anbieten, das für den Grundstückseigentümer nach dessen pflichtgemäßem Ermessen den gleichen Wert besitzt wie das Erbbaugrundstück, ohne die auf dem Erbbaurecht erstellten Bauten“ das Ermessen nicht auf der Rechtsfolgenseite steht, sondern nur bei den tatbestandlichen Voraussetzungen. Wenn nach pflichtgemäßem Ermessen ein vergleichbares Grundstück vorliegt, so kann der Grundstückseigentümer das Grundstück übertragen, wobei seine Handlungsfreiheit gerade nicht durch eine Pflicht zu pflichtgemäßem Handeln oder in sonst einer Weise eingeengt ist. Die Klägerin hat zunächst ihre einen Tausch ablehnende Entscheidung damit begründet, dass das tauschweise angebotene Grundstück nicht gleichwertig ist. Selbst wenn dies - wie die Beklagte vorträgt - nicht zutreffen sollte, so folgt aus der im Vertrag vorgesehenen bloßen Möglichkeit der Grundstücksübertragung durch den Grundstückseigentümer („kann“), dass dieser zu einer Ablehnung der Übertragung auch aus anderen Gründen berechtigt ist. Hierzu zählen sowohl wirtschaftliche Argumente wie ein einzelnes Grundstück in einem bestimmten Jahr nicht erwerben zu wollen als auch eine grundsätzliche strategische Unternehmensentscheidung der Klägerin, mit Privatpersonen keine Grundstücke mehr tauschen zu wollen. Insofern kann die Beklagte von der Klägerin gerade nicht eine positive Entscheidung über den Tausch eines bestimmten Grundstücks einfordern. |
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| Aus den zutreffenden Erwägungen des Landgerichts ist ebenfalls ein Anspruch der Beklagten aus Verschulden bei Vertragsschluss zu verneinen, da sich hier letztlich allein das Risiko der Beklagten realisiert hat, das von ihr erworbene Grundstück ohne jede konkrete Absprache mit der Klägerin bezüglich des spezifisch zu tauschenden Grundstücks gekauft zu haben. |
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