vorgehend
Amtsgericht Lübeck, 28 C 8/09, 01.04.2010
Landgericht Lübeck, 14 S 155/10, 22.12.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 31/11 Verkündet am:
18. November 2011
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 157 D, 242 Bb; ErbbauVO §§ 9, 9a aF
Erfüllt die in einem Erbbaurechtsbestellungsvertrag vereinbarte wertsichernde Klausel
ab einem bestimmten Zeitpunkt ihren Zweck nicht mehr, ist im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung zu ermitteln, was die Vertragspartner nach Treu und
Glauben für diesen Fall vereinbart hätten; führt die Auslegung zu keinem Ergebnis,
kommt die Erhöhung des Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in
Betracht. In beiden Fällen sind nicht die seit Vertragsabschluss, sondern die seit der
letzten aufgrund der Klausel vorgenommenen Erhöhung geänderten Verhältnisse
maßgebend (Fortführung von Senat, Urteil vom 3. Juli 1981 - V ZR 100/80,
BGHZ 81, 135 und Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220).
BGH, Urteil vom 18. November 2011 - V ZR 31/11 - LG Lübeck
AG Lübeck
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann
und den Richter Dr. Czub

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 22. Dezember 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte ist Erbbauberechtigter an einem der Klägerin gehörenden Grundstück. In dem Erbbaurechtsbestellungsvertrag vom 28. Juni 1949 heißt es u.a.: "3. Der Erbbauberechtigte hat an die jeweilige Grundstückseigentümerin als Erbbauzins jährlich einen Betrag zu zahlen, der 10 (zehn) vom Hundert des mit DM 2,- für den Quadratmeter angenommenen Wertes der Fläche entspricht. Die Grundstückseigentümerin behält sich vor, den Wert für den Grund und Boden zu erhöhen, wenn über einen einfachen Straßenausbau und die Verlegung der Hauptleitung für Licht hinaus weitere Aufschließungskosten für das Gelände entstehen.
Der Erbbauzins ist in vierteljährlichen Teilbeträgen am 1. Werktage der Monate Januar, April, Juli und Oktober hinterher zahlbar. Der Erbbauzins ist durch Eintragung einer Reallast sicherzustellen.

4.

Für die ersten 5 (fünf) Jahre ermäßigt sich der Erbbauzins auf vier vom Hundert des angenommenen Wertes der Fläche.
Die Höhe des danach zu entrichtenden Erbbauzinses wird alle 5 (fünf) Jahre, erstmalig am 1. Januar 1954 von der Finanzverwaltung festgesetzt werden. Gegen die späteren Festsetzungen steht dem Erbbauberechtigten nur die Beschwerde beim Senat, der endgültig entscheidet, offen."
2
Bis Oktober 1983 wurde der Erbbauzins schrittweise auf 10 % des angenommenen Grundstückswerts erhöht; das ergibt 98,68 Euro pro Jahr.
3
Der Beklagte erwarb das Erbbaurecht im Jahr 1993. Zugleich schloss er mit der Klägerin einen Schuldübernahmevertrag, in welchem er in den schuldrechtlichen Teil der Erbbaurechtsbestellung eintrat und alle sich daraus ergebenden Verpflichtungen anstelle des Veräußerers übernahm.
4
Im April 2004 verlangte die Klägerin - gestützt auf eine sich aus den arithmetischen Mitteln der Steigerung der Lebenshaltungskosten sowie der Löhne und Gehälter ergebende Steigerungsrate von 875,9 % - einen jährlichen Erbbauzins von 963 €. Der Beklagte sollte vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2008 jährlich 386,76 €, vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2010 jährlich 674,88 € und ab dem 1. Juli 2010 den vollen Jahresbetrag (963 €) zahlen. Dem kam er nicht nach, sondern zahlte weiterhin nur den ursprünglichen Betrag von 98,68 € pro Jahr.
5
Die auf die Verurteilung zur Zahlung von 540,16 € (Differenz zwischen gezahltem und gefordertem Erbbauzins von Oktober 2006 bis Juli 2008) zuzüglich 10 € vorgerichtlicher Mahnkosten und 38,30 € bezifferter Zinsen gerichtete Klage hat das Amtsgericht abgewiesen. Das Landgericht hat ihr stattgegeben. Mit der von diesem zugelassenen Revision will der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


6
Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin eine Anpassung der Höhe des Erbbauzinses nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf jährlich 385,19 € verlangen. Die von den Parteien des Erbbaurechtsbestellungsvertrags vereinbarte Möglichkeit der Anpassung des Erbbauzinses sei durch eine Entwicklung der Kaufkraft des Geldes entfallen, welche beide Parteien nicht vorausgesehen hätten. Die Regelungen in Nr. 3 und 4 des Vertrags seien dahin auszulegen, dass ursprünglich ein Erbbauzins von 4 % habe vereinbart werden sollen, der bis zu einer Grenze von 10 % habe erhöht werden können. Dabei handele es sich nicht um eine typische Wertanpassungsklausel ; allerdings habe die Klausel auch dem Zweck der Wertsicherung dienen sollen. Die Anpassungsmöglichkeit sei durch die 10 %-Grenze beschränkt. Diese Grenze sei jedoch nicht als Risikobegrenzung für den Erbbauberechtigten , sondern lediglich als eine theoretische Grenze zur Vermeidung einer Genehmigungspflicht nach § 3 WährG aF vereinbart worden. Es handele sich um eine Anpassungsklausel, die aus unvorhergesehenen Gründen ihren Zweck nicht mehr erfüllen könne. Deshalb müsse eine Anpassung ebenso wie in den Fällen möglich sein, in denen der Erbbaurechtsbestellungsvertrag keine Anpassungsmöglichkeit enthalte, wobei von einem anfänglichen Erbbauzins von 4 % auszugehen sei. Der Umstand, dass die Klägerin bei früheren Erhöhungen oder in früherer Zeit einen möglichen Erhöhungsanspruch nicht ausgeschöpft habe, bewirke nicht, dass sie nunmehr für einen späteren Zeitraum den von der Rechtsprechung eröffneten Erhöhungsrahmen nicht ausschöpfen dürfe.
7
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.


8
1. Die Revision ist wegen der Bindung des Senats an die Zulassung durch das Berufungsgericht (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO) statthaft; sie ist auch im Übrigen zulässig.
9
2. Das Rechtsmittel ist begründet.
10
a) Ohne Erfolg rügt der Beklagte allerdings, das Berufungsgericht habe die Zeugin R. (Sachbearbeiterin der Klägerin) zu der Behauptung vernehmen müssen, sie habe dem Beklagten vor der Unterzeichnung des Schuldübernahmevertrags versichert, dass eine weitere Erhöhung des Erbbauzinses über die bereits erreichte 10 %-Grenze nicht möglich sei. Unterstellt, die Behauptung trifft zu, fehlt ihr jedoch die Erheblichkeit. Der Beklagte meint, aufgrund der "Versicherung" der Zeugin habe er darauf vertrauen dürfen, dass der Erbbauzins bis zum Vertragsende unverändert bleiben werde; deshalb sei die Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) an der Geltendmachung eines Erhöhungsanspruchs gehindert. Diese Ansicht trifft nicht zu. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Sachbearbeiterin die Befugnis hatte, eine für die Klägerin rechtsverbindliche Erklärung abzugeben, auf deren Einhaltung der Beklagte hätte vertrauen können.
11
b) Im Ergebnis zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die Höhe des Erbbauzinses einer Anpassung unterliegt, die nach oben nicht durch die in Ziffer 3 des Erbbaurechtsbestellungsvertrags vereinbarte 10 %-Grenze beschränkt ist.
12
aa) Die Auslegung, der Vertrag ermögliche die Erhöhung des Erbbauzinses bis zu einer Grenze von 10 % des angenommenen Grundstückswerts, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird von beiden Parteien hingenommen. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht jedoch an, die 10 %-Grenze sei als eine lediglich theoretische Grenze zur Vermeidung einer Genehmigung nach § 3 WährG aF und nicht als Risikobegrenzung für den Erbbaurechtserwerber vereinbart worden. Der Beklagte rügt zutreffend, dass dies keine Stütze in dem Parteivortrag und in den Feststellungen des Berufungsgerichts findet. Darauf kommt es indes im Ergebnis nicht an und ebenfalls nicht auf die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, dass - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht er, sondern die Klägerin habe darlegen und beweisen müssen, dass die 10 %-Grenze keine "echte" Obergrenze habe sein sollen. Auch die weiteren Rügen, mit denen der Beklagte die Vernei- nung einer Obergrenze für das Erhöhungsverlangen angreift, bleiben erfolglos. Das gilt insbesondere für das Heranziehen der bis 1994 geltenden Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO aF, wonach der Erbbauzins nach Zeit und Höhe für die ganze Erbbauzeit im Voraus bestimmt sein musste. Denn diese Forderung konnte wegen der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht immer eingehalten werden. Der gegenseitige Vertrag beruht auf der Überzeugung der Vertragsparteien von der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung und ist besonders bei langfristigen Verträgen Teil der objektiven Geschäftsgrundlage , die vorhanden sein und fortdauern muss, damit der Vertrag noch als eine sinnvolle Regelung bestehen kann (Staudinger/Rapp, BGB [2009], § 9 ErbbauRG Rn. 21). Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat deshalb auch bei Erbbaurechtsverträgen, die unter der Geltung der Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO aF abgeschlossen worden waren, unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in der speziellen Ausgestaltung der Äquivalenzstörung korrigierend eingegriffen und eine Anpassung der Höhe des Erbbauzinses über die ursprünglich vereinbarte Höhe hinaus zugelassen (siehe nur Senat, Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 ff.; Urteil vom 23. März 1980 - V ZR 20/78, BGHZ 77, 194, 197 ff.).
13
bb) Auf diese Rechtsprechung stützt sich das Berufungsgericht jedoch, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, zu Unrecht. Denn sie ist zu solchen Erbbaurechtsverträgen ergangen, in denen keine Anpassungsklauseln vereinbart worden waren. Hier ist das Berufungsgericht jedoch - revisionsrechtlich nicht zu beanstanden - davon ausgegangen, dass eine Anpassungsklausel vereinbart worden ist. Da diese, wie es weiter rechtsfehlerfrei und unangegriffen festgestellt hat, auch der Wertsicherung dienen, die Klägerin also gegen das Risiko eines Kaufkraftschwundes in geeigneter Form absichern sollte, diesen Zweck jedoch seit der letzten Anpassung nicht mehr erfüllen kann, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen (vgl. Urteil vom 8. November 1972 - VIII ZR 123/71, WM 1972, 1442; Senat, Urteil vom 21. Dezember 1984 - V ZR 52/84, WM 1985, 417, 418; Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, WM 1984, 406, 407; Urteil vom 3. Juli 1981 - V ZR 100/80, BGHZ 81, 135, 141). Diese hat Vorrang vor einer Anwendung der Regelungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 395/04, BGHZ 164, 286, 292).
14
cc) Die ergänzende Vertragsauslegung ist - entgegen der von der Klägerin in dem Revisionsverfahren vertretenen Ansicht - nicht deshalb entbehrlich, weil die Klägerin die Höhe des Erbbauzinses nach billigem Ermessen bestimmen kann (vgl. § 315 BGB). Ein solches Bestimmungsrecht steht ihr nach dem Wortlaut der Ziffern 3 und 4 des Erbbaurechtsbestellungsvertrags nicht zu, soweit es um eine die 10 %-Grenze übersteigende Erbbauzinshöhe geht. Das Bestimmungsrecht verstieße im Übrigen gegen die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO aF.
15
3. Die ergänzende Auslegung muss das Berufungsgericht nachholen.
16
a) Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien des Erbbaurechtsbestellungsvertrags bei Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten; zunächst ist an die in dem Vertrag vereinbarten Regelungen und Wertungen anzuknüpfen (Senat, Urteil vom 31. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679). Somit ist von den Regelungen in Ziffern 3 und 4 des Vertrags auszugehen, welche (auch) der Wertsicherung dienen sollten. Deshalb kann die Auslegung - insbesondere unter Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten in der Klageerwiderung bzw. in der Be- rufungserwiderung, dass die Anpassungsmöglichkeit der Berücksichtigung einer Steigerung der Lebenshaltungskosten bzw. der wirtschaftlichen Entwicklung dienen sollte - ergeben, dass eine Anhebung des Erbbauzinses nach Maßgabe der Entwicklung der Lebenshaltungskosten dem entspricht, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Ungeeignetheit der nach oben begrenzten Anpassungsklausel bewusst gewesen wäre, und wenn sie dabei die Gebote von Treu und Glauben beachtet hätten; denn die Preisindizes für die Lebenshaltungskosten sind ein unmittelbarer Spiegel der Preisentwicklung, eine hieran orientierte Anpassung bewirkt daher einen von den Parteien gewollten Ausgleich des Kaufkraftschwunds (vgl. Senat, Urteil vom 21. Dezember 1984 - V ZR 52/84, WM 1985, 414, 418; Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, WM 1984, 406, 407). Eine Berücksichtigung auch der Entwicklung der Einkommen läge dagegen nicht mehr im Rahmen des von den Parteien verfolgten Ziels, sondern führte dazu, auch die Änderung des Lebensstandards in die Höhe des Erbbauzinses einfließen zu lassen; das hätte nichts mit der Schließung der Vertragslücke zu tun (vgl. Senat, Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, aaO).
17
b) Da die Vertragsparteien die Klägerin gegen die Risiken eines Kaufkraftschwunds in geeigneter Form absichern wollten und zu diesem Zweck eine nach § 3 WährG aF genehmigungsfreie Anpassungsklausel vereinbart haben, kann es ihrem hypothetischen Willen entsprechen, die vorstehend unter a) beschriebene Anpassungsmöglichkeit in der Weise zu verwirklichen, dass jede Partei die Neufestsetzung der Höhe des Erbbauzinses - nach Ablauf einer mindestens dreijährigen Frist (§ 9a Abs. 1 Satz 5 ErbbauRG) - verlangen kann, wenn die Lebenshaltungskosten seit der jeweils vorausgegangenen Festsetzung um mehr als einen bestimmten Prozentsatz gestiegen oder gefallen sind (vgl. Senat, Urteil vom 3. Juli 1981- V ZR 100/80, BGHZ 81, 135, 141 f.). Des- halb und weil die vereinbarte Anpassungsklausel ab dem 1. Oktober 1983 ihren Zweck nicht mehr erfüllt, ist der Anstieg der Lebenshaltungskosten seit diesem Zeitpunkt maßgeblich; für die Zeit davor bleiben die in Ziffern 3 und 4 vereinbarten Regelungen verbindlich (vgl. Senat, Urteil vom 31. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679, 680).
18
c) Der - eventuelle - vertragliche Anpassungsanspruch ist in der Höhe nach § 9a Abs. 1 ErbbauRG beschränkt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird ein zutreffendes Bild der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse nur gezeichnet, wenn neben den Lebenshaltungskosten auch die Einkommensverhältnisse berücksichtigt werden; als Bemessungsgrundlagen dienen die Entwicklung der Lebenshaltungskosten bzw. der Verbraucherpreise und - mit gleicher Gewichtung - die Entwicklung der Bruttoverdienste der Arbeiter in der Industrie sowie die Bruttoverdiente der Angestellten in Industrie und Handel (siehe nur Senat, Urteil vom 3. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679,

681).


19
4. Erst wenn sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Möglichkeit der Anpassung des Erbbauzinses nicht feststellen lässt, kommt die von dem Berufungsgericht bejahte Anpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Diese hat der Senat zwar bisher nur bei Verträgen ohne wertsichernde Klausel bejaht (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 f.). Sie ist aber auch dann möglich, wenn eine vereinbarte Wertsicherungsklausel ihren Zweck nicht mehr erfüllt. Denn ab diesem Zeitpunkt besteht kein Unterschied zu einem von Anfang an ohne Wertsicherungsklausel abgeschlossenen Erbbaurechtsbestellungsvertrag , soweit es um Äquivalenzstörungen geht. Für die davor liegende Zeit seit Vertragsschluss gilt jedoch die vereinbarte Klausel. Daraus folgt, dass - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - darauf abzustellen ist, ob durch die Entwicklung der Lebenshaltungskosten seit dem 1. Oktober 1983 die Grenze des für die Klägerin Tragbaren überschritten worden ist. Das ist indes nicht der Fall. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat der Erbbaurechtsausgeber einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur dann, wenn die Lebenshaltungskosten seit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt um mehr als 150 % gestiegen sind (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 mit umfangreichen Nachweisen). Daran fehlt es nach der von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellung des Amtsgerichts. Danach sind die Lebenshaltungskosten zwischen 1983 und 2009 nur um 59,7 % gestiegen. Ein weiterer Anstieg in der Folgezeit ist nach dem Klageantrag , mit welchem der erhöhte Erbbauzins bis Juli 2008 verlangt wird, nicht zu berücksichtigen.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann RiBGH Dr. Czub ist wegen Krankheit verhindert zu unterschreiben. Krüger
Vorinstanzen:
AG Lübeck, Entscheidung vom 01.04.2010 - 28 C 8/09 -
LG Lübeck, Entscheidung vom 22.12.2010 - 14 S 155/10 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 315 Bestimmung der Leistung durch eine Partei


(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist. (2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. (3) Sol

Erbbaurechtsgesetz - ErbbauV | § 9


(1) Wird für die Bestellung des Erbbaurechts ein Entgelt in wiederkehrenden Leistungen (Erbbauzins) ausbedungen, so finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Reallasten entsprechende Anwendung. Die zugunsten der Landesgesetze best

Erbbaurechtsgesetz - ErbbauV | § 9a


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Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wird für die Bestellung des Erbbaurechts ein Entgelt in wiederkehrenden Leistungen (Erbbauzins) ausbedungen, so finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Reallasten entsprechende Anwendung. Die zugunsten der Landesgesetze bestehenden Vorbehalte über Reallasten finden keine Anwendung.

(2) Der Anspruch des Grundstückseigentümers auf Entrichtung des Erbbauzinses kann in Ansehung noch nicht fälliger Leistungen nicht von dem Eigentum an dem Grundstück getrennt werden.

(3) Als Inhalt des Erbbauzinses kann vereinbart werden, daß

1.
die Reallast abweichend von § 52 Abs. 1 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung mit ihrem Hauptanspruch bestehen bleibt, wenn der Grundstückseigentümer aus der Reallast oder der Inhaber eines im Range vorgehenden oder gleichstehenden dinglichen Rechts oder der Inhaber der in § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung genannten Ansprüche auf Zahlung der Beiträge zu den Lasten und Kosten des Wohnungserbbaurechts die Zwangsversteigerung des Erbbaurechts betreibt, und
2.
der jeweilige Erbbauberechtigte dem jeweiligen Inhaber der Reallast gegenüber berechtigt ist, das Erbbaurecht in einem bestimmten Umfang mit einer der Reallast im Rang vorgehenden Grundschuld, Hypothek oder Rentenschuld im Erbbaugrundbuch zu belasten.
Ist das Erbbaurecht mit dinglichen Rechten belastet, ist für die Wirksamkeit der Vereinbarung die Zustimmung der Inhaber der der Erbbauzinsreallast im Rang vorgehenden oder gleichstehenden dinglichen Rechte erforderlich.

(4) Zahlungsverzug des Erbbauberechtigten kann den Heimfallanspruch nur dann begründen, wenn der Erbbauberechtigte mit dem Erbbauzinse mindestens in Höhe zweier Jahresbeträge im Rückstand ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 395/04 Verkündet am:
11. Oktober 2005
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
BGB §§ 133 C, 157 D, 807

a) Eine von der Deutschen Post AG herausgegebene Briefmarke erfüllt alle Voraussetzungen
, die § 807 BGB an ein so genanntes "kleines Inhaberpapier"
stellt.

b) Der Fall, dass die Briefmarke ihre Gültigkeit durch einen staatlichen Hoheitsakt
verliert, so dass der in ihr verkörperte Anspruch auf eine Beförderungsleistung
gemäß § 807 BGB nicht mehr durchgesetzt werden kann, ist im Gesetz nicht
geregelt. Im Wege ergänzender Vertragsauslegung ergibt sich, dass verständige
und redliche Vertragsparteien bei Kenntnis der Regelungslücke ein Umtauschrecht
mit einer Gültigkeitsdauer von einem Jahr vereinbart hätten.
BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 395/04 - OLG Köln
LG Bonn
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe,
die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin
Mayen

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 25. November 2004 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger, ein Briefmarkenhändler, und die beklag te Deutsche Post AG streiten über deren Verpflichtung zum Umtausch ungültig gewordener Briefmarken. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
2
Anlässlich der Währungsumstellung von Deutsche Mar k auf Euro Anfang 2002 erklärte das Bundesministerium für Finanzen gemäß § 43 Abs. 1 PostG Postwertzeichen, deren Nennwert ausschließlich in Deutsche Mark oder in Pfennig angegeben ist, mit Wirkung vom 1. Juli 2002 für ungültig. Die Beklagte bot daraufhin durch öffentliche Erklärungen den Inhabern so genannter "Pfennig-Briefmarken" an, diese bis zum 30. Juni 2003 gegen neue Euro-Briefmarken zu tauschen.
3
Der Kläger reichte bis zu diesem Zeitpunkt ungülti ge Briefmarken im Gesamtnennwert von über 300.000 DM bei der Beklagten ein, die diese in Briefmarken mit entsprechendem Euro-Nennwert umtauschte. Auch die erst nach Ablauf der Umtauschfrist im Juli 2003 vorgelegten Briefmarken des Klägers und anderer Kunden tauschte die Beklagte ohne weiteres um. In der Folgezeit erwarb der Kläger von Dritten in großen Stückzahlen weitere "Pfennig-Briefmarken" weit unter ihrem Nennwert. Diese im August und November 2003 zum Tausch übersandten Postwertzeichen nahm die Beklagte aber nicht mehr an, sondern berief sich nunmehr auf den Ablauf der von ihr festgelegten Umtauschfrist.
4
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Herausga be von EuroBriefmarken im Gesamtwert von 48.572,73 € Zug um Zug gegen Einlieferung von "Pfennig-Briefmarken" im Wert von 95.000 DM. Er hält die Beklagte mangels wirksamer zeitlicher Beschränkung der Umtauschmöglichkeit und aus Vertrauensschutzgesichtspunkten für verpflichtet, auch die streitgegenständlichen Marken umzutauschen.
5
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Be rufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht - zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision ist nicht begründet.

I.


7
Das Berufungsgericht (OLGR Köln 2005, 48 und JMBl. NRW 2005, 117) hat ein Umtauschrecht des Klägers verneint und zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
8
Nach der Privatisierung des Postwesens stehe die p rivatrechtliche Bewertung des Erwerbs von Postwertzeichen außer Zweifel. Seitdem würden Briefmarken durch Kaufvertrag und Übereignung erworben. Aus den Regeln des Kaufrechts könne der Kläger keine Rechte herleiten. Die Parteien stritten weder über einen Sach- noch über einen Rechtsmangel, sondern über die Frage, welche Rechte dem Inhaber ungültig gewordener Postwertzeichen zustünden.
9
Briefmarken seien keine Zahlungsmittel, sondern so genannte "kleine Inhaberpapiere" im Sinne des § 807 BGB. Der Fall, dass eine Briefmarke ihre Gültigkeit durch einen staatlichen Hoheitsakt verliere, werde in den §§ 793 ff. BGB nicht geregelt. Die Regelungslücke sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Dabei sei davon auszugehen, dass die Prozessparteien bei Kenntnis der späteren Entwicklung eine Möglichkeit zum Umtausch der ungültigen Briefmarken vorgesehen hätten.
10
Die Befristung der Umtauschmöglichkeit auf ein Jah r sei wirksam. Die Frist berücksichtige das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung hinreichend und sei auch sonst angemessen. Die betroffenen Postkunden liefen bei dieser Regelung nur Gefahr, den Gegenwert für den Kaufpreis, nämlich die Beförderungsleistung der Beklagten, zu verlieren, während ein unbefristetes oder längeres Umtauschrecht die Beklagte wesentlich mehr belaste. Denn die alten "Pfennig-Briefmarken" seien nicht fälschungssicher und mit dem Briefmarkentausch sei ein erheblicher Verwaltungsaufwand verbunden.
11
Ein weitergehendes Umtauschrecht des Klägers ergeb e sich auch nicht daraus, dass sich die Beklagte selbst nicht strikt an die nach ihren Angaben am 30. Juni 2003 endende Jahresfrist gehalten, sondern die von ihm und von anderen Kunden erst im Juli 2003 vorgelegten "PfennigBriefmarken" anstandslos umgetauscht habe. Ein Vertrauenstatbestand zu Lasten der Beklagten sei dadurch nicht geschaffen worden, weil sie erkennbar nur aus Kulanz gehandelt und auf etwaige längere Postlaufzeiten Rücksicht genommen habe.

II.


12
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
13
1. Das Berufungsgericht hat Briefmarken - jedenfal ls nach der Privatisierung der Beklagten - zu Recht als so genannte "kleine Inhaberpapiere" im Sinne des § 807 BGB angesehen.
14
a) Mit der Frage zum zivilrechtlichen Rechtscharak ter einer Briefmarke war der Bundesgerichtshof noch nicht befasst. Die Aussagen in der Literatur sind gegensätzlich.
15
Nach der im Vordringen befindlichen Ansicht (siehe MünchKommBGB /Hüffer, 4. Aufl. § 807 Rdn. 12 f.; Staudinger/Marburger, BGB (2002) § 807 Rdn. 5; Allgaier DÖD 2001, 211, 214; Gerold Schmidt ZStW 111 (1999), 388, 420 f.; ders. NJW 1998, 200, 202 f.; ebenso schon vor der Privatisierung der Bundespost: Andrae, Die privatrechtliche Natur der Briefmarke, Diss. Jena 1933, S. 21; Enneccerus, Recht der Schuldverhältnisse 10. Bearb. S. 620; Eidenmüller, Grundlagen des Post- und Postbankrechts § 3 PostG Anm. 1) gehören Briefmarken zu den Inhaberpapieren im Sinne des § 807 BGB, die einen Anspruch auf Beförderung einer Postsendung im Wert des auf der Marke angegebenen Geldbetrages verkörpern.
16
Die Gegenansicht zählt die Briefmarke dagegen nach wie vor zu den Geldsurrogaten (Gehrlein, in: Bamberger/Roth, BGB § 807 Rdn. 2; Hk-BGB/Schulze, 4. Aufl. § 807 Rdn. 2; Jauernig/Stadler, BGB 11. Aufl. § 807 Rdn. 1; Weipert, Die Rechtsnatur der Briefmarke, Diss. Kiel 1996, S. 37, 40; Häde ZUM 1991, 536; vor der Privatisierung der Bundespost: grundlegend Kohler ArchBürgR 6 (1892), 316, 324; Altmannsperger, Gesetz über das Postwesen § 3 PostG Rdn. 10; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse 13. Bearb. S. 814; RGRK/Steffen, BGB 12. Aufl. § 807 Rdn. 7; Soergel/Welter, BGB 11. Aufl. § 807 Rdn. 2; Karsten Schmidt JuS 1990, 62, 63).
17
Für eine vermittelnde Meinung ist die Briefmarke e inerseits Wertträger oder Zahlungsmittel, andererseits aber ihrer Funktion nach den "kleinen Inhaberpapieren" des § 807 BGB weitgehend angenähert (Stern, in: Beck'scher PostG-Kommentar 2. Aufl. § 43 Rdn. 10; ähnlich Laband, Festschrift G. Cohn S. 323, 324 ff.; vgl. ferner Monz ArchPF 1990, 28, 29; Florian/Weigert, Kommentar zur PostO § 6 Anm. 2 b).
18
Andere Autoren halten die Briefmarke für eine bloß e Quittung (Stober/Moelle/Müller-Dehn, in: Stern, Postrecht der Bundesrepublik Deutschland, Teil H § 3 PostG Rdn. 4).
19
b) Der erkennende Senat schließt sich der erstgena nnten Auffassung an. Ein Inhaberpapier im Sinne des § 807 BGB liegt vor, wenn der Aussteller des Papiers sich durch Leistung an den Inhaber befreien kann, der Inhaber die versprochene Leistung zu fordern berechtigt ist und der Besitz der Urkunde zur Geltendmachung des Rechts oder der Forderung erforderlich ist (Erman/Heckelmann, BGB 11. Aufl. § 807 Rdn. 4; Staudinger/Marburger aaO § 807 Rdn. 2, 4). Dies ist bei einer gültigen Briefmarke der Fall.
20
Aus den Umständen der Herausgabe einer Briefmarke durch die Beklagte und nach der allgemeinen Verkehrssitte, die für die Ermittlung des Verpflichtungswillens des Ausstellers eines Inhaberzeichens von Bedeutung sind (BGHZ 28, 259, 264), ergibt sich, dass die Briefmarke einen Anspruch auf Beförderung einer Postsendung in dem Umfang verkörpert , der dem aufgedruckten Wert entspricht. Dass der Frachtvertrag erst mit Aufgabe der jeweiligen Sendung zustande kommt, steht dem nicht entgegen, weil die von der Beklagten versprochene Leistung durch die Wertangabe hinreichend bestimmbar ist. Die Beklagte will die Beförderungsleistung gegenüber jedem mit schuldbefreiender Wirkung erbringen , der gültige Briefmarken in Höhe des vorgesehenen Leistungsentgelts auf die jeweilige Postsendung klebt (Gerold Schmidt NJW 1998, 200, 202). Die Briefmarke dient in diesem Zeitpunkt daher nur noch der Kontrolle, ob das für die konkrete Sendung vereinbarte Leistungsentgelt im Voraus geleistet worden ist (Gerold Schmidt ZStW 111 (1999), 388, 420 f.).
21
Der Wille der Beklagten ist angesichts des Masseng eschäfts zudem darauf gerichtet, nicht nachprüfen zu wollen oder zu müssen, ob der jeweilige Inhaber auch tatsächlich Eigentümer und rechtmäßiger Besitzer des Postwertzeichens ist. Die Briefmarke legitimiert daher jeden Inhaber förmlich zur Forderung der Beförderungsleistung, gleichgültig, ob er die Marke von der Beklagten oder von einem Dritten, sei es auch unter ihrem Nennwert oder unentgeltlich (vgl. Altmannsperger aaO § 3 PostG Rdn. 4; Ohnheiser, Postrecht 4. Aufl. § 3 PostG Rdn. 4; Allgaier ArchPF 1989, 222, 224), erworben hat.
22
Schließlich ist der Besitz der Briefmarke zur Gelt endmachung des in ihr verkörperten Beförderungsanspruchs erforderlich. Der Inhaber einer Briefmarke kann nach deren Untergang nämlich keine Leistung mehr verlangen, selbst wenn er die Zahlung eines entsprechenden Geldbetrages für die Marke sicher nachweisen könnte (Weipert aaO S. 19). Die Schutzfunktion des § 797 BGB wird durch die Stempelung erreicht, mit der die Briefmarke entwertet wird (Allgaier ArchPF 1989, 222, 223). Die Briefmarke erfüllt demnach sämtliche Voraussetzungen, die die Regelungen des § 807 BGB an ein "kleines Inhaberpapier" stellen. Das gilt auch für Briefmarken, die vor der ersten Postreform vom 1. Juli 1989 ausgegeben worden sind. Denn durch § 65 Abs. 1 und 3 PostVerfG wurden auch bereits bestehende öffentlich-rechtliche Beziehungen in privatrechtliche umgewandelt.
23
2. Entgegen der Ansicht der Revision steht dem Klä ger kein Umtauschrecht gegen die Beklagte zu. Der Fall, dass Briefmarken durch einen staatlichen Hoheitsakt ihre Gültigkeit und damit ihre Legitimationswirkung verlieren, ist weder gesetzlich noch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten geregelt. Die Lücke ist mit Hilfe ergänzender Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) zu schließen. Daraus ergibt sich indes kein Anspruch der betroffenen Postkunden auf Übereignung wertgleicher neuer Euro-Briefmarken, der über das von der Beklagten unterbreitete befristete Umtauschangebot hinausgeht.
24
a) Die Regeln der ergänzenden Vertragsauslegung im Sinne des §§ 133, 157 BGB finden, wovon auch die Revision ausgeht, Anwendung. Sie haben Vorrang gegenüber der Bestimmung der Leistungspflicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB (BGHZ 9, 273, 277 f.) und gegenüber der Lehre von der fehlerhaften Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB n.F. (BGHZ 81, 135, 143; 90, 69, 74). Das in einem "kleinen Inhaberpapier" des § 807 BGB verkörperte Leistungsversprechen des Schuldners ist wie eine Inhaberschuldverschreibung im Sinne des § 793 BGB (vgl. dazu BGHZ 28, 259, 263; Staudinger/Marburger aaO § 793 Rdn. 9) der ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich; diese gilt für Rechtsgeschäfte aller Art.
25
b) Die ergänzende Vertragsauslegung des Berufungsg erichts unterliegt der selbständigen und uneingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Briefmarken sind für den allgemeinen Verkehr bestimmt und im ganzen Bundesgebiet verbreitet. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Verkehrsfähigkeit ist deshalb eine allgemein verbindliche Auslegung des Leistungsversprechens der Beklagten im Sinne des § 807 BGB unabhängig von den Besonderheiten und Eigenarten des konkreten Einzelfalles sachlich geboten (vgl. BGHZ 28, 259, 263 für börsengängige Inhaberschuldverschreibungen; BGH, Urteil vom 24. November 1958 - II ZR 248/56, WM 1958, 1541). Dies gilt auch bei der hier erforderlichen ergänzenden Vertragsauslegung.
26
c) Diese richtet sich danach, was redliche und ver ständige Parteien bei Kenntnis der planwidrigen Regelungslücke nach dem Vertragszweck und sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) vereinbart hätten (st.Rspr., siehe etwa BGHZ 9, 273, 278 f.; 127, 138, 142; 158, 201, 207). Danach hätte man sich zwar auf eine Umtauschmöglichkeit für ungültig gewordene Briefmarken geeinigt, diese aber auf ein Jahr befristet.
27
aa) Wie auch die Revision nicht in Frage stellt, h ätten seriöse und verständige Inhaber von "Pfennig-Briefmarken" mit der Beklagten vereinbart , dass sie ihnen ein Umtauschangebot unterbreitet. Diese Regelung drängt sich geradezu auf, weil durch einen Tausch der ungültigen Marken gegen neue Euro-Marken gleichen Nennwerts die Störung des Äquivalenzverhältnisses auf einfache Weise und ohne eine unzumutbare Belastung beider Vertragsteile beseitigt wird. Sie trägt dem Umstand Rechnung , dass Briefmarken nicht bar eingelöst werden und die Beklagte den Kaufpreis bereits als Einnahme verbucht hat. Für eine Umtauschmöglichkeit spricht überdies, dass sie in § 49 Abs. 4 Satz 1 PostO vom 22. Dezember 1921 ausdrücklich vorgesehen war und die Post nach Aufhebung dieser Vorschrift Briefmarken, deren Gültigkeitsdauer begrenzt war, in Anlehnung an die frühere Gesetzeslage umgetauscht hat (vgl. dazu Florian/Weigert, Kommentar zur PostO § 6 Anm. 2 a).
28
Entgegen der von der Revision in der mündlichen Ve rhandlung vertretenen Ansicht ist daher aus dem Umstand, dass nach dem Gesetz vom 16. Dezember 1999 über die Änderung währungsrec htlicher Vorschriften infolge der Einführung des Euro-Bargeldes (Drittes EuroEG) auf Deutsche Mark lautende Banknoten und auf Deutsche Mark oder Deutsche Pfennig lautende Bundesmünzen zeitlich unbegrenzt umgetauscht werden können, nichts herzuleiten. Dass der Gesetzgeber für die "Pfennig -Briefmarken" keine derartige oder vergleichbare Regelung getroffen hat, zeigt vielmehr, dass es der Deutschen Post AG überlassen bleiben sollte, wie in der Vergangenheit zu verfahren.
29
bb) Die Befristung der Umtauschmöglichkeit auf ein Jahr nach Ablauf der Gültigkeit ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat - worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat - ein sachliches Interesse an einer solchen Regelung. Dieses ergibt sich zum einen daraus, dass die "Pfennig-Briefmarken", von denen mehr als 1.000 verschiedene Motive im Umlauf waren, weniger fälschungssicher sind als die neuen Euro-Briefmarken. Die Beklagte ist daher unabhängig von der Beweislast für die Echtheit einer Briefmarke daran interessiert, nicht unnötig lange der Gefahr ausgesetzt zu sein, dass gefälschte Briefmarken zum Umtausch vorgelegt werden. Zum anderen ist der erhebliche Ver- waltungsaufwand für den Umtausch der Marken zu berücksichtigen, zumal er nicht aufgrund einer freien Entscheidung der Beklagten, sondern der europäischen Währungsumstellung und der Anordnung des Bundesministeriums für Finanzen notwendig geworden ist. Die Erhebung einer Gebühr wäre, was die Revision verkennt, angesichts des häufig nur geringen Werts des Tauschobjekts unverhältnismäßig und außerdem nicht praktikabel.
30
cc) Dagegen ist ein berechtigtes Interesse der bet roffenen Postkunden an einem zeitlich unbegrenzten oder längerfristigen Umtauschrecht nicht zu erkennen. Die Einführung des Euro als neue Währung zum 1. Januar 2002 war seit längerem allgemein bekannt. Seit Januar 2001 wurden deshalb ausschließlich Briefmarken mit Wertangaben in Deutsche Mark und in Euro neu herausgegeben, die mit Ablauf des 30. Juni 2002 nicht ungültig wurden. Damit standen den Postkunden insgesamt zweieinhalb Jahre für die Umstellung von Pfennig- auf Euro-Briefmarken zur Verfügung. Eine über den 30. Juni 2003 hinausreichende Umtauschfrist war angesichts dessen nicht geboten, zumal für niemanden angesichts der seit langem angekündigten Umstellung der Währung auf Euro Veranlassung bestand, einen Vorrat an "Pfennig-Briefmarken" anzulegen , der weder bis zum 30. Juni 2002 verbraucht noch bis zum 30. Juni 2003 umgetauscht werden konnte. Nimmt man hinzu, dass die früheren Umtauschfristen in aller Regel nur drei Monate betrugen (siehe Florian /Weigert, Kommentar zur PostO § 6 Anm. 2a), obwohl die Post aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Organisation unmittelbar an Art. 14 GG gebunden war (vgl. Herdegen, in: Beck'scher Post-Kommentar 2. Aufl. VerfGrdl. Rdn. 71 ff.), kann von einer die schützenswerten Interessen der Inhaber von "Pfennig-Briefmarken" vernachlässigenden Beschrän- kung der Umtauschmöglichkeit selbst bei Anlegung strenger Maßstäbe keine Rede sein. Dass der Kläger oder die Personen, von denen er die Marken nach Ablauf der Jahresfrist weit unter ihrem Nennwert erworben hat, an einem rechtzeitigen Umtausch aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen gehindert waren und es sich hierbei nicht um einen zu vernachlässigenden Ausnahmefall handelt, hat er in den Vorinstanzen auch nicht geltend gemacht.
31
dd) Aus der vom Berufungsgericht zitierten Entsche idung des erkennenden Senats vom 12. Juni 2001 (BGHZ 148, 74 ff.) ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision nichts anderes. Zwar darf danach ein Telekommunikationsunternehmen in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Gültigkeit von Telefonkarten nicht zeitlich beschränken, weil darin ein vertragswidriger und den einzelnen Kunden unzumutbar belastender Eingriff in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung liegt. Damit ist aber der vorliegende Streitfall nicht zu vergleichen. Vielmehr hat die Beklagte anders als das vorgenannte Telekommunikationsunternehmen das Notwendige getan, um die von keinem Vertragsteil zu vertretende Vertragsstörung in einer auf die beiderseitigen Interessen hinreichend Rücksicht nehmenden Weise zu beseitigen und die vor der Ungültigkeit der "Pfennig-Briefmarken" bestehende Rechtslage weitgehend wiederherzustellen.
32
3. Ein Anspruch des Klägers auf Umtausch der strei tgegenständlichen "Pfennig-Briefmarken" ergibt sich schließlich auch nicht aus anderen Umständen.
33
a) Gegen die Wirksamkeit der Befristung der Umtaus chmöglichkeit bestehen auch sonst keine Bedenken. Der Einwand der Revision, dass die Beklagte keineswegs in allen Publikationen oder Veröffentlichungen exakt den Fristablauf zum 30. Juni 2003 kundgetan, sondern im Internet das Fristende nur als "voraussichtlich" bezeichnet habe, greift nicht. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die Beklagte jemals ein anderes Datum angegeben und damit nicht für die notwendige Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gesorgt hat. Davon abgesehen ist nicht dargetan, dass der Kläger durch eine mehrdeutige Bekanntmachung des Endtermins in die Irre geleitet worden ist.
34
b) Die Beklagte ist auch nicht nach Treu und Glaub en (§ 242 BGB) daran gehindert, sich gegenüber dem Kläger auf den Ablauf der Jahresfrist zu berufen. Ein Berechtigter handelt nur rechtsmissbräuchlich, wenn er durch seine Erklärung oder durch sein Verhalten bewusst oder unbewusst eine Sach- bzw. Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der andere Teil verlassen durfte und auch verlassen hat, und sich der Berechtigte jetzt mit seinen früheren Erklärungen bzw. seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzt (BGHZ 32, 273, 279; BGH, Urteil vom 6. März 1985 - IVb ZR 7/84, NJW 1985, 2589, 2590). Diese engen Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
35
aa) Auch wenn die Beklagte angekündigt hat, die fü r ungültig erklärten "Pfennig-Briefmarken" würden "voraussichtlich" bis zum 30. Juni 2003 umgetauscht, hat sie keinen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass sie ihr Angebot auch noch nach diesem Termin aufrecht erhalten werde. Falls der Kläger allein aufgrund des Wortes "voraussichtlich" ein solches Verhalten der Beklagten für möglich und viel- leicht sogar für wahrscheinlich hielt, hätte er sich bei ihr erkundigen müssen, bevor er die Briefmarken nach Ablauf der Jahresfrist von Dritten weit unter Nennwert erwarb. Dies kann gerade von einem Briefmarkenhändler erwartet werden.
36
bb) Der Umstand, dass sich die Beklagte selbst nic ht strikt an die von ihr vorgesehene Jahresfrist gehalten, sondern die ihr vom Kläger und von anderen Kunden erst im Juli 2003 vorgelegten "PfennigBriefmarken" noch ohne weiteres umgetauscht hat, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Zwar konnte hierdurch der Eindruck entstehen , dass die Beklagte sich zumindest auch in naher Zukunft nicht anders verhalten werde. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist es aber keine Seltenheit, dass ein Vertragsteil das erste Fristversäumnis des anderen entweder aus Kulanz oder aus vergleichbaren Gründen hinnimmt. Ein sorgfältiger Erklärungsempfänger darf daher normalerweise nicht darauf vertrauen, dass seinem an sich unbegründeten Anspruchsbegehren auch künftig entsprochen wird. Der Kläger handelte infolgedessen auf eigenes Risiko, als er die Briefmarken nach Ablauf der Umtauschfrist von Dritten erwarb und wegen des durch den Wegfall der Umtauschmöglichkeit hervorgerufenen Wertverlustes nur einen weit unter dem Nennwert der Marken liegenden Kaufpreis zahlen musste. Davon abgesehen kann der in seinem berechtigten Vertrauen enttäuschte Vertragspartner grundsätzlich nur einen ihm zugefügten, hier nicht dargelegten Vertrauensschaden (vgl. auch § 122 Abs. 1 BGB) ersetzt verlangen.

III.


37
Die Revision des Klägers konnte demnach keinen Erf olg haben und war deshalb zurückzuweisen.
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 08.06.2004 - 10 O 93/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 25.11.2004 - 14 U 15/04 -

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 71/08
Verkündet am:
31. Oktober 2008
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den
Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und
Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 2. April 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Mit notariellem Vertrag vom 9. Juni 1981 bestellte die Klägerin den Beklagten ein Erbbaurecht an ihrem Grundstück Gemarkung N. , Flur 4, Flurstück 1073, für das ein jährlicher Erbbauzins von 2.916 DM vereinbart wurde. In § 4 (4) des Vertrages heißt es u.a: "Jede Vertragspartei kann verlangen, daß die Höhe des Erbbauzinses zum 1. eines Kalenderjahres nach Ablauf von drei Jahren seit Vertragsabschluß oder seit der letzten Änderung des Erbbauzinses neu festgesetzt wird. Die erste Änderung ist frühestens zum 1. Jan. 1984 zulässig. Der Erbbauzins wird durch Einigung beider Parteien dem veränderten Stand der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse angepaßt. § 315 BGB gilt entsprechend. Bei den Einigungsverhandlungen soll die Entwicklung folgender vom Statistischen Bundesamt festgestellter Werte als Richtlinien dienen: das Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit eines 4 Personen-Arbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen , der Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-PersonenArbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen (Basisjahr 1976 – 100). … Das Anpassungsverlangen muß schriftlich … geltend gemacht werden. Der Brief ist spätestens am 1. Nov. bei der Post aufzugeben, wenn die Änderung mit dem 1. Januar des nachfolgenden Jahres wirksam werden soll."
2
In § 4 (6) des Vertrages ist bestimmt, dass eine Erhöhung des Erbbauzinses durch Eintragung einer zusätzlichen Reallast in Höhe des Änderungsbetrages abzusichern ist.
3
Das Grundstück wurde vereinbarungsgemäß mit einem Wohnhaus bebaut. Den Erbbauzins passten die Parteien mehrmals an, zuletzt aufgrund des Erhöhungsverlangens vom 27. August 1998 auf 4.671,43 DM. Einer weiteren Erhöhung um 268,97 € mit Wirkung zum 1. Januar 2005, die die Klägerin auf der Grundlage der Indices "Bruttoverdienste der Arbeiter im produzierenden Gewerbe" und der "Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel" sowie des "Indexes für die Verbraucherpreise" errechnet hatte, stimmen die Beklagten nicht zu. Sie machen insbesondere geltend, die von der Klägerin zugrunde gelegten Kriterien entsprächen nicht den vertraglich vereinbarten.
4
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Zustimmung zu der genannten Anhebung und Bewilligung einer Reallast in Höhe des Änderungsbetrages. Sie stützt sich hierzu auf ein Erhöhungsverlangen vom 28. Oktober 2004. Die als Anlage zur Klageschrift eingereichte Kopie dieses Schreibens ist lediglich mit einem Handzeichen versehen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten, mit der diese u.a. erstmals geltend gemacht hatten , das Schreiben vom 28. Oktober 2004 sei nicht unterschrieben, ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision möchten die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht hält beide Klageansprüche für gerechtfertigt. Insbesondere habe die Klägerin ihr Erhöhungsverlangen auf zutreffende Berechnungsgrundlagen gestützt. Die vertraglich vereinbarten Indices würden nicht mehr fortgeführt. Die stattdessen von der Klägerin herangezogenen Anpassungskriterien entsprächen den Billigkeitskriterien des § 9a Abs. 1 ErbbauRG und in ihrer statistischen Aussage (weitgehend) den vertraglich vereinbarten Bemessungsgrundlagen. Der Dienstleistungssektor müsse unberücksichtigt bleiben, weil es bereits zur Zeit des Vertragsschlusses einen starken Dienstleistungssektor gegeben habe, auf den die Parteien in dem Vertrag aber gerade nicht abgestellt hätten. Das Berufungsvorbringen der Beklagten zur Unwirksamkeit des Erhöhungsschreibens vom 28. Oktober 2004 könne nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden.

II.

6
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7
1. Allerdings geht das Berufungsgericht der Sache nach zutreffend davon aus, dass die durch den Fortfall der vertraglich vereinbarten Bemessungsgrundlagen entstandene Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist (Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254), dass dabei darauf abzustellen ist, was die Parteien bei Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten und dass hierzu zunächst an die in dem Vertrag enthaltenen Regelungen und Wertungen anzuknüpfen ist (Senat, BGHZ 81, 135, 141; BGH, Urt. v. 1. Juni 2005, VIII ZR 234/04, NJW-RR 2005, 1421, 1422 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist von § 4 (4) des Vertrages auszugehen, wonach der Erbbauzins dem veränderten Stand der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen ist. Aus der Verweisung auf § 315 BGB ergibt sich, dass die Anpassung der Billigkeit entsprechen muss (dazu Senat, Urt. v. 19. Januar 2001, V ZR 217/00, NJW 2001, 1930). Die in dem Vertrag als Richtlinien genannten statistischen Werte dienen der Konkretisierung dieses Maßstabs. Daher sind die fortgefallenen Bemessungsgrundlagen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung durch diejenigen zu ersetzen, die den fortgefallenen Indices am nächsten kommen und die deshalb am besten geeignet sind, den in § 4 (4) des Vertrages zum Ausdruck gekommenen Willen der Vertragsschließenden umzusetzen (vgl. auch Reul, DNotZ 2003, 92, 97; Hülsdunk/Schnabl, ZfIR 2007, 337, 339 f.).
8
2. Gemessen daran ist es zwar revisionsrechtlich unbedenklich, wenn das Berufungsgericht die Zugrundelegung des Verbraucherpreisindexes gebilligt hat; es entspricht allgemeiner Auffassung, dass dieser dem seit 2003 nicht mehr festgestellten Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-PersonenArbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen am nächsten kommt (Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254; Reul, DNotZ 2003, 92, 97; Hülsdunk/Schnabl, ZfIR 2007, 337, 340). Jedoch unterliegt das Berufungsurteil schon deshalb der Aufhebung, weil der Verbraucherpreisindex erst für die Zeit ab 1. Januar 2003 herangezogen werden darf. Erst ab diesem Zeitpunkt steht der vertraglich vereinbarte Maßstab nicht mehr zur Verfügung mit der Folge, dass eine Lücke vorliegt, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen ist (vgl. Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254 m.w.N.). Für die Zeit davor bleibt das vertraglich vereinbarte Bemessungskriterium verbindlich. Letzteres gilt auch mit Blick auf das zur Entwicklung der Bruttoeinkommen vereinbarte Anpassungskriterium, für das - soweit ersichtlich - statistisches Material bis einschließlich 1998 verfügbar ist. Die Ermittlung der maßgeblichen Indexzahlen ist dem Tatrichter vorbehalten (Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254 m.w.N.).
9
3. Darüber hinaus erweist sich die Heranziehung des Mittelwerts aus den Indices "Bruttoverdienste der Arbeiter im produzierenden Gewerbe" und "Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel" anstelle des vertraglich für die Bemessung der Einkommensentwicklung zugrunde gelegten Kriteriums schon im rechtlichen Ausgangspunkt als rechtsfehlerhaft.
10
a) Entgegen der Auffassung der Revision folgt das allerdings nicht bereits daraus, dass es nach dem Wegfall der vertraglich vereinbarten Bemessungsgrundlagen nur noch allein auf die Preisentwicklung ankäme. Nach § 4 (4) des Vertrages hängt die nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu treffende Anpassung des Erbbauzinses von einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse ab. Für deren Feststellung haben die Parteien ausdrücklich sowohl die Entwicklung der Preise als auch die der Einkommen für maßgeblich erachtet. Daran bleiben die Beklagten gebunden. Etwas anderes könnte sich allenfalls nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ergeben. Voraussetzung hierfür wäre eine schwerwiegende Änderung der dem Vertrag zugrunde gelegten Umstände, die das Festhalten der Beklagten an dem Vereinbarten unzumutbar machte (vgl. nur Palandt/ Grüneberg, BGB, 67. Aufl., § 313 Rdn. 40 f. m.w.N.). Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Die Revision verweist auf keinen Sachvortrag , der die Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage tragen könnte. Im Übrigen spricht gegen einen solchen Wegfall, dass das Statistische Bundesamt noch in seiner Veröffentlichung "Löhne und Gehälter, April 2006" Einkommensindices ausdrücklich als für Erbbauzinsanpassungen geeignet bezeichnet.
11
b) Wie die Bezugnahme des Berufungsurteils auf das erstinstanzliche Urteil nahe legt, scheint das Berufungsgericht die ergänzende Vertragsauslegung an der zu § 9a Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG ergangenen Rechtsprechung ausgerichtet zu haben. Diese Vorschrift begrenzt indessen lediglich einen vertraglich vereinbarten Anpassungsanspruch. Sie setzt diesen voraus und kann daher nicht für die Beantwortung der Frage herangezogen werden, ob und in welchem Umfang ein Vertrag eine Erhöhung gewährt (vgl. Senat, BGHZ 75, 279, 282 f.; Urt. v. 30. April 1982, V ZR 31/81, NJW 1982, 2382, 2383; Urt. v. 17. Oktober 1986, V ZR 267/85, WM 1986, 1475, 1477; Urt. v. 17. Oktober 1986, V ZR 268/85, WM 1987, 19, 20).
12
c) Davon abgesehen hat das Berufungsgericht bei der Billigung der von der Klägerin für die Entwicklung der Bruttoeinkommen zugrunde gelegten Indices (Mittelwert aus den Indices Bruttoverdienste der Arbeiter im produzierenden Gewerbe und Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel) nicht erwogen, dass seit 1999 Erhebungen für die Gesamtheit aller privaten Haushalte durchgeführt werden, die zwar nicht nach der Höhe des Einkommens unter- scheiden, wohl aber nach der Anzahl ihrer Mitglieder (vgl. Statistisches Bundesamt , Statistisches Jahrbuch 2007, S. 543 f.). Es spricht einiges dafür, dass die insbesondere für den Haushaltstyp "Paare mit Kind(ern)" festgestellten neuen Werte des Bruttoeinkommens aus unselbständiger Arbeit der in § 4 (4) des Vertrages vereinbarten Bemessungsgrundlage näher kommen als die von dem Berufungsgericht herangezogenen Werte, zumal die nach Haushaltstypen unterscheidenden Statistiken unter Ausklammerung sehr hoher Haushaltseinkommen erstellt worden sind (vgl. aaO). Zur Beurteilung der Vergleichbarkeit der verschiedenen Maßstäbe bietet es sich an, eine Auskunft des Statistischen Bundesamtes zu den tatsächlichen Grundlagen der Statistiken einzuholen (vgl. auch Senat, BGHZ 77, 188, 191). Das überlässt der Senat - ebenso wie die Ermittlung der einschlägigen Indexzahlen - dem Berufungsgericht.
13
4. Keinen Bestand haben kann schließlich die Annahme des Berufungsgerichts , das Erhöhungsverlangen sei bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2005 gerechtfertigt. Die Revision rügt zu Recht, dass den Beklagten der Hinweis darauf , das Erhöhungsschreiben vom 28. Oktober 2004 sei "weder von der Klägerin noch von einer ordnungsgemäßen Vertretung unterzeichnet", nicht nach § 531 ZPO versagt ist. Nach § 4 (4) des Vertrages unterliegt das Anpassungsverlangen der Schriftform. Die Klägerin hat mit der Klage nicht die Zusendung eines dieser Form genügenden Erhöhungsschreibens behauptet. Das der Klage als Anlage beigefügte Schreiben enthält unstreitig nur ein Handzeichen. Die Berufung auf die Unschlüssigkeit des gegnerischen Vortrags unterliegt nicht der Präklusion. Das Berufungsgericht wird daher der erst auf den Einwand der Beklagten erhobenen und unter Beweis gestellten Behauptung der Klägerin nachzugehen haben, den Beklagten sei ein von einer vertretungsberechtigten Person unterzeichnetes Exemplar des Erhöhungsschreibens zugegangen. Sollte sich das Berufungsgericht hiervon nicht überzeugen können, wird man die Kla- geschrift vom 22. April 2006 als erneutes Erhöhungsverlangen mit der Folge zugrunde legen müssen, dass eine Anpassung des Erbauzinses erst ab dem 1. Januar 2007 in Betracht kommt.
14
5. Das Berufungsurteil ist nach allem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil die für eine abschließende Entscheidung erforderlichen Feststellungen noch getroffen werden müssen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

III.

15
Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf Folgendes hin.
16
1. Die Entwicklung der maßgeblichen Werte ist erst seit dem Abschluss des Vertrages im Juni 1981 zu berücksichtigen. Ob Monatswerte oder Jahresdurchschnittswerte heranzuziehen sind, ist eine Frage der - von dem Berufungsgericht insoweit unterlassenen - Vertragsauslegung (vgl. Senat, BGHZ 87, 198, 201; Urt. v. 24. April 1992, V ZR 52/91, NJW 1992, 2088). Da § 4 (4) des Vertrages hinsichtlich des Anpassungszeitpunkts, der Anpassungshäufigkeit und der ersten Anpassung auf ganze Kalenderjahre bzw. den ersten Tag eines Kalenderjahres abstellt, begegnet die Berechnung mit Jahresdurchschnittswerten zwar grundsätzlich keinen Zweifeln. Das gilt jedoch nicht für den Beginn der Betrachtung. Stellte man auch für das Jahr 1981 auf den Jahresdurchschnittswert ab, bezöge man die Indexentwicklungen von Januar bis Juni 1981 in die Berechnung der Erbbauzinsanpassung ein, obwohl die Parteien die Höhe des Erbbauzinses erst im Juni 1981 vereinbart haben. Das erscheint nicht sachgerecht.
17
2. Soweit es um die Beschränkung des vertraglichen Anpassungsanspruchs nach § 9a Abs. 1 ErbbauRG geht, hält der Senat daran fest, dass ein zutreffendes Bild der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse nur gezeichnet wird, wenn neben den Lebenshaltungskosten auch die Einkommensverhältnisse berücksichtigt werden (vgl. nur BGHZ 75, 279, 286 f.; 77, 188, 190 ff.; 77, 194, 200 f.; 87, 198; 146, 280, 286; Urt. v. 26. Februar 1988, V ZR 155/86, NJW-RR 1988, 775 f. m.w.N.). Das Niveau der Lebenshaltung, der sog. Lebensstandard , ist von der Entwicklung der Lebenshaltungskosten ebenso abhängig wie von der Einkommenssituation. Dabei kommt es lediglich darauf an, den für einen breiten Teil der Bevölkerung maßgebenden Durchschnitt zu berücksichtigen. Eine lückenlose Erfassung sämtlicher einschlägiger Daten scheidet aus.
18
a) Diesen Anforderungen genügen die bislang herangezogenen Bemessungsgrundlagen , wonach neben der Entwicklung der Lebenshaltungskosten bzw. der Verbraucherpreise mit gleicher Gewichtung auf die Entwicklung der Bruttoverdienste der Arbeiter in der Industrie sowie die Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel abzustellen ist (Senat, aaO). Daran hält der Senat in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (vgl. etwa Bamberger/Roth/ Maaß, BGB, 2. Aufl., § 9a ErbbauVO Rdn. 9; Erman/Grziwotz, BGB, 12. Aufl., § 9a ErbbauRG Rdn. 6; MünchKomm-BGB/v. Oefele, 4. Aufl., § 9a ErbbauVO Rdn. 9; Palandt/Bassenge, BGB, § 9a ErbbRVO Rdn. 7; RGRK/Räfle, BGB, 12. Aufl., § 9a ErbbVO Rdn. 13; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 9a ErbbauVO Rdn. 8; Staudinger/Rapp, BGB [2002], § 9a ErbbVO Rdn. 7; Böttcher , Praktische Fragen des Erbbaurechts, 5. Aufl., S. 85; Ingenstau/Hustedt, Kommentar zum Erbbaurecht, 8. Aufl., § 9a Rdn. 22; Linde/Richter, Erbbaurecht und Erbbauzins, 3. Aufl., Rdn. 171; v. Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts , 3. Aufl., Rdn. 6.187 ff.) fest. Das ist umso mehr gerechtfertigt, als der Index der Bruttomonatsverdienste der Angestellten seit 1995 nicht mehr auf die Industrie und den Handel beschränkt ist, sondern auch die Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern sowie das Kredit- und Versicherungsgewerbe umfasst und damit auf eine breitere Grundlage gestellt worden ist. Ob für spätere Zeiträume andere - auf der Grundlage des Verdienststatistikgesetzes seit 2007 erhobene - Werte heranzuziehen sind (vgl. auch BR-Drucks. 557/06 S. 8), bedarf hier keiner Entscheidung.
19
b) Bei der Prüfung, ob und inwieweit dem vertraglichen Erhöhungsanspruch die durch § 9a Abs. 1 ErbbauRG gezogene Billigkeitsschranke entgegensteht , sind die Monatswerte der statistischen Indices maßgeblich, die vor der Stellung des Erhöhungsverlangens zuletzt veröffentlicht wurden (Senat, BGHZ 87, 198, 201).
Krüger Klein Stresemann
Roth Czub
Vorinstanzen:
AG Groß-Gerau, Entscheidung vom 30.01.2007 - 61 C 142/06 (14) -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 02.04.2008 - 24 S 12/07 -

(1) Dient das auf Grund eines Erbbaurechts errichtete Bauwerk Wohnzwecken, so begründet eine Vereinbarung, daß eine Änderung des Erbbauzinses verlangt werden kann, einen Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses nur, soweit diese unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht unbillig ist. Ein Erhöhungsanspruch ist regelmäßig als unbillig anzusehen, wenn und soweit die nach der vereinbarten Bemessungsgrundlage zu errechnende Erhöhung über die seit Vertragsabschluß eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinausgeht. Änderungen der Grundstückswertverhältnisse bleiben außer den in Satz 4 genannten Fällen außer Betracht. Im Einzelfall kann bei Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere

1.
einer Änderung des Grundstückswerts infolge eigener zulässigerweise bewirkter Aufwendungen des Grundstückseigentümers oder
2.
der Vorteile, welche eine Änderung des Grundstückswerts oder die ihr zugrunde liegenden Umstände für den Erbbauberechtigten mit sich bringen,
ein über diese Grenze hinausgehender Erhöhungsanspruch billig sein. Ein Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses darf frühestens nach Ablauf von drei Jahren seit Vertragsabschluß und, wenn eine Erhöhung des Erbbauzinses bereits erfolgt ist, frühestens nach Ablauf von drei Jahren seit der jeweils letzten Erhöhung des Erbbauzinses geltend gemacht werden.

(2) Dient ein Teil des auf Grund des Erbbaurechts errichteten Bauwerks Wohnzwecken, so gilt Absatz 1 nur für den Anspruch auf Änderung eines angemessenen Teilbetrags des Erbbauzinses.

(3) Die Zulässigkeit einer Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf Erhöhung des Erbbauzinses wird durch die vorstehenden Vorschriften nicht berührt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 71/08
Verkündet am:
31. Oktober 2008
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den
Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und
Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 2. April 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Mit notariellem Vertrag vom 9. Juni 1981 bestellte die Klägerin den Beklagten ein Erbbaurecht an ihrem Grundstück Gemarkung N. , Flur 4, Flurstück 1073, für das ein jährlicher Erbbauzins von 2.916 DM vereinbart wurde. In § 4 (4) des Vertrages heißt es u.a: "Jede Vertragspartei kann verlangen, daß die Höhe des Erbbauzinses zum 1. eines Kalenderjahres nach Ablauf von drei Jahren seit Vertragsabschluß oder seit der letzten Änderung des Erbbauzinses neu festgesetzt wird. Die erste Änderung ist frühestens zum 1. Jan. 1984 zulässig. Der Erbbauzins wird durch Einigung beider Parteien dem veränderten Stand der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse angepaßt. § 315 BGB gilt entsprechend. Bei den Einigungsverhandlungen soll die Entwicklung folgender vom Statistischen Bundesamt festgestellter Werte als Richtlinien dienen: das Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit eines 4 Personen-Arbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen , der Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-PersonenArbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen (Basisjahr 1976 – 100). … Das Anpassungsverlangen muß schriftlich … geltend gemacht werden. Der Brief ist spätestens am 1. Nov. bei der Post aufzugeben, wenn die Änderung mit dem 1. Januar des nachfolgenden Jahres wirksam werden soll."
2
In § 4 (6) des Vertrages ist bestimmt, dass eine Erhöhung des Erbbauzinses durch Eintragung einer zusätzlichen Reallast in Höhe des Änderungsbetrages abzusichern ist.
3
Das Grundstück wurde vereinbarungsgemäß mit einem Wohnhaus bebaut. Den Erbbauzins passten die Parteien mehrmals an, zuletzt aufgrund des Erhöhungsverlangens vom 27. August 1998 auf 4.671,43 DM. Einer weiteren Erhöhung um 268,97 € mit Wirkung zum 1. Januar 2005, die die Klägerin auf der Grundlage der Indices "Bruttoverdienste der Arbeiter im produzierenden Gewerbe" und der "Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel" sowie des "Indexes für die Verbraucherpreise" errechnet hatte, stimmen die Beklagten nicht zu. Sie machen insbesondere geltend, die von der Klägerin zugrunde gelegten Kriterien entsprächen nicht den vertraglich vereinbarten.
4
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Zustimmung zu der genannten Anhebung und Bewilligung einer Reallast in Höhe des Änderungsbetrages. Sie stützt sich hierzu auf ein Erhöhungsverlangen vom 28. Oktober 2004. Die als Anlage zur Klageschrift eingereichte Kopie dieses Schreibens ist lediglich mit einem Handzeichen versehen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten, mit der diese u.a. erstmals geltend gemacht hatten , das Schreiben vom 28. Oktober 2004 sei nicht unterschrieben, ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision möchten die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht hält beide Klageansprüche für gerechtfertigt. Insbesondere habe die Klägerin ihr Erhöhungsverlangen auf zutreffende Berechnungsgrundlagen gestützt. Die vertraglich vereinbarten Indices würden nicht mehr fortgeführt. Die stattdessen von der Klägerin herangezogenen Anpassungskriterien entsprächen den Billigkeitskriterien des § 9a Abs. 1 ErbbauRG und in ihrer statistischen Aussage (weitgehend) den vertraglich vereinbarten Bemessungsgrundlagen. Der Dienstleistungssektor müsse unberücksichtigt bleiben, weil es bereits zur Zeit des Vertragsschlusses einen starken Dienstleistungssektor gegeben habe, auf den die Parteien in dem Vertrag aber gerade nicht abgestellt hätten. Das Berufungsvorbringen der Beklagten zur Unwirksamkeit des Erhöhungsschreibens vom 28. Oktober 2004 könne nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden.

II.

6
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7
1. Allerdings geht das Berufungsgericht der Sache nach zutreffend davon aus, dass die durch den Fortfall der vertraglich vereinbarten Bemessungsgrundlagen entstandene Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist (Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254), dass dabei darauf abzustellen ist, was die Parteien bei Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten und dass hierzu zunächst an die in dem Vertrag enthaltenen Regelungen und Wertungen anzuknüpfen ist (Senat, BGHZ 81, 135, 141; BGH, Urt. v. 1. Juni 2005, VIII ZR 234/04, NJW-RR 2005, 1421, 1422 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist von § 4 (4) des Vertrages auszugehen, wonach der Erbbauzins dem veränderten Stand der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen ist. Aus der Verweisung auf § 315 BGB ergibt sich, dass die Anpassung der Billigkeit entsprechen muss (dazu Senat, Urt. v. 19. Januar 2001, V ZR 217/00, NJW 2001, 1930). Die in dem Vertrag als Richtlinien genannten statistischen Werte dienen der Konkretisierung dieses Maßstabs. Daher sind die fortgefallenen Bemessungsgrundlagen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung durch diejenigen zu ersetzen, die den fortgefallenen Indices am nächsten kommen und die deshalb am besten geeignet sind, den in § 4 (4) des Vertrages zum Ausdruck gekommenen Willen der Vertragsschließenden umzusetzen (vgl. auch Reul, DNotZ 2003, 92, 97; Hülsdunk/Schnabl, ZfIR 2007, 337, 339 f.).
8
2. Gemessen daran ist es zwar revisionsrechtlich unbedenklich, wenn das Berufungsgericht die Zugrundelegung des Verbraucherpreisindexes gebilligt hat; es entspricht allgemeiner Auffassung, dass dieser dem seit 2003 nicht mehr festgestellten Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-PersonenArbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen am nächsten kommt (Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254; Reul, DNotZ 2003, 92, 97; Hülsdunk/Schnabl, ZfIR 2007, 337, 340). Jedoch unterliegt das Berufungsurteil schon deshalb der Aufhebung, weil der Verbraucherpreisindex erst für die Zeit ab 1. Januar 2003 herangezogen werden darf. Erst ab diesem Zeitpunkt steht der vertraglich vereinbarte Maßstab nicht mehr zur Verfügung mit der Folge, dass eine Lücke vorliegt, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen ist (vgl. Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254 m.w.N.). Für die Zeit davor bleibt das vertraglich vereinbarte Bemessungskriterium verbindlich. Letzteres gilt auch mit Blick auf das zur Entwicklung der Bruttoeinkommen vereinbarte Anpassungskriterium, für das - soweit ersichtlich - statistisches Material bis einschließlich 1998 verfügbar ist. Die Ermittlung der maßgeblichen Indexzahlen ist dem Tatrichter vorbehalten (Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254 m.w.N.).
9
3. Darüber hinaus erweist sich die Heranziehung des Mittelwerts aus den Indices "Bruttoverdienste der Arbeiter im produzierenden Gewerbe" und "Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel" anstelle des vertraglich für die Bemessung der Einkommensentwicklung zugrunde gelegten Kriteriums schon im rechtlichen Ausgangspunkt als rechtsfehlerhaft.
10
a) Entgegen der Auffassung der Revision folgt das allerdings nicht bereits daraus, dass es nach dem Wegfall der vertraglich vereinbarten Bemessungsgrundlagen nur noch allein auf die Preisentwicklung ankäme. Nach § 4 (4) des Vertrages hängt die nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu treffende Anpassung des Erbbauzinses von einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse ab. Für deren Feststellung haben die Parteien ausdrücklich sowohl die Entwicklung der Preise als auch die der Einkommen für maßgeblich erachtet. Daran bleiben die Beklagten gebunden. Etwas anderes könnte sich allenfalls nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ergeben. Voraussetzung hierfür wäre eine schwerwiegende Änderung der dem Vertrag zugrunde gelegten Umstände, die das Festhalten der Beklagten an dem Vereinbarten unzumutbar machte (vgl. nur Palandt/ Grüneberg, BGB, 67. Aufl., § 313 Rdn. 40 f. m.w.N.). Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Die Revision verweist auf keinen Sachvortrag , der die Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage tragen könnte. Im Übrigen spricht gegen einen solchen Wegfall, dass das Statistische Bundesamt noch in seiner Veröffentlichung "Löhne und Gehälter, April 2006" Einkommensindices ausdrücklich als für Erbbauzinsanpassungen geeignet bezeichnet.
11
b) Wie die Bezugnahme des Berufungsurteils auf das erstinstanzliche Urteil nahe legt, scheint das Berufungsgericht die ergänzende Vertragsauslegung an der zu § 9a Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG ergangenen Rechtsprechung ausgerichtet zu haben. Diese Vorschrift begrenzt indessen lediglich einen vertraglich vereinbarten Anpassungsanspruch. Sie setzt diesen voraus und kann daher nicht für die Beantwortung der Frage herangezogen werden, ob und in welchem Umfang ein Vertrag eine Erhöhung gewährt (vgl. Senat, BGHZ 75, 279, 282 f.; Urt. v. 30. April 1982, V ZR 31/81, NJW 1982, 2382, 2383; Urt. v. 17. Oktober 1986, V ZR 267/85, WM 1986, 1475, 1477; Urt. v. 17. Oktober 1986, V ZR 268/85, WM 1987, 19, 20).
12
c) Davon abgesehen hat das Berufungsgericht bei der Billigung der von der Klägerin für die Entwicklung der Bruttoeinkommen zugrunde gelegten Indices (Mittelwert aus den Indices Bruttoverdienste der Arbeiter im produzierenden Gewerbe und Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel) nicht erwogen, dass seit 1999 Erhebungen für die Gesamtheit aller privaten Haushalte durchgeführt werden, die zwar nicht nach der Höhe des Einkommens unter- scheiden, wohl aber nach der Anzahl ihrer Mitglieder (vgl. Statistisches Bundesamt , Statistisches Jahrbuch 2007, S. 543 f.). Es spricht einiges dafür, dass die insbesondere für den Haushaltstyp "Paare mit Kind(ern)" festgestellten neuen Werte des Bruttoeinkommens aus unselbständiger Arbeit der in § 4 (4) des Vertrages vereinbarten Bemessungsgrundlage näher kommen als die von dem Berufungsgericht herangezogenen Werte, zumal die nach Haushaltstypen unterscheidenden Statistiken unter Ausklammerung sehr hoher Haushaltseinkommen erstellt worden sind (vgl. aaO). Zur Beurteilung der Vergleichbarkeit der verschiedenen Maßstäbe bietet es sich an, eine Auskunft des Statistischen Bundesamtes zu den tatsächlichen Grundlagen der Statistiken einzuholen (vgl. auch Senat, BGHZ 77, 188, 191). Das überlässt der Senat - ebenso wie die Ermittlung der einschlägigen Indexzahlen - dem Berufungsgericht.
13
4. Keinen Bestand haben kann schließlich die Annahme des Berufungsgerichts , das Erhöhungsverlangen sei bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2005 gerechtfertigt. Die Revision rügt zu Recht, dass den Beklagten der Hinweis darauf , das Erhöhungsschreiben vom 28. Oktober 2004 sei "weder von der Klägerin noch von einer ordnungsgemäßen Vertretung unterzeichnet", nicht nach § 531 ZPO versagt ist. Nach § 4 (4) des Vertrages unterliegt das Anpassungsverlangen der Schriftform. Die Klägerin hat mit der Klage nicht die Zusendung eines dieser Form genügenden Erhöhungsschreibens behauptet. Das der Klage als Anlage beigefügte Schreiben enthält unstreitig nur ein Handzeichen. Die Berufung auf die Unschlüssigkeit des gegnerischen Vortrags unterliegt nicht der Präklusion. Das Berufungsgericht wird daher der erst auf den Einwand der Beklagten erhobenen und unter Beweis gestellten Behauptung der Klägerin nachzugehen haben, den Beklagten sei ein von einer vertretungsberechtigten Person unterzeichnetes Exemplar des Erhöhungsschreibens zugegangen. Sollte sich das Berufungsgericht hiervon nicht überzeugen können, wird man die Kla- geschrift vom 22. April 2006 als erneutes Erhöhungsverlangen mit der Folge zugrunde legen müssen, dass eine Anpassung des Erbauzinses erst ab dem 1. Januar 2007 in Betracht kommt.
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5. Das Berufungsurteil ist nach allem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil die für eine abschließende Entscheidung erforderlichen Feststellungen noch getroffen werden müssen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

III.

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Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf Folgendes hin.
16
1. Die Entwicklung der maßgeblichen Werte ist erst seit dem Abschluss des Vertrages im Juni 1981 zu berücksichtigen. Ob Monatswerte oder Jahresdurchschnittswerte heranzuziehen sind, ist eine Frage der - von dem Berufungsgericht insoweit unterlassenen - Vertragsauslegung (vgl. Senat, BGHZ 87, 198, 201; Urt. v. 24. April 1992, V ZR 52/91, NJW 1992, 2088). Da § 4 (4) des Vertrages hinsichtlich des Anpassungszeitpunkts, der Anpassungshäufigkeit und der ersten Anpassung auf ganze Kalenderjahre bzw. den ersten Tag eines Kalenderjahres abstellt, begegnet die Berechnung mit Jahresdurchschnittswerten zwar grundsätzlich keinen Zweifeln. Das gilt jedoch nicht für den Beginn der Betrachtung. Stellte man auch für das Jahr 1981 auf den Jahresdurchschnittswert ab, bezöge man die Indexentwicklungen von Januar bis Juni 1981 in die Berechnung der Erbbauzinsanpassung ein, obwohl die Parteien die Höhe des Erbbauzinses erst im Juni 1981 vereinbart haben. Das erscheint nicht sachgerecht.
17
2. Soweit es um die Beschränkung des vertraglichen Anpassungsanspruchs nach § 9a Abs. 1 ErbbauRG geht, hält der Senat daran fest, dass ein zutreffendes Bild der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse nur gezeichnet wird, wenn neben den Lebenshaltungskosten auch die Einkommensverhältnisse berücksichtigt werden (vgl. nur BGHZ 75, 279, 286 f.; 77, 188, 190 ff.; 77, 194, 200 f.; 87, 198; 146, 280, 286; Urt. v. 26. Februar 1988, V ZR 155/86, NJW-RR 1988, 775 f. m.w.N.). Das Niveau der Lebenshaltung, der sog. Lebensstandard , ist von der Entwicklung der Lebenshaltungskosten ebenso abhängig wie von der Einkommenssituation. Dabei kommt es lediglich darauf an, den für einen breiten Teil der Bevölkerung maßgebenden Durchschnitt zu berücksichtigen. Eine lückenlose Erfassung sämtlicher einschlägiger Daten scheidet aus.
18
a) Diesen Anforderungen genügen die bislang herangezogenen Bemessungsgrundlagen , wonach neben der Entwicklung der Lebenshaltungskosten bzw. der Verbraucherpreise mit gleicher Gewichtung auf die Entwicklung der Bruttoverdienste der Arbeiter in der Industrie sowie die Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel abzustellen ist (Senat, aaO). Daran hält der Senat in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (vgl. etwa Bamberger/Roth/ Maaß, BGB, 2. Aufl., § 9a ErbbauVO Rdn. 9; Erman/Grziwotz, BGB, 12. Aufl., § 9a ErbbauRG Rdn. 6; MünchKomm-BGB/v. Oefele, 4. Aufl., § 9a ErbbauVO Rdn. 9; Palandt/Bassenge, BGB, § 9a ErbbRVO Rdn. 7; RGRK/Räfle, BGB, 12. Aufl., § 9a ErbbVO Rdn. 13; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 9a ErbbauVO Rdn. 8; Staudinger/Rapp, BGB [2002], § 9a ErbbVO Rdn. 7; Böttcher , Praktische Fragen des Erbbaurechts, 5. Aufl., S. 85; Ingenstau/Hustedt, Kommentar zum Erbbaurecht, 8. Aufl., § 9a Rdn. 22; Linde/Richter, Erbbaurecht und Erbbauzins, 3. Aufl., Rdn. 171; v. Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts , 3. Aufl., Rdn. 6.187 ff.) fest. Das ist umso mehr gerechtfertigt, als der Index der Bruttomonatsverdienste der Angestellten seit 1995 nicht mehr auf die Industrie und den Handel beschränkt ist, sondern auch die Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern sowie das Kredit- und Versicherungsgewerbe umfasst und damit auf eine breitere Grundlage gestellt worden ist. Ob für spätere Zeiträume andere - auf der Grundlage des Verdienststatistikgesetzes seit 2007 erhobene - Werte heranzuziehen sind (vgl. auch BR-Drucks. 557/06 S. 8), bedarf hier keiner Entscheidung.
19
b) Bei der Prüfung, ob und inwieweit dem vertraglichen Erhöhungsanspruch die durch § 9a Abs. 1 ErbbauRG gezogene Billigkeitsschranke entgegensteht , sind die Monatswerte der statistischen Indices maßgeblich, die vor der Stellung des Erhöhungsverlangens zuletzt veröffentlicht wurden (Senat, BGHZ 87, 198, 201).
Krüger Klein Stresemann
Roth Czub
Vorinstanzen:
AG Groß-Gerau, Entscheidung vom 30.01.2007 - 61 C 142/06 (14) -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 02.04.2008 - 24 S 12/07 -

(1) Dient das auf Grund eines Erbbaurechts errichtete Bauwerk Wohnzwecken, so begründet eine Vereinbarung, daß eine Änderung des Erbbauzinses verlangt werden kann, einen Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses nur, soweit diese unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht unbillig ist. Ein Erhöhungsanspruch ist regelmäßig als unbillig anzusehen, wenn und soweit die nach der vereinbarten Bemessungsgrundlage zu errechnende Erhöhung über die seit Vertragsabschluß eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinausgeht. Änderungen der Grundstückswertverhältnisse bleiben außer den in Satz 4 genannten Fällen außer Betracht. Im Einzelfall kann bei Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere

1.
einer Änderung des Grundstückswerts infolge eigener zulässigerweise bewirkter Aufwendungen des Grundstückseigentümers oder
2.
der Vorteile, welche eine Änderung des Grundstückswerts oder die ihr zugrunde liegenden Umstände für den Erbbauberechtigten mit sich bringen,
ein über diese Grenze hinausgehender Erhöhungsanspruch billig sein. Ein Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses darf frühestens nach Ablauf von drei Jahren seit Vertragsabschluß und, wenn eine Erhöhung des Erbbauzinses bereits erfolgt ist, frühestens nach Ablauf von drei Jahren seit der jeweils letzten Erhöhung des Erbbauzinses geltend gemacht werden.

(2) Dient ein Teil des auf Grund des Erbbaurechts errichteten Bauwerks Wohnzwecken, so gilt Absatz 1 nur für den Anspruch auf Änderung eines angemessenen Teilbetrags des Erbbauzinses.

(3) Die Zulässigkeit einer Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf Erhöhung des Erbbauzinses wird durch die vorstehenden Vorschriften nicht berührt.