Landgericht Hamburg Urteil, 30. Aug. 2016 - 310 O 80/15

published on 30/08/2016 00:00
Landgericht Hamburg Urteil, 30. Aug. 2016 - 310 O 80/15
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Gericht

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Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 588,57 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.01.2015 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

4. Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Für den Kläger ist das Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, wobei dem Beklagten nachgelassen ist, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein Arzt, begehrt die Zahlung von Entgelt für Behandlungen der verstorbenen Ehefrau des Beklagten.

2

Der Beklagte ist Alleinerbe seiner am 01.09.2015 verstorbenen Ehefrau, Frau Dr. W. T. (Erblasserin).

3

Der Kläger ist „privatliquidationsberechtigter“ Arzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum H.- E. (UKE).

4

Die Erblasserin befand sich vom 08.05.2014 bis zum 26.08.2014 in der Klinik in stationärer Behandlung. Sie unterzeichnete am 07.05.2014 die Wahlleistungsvereinbarung gem. Anlagenkonvolut K 1 (dort S. 2 und 3) u.a. betreffend wahlärztliche Leistungen. Auch unterschrieb sie die als Anlage B 5 vorliegende Einverständniserklärung über privatärztliche Behandlung, in welcher sie erklärte, die privatärztliche Behandlung durch den Kläger persönlich und/oder seine ständigen Vertreter zu wünschen. Dabei waren im Erklärungsvordruck als „ständige Vertreter“ zwölf verschiedene Ärzte genannt. Betreffend die Liquidation des Klägers wurde auf die GOÄ Bezug genommen.

5

Von den jedenfalls ca. zwei Dutzend Behandlungen wurde die ganz überwiegende Zahl durch einen der „ständigen Vertreter“ des Klägers durchgeführt. Die Klägerin bzw. die von ihr bevollmächtigte Tochter unterzeichneten betreffend jedenfalls die meisten Behandlungen je eine „Stellvertretervereinbarung“, wie sie z.B. als Anlagen K 5, K 7, K 9, K 11 und K 13 vorliegen. In diesen überwiegend aus vorformuliertem Standardtext bestehenden Erklärungen heißt es u.a.:

6

„Heute am [handschriftlicher Datumseintrag] um ...[unausgefüllt] bin ich von Dr. med. ..... [unausgefüllt] in einem Gespräch darüber aufgeklärt worden, dass Prof. Dr. I. [der Kläger] in der Zeit vom ...[unausgefüllt] bis ... [unausgefüllt] wegen ....[unausgefüllt] persönlich nicht verfügbar ist und deshalb die ärztlichen Leistungen der bei mir geplanten Behandlung nicht persönlich durchführen kann. Ich bin darüber aufgeklärt worden, dass

7

[angekreuzte Alternative] die Verschiebung der Operation bis zur Rückkehr von Prof. I. in meinem Fall medizinisch nicht vertretbar ist.

8

Hierzu erkläre ich, dass ich die Verlegung des Operationstermins bis zur Rückkehr des Prof. Dr. I.

9

[angekreuzte Alternative] nicht wünsche.

10

Da ich eine Verlegung des Operationstermins nicht wünsche, bin ich darüber aufgeklärt worden, dass sich für meine weitere Behandlung (vor, während und nach der Operation) folgende Wahlmöglichkeiten ergeben:

11

[nicht angekreuzte Alternative] ich erhalte ärztliche Leistungen als allgemeine Krankenhausleistungen, d.h. ohne Wahlleistungsvereinbarung. Ich habe wie ein gesetzlich versicherter Patient keinen Anspruch auf die Behandlung durch einen bestimmten Arzt. Die ärztlichen Leistungen werden von dem jeweils diensthabenden Arzt erbracht. Das gesondert zu zahlende Wahlarztentgelt entfällt.

12

[meist angekreuzte Alternative] ich erhalte die ärztlichen Leistungen vom Stellvertreter des Prof. Dr. I., Oberarzt Dr. med [Nachname, handschriftlich] zu den Bedingungen des Wahlarztvertrages unter Beibehaltung des Liquidationsrechts des Prof. Dr. I.. Prof. Dr. I. wird für die Vertretervereinbarung im eigenen Namen eine Privatarztrechnung erstellen.“

13

Der Kläger stellte der Erblasserin die Rechnung vom 09.07.2014 (Anlage K 2) und die Rechnung vom 15.10.2014 (Anlage K 3).

14

Mit der Rechnung vom 09.07.2014 (Anlage K 2) wurde die Zahlung von EUR 25.425,15 gefordert, und zwar für ärztliche Leistungen vom 09.05.2014 bis zum 13.06.2014. Diese wurde nur teilweise, nämlich in Höhe von EUR 18.831,46 beglichen, sodass ein Rest von EUR 6.593,69 bleibt. Nicht beglichen wurden die ärztlichen Leistungen vom 14.05.2014, 20.05.2014, 26.05.2014, 28.05.2014, 29.05.2014, 30.05.2014, 31.05.2014, 08.06.2014, 09.06.2014,11.06.2014 und vom 13.06.2014.

15

Die Rechnung vom 15.10.2014 (Anlage K 3) über EUR 8.673,64 wurde nicht einmal teilweise bezahlt. Sie betraf ärztliche Leistungen vom 08.05.2014, 09.05.2014 (postoperativ) und aus der Zeit vom 19.06.2014 bis zum 26.08.2014.

16

Der Kläger ist der Ansicht, sowohl die (mit dem UKE) geschlossene Wahlleistungsvereinbarung gem. Anlagenkonvolut K 1 (betreffend wahlärztliche Leistungen) als auch die einzelnen Stellvertretervereinbarungen seien wirksam geschlossen worden. Auf die Wirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung komme es in diesem Rechtsstreit nicht an, da er seinen Vergütungsanspruch auf die mit der Erblasserin abgeschlossenen Stellvertretervereinbarungen stütze (S. 4 des Schriftsatzes vom 07.10.2015, Bl. 85 d.A.).

17

Die Erblasserin sei durch die in der Klageschrift (S. 3 ff. = Bl. 18 ff. d.A.) einzeln benannten Ärzte aufgeklärt worden. Sie habe dann zu den jeweils genannten Daten die jeweilige Stellvertretervereinbarung geschlossen. Soweit bei mehreren Stellvertretervereinbarungen (unstreitig) die Unterschrift des klägerischen Vertreters fehle, sei die Vereinbarung jedenfalls durch die tatsächliche Durchführung und die Abrechnung angenommen worden. Soweit in drei Fällen, nämlich betreffend Behandlungen vom 01.07.2014 (Anlage K 35), vom 08.07.2014 (Anlage K 37) und vom 07.08.2014 (Anlage K 37), (unstreitig) die gewünschte Variante (allgemeine Krankenhausleistungen oder Leistungen eines Stellvertreters) nicht angekreuzt worden sei, sei dies ebenfalls für den Vergütungsanspruch unschädlich. In diesen Fällen sei die Stellvertretervereinbarung jeweils mündlich abgesprochen worden und bei der schriftlichen Fixierung sei offenbar übersehen worden, das entsprechend zu protokollieren.

18

Der Kläger beantragt,

19

den Beklagten zu verurteilen, an ihn [den Kläger] EUR 15.267,32 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf EUR 6.593,68 seit dem 06.12.2014 und auf EUR 8.673,64 seit dem 29.10.2015 zu zahlen.

20

Der Beklagte beantragt,

21

die Klage abzuweisen.

22

Der Beklagte verweist zunächst darauf, dass von 26 Operationen lediglich drei durch den Chefarzt, den Kläger, durchgeführt worden sein sollen, wobei auch betreffend dieser drei (unstreitig bezahlten und hier nicht streitgegenständlichen) Operationen bestritten werde, dass der Kläger durchgehend anwesend gewesen sei.

23

Die Wahlleistungsvereinbarung gem. Anlagenkonvolut K 1 sei unwirksam. Hierzu trägt der Beklagte umfangreich vor. So ergebe sich die Unwirksamkeit daraus, dass nicht lediglich ein Stellvertreter des Klägers genannt worden sei.

24

Auch die Stellvertretervereinbarungen seien keine geeignete Grundlage der Zahlungsforderungen. Der Kläger verweist darauf, dass in drei Fällen (unstreitig, s.o.) die Wahlmöglichkeit „Stellvertreterleistung“ nicht angekreuzt worden sei und in neun Fällen (ebenfalls unstreitig, s.o.) die Unterschrift des Arztes fehle.

25

Nach dem BGH seien an die Aufklärung des Patienten betreffend Stellvertretervereinbarungen strenge Anforderungen zu stellen. Dass diesen Anforderungen entsprechende Aufklärungen stattgefunden haben, werde bestritten. Der Kläger trage nicht vor, wie aufgeklärt worden sei.

26

Auch sei die Erblasserin geschäftsunfähig gewesen und dennoch dazu gedrängt worden, die Formulare zu unterschreiben. Konkret seien die Stellvertretervereinbarungen für die Operationen vom 11.06.2014, 24.06.2014, 27.06.2014 und vom 17.07.2014 durch die Erblasserin im Stadium der Geschäftsunfähigkeit unterzeichnet worden. Dass die Erblasserin geschäftsunfähig gewesen sei, ergebe sich insbesondere aus den Pflegeberichten, in denen sie als „nicht orientiert“, „immer mal wieder stark verwirrt“ bzw. als im Zustand des „Deliriums“ befindlich beschrieben worden sei.

27

Der Großteil der Formulare sei von der Tochter und Stellvertreterin der Erblasserin, der Zeugin C. T., unterschrieben worden. Diverse Stellvertretervereinbarungen seien erst nach den Operationen unterschrieben worden. Dies betreffe die Operationen vom 31.05.2014, 13.06.2014, 12.07.2014, 24.07.2014, 29.07.2014 und vom 23.08.2014.

28

Bei Abforderung der Unterschriften sei zum Ausdruck gebracht worden, dass diese notwendig seien, damit die Operationen der Erblasserin überhaupt durchgeführt werden.

29

Auch seien verschiedene Operationen unzutreffend als unverschiebbar dargestellt worden, was sich daraus ergebe, dass die Erblasserin teilweise erst längere Zeit nach Stellung der OP-Indikation tatsächlich operiert worden sei.

30

Konkludent geschlossene Stellvertretervereinbarungen kämen angesichts des Schriftformerfordernisses aus § 17 Abs. 2 S. 1 KHEntgG nicht in Betracht.

31

Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten (einschließlich Anlagen) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.12.2015 und vom 05.07.2016 Bezug genommen. Die Klägerseite hat Schriftsatznachlass zur Klarstellung eines Satzes aus dem eigenen Schriftsatz vom 29.06.2016 beantragt (s. S. 2 des Protokolls vom 05.07.2016).

Entscheidungsgründe

32

Die Klage ist zulässig. Sie ist aber nur teilweise begründet.

1.

33

Dem Kläger steht gegen den Beklagten nur ein Anspruch auf Bezahlung der gegenständlichen ärztlichen Leistungen für die Operation vom 01.06.2014 in Höhe von nur EUR 588,57 zu, dies aufgrund der Stellvertretervereinbarung vom 31.05.2014.

34

Der Vortrag des Beklagten zur (Un-) Wirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung gem. Anlagenkonvolut K 1 ist unerheblich, da der Kläger seine Zahlungsforderung ausdrücklich nicht auf diese, sondern auf die Stellvertretervereinbarungen stützt. Gleichermaßen ist das Bestreiten betreffend die Anwesenheit des Klägers bei den Operationen vom 09.05.2014, 27.05.2014 und 06.06.2014 nicht erheblich, da die Forderungen insoweit bereits beglichen und hier (ausdrücklich) nicht gegenständlich sind.

1.1.

35

Der Beklagte ist als Alleinerbe der Patientin und Erblasserin, seiner verstorbenen Ehefrau, zur Bezahlung der Verbindlichkeiten aus den Stellvertretervereinbarungen – soweit wirksam geschlossen - verpflichtet.

1.2.

36

Die Stellvertretervereinbarung vom 31.05.2014 ist zwischen dem Kläger und der Erblasserin geschlossen worden, wobei die Erblasserin bei Abschluss durch ihre bevollmächtigte Tochter vertreten wurde.

1.3.

37

Auch wurde die Stellvertretervereinbarung vom 31.05.2014 formwirksam – schriftlich - geschlossen.

1.4.

38

Soweit die Beklagtenseite unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 20.12.2007 (Gz. III ZR 144/07) die Ansicht vertritt, die Klägerseite sei ihren Aufklärungspflichten nicht ausreichend nachgekommen, trifft dies nicht zu. Die Patientenseite wurde insbesondere - jedenfalls durch den Text der Stellvertretervereinbarung - über die alternative Option unterrichtet, auf die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen zu verzichten und sich (ohne Zuzahlung) von dem jeweils diensthabenden Arzt behandeln zu lassen. Ein ausdrücklicher, gesonderter Hinweis war nicht erforderlich. Der BGH fordert einen ausdrücklichen, gesonderten Hinweis nur, soweit die Vertretervereinbarung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit Abschluss des Wahlleistungsvertrages geschlossen wird, was vorliegend nicht der Fall war. Die Wahlleistungsvereinbarung wurde bereits am 07.05.2014 geschlossen, die vorliegende Stellvertretervereinbarung (erst) am 31.05.2014.

2.

39

Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

2.1.

40

Betreffend die Behandlungen vom 14.05.2014, 20.05.2014, 26.05.2014, 28.05.2014, 29.05.2014, 08.06.2014, 09.06.2014 und 19.06.2014 ist die Klage unbegründet, da die diesbezüglichen Stellvertretervereinbarungen (Anlagen K5, K 7, K 9, K 11, K 13, K 15, K 21, K 23, K 29) nicht formwirksam geschlossen wurden.

41

Die Vertretervereinbarungen müssen schriftlich geschlossen werden (BGH, Urteil vom 20.12.2007, Gz. III ZR 144/07). Hintergrund ist, dass die Absprache über eine Vertretung des Chefarztes eine gravierende inhaltliche Vertragsänderung (der ursprünglichen Wahlleistungsvereinbarung) darstellt, indem sie den leitenden Krankenhausarzt von einer Vertragspflicht, die für den Patienten ersichtlich einen bedeutenden Grund zum Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung bildet - nämlich das persönliche Tätigwerden des Chefarztes - befreit (Kubis, NJW 1989, 1512, 1514, beck-online). Durch die Vertretervereinbarung wird die Wahlleistungsvereinbarung geändert, für die gem. § 17 Abs. 2 KHEntgG das Schriftformerfordernis gilt (BGH a.a.O.).

42

Das Schriftformerfordernis ist nach § 126 Abs. 2 S. 1 BGB nur gewahrt, wenn die Stellvertretervereinbarungen von beiden Parteien unterzeichnet sind (vgl. auch BGH, Urteil vom 19.02.1998, Gz. III ZR 169/97; BGH, Urteil vom 17.10.2002, Gz. III ZR 58/02; OLG Hamm, Urteil vom 16.08.1999, Gz. 3 U 235/98). An der Unterschrift des Klägers oder eines Stellvertreters fehlt es jedoch bei den Stellvertretervereinbarungen gem. Anlagen K5, K 7, K 9, K 11, K 13, K 15, K 21, K 23 und K 29 betreffend die Behandlungen vom 14.05.2014, 20.05.2014, 26.05.2014, 28.05.2014, 29.05.2014, 08.06.2014, 09.06.2014 und vom 19.06.2014.

2.2.

43

Darüber hinaus sind auch die Stellvertretervereinbarungen gem. Anlagen K 35, K 37 und K 47 betreffend die Behandlungen vom 01.07.2014, 08.07.2014 und vom 07.08.2014 wegen Formmangels unwirksam. Der Zweck des Schriftformerfordernisses liegt in einer Belehrungsfunktion gegenüber der Patientenseite und einer Beweisfunktion liegen. Der Beweisfunktion wird aber nicht genügt, wenn die Stellvertretervereinbarungen – wie in diesen drei Fällen – zwar von beiden Seiten unterschrieben sind, bei ihnen aber die Alternativen, ob sich die Patientin eine Verschiebung der Operation wünsche oder nicht wünsche und ob die Patientin allgemeine Krankenhausleistungen oder Stellvertreterleistungen wünsche, nicht angekreuzt sind.

2.3.

44

Betreffend die Stellvertretervereinbarungen zu den Behandlungen vom 11.06.2014, 24.06.2014, 27.06.2014 und vom 17.07.2014 fehlt es an der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin, die die diesbezüglichen Vereinbarungen unterschrieben hat.

45

Die Beklagtenseite hat mit Schriftsatz vom 26.05.2016 konkret zu den einzelnen Behandlungen bzw. Stellvertretervereinbarungen vorgetragen. Bei den Behandlungen vom 11.06.2014, 24.06.2014, 27.06.2014 und vom 17.07.2014 hat sie jeweils konkret behauptet, die Erblasserin sei bei Abschluss der Stellvertretervereinbarungen geschäftsunfähig gewesen. Betreffend einzelne der Behandlungen bezieht sie sich zur Begründung auf Pflegeberichte des Krankenhauses. So ist dort zum 10.06.2014, dem Tag des Abschlusses der Stellvertretervereinbarung gem. Anlage K 25, eingetragen, die Erblasserin habe Schwierigkeiten, sich auf verschiedene Dinge zu konzentrieren, sie sei zu Zeit, Ort und Person desorientiert, verkenne die Wirklichkeit, zeige eine unangemessene, unorganisierte Sprechweise und befinde sich im Zustand eines Deliriums (Anlage B 9). Für den Folgetag wurde eingetragen, die Erblasserin sei nicht orientiert und immer mal wieder stark verwirrt (Anlage B 8). Für den 16.07.2014 ist im Pflegebericht wiederum eingetragen, die Erblasserin befinde sich im Zustand des Deliriums und leide unter Wirklichkeitsverkennungen (Anlage B 13). Beim 17.07.2014 ist eingetragen, die Erblasserin sei nicht orientiert und leide unter Konzentrations-, Gedächtnis- und Wahrnehmungsstörungen.

46

Die Beklagtenseite hat jedenfalls zu den einzelnen o.g. Behandlungen die Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin zur Zeit der Unterzeichnung der diesbezüglichen Stellvertretervereinbarungen behauptet. Die Behauptungen sind auch zu berücksichtigen, denn sie erfolgten mit Schriftsatz vom 26.05.2016 rechtzeitig vor dem Verhandlungstermin vom 05.07.2016. Das Bestreiten der Behauptungen durch den Kläger durch den am 04.07.2016 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz erfolgte nicht nur verspätet im Sinne von § 296 Abs. 2 ZPO. Insbesondere würde die Berücksichtigung des Bestreitens zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führen, da dann eine Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung und ggf. Sachverständigengutachten erforderlich würde. Auch die Verschuldensvoraussetzungen von § 296 Abs. 2 a.E. ZPO sind gegeben. Der Schriftsatz mit den Behauptungen der Beklagtenseite ist der Klägerseite bereits am 06.06.2016 zugeleitet worden.

2.4.

47

Den Honorarforderungen betreffend die Behandlungen vom 31.05.2014, 13.06.2014, 12.07.2014, 24.07.2014, 29.07.2014 und vom 23.08.2014 steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen, da der Abschluss der diesbezüglichen Stellvertretervereinbarungen einschließlich der Mitteilung der Verhinderung des Klägers jeweils erst nach Durchführung der Behandlungen erfolgte.

48

Der Arzt, der gegenüber einem Patienten aus einer Wahlleistungsvereinbarung verpflichtet ist, muss seine Leistungen gemäß § 613 Satz 1 BGB grundsätzlich selbst erbringen. Nach dieser Bestimmung hat der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste im Zweifel in Person zu erbringen. Dies ist auch und gerade bei der Vereinbarung einer sogenannten Chefarztbehandlung der Fall. Der Patient schließt einen solchen Vertrag im Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die herausgehobene medizinische Kompetenz des von ihm ausgewählten Arztes, die er sich in Sorge um seine Gesundheit gegen Entrichtung eines zusätzlichen Honorars für die Heilbehandlung sichern will (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 19. Februar 1998 - III ZR 169/97 - NJW 1998, 1778, 1779); BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – III ZR 144/07).

49

Der Wahlarzt kann sich durch eine Individualvereinbarung mit dem Patienten von seiner Pflicht zur persönlichen Leistung befreien und deren Ausführung einem Stellvertreter übertragen (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – III ZR 144/07). Da sich der Patient oftmals in der bedrängenden Situation einer schweren Sorge um seine Gesundheit oder gar sein Überleben befindet und er daher zu einer ruhigen und sorgfältigen Abwägung vielfach nicht in der Lage sein wird, bestehen ihm gegenüber nach Treu und Glauben (§ 242 BGB)vor Abschluss einer solchen Vereinbarung aber besondere Aufklärungspflichten, bei deren Verletzung dem Honoraranspruch des Wahlarztes der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen steht (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – III ZR 144/07). Nach dem Urteil des BGH vom 20. Dezember 2007, Gz. III ZR 144/07 ist der Patient so früh wie möglich über die Verhinderung des Wahlarztes zu unterrichten und ihm das Angebot zu unterbreiten, dass an dessen Stelle ein bestimmter Vertreter zu den vereinbarten Bedingungen die wahlärztlichen Leistungen erbringt.

50

Der Kläger hat nicht bzw. jedenfalls nicht hinreichend substantiiert bestritten, dass die o.g. Stellvertretervereinbarungen erst nach Durchführung der Behandlungen unterschrieben wurden. Soweit es im klägerischen Schriftsatz vom 29.06.2016 heißt, das gesamte Vorbringen aus den Schriftsätzen vom 10.05.2016 und 26.05.2016 werde bestritten, ist dies nicht ausreichend konkret auf die einzelnen Behauptungen der Beklagtenseite bezogen. Aus dem Vortrag zur Operation vom 31.05.2014, möglicherweise sei einmal bei den häufig nächtlich durchzuführenden Operationen das Datum verwechselt worden, lässt sich nicht als Bestreiten des Unterzeichnens der Stellvertretervereinbarung nach der Operation verstehen.

51

Dem Kläger ist zur Frage, welches Datum gemeint bzw. „möglicherweise einmal verwechselt“ worden sei, kein Schriftsatznachlass zu gewähren. Auf eine solche Klarstellung kommt es bei der Entscheidung des Rechtsstreits nicht an. Selbst wenn die Klarstellung erfolgen sollte, wäre der konkrete Vortrag der Beklagtenseite, die Stellvertretervereinbarung sei am 31.05.2014 und erst nach der Operation unterzeichnet worden (S. 6 des Schriftsatzes vom 26.05.2016, nicht substantiiert bestritten.

52

Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung greift vorliegend auch unter Berücksichtigung des Umstandes durch, dass die Patientin bzw. ihre Tochter wiederholt in ähnlichen Konstellationen Stellvertretervereinbarungen unterzeichnet haben. Die Unterrichtung eines Patienten hat deshalb so früh wie möglich zu erfolgen, weil dieser sich regelmäßig in der bedrängenden Situation einer schweren Sorge um seine Gesundheit oder gar seines Überleben befindet und er daher zu einer ruhigen und sorgfältigen Abwägung vielfach nicht in der Lage sein wird (s.o.). Während des Krankenhausaufenthaltes der Erblasserin wurden zwar wiederholt Stellvertretervereinbarungen unterschrieben, es ist aber im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass sich die Erblasserin durchgehend in einer kritischen gesundheitlichen Verfassung befunden hat, die mit schwerer Sorge (auch der Tochter) um ihr Überleben und ihre Gesundheit verbunden gewesen sein muss. Insofern war in keinem Fall der Unterzeichnung einer dieser Stellvertretervereinbarungen ein ruhiges und sorgfältiges Abwägen möglich.

3.

53

Die Zinsforderung des Klägers ergibt sich aus den §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

4.

54

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit sind auf § 709 ZPO (Vollstreckung durch Beklagten) bzw. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO (Vollstreckung durch Kläger) gestützt.

55

Beschluss vom 30. August 2016

56

Der Streitwert wird auf EUR 15.267,32 festgesetzt.

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Tenor 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30.08.2016, Aktenzeichen 310 O 80/15, wird gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahre
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Annotations

(1) Neben den Entgelten für die voll- und teilstationäre Behandlung dürfen andere als die allgemeinen Krankenhausleistungen als Wahlleistungen gesondert berechnet werden, wenn die allgemeinen Krankenhausleistungen durch die Wahlleistungen nicht beeinträchtigt werden und die gesonderte Berechnung mit dem Krankenhaus vereinbart ist. Diagnostische und therapeutische Leistungen dürfen als Wahlleistungen nur gesondert berechnet werden, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Leistungen von einem Arzt oder bei psychotherapeutischen Leistungen von einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten, von einer Psychologischen Psychotherapeutin oder einem Psychologischen Psychotherapeuten oder von einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin oder einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erbracht werden. Die Entgelte für Wahlleistungen dürfen in keinem unangemessenen Verhältnis zu den Leistungen stehen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Verband der privaten Krankenversicherung können Empfehlungen zur Bemessung der Entgelte für nichtärztliche Wahlleistungen abgeben. Verlangt ein Krankenhaus ein unangemessen hohes Entgelt für nichtärztliche Wahlleistungen, kann der Verband der privaten Krankenversicherung die Herabsetzung auf eine angemessene Höhe verlangen; gegen die Ablehnung einer Herabsetzung ist der Zivilrechtsweg gegeben.

(2) Wahlleistungen sind vor der Erbringung schriftlich zu vereinbaren; der Patient ist vor Abschluss der Vereinbarung schriftlich über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt im Einzelnen zu unterrichten. Abweichend von Satz 1 können Wahlleistungen vor der Erbringung auch in Textform vereinbart werden, wenn der Patient zuvor in geeigneter Weise in Textform über die Entgelte der Wahlleistung und deren Inhalt im Einzelnen informiert wird. Die Art der Wahlleistungen ist der zuständigen Landesbehörde zusammen mit dem Genehmigungsantrag nach § 14 mitzuteilen.

(3) Eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen erstreckt sich auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen im Rahmen der vollstationären, stationsäquivalenten, tagesstationären und teilstationären sowie einer vor- und nachstationären Behandlung (§ 115a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses; darauf ist in der Vereinbarung hinzuweisen. Ein zur gesonderten Berechnung wahlärztlicher Leistungen berechtigter Arzt des Krankenhauses kann eine Abrechnungsstelle mit der Abrechnung der Vergütung für die wahlärztlichen Leistungen beauftragen oder die Abrechnung dem Krankenhausträger überlassen. Der Arzt oder eine von ihm beauftragte Abrechnungsstelle ist verpflichtet, dem Krankenhaus umgehend die zur Ermittlung der nach § 19 Abs. 2 zu erstattenden Kosten jeweils erforderlichen Unterlagen einschließlich einer Auflistung aller erbrachten Leistungen vollständig zur Verfügung zu stellen. Der Arzt ist verpflichtet, dem Krankenhaus die Möglichkeit einzuräumen, die Rechnungslegung zu überprüfen. Wird die Abrechnung vom Krankenhaus durchgeführt, leitet dieses die Vergütung nach Abzug der anteiligen Verwaltungskosten und der nach § 19 Abs. 2 zu erstattenden Kosten an den berechtigten Arzt weiter. Personenbezogene Daten dürfen an eine beauftragte Abrechnungsstelle außerhalb des Krankenhauses nur mit Einwilligung der betroffenen Person übermittelt werden. Für die Berechnung wahlärztlicher Leistungen finden die Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte oder der Gebührenordnung für Zahnärzte entsprechende Anwendung, soweit sich die Anwendung nicht bereits aus diesen Gebührenordnungen ergibt.

(4) Eine Vereinbarung über gesondert berechenbare Unterkunft darf nicht von einer Vereinbarung über sonstige Wahlleistungen abhängig gemacht werden.

(5) Bei Krankenhäusern, für die die Bundespflegesatzverordnung gilt, müssen die Wahlleistungsentgelte mindestens die dafür nach § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4, 5 und 7 der Bundespflegesatzverordnung in der am 31. Dezember 2012 geltenden Fassung abzuziehenden Kosten decken.

(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.

(2) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.

(3) Verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, sind nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 ist der Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat die Dienste im Zweifel in Person zu leisten. Der Anspruch auf die Dienste ist im Zweifel nicht übertragbar.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.