Landgericht Frankenthal (Pfalz) Beschluss, 27. Juli 2009 - 1 T 144/09

ECLI: ECLI:DE:LGFRAPF:2009:0727.1T144.09.0A
published on 27/07/2009 00:00
Landgericht Frankenthal (Pfalz) Beschluss, 27. Juli 2009 - 1 T 144/09
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Gericht

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Tenor

1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die sofortige weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Betreuungsrichterin beim Amtsgericht S. hat mit Beschluss vom 08. Oktober 2008 gem. § 68 b Abs. 3 FGG die Vorführung der Betreuten zur Vorbereitung eines Gutachtens des Gesundheitsamtes zur Frage der Aufhebung der Betreuung durch die Betreuungsbehörde der Stadt S. notfalls mit Hilfe von polizeilichen Vollzugsorganen, angeordnet, da die Betroffene den Ladungen des Gesundheitsamtes keine Folge geleistet hat. Notfalls dürfe auch Gewalt angewendet werden. Der Behörde wurde auch gestattet, zum Zwecke der Vorführung die Wohnung der Betroffenen zu betreten und notfalls gewaltsam zu öffnen.

2

Bei der Durchführung dieser Aufgabe sind der Behörde Kosten in Höhe von 165,00 € entstanden (90,00 € für die Feuerwehr, 75,00 € für einen neuen Schließzylinder).

3

Am 15. Januar 2009 hat die Stadt S. als Träger der Betreuungsbehörde beantragt, der vorstehende Betrag möge gegen die Landeskasse festgesetzt werden.

4

Dies hat der Rechtspfleger beim Amtsgericht S. als Kostenbeamter mit Beschluss vom 19. Januar 2009 abgelehnt und sich zur Begründung auf das Rundschreiben des Ministeriums der Justiz vom 21. September 2001 - Az. 3475-1-23 - bezogen. Dort ist ausgeführt; dass die zuständigen Kreis- und Stadtverwaltungen Ihre Aufgaben als Betreuungsbehörde in Selbstverwaltung ausübten und nicht „Hilfsbeamte“ des Vormundschaftsgerichts seien. Wie sie ihre Aufgaben erfüllten, sei von ihnen eigenständig zu gestalten, so dass sie bei Vorführungen selbst zu entscheiden hätten, in welcher Weise und mit welchen Mitteln sie die Vorführung durchführten.

5

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der weiter Beteiligten zu 1) vom 27. Januar 2009, die das Amtsgericht als Erinnerung (offenbar nach § 14 Abs. 2 KostO) gewertet und durch die zuständige Vormundschaftsrichterin mit Beschluss vom 26. Juni 2009 zurückgewiesen hat.

6

Gegen diesen - soweit erkennbar nicht zugestellten - Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der weiter Beteiligten zu 1) vom 13. Juli 2009, mit der sie ihre Rechtsauffassung weiter verfolgt und sich hierfür auf eine verschiedenen landgerichtlichen Entscheidungen entgegenstehende Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Juli 2004, Az. 16 Wx 119/04 beruft.

II.

7

Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

8

Dabei folgt die Kammer nicht der offensichtlich beim Amtsgericht bestehenden Auffassung, es handele sich um ein Verfahren nach § 14 KostO mit dem Rechtsbehelf/Rechtsmittel nach § 14 Abs. 2 und Abs. 3 KostO, da es im vorliegenden Fall nicht um einen Kostenansatz durch den Kostenbeamten gegen Dritte geht, sondern um Erstattungsansprüche der Betreuungsbehörde gegen die Landeskasse. Da die Ansprüche nicht von einem Betreuer geltend gemacht werden, kommt eine direkte Anwendung des § 56 g FGG nicht in Betracht, allenfalls eine analoge (so wohl auch, wenn auch ohne nähere Begründung, OLG Köln, Beschluss vom 26. Juli 2004, Az. 16 Wx 119/04). Danach ist die sofortige Beschwerde nach § 56 g Abs. 5 FGG statthaft und ein Beschwerdewert von mehr als 150,00 € ausreichend, der hier erreicht ist.

9

In der Sache ist die Beschwerde nicht begründet.

10

Eine Anspruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch aus bürgerlichem Recht ist für die Kammer nicht erkennbar, da die Betreuungsbehörde selbst nicht Betreuer gewesen ist und daher keine Erstattungsansprüche als Betreuer geltend machen kann (insoweit anders als in den Fällen, die den Entscheidungen des Landgerichts Koblenz, FamRZ 04, 566 und Landgericht Limburg, Bt-Prax 1998, 116 zugrunde lagen). Das OLG Köln (a.a.O.) verhält sich in seiner einen entsprechenden Antrag stattgebenden Entscheidung zur Anspruchsgrundlage nicht.

11

Nach §§ 1 Abs. 1 LVwVfG Rheinland-Pfalz i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 2 VwVfG hat im Falle der Amtshilfe die ersuchende Behörde der ersuchten Auslagen zu erstatten, soweit sie 35,00 € übersteigen. Hierbei handelt es sich zwar nach Auffassung der Kammer um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch der Stadt S. gegen das Land Rheinland-Pfalz mit der Folge der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nach § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO. Da das Vormundschaftsgericht aber eine Hauptsacheentscheidung erlassen hat - ohne dass auch die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt worden wäre - ist die Kammer letztlich daran gebunden und kann nicht mehr prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, § 17 a Abs. 5 GVG.

12

Der vorgenannte Anspruch besteht aber nur dann, wenn die Betreuungsbehörde der Stadt S. in Amtshilfe für das Amtsgericht S. tätig geworden wäre. Dies ist zu verneinen. Vielmehr ist die Betreuungsbehörde in eigener Zuständigkeit tätig geworden (LG Koblenz a.a.O; LG Limburg a.a.O.; LG Freiburg, Beschluss vom 14. Oktober 2002, Az. 4 T 212/02; anderer Auffassung OLG Köln a.a.O.).

13

Nach § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG liegt eine Amtshilfehandlung nicht vor, wenn die Handlung der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegt. Der nach § 1 BtBG örtlich zuständigen Behörde obliegen zunächst die in § 8 BtBG aufgezählten Aufgaben in eigener Zuständigkeit. Danach hat die Behörde das Vormundschaftsgericht zu unterstützen. Im Weiteren sind einige sich aus den Vorschriften des BGB und des FGG  ergebende Aufgaben im Betreuungsverfahren mit der Formulierung „insbesondere" aufgezählt. Darüber hinaus heißt es in § 9 BtBG, dass Aufgaben, die der Behörde nach anderen Vorschriften obliegen, unberührt bleiben.

14

Nach §§ 68 b Abs. 3 bzw. 70 e Abs. 2 FGG erfolgt die Vorführung eines Betroffenen zur Vorbereitung eines Gutachtens durch die zuständige Behörde. Das OLG Köln (a.a.O) schließt hieraus, dass es sich um eine Aufgabe der Behörde handelt, die außerhalb des BtBG aufgrund der vorgenannten Vorschriften übertragen ist, zumal das Gericht die Durchsuchung und Gewaltanwendung zugelassen hat. Dem schließt sich die Kammer nicht an. Auch bei der vorliegenden Tätigkeit handelt es sich um eine solche, mit der das Vormundschaftsgericht im Sinne von § 8 BtBG unterstützt wird. Die dortigen Aufzählungen sind nicht abschließend. Mit der Anordnung, dass bei der Vorführung polizeiliche Hilfskräfte hinzugezogen werden können, Gewaltanwendung, Öffnen des Hauses und Durchsuchung zulässig sind, handelt es sich lediglich um Konkretisierungen im Zusammenhang mit dem Begriff „Vorführung". An dem Umstand, dass es sich um originäre Zuständigkeiten der Betreuungsbehörde handelt - und nicht nur Amtshilfe - ändert sich durch diese Konkretisierung dahingehend, wie die Vorführung durchzuführen ist, nichts.

15

Handelt es sich aber um eine originäre Aufgabe der Behörde, kommt ein Kostenerstattungsanspruch nicht in Betracht. Die Behörde hat in eigener Zuständigkeit zu prüfen, wie sie die amtsgerichtliche Anordnung ausführt, wen sie hierzu hinzuzieht und die anfallenden Kosten selbst zu tragen.

16

Die weitere Beschwerde war gem. § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Erstattungsfrage zuzulassen.

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(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Stre

(1) Jede Behörde leistet anderen Behörden auf Ersuchen ergänzende Hilfe (Amtshilfe). (2) Amtshilfe liegt nicht vor, wenn 1. Behörden einander innerhalb eines bestehenden Weisungsverhältnisses Hilfe leisten;2. die Hilfeleistung in Handlungen beste
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published on 25/11/2015 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 105/13 vom 25. November 2015 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2; FamFG §§ 68 Abs. 4, 283 a) Entscheidet das Beschwerdegericht in einer vom G
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Annotations

(1) Die ersuchende Behörde hat der ersuchten Behörde für die Amtshilfe keine Verwaltungsgebühr zu entrichten. Auslagen hat sie der ersuchten Behörde auf Anforderung zu erstatten, wenn sie im Einzelfall 35 Euro übersteigen. Leisten Behörden desselben Rechtsträgers einander Amtshilfe, so werden die Auslagen nicht erstattet.

(2) Nimmt die ersuchte Behörde zur Durchführung der Amtshilfe eine kostenpflichtige Amtshandlung vor, so stehen ihr die von einem Dritten hierfür geschuldeten Kosten (Verwaltungsgebühren, Benutzungsgebühren und Auslagen) zu.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Jede Behörde leistet anderen Behörden auf Ersuchen ergänzende Hilfe (Amtshilfe).

(2) Amtshilfe liegt nicht vor, wenn

1.
Behörden einander innerhalb eines bestehenden Weisungsverhältnisses Hilfe leisten;
2.
die Hilfeleistung in Handlungen besteht, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegen.

Welche Behörde auf örtlicher Ebene in Betreuungsangelegenheiten zuständig ist, bestimmt sich nach Landesrecht. Diese Behörde ist auch in Unterbringungsangelegenheiten im Sinne des § 312 Nummer 1 bis 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig.

(1) Die Behörde unterstützt das Betreuungsgericht. Dies umfasst insbesondere folgende Maßnahmen:

1.
die Erstellung eines Berichts im Rahmen der gerichtlichen Anhörung (§ 279 Absatz 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit),
2.
die Aufklärung und Mitteilung des Sachverhalts, den das Gericht über Nummer 1 hinaus für aufklärungsbedürftig hält, sowie
3.
die Gewinnung geeigneter Betreuer.

(2) Wenn die Behörde vom Betreuungsgericht dazu aufgefordert wird, schlägt sie eine Person vor, die sich im Einzelfall zum Betreuer oder Verfahrenspfleger eignet. Steht keine geeignete Person zur Verfügung, die zur ehrenamtlichen Führung der Betreuung bereit ist, schlägt die Behörde dem Betreuungsgericht eine Person für die berufsmäßige Führung der Betreuung vor und teilt gleichzeitig den Umfang der von dieser Person derzeit berufsmäßig geführten Betreuungen mit.

Zur Durchführung der Aufgaben werden Personen beschäftigt, die sich hierfür nach ihrer Persönlichkeit eignen und die in der Regel entweder eine ihren Aufgaben entsprechende Ausbildung erhalten haben (Fachkräfte) oder über vergleichbare Erfahrungen verfügen.

(1) Die Behörde unterstützt das Betreuungsgericht. Dies umfasst insbesondere folgende Maßnahmen:

1.
die Erstellung eines Berichts im Rahmen der gerichtlichen Anhörung (§ 279 Absatz 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit),
2.
die Aufklärung und Mitteilung des Sachverhalts, den das Gericht über Nummer 1 hinaus für aufklärungsbedürftig hält, sowie
3.
die Gewinnung geeigneter Betreuer.

(2) Wenn die Behörde vom Betreuungsgericht dazu aufgefordert wird, schlägt sie eine Person vor, die sich im Einzelfall zum Betreuer oder Verfahrenspfleger eignet. Steht keine geeignete Person zur Verfügung, die zur ehrenamtlichen Führung der Betreuung bereit ist, schlägt die Behörde dem Betreuungsgericht eine Person für die berufsmäßige Führung der Betreuung vor und teilt gleichzeitig den Umfang der von dieser Person derzeit berufsmäßig geführten Betreuungen mit.