Landgericht Bochum Urteil, 05. Feb. 2016 - 9 KLs 30 Js 168/15 - 53/15
Gericht
Tenor
Der Angeklagte wird wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, die notwendigen Auslagen des Nebenklägers sowie seine eigenen notwendigen Auslagen.
§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5, 226 Abs. 1 Nr. 3, 52 StGB
1
Gründe:
2I.
31. Feststellungen zur Biographie des Angeklagten
4Der am xx. xx xx in Waltrop geborene Angeklagte ist 43 Jahre alt und wohnte bis zu seiner Inhaftierung in diesem Verfahren in Waltrop.
5Die Eltern des Angeklagten leben ebenfalls in Waltrop. Der Vater ist 80 Jahre alt und arbeitete früher auf einer Zeche. Seine Mutter ist 82 Jahre alt, sie ist Hausfrau. Beide Eltern des Angeklagten haben eine Krebserkrankung überstanden.
6Der Angeklagte hat drei Geschwister, einen älteren Halbbruder und eine ältere Halbschwester, die aus einer früheren Beziehung der Mutter stammten. Ferner hat der Angeklagte noch eine Schwester, die ebenfalls älter ist als er, der Angeklagte ist das jüngste Kind in der Geschwisterreihenfolge.
7Der Angeklagte wuchs bei seinen Eltern auf, das häusliche Klima war meist harmonisch, Streitigkeiten traten so gut wie nie auf. Vorkommnisse bezüglich Alkoholmissbrauch oder Gewalterfahrungen in der Familie waren ebenfalls nicht festzustellen.
8Der Angeklagte besuchte regulär den Kindergarten, mit 7 Jahren wurde er eingeschult und beendete die Grundschule mit guten Leistungen. Besondere Verhaltensauffälligkeiten in Kindheit oder Jugend traten bei dem Angeklagten nicht auf. Er war eher ein zurückhaltender Mensch, der insbesondere auch Konflikte, zumal körperlicher Art, scheute.
9Nach der Grundschulzeit besuchte der Angeklagte die Hauptschule, die er regulär mit der Klasse 10a abschloss. Im Anschluss begann der Angeklagte eine Lehre als Maurer, die er mit dem Gesellenbrief abschloss. Die Ausbildung dauerte über einen Zeitraum von 3 ½ Jahren. Nach Abschluss der Maurerlehre war der Angeklagte dann über einen Zeitraum von zirka 5 Jahren ungefähr bis in das Jahr 1997 arbeitslos. Den Beruf des Maurers gab er auf, weil dieser ihm zu anstrengend war.
10Anschließend arbeitete der Angeklagte saisonal als Friedhofsgärtner von 1997 bis ungefähr 2003. Im Anschluss an diese Zeit war er wiederum arbeitslos bis er im Jahr 2011 bei einer Zeitarbeitsfirma in der Müllentsorgung eine Anstellung fand. Im Februar 2015 wurde der Angeklagte von dieser Firma mit einem Jahresvertrag fest eingestellt.
11Zirka von 1990 bis 2008 lebte der Angeklagte in einer Beziehung zu einer Frau. Etwa im Jahr 1999 zog der Angeklagte als dem elterlichen Haushalt aus und lebte bis zur Trennung acht Jahre lang mit seiner Lebensgefährtin in einer gemeinsamen Wohnung. Die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin beendete der Angeklagte letztlich, weil diese wiederholt Beziehungen zu anderen Männern unterhalten hatte, auch über Internetbekanntschaften.
12Nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin zog der Angeklagte zunächst wieder Ende 2008 in den elterlichen Haushalt ein, in welchem er bis 2012 lebte. Im Anschluss zog er aus und lebte bis zu seiner Inhaftierung in seiner Wohnung in der Straße X in Waltrop. Bis zu seiner Inhaftierung unterstützte der Angeklagte seine Eltern im Haushalt.
13Der Bundeszentralregisterauszug des Angeklagten weist keine Eintragungen auf.
142. Sonstige Feststellungen, auch zur gesundheitlichen Verfassung des Angeklagten
15Suchtmedizinische Erkrankungen sind bei dem Angeklagten nicht bekannt geworden. Der Angeklagte trinkt nur gelegentlich und wenn, dann nur sehr wenig Alkohol. Er ist Nichtraucher und konsumiert auch keine illegalen Betäubungsmittel.
16Persönlichkeitsstörungen konnten bei dem Angeklagten nicht festgestellt werden. Er zeichnete sich durch eine gewisse Antriebslosigkeit aus, der Angeklagte ist nicht sonderlich ehrgeizig, jedoch stets bemüht, gegenüber Dritten, beispielsweise Freunden, ohne Gegenleistung besondere Leistungen aufzubieten.
17Der Angeklagte wurde am 06.07.2015 vorläufig festgenommen und befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Recklinghausen vom 07.07.2015 – 26 Gs-30 Js 168/15-636/15 – seit demselben Tag in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Bochum.
18II.
191. Feststellungen zur Beziehung des Angeklagten zur Zeugin X und zum späteren Geschädigten X
20Etwa im Jahr 2009/2010 lernte der Angeklagte anlässlich eines 1-Euro-Jobs bei der Firma X die Zeugin X kennen, die bei der Firma X zu den gleichen Konditionen beschäftigt war wie der Angeklagte. In der Folgezeit entwickelte sich zwischen dem Angeklagten und der Frau X eine Freundschaft, die auch fortdauerte, als der Angeklagte den 1-Euro-Job aufgab.
21Etwa im Jahr 2011 oder 2012 teilte der Angeklagte der Zeugin X mit, dass er Gefühle für sie entwickelt habe und an einer richtigen Beziehung zu ihr interessiert sei. Dies wurde von der Zeugin X jedoch zurückgewiesen. Sie sei zwar an einer Freundschaft zu dem Angeklagten interessiert, an mehr jedoch nicht. Obwohl der Angeklagte sich mit dieser Zurückweisung nicht abfinden konnte, blieben er und die Zeugin Xin der Folgezeit weiterhin befreundet.
22Als die Zeugin X Anfang 2013 ihre eigene Wohnung verlor, zog sie zu dem Angeklagten, der zu diesem Zeitpunkt – seit der Trennung von seiner langjährigen Lebensgefährtin – wieder im Haushalt seiner Eltern lebte. Der Angeklagte und die Zeugin X teilten sich für etwa ein halbes Jahr das ehemalige Jugendzimmer des Angeklagten, in welchem zwei getrennte Betten standen. Als der Angeklagte sich ein halbes Jahr später eine eigene Wohnung nahm, zog die Zeugin X von der Wohnung der Eltern des Angeklagten in dessen neue Wohnung in dem Haus X in Waltrop mit um. In der Folgezeit lebten beide in der vorgenannten Wohnung in Form einer Wohngemeinschaft zusammen, ohne dass es zu sexuellen Kontakten zwischen dem Angeklagten und der Zeugin X kam. Während dieser Zeit musste sich die Zeugin X weder an Kosten für die laufende Miete noch an sonstigen Nebenkosten für die Wohnung beteiligen, der Angeklagte kümmerte sich auch häufig um die Beschaffung von Lebensmitteln. Auch an diesen Kosten beteiligte sich die Zeugin meist nicht.
23Noch bevor die Zeugin X den Angeklagten kennengelernt hatte, gehörte der Zeuge X, geboren am #, bereits zu ihrem Freundeskreis. Nachdem der Angeklagten den Zeugen X über die Zeugin X kennengelernt hatte, kam es zwischen ihm und dem Zeugen X zu Unstimmigkeiten und Irritationen. Ein Grund lag darin, dass der Angeklagte den Zeugen X verdächtigte, ihm eine Playstation 3 mit Originalverpackung und acht Spielen und 28 Filme auf dem System Blue Ray entwendet zu haben. Diese hatte er zu einem Zeitpunkt, als die Zeugin X noch in ihrer eigenen Wohnung wohnte, der Zeugin geliehen, die Filme und Blue Rays verschwanden in der Folgezeit aus der Wohnung der Zeugin. Als der Angeklagte unter dem 04.11.2013 in Begleitung der Zeugin X bei der Polizeiwache Datteln eine Anzeige gegen den Zeugen X erstattete, weigerte sich die Zeugin X, Angaben zu ihrer Person oder zur Sache zu machen. Das Verfahren wurde schließlich mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Bochum vom 22.07.2014 endgültig gem. § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.
24Auch nachdem die Zeugin X im Jahr 2013 zu dem Angeklagten zog, kam es weiterhin zu Kontakten zwischen ihr und dem Geschädigten X. Dieser besuchte die Zeugin auch in der Wohnung, die der Angeklagte angemietet hatte. Der Angeklagte verdächtigte in der Folgezeit den später Geschädigten auch einen dieser Besuche dazu ausgenutzt zu haben, weitere Filme auf dem System Blue Ray von ihm entwendet zu haben. Es kam während der Zeit immer häufiger zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen dem Angeklagten und der Zeugin X, der Angeklagte war insbesondere nicht damit einverstanden, dass der Geschädigte X in die gemeinsame Wohnung gelassen wird.
25Ein weiterer Grund für das angespannte Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten X war in der Eifersucht des Angeklagten auf den Geschädigten begründet. Der Angeklagte hatte sich nach wie vor eine feste, eheähnliche und auch sexuelle Verbindung mit der Zeugin X gewünscht, wozu diese jedoch zu keinem Zeitpunkt bereit war und dies dem Angeklagten auch so zum Ausdruck brachte. Gleichzeitig war dem Angeklagten bekannt, dass die Zeugin X, nachdem diese am 15.02.2015 aus der Wohnung des Angeklagten ausgezogen und – mit Unterstützung des Angeklagten bei dem Umzug – in dem Haus X in Waltrop – der späteren Tatortwohnung – eine eigene Wohnung bezogen hatte, dem wohnungslosen Geschädigten X gelegentlich gestattete in ihrer Wohnung zu nächtigen. Dabei misstraute der Angeklagte den Angaben der Zeugin X, die ihm auf seinen Vorhalt sagte, dass der Geschädigte X nur ein guter Freund sei, mit dem sie keine paarähnliche und sexuelle Beziehung verbinden würde. In diesem Zusammenhang begann der Angeklagte die Zeugin X nach deren Auszug aus seiner Wohnung zu kontrollieren, indem er beispielsweise verlangte, die Handynachrichten der Zeugin X lesen zu wollen, wozu er sich im Recht sah, da er ihr das Handy gekauft hatte und es daher nach seiner Auffassung ihm gehöre. Auch verlangte der Angeklagte mehrfach, in die Wohnung der Zeugin eingelassen zu werden, was diese ihm jedoch verweigerte. Dabei ging der Angeklagte in seiner Eifersucht so weit, dass sich die Zeugin X zeitweise von ihm „gestalkt“ fühlte. Die Eifersucht des Angeklagten beschränkte sich nicht nur auf den Geschädigten X, sondern galt auch anderen Menschen aus dem Freundeskreis der Zeugin X.
26Die innere Anspannung des Angeklagten insbesondere in Bezug auf sein Verhältnis zu dem Geschädigten X und der Zeugin X steigerte sich in der Folgezeit. Den Angeklagten belastete der Auszug der Zeugin X sehr, er hatte sich weiterhin eine gemeinsame Zukunft mit der Zeugin gewünscht, er empfand tiefe Gefühle von Liebe für die Zeugin X, die jedoch nicht erwidert wurden, was ihn äußerst belastete. Gleichzeitig war er zunehmend wütend auf den Geschädigten X. Gegenüber Dritten äußerte der Angeklagte, wie beispielsweise in den sich häufenden Streits mit der Zeugin X, er werde „dem X eines auf die Schnauze“ hauen. Der Angeklagte fühlte sich zunehmend belastet durch die Situation, gegenüber dem Geschädigte X empfand er Frust, Wut und Eifersucht. Dies lag zum einen darin, dass die Zeugin X trotz seiner Bereitschaft, diese über einen längeren Zeitraum kostenlos in seiner Wohnung wohnen zu lassen dem Geschädigten X immer wieder auch Obdach in ihrer Wohnung gewährte, zum anderen, weil der Angeklagte fürchtete, diese sei nunmehr auch in eine Beziehung zum Geschädigten X eingegangen, obwohl dieser ihn mehrfach bestohlen habe.
27Hinzu kam, dass sich der Angeklagte durch den Geschädigten immer häufiger provoziert fühlte. So kam es wahrscheinlich zirka sechs Wochen vor dem Tatabend zu einem Vorfall, bei dem der Geschädigte versucht hatte, über die Beifahrerseite in das Fahrzeug des Angeklagten einzusteigen, und, nachdem ihm das nicht gelungen war, dem Angeklagten drohend die Faust zeigte. Ein weiterer Vorfall ereignete sich zirka fünf Wochen vor der Tat, als der Angeklagte unangekündigt an der Wohnung der Zeugin X erschien und diese aufforderte, ihn in die Wohnung zu lassen. Nachdem diese dem Angeklagten den Zutritt verweigerte, erschien der Zeuge X, der sich ebenfalls in der Wohnung aufgehalten hatte, und hielt dem Angeklagten einen Schlagring vor. Daraufhin entfernte sich der Angeklagte wieder.
28Fortan führte der Angeklagte stets ein Küchenmesser – das spätere Tatmesser – am Körper mit sich.
292. Feststellungen zum Tatvorgeschehen
30Am Abend des 05.07.2015 traf sich der Angeklagte mit seinem Freundeskreis, zu dem die Zeugin X, aber auch die Zeugen X, X, X, X und X gehören, zunächst in Waltrop auf dem Marktplatz gegen Nachmittag, 15:00 Uhr. Insbesondere den Zeugen X kennt der Angeklagte schon seit Jahren, seit zirka 13 oder 14 Jahren besteht eine enge Freundschaft.
31Zum frühen Abend kurz vor 17:00 Uhr fuhr dann der Freundeskreis zu der Wohnung des Zeugen X, der in seiner Wohnung in dem Haus X in Waltrop, welche zirka 4 Minuten Fußweg von der Wohnung der Zeugin Xi, X in Waltrop, entfernt liegt, um dort gemeinsam zu feiern, insbesondere Videospiele zu spielen. Anlass war, dass X, X und X am nächsten Tag für eine Woche zu einem Zeltlager nach Arnsberg fahren wollten. Ursprünglich hatte auch der Zeuge X vorgehabt, an dieser Fahrt teilzunehmen, musste dies jedoch aufgrund einer Erkrankung aufgeben. Weder die Zeugen noch der Angeklagte konsumierten an dem Abend Alkohol oder sonstige Betäubungsmittel.
32Neben dem Gastgeber Xl befanden sich die Zeugen X, X, X sowie X, X und der Angeklagte in der Wohnung. Der Abend verlief zunächst harmonisch, insbesondere kam es zu keinen Streitigkeiten, auch der Angeklagte feierte zunächst gemeinsam mit seinen Freunden. Gegen 17:00 Uhr holte der Angeklagte mit der Zeugin X für sich und die Zeugin Pizza, die er bezahlte.
33Im Verlauf des Abends sprach der Angeklagte die Zeugin X auf den Zeugen X an. Insbesondere fragte er sie, ob dieser sich bei ihr in der Wohnung befinde, was von der Zeugin wahrheitswidrig verneint wurde.
34Gegen 22:30 Uhr bot der Angeklagte an, zu seinem Elternhaus zu fahren, um für die Zeugin X, die Freundin des X, einen Koffer für die Fahrt am nächsten Tag zu besorgen. Zu diesem Zweck fuhr er gemeinsam mit dem Zeugen X zu der X in Waltrop und besorgte dort aus der elterlichen Wohnung den Koffer. Anschließend machten sie sich gemeinsam in dem Fahrzeug des Angeklagten auf den Rückweg. Spätestens zu diesem Zeitpunkt beschloss der Angeklagte, die Äußerung der Zeugin X, der Zeuge X halte sich nicht in ihrer Wohnung auf, zu überprüfen. Deshalb teilte der Angeklagte dem Zeugen X auf der Rückfahrt mit, er wolle „mal gucken, ob der Blödmann“ da sei. Zu diesem Zweck fuhr der Angeklagte einen kurzen Umweg und begab sich zu dem Haus X, wo sich die Wohnung der Zeugin X befindet. Dort angekommen bemerkte der Angeklagte, dass in der Wohnung Licht brannte bzw. zumindest ein Fernseher angeschaltet war. Der Angeklagte war nunmehr sehr aufgebracht, weil er sich von der Zeugin X angelogen fühlte und wütend darüber, dass diese – wie er zu diesem Zeitpunkt vermutete – dem Zeugen X erneut ermöglicht hat, in ihrer Wohnung zu übernachten, sagte gegenüber dem Zeugen X jedoch zunächst nichts. Der Angeklagte wollte nunmehr die Zeugin X zu Rede stellen und begab sich mit seinem Fahrzeug zurück zu der Wohnung des Zeugen X.
35Dort angekommen, konfrontierte der Angeklagte sofort die Zeugin X damit, dass sich der X in ihrer Wohnung aufhalte. Er war aufgebracht, fühlte sich belogen und verletzt. Vehement forderte er nunmehr von der Zeugin X die Herausgabe der Wohnungsschlüssel ihrer Wohnung. Es entbrannte eine verbale Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Zeugin X, im Zuge dessen der Angeklagte zunächst auch die Handtasche der Zeugin in den Händen hielt, in der sich der Wohnungsschlüssel, wie der Angeklagte vermutete, befand. Zunächst händigte der Angeklagte jedoch insbesondere auch wegen des Zuredens durch die übrigen Anwesenden die Handtasche wieder an die Zeugin X aus.
36Der Angeklagte konnte sich damit letztlich jedoch nicht abfinden. Der Streit mit der Zeugin X verlagerte sich daraufhin in die Küche der Wohnung des Zeugen X, wo der Angeklagte erneut die Herausgabe der Wohnungsschlüssel verlangte. Weil die Zeugin nicht bereit war, dem Angeklagten ihre Wohnungsschlüssel bzw. die Handtasche auszuhändigen, entriss der Angeklagte nunmehr die Tasche der Zeugin aus den Händen und begab sich aus der Wohnung des Zeugen X nach unten zu seinem Fahrzeug. Unten vor dem Haus angekommen setzte sich der Angeklagte auf den Fahrersitz und begann, nach dem Wohnungsschlüssel der Zeugin X in der Handtasche zu suchen. Weil er diesen nicht sofort fand, schüttete er nunmehr den gesamten Inhalt der Handtasche auf dem Beifahrersitz aus und durchsuchte diesen, bis er den Wohnungsschlüssel fand. Währenddessen begaben sich die Zeugen X und X, die dem Angeklagten unmittelbar gefolgt waren, zu der Beifahrerseite des Fahrzeugs. Dort sprach der Zeuge X auf den Angeklagten ein und klopfte an die Beifahrerscheibe des Fahrzeugs. Der Angeklagte ließ daraufhin die Scheibe teilweise herunter, reagierte aber nicht weiter. Trotz des Zuredens durch den Zeugen fuhr er nunmehr zu der Wohnung der Zeugin X, indem er zunächst wendete und sodann gemäßigt losfuhr. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte den Entschluss gefasst, nunmehr den Zeugen X in der Wohnung der Zeugin X zu attackieren. Er war sich auch bewusst, dass er nach wie vor das Messer in seiner Hosentasche mitführte. Er war wütend auf die Zeugin X, die ihn angelogen hatte, und auf den Zeugen X, insbesondere auch wegen der Diebstähle seines Eigentums, aber auch weil er nach wie vor eifersüchtig auf die Beziehung der Zeugin X zu dem Zeugen war.
37Das Wegfahren des Angeklagten registrierten die Zeugen X und X besorgt. Während sich der Zeuge X wieder zurück in seine Wohnung begab, folgte der Zeuge X dem Angeklagten zu Fuß zu der Wohnung der Zeugin, insbesondere weil er befürchtete, dass es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen X kommen könnte. Als er wenige Sekunden nach dem Angeklagten an dem Haus erschien, in welchem sich die Wohnung der Zeugin X befindet, war der Angeklagte jedoch bereits durch die Hauseingangstür und das Treppenhaus in die Wohnung eingedrungen und hatte sowohl die Hauseingangstür als auch die Wohnungstür geschlossen. Der Zeuge X befand sich an der Hauseingangstür und betätigte die Klingeln der Wohnung der Zeugin X als auch seiner Eltern, die in dem gleichen Haus eine Wohnung bewohnen. Der Angeklagte, der das Klingeln des Zeugen X wahrnahm, reagierte auf dieses Klingeln hingegen nicht. Weil auf das Klingeln des Zeugen auch bei seinen Eltern niemand öffnete und er keinen Schlüssel für das Haus bei sich hatte, begab sich der Zeuge zu Fuß zurück zu der Wohnung des X. Telefonisch konnte der Zeuge X den Angeklagten zu diesem Zeitpunkt nicht kontaktieren, weil er sein Telefon in der Wohnung des Zeugen X liegen gelassen hatte.
383. Feststellungen zum Tatgeschehen
39Der Angeklagte parkte seinen Wagen in der Nähe der Wohnung der Zeugin X und begab sich zu dem Haus X, in welchem die Wohnung gelegen ist. Hierbei handelt es sich um ein Haus mit insgesamt sechs Parteien mit zwei Wohnungen je Geschoss und einem Dachboden. Die Wohnung der Zeugin X liegt im zweiten Obergeschoss rechts. Der Angeklagte schloss mit dem mitgebrachten Schlüssel die Hauseingangstür auf und begab sich nach oben, wo er auch die Wohnungstür aufschloss und nach Betreten der Wohnung hinter sich wieder schloss.
40Die Wohnung ist wie folgt aufgeteilt: Vom Eingang ausgehend gelangt man direkt in den zirka 2,5qm großen Wohnungsflur. Von dort geht links das Bad ab. Etwas weiter den Flur entlang, schräg gegenüber vom Eingang zum Bad befindet sich rechtsseitig die Küche. Der Flur führt geradeaus in das etwas über 13qm große Wohnzimmer, mit Beginn des Wohnzimmers führt rechts eine Tür in das Schlafzimmer.
41Nachdem der Angeklagte die Wohnung der Zeugin X betreten und die Tür hinter sich geschlossen hatte, begab er sich durch den Flur geradeaus in Richtung Wohnzimmer, nahm währenddessen das Klingeln des Zeugen X wahr, reagierte darauf aber nicht sondern begab sich in das Wohnzimmer. In dem Wohnzimmer stand links in einer Nische eine schwarze Kunstledercouch. Vor dieser Couch standen ein runder Glastisch, ein schwarzer Kunstledersessel und ein dazu passender Hocker. Weiter vor dem Tisch und dem Hocker stand quer ein Klappbett. Im Wohnzimmer angelangt, begab er sich zu dem auf dem Klappbett vor dem Fernseher erkennbar schlafenden Zeugen X, der am Vorabend etwa einen Liter Wein getrunken und eine unbekannt gebliebene Menge Cannabis konsumiert hatte und auch durch das Eintreten des Angeklagten nicht aufwachte. Der Angeklagte beugte sich über den X und begann unvermittelt, diesen am Hals zu würgen, zunächst ohne etwas zu sagen. Davon wurde der Geschädigte wach und begann sofort, sich zu wehren, was der Angeklagte mit den Worten kommentierte „Ich bringe dich um“ und/oder „du wirst sterben“. Es entwickelte sich ein Handgemenge, im Zuge dessen das Klappbett zusammenbrach. Dem Geschädigten, der sich unterhalb des Angeklagten liegend befand, gelang es, den in unmittelbarer Nähe des Klappbetts befindlichen Schlagring zu greifen und damit auf den Kopf des Angeklagten einzuschlagen, den mindestens drei Schläge trafen. Dadurch zog sich der Angeklagte oberflächliche Verletzungen auf dem Kopf und oberhalb der linken Augenbraue zu.
42Als der Angeklagte die Schläge gegen seinen Kopf wahrnahm, zog er mit der linken Hand aus der linken Tasche seiner Hose das Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 9 cm heraus, obwohl es ihm auch zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen wäre, von dem Geschädigten abzulassen und die Wohnung zu verlassen, was ihm auch bewusst war. Nachdem er den Klingenschutz von dem Messer entfernt hatte, stach der Angeklagte zunächst mit Wucht in den hinteren Halsbereich des Geschädigten, der sich zu diesem Zeitpunkt leicht aufgerichtet hatte, anschließend leicht in den Bauchbereich, wobei der Geschädigte auch an der linken Hand durch eine Abwehrreaktion eine Verletzung davon zog, und schließlich wiederum mit ganz erheblicher Wucht in den hinteren Halsbereich, wobei er bei den jeweiligen Stichen erkannte, dass damit auch tödlich verlaufende Verletzungen bei dem Geschädigten wie auch solche, die eine Lähmung zur Folge haben, hervorgerufen werden könnten und das Eintreten solcher Verletzungsfolgen billigte.
43Durch den Bauchstich wurde die Körperhöhle eröffnet, innere Organe bzw. größere Gefäße wurden jedoch nicht verletzt. Auch erlitt der Geschädigte im Zuge von Abwehrhandlungen gegen das Messer am linken Daumen bzw. am vierten linken Finger Schnittverletzungen über eine Länge von 2,5 cm bzw. 1,5 cm. Im Zuge der Stiche in den Halsbereich zog sich der Geschädigte zwei tiefreichende kombinierte Stich- und Schnittverletzungen am rückwärtigen Hals davon. Durch den ersten Stich wurde die Halsschlagader nur knapp verfehlt, durch den zweiten Stich wurde das Halsmark zu ¾ durchtrennt, was zur sofortigen Lähmung sämtlicher Extremitäten halsabwärts führte.
44Bereits unmittelbar nach dem zweiten Stich in den Hals empfand der Geschädigte die ersten Symptome einer Querschnittslähmung. Er lag auf dem Fußboden und konnte sich nicht mehr bewegen, was der Angeklagte sofort bemerkte. Seine plötzliche Bewegungsunfähigkeit äußerte der Geschädigte auch gegenüber dem Angeklagten und forderte ihn auf, sofort einen Arzt zu rufen. Der Angeklagte reagierte darauf mit den Worten, für den Geschädigten „doch keinen Krankenwagen zu rufen“ und begab sich in das Badezimmer, wo er sich zunächst wusch. Nachdem der Angeklagte sich gewaschen hatte, überkam ihn nunmehr eine tiefe Betroffenheit über seine Handlungen, er war sich bewusst, dass der Geschädigte schwer verletzt und bewegungsunfähig im Wohnzimmer lag, verblieb jedoch im Badezimmer. Ihm war auch bewusst, dass er weiterhin in der Lage war, den um Hilfe rufenden Geschädigten zu töten, sah davon jedoch ab.
45Die Zeugen, die sich in der Wohnung des Zeugen X aufhielten, machten sich Sorgen insbesondere über das Fernbleiben des Angeklagten. Daraufhin kontaktierte der Zeuge X auf Bitten des Zeugen X den Angeklagten wenige Minuten nach der Tat auf dem Handy des Angeklagten. Der Angeklagte meldete sich sofort mit den Worten, er habe „Scheiße gebaut“, ohne jedoch die weiteren Geschehnisse näher darzustellen oder den Anrufer X zu bitten, einen Krankenwagen zu rufen. Er ging aber wegen seiner Aussage zutreffend davon aus, dass einige seiner Freunde sich nunmehr unverzüglich zu ihm begeben würden und rechnete auch damit, dass jedenfalls seine Freunde einen Krankenwagen rufen würden. Selbst sah er sich dazu jedoch nicht in der Lage.
46Nach dem kurzen Telefonat mit dem Angeklagten rannten die Zeugen X, X und X unverzüglich zu der Wohnung der Zeugin X, wo ihnen der Angeklagte die Wohnungstür öffnete. Der Zeuge X erreichte als erster die Wohnung, gefolgt von der wenige Sekunden später eintreffenden Zeugin X, und nahm den Geschädigten wahr, der blutüberströmt in Rückenlage an der Heizung im Wohnzimmer lag und um Hilfe bat. Auch teilte der Geschädigte mit, dass er seine Beine nicht bewegen könne und die Beine nur kribbeln würden. Gleichzeitig rief er nach einem Arzt und um Hilfe. Weil der Zeuge X kein Handy dabei hatte, rannte er daraufhin die Treppen wieder hinunter und begab sich zu der nahe gelegenen Telefonzelle. Auf dem Weg dorthin begegnete er dem Zeugen X, der als dritter am Tatort eintraf. Am 06.07.2015 um 00:27:15 Uhr ging der Notruf des Zeugen X bei der Kreisleitstelle der Feuerwehr Recklinghausen ein, die daraufhin einen Rettungswagen zur Wohnung der Zeugin X entsandte und auch die Polizei alarmierte.
47In der Zwischenzeit kümmerten sich die Zeugen X und X um den Geschädigten, der nach wie vor ansprechbar war und insbesondere mitteilte, unter Atemproblemen zu leiden. Auch teilte er mit, dass er Durst habe und bat die Zeugen darum, dass diese seine Beine gerade richten. Aus Angst, die Verletzungsfolgen noch zu verschlimmern, ließen die Zeugen den Geschädigten jedoch in der Position liegen, wie sie ihn vorgefunden hatten.
48Der Angeklagte hatte zwischenzeitlich die Wohnung verlassen und saß bei Eintreffen der Ersteinsatzkräfte der Polizei auf den Stufen der Eingangstreppe vor dem Haus X. Auf der Fahrt zum Einsatzort wurden die Einsatzkräfte per Funk darüber informiert, dass es zu einer Messerstecherei gekommen sei. Vor Ort eintreffend wurde der Angeklagte von mehreren Polizeibeamten umstellt und aufgefordert, das Messer auf die Treppe zu legen. Daraufhin zog der Angeklagte das blaue Küchenmesser, dessen Klinge zu diesem Zeitpunkt wieder mit der dafür vorgesehenen Schutzhülle gesichert war, aus der linken vorderen Hosentasche und legte es auf der Treppe ab. Einer der Polizeibeamten nahm das Messer an sich und brachte es aus dem Aktionsbereich des Angeklagten. Der Angeklagte wurde um 00:40 Uhr vorläufig festgenommen.
494. Weitere Feststellungen zum Tatnachgeschehen, insbesondere zur Verfassung des Angeklagten und den Verletzungsfolgen des Geschädigten X
50a) Der Angeklagte wurde wegen der oberflächlichen Kopfverletzungen in dem St. Vincenz-Krankenhaus in Datteln versorgt. Ein dort durchgeführter Atemalkoholtest ergab einen Wert von 0,00 mg/l. Anschließend wurde der Angeklagte der Polizeiwache in Datteln zugeführt. Die Untersuchung einer dem Angeklagten um 03:40 Uhr entnommenen Blutprobe verlief negativ.
51b) Die kurze Zeit nach dem Notruf des Zeugen X eintreffenden ersten Rettungskräfte begaben sich mit einem Teil der Einsatzkräfte der Polizei in die Wohnung der Zeugin X und führten die medizinische Erstversorgung des Geschädigten durch, der weiter bei Bewusstsein und in der Lage war sich mitzuteilen. Nach erster medizinischer Versorgung mittels einer Halskrawatte durch den Notarzt wurde er mit einem Rettungstransportwagen dem Knappschaftskrankenhaus Klinikum Vest in Recklinghausen zugeführt. Dort äußerte er sich noch in der Notfallaufnahme und noch vor Ergreifung erster medizinischer Maßnahmen gegenüber dem sachverständigen Zeugen Dr. med. X zum Tatgeschehen und schilderte dies hinsichtlich des Angriffs in groben Zügen im Wesentlichen wie festgestellt. Bei Eintreffen im Krankenhaus war der Geschädigte kreislaufstabil, ansprechbar, zur Person zeitlich und örtlich orientiert, lediglich in der Sprechweise etwas verlangsamt.
52Der Geschädigte wurde noch in derselben Nacht in dem Knappschaftskrankenhaus Klinikum Vest in Recklinghausen notfallmäßig operiert. Es wurde eine 10 cm lange Schnittverletzung linksseitig in von oben nach unten verlaufender Richtung festgestellt, die in Höhe des 4. Halswirbelkörpers so tief ging, dass die knöcherne Strukturen der Wirbel getastet werden konnten. Eine zweite Stichverletzung wurde horizontal unterhalb des Ohres rechts an der Halsseite festgestellt. Aufgrund der neurologischen Ausfallsymptomatik, der Geschädigte zeigte weder an den Armen noch Beinen eine Spontanmotorik, wurde schon zu diesem Zeitpunkt eine Querschnittslähmung vermutet. Im Zuge der weiteren operativen Maßnahmen stellte sich heraus, dass ein Stichkanal im Bereich des Wirbelbogens des 4. Halswirbelkörpers bestand, der horizontal verlief und eine Länge von 1 cm aufwies. Der Wirbelbogen war von dem Stichkanal vollständig durchsetzt. Weitere Einstichstellen ließen sich im Bereich des Wirbelbogens 3 an zwei Stellen nachweisen, ohne den Wirbelbogen vollständig perforiert zu haben.
53Der Geschädigte hatte infolge der Stichverletzungen mindestens 800ml Blut verloren. Aufgrund von Atemproblemen musste er über eine Woche künstlich beatmet werden. Vermutlich infolge der künstlichen Beatmung entwickelte der Geschädigte eine Lungenentzündung, die letztlich ohne weitere Spätfolgen für den Geschädigten erfolgreich behandelt wurde.
54Der Geschädigte wurde am 20.07.2015 zur Weiterbehandlung in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Duisburg in die Sektion für Rückenmarkverletzte verlegt. Infolge der Stichverletzung in den hinteren Halsbereich des Geschädigten wurde letztlich das Rückenmark in Höhe des vierten Halswirbels fast vollständig durchtrennt, wodurch es zu einer Querschnittslähmung kam. Infolge der Querschnittslähmung entwickelte der Geschädigte sodann eine äußerst starke Spastik, die durch eine Medikamentengabe versucht wurde einzustellen, im Zuge einer der Krampfanfälle brach sich der Geschädigte am Bettgitter den Zahn 1,4 teilweise ab. Erst nach über 4 Monaten konnte die Spastik durch Implantierung einer Medikamentenpumpe in den Unterleib ärztlicherseits zufriedenstellend behandelt werden.
55Am 08.12.2015 wurde der Geschädigte stabil aus dem Krankenhaus entlassen. Seit dem lebt der Geschädigte in einer betreuten Einrichtung.
56Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird der Geschädigte durch die Verletzung eine hohe Querschnittslähmung halsabwärts beibehalten, die nicht reversibel ist. Lediglich etwa 1/10 der ursprünglichen Funktionsfähigkeit der rechten Hand mit unvollständigem Faustschluss ist erhalten geblieben beziehungsweise konnte durch die frühzeitig eingeleitete Krankengymnastik wiederhergestellt werden. Der Geschädigte wird infolge der Verletzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Zeit seines Lebens auf eine durchgehende Pflege in allen Lebensbereichen angewiesen sein. Er leidet unter den Verletzungsfolgen erheblich und hat jeglichen Lebenswillen verloren.
57Wäre der Geschädigte nicht unmittelbar nach den Verletzungshandlungen medizinisch betreut worden, wäre er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jedenfalls infolge von Blutverlust, oder aber aufgrund eines Atemstillstandes, verstorben.
585. Weitere Feststellungen zur psychischen Verfassung des Angeklagten
59Zur geistigen-psychischen Verfassung des Angeklagten zur Tatzeit sowie insgesamt lässt sich unter Heranziehung der wissenschaftlich begründeten, forensisch-psychiatrischen Ausführungen des von der Kammer als Sachverständigen hinzugezogenen Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Forensische Psychiatrie, Dr. med. Dipl.-Psych. X, Nachfolgendes festhalten.
60Dem Angeklagten gelingt es nur bedingt, sich bei Fragen über seine eigenen emotionalen Empfindungen auszudrücken. Er ist wenig ehrgeizig, durchschnittlich intelligent, selbstunsicher und nicht selbstbewusst, er kann jedoch für seine eigenen Belange sorgen. Auffällig ist der Freundeskreis, in welchem sich der Angeklagten eingefügt hat, bei welchem mehrere Personen intelligenzgemindert und dem Angeklagten insoweit deutlich unterlegen sind. Ein Teil der Freunde steht unter Betreuung.
61Bei dem Angeklagten besteht eine ausgeprägte Neigung der Affektretention, er kann Ärger nicht verbalisieren, sondern sammelt diesen in sich auf, was zu einem sich anstauenden inneren Druck führt. Dadurch bildet sich ein zunehmendes Kräftepotential aus. Dies zeigte sich beispielsweise im Umgang mit der Zeugin X, die er nach ihrem Auszug aus der Wohnung zunehmend kontrollierte, beispielsweise indem er ihre Handynachrichten durchsah. Letztlich hat sich die über Monate angestaute Wut bei dem Angeklagten in der Tat in massiven Gewalthandlungen entladen.
62III.
63Die getroffenen Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf den Angaben des An-geklagten, auf der Aussage des Zeugen und Nebenklägers X, den Ausführungen des hinzugezogenen gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. med. X, den in Augenschein genommenen Lichtbildern und technischen Aufzeichnungen, den gutachterlichen Ausführungen des von der Kammer hinzugezogenen Sachverständigen, des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. X, sowie den sonst ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls erhobenen Beweisen.
641. Würdigung zu den persönlichen Verhältnissen
65Der Angeklagte hat im Verlauf der Hauptverhandlung wie auch zuvor im Rahmen der Exploration gegenüber dem hinzugezogenen Sachverständigen weitgehende Angaben zu seiner Person gemacht. Der Angeklagte wurde insbesondere auch zu seiner Freizeitgestaltung und seinem Genussmittelkonsum befragt und hat hierzu die den Feststellungen zugrunde liegenden und von der Kammer wegen deren inhaltlicher Plausibilität nicht für zweifelhaft befundenen Angaben gemacht.
662. Würdigung des Tatgeschehens
67Der Angeklagte hat sich zur Sache eingelassen und das Tatgeschehen im Wesentlichen wie festgestellt geschildert.
68Seine Einlassung wurde bestätigt durch die Aussagen der einvernommenen Zeugen. Die Zeugen X, X, X, X und X, insbesondere aber die Zeugin X, haben zum Verhältnis des Angeklagten zur Zeugin X Angaben gemacht und bestätigt, dass sich der Angeklagte schon längere Zeit eine Beziehung zur Zeugin gewünscht hatte. Die Zeugin X hat dabei auch nähere Umstände der Eifersucht des Angeklagten ihr gegenüber geschildert.
69Die Zeugen haben auch den Verlauf der gemeinsamen Freizeitgestaltung am 05.07.2015 wie festgestellt geschildert und auch insoweit die Einlassung des Angeklagten bestätigt. Der Zeuge X hat nachvollziehbar und schlüssig ausgesagt, dass der Angeklagte auf sein Klopfen hin die Seitenscheibe des Fahrzeugs herunter gelassen, aber ansonsten nicht reagiert habe.
70Der Zeuge X hat das Kampfgeschehen in wesentlichen Zügen so wie auch der Angeklagte geschildert und wie es die Kammer festgestellt hat. Dabei war seine Aussage detailreich und deckte sich auch mit objektiven Befunden. Belastungstendenzen traten im Übrigen nicht auf. Der Zeuge schilderte beispielsweise, dass es dem Angeklagten jederzeit möglich gewesen wäre, auch nach dem eigentlichen Kampfgeschehen ihn zu töten, der Angeklagte aber von ihm aus eigenem Antrieb abgelassen habe, nachdem es zu den Stichen in den Hals gekommen sei.
71Soweit der Angeklagte sich dahingehend eingelassen hat, er habe mit dem Geschädigten X am Tatabend ursprünglich lediglich ein klärendes Gespräch führen wollen, wurde diese Einlassung durch die übrigen Zeugenaussagen widerlegt. Insbesondere der Zeuge X bestätigte, dass der Angeklagte in Bezug auf den Geschädigten mehrfach betont habe, diesem „auf die die Schnauze“ hauen zu wollen. Der Angeklagte räumte auch ein, diese Äußerung in der Vergangenheit mehrfach getätigt zu haben. Darüber hinaus korrespondiert die Einlassung des Angeklagten, ein klärendes Gespräch mit dem Geschädigten habe führen zu wollen, auch nicht mit dem weiteren Tatablauf. Denn insoweit hätte es der Schlüssel der Zeugin X nicht bedurft, die es dem Angeklagten letztlich ermöglicht haben, unbemerkt von dem Geschädigten in die Wohnung einzudringen und diesen in der Wohnung zu überraschen. Auch der unvermittelte Angriff auf den Schlafenden widerlegt die Einlassung insoweit.
72Soweit der Angeklagte bestritten hat, den Geschädigten mit den Worten „Ich bringe dich um“ gewürgt zu haben und das er ihm gegenüber auch nicht geäußert habe, für ihn keinen Krankenwagen zu rufen, sind diese Einlassungen widerlegt durch das Ergebnis der Beweisaufnahme. Der Geschädigte hat im Rahmen seiner Zeugenaussage die Angaben dazu wie festgestellt gemacht, die Kammer hat unter Berücksichtigung der vorliegenden Realkennzeichen wie der fehlenden Belastungstendenzen, dem Detailreichtum der Aussage – der Angeklagte konnte sich an Einzelheiten wie die drei Stiche ebenso erinnern wie Vor- und Nachtatdetails, beispielsweise seinen Alkohol- und Canabiskonsum am Vorabend – und der Schilderungen auch eigener belastender Umstände wie der Tatsache, dass er DVDs des Angeklagten verkauft habe, keinen Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Aussage des Geschädigten.
73Die Feststellungen zu den drei Stichen beruhen auf den Angaben des Geschädigten, der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, im Übrigen auf den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. med. X. Soweit der Angeklagte sich dahingehend eingelassen hat, er habe lediglich an einen Stich gegen den Hals des Geschädigten eine positive Erinnerung, werden die übrigen Verletzungshandlungen durch die Aussage des Geschädigten und des rechtsmedizinischen Sachverständigen nachvollziehbar belegt. Der Geschädigte hat die Verletzungshandlungen wie festgestellt geschildert, der rechtsmedizinische Sachverständige hat nachvollziehbar anhand des Verletzungsbildes dargestellt, dass es sich dabei um den wahrscheinlichsten Handlungsablauf handele. Aufgrund des konkreten Verletzungsbildes – unterschiedliche Stich- und Schnittverletzungen an unterschiedlichen Körperstellen – könnten diese nicht aufgrund nur einer Stichbewegung verursacht worden sein. Dem schließt sich die Kammer unter zusammenfassender Würdigung insbesondere auch der Zeugenaussage des Geschädigten an.
74Soweit der Angeklagte ausgesagt hat, den Geschädigten nicht habe töten zu wollen, wird diese Einlassung widerlegt durch das Ergebnis der Beweisaufnahme. Dass der Angeklagte den Eintritt eines Todes des Geschädigten als möglich und nicht ganz fernliegend erkannte, folgt aus der objektiven Gefährlichkeit der beiden Stiche. In der insoweit vorzunehmenden Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalls war zu berücksichtigen, dass die Stiche mit erheblicher Wucht und mehrfach gegen den Halsbereich geführt wurden, der Angeklagte sich zwar in einem Zustand affektiver Erregung befand, der jedoch das Maß einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung nicht erreichte und er hinsichtlich seiner Motivlage vor allem handelte, um sich an dem Geschädigten für die empfundenen Ungerechtigkeiten hinsichtlich seines Eigentums zu rächen, aber vor allem auch aus Eifersucht im Hinblick auf die Zeugin X. Die Verletzungshandlungen, vor allem die beiden Stiche in den Halsbereich des Geschädigten, waren äußerst gefährlich, nach den Ausführungen des Sachverständigen letztlich zufällig nicht unumkehrbar tödlich.
75Unter Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten ergebenden Besonderheiten war auch festzustellen, dass der Angeklagte den Eintritt des Todes des Geschädigten jedenfalls im Zeitpunkt der Ausführung der Verletzungshandlungen zumindest billigend in Kauf nahm. Seine Wut auf den Geschädigten hatte sich über einen Zeitraum von Monaten immer mehr aufgestaut, der Angeklagte konnte sich mit der Verletzung seines Eigentums, vor allem aber auch seiner Eifersucht auf die Zeugin X nicht abfinden und wollte unter Billigung auch tödlicher Verletzungsfolgen seine Wut an dem Geschädigten abreagieren. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Angeklagte unmittelbar nach den Verletzungshandlungen von dem Geschädigten abließ, unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände von Tat und Täterpersönlichkeit, insbesondere der Äußerung gegenüber dem Geschädigten unmittelbar vor den Verletzungshandlungen, diesen umbringen zu wollen, hat die Kammer keinen vernünftigen Zweifel, dass der Angeklagten den Tod des Geschädigten im Zeitpunkt der Verletzungshandlungen zumindest billigend in Kauf nahm.
76Die Feststellungen zur Tatörtlichkeit beruhen auf den Angaben des Geschädigten X, den Zeugenaussagen der Zeugen X, X und Xl sowie der Inaugenscheinnahme der 81 vom Tatort gefertigten Lichtbilder.
773. Würdigung des Nachtatgeschehens, insbesondere der Festnahme des Angeklagten und der ärztlichen Behandlung und sonstigen Verletzungsfolgen des Geschädigten
78Die Feststellungen zur Festnahme des Angeklagten beruhen auf den Aussagen der Zeugen PK X, PK X, POK X und KA X. Diese haben insbesondere Angaben zur Antreffsituation in der Tatnacht und zum Verhalten des Angeklagten nachvollziehbar und schlüssig und ohne Widersprüche gemacht. Diese Angaben deckten sich wiederum auch mit der Einlassung des Angeklagten. Insbesondere war der Angeklagte nach der Aussage des Zeugen PK X in der Lage, auf Aufforderungen der eintreffenden Polizeibeamten zu reagieren, indem er beispielsweise das Messer aus der Hosentasche holte und zur Seite legte, und konnte sachgerechte – kurze – Antworten auf die Fragen der Beamten insbesondere zum Geschehen liefern.
79Die Feststellungen zur ärztlichen Behandlung der Verletzungsfolgen des Geschädigten beruhen auf den Aussagen der sachverständigen Zeugen Dr. med. X, X, Dr. X und Dr. med. X. Der sachverständige Zeuge Dr. X war als Anästhesist für die Beaufsichtigung des Kreislaufs des Geschädigten verantwortlich und konnte insbesondere Angaben wie festgestellt zur gesundheitlichen Verfassung unmittelbar in der Notaufnahme und insbesondere dem Blutverlust des Geschädigten machen. Die sachverständige Zeugin Dr. X war als diensthabende Oberärztin in die operative Erstversorgung des Geschädigten involviert, konnte aber als behandelnde Oberärztin in der Folgezeit auch wie festgestellt nachvollziehbare und schlüssige Angaben zur Schwere und Lebensbedrohlichkeit der Verletzungen, zum Heilungsverlauf, den Atemproblemen und der Entwicklung der Lungenentzündung machen. Der sachverständige Zeuge Dr. X machte wie festgestellt Angaben zum Behandlungsverlauf nach dem 21.07.2015, insbesondere zur Behandlung der sich stark entwickelnden Spastik und dem späteren Einbau einer Medikamentenpumpe.
80Die Feststellungen zu den sonstigen Verletzungsfolgen beruhen auf der Aussage des Geschädigten.
814. Würdigung der Befindlichkeit des Angeklagten vor, während und nach der Tatbegehung
82Hinsichtlich der Feststellungen zur psychischen Befindlichkeit des Angeklagten beruhen diese auf den gutachterlichen Ausführungen des von der Kammer hinzugezogenen Sachverständigen, des Facharztes insbesondere für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. Dipl.-Psych. X, denen sich die Kammer nach eigener Prüfung vollinhaltlich anschließt. Dieser hat seine Erläuterungen auf den Inhalt der Strafakten, die eingehende und umfassende Exploration des Angeklagten am 13.08. und 19.08.2015 sowie die Erkenntnisse aus der Hauptverhandlung gestützt.
83Danach sind weder psychische noch körperliche Erkrankungen bei dem Angeklagten feststellbar, auch kein Hang, Suchtmittel im Übermaß zu konsumieren. Auch fanden sich bei dem Angeklagten, der in der über fünf Verhandlungstage andauernden Sitzung zwar einen in sich gekehrten, im Übrigen aber bewusstseinsklaren Eindruck vermittelte und sämtliche Fragend es Gerichts beantwortete, keine Hinweise auf eine Persönlichkeitsstörung. Auch waren keinerlei Auffälligkeiten im psychopathologischen Befund festzustellen.
84Eingehend hat sich die Kammer entsprechend sachverständig beraten auch mit der Frage auseinander gesetzt, ob bei dem Angeklagten zur Tatzeit eine „tiefgreifende Bewusstseinsstörung“ vorgelegen haben könnte, die schuldmindernd oder gar aufhebend wirkte, und dies nach eingehender Prüfung sicher verneint. Der Tat voraus ging vielmehr eine sich langsam zuspitzende Affektentwicklung, die bereits Monate vorher angelegt war und sich mit immer stärker werdenden aggressiven Gefühlen gegenüber dem Geschädigten X, aber auch gegenüber der Zeugin X, entwickelte, und die letztlich in der Tat mündete. Anhaltspunkte für eine akute Belastungssituation, wie etwa vegetative Erscheinungen (Herzrasen, Schwitzen und Erröten etc. …), erhebliche kognitive Störungen oder sinnlos erscheinende Verhaltensweisen konnten nicht festgestellt werden. Der Sachverständige hat insoweit auch nachvollziehbar dargelegt, dass sich kein abrupter, sondern ein eher lang hingezogener, geplanter und aus einzelnen Handlungsabschnitten bestehender Handlungsverlauf gezeigt habe, der mit den Kriterien zur Feststellung einer akuten Belastungsreaktion und damit einhergehend einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung nicht in Einklang zu bringen ist. Diese Angaben sind nachvollziehbar und decken sich mit den Feststellungen. In der Wohnung des Zeugen X gab der Angeklagte der Zeugin X die Handtasche sogar zunächst noch zurück und reagierte damit auf das Zureden der Anwesenden, im Auto ließ er auf das Klopfen des Zeugen die Seitenscheibe herunter, auch nahm er in der Wohnung der Zeugin X auch das Klingeln des Zeugen X wahr.
85Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Vortatgeschehens, der Tatausführung wie auch des Nachtatgeschehens und der insoweit gemachten Angaben des Angeklagten und der Angaben der Zeugen, soweit diese Phasen ihrer Wahrnehmung unterlagen, konnte die Kammer ausschließen, dass bei festzustellender erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat im Sinne eines der Eingangsmerkmale des § 21 StGB erheblich vermindert war.
86IV.
87Indem der Angeklagte mit dem Messer in den hinteren Halsbereich des Geschädigten stach, durch den zweiten Stich das Halsmark zu ¾ durchtrennte, was zu einer dauerhaften und nicht reversiblen Lähmung des Geschädigten halsabwärts bis auf eine Teilfunktionsfähigkeit des rechten Arms führte, verwirklichte der Angeklagte den objektiven und subjektiven Tatbestand der schweren Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 3 Var. 3 StGB rechtswidrig und schuldhaft.
88Bezüglich des Eintritts der Lähmung, die fahrlässig oder bedingt vorsätzlich herbeigeführt worden sein muss, handelte der Angeklagte jedenfalls mit bedingtem Vorsatz. Aufgrund der Nähe der Einstiche im Halsbereich sowohl zur Halsschlagader als auch zu den Halswirbeln und der nach den Ausführungen des Sachverständigen hohen Wucht, mit der die Stiche – vor allem der letzte Stich – geführt wurden, konnte der Angeklagte erkennen, dass derart schwere Verletzungsfolgen eintreten werden, er nahm diese jedoch billigend in Kauf.
89Der Angeklagte handelte insbesondere auch nicht gerechtfertigt. Bereits die Voraussetzungen einer Notwehrlage nach § 32 StGB lagen nicht vor, da die Schläge des Geschädigten mit dem Schlagring gegen den Kopf des Angeklagten keinen rechtswidrigen Angriff gegen den Angeklagten darstellten, sondern ihrerseits aufgrund des zuvor erfolgten Würgens des Angeklagten nach § 32 StGB gerechtfertigt waren. Auf die von der Verteidigung angesprochenen normativen Einschränkungen der Notwehr kam es mithin nicht an.
90Indem der Angeklagte mit dem Küchenmesser zweimal in den Hals des Geschädigten stach, verwirklichte er rechtswidrig und schuldhaft auch den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB.
91Die Körperverletzung ist gem. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen worden. Den sachverständigen Ausführungen auch insoweit nach eigener Prüfung folgend konnte die Kammer feststellen, dass die Stiche in den konkreten Halsbereich generell und hier auch konkret lebensgefährdend sind. Wäre der Stich etwas oberhalb des C4 Halswirbels angesetzt worden, hätte der Geschädigte nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. X mit hoher Wahrscheinlichkeit den Transport in das Krankenhaus nicht mehr überlebt, weil dann die Unterstützung der Atemmuskulatur ausgesetzt hätte. Im Übrigen wurde die Halsschlagader durch den ersten Stich nur knapp verfehlt, wäre diese verletzt worden, hätte es mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Verbluten des Angeklagten führen können. Wäre der Angeklagte nicht unverzüglich medizinisch behandelt worden, wäre er an den Folgen der kombinierten Stich- und Schnittverletzungen verstorben.
92Der Angeklagte handelte auch vorsätzlich. Für den Körperverletzungsvorsatz im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ist es neben dem zumindest bedingten Verletzungsvorsatz erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Täter die Umstände erkennt, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit des Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers ergibt, wenn er sie auch nicht als solche bewertet (vgl. BGH, Urteil v. 26.03.2015 – 4 StR 442/15).
93Der Angeklagte vermochte zu erkennen, dass die heftigen Stiche in den Halsbereich des Geschädigten konkret lebensgefährlich sind, er nahm ein mögliches Versterben des Geschädigten auch billigend in Kauf.
94Damit hat der Angeklagte eine schwere Körperverletzung in Form der Lähmung (§ 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB) sowie eine gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) verwirklicht. In der Begehungsform der Nr. 5 steht die gefährliche Körperverletzung zur schweren Körperverletzung dabei in Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 17.06.2009 - 1 StR 241/09; BGH, Beschluss vom 21.10.2008 – 3 StR 408/08). Die Annahme von Gesetzeskonkurrenz würde das gesonderte Unrecht, das – über die schwere Folge der Körperverletzung hinausgehend – in der lebensgefährlichen Handlung liegt, nicht zum Ausdruck bringen.
95Da die eingetretene schwere Folge gerade auf den Einsatz und die Verwendung des Küchenmessers als gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zurückzuführen ist, wird dieser durch den ebenfalls verwirklichten § 226 Abs. 1 StGB verdrängt (vgl. zum Verhältnis § 224 und § 227 StGB: BGH, Beschluss vom 30.08.2006 – 2 StR 198/06, NStZ-RR 2007, 76).
96Eine Strafbarkeit des Angeklagten gem. §§ 211, 212, 22, 23 StGB kam nicht in Betracht. Zwar handelte der Angeklagte insbesondere mit jedenfalls bedingtem Tötungsvorsatz. Jedenfalls aber ist der Angeklagte von einem versuchten Mord/Totschlag strafbefreiend zurückgetreten. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass nicht der Angeklagte, sondern der Zeuge XXX die Rettungssanitäter alarmierte. Letztlich hat jedoch der Angeklagte durch seine Mitteilung am Telefon, er habe „Scheiße gebaut“ und das anschließende Öffnen der Wohnungstür für die Zeugen die Rettungskette bewusst in Gang gesetzt und die medizinische Erstversorgung und damit Rettung des Geschädigten ermöglicht. Dem Angeklagten war auch bewusst, dass er jederzeit den bewegungslosen Geschädigten, der erkennbar bei Bewusstsein war, hätte töten können, nahm davon jedoch aus eigenem Antrieb Abstand.
97V.
98Bei der Strafzumessung hat die Kammer den nach Maßgabe des § 52 Abs. 2 S. 1, S. 2 StGB heranzuziehenden Strafrahmen des § 226 Abs. 1 StGB von einem Jahr bis zu zehn Jahren zugrunde gelegt.
99Zu einer Absenkung des Strafrahmens für den nach § 226 Abs. 3 StGB möglichen minder schweren Fall einer schweren Körperverletzung, der von sechs Monaten bis zu fünf Jahren reicht, hat hingegen die Wertung der Kammer auch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände von Tat und Täterpersönlichkeit nicht geführt.
100Dabei hat die Kammer zunächst berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Annahme eines minder schweren Falles zwingend geboten ist, es einer Abwägung der schulderhöhenden und -mindernden Umstände mithin nicht bedarf, wenn der besondere Strafmilderungsgrund des auch hier anwendbaren § 213 1. Alternative StGB gegeben ist, der Täter also durch eine von ihm nicht provozierte schwere Kränkung vom späteren Opfer zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden ist (zur Anwendung dieser Grundsätze bei Körperverletzung mit Todesfolge BGH, Beschluss vom 05.08.1993 – 4 StR 281/93; BGH, Urteil vom 29.08.1973 – 2 StR 268/73, BGHSt 25, 222). Für die Frage, ob der Täter „auf der Stelle zur Tat hingerissen worden ist“ ist maßgebend nicht, ob sich die Tat als „Spontantat” darstellt; vielmehr kommt es darauf an, ob der durch die Provokation hervorgerufene Zorn noch angehalten und den Angeklagten zu seiner Tat hingerissen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 5 StR 358/10, NStZ-RR 2011, 10).
101Eine solche Tatprovokation des Geschädigten konnte die Kammer jedoch nicht feststellen. Dabei verkennt sie nicht, dass der Geschädigte Wochen vor der Tat dem Angeklagten einen Schlagring vorhielt und bei anderer Gelegenheit mit der Faust drohte. Unabhängig davon, dass Zweifel an dem Bestehen der sonstigen Voraussetzungen des genannten Milderungsgrundes bestehen, scheitert die Anwendung der oben genannten Grundsätze bereits daran, dass der Angeklagte über einen verhältnismäßig langen Zeitraum keinen Kontakt mehr zum Geschädigten hatte, der letzte Kontakt vielmehr auch nach Angaben des Angeklagten Wochen vor der Tatbegehung stattfand und der Angeklagte nicht unter dem beherrschenden Einfluss einer anhaltenden Erregung über die Provokation des Geschädigten handelte, sondern wegen der Jahre zuvor stattgefundenen Diebstähle seines Eigentums in Kombination mit der nach wie vor bestehenden Eifersucht bezüglich der Zeugin X.
102Auch nach zusammenfassender Würdigung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte vermochte die Kammer bei Betrachtung der Tat nicht zu ersehen, dass das Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Persönlichkeit des Angeklagten dergestalt vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle abwich, dass die grundsätzliche Anwendung des Regelstrafrahmens unangemessen erschien.
103Zugunsten des Angeklagten war zunächst zu berücksichtigen, dass dieser bislang unbestraft ist und Zeit seines Lebens um Arbeit bemüht war. Der Angeklagte weist einen gradlinigen Lebensweg auf, leistete seinen Zivildienst ab und hatte – bis auf die teils längeren Unterbrechungen – stets sein Bemühen gezeigt, einer Arbeit nachzugehen. Auch konnte sich die Kammer im Rahmen der Befragung der Zeugen ein Bild davon machen, dass der Angeklagte gegenüber seinen Freunden als freundlich und hilfsbereit galt und es bislang nie zu Handgreiflichkeiten gekommen war. Das frühzeitige Geständnis des Angeklagten war ebenfalls zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, welches er in der Hauptverhandlung wiederholte. Dabei vermochte die Kammer auch den Angaben des Angeklagten zu folgen, dass diesen die Tatbegehung erheblich belastet und er über die Tatfolgen sichtlich schockiert und betroffen ist. Der Angeklagte hat sich bei dem Geschädigten entschuldigt und auch ihm persönlich sein Bedauern über die katastrophalen Tatfolgen zum Ausdruck gebracht. Auch war die von dem Angeklagten erlittene Untersuchungshaft ausnahmsweise als strafmilderndes Kriterium zu berücksichtigen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass grundsätzlich Untersuchungshaft im Rahmen der Strafzumessung nicht als strafmilderndes Kriterium gewürdigt werden kann. Dies ist jedoch anders, wenn mit ihrem Vollzug ungewöhnliche, über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden waren (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 302/13). Solche Beschwernisse konnte die Kammer hingegen bei dem Angeklagten feststellen. Der Angeklagte befindet sich erstmals in Haft, er ist von seinen Eltern getrennt, die zuvor auf die Unterstützung des Angeklagten angewiesen waren. Dass den Angeklagten als Erstverbüßer die Folgen der Freiheitsentziehung, aber auch die Auseinandersetzung mit der Tat erheblich berührt, war auch aus dem persönlichen Eindruck des Angeklagten ersichtlich. Dieser hatte sich bereits deutlich sichtbar körperlich verändert. Dass die Gefühle zur Zeugin X und die Umstände der Entwendung seiner Blue-Rays und die damit verbundenden Gefühle der Wut und Entrüstung bei der Tatbegehung eine entscheidende Rolle gespielt haben, hat die Kammer ebenfalls nicht aus dem Blick gelassen.
104Zu Lasten des Angeklagten konnte zwar nicht die Lähmung als solche berücksichtigt werden (§ 46 Abs. 3 StGB), jedoch das Ausmaß der Tatfolgen, die für den Geschädigten gravierend sind. Der 1992 geborene Geschädigte wird Zeit seines Lebens in allen Lebensbereichen auf Hilfe Dritter angewiesen sein. Er hat eine Querschnittslähmung schlimmsten Ausmaßes vom Hals abwärts mit geringer Restfunktion des rechten Arms erlitten, die ihn beispielsweise in Bereichen der Körperpflege, der Entleerung des Darms, der Essenszubereitung wie der Freizeitgestaltung durchgehend von der Unterstützung von Pflegekräften abhängig machen wird. Auch war das Vorgehen des Angeklagten zu berücksichtigen, der die Konfrontation mit dem Geschädigten gesucht hat und dabei nicht davor zurückschreckte, in den geschützten Lebensbereich des Geschädigten, der sich zur Tatzeit schlafend in der Wohnung der Zeugin X aufhielt, einzudringen.
105In der Gesamtschau vermochten danach die strafmildernden die strafschärfenden Gesichtspunkte nicht wesentlich zu überwiegen.
106Bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat die Kammer dann ausgehend von der Schuld des Angeklagten die Gesamtheit der inneren und äußeren Seite der Tat erneut gewürdigt und sämtliche für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände, wie sie bereits bei der Bestimmung des Strafrahmens erörtert wurden, nochmals gegeneinander abgewogen. Dabei wurden namentlich das Vorleben des Angeklagten, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, seine Beweggründe und Ziele, die aus der Tat sprechende Gesinnung, der aufgewandte Wille, die Art und Weise der Tatausführung, die Auswirkungen der Tat sowie das danach gezeigte Verhalten berücksichtigt.
107Unter zusammenfassender Würdigung all dieser und aller weiteren für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hielt die Kammer dabei zur Einwirkung auf ihn die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren für tat- schuld- und sühneangemessen.
108VI.
109Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO.
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(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person
- 1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert, - 2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder - 3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person
- 1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert, - 2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder - 3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.
(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.
(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).
(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person
- 1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert, - 2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder - 3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.