Landgericht Bad Kreuznach Urteil, 31. Mai 2012 - 1024 Js 6294/10 Ns

ECLI:ECLI:DE:LGBDKRE:2012:0531.1024JS6294.10NS.0A
bei uns veröffentlicht am31.05.2012

Gericht

Landgericht Bad Kreuznach

Tenor

Die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 09.06.2011 werden verworfen.

Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Berufungsverfahren und ihre notwendigen Auslagen und die der Nebenkläger zu tragen.

Die Staatskasse hat die Kosten des Berufungsverfahrens der Staatsanwaltschaft und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten und der Nebenkläger zu tragen.

Gründe

1

(abgekürzt gemäß §§ 332, 267 Abs. 4 StPO hinsichtlich des Angeklagten K.)

I.

2

Das Amtsgericht - Strafrichter - Bad Kreuznach hat die Angeklagten am 09.06.2011 schuldig der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit zweifacher fahrlässiger Körperverletzung im Amt gesprochen. Es hat den Angeklagten K. deswegen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen á 50,00 Euro verurteilt. Das Gericht hat die beiden Angeklagten A. und M. verwarnt. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen á 25,00 Euro hinsichtlich der Angeklagten A. und in Höhe von 20 Tagessätzen á 40,00 Euro hinsichtlich der Angeklagten M. bleibt vorbehalten.

3

Gegen dieses Urteil haben sowohl alle 3 Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Während die Staatsanwaltschaft ihre Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat, erstreben alle Angeklagten mit der Berufung vom Anklagevorwurf freigesprochen zu werden. In der Hauptverhandlung am 31. Mai 2012 hat die Staatsanwaltschaft ihre Berufung zurückgenommen.

4

Die Berufungen der Angeklagten haben keinen Erfolg.

II.

5

Die Berufungsverhandlung hat zu folgenden Feststellungen geführt:

6

Der heute 55 Jahre alte Angeklagte K. ist geschieden und er hat keine Kinder. Nachdem er die Hauptschule abgeschlossen hatte, absolvierte er von 1971 bis 1973 eine Ausbildung als Forstwirt. Seit 1973 ist der Angeklagte im Forstamt S. beschäftigt. Sein monatliches Nettoeinkommen beträgt 1.500,00 Euro. Er muss 800,00 Euro monatlich aufwenden, um ein Darlehen, das er zum Zwecke des Hausbaus bzw. -kaufs aufgenommen hat, zurückzuzahlen.

7

Die heute 47 Jahre alte Angeklagte A. hat 2 volljährige Kinder. Sie ist ausgebildete Kinderkrankenschwester. Sie war ein Jahr in A. mit der Betreuung behinderter Kinder tätig. In der Diakonie war sie bis zur Geburt ihres ersten Sohnes im Behindertenbereich beschäftigt. Im Jahr 1996 fand sie im Kindergarten in S., dessen Träger die Ortsgemeinde ist, eine Teilzeitbeschäftigung. Sie ist Mitarbeiterin in der von der Zeugin M. geleiteten Mäuse-Gruppe des Kindergartens. Leiterin des gesamten Kindergartens ist die Zeugin P. Gemeinsam mit der Zeugin M., deren Ehemann, der Zeuge M., Revierförster im S.-er Wald ist, betreibt sie die von der Zeugin M. spätestens 2006 initiierte Waldgruppe, in der die Kinder der Einrichtung ab 4 Jahren angehören. Als einer der beiden Waldgruppenerzieherinnen nahm sie in den vergangenen Jahren regelmäßig an den in den Sommermonaten, außer bei schlechtem Wetter, wöchentlich stattfindenden Waldausflügen der Waldgruppe teil, wobei sie bei einem Ausfall von Frau M. auch mit anderen Erzieherinnen unterwegs war. Die Schwiegermutter der Zeugin E. ist Abwesenheitsvertreterin.

8

Das Nettogehalt der Angeklagten A. beträgt monatlich zwischen 800,00 Euro und 900,00 Euro.

9

Die heute 26 Jahre alte Angeklagte M. hat die Mittlere Reife erreicht. Im Anschluss hieran absolvierte sie in den Jahren von 2004 bis 2007 eine Ausbildung zur Erzieherin. Nach Abschluss der Ausbildung im Jahr 2007 arbeitete sie in verschiedenen Kindergärten. Seit dem 15. April 2011 ist sie in dem öffentlichen Kindergarten in S. tätig, wobei sie hauptsächlich in der Nestgruppe für die kleineren Kinder eingesetzt wird. Das Nettoeinkommen der Angeklagten M. beträgt zwischen 1.300,00 und 1.500,00 Euro.

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Sowohl die Angeklagte A. als auch die Angeklagte M. geben an, keine Schulden zu haben.

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Alle 3 Angeklagten sind strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.

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Ende März, spätestens am 16.04.2010 pflanzten die Vorschuldkinder der Waldkindergruppe des öffentlichen Kindergartens in S. im S.-er Wald in der Nähe der L.-Hütte Setzlinge. Der Kindergartenwald ist eine Idee der Zeugin M. aus dem Jahr 2009/2010.

13

Im Auftrag der Forstverwaltung rückte der bei einer Holzrückerfirma beschäftigte Zeuge S. am 19.04.2010 insgesamt 5 Buchenstämme an die Seite eines Waldweges ca. 60 m oberhalb der L.-Hütte im S.-er Wald.

14

Dabei legte er 4 Stämme auf der einen Seite und einen etwa 12 m langen weiteren Stamm mit ca. 70 cm Durchmesser (in der Mitte gemessen) einige Meter versetzt auf der gegenüberliegenden Seite des Weges, wo sich ein deutlich sichtbares Gefälle von 11 bzw. 16 % zum Weg befand, ab. Dieser Stamm wurde auf 2 orthogonal zu ihm liegenden Unterlagehölzern gelagert, wobei diese Unterlagehölzer die Neigung des Geländes übernahmen. Zudem war die von der Hütte aus gesehen vordere Auflage höher als die andere, so dass sich auch in der wegparallelen Richtung eine Schräglage des Stammes ergab.

15

Alle 5 Baumstämme unterfielen einem Los. Der Zeuge M. hatte für die Lagerung dieser 5 Stämme eine sogenannte Maßnahme-Karte erstellt. Allerdings wurden die 5 Stämme nicht dort gelagert, wo sie nach der Maßnahme-Karte hätten hingerückt werden sollen.

16

In der Folgezeit wurde auch der einzeln liegende Stamm von weiteren Mitarbeitern des Forstamtes bearbeitet. Zunächst markierten Mitarbeiter des Forstamtes die Stellen mit Farbe, die von anderen Mitarbeitern des Forstamtes abzusägen waren, weil diese Teile nicht verkäuflich erschienen. So schätzten die Zeugen K. und S., dass der Stamm fest auf seinen Auflagen gelegen habe, als sie freitags vormittags sich am Stamm mit Markierungsarbeiten zu schaffen machten.

17

Der Zeuge M., der sich samstags, dem 24.04.2010, an dem Stamm einfand, bemerkte, dass die Baumstämme nicht dort lagerten, wo sie nach der Maßnahme-Karte eigentlich hätten lagern sollen. Allerdings monierte der Zeuge M. den Ort nicht, da hierfür eine andere Dienststelle zuständig gewesen wäre. Der Zeuge M. trennte von dem einzeln liegenden Stamm am dickeren Ende das markierte Stück ab, kaufte es selbst und bezahlte dies. Das abgetrennte Stück maß etwa einen halben Meter. Das Stück wurde vom Zeugen klein gespalten und dient bzw. diente als Brennholz. Der Zeuge hatte den Eindruck, dass beim Sägen der Baumstamm ruhig lag. Auch optisch ließ sich aus der Sicht des Zeugen eine Gefahr nicht ausmachen.

18

Zuletzt sägte der Angeklagte K. am Montag, dem 26.04.2010, an der dünneren Seite des Stammes ein sogenanntes Zopfstück von der Länge von ca. 2,30 m ab. Dabei brachte er auf der rechten Seite des Stammes ein mit der Motorsäge einseitig glatt geschnittenes Aststück - Durchmesser etwa Oberarmdicke - zwischen Stamm und Auflage an. Der Keil füllte die Auflagefläche zwischen Stamm und dem Unterlagenholz. Ferner sägte der Angeklagte K. auf der anderen Seite des Baumstamms eine Scheibe von etwa 3-4 cm Stärke ab. Nach der Sägearbeit wies der Stamm auf der rechten Seite eine Krümmung nach unten und auf der linken Seite, am Zopfende, eine solche nach oben auf.

19

Eine Überprüfung oder Überwachung der Arbeiten des Angeklagten durch die Forstverwaltung fand - wie üblich - nicht statt.

20

Der Angeklagte K. hätte erkennen können, dass der von ihm so hinterlassene Stamm fachwidrig im Hang gelagert und nicht ausreichend gegen ein Abrollen, ausgelöst etwa durch vorhersehbares Besteigen durch Kinder oder Wanderer, gesichert war, und dass durch ein Wegrollen auch erhebliche Verletzungen für Waldbesucher hätten eintreten können. Gleichwohl traf er keine weiteren, ihm aber möglichen Sicherungsmaßnahmen, etwa derart, dass er einen 2. Keil zurechtschnitt und zwischen den Stamm und dem linken Auflageholz klemmte. Denn der Angeklagte hätte mittels der mitgeführten Säge zwei Keile von jeweils 15-20 cm Breite und einer Spitze von 1,5 cm zurechtschneiden bzw. sägen können, so dass beide Keile zum Einklemmen geeignet gewesen wären und den Baumstamm vor einem Abrutschen oder Abrollen gesichert hätten.

21

Er hinterließ indes das gelagerte Holz so, wie auf dem nachfolgenden Bild ersichtlich, wobei der auf dem Weg liegende, abgebildete Stamm in einer nicht genau aufklärbaren Position im mittleren Bereich seiner Auflagehölzer lag:

Abbildung
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22

Am 27.04.2011 unternahmen die Angeklagten A. und M. mit 18 Kindern der gesamten Waldgruppe im Alter zwischen vier bis sechs Jahren einen Ausflug in den S.-er Wald, um die zuvor von den Vorschulkindern gesetzten 40 Setzlinge, die den sogenannten Kindergartenwald bildeten, zu gießen. Diese Setzlinge befanden sich im Bereich rechts hinter den vier auf dem Bild rechts abgebildeten Baumstämmen. Der Zeuge M. hatte hierfür in der Nähe der Pflanzung neben dem Holzstapel mit den vier Baumstämmen Kanister mit Wasser bereitgestellt, die die Kinder zum Gießen benutzen konnten. Eine Absprache zwischen den beiden Begleitpersonen über das Verhalten bei einem Ausflug fand dabei weder vor noch während des Anmarsches statt; ebenso wenig erfolgte eine Besprechung von Verhaltensregeln mit den Kindern vor dem Verlassen des Kindergartens oder eine Einweisung der Kinder durch den Zeugen M. oder einen anderen Mitarbeiter des Reviers.

23

Auch die allgemeinen Regeln, wie sich Kinder im Wald verhalten, wurden weder unter den Erzieherinnen noch mit den Kindern ausführlich besprochen. Lediglich „bei Gelegenheit“ - nicht jedoch konkret mit dieser Waldgruppe bei dem infrage stehenden Ausflug- wurden den Kindern der Waldgruppe einzelne Regeln vermittelt, nicht aber alle kommuniziert. Dies erfolgte schon deshalb nicht, weil auch die Erzieherinnen, die im S.-er Kindergarten angestellt sind, diese nicht kannten. Ferner hatten sich die Erzieherinnen, so auch die Angeklagten, nicht mit der Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung im Rahmen einer umfassenden Vorbereitung auseinander gesetzt, in der u.a. zu lesen ist, dass „nur auf von den Erzieherinnen ausgewiesenen Bäumen geklettert“ wird. In einer weiteren Broschüre „Wasser und Natur erleben“ wird sogar ausdrücklich vor der für Kinder nicht erkennbaren Gefahr wegrollender Bäume gewarnt, wenn es dort heißt: „So merken Kinder nicht rechtzeitig, wenn ein Baumstamm …. nicht verankert ist und beim Spielen ins Rollen kommen kann.“

24

Nach dem Erreichen der Setzlinge frühstückten die Kinder und Erzieherinnen zunächst, wobei die Angeklagte A. die Kinder anwies, sich nur auf dem ersten Stamm des aus mehreren Stämmen bestehenden Holzstapels zu setzen, weil die eine Woche zuvor eigens zum Sitzen angefertigten Holzscheiben nicht mehr vorhanden waren. Weiterhin wies die Angeklagte A. die bei ihr befindlichen Kinder an, nicht auf den einzelnen liegenden Baumstamm zu klettern oder ihn zu besteigen, da sie befürchtete, die Kinder könnten herunterfallen und sich angesichts der Höhe des liegenden Baumstammes verletzen.

25

Auch die Angeklagte M., die die Abschüssigkeit des Geländes dort erkannte, wo der einzeln liegende Baumstamm lagerte, hörte diese Anweisung und verinnerlichte sie. Die Angeklagte M. nahm an diesem Ausflug teil, weil die Zeugin M. zum einen einen geplanten Termin an diesem Nachmittag wahrzunehmen und zudem sich vormittags krank gemeldet hatte.

26

Nach dem Frühstück gossen die Kinder die Setzlinge. Die Angeklagte A., die auch im Übrigen die Führung übernommen hatte, insbesondere beim Anmarsch vorangegangen war, gestattete den Kindern im Bereich unterhalb des einzeln liegenden Baumstammes zu spielen, indem sie mit ihren beiden ausgestreckten Armen gewissermaßen den Spielbereich absteckte.

27

Bei Aufbringung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätten die Erzieherinnen erkennen können, dass der einzeln liegende Baumstamm, der auf Unterlagehölzern ruhte, die ihrerseits auf schrägem Gelände lagen und wie Schienen hangabwärts führten, wegrollen oder wegrutschen konnte und dass deshalb keine Kinder auf den so daliegenden Baumstamm hinaufgelangen durften. Beide hatten die Möglichkeit, ein Besteigen durch die Kinder zu verhindern, indem sie die jeweiligen Sichtachsen untereinander zu koordinieren hatten. Infolge unaufmerksamer, untereinander unkoordinierter und nicht an der erkennbaren Gefahr orientierter Aufsichtsführung hielten sich indes mindestens 5 Kinder außerhalb des ihnen von der Angeklagten A. zugewiesenen Bereichs auf und bestiegen den einzeln liegenden Baumstamm. Dies bemerkten die Erzieherinnen zunächst nicht, da die beiden Angeklagten sich nicht absprachen, wer nach welchen Kindern schaut bzw. wer wo steht, um den zum Spielen freigegebenen Bereich zu überwachen. So widmete zunächst die Angeklagte M. ihre Aufmerksamkeit einer Gruppe von Kindern, die Stöcke auf den Weg legten und mit ihr, der Angeklagten M., darüber diskutierten. Sodann erklärte die Angeklagte A. diesen Kindern, dass dies nicht erlaubt sei. Die Angeklagte A. gab darüber hinaus ihrem angeleinten Hund Wasser.

28

Infolge der von den Kindern auf dem Baumstamm verursachten Krafteinwirkung kam dieser in Bewegung und rollte bzw. rutschte hangwärts bis zur Mitte des Weges. Die beiden Angeklagten A. und M. sahen diesen Vorgang, nachdem sie sich von den Stöcken legenden Kindern abgewandt hatten. Sie eilten dem einzeln liegenden bzw. schon rollenden Baumstamm entgegen. Sie befahlen den Kindern, vom Baumstamm herunterzukommen. Einem Kind oder zwei Kindern gelang es abzusteigen und unverletzt den Boden zu erreichen. Der rollende Baumstamm erfasste indes die Kinder J. A., A. H. und S. W. Die sechsjährige J. A. wurde von dem Stamm am Kopf getroffen und sie verstarb aufgrund des hierdurch verursachten schweren Hirntraumas sofort. S. W. erlitt eine Quetschung am rechten Fuß, die eine kleine Narbe hinterließ. Sie wurde 4 Tage stationär behandelt und musste ca. 3 Wochen im Rollstuhl sitzen. A. H. wurde am Kopf verletzt, wobei ein Haarbüschel am Stamm hängen blieb.

III.

29

Diese Feststellungen beruhen auf den Angaben der Angeklagten, soweit ihnen gefolgt werden konnte sowie auf den Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen H. M., N., G. M. und den verlesenen Aussagen der Zeugen S., W., K., S., C., S., G. N., F. N., A. F., S. F., W., W., E. und P. sowie den Gutachten der Sachverständigen L. und Prof. Dr. B. als auch auf der in Augenschein genommen Aufnahme auf DVD „Rekonstruktionsversuch“ und auf den nach Maßgabe des Sitzungsprotokolls zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten und auszugsweise verlesenen Urkunden.

1.

30

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten beruhen auf ihren jeweils glaubhaften Angaben.

2.

31

Die Angeklagten haben eine strafrechtliche Verantwortung für den Tod der J. A. und die Verletzung der weiteren Kinder abgestritten, ihr Verhalten dabei aber offen und glaubhaft sowie in Übereinstimmung mit den erhobenen Beweisen geschildert.

a)

32

Der Angeklagte K. hat sein Vorgehen im Wald wie festgestellt dargelegt. Von dem in unmittelbarer Nähe befindlichen Kindergartenwald habe er nichts gewusst. Er wisse zwar allgemein, dass Holzstämme rollen könnten, bei dem von ihm bearbeiteten Stamm habe er aber keine Gefahr gesehen. Er habe lediglich gelernt, dass bei einem einzeln liegenden Stamm immer ein Keil unterzulegen sei, wenn er bearbeitet, also an ihm gesägt werde. Seinem Gefühl nach habe der Stamm sicher gelegen; auch beim Sägen habe er sich nicht bewegt.

33

Die Angeklagte A. hat vorgetragen, dass sie nach dem Abhalten einer Sprachförderstunde gegen 09.00 Uhr mit der Waldgruppe losgegangen sei. Auf dem Weg in den Wald habe sie ihren Hund zu Hause abgeholt. Im Wald sei ihr der spätere Unglücksstamm wegen seiner Größe aufgefallen. Sie habe den Kindern gesagt, dass sie nicht auf diesen Stamm hätten klettern sollen. Zum Frühstück habe sie den Kindern den vordersten Stamm auf der rechten Seite zugewiesen, nach dem Gießen der Bäume sei noch Zeit gewesen, so dass sie den Kindern das Spielen in einem zugewiesenen Bereich unterhalb des einzeln liegenden Baumstamms erlaubt habe. Um den zugewiesenen Bereich deutlich zu machen, habe sie mit beiden Armen das Territorium abgesteckt. Nachdem sie ihrem Hund Wasser gegeben habe, sei die Angeklagte M. zu ihr gekommen und diese habe auf einige Jungs, die mit Hölzern auf dem Weg gespielt hätten, hingewiesen. Sie sei zu diesen gegangen und habe dann beim Umdrehen gesehen, dass Kinder auf den einzeln liegenden Baumstamm geklettert seien und dort gesessen hätten. Sie habe dann gerufen und die Kinder herunterholen wollen; ein Kind oder zwei Kinder seien auch abgesprungen und unversehrt geblieben. Der Stamm sei dann aber losgerollt und er habe J. getötet.

34

Die Angeklagte M. hat angegeben, dass sie beim Anmarsch die Neigung des Hanges, auf dem der einzeln liegende Baumstamm letztlich gelagert habe, erkannt habe. Zunächst habe man gefrühstückt und dann mit dem bereitstehenden Wasser die Setzlinge gegossen. Anschließend habe die Angeklagte A. den Kindern den Bereich gezeigt, in dem sie noch hätten spielen dürfen, und sie, die Angeklagte A., habe den einzeln liegenden Baumstamm vom Spielen ausgenommen. Einige Kinder hätten Stöcke auf den Weg gelegt. Nachdem sie, die Angeklagte, mit den Kindern darüber diskutiert und die Angeklagte A. die Kinder von ihrem Vorhaben abgebracht hätte, habe sie, die Angeklagte M., wieder zu den Stämmen gehen wollen und dann bemerkt, dass 6 Kinder auf dem einzeln liegenden Baumstamm gesessen hätten. Auf Zuruf der Angeklagten A. seien zwei Kinder heruntergekommen, der Stamm sei ins Rollen gekommen, habe J. überrollt und getötet und A. und S. verletzt.

b)

35

Die Feststellungen zu den äußeren Verhältnissen an der Unfallstelle beruhen hinsichtlich der Position der gelagerten Hölzer und hinsichtlich der Verletzungen der Kinder H. und W. auf den verlesenen Aussagen des Zeugen S. sowie den in Augenschein genommenen Lichtbildern. Nach der Aussage des Zeugen S. habe keine Rekonstruktion durchgeführt werden können.

36

Die Verletzungen des Kindes W. werden mit den Angaben des Zeugen S. übereinstimmend von den verlesenen Aussagen der Zeugen W. und W. bestätigt.

37

Der Zeuge N. hat glaubhaft ausgesagt, dass es zwar Satzungen und Empfehlungen gebe hinsichtlich der einzuhaltenden Arbeitsschutzmaßnahmen, aber keine expliziten Regeln zur Verkehrssicherungspflicht beim Lagern von Holz. Eine Überwachung der Arbeiten der Rücker oder des Arbeiters, der zuletzt am geschlagenen Stamm arbeitet, im Sinne einer Kontrolle durch die Forstverwaltung finde nicht statt.

38

Dass der Unglücksstamm nicht fachgerecht gelagert und objektiv erkennbar nicht ausreichend gegen ein Abrollen gesichert war, ergibt sich aus dem in der Hauptverhandlung mündlich erstatteten Gutachten des Forstassessors L.

39

Der Sachverständige hat zunächst ausgeführt, dass eine Rekonstruktion der genauen Lage des Unglücksstamms auf den beiden Unterlagehölzern nicht mehr möglich sei, da ein Ende, nämlich das vom Zeugen M. abgesägte Stück des Baumes und die vom Angeklagten abgesägte Scheibe nicht mehr verfügbar seien und der durch den Angeklagten K. abgesägte Zopf mit Dübeln oder ähnlichem Material so mit dem Rest des Baumstammes verbunden werden müsse, dass schon von daher der Baumstamm nicht mehr die ursprünglichen Eigenschaften aufweise. Ferner hat der Sachverständige dargelegt, dass die - durch den Zeugen S. - vorgenommene Lagerung aufgrund der Hanglage, die sich auf die Unterlagehölzer übertragen habe, nicht fachgerecht gewesen sei. Aufgrund der erkennbaren und vom Sachverständigen vor Ort auf 11 ° bzw. 16 % ermittelten Hanglage wäre eine andere Lagerung oder eine Abrollsicherung erforderlich gewesen, zumal der Stamm aufgrund der Lagerung auf Unterhölzern - wie auf Schienen - nur eine geringe Auflage gehabt habe. Möglich wäre es gewesen, die Auflage durch Unterlegen eines weiteren Querholzes parallel zum Weg in eine Ebene zu bringen.

40

Die Sicherung des Baumstamms mit einem einzelnen Keil, wie sie der Angeklagte K. vorgenommen habe, sei für die Absicherung der Arbeiten des Angeklagten K. ausreichend, nicht aber als dauerhafte Absicherung gegen ein Abrollen geeignet gewesen. Der vom Angeklagten K. verwendete Keil sei im vorderen Abschnitt zwar gesund gewesen, aber er habe eine sogenannte Weißfäule aufgewiesen. Für eine über die Sägearbeiten hinausgehende längerfristige Lagerung des Baumstamms hätte es zumindest 2 Keile bedurft.

41

Ergänzend hat der Sachverständige ausgeführt, dass es durchaus sein könne, dass die übrigen Waldarbeiter wie der Angeklagte K. der Auffassung gewesen sein mochten, dass der Baumstamm ruhig liege. Denn eine nicht sichere Lagerung heiße nicht, dass der Baumstamm nicht habe ruhig liegen können.

42

Zwar hätte der Angeklagte K. mit seinem Werkzeug nicht die Auflage durch Unterlegen eines weiteren Querholzes parallel zum Weg in eine Ebene bringen können. Allerdings hätte der Angeklagte mittels der mitgeführten Säge zwei Keile von jeweils 15-20 cm Breite und einer Spitze von 1,5 cm zurechtschneiden bzw. sägen können, so dass beide Keile zum Einklemmen geeignet gewesen wären und den Baumstamm vor einem Abrutschen oder Abrollen gesichert hätten.

43

Ferner hat der Sachverständige dargelegt, dass sich durch das Bearbeiten des Stammes durch den Angeklagten K. der Schwerpunkt des Stammes geändert habe, indem der Angeklagte den Zopf auf der einen Seite und die Scheibe auf der anderen Seite abgesägt habe. Dadurch sei eine Art Hebel entstanden, der den Stamm habe bewegen können. Der Stamm habe nämlich auf der einen Seite eine Krümmung nach oben aufgewiesen, so dass bei einer Krafteinwirkung auf diesen Teil des Stammes diese Krümmung wie eine Schwungscheibe gewirkt habe. Demzufolge liege es nahe, dass durch das Beklettern des Stammes sich dessen gekrümmter Teil wie eine Schwungscheibe in Bewegung gesetzt und so den Baumstamm zum Rutschen bzw. Rollen gebracht habe.

44

Die Kammer folgt den klaren, in sich widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen des öffentlich bestellten Sachverständigen für Forstwirtschaft. Die Darlegung, dass eine Lagerung von rollfähigem Holz quasi auf Schienen nicht fachgerecht ist, ist unmittelbar einleuchtend. Ebenso ergibt sich aus seinen Darlegungen, dass eine ausreichende Sicherung gegen Abrollen objektiv nicht gegeben war. Dass eine Rekonstruktion des Unglücksstamms nicht mehr möglich war, ergibt sich zudem aus der in Augenschein genommenen Videoaufnahme vom Rekonstruktionsversuch. Hieraus wird deutlich, dass, sobald der Stamm so auf den Unterlagehölzern gelagert werden sollte, dass ein Ende nach oben zeigt, der Stamm immer instabil blieb und wegrutschte bzw. wegrollte.

45

Den Darlegungen des Sachverständigen widerspricht auch nicht die verlesene Aussage des Zeugen C., wonach der Stamm in fachlich bester Manier abgelegt worden sein soll. Zum einen hat der Zeuge C. selbst angegeben, dass ein einzeln abgelegter Stamm sich physikalisch ständig verändern kann. Zum anderen hat sich der Zeuge nicht mit der Frage auseinandergesetzt, wie der Stamm gelegen hat, nachdem der Angeklagte K. ihn bearbeitet hatte.

46

Darüber hinaus ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte K. auch subjektiv in der Lage war, die Abrollgefahr, die sich dann realisiert hat, zu erkennen und den Erfolgseintritt durch pflichtgemäßes und zumutbares Verhalten zu hindern.

47

Auch die Aussagen der übrigen Forstmitarbeiter und die des Rückers S., wonach der Stamm sicher bzw. fest gelegen habe, vermögen hinsichtlich der subjektiven Vorhersehbarkeit für den Angeklagten zu keiner anderen Entscheidung zu führen. Der Umstand, dass die vom Sachverständigen L. umschriebene Fehleinschätzung, nämlich die Gleichsetzung von ruhigem Liegen und Abrollsicherung verbreitet ist, ändert nichts daran, dass es sich um eine Fehleinschätzung handelt und dass der Angeklagte bei Anspannung der ihm möglichen und gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können, dass der einzeln liegende Stamm quasi auf Schienen liegend die Hangneigung aufgenommen hat und auf den Unterlagehölzern nur eine sehr geringe Auflagefläche hatte und so zum Abrollen gebracht werden konnte. Der Angeklagte hat als Forstwirt ständig mit der Lagerung von Baumstämmen zu tun und er musste wissen, dass Stämme, die auf hangabwärts geneigten Unterlagehölzern liegen, ins Rollen bzw. Rutschen kommen können. Hätte der Angeklagte sich die örtlichen Gegebenheiten bewusst gemacht und weitergedacht, hätte sich ihm als Fachmann die Gefahr des Abrollens erschließen, wenn nicht sogar aufdrängen müssen.

48

Der Angeklagte hatte auch die Möglichkeit, die Stämme mit den im Wald vorhandenen Mitteln und ihm zur Verfügung stehenden Geräten ausreichend zu sichern. So hätte er mit der mitgeführten Motorsäge, wie bereits dargelegt, beidseitig angeschnittene Keile mit den entsprechenden Maßen zurechtsägen und diese auf beiden Seiten des Stammes anbringen können. Das Unterlegen eines Aststücks nur auf der tiefergelegenen rechten Seite war nicht ausreichend. Darüber hinaus hätte für ihn die Möglichkeit bestanden, Warnhinweise und äußerstenfalls die Umlagerung der Stämme zu veranlassen.

c)

49

Aufgrund der im Wesentlichen übereinstimmenden, glaubhaften Darlegung durch die beiden angeklagten Erzieherinnen ist von dem festgestellten Ablauf des Ausfluges auszugehen. Dieser wird auch die verlesenen Aussagen der Eltern der am Ausflug beteiligten Kinder im Wesentlichen bestätigt. Die nicht völlig ausgeräumten Unklarheiten zum Geschehen unmittelbar vor dem Abrollen, insbesondere zu der Frage, wer zuletzt bei der Gruppe der Kinder war, die versucht hat, mit Stöcken auf dem Weg eine Art Barrikade zu bilden bzw. wie und wie viele Kinder letztlich auf dem Baumstamm saßen, ändern an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Angeklagten und der als Zeugen vom Hörensagen vernommenen Eltern, deren Aussagen verlesen wurden, zum Ablauf insgesamt nichts.

50

Die beiden Angeklagten A. und M. hätten die von dem Baumstamm ausgehende Gefahr erkennen und verhindern können, die sich zum Nachteil der Kinder verwirklicht hat.

51

So hat die Angeklagte A. die Gefahr, wenngleich anderer Art, die durch den Baumstamm für die Kinder ausgeht, realisiert und die Kinder vor dem Besteigen des Baumstamms gewarnt. Denn die Angeklagte A. hat verhindern wollen, dass die Kinder deswegen nicht den Baumstamm besteigen, weil sie befürchtete, dass die Kinder sich, wenn sie abrutschen und herunterfallen, verletzen könnten. Die Angeklagte M. hat beim Anmarsch erkannt, dass das Gelände dort, wo sich der allein liegende Baumstamm befand, eine Hangneigung aufweist.

52

Zwar verfügen beide Angeklagte nicht über spezifisches Forstwissen. Bei der gebotenen Auseinandersetzung mit möglichen Gefahren im Wald hätten sie aber erkennen können und müssen, dass von dem im Hang liegenden Stamm erhebliche Gefahren für die körperliche Unversehrtheit der Kinder ausgehen. Aus dem allgemeinen Erfahrungswissen ist bekannt, dass Gegenstände, zumal runde, im Gefälle nach unten streben. Vorliegend war das erhebliche Gefälle gut sichtbar, wie die Angeklagte M. auch eingeräumt hat. Hätten also sowohl die Angeklagte A. als auch die Angeklagte M. die Hangneigung erkennen müssen, hätten die beiden Erzieherinnen auch erkennen können, dass der einzeln liegende Stamm, der auf Unterlagehölzern ruht, die ihrerseits auf schrägem Gelände liegen und wie Schienen hangabwärts führen, hätte wegrollen können und dass deshalb keine Kinder auf dem so daliegenden Baumstamm hinaufgelangen dürfen.

53

Dass in der Literatur für pädagogische Einrichtungen, wie die Sachverständige Prof. B. ausgeführt hat, nicht ausdrücklich vor abrollenden einzelnen Stämmen gewarnt wird, ändert an dieser Beurteilung nichts. Es ist, darauf hat die Sachverständige auch hingewiesen, allgemein bekannt, dass Holzpolder im Sinne von gestapeltem Holz ins Rollen geraten können. Demzufolge werde auch immer wieder darauf hingewiesen, dass das Besteigen und Betreten von Holzpoldern Kindern nicht gestattet sei. Wer indes dies weiß, kann auch erkennen, dass ein einzelner Stamm, der gewissermaßen auf Schienen im Hang liegt, ebenfalls in Bewegung geraten kann.

54

Zwar meinte die Sachverständige Prof. B., dass man den Ausflug sofort hätte abbrechen müssen, wenn die Gefahr des abrollenden Baumes positiv bekannt gewesen wäre. Denn der einzeln liegende Baum müsse individuell hinsichtlich seines Gefahrenpotentials beurteilt werden. Sie, die Sachverständige, meine, dass hinsichtlich der Neigung der Unterlagehölzer von den Erzieherinnen nicht der Schluss hätte gezogen werden müssen, dass das Besteigen des Baumstamms gefährlich gewesen wäre. Zutreffend habe die Angeklagte A. die Spielfläche für die Kinder ausgewiesen und die Kinder entsprechend eingewiesen. Hinsichtlich der Kinder, die versucht hätten, eine Barrikade mit Holzstöcken auf dem Weg zu errichten, habe sich die Angeklagte M., die von der Kindergartenleitung nicht in die Thematik Waldspaziergang eingewiesen worden sei, darauf verlassen, dass die Angeklagte A. bei der Bewältigung dieses Problems helfe. Dass demzufolge sich die Kinder nicht mehr alle in Sichtweite der beiden Angeklagten befunden hätten, sei pädagogisch nicht vorwerfbar, denn man müsse auch darauf vertrauen und in pädagogischer bzw. erzieherischer Hinsicht überprüfen, dass die Kinder Ge- und Verboten nachkämen.

55

Demgegenüber hat die Zeugin M. ausgeführt, dass Kinder immer in Sichtweite sein müssten.

56

Zwar sei die pädagogische Strukturqualität im Kindergarten S. kritikwürdig. Insbesondere sei die Organisation der Einteilung als auch der Vermittlung von Regeln zur Waldgruppe mangelhaft. Denn weder seien von Seiten der Leitung des Kindergartens mit den Erzieherinnen noch von diesen mit den Kindern eingehend die Regeln für Waldspaziergänge mit Kindergartenkindern im Alter von 4-6 Jahren erörtert worden.

57

Diesen Umstand hat zuvor die Zeugin M. eindrücklich und nachhaltig bestätigt. Denn sie war auf Befragen durch die Sachverständige nicht in der Lage, mehr als drei Regeln zu Ausflügen von Kindergartenkindern in den Wald wiederzugeben. Außerdem werde, so die Sachverständige weiter, eine Fortbildung im Sinne einer entsprechenden Schulung der Erzieherinnen vermisst. Allerdings habe die Angeklagte A. am 27.04.2010 davon ausgehen müssen, dass die Situation noch so gewesen sei, wie zuvor beim Pflanzen der Setzlinge.

58

Wenngleich die Kammer die Auffassung der Sachverständigen zur pädagogischen Strukturqualität des Kindergartens teilt und nicht in Abrede stellen will, dass es möglicherweisepädagogisch nicht vorwerfbar war, dass die Kinder nicht mehr in Sichtweite waren, als sich beide Erzieherinnen mit der Gruppe beschäftigt haben, die Holzstöcke auf den Weg gelegt haben, teilt die Kammer nicht die Schlussfolgerung der Sachverständigen Prof. B., dass die beiden Erzieherinnen keine Schuld treffe. Es mag also sein, dass die beiden Angeklagten pädagogisch gesehen nicht fehlerhaft gehandelt haben, aber hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der beiden Angeklagten geht es um die weiter gefasste Frage nach der Erkennbarkeit von Gefahren durch die beiden angeklagten Erzieherinnen und Befolgen von Aufsichtspflichten gegenüber den in ihrer Obhut befindlichen Kindern im Alter von 4-6 Jahren. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass pädagogisch richtiges Verhalten nicht gleichzusetzen ist mit dem Nachkommen von Aufsichtspflichten. Zum einen ist die Kammer, wie bereits ausgeführt, der Auffassung, dass es den Angeklagten M. und A. möglich gewesen ist, die Hangneigung zu erkennen und die Gefährlichkeit des einzeln liegenden Baumstammes, der auf Unterlagehölzern ruhte, die ihrerseits auf schrägem Gelände liegen und wie Schienen hangabwärts führen und dass ein solcher Baum wegrollen bzw. wegrutschen hätte können.

59

Zum anderen ist anerkannt, dass sogar Eltern die Pflicht haben, einem fünfjährigen Kind auf Sicht und Rufweite zu folgen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 24.08.2011 - 5 E 433/11; OLG Koblenz NJW-RR 2012, 247). So verhält es sich auch hier. Denn die Kinder, die von den beiden Angeklagten zu beaufsichtigen waren, hatten ein Alter zwischen 4 und 6 Jahren. Demzufolge obliegt den Erzieherinnen zumindest dieselbe Aufsichtspflicht wie Eltern, nämlich diesen Kindern auf Sicht- und Rufweite zu folgen.

60

Außerdem hätten die Erzieherinnen beim Durcharbeiten der in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung im Rahmen einer umfassenden Vorbereitung auf den Waldausflug darauf stoßen müssen, dass „nur auf von den Erzieherinnen ausgewiesenen Bäumen geklettert“ wird. In einer weiteren Broschüre „Wasser und Natur erleben“ wird sogar ausdrücklich vor der für Kinder nicht erkennbaren Gefahr wegrollender Bäume gewarnt, wenn es dort heißt: „So merken Kinder nicht rechtzeitig, wenn ein Baumstamm …. nicht verankert ist und beim Spielen ins Rollen kommen kann.“ Ferner ist in § 22 Abs. 4 Nr. 6 Rheinland-Pfälzisches Waldgesetz normiert, dass das Betreten von forstbetrieblichen Einrichtungen nur mit Zustimmung des Waldbesitzers zulässig ist. Zwar wird im Waldgesetz nicht näher definiert, was eine forstbetriebliche Einrichtung ist. Allerdings ergibt sich nach Sinn und Zweck und teleologischer Auslegung dieser Norm, dass hierunter auch Baumstämme zu verstehen sind, die von der Forstwirtschaft zum Verkauf bereitgelegt werden. Denn diese Baumstämme sind von dem Forstamt entsprechend gefällt, hingerückt, zurechtgesägt und abholbereit bearbeitet worden.

61

Zwar verkennt die Kammer nicht, dass ein Aufsichtspflichtiger nicht jeden Unfall von einem Kind fernhalten kann und Kinder nicht vor jeder abstrakten Unfallgefahr zu schützen vermag. Richtig ist auch, dass jeder Aufsichtspflichtige auf die Einhaltung von Verkehrssicherungspflichten durch die dafür Verantwortlichen vertrauen kann. Allerdings gilt dieser Vertrauensgrundsatz nur so weit, dass ein Waldbenutzer selbst seinen Pflichten nachkommt und dann darauf vertrauen kann, dass keine Gefahr durch einen von Mitarbeitern der Forstverwaltung, der die Verkehrssicherungspflicht obliegt, bearbeiteten und im Wald lagernden Baumstamm für ihn besteht, konkret, dass er nicht wegrollt, wenn er Waldwege oder freie Flächen begeht. So liegt der Fall hier jedoch nicht.

62

Die Erzieher haben schon kein Vertrauen in die Einhaltung von Verkehrssicherungspflichten durch die Mitarbeiter des Forstamts gesetzt. Denn die Angeklagte A. hat bereits die Gefährlichkeit des einzeln liegenden Baumstammes - wenngleich aus anderem Grund - erkannt, den Kindern das Besteigen dieses Baumstammes verboten und von daher gerade nicht irgendein Vertrauen den Verkehrssicherungspflichtigen entgegengebracht. Ferner haben die Kinder und die Erzieherinnen sich nicht nur auf den ausgewiesenen Wegen und sonstigen freien Flächen aufgehalten, vielmehr sind die Kinder auf den einzeln liegenden Baumstamm geklettert, was entgegen den Vorschriften des Waldgesetzes nicht ohne Zustimmung des Waldbesitzers zulässig ist. Denn es steht auch aufgrund der Einlassungen der beiden Erzieherinnen sowie der verlesenen Aussagen der Eltern der Kinder fest, dass sich Kinder auf dem Baumstamm aufgehalten haben, diese also darauf geklettert und zum Teil heruntergesprungen oder sonst wie vom Stamm heruntergeklettert sind.

63

Bei dieser Sachlage hätten die Erzieherinnen, also die beiden Angeklagten A. und M., dafür Sorge tragen müssen, dass kein Kind auf den Baumstamm gelangt. Dies wäre auch möglich gewesen. Zum einen hätte man den Aufenthalt im Wald früher beenden können. Zum anderen wäre bei der Gestattung von freiem Spiel und entsprechend konzentrierter Aufsichtsführung es möglich gewesen sicherzustellen, dass die Kinder dem Stamm fernbleiben und in dem ihnen - nach der objektiven Gefahrenlage richtigerweise - nämlich abseits der Stämme zugewiesenen Bereich bleiben. Dies hat die Sachverständige Prof. B. bestätigt. Die gesamte Örtlichkeit kann nämlich gut übersehen werden, da der Weg als Blickachse frei ist. So hätten die beiden Erzieherinnen, auch als die Gruppe Stöcke legender Kinder Probleme bereitet hatte, dieses Problem durch entsprechendes Zurufen lösen und gleichwohl zu den übrigen Kindern Sichtkontakt halten können, um sich zu vergewissern, dass die Kinder sich in dem ihnen zugewiesenen Bereich aufhalten, und um zu verhindern, dass diese den Spielbereich verlassen und auf den einzeln liegenden Baumstamm klettern.

IV.

64

Der Angeklagte K. hat durch pflichtwidriges Unterlassen den Tatbestand der fahrlässigen Tötung hinsichtlich der getöteten J. A. gemäß §§ 222, 13 StGB und im Hinblick auf die verletzten Kinder A. H. und S. W. den Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen gemäß § 340 Abs. 3 in Verbindung mit § 229, § 13 StGB in Tateinheit gemäß § 52 StGB verwirklicht. Als zuständiger Mitarbeiter des Forstamtes hatte er auch die der Forstverwaltung obliegende öffentlich rechtliche Verkehrssicherungspflicht zu beachten, zumal er, wie er wusste, als Letzter an dem Stamm tätig war und seine Arbeit in der Regel nicht durch Vorgesetzte überwacht wurde. Demzufolge hatte er eine Garantenstellung inne. Aus dieser ergibt sich eine Garantenpflicht gegenüber den Waldbesuchern, wobei jeder nicht ganz fernliegende Gebrauch, wie er im Besteigen von einzeln liegenden Baumstämme durch Kinder jedenfalls unmittelbar an für Waldbesucher freigegebene Wege liegt, umfasst ist. Es liegt nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit, dass Kinder, obgleich keine Zustimmung des Waldbesitzers nach § 22 Abs. 4 Nr. 6 WaldG vorliegt, gleichwohl auf lagerndem Holz spielen. Der Angeklagte hat es fahrlässig unterlassen, den einzeln liegenden Baumstamm gegen Abrollen zu sichern.

65

Die Angeklagten M. und A. haben nach den getroffenen Feststellungen jeweils hinsichtlich des getöteten Kindes J. A. den Tatbestand der fahrlässigen Tötung durch pflichtwidriges Unterlassen gemäß §§ 222, 13 StGB und im Hinblick auf die beiden Kinder A. H. und S. W. den Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen gemäß §§ 340 Abs. 3, 229, 13 StGB in Tateinheit gemäß § 52 StGB verwirklicht. Als von der Kindergartenleitung bestimmte Erzieherinnen, die die Kinder auf ihrem Waldspaziergang zu begleiten hatten, hatten sie aufgrund des zwischen dem Kindergarten und den Eltern geschlossenen Vertrages hinsichtlich der Aufsichtsführung eine Garantenstellung im Sinne des § 13 StGB inne. Nach Auffassung der Kammer ist § 340 StGB anzuwenden, da die Rechtsbeziehungen zwischen den Kindern bzw. deren Eltern und dem Kindergarten öffentlich rechtlich geregelt sind, so dass die Erzieherinnen bei der Ausübung der Aufsichtspflicht gegenüber den Kindern ein öffentliches Amt wahrnehmen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.03.2006 - 12 U 298/05; ähnlich: OLG Hamm, 21 U 39/07; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 839 Rdnr. 125 m.w.N. auch auf die Gegenmeinung).

66

Die beiden Angeklagten handelten ebenso wie der Angeklagte daher als Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB.

67

Die Erzieherinnen unterließen es fahrlässig, die Kinder von der erkennbaren Gefahrenquelle, nämlich dem einzeln liegenden Baumstamm, fernzuhalten. Hätten sie ein Besteigen verhindert, wäre der Tod von J. A. ebenso wenig eingetreten wie die Verletzungen der beiden Kinder A. H. und S. W.

68

Beide Angeklagten hätten die Gefahr, die von dem Baumstamm ausging, erkennen können; sie hätten nämlich die Hangneigung und die Gefährlichkeit des einzeln liegenden Baumstammes erkennen können, der auf Unterlagehölzern ruhte, die ihrerseits auf schrägem Gelände liegen und wie Schienen hangabwärts führen und sie hätten erkenn können, dass ein solcher Baum wegrollen bzw. wegrutschen konnte. Bei sachgerechter Ausübung hätten sie die Kinder von dieser Gefahrenquelle abhalten können und müssen. Das Maß der gebotenen Aufsicht bestimmt sich unter Berücksichtigung des Alters, der Eigenart und des Charakters der Kinder und der jeweiligen Situation, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen danach richtet, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall tun müssen, um eine Schädigung zu verhindern. Insofern bestand im konkreten Fall aus mehreren Gründen eine Veranlassung zu aufmerksamer Aufsicht.

69

Die beiden Erzieherinnen beaufsichtigten eine Gruppe von 18 Kindern im Alter von 4-6 Jahren. Die Anforderungen sind bei der Beaufsichtigung einer Gruppe höher als bei der Beaufsichtigung einzelner, weil eine Gruppe eine Eigendynamik entfaltet und - worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat - die Kinder sich dadurch größeren Verletzungsgefahren aussetzen.

70

Der Ausflug fand nicht in einem geschützten Gelände, sondern in einem Wald und damit in einer Umgebung statt, in der bekanntermaßen ein erhöhtes Gefahrenpotential besteht. Beide Erzieherinnen haben sich nicht entsprechend auf den Ausflug mit Kindergartenkindern im Alter von 4-6 Jahren in einen Wald vorbereitet. Die Angeklagte A. hat außerdem den einzeln liegenden Baumstamm als gefährlich erkannt und das Besteigen verboten, wenn auch nur unter dem Gesichtspunkt des Herunterfallens. Allerdings betrifft diese Gefahrerkennung einen ähnlichen Inhalt der Gefährdung, wie sie sich letztlich verwirklicht hat, nämlich die Gefährdung der körperlichen Integrität der Kinder. Indem die Angeklagte A. das Verbot mit der entsprechenden Begründung aussprach und dieses Verbot von der Angeklagten M. wahrgenommen wurde, wusste auch diese spätestens von diesem Zeitpunkt um die Gefährlichkeit des einzeln liegenden Baumstammes.

71

Bei der so gebotenen gesteigerten Aufmerksamkeit bestand die rechtliche Verpflichtung der beiden Angeklagten, die Kinder durch geeignete Maßnahmen von dem Stamm fernzuhalten. Diese Verpflichtung verletzten die Angeklagten, indem sie nicht verhinderten, dass Kinder auf den einzeln liegenden Baumstamm kletterten - und damit auch entgegen der Vorschrift des § 22 Abs. 4 Nr. 6 Rheinland-Pfälzisches Waldgesetz eine forstbetriebliche Einrichtung ohne Zustimmung des Waldbesitzers betraten -, wobei infolge unaufmerksamer, untereinander unkoordinierter und nicht an der erkennbaren Gefahr orientiert Aufsichtsführung sich mindestens 5 Kinder außerhalb des ihnen von der Angeklagten A. zugewiesenen Bereichs aufhielten und den allein liegenden Baumstamm bestiegen. Der Schwerpunkt des Vorwurfs liegt dabei auf dem Unterlassen einer aufmerksamen und aktiven Kontrolle des Verhaltens der Kinder, nämlich auf dem Unterlassen einer Beaufsichtigung der vier- bis sechsjährigen Kinder in Sichtweite durch die beiden Angeklagten (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.).

72

Hinsichtlich der Körperverletzung zum Nachteil der beiden Kinder A. H. einerseits und S. W. andererseits besteht gleichartige Tateinheit, zwischen diesen und der fahrlässigen Tötung der J. A. ungleichartige Tateinheit im Sinne des § 52 StGB.

73

Das Gesetz sieht für die fahrlässige Tötung in § 222 StGB Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren vor. Da im Rahmen von § 340 Abs. 3 StGB der Strafrahmen des § 229 StGB anzuwenden ist (KG NJW 2000, 1352), ergibt sich hinsichtlich der Untergrenze des für die vorzunehmende Zumessung maßgeblichen Strafrahmens keine Erhöhung. Die Strafe ist dem Strafrahmen des § 222 StGB zu entnehmen (§52 Abs.2 StGB).

74

Eine Milderung nach § 13 Abs. 2 StGB hat die Kammer in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht nicht vorgenommen. Zwar liegen insbesondere bei den beiden Erzieherinnen gewichtige Milderungsgründe vor. Offenbar gab es in der Kindergarteneinrichtung relativ wenig Bewusstsein für Gefahren - im Wald - und entsprechende Schulungen. Konkrete Analysen wurden nicht vorgenommen, klare Regeln für den Besuch mit der Waldgruppe des Kindergartens im Wald nicht oder nur unzureichend jeweils bei Gelegenheit kommuniziert. Der Revierförster M. hatte die beiden Erzieherinnen nicht vor der neuen Situation, nämlich den gelagerten Stämmen bzw. dem einzeln liegenden Stamm gewarnt. Allerdings wiegt bei der gebotenen Gesamtabwägung das Unterlassen der Erfolgsabwendung nicht weniger schwer als eine aktive Tatbestandsverwirklichung. Das Erkennen von Gefahren und der Schutz der zu beaufsichtigenden Kinder im Alter von 4-6 Jahren vor diesen Gefahren sind maßgebliche Aufgaben der beiden Erzieherinnen bei einem Spaziergang mit der Waldgruppe im Kindergarten.

75

Auch bei dem Angeklagten K. ist die Pflichtverletzung so eng mit dem aktiven Handeln verknüpft, dass eine Strafrahmenverschiebung gleichfalls nicht sachgerecht erscheint.

76

Bei der Bemessung der zu verhängenden Geldstrafe für den Angeklagten K. hat das Gericht zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er bislang strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist. Ferner lässt der Umstand, dass der Angeklagte seine Tätigkeit in einem Umfeld ausübte, in dem Fragen zur Verkehrssicherungspflicht nicht im Vordergrund standen, die Tat in einem milderen Licht erscheinen. Außerdem hat das Gericht strafmildernd gewürdigt, dass er zwar nicht im eigentlichen Sinne geständig war, aber gleichwohl durch offene Angaben die Aufklärung des Sachverhalts erleichtert hat. Weiterhin hat das Gericht mildernd gewertet, dass der Angeklagte an den Folgen der Tat gesundheitlichen Schaden genommen hat und diese Tat aufrichtig bedauert.

77

Strafschärfend hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der Angeklagte K. neben der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen zweimal der Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen verwirklicht hat.

78

Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erscheint der Kammer in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht eine Geldstrafe in Höhe von

79

30 Tagessätzen

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tat- und schuldangemessen.

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Bei der Bemessung der Tagessatzhöhe ist das Gericht von dem Nettoeinkommen ausgegangen, das der Angeklagte angegeben hat.

82

Bei der Bemessung der Geldstrafe für die Angeklagte A. hat das Gericht zu ihren Gunsten berücksichtigt, dass sie gleichfalls strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist. Außerdem war zu ihren Gunsten zu werten, dass in dem Kindergarten S. wenig Bewusstsein für Gefahren und entsprechende Hinweise bei der Durchführung von Ausflügen der Waldgruppe des Kindergartens in den Wald gab. Konkrete Analysen wurden nicht vorgenommen, klare Regeln zu solchen Ausflügen nicht oder nur unzureichend jeweils bei Gelegenheit kommuniziert. Strafmildernd hat das Gericht berücksichtigt, dass die Angeklagte A. sowohl von der Kindergartenleitung als auch von dem Revierförster in eine Situation gelassen wurde, in der sie besonders hohen Anforderungen ausgesetzt war. Denn die Angeklagte A. wurde zum einen mit einer neu eingestellten Kollegin, der Angeklagten M., losgeschickt. Der Revierförster M. hatte sie nicht darüber informiert, dass eine neue Situation im Bereich der gepflanzten Setzlinge sich dadurch ergab, dass Baumstämme dort gelagert wurden. Schließlich ist zu ihren Gunsten zu werten, dass sie vom Tod der J. A. und von den Verletzungen der beiden anderen Kinder betroffen ist und erkennbar darunter leidet. Außerdem ist strafmildernd zu berücksichtigen, dass die Berichterstattung über die Tat eine breite Öffentlichkeit erreicht hat und die Tat ihr berufliches Fortkommen und Weiterwirken beeinträchtigen kann.

83

Zu Lasten der Angeklagten A. hat das Gericht berücksichtigt, dass sie als Hauptverantwortliche für den Verlauf des Ausflugs der Waldgruppe primär die Verantwortung trug. Sie hat diese selbst übernommen, indem sie faktisch die Leitung des Ausflugs übernahm und die Entscheidungen traf, etwa darüber, ob und gegebenenfalls wo die Kinder spielen sollten bzw. durften. Entlasten kann dabei die Angeklagte nicht der Umstand, dass sie keine Ausbildung als Erzieherin hatte. Sie ist faktisch in dieser Funktion tätig.

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Strafschärfend hat die Kammer auch berücksichtigt, dass die Angeklagte A. neben der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen zweimal der Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen verwirklicht hat.

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Nach Abwägung aller für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände hielt die Kammer in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht eine Geldstrafe in Höhe von

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40 Tagessätzen

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für tat- und schuldangemessen.

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Die festgesetzte Tagessatzhöhe beruht auf dem von der Angeklagten angegebenen Nettoeinkommen.

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Die Verurteilung der Angeklagten A. zu der von ihr verwirkten Geldstrafe ist nicht geboten; es genügte, wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, eine Verwarnung unter Vorbehalt der Strafe. Eine Verschärfung der Strafe ist der Kammer ohnehin im Hinblick auf das Verbot der reformatio in peius nicht gestattet, nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Berufung zurückgenommen hat.

90

Bei der konkreten Strafzumessung hinsichtlich der Angeklagten M. hat die Kammer strafmildernd gewertet, dass auch sie strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten ist. Ferner ist mildernd zu werten, dass sie erst seit einigen Tagen in der Einrichtung tätig war und sich erst kurzfristig ergeben hatte, dass sie als zweite Begleitperson in voller Verantwortung an dem Ausflug teilnehmen musste. Auch im Hinblick auf die Angeklagte M. geht die Kammer strafmildernd davon aus, dass eine Verletzung der Fürsorgepflicht durch die Kindergartenleitung vorliegt. Obwohl die Angeklagte M. erst wenige Tage in der Einrichtung war, wurde zugelassen, dass sie ohne genaue Kenntnis der Eigenarten der Kinder in mitverantwortlicher Position zusammen mit den Kindern in den Wald geschickt wurde. Darüber hinaus wurde sie von der Kindergartenleitung ebenso wenig wie die Angeklagte A. in die besonderen Regeln des Besuchs eines Waldes mit einer Kindergartengruppe vorbereitet und auf die Einhaltung entsprechender Regeln nicht hingewiesen, wenngleich nicht zu verkennen ist, dass die Angeklagte M. ausgebildete Erzieherin ist. Außerdem ist strafmildernd zu berücksichtigen, dass die Angeklagte M. ebenso wie die Angeklagte A. auch von dem Zeugen M. in eine Situation gelassen wurde, in der sie besonders hohen Anforderungen ausgesetzt war. Denn der Revierförster M. hat sie ebenso wenig auf die neue Situation hingewiesen, die durch die bei der Anpflanzung lagernden Baumstämme geschaffen wurde. Außerdem hat die Kammer zu ihren Gunsten gewertet, dass die Angeklagte M. ersichtlich tief betroffen vom Tod der J. A. und von den Verletzungen der beiden anderen Kinder. Weiterhin hat die Kammer strafmildernd gewertet, dass die Angeklagte durch die breite öffentliche Berichterstattung über die Vorkommnisse in ihrem beruflichen Fortkommen und in ihrer beruflichen Tätigkeit tangiert sein könnte.

91

Zu Lasten der Angeklagten hat die Kammer gewertet, dass auch sie neben der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen zweimal den Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen verwirklicht hat.

92

Nach Abwägung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände erscheint die vom Amtsgericht verhängte Geldstrafe in Höhe von

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20 Tagesätzen

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schuld- und tatangemessen.

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Die Tagessatzhöhe beruht auf dem von der Angeklagten angegebenen Nettoeinkommen.

96

Auch bei der Angeklagten M. ist die Verurteilung zu der von ihr verwirkten Geldstrafe nicht geboten, es genügt eine Verwarnung unter Vorbehalt der Strafe. Eine Verschärfung der Strafe kam im Hinblick auf das Verbot der reformatio in peius ohnehin nicht in Betracht.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafgesetzbuch - StGB | § 13 Begehen durch Unterlassen


(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichun

Strafgesetzbuch - StGB | § 229 Fahrlässige Körperverletzung


Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Strafgesetzbuch - StGB | § 222 Fahrlässige Tötung


Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Strafgesetzbuch - StGB | § 340 Körperverletzung im Amt


(1) Ein Amtsträger, der während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die

Strafprozeßordnung - StPO | § 332 Anwendbarkeit der Vorschriften über die erstinstanzliche Hauptverhandlung


Im übrigen gelten die im sechsten Abschnitt des zweiten Buches über die Hauptverhandlung gegebenen Vorschriften.

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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 30. März 2006 - 12 U 298/05

bei uns veröffentlicht am 30.03.2006

Tenor 1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 26. Oktober 2005 - 1 O 141/05 - wird zurückgewiesen. 2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckb

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Im übrigen gelten die im sechsten Abschnitt des zweiten Buches über die Hauptverhandlung gegebenen Vorschriften.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ein Amtsträger, der während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Die §§ 224 bis 229 gelten für Straftaten nach Absatz 1 Satz 1 entsprechend.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ein Amtsträger, der während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Die §§ 224 bis 229 gelten für Straftaten nach Absatz 1 Satz 1 entsprechend.

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 26. Oktober 2005 - 1 O 141/05 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Kläger verlangen Schadensersatz wegen der Verletzung von Aufsichtspflichten durch Kindergärtnerinnen im Dienst der beklagten Gemeinde.
Die Kläger sind Eigentümer des Anwesens ..., das in seinem hinteren Bereich an das Gelände des von der Beklagten betriebenen Waldkindergartens grenzt und von diesem durch einen 1,80 m hohen Lamellenzaun abgetrennt ist. Am Nachmittag des 16.06.2004 spielte auf dem Kindergartengelände eine Gruppe von drei bis vier Kindern im Alter von vier und fünf Jahren; diese Kinder befanden sich auf der unteren Terrasse des Außengeländes, das von dem oberen Teil der Freifläche aus nicht einsehbar ist.
Die Kläger behaupten, dass diese Kinder auf Bäume geklettert und von dort aus Steine und Holzstücke auf das mit Acrylglas gedeckte Dach ihrer Pergola geworfen hätten; dabei seien durch die annähernd faustgroßen Steine zwei 50 cm lange Risse in der Überdachung entstanden. Dieser Schaden sei von der beklagten Gemeinde zu ersetzen, weil die Erzieherinnen des Waldkindergartens ihre Aufsichtspflicht schuldhaft verletzt hätten. Nach Lage der Dinge hätten die Erzieherinnen stets Blickkontakt mit den Kindern halten und einschreiten müssen, als sie Steine aufgehoben und auf das Nachbargrundstück geworfen hätten. Geltend gemacht werden Reparaturkosten für die Überdachung in Höhe von 1.858,32.- EUR, außerdem Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung (169,77.- EUR) und eine Auslagenpauschale (25.- EUR).
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger von 2.053,09.- EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17.12.2004 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet, dass die Risse im Dach der Pergola durch Steinwürfe entstanden seien, und leugnet eine Aufsichtspflichtverletzung. Am Nachmittag des 16.06.2004 seien vier Erzieherinnen auf der oberen Terrasse des Außengeländes tätig gewesen, wo sie 18 bis 20 Kinder beaufsichtigt hätten. Eine Erzieherin habe in Abständen von 20 bis 25 Minuten nach der unten spielenden Gruppe gesehen; dies sei bei Kindern im Alter von vier bis fünf Jahren ausreichend gewesen, zumal sich diese in keiner Weise auffällig verhalten hätten.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Kläger hätten den Nachweis nicht geführt, dass der Schaden durch die angeblichen Steinwürfe verursacht worden sei.
10 
Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Sie beanstanden die Tatsachenfeststellung des Landgerichts.
11 
Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des angefochtenen Urteils, die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
II.
12 
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
13 
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, gem. § 839 BGB i.V.m. Art 34 GG Ersatz für die beschädigte Terrassenüberdachung zu leisten.
A.
14 
Die Zurückweisung der Berufung kann allerdings nicht damit begründet werden, dass die Kläger den Nachweis nicht geführt hätten, die Überdachung der Pergola sei durch Steinwürfe der Kinder beschädigt worden. Diese tatsächliche Feststellung des Landgerichts kann der Senat seiner Entscheidung nicht zugrunde legen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), weil sie, was die Berufungsbegründung zu Recht rügt, die angebotenen und zur Verfügung stehenden Beweismittel nicht ausschöpft und damit gegen das Gebot der vollständigen Würdigung des gesamten Prozessstoffes (§ 286 Abs. 1 ZPO) verstößt.
15 
Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, der vernommene Zeuge habe keine Angaben darüber machen können, ob die Risse wie behauptet entstanden seien, weil er den Vorgang nicht selbst beobachtet, sondern nur Geräusche gehört habe, die auf Steinwürfe hindeuteten. Hieraus und aus dem Umstand, dass bei Rückkehr der Kläger Steine auf dem Dach der Pergola gefunden und Risse im Acrylglas festgestellt worden seien, könne nicht mit der nötigen Sicherheit auf einen Ursachenzusammenhang geschlossen werden. Der Beweis eines ersten Anscheins komme den Klägern nicht zugute. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei nicht erforderlich, denn ob durch einen Steinwurf Risse dieser Art entstünden, hänge nicht nur von dem Gewicht des Steins, sondern auch von der individuellen Art des Wurfes ab, die sich im Nachhinein durch einen Sachverständigen nicht rekonstruieren lasse. Es sei deshalb nicht mit der nötigen Gewissheit auszuschließen, dass die Risse in der Überdachung schon zu einem früheren Zeitpunkt entstanden seien.
16 
Das Landgericht hätte, da es nach seinem Rechtsstandpunkt auf die Feststellung einer Schadensverursachung durch die Kindergartenkinder ankommen konnte, die Aussage des Zeugen, der das Treiben der Kinder beobachtet und das Aufschlagen der Steine auf der Überdachung gehört haben will, würdigen müssen; davon ausgehend wäre Sachverständigenbeweis zu erheben gewesen zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Steine der beobachteten Art und Größe ein Acryldach beschädigen und die geltend gemachten Risse verursachen können. Abhängig von dem Ergebnis der Beweisaufnahme hätten dann die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung der Kläger nach § 448 ZPO oder deren Anhörung (BGH VersR 1992, 867; BGH Urteil vom 07.02.2006 - VI ZR 20/05) zu der Frage vorliegen können, ob die Risse bereits vor dem streitgegenständlichen Vorfall vorhanden waren oder nicht.
B.
17 
Für die Entscheidung des vorliegenden Falles bedarf es jedoch keiner Klärung dieser Frage. Der Senat kann unterstellen dass der Schaden durch Steinwürfe der Kinder verursacht wurde. Offen bleiben kann auch, ob die Erzieherinnen der Beklagten am Nachmittag des 16.06.2004 die Kinder auf der unteren Terrasse zu lange unbeaufsichtigt ließen. Denn die Kläger haben den Nachweis nicht geführt, dass eine solche Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden ursächlich geworden wäre. Bleibt die Kausalität der Amtspflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden offen, geht dies zulasten der Anspruchsteller.
18 
1. Rechtsgrundlage für das Klagebegehren kann nur § 839 BGB i.V.m. Art 34 GG, nicht aber § 832 BGB sein. Neben § 839 BGB findet § 832 BGB als selbständige Anspruchsgrundlage ebenso wenig Anwendung wie § 823 BGB. Die für den Anspruchsteller günstigeren Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast nach § 832 BGB sind im Rahmen der Amtshaftung auch nicht entsprechend heranzuziehen.
19 
a) Die Rechtsbeziehungen zwischen den Kindern und der Beklagten waren öffentlich rechtlich geregelt, so dass die Erzieherinnen bei der Ausübung der Aufsichtspflicht gegenüber den Kindern und Dritten gegenüber ein öffentliches Amt im Sinne von § 839 BGB wahrnahmen. Bei der Einrichtung von Kindergärten handelt es sich um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge; Aufgaben, Ziele und pädagogische Leitlinien der Kinderbetreuung sind öffentlich rechtlich geregelt und bestimmen sich insbesondere nach dem Landesgesetz über die Betreuung von Kindern in Kindergärten und anderen Tageseinrichtungen vom 26. März 2003 (GBl. 161-166) i.V.m. dem Kinder- und Jugendhilfegesetz Baden Württemberg in der Fassung vom 19. April 1996 (GBl. 457) sowie den einschlägigen Bestimmungen des SGB VIII (§§ 2 Abs. 2 Nr. 3, 22 ff). Träger der Einrichtung ist die beklagte Gemeinde als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts, die den Kindergarten in ihrer Eigenschaft als örtliche Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe eingerichtet hat und betreibt. Hinzukommt, dass für den Besuch des Kindergartens nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern gestaffelte öffentlich-rechtliche Beiträge erhoben werden und dies durch Satzung geregelt ist. Vor diesem Hintergrund kommt dem Umstand, dass der Besuch des Kindergartens, anders als der Schulbesuch, auf freiwilliger Basis erfolgt, für die Einordnung der Rechtsbeziehung zwischen der Beklagten und den zu beaufsichtigenden Kindern keine entscheidende Bedeutung zu (wie hier für einen kommunalen Kindergarten OLG Dresden NJW-RR 1997, 858; OLG Düsseldorf VersR 1996, 710; offen gelassen von OLG Köln, MDR 1999, 997).
20 
b) Die Aufsichtspflicht der Erzieherinnen stellt eine Amtspflicht im Sinne von § 839 BGB dar und unterscheidet sich nach Art und Inhalt nicht von den privatrechtlich begründeten Aufsichtspflichten, die die Grundlage der Haftung nach § 832 BGB bilden. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch darin, dass nach § 832 BGB sowohl die Verletzung der Aufsichtspflicht als auch deren Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden vermutet wird. Danach liegt die Darlegungs- und Beweislast für Kausalität und Verschulden beim Aufsichtspflichtigen, während sich der aufsichtspflichtige Beamte im Rahmen der Haftung nach § 839 BGB insoweit besser stellt (vgl. OLG Dresden NJW-RR 1997, 857-859). Diese Ungleichbehandlung ist de lege lata hinzunehmen. Die Haftung des Beamten ist in § 839 BGB selbständig und abschließend geregelt und lässt für die Anwendung der allgemeinen Deliktstatbestände in §§ 823 ff BGB keinen Raum (BGHZ 13, 25-28; OLG Hamburg OLGR 1999, 190-191; OLG Düsseldorf VersR 1996, 710; Soergel-Zeuner BGB 12. Aufl. (1998) § 832 Rdnr. 9; Staudinger-Belling/Eberl-Borges BGB (Neub. 2002) § 832, Rdnr. 22; MüKo-Wagner BGB 4. Aufl. (2004) Rdnr. 5; Palandt-Sprau BGB 65. Aufl. (2006) § 839 Rdnr. 3; a.A. OLG Köln MDR 1999, 997 mit zustimmender Anmerkung von Mertens aaO. 999). Diese abschließende Regelung steht deshalb auch einer analogen Anwendung von § 832 BGB im Rahmen der Amtshaftung entgegen. Außerdem hat der Gesetzgeber die Ausdehnung der Beweislastumkehr in § 832 Abs. 2 BGB auf weitere Fälle ausdrücklich geregelt, dort aber bewusst von der besonderen Voraussetzung eines Übernahmevertrages abhängig gemacht hat (Erman-Schiemann BGB 11. Aufl. (2004) § 832 Rdnr. 4); § 832 BGB ist damit seinerseits als eine abschließende Regelung ausgestaltet und nicht analogiefähig. Entgegen der Auffassung des OLG Köln aaO. ist auch nicht davon auszugehen, dass die Entscheidung des BGH, wonach die Anwendung von § 832 BGB neben § 839 BGB aus systematischen Gründen ausgeschlossen ist (BGHZ 13, 25-28), zwischenzeitlich überholt wäre. Zwar ist zuzugeben, dass der BGH die Beweislastumkehr für die Haftung des Grundstücksbesitzers (§ 836 Abs. 1 S. 2 BGB) und des privilegierten Tierhalters (§ 833 S. 2 BGB) im Rahmen von § 839 BGB entsprechend heranzieht (BGH NJW-RR 1990 1500; VersR 1972, 1047). Jedoch unterscheiden sich diese Bestimmungen von § 832 BGB dadurch, dass es sich um Beweislastregeln, nicht aber um selbständige Deliktstatbestände handelt. Beide Vorschriften kehren für Sonderfälle der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht lediglich die Beweislast um, halten sich im Übrigen aber im Rahmen der Grundnorm des § 823 BGB (BGH NJW-RR 1990, 1500-1502), während § 832 BGB nach der gesetzgeberischen Ausgestaltung einen eigenständigen Deliktstatbestand darstellt, der neben die in ihren Voraussetzungen abschließend geregelte Haftung nach § 839 BGB tritt (vgl. BGHZ 13, 25-28).
21 
Die Besserstellung des beamteten Aufsichtspflichtigen gegenüber sonstigen Aufsichtspflichtigen hat dabei keine nicht hinnehmbare Ungleichbehandlung zur Folge. Zum einen findet sich die Begünstigung von fahrlässig ihre Amtspflicht verletzenden Beamten auch in anderen Bestimmungen (§ 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und Abs. 3 BGB) und ist dort gesetzlich gewollt, zum anderen kann eine Verpflichtung zum Schadensersatz nach § 839 BGB auch dann begründet sein, wenn einer der sonstigen Deliktstatbestände nicht oder nicht voll verwirklicht ist (vgl. BGHZ 13, 25-28).
22 
2. Für den vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob die Erzieherinnen der Beklagten eine Amtspflicht verletzt haben, indem sie die Kinder zu lange Zeit unbeaufsichtigt spielen ließen. Die Erzieherinnen waren jedenfalls nicht verpflichtet, die Kinder von der unteren Terrasse des Kindergartens fernzuhalten oder sie dort ununterbrochen im Auge zu behalten. Dass bereits vor Duldung des Weggangs in den nicht einsehbaren unteren Teil des Kindergartengeländes ein konkreter Anlass für die Annahme einer Gefährdung fremden Eigentums bestand, haben die Kläger nämlich nicht dargetan. Grund zum Einschreiten hatten die Erzieherinnen deshalb hier erst, als sie die angeblichen Steinwürfe bemerkten bzw. hätten bemerken müssen. Für diesen Fall aber haben die Kläger den Nachweis nicht geführt, dass ein solches Unterlassen für den geltend gemachten Schaden ursächlich geworden wäre. Bleiben insoweit Zweifel, geht dies zu ihren Lasten.
23 
a) Das Maß der gebotenen Aufsicht bestimmt sich bei Minderjährigen nach deren Alter, Eigenart und Charakter, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen danach richtet, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall tun müssen, um eine Schädigung Dritter zu verhindern (OLG Düsseldorf VersR 1996, 710, OLG Dresden NJW-RR 1997, 858). Welche Maßnahmen dabei zumutbar sind, lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung des insgesamt angestrebten Erziehungsziels entscheiden; den Aufsichtspflichtigen ist ein gewisser Freiraum für vertretbare pädagogische Maßnahmen zu belassen (OLG Dresden aaO., OLG Hamm NJW-RR 1988, 798). Bei Anlegung dieser Maßstäbe waren die Erzieherinnen der Beklagten jedenfalls nicht verpflichtet, die auf der unteren Ebene des Kindergartens spielende Gruppe ununterbrochen im Auge zu behalten.
24 
Zwar sind die Anforderungen bei der Beaufsichtigung einer Gruppe höher als bei der Beaufsichtigung einzelner, weil eine Gruppe eine Eigendynamik entfaltet und die Kinder sich dadurch nicht nur größeren Verletzungsgefahren aussetzen, sondern auch tendenziell eher zu Dummheiten neigen, die auch Dritte schädigen können. Dem steht jedoch gegenüber, dass es sich vorliegend nur um eine kleine Gruppe von drei bis vier Kindern handelte. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten handelte es sich um altersentsprechend normale Kinder ohne besondere Auffälligkeiten. Auch spielten die Kinder auf einem eingezäunten Gelände, das aus Sicht des klägerischen Grundstücks durch einen 1,80 hohen Lamellenzaun abgetrennt war und besondere Gefahren für unbeteiligte Dritte nicht erkennen lässt. Entgegen der Auffassung des OLG Köln aaO. kommt es dabei für den im Verhältnis zu den Klägern maßgeblichen Inhalt der Amtspflicht nicht auf eine mögliche Selbstgefährdung der Kinder und die sich hieraus ergebenen Aufsichtspflichten, sondern allein darauf an, was unter den konkreten Umständen erforderlich und zumutbar war, um Risiken für Dritte auszuschließen. Vor diesem Hintergrund haben die Kläger lediglich pauschal vorgetragen, dass es zu einem vergleichbaren Vorfall im Jahr 2003 gekommen sei, wobei Spielsachen auf das Grundstück der Kläger geworfen worden seien, dort aber nur geringen Schaden an Grünpflanzen verursacht hätten. Vergleichbare Vorfälle dieser Art konnten zwar geeignet sein, eine gesteigerte Aufsichts- und Kontrolldichte für die Erzieherinnen zu begründen, jedoch wurden solche von der Beklagten bestritten. Es wäre Sache der Kläger gewesen, hierzu und zu etwaigen weiteren Vorfällen substantiiert vorzutragen. Auf die Notwendigkeit weiteren Vortrags hatte bereits das Landgericht hingewiesen.
25 
b) Die Kläger haben den Nachweis nicht geführt, dass eine etwaige Aufsichtspflichtverletzung ursächlich für den geltend gemachten Schaden geworden wäre. Denn waren die Erzieherinnen der Beklagten nicht verpflichtet, die Kinder auf der unteren Terrasse ständig im Auge zu behalten, hätte eine Amtspflicht zum Einschreiten erst bestanden, als diese von dem streitigen Vorgang Kenntnis erlangt oder eine Kenntnisnahme schuldhaft versäumt hätten. Nach Lage der Dinge ist dann aber nicht ausschließen, dass die behaupteten Schäden schon bei den ersten Würfen entstanden sind und damit zu einem Zeitpunkt, als eine Pflicht einzuschreiten noch nicht bestand. Bleibt offen, ob die behauptete Amtspflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden ursächlich geworden ist oder nicht, geht dies zulasten der hierfür im Rahmen von § 839 BGB darlegungs- und beweispflichtigen Kläger. Im Verhältnis zur Beklagten kommt den Klägern auch § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zugute, denn die Kinder - hier käme die Vorschrift zum Zuge - stehen als Verursacher fest (BGH NJW 1999, 2895).
III.
26 
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Das Verhältnis von § 832 BGB zu § 839 BGB ist höchstrichterlich entschieden (BGHZ 13, 25-28). Die späteren Entscheidungen des BGH zu der entsprechenden Anwendbarkeit von § 836 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. § 833 S. 2 BGB im Rahmen der Amtshaftung bieten nach Auffassung des Senats keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, da diese Vorschriften, wie oben ausgeführt, einen anderen Regelungsgehalt haben und anders zu beurteilen sind als § 832 BGB.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Ein Amtsträger, der während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Die §§ 224 bis 229 gelten für Straftaten nach Absatz 1 Satz 1 entsprechend.

Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.