Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 30. Jan. 2018 - 8 Sa 378/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2018:0130.8Sa378.17.00
bei uns veröffentlicht am30.01.2018

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 13.07.2017, Az.: 6 Ca 98/17 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung.

2

Die Klägerin ist seit dem 01.05.2016 aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18.05.2016 bei der Beklagten, einem Reisebusunternehmen mit zwei Büros, als kaufmännische Angestellte zu einem Bruttomonatslohn in Höhe von 1.600,00 EUR beschäftigt. Gemäß § 4 des Arbeitsvertrages (Bl. 13 d. A.) ist die Vergütung jeweils zum 10. des Folgemonats bargeldlos zu zahlen.

3

Die Vergütung für Oktober 2016 zahlte die Beklagte am 16.11.2016, die Vergütung für November 2016 am 15.12.2016.

4

Am Montag, den 16.01.2017, meldete sich die Klägerin bei der Beklagten telefonisch arbeitsunfähig krank und legte eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Mit Schreiben vom 19.01.2017 (Bl. 23 d. A.), das ihr Vater noch am selben Tag der Beklagten zufaxte, übersandte die Klägerin an die Beklagte eine Folgebescheinigung bis voraussichtlich zum 03.02.2017. Gleichzeitig forderte sie mit diesem Schreiben insbesondere die Beklagte auf, dafür Sorge zu tragen, dass "künftig am Arbeitsplatz normale Temperaturen - wie in der Arbeitsstättenverordnung vorgesehen“ - vorherrschen. Ferner mahnte sie die Auszahlung des Dezembergehalts 2016 mit einer Zahlungsfrist von drei Arbeitstagen an und verlangte die Sicherstellung der künftigen pünktlichen Gehaltszahlungen.

5

Die Vergütung für Dezember 2016 zahlte die Beklagte sodann am 24.01.2017.

6

Mit weiterem Schreiben vom 13.02.2017 (Bl. 24 d. A.), das der Beklagten per Fax ebenfalls am selben Tag zuging, forderte die Klägerin unter anderem die Beklagte auf, das Januargehalt 2017 zu zahlen und wies auf mögliche Schadensersatzansprüche wegen der verspäteten Zahlungen hin. Auch erinnerte sie an die bereits mit Schreiben vom 19.01.2017 angeforderte Gehaltsabrechnung für Dezember 2016 sowie die Lohnsteuerbescheinigung 2016. Zusätzlich forderte sie die Lohnabrechnung für Januar 2017 ein.

7

Mit Schreiben vom 14.02.2017, das der Klägerin noch am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 15.03.2017. Zugleich erhielt die Klägerin eine Kopie eines Kündigungsschreibens vom 24.01.2017 zum 28.02.2017.

8

Das Januargehalt 2017 zahlte die Beklagte schließlich am 15.02.2017 an die Klägerin.

9

Gegen die Kündigung der Beklagten vom 14.02.2017 wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden beim Arbeitsgericht am 06.03.2017 eingegangenen Kündigungsschutzklage.

10

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen,

11

sie habe lediglich in zulässiger Weise ihre Rechte wahrgenommen. Bereits bei der persönlichen Krankmeldung am 16.01.2017 habe der Geschäftsführer der Beklagten dies damit dokumentiert, dass er gesagt habe, "das habe ich mir gleich gedacht". Weil die Beklagte schon auf die mit ihrem Schreiben vom 19.01.2017 geltend gemachten berechtigten Interessen habe kündigen wollen und bemerkt habe, dass ihr die Kündigung vom 24.01.2017 nicht zugegangen sei und weil sie es gewagt habe, mit Schreiben vom 13.02.2017 weitere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gegen die Beklagte zu stellen, sei die streitgegenständliche Kündigung umgehend erfolgt. In dieser Weise würde die Beklagte öfter reagieren, wenn sich Arbeitnehmer beschwerten, arbeitsunfähig krank würden oder sogar Ansprüche gegenüber der Beklagten erheben würden. Im Übrigen beschäftige die Beklagte aber auch mehr als 10 Arbeitnehmer. So seien die bei der Z. GbR angestellten Personen mitzuzählen, da sie ihr Anweisungen vom Geschäftsführer der Beklagten erhielten.

12

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

13

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten über den 15.03.2017 hinaus fortbesteht.

14

Der Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen,

16

Die Beklagte hat erstinstanzlich ausgeführt,

17

die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei schlicht und einfach erfolgt, weil sie unter anderem mit den unterdurchschnittlichen Leistungen der Klägerin auf Dauer nicht mehr belastet sein wollte. So habe die Klägerin beispielsweise schlichte Abrechnungen fehlerhaft gemacht, indem sie nicht einmal die 19 % Mehrwertsteuer rechnerisch ermittelt und in die Rechnung eingesetzt habe. Im Übrigen sei sie ein Kleinbetrieb mit 15 Personen, die jedoch aufgrund der vielen Teilzeitkräfte lediglich insgesamt als 8,25 Arbeitnehmer zählten.

18

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 13.07.2017 der als Kündigungsschutzklage ausgelegten Klage stattgegeben und zur Begründung zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass die streitgegenständliche Kündigung schon als Reaktion auf die Beschwerdeschreiben der Klägerin wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB unwirksam sei.

19

Die Beklagte hat gegen das am 20.07.2017 zugestellte Urteil mit am 17.08.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 20.09.2017 eingegangenem Schriftsatz begründet.

20

Die Beklagte hat im Wesentlichen darauf verwiesen,

21

wesentliches Motiv der Kündigung vom 14.02.2017 sei der aufgrund des Schreibens vom 13.02.2017 bekannt gewordene Umstand des fehlenden Zugangs des Kündigungsschreibens vom 24.01.2017, da die Klägerin in ihrem Schreiben mit keinem Wort diese Kündigung erwähnt habe. Zudem habe das Arbeitsgericht auch verkannt, dass eine Kündigung während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit keine Maßregelung darstelle. Die Beklagte habe der Klägerin mangelnden Durchblick vorgeworfen, weil sie nicht einmal zwischen den Arbeitsverhältnissen der Beklagten und der Z. GbR unterscheiden könne, dies reiche als Grund aus. Auch seien mehrere Fehler während des Arbeitsverhältnisses vorgekommen. So sei gegenüber der Beklagten im November 2016 eine Schadensersatzforderung wegen bezahlter Taxen vom Flughafen Y. geltend gemacht worden, weil die Klägerin dem Fahrer nicht die korrekten Abholzeiten angegeben habe. Im Dezember 2016 habe die Klägerin in einer Rechnung die Mehrwertsteuer falsch ausgewiesen, da sie den Betrag einfach aus einer alten Rechnung übernommen habe. Am 09.01.2017 habe der Geschäftsführer der Beklagten die Klägerin angewiesen, einen Mitarbeiter abzumelden, was aber nicht geschehen sei.

22

Die Beklagte beantragt,

23

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Primasens vom 13.07.2017 - Az.: 6Ca98/17 abzuändern und die Klage abzuweisen.

24

Die Klägerin beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Die Klägerin rügt die Zulässigkeit der Berufung wegen fehlendem Antrag in der Berufungsbegrünung und verteidigt zudem das angegriffene erstinstanzliche Urteil als zutreffend.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Sitzungsniederschrift sowie den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

28

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig.

29

1. Für die Zulässigkeit der Berufung ist es entgegen der Auffassung der Klägerin unschädlich, dass insbesondere der Berufungsbegründungsschriftsatz der Beklagten noch keinen förmlichen Berufungsantrag enthielt.

30

Zwar erscheint es zweckmäßig, dass das Anfechtungs- und Änderungsbegehren in einem förmlichen Berufungsantrag formuliert wird. Doch reicht es nach der Rechtsprechung aus, dass der Berufungsbegründung im Ganzen das Berufungsbegehren eindeutig erkennen lässt (vgl. etwa BAG 18.02.2016 - 8 AZR 426/14 Rn. 22, juris; BGH 01.04.2015 - XII ZB 503/14, NJW 2015, 1606, 1607). Dies erfordert auch nach dem Zweck des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO nicht zwingend einen förmlichen Sachantrag. Durch diese Bestimmung soll der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen (vgl. etwa BAG 18.02.2016 - 8 AZR 426/14 Rn. 21, juris; BGH 01.04.2015 - XII ZB 503/14, NJW 2015, 1606, 1607).

31

Hierfür reicht es zunächst aus, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergeben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll (vgl. BAG 18.02.2016 - 8 AZR 426/14 Rn. 21, juris; 20.06.1989 - 3 AZR 504/87 - zu I 3 der Gründe; LAG Rheinland-Pfalz 29.08.2017 - 8 Sa 76/17, juris;std.Rspr. des BGH vgl. z.B. BGH 01.04.2015 - XII ZB 503/14, NJW 2015, 1606, 1607; 15.12.2009 – IX ZB 36/09, NJW-RR 2010, 424, 425). Hierfür spricht nicht zuletzt auch, dass die in der Berufungsbegründung angekündigten Anträge nur vorläufigen Charakter haben und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Rahmen der fristgerecht vorgetragenen Anfechtungsgründe noch geändert werden können (vgl. BAG 18.02.2016 - 8 AZR 426/14 Rn. 22, juris; BGH 06.07.2005 - XII ZR 293/02 - zu I 2 a der Gründe mwN, BGHZ 163, 324).

32

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat die Beklagte vorliegend auch ohne förmlichen Antrag im Berufungsbegründungsschriftsatz aufgrund dessen Inhalts klar zu erkennen gegeben, dass sie ihr Ziel der Klageabweisung vollumfänglich weiterverfolgt. Das erstinstanzliche Urteil war der Berufung beigefügt gewesen. Der Umstand, dass die Beklagte zunächst davon absah im Berufungsschriftsatz bereits einen Sachantrag zustellen beruhte darauf, dass sie gehofft hatte, es käme zu einer beiderseitige Erledigungserklärung des Rechtsmittels. Inhaltlich setzt sich der Berufungsbegründungsschriftsatz mit dem erstinstanzlichen Urteil auseinander und zeigt auf, weshalb die Beklagte es für fehlerhaft und die Klage für unbegründet hält. Er lässt keine Zweifel daran, dass die Beklagte die vollumfängliche Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und die Klageabweisung begehrt.

II.

33

Die Berufung hat in der Sache selbst keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.

34

Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Kündigung der Beklagten vom 14.02.2017 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 15.03.2017 beendet hat. Die von der Klägerin fristgerecht iSd. § 4 Satz 1 KSchG erhobenen Kündigungsschutzklage hatte in der Sache Erfolg, da die ausgesprochene Kündigung wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612a BGB i.V.m. § 134 BGB unwirksam war.

35

1. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 14.02.2017 bestand zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis, da ein etwaiges Kündigungsschreiben der Beklagten vom 24.01.2017 der Klägerin unstreitig tatsächlich nicht zugegangen ist.

36

2. Vorliegend bedurfte es keiner Entscheidung, ob das Kündigungsschutzgesetz nach § 23 KschG Anwendung findet, so dass die Kündigung mangels sozialer Rechtfertigung unwirksam wäre, denn die ausgesprochene Kündigung erweist sich als Maßregelung im Sinne des § 612a BGB und war schon aus diesem Grund nach § 134 BGB nichtig.

37

a) Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Als Maßnahme kommt auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Sie kann sich als Benachteiligung wegen einer zulässigen Rechtsausübung darstellen. Das Maßregelungsverbot ist verletzt, wenn zwischen der Rechtsausübung und der Benachteiligung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dafür muss die zulässige Rechtsausübung der tragende Grund, das heißt, das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur der äußere Anlass für sie war (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 812/12 - Rn. 63, 19. April 2012 - 2 AZR 233/11 - Rn. 47; 12. Mai 2011 - 2 AZR 384/10 - Rn. 38, jeweils zitiert nach juris). Ist der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers nicht nur wesentlich, sondern ausschließlich durch die zulässige Rechtsverfolgung des Arbeitnehmers bestimmt gewesen, deckt sich das Motiv des Arbeitgebers mit dem objektiven Anlass zur Kündigung. Es ist dann unerheblich, ob die Kündigung auf einen anderen Kündigungssachverhalt hätte gestützt werden können, weil sich ein möglicherweise vorliegender anderer Grund auf den Kündigungsentschluss nicht kausal ausgewirkt hat und deshalb als bestimmendes Motiv für die Kündigung ausscheidet. Eine dem Maßregelungsverbot widersprechende Kündigung kann deshalb auch dann vorliegen, wenn an sich ein Sachverhalt gegeben ist, der eine Kündigung des Arbeitgebers gerechtfertigt hätte (BAG 23.04.2009 - 6 AZR 189/08 - Rn. 12; 22.05.2003- 2 AZR 426/02 - Rn. 50, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit). Während das Kündigungsschutzgesetz auf die objektive Sachlage zum Zeitpunkt der Kündigung und nicht auf den Beweggrund der Kündigung durch den Arbeitgeber abstellt und deswegen das Nachschieben materieller Kündigungsgründe - unbeschadet betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften - insoweit zulässig ist, schneidet § 612a BGB - ebenso wie § 613a Abs. 4 BGB - die Kausalkette für andere Gründe ab, die den Kündigungsentschluß des Arbeitgebers nicht bestimmt haben. Kausal für die Kündigung ist dann vielmehr allein der ausschließliche Beweggrund der unzulässigen Benachteiligung gewesen. Den klagenden Arbeitnehmer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß er wegen seiner Rechtsausübung von dem verklagten Arbeitgeber durch den Ausspruch der Kündigung benachteiligt worden ist (BAG 22.05.2003 – 2 AZR 426/02 - zu III 2 b der Gründe m.w.N., AP Nr 18 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit).

38

Für das Vorliegen einer Maßregelung i. S. v. § 612a BGB trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. In Betracht kommt diesbezüglich jedoch eine Beweiserleichterung durch Anscheinsbeweis, wenn ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und der Rechtsausübung besteht. Dies gilt etwa dann, wenn insoweit ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben ist (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 22.04.2015 – 4 Sa 577/14; ErfK/Preis, 18. Aufl., § 612a BGB Rz. 22 m.w.N.). Den Anscheinsbeweis kann der Arbeitgeber sodann seinerseits durch substantiierten Vortrag erschüttern mit der Folge, dass nunmehr der Arbeitnehmer den Vollbeweis führen muss.

39

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen, dass vorliegend ein Sachverhalt gegeben ist, der eine Maßregelung indiziert. Der Vortrag der Beklagten vermag hingegen auch in zweiter Instanz dies nicht zu erschüttern.

40

(1) Es besteht aufgrund des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Geltendmachungsschreiben der Klägerin vom 13.02.2017 und der anschließenden Kündigung der Beklagten vom 14.02.2017 ein Indiz dafür, dass diese Kündigung eine unmittelbare Reaktion auf das in diesem Schreiben (wiederholte) Begehren der Klägerin nach Einhaltung der vereinbarten Zahlungsfrist für das Gehalt bis zum 10. des Folgemonats und das (erneute) Inverzugsetzen nebst Hinweis auf etwaige Schadensersatzansprüche ist.

41

Das Schreiben vom 13.02.2017 ist der Beklagten noch am selben Tag per Fax zugegangen. Darüber hinaus ergibt sich auch aus dem Vortrag der Beklagten selbst, dass sie dieses Schreiben auch vor Ausspruch der Kündigung vom 14.02.2017 inhaltlich zur Kenntnis genommen hat. So hat sie selbst angegeben, dass ihr durch dieses Schreiben bekannt geworden sei, dass die Klägerin das angebliche Kündigungsschreiben vom 24.01.2017 nicht erhalten habe, da die Klägerin in ihrem Schreiben hierauf mit keinem Wort eingegangen sei. Die Beklagte hat sich in den Vormonaten nie an ihre vertragliche Verpflichtung aus § 4 des Arbeitsvertrages gehalten, die Vergütung bis spätestens zum 10. des Folgemonats bargeldlos zu zahlen. Vielmehr hat sie die Vergütung für den Monat Oktober 2016 erst am 16.11.2016, für den Monat November 2016 erst am 15.12.2016 und für den Monat Dezember 2016 sogar erst nach Zugang des diesbezüglichen Geltendmachungsschreibens vom 19.01.2017 am 24.01.2017 gezahlt. Das Januargehalt 2017 war gleichfalls bis zum Schreiben der Klägerin vom 13.02.2017 nicht gezahlt und wurde nach Zugang des Schreibens vom 13.02.2017 sodann zum 15.02.2017 schließlich überwiesen. Dies zeigt, dass die Beklagte nicht gewillt war sich an die vertragliche Vereinbarung zu halten. Die evidente zeitliche Nähe der erneuten Geltendmachung der fristgerechten Zahlung der Vergütung zur ausgesprochenen Kündigung indiziert daher, dass die Beklagte gekündigt hat, weil die Klägerin auf der Einhaltung der vertraglichen Regelungen pochte und damit in zulässigerweise ein Recht ausgeübt hat.

42

(2) Hingegen vermochte die Beklagte nicht den Anschein zu erschüttern, dass tragendes Motiv für die Kündigung das berechtigte Begehren der Klägerin nach fristgerechter Bezahlung entsprechend § 4 des schriftlichen Arbeitsvertrages war.

43

(a) Soweit die Beklagte ihre Berufung darauf stützt, dass Grund für die Kündigung vom 14.02.2017 gewesen wäre, dass der Klägerin das angeblich abgesandte Kündigungsschreiben vom 24.01.2017 nicht zugegangen sei, verfängt dieser Einwand nicht. Ganz im Gegenteil stellt dies letztlich nur ein weiteres Indiz für das Vorliegen einer unzulässigen Maßregelung dar. Denn die Klägerin hatte bereits im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dieser ersten beabsichtigten Kündigung erstmalig schriftlich die Einhaltung der arbeitsvertraglichen Regelungen und die rechtzeitige Bezahlung angemahnt und zwar mit Schreiben vom 19.01.2017, das der Beklagten vor ab per Fax noch am selben Tag zugegangen war. Die sodann beabsichtige Kündigung vom 24.01.2017 kann aufgrund des evidenten zeitlichen Zusammenhangs mit diesem ersten Geltendmachungsschreiben deshalb gleichfalls nur als weiteres Indiz für eine beabsichtigte Maßregelung gewertet werden. Indem die Beklagte nach Erhalt des weiteren Geltendmachungsschreibens der Klägerin vom 13.02.2017 an ihrem Kündigungsentschluss festhielt und deshalb wegen fehlenden Zugangs des ersten Kündigungsschreibens erneut kündigte, verstärkt dies nach Auffassung der Berufungskammer sogar den Anschein, dass wesentliches Motiv für die Kündigung die Abstrafung der Klägerin für ihr berechtigtes Verlangen war.

44

(b) Soweit die Beklagte ferner darauf verweist, dass eine Kündigung außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes keines Grundes bedürfe und sie im Übrigen der Klägerin mangelnden Durchblick und nicht fehlerfreie Arbeit vorgeworfen habe, führt dies ebenfalls zu keinem abweichenden Ergebnis.

45

Die Berufungskammer verkennt nicht, dass die Beklagte -- im Falle der Nichtgeltung des Kündigungsschutzgesetzes --, die Klägerin auch ohne einen Grund fristgemäß hätte kündigen können. Hingegen hat sie aufgrund des unstreitigen Sachverhalts gerade nicht ohne Grund gekündigt, sondern vielmehr dem Anschein nach aufgrund des berechtigten Verlangens der Klägerin nach fristgerechter Vergütung entsprechend der vertraglichen Vereinbarung und damit wegen Ausübung eines Rechts im Sinne des § 612a BGB. In dieser Konstellation ist es an der Beklagten als Arbeitgeberin, diese Vermutung durch substantiierten Gegenvortrag zu entkräften (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 08.11.2016 – 8 Sa 152/16 – Rn. 30, NZA-RR 2017, 188, 189). Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises einer Maßregelung bedarf es dann auch außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes konkreter Darlegungen, dass der Arbeitgeber aus anderen konkret zu benennenden (und ggfs. zu beweisenden) Gründen das Arbeitsverhältnis gekündigt hat (vgl. LAG Schleswig-Holstein 28.06.2005 – 5 Sa 64/05 zu 2 c bb der Gründe, AiB 2006, 61 f.).

46

Hieran fehlt es jedoch. Der im Hinblick auf die fehlerhafte Arbeit zudem recht pauschal gehaltene Vortrag der Beklagten ist allenfalls dazu geeignet darzutun, dass die Beklagte objektiv betrachtet auch aus nicht zu missbilligenden Gründen hätte kündigen können, hingegen vermag er nicht ansatzweise schlüssig ein wahrscheinlich abweichendes Motiv der Beklagten aufzuzeigen. Der sich im Prozess nach Ansicht der Beklagten gezeigte Umstand des immer noch fehlenden Überblicks der Klägerin über die Arbeitnehmerschaft der Beklagten kann schon deshalb kein Kündigungsmotiv gewesen sein, da sich dieser Umstand der Beklagten erst nach dem Ausspruch der Kündigung im Prozess offenbarte. Zur angeblichen fehlerhaften Arbeitsweise der Klägerin hat die Beklagte erstmalig im Kammertermin im Berufungsverfahren ansatzweise nähere Angaben gemacht. So hat sie erstmalig in diesem Termin behauptet, ein im November 2016 gegenüber der Beklagten geltend gemachter Schadensersatzanspruch wegen gebuchtem und nicht durchgeführtem Bustransfer habe letztlich auf einer fehlerhaften Anweisung der Klägerin beruht; ferner habe die Klägerin im Dezember 2016 eine Rechnung falsch ausgestellt, indem sie die Mehrwertsteuer nicht berechnet, sondern deren Betrag aus einer anderen Rechnung übernommen habe und schließlich sei die Klägerin der Anweisung des Geschäftsführers vom 09.01.2017 zur Abmeldung eines Arbeitnehmers nicht nachgekommen. Alle genannten angeblichen Vorfälle liegen zeitlich weit vor dem Kündigungsausspruch vom 14.02.2017. Selbst zur beabsichtigten Kündigung vom 24.01.2017 erschließt sich nicht, wieso diese Vorfälle nun die Beklagte zur Kündigung motiviert haben sollten. Zumal die Klägerin bereits seit dem 16.01.2017 arbeitsunfähig erkrankt war und nicht mehr gearbeitet hat, so dass auch keine weiteren Fehler auftreten konnten. Auch deshalb ist nicht erkennbar, inwiefern dies den Kündigungsentschluss der Beklagten konkret beeinflusst haben soll. Es ist von der Beklagten weder ein Grund dargetan noch ersichtlich, weshalb die Beklagte mit einer Kündigung zunächst abwartete, obwohl sie mit den unterdurchschnittlichen Leistungen angeblich nicht mehr belastet sein wollte. Ein zufälliges zeitliches Zusammentreffen von dem Geltendmachungsschreiben der Klägerin mit der beabsichtigten und der sodann erfolgten Kündigung erscheint damit gleichfalls nicht wahrscheinlich.

47

Nach alledem hat die Beklagte den Anscheinsbeweis nicht durch substantiierten Tatsachenvortrag zu entkräften vermocht, so dass es auch nicht darauf ankam, ob ihr Vorbringen hinsichtlich der Arbeitsfehler als verspätet zurückzuweisen war.

III.

48

Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

49

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 22. Apr. 2015 - 4 Sa 577/14

bei uns veröffentlicht am 22.04.2015

weitere Fundstellen ... Diese Entscheidung wird zitiert Tenor I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 5.6.2014, Az.: 7 Ca 352/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. II. Die Revision wird nich

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Apr. 2015 - XII ZB 503/14

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 10. Apr. 2014 - 2 AZR 812/12

bei uns veröffentlicht am 10.04.2014

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Juli 2012 - 10 Sa 890/12 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Beruf

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Apr. 2012 - 2 AZR 233/11

bei uns veröffentlicht am 19.04.2012

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 5. August 2010 - 2 Sa 634/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Mai 2011 - 2 AZR 384/10

bei uns veröffentlicht am 12.05.2011

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 29. Januar 2010 - 4 Sa 943/08 - aufgehoben, soweit es ihre Berufung gegen die Entscheidung

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(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 29. April 2014 - 9 Sa 833/13 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zu 2. der Klägerin zum Schadensersatz sowie aus § 433 Abs. 2 BGB zur Zahlung verpflichtet ist.

2

Der Beklagte zu 2. war bei der T GmbH (im Folgenden T), die elektrotechnische Geräte vertrieb, als Kundenbetreuer (Account Manager) im Vertrieb tätig. Das Arbeitsverhältnis des Beklagten zu 2. mit der T endete durch arbeitgeberseitige fristlose Kündigung vom 26. Februar 2008. Die T wurde zum 1. April 2009 auf die Klägerin verschmolzen.

3

Der Vertrieb elektrotechnischer Artikel wurde bei der T mit verschiedenen Programmen, ua. mit dem sog. TSAM CRM-Programm und dem EDV-Programm „SeCe-IT“ abgewickelt. Das TSAM CRM-Programm erfasste Kundendaten sowie die beabsichtigten und die getätigten Geschäfte; das EDV-Programm „SeCe-IT“ listete Preise auf sowie mögliche Rabatte, die die Vertriebsmitarbeiter den Kunden gewähren konnten. Soweit diese Rabatte nicht ausreichten, konnte durch den jeweiligen Vertriebsmitarbeiter über das Programm eine höhere Rabattierung (sog. Preiseskalation) initiiert werden. Eine Abgabe der Ware erfolgte grundsätzlich nur an Kunden der T, die keine Wiederverkäufer waren.

4

Der Beklagte zu 2. legte in den EDV-Systemen der T zwei Kunden namens „S I“ bzw. „I“ sowie „K“ an. Inhaber dieser Kunden waren die Ehefrau des Beklagten zu 2. bzw. deren Eltern. Ab Mitte 2006 wurden vom Beklagten zu 2. wenigstens 240 Bestellungen elektrotechnischer Artikel für die vorgenannten Kunden sowie weitere Kunden, namentlich die „S GmbH“, die „Sc AG“ und die „Si GmbH“ ausgelöst und abgewickelt. Teilweise wurden die Bestellungen auf die Kundennummer einer „D AG“, einer „e GmbH & Co. KG“ oder einer „R“ gebucht; es wurden auch abweichende Rechnungs- und Lieferanschriften angegeben. Zum Teil handelte es sich bei den veräußerten Gegenständen um Restposten.

5

Mit ihrer zunächst gegen drei Beklagte als Gesamtschuldner - den Beklagten zu 2. und zwei seiner Vorgesetzten, ua. den Beklagten zu 1. - gerichteten, dem Beklagten zu 2. am 2. September 2008 zugestellten Klage und der diesem am 29. Januar 2010 zugestellten Klageerweiterung hat die Klägerin Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit den oa. 240 Geschäftsvorgängen geltend gemacht. Sie hat behauptet, der Beklagte zu 2. habe diese Verkaufsgeschäfte mit unzulässigen Preisabsprachen bzw. unzulässigen Rabatten getätigt. Er habe veranlasst, dass den Kunden weit unter dem Einkaufs- bzw. Einstandspreis liegende Preise in Rechnung gestellt wurden, ohne dass die erforderlichen Preiseskalationen durchgeführt wurden; zum Teil sei eine Rechnungsstellung vollständig unterblieben. Um Misstrauen erst gar nicht aufkommen zu lassen, seien Bestellungen zudem mittels des Textverarbeitungsprogramms „Word“ abgeändert worden. Die Waren seien von den „Kunden“ an Dritte weiterverkauft worden, die diese Waren ansonsten zu regulären Preisen bei der T bezogen hätten. Infolge des Fehlverhaltens des Beklagten zu 2. sei ihr in den Jahren 2006 und 2007 ein Schaden iHv. insgesamt 5.360.450,21 Euro entstanden. Diesen habe der Beklagte zu 2. ihr nach § 280 bzw. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 bzw. § 263 StGB zu ersetzen. Einen Teilbetrag der Gesamtforderung schulde der Beklagte zu 2. ihr zudem nach § 433 Abs. 2 BGB. Dieser Anspruch betreffe neun mit der „I“ geschlossene Verträge.

6

Die Klägerin hat in erster Instanz ua. beantragt,

        

1.    

den Beklagten zu 1. und den Beklagten zu 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin wegen vorsätzlich begangener Handlungen 5.360.450,21 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung entsprochen. Das Urteil wurde der Klägerin am 16. September 2013 zugestellt. Die Klägerin hat gegen dieses Urteil teilweise, nämlich insoweit Berufung eingelegt, als ihre Klage gegen den Beklagten zu 2. abgewiesen wurde. Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21. November 2013 den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 18. November 2013, der ausweislich des Eingangsstempels des Nachtbriefkastens am 19. November 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, mit der Begründung zurückgewiesen, der Antrag sei erst nach Ablauf der bis zum 18. November 2013 laufenden Frist zur Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsätzen vom 23. Dezember 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet. In der Berufungsbegründungsschrift hat sie ihre Klageforderung auf 500.000,00 Euro beschränkt und ausgeführt, dass diese Beschränkung nur im Hinblick darauf erfolge, dass die Realisierbarkeit der Gesamtforderung bei dem Beklagten zu 2. sehr zweifelhaft sei; sie behalte sich allerdings vor, die Berufung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zu erweitern.

8

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

den Beklagten zu 2. zu verurteilen, an sie wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen 500.000,00 Euro aus den in der Berufungsbegründung vom 23. Dezember 2013 im Einzelnen dargestellten Vorgängen (S. 6 bis 27) in der Abfolge ihrer Darstellung, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Der Beklagte zu 2. hat Klageabweisung beantragt.

10

Das Landesarbeitsgericht, das über den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin nicht entschieden hat, hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. In der Sache verfolgt sie ihr Klagebegehren aus der Berufung weiter. Der Beklagte zu 2. beantragt die Verwerfung bzw. Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung der Klägerin nicht als unzulässig verworfen werden. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO). Der Senat kann allerdings nicht selbst feststellen, ob die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen war. Er kann nicht selbst über den vom Landesarbeitsgericht nicht beschiedenen Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Frist zur Begründung der Berufung entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Zurückverweisung ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat zugunsten der Klägerin die Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Berufung unterstellen dürfte. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann vom Senat nicht entschieden werden, ob die zulässige Klage unbegründet ist.

12

A. Die Revision ist zulässig.

13

I. Die Revision der Klägerin ist statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt, § 74 Abs. 1 ArbGG, sowie frist- und ordnungsgemäß begründet, § 74 Abs. 1 ArbGG, § 551 Abs. 3 ZPO. Die Revision setzt sich insbesondere ausreichend mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander (zu dieser Anforderung vgl. etwa BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 16 mwN; 19. April 2005 - 9 AZR 184/04 - zu I 1 der Gründe mwN).

14

II. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten zu 2. ist die Revision nicht deshalb unzulässig, da der in der Revision gestellte Sachantrag den Zusatz aus dem Berufungsantrag „wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen“ nicht mehr enthält. Hierin liegt keine in der Revisionsinstanz - grundsätzlich - unzulässige Klageänderung bzw. Klageerweiterung (vgl. hierzu BAG 18. November 2014 - 1 AZR 257/13 - Rn. 46, BAGE 150, 50; 28. Mai 2013 - 3 AZR 266/11 - Rn. 17 f. mwN). Der Berufungsantrag ist in der gebotenen Auslegung dahin zu verstehen, dass dem Zusatz „wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen“ keine den Antrag einschränkende Bedeutung zukommt.

15

1. Das Revisionsgericht hat prozessuale Willenserklärungen selbstständig auszulegen. Maßgebend sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, vielmehr ist der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln. Im Zweifel sind Klageanträge so auszulegen, dass das gewollt ist, was aus Sicht der Prozesspartei nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Dabei sind die schutzwürdigen Belange des Prozessgegners zu berücksichtigen (vgl. BAG 7. Juli 2015 - 10 AZR 416/14 - Rn. 18; 2. September 2014 - 3 AZR 951/12 - Rn. 34; 15. Mai 2013 - 7 AZR 665/11 - Rn. 32, BAGE 145, 142).

16

2. Die Auslegung ergibt, dass dem im Berufungsantrag enthaltenen Zusatz „wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen“ keine diesen Antrag einschränkende Bedeutung zukommt. Die Klägerin hatte den Beklagten zu 2. nicht nur auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen, der ihr aus - nach ihrer Behauptung - vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen des Beklagten zu 2. entstanden war. Sie hatte ihren Anspruch auch auf § 280 BGB sowie teilweise auf § 433 Abs. 2 BGB gestützt. Die Aufnahme des oa. Zusatzes in den Antrag war ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die Klägerin, wie sie bereits in der Klageschrift erläutert hat, von der Möglichkeit nach § 850f Abs. 2 ZPO, wonach das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c ZPO vorgesehenen Beschränkungen bestimmen kann, Gebrauch machen wollte und vor diesem Hintergrund eine Feststellung des Schuldgrundes im Titel anstrebte. Eine Beschränkung des Gerichts auf die Prüfung bestimmter Anspruchsgrundlagen oder aber eines bestimmten Lebenssachverhalts unter Ausschluss eines anderen Lebenssachverhalts war mit dem Zusatz demnach nicht bezweckt. Damit hat der Streitgegenstand in der Revisionsinstanz keine Änderung erfahren (vgl. hierzu etwa BAG 28. Mai 2013 - 3 AZR 266/11 - Rn. 18).

17

B. Die Revision ist auch begründet.

18

I. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung der Klägerin nicht als unzulässig verworfen werden.

19

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Berufung sei unzulässig, da die Klägerin keine Berufungsbegründung mit einem hinreichend bestimmten Berufungsantrag (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO) eingereicht habe. Die Klägerin habe das Urteil des Arbeitsgerichts, mit dem ihre auf Zahlung von 5.360.450,21 Euro gerichtete Klage abgewiesen wurde, nur im Umfang von 500.000,00 Euro angefochten. Dem Berufungsantrag sei jedoch weder nach seinem Wortlaut noch durch Auslegung zu entnehmen, ob die Klägerin Ansprüche aus allen erstinstanzlich angeführten 240 Geschäftsvorfällen, oder nur aus den in der Berufungsbegründung konkret aufgelisteten „41“ Geschäftsvorfällen und aus welchen von diesen weiterverfolgt, oder ob sie das Urteil nur hinsichtlich der Ansprüche aus einzelnen Vorfällen zur Überprüfung stellt, und wenn ja, hinsichtlich welcher Vorfälle. Die Klägerin habe erst in der mündlichen Verhandlung ihren Antrag dahin konkretisiert, dass sie die Zahlung von 500.000,00 Euro aus den in der Berufungsbegründung dargestellten Vorgängen in der Abfolge ihrer Darstellung geltend macht. Diese Konkretisierung hätte die Klägerin allerdings bereits in der Berufungsbegründung vornehmen müssen, andernfalls ließen sich Umfang und Ziel ihres Rechtsmittels nicht erkennen.

20

2. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

21

a) Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge). Durch diese Bestimmung soll der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen (vgl. etwa BGH 10. Juni 2015 - XII ZB 611/14 - Rn. 10 mwN; 19. November 2014 - XII ZB 522/14 - Rn. 10; 22. März 2006 - VIII ZR 212/04 - Rn. 8 mwN).

22

Lassen sich Umfang und Ziel des Rechtsmittels durch Auslegung der innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig bestimmen, kann selbst das völlige Fehlen eines förmlichen Berufungsantrags unschädlich sein (vgl. ua. BAG 20. Juni 1989 - 3 AZR 504/87 - zu I 3 der Gründe; BGH 10. Juni 2015 - XII ZB 611/14 - Rn. 10 mwN). Ferner ist zu berücksichtigen, dass die in der Berufungsbegründung angekündigten Anträge nur vorläufigen Charakter haben und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Rahmen der fristgerecht vorgetragenen Anfechtungsgründe noch geändert werden können (vgl. ua. BGH 6. Juli 2005 - XII ZR 293/02 - zu I 2 a der Gründe mwN, BGHZ 163, 324; 27. März 1985 - IVb ZB 20/85 - zu II der Gründe). Der Berufungskläger kann das Rechtsmittel sogar nach Ablauf der Begründungsfrist bis zum Schluss der Berufungsverhandlung erweitern, soweit die fristgerecht vorgetragenen Berufungsgründe die Antragserweiterung decken (vgl. BAG 20. Juli 2004 - 9 AZR 570/03 - zu A I 1 der Gründe; vgl. auch BGH 28. September 2000 - IX ZR 6/99 - zu I 1 der Gründe mwN, BGHZ 145, 256; 30. April 1996 - VI ZR 55/95 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 132, 341; 6. November 1986 - IX ZR 8/86 - zu 4 a bb der Gründe; 16. September 1985 - II ZR 47/85 - zu 2 der Gründe; 24. Oktober 1984 - VIII ZR 140/83 - zu I der Gründe; 8. Oktober 1982 - V ZB 9/82 - zu II 2 der Gründe).

23

Wird unbeschränkt Berufung eingelegt, so erstreckt sich die dadurch eintretende Hemmung der Rechtskraft (§ 705 Satz 2 ZPO) grundsätzlich auch dann auf das gesamte Urteil, wenn die Berufungsbegründung einen beschränkten Antrag enthält. Allein aus dem Umstand, dass der Berufungsantrag hinter der Beschwer zurückbleibt, lässt sich kein teilweiser Rechtsmittelverzicht oder eine Rechtsmittelbegrenzung entnehmen (vgl. ua. BAG 20. Juli 2004 - 9 AZR 570/03 - zu A I 1 der Gründe; BGH 28. September 2000 - IX ZR 6/99 - zu I 1 der Gründe mwN, BGHZ 145, 256; 27. März 1985 - IVb ZB 20/85 - zu II der Gründe; 24. Oktober 1984 - VIII ZR 140/83 - zu I der Gründe; 27. Oktober 1983 - VII ZR 41/83 - zu 2 a der Gründe, BGHZ 88, 360). Im Gegenteil unterliegt die Annahme eines Rechtsmittelverzichts strengen Anforderungen; darauf kann nur geschlossen werden, wenn in der Erklärung klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck gebracht wird, das Urteil insoweit endgültig hinzunehmen und nicht anfechten zu wollen (vgl. ua. BAG 27. Juli 2010 - 3 AZR 317/08 - Rn. 16, BAGE 135, 187; 16. März 2004 - 9 AZR 323/03 - zu A I 1 der Gründe mwN, BAGE 110, 45; BGH 5. September 2006 - VI ZB 65/05 - Rn. 8 mwN; 6. März 1985 - VIII ZR 123/84 - zu 2 b der Gründe; 27. Oktober 1983 - VII ZR 41/83 - aaO).

24

b) Danach genügte die Berufungsbegründung der Klägerin den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO; sie ließ Umfang und Ziel des Rechtsmittels eindeutig erkennen.

25

aa) Die Klägerin hat gegen das erstinstanzliche Urteil, soweit ihre Klage gegen den Beklagten zu 2. abgewiesen wurde, zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung hat sie ausgeführt, sie habe - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - zu sämtlichen von ihr geltend gemachten Schadensersatzansprüchen nach Grund und Höhe hinreichend substantiiert vorgetragen. In diesem Zusammenhang hat sie sich ausdrücklich auf die auch in erster Instanz angeführten 240 Geschäftsvorfälle bezogen. Zusätzlich hat sie darauf hingewiesen, bereits in erster Instanz geltend gemacht zu haben, dass der Beklagte zu 2. ihr einen Teilbetrag der Gesamtforderung zudem aus § 433 Abs. 2 BGB schulde.

26

bb) Der Umstand, dass die Klägerin in der Berufungsbegründung einen Berufungsantrag angekündigt hat, der hinter ihrer Beschwer zurückblieb, ändert nichts daran, dass sie zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt und das Urteil insoweit umfassend angegriffen hatte. Für die Annahme eines teilweisen Rechtsmittelverzichts oder einer Rechtsmittelbegrenzung fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt; im Gegenteil, die Klägerin hatte sich ausdrücklich vorbehalten, ihren angekündigten Antrag noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zu ändern. Vor diesem Hintergrund durfte das Landesarbeitsgericht aus dem in der Berufungsbegründung enthaltenen Berufungsantrag nicht schließen, die Klägerin fechte das arbeitsgerichtliche Urteil, mit dem ihre auf Zahlung von 5.360.450,21 Euro gerichtete Klage abgewiesen worden war, von vornherein nur eingeschränkt, nämlich im Umfang von 500.000,00 Euro an.

27

cc) Da die Klägerin ihren in der Berufungsbegründung angekündigten Berufungsantrag noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hätte ändern können, war es ihr auch unbenommen, im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht klarzustellen, dass es bei dem in der Berufungsbegründung angekündigten Antrag verbleibt und dass sie ihr Begehren insoweit ausschließlich auf die in der Berufungsbegründung ausdrücklich angeführten 42 Geschäftsvorgänge stützt.

28

dd) Die Berufung der Klägerin ist auch nicht deshalb nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO unzulässig, weil sich der Schaden, der der Klägerin nach ihrem Vorbringen aus den in der Berufungsbegründung angeführten 42 Geschäftsvorgängen entstanden sein soll, auf ca. 950.000,00 Euro beläuft, mithin die gegenüber dem Beklagten zu 2. geltend gemachte Forderung iHv. 500.000,00 Euro übersteigt und die Klägerin nicht bereits in der Berufungsbegründung klargestellt hat, wie sie die 500.000,00 Euro aufgeteilt wissen, dh. in welcher Reihenfolge sie die aus den einzelnen 42 Geschäftsvorfällen resultierenden Ansprüche zur Überprüfung des Gerichts stellen will. Dieser Mangel berührt nicht die Zulässigkeit der Berufung, sondern die Zulässigkeit der Klage. Ein solcher Mangel kann in der Berufungsinstanz noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung behoben werden (vgl. etwa BGH 22. November 2011 - VIII ZB 30/11 - Rn. 12; 18. September 1986 - III ZR 124/85 - zu I 2 b der Gründe; 15. März 1956 - II ZB 19/55 - BGHZ 20, 219).

29

II. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Berufung sei unzulässig, stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Berufung ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG). Auch hatte die Klägerin die Berufung fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ArbGG) und ordnungsgemäß begründet (§ 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO).

30

III. Der Senat kann allerdings nicht selbst feststellen, ob die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen war. Er kann nicht selbst über den vom Landesarbeitsgericht nicht beschiedenen Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Frist zur Begründung der Berufung entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Zurückverweisung ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat zugunsten der Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unterstellen dürfte. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann nicht entschieden werden, ob die zulässige Klage unbegründet ist.

31

1. Die Berufungsbegründung der Klägerin vom 23. Dezember 2013 ist zwar erst nach Ablauf der gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG bis zum 18. November 2013 laufenden Frist zur Begründung der Berufung beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Allerdings hatte die Klägerin mit Schriftsätzen vom 18. November 2013 eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Diese Schriftsätze sind ausweislich des Eingangsstempels des Nachtbriefkastens am 19. November 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Nachdem das Landesarbeitsgericht den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Beschluss vom 21. November 2013 mit der Begründung zurückgewiesen hatte, der Antrag sei erst am 19. November 2013 und damit nach Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen, hat die Klägerin mit Schriftsätzen vom 23. Dezember 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, er habe die Fristverlängerungsanträge am späten Abend des 18. November 2013 und damit noch vor Fristablauf in den gemeinsamen Nachtbriefkasten des Landesarbeitsgerichts und des Arbeitsgerichts eingeworfen. Das Landesarbeitsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin vom 23. Dezember 2013 nicht beschieden.

32

2. Der Senat kann nicht selbst über den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

33

a) Nach § 237 ZPO ist für die Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das Gericht zuständig, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung, hier also die Berufungsbegründung, zusteht. Das ist hier das Landesarbeitsgericht. Diese Zuständigkeit gilt sowohl für einen ausdrücklich gestellten Wiedereinsetzungsantrag als auch für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Zulässigkeit der Berufung als Prozessfortführungsvoraussetzung vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist. Dies bedeutet nicht, dass das Revisionsgericht die Prüfung der Wiedereinsetzung uneingeschränkt an sich ziehen könnte. Nach § 238 Abs. 3 ZPO ist eine vom Berufungsgericht gewährte Wiedereinsetzung unanfechtbar und damit auch für das Revisionsgericht bindend. Mit der Entscheidungskompetenz des Berufungsgerichts ist für die fristsäumige Partei die Chance verbunden, mit bindender Wirkung Wiedereinsetzung bewilligt zu erhalten. Diese Chance darf ihr durch eine Entscheidung des Revisionsgerichts über die Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht genommen werden (BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 35 mwN). Eine Prüfung der Wiedereinsetzung durch das Revisionsgericht in einem bei ihm anhängigen Rechtsmittelverfahren kommt angesichts der grundlegenden Entscheidungskompetenz des Berufungsgerichts deshalb nur in Ausnahmefällen in Betracht.

34

b) Ein solcher Ausnahmefall kann zwar angenommen werden, wenn nach Aktenlage ohne Weiteres Wiedereinsetzung zu gewähren ist, über das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen also kein Zweifel besteht (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 37; BGH 20. Mai 2014 - VI ZR 384/13 - Rn. 13). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt.

35

Dies folgt bereits daraus, dass der auf den Anträgen der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 18. November 2013 angebrachte Eingangsstempel des Nachtbriefkastens, der als Eingangsdatum den 19. November 2013 ausweist, gemäß § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis für einen verspäteten Einwurf der Schriftsätze in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts(vgl. etwa BGH 19. November 2013 - II ZB 16/12 - Rn. 8) erbringt. Zwar ist der Beweis der Unrichtigkeit der darin bezeugten Tatsachen zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Auch wenn hieran wegen der Beweisnot des Berufungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen (BGH 19. November 2013 - II ZB 16/12 - aaO), ist der Gegenbeweis allerdings nicht schon dann geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist (BGH 22. Dezember 2011 - VII ZB 35/11 - Rn. 11 mwN). Ob der Klägerin der erforderliche Gegenbeweis gelungen ist, kann vom Senat nach der Aktenlage nicht entschieden werden.

36

3. Eine Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat zugunsten der Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unterstellen dürfte. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob die zulässige Klage unbegründet ist.

37

a) Zwar ist dem Rechtsmittelgericht im Fall eines vom zuständigen Vordergericht unbeschiedenen Wiedereinsetzungsantrags auch dann ausnahmsweise eine Entscheidung in der Sache möglich, wenn diese materiell-rechtlich zum selben Ergebnis wie eine Versagung der Wiedereinsetzung führt. In einem solchen Fall kann die Wiedereinsetzung zugunsten der fristsäumigen Partei unterstellt werden (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 39; BGH 20. Mai 2014 - VI ZR 384/13 - Rn. 13). Danach könnte der Senat allerdings nur dann selbst über die Revision entscheiden, wenn diese sich in jedem Fall als unbegründet erweisen würde.

38

b) Dies ist nicht der Fall. Die Klage ist zulässig. Ob sie unbegründet ist, kann der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

39

aa) Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klageantrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

40

(1) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Klageantrag hinreichend bestimmt sein. Dabei ist der Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung gemäß § 322 ZPO zwischen den Parteien entschieden werden kann. Bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbstständige Ansprüche geltend gemacht werden, bedarf es einer näheren Spezifizierung, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen. Andernfalls ist der Streitgegenstand nicht hinreichend bestimmt und die Klage ist unzulässig (vgl. BAG 24. September 2014 - 5 AZR 593/12 - Rn. 18, BAGE 149, 169; 28. Mai 2013 - 3 AZR 103/12 - Rn. 11; 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 11; BGH 9. Januar 2013 - VIII ZR 94/12 - Rn. 12 f.; 17. Juli 2008 - IX ZR 96/06 - Rn. 7 mwN; 12. Januar 2006 - III ZR 138/05 - Rn. 9 mwN). Dies gilt allerdings nicht für bloße unselbstständige Rechnungsposten (vgl. BGH 6. Mai 2014 - II ZR 217/13 - Rn. 15; 13. März 2003 - VII ZR 418/01 - zu II 3 der Gründe; 19. Juni 2000 - II ZR 319/98 - zu C I 2 b der Gründe).

41

(2) Die Klägerin hat die insoweit erforderliche Spezifizierung vorgenommen. Sie hat ausdrücklich beantragt, den Beklagten zu 2. zu verurteilen, an sie 500.000,00 Euro aus den in der Berufungsbegründung vom 23. Dezember 2013 im Einzelnen dargestellten 42 Geschäftsvorgängen in der Abfolge ihrer Darstellung zu zahlen. Dass sie die Angabe, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Geschäftsvorgänge verteilen soll bzw. in welcher Reihenfolge die aus diesen Geschäftsvorgängen folgenden Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden, erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gemacht hat, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Klägerin konnte etwaige Mängel, die die Zulässigkeit der Klage berühren, noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht beheben (vgl. etwa BGH 22. November 2011 - VIII ZB 30/11 - Rn. 12; 18. September 1986 - III ZR 124/85 - zu I 2 b der Gründe; 15. März 1956 - II ZB 19/55 - BGHZ 20, 219).

42

bb) Ob die zulässige Klage unbegründet ist, kann der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Vogelsang     

        

        

        

    F. Avenarius    

        

    Pauli    

                 

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB503/14
vom
1. April 2015
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In Ehe- und Familienstreitsachen darf ein Rechtsmittel nicht wegen Unbestimmtheit
eines Teils des Beschwerdeangriffs insgesamt als unzulässig
angesehen werden, wenn der Begründungsschrift eindeutig zu entnehmen
ist, dass der Rechtsmittelführer seinen prozessualen Anspruch jedenfalls in einer
bestimmten Höhe weiterverfolgen will (im Anschluss an Senatsbeschluss
vom 1. April 1987 - IVb ZB 86/86 - juris und BGH Urteil vom 1. Juli 1975
- VI ZR 251/74 - NJW 1975, 2013).
BGH, Beschluss vom 1. April 2015 - XII ZB 503/14 - OLG Karlsruhe
AG Wiesloch
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. April 2015 durch den Vorsitzenden
Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger
und Guhling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 2. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. August 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 9.291 €

Gründe:

I.

1
Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner, ihren Ehemann, auf Getrenntlebens - und Kindesunterhalt in Anspruch.
2
Die seit Juli 2005 verheirateten Beteiligten leben seit Februar 2012 voneinander getrennt. Der im April 2008 geborene gemeinsame Sohn lebt bei der Antragstellerin. Auf deren Antrag hat das Amtsgericht den Antragsgegner verpflichtet , monatlichen Trennungsunterhalt für Oktober 2012 bis einschließlich Februar 2013 in Höhe von 591,60 € und ab März 2013 in Höhe von 791,60 € sowie für den gemeinsamen Sohn ab Oktober 2012 nach der jeweiligen Altersstufe Unterhalt von 128 % des Kindesmindestunterhalts der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle (abzüglich hälftigem Kindergeld) zu bezahlen, und diese Zahlungsverpflichtungen für sofort wirksam erklärt.
3
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt und diese mit gesondertem Schriftsatz, der keinen ausformulierten Beschwerdeantrag enthält, begründet. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
5
1. Sie ist gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), das den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2013 - XII ZB 167/11 - FamRZ 2013, 1117 Rn. 4 mwN).
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
7
a) Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Beschwerde sei unzulässig , weil die Beschwerdebegründung keinen Beschwerdeantrag enthalte. Dem Schriftsatz ließen sich weder Umfang noch Ziel der Beschwerde hinreichend bestimmt entnehmen. Die Beschwerdeeinlegung sei unbeschränkt er- folgt, so dass sich die Beschwerde zunächst auch gegen die Entscheidung zum Kindesunterhalt gerichtet habe. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe insoweit eine Anfechtung erfolgen solle, lasse die Beschwerdebegründung nicht eindeutig erkennen. Zwar sei im Betreff "Beschwerdeverfahren-Trennungsunterhalt" angegeben und auf den Kindesunterhalt sei mit keinem Wort eingegangen , was dafür sprechen könne, dass der Antragsgegner die hierzu ergangene Entscheidung akzeptiere, zumal er - wenn auch unter dem Zwang drohender Zwangsvollstreckung - in der Vergangenheit sogar einen höheren Kindesunterhalt gezahlt habe. Andererseits behaupte er aber ein Nettoeinkommen, das die als Kindesunterhalt zugesprochenen Beträge nicht rechtfertige. Zudem gehe er im Rahmen der Berechnung des Trennungsunterhalts nicht von der vom Amtsgericht zuerkannten Höhe des Kindesunterhalts aus.
8
Aus den innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist eingegangenen Schriftsätzen sei auch nicht eindeutig erkennbar, in welchem Umfang die Entscheidung über den Trennungsunterhalt angefochten werden solle. Der Antragsgegner trage vor, der Anspruch sei nach Höhe und zeitlicher Bemessung unrichtig festgesetzt. Der Beschwerdebegründung lasse sich entnehmen, dass der Antragstellerin für Oktober 2012 bis Februar 2013 monatlich 8,46 € zustünden - wobei dieser Betrag nicht nachvollziehbar sei, weil die entsprechende Berechnung einen Anspruch von 0 € ergebe - und ab März 2013 monatlich 62,66 €. Der Antragsgegner berufe sich aber auch auf Verwirkung und darauf, dass das Amtsgericht sich mit dem Gesichtspunkt der zeitlichen Begrenzung des Trennungsunterhalts nicht auseinandergesetzt habe, wobei Letzteres nach seiner Meinung dazu zu führen habe, dass die Trennungsunterhaltszahlungen spätestens ab März 2014 einzustellen seien. Ob es sich dabei um einen Hauptoder einen Hilfsantrag handele, sei nicht erkennbar, was auch daran deutlich werde, dass der Antragsgegner in einem Schriftsatz nach Ablauf der Be- schwerdebegründungsfrist einen Antrag formuliert habe, der keine zeitliche Begrenzung enthalte.
9
b) Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
aa) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts , wonach der Beschwerdeführer gemäß § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Ehesachen und Familienstreitsachen zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen hat. Er muss demnach in der Beschwerdebegründung darlegen, in welchem Umfang er die erstinstanzliche Entscheidung angreifen will und wie er den Angriff begründet. Da § 117 FamFG keine speziellen Regelungen zum Inhalt der Beschwerdebegründung enthält, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen, ob ein Beschwerdeantrag hinreichend bestimmt und ausreichend begründet ist. Deshalb können für den notwendigen Inhalt der Beschwerdebegründung im Wesentlichen die Anforderungen herangezogen werden, die für eine Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO gelten, auch wenn § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG nicht auf § 520 Abs. 3 ZPO verweist (Senatsbeschlüsse vom 25. Juni 2014 - XII ZB 134/13 - FamRZ 2014, 1443 Rn. 15 und vom 23. Mai 2012 - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 13 mwN).
11
Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung beinhalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert der Zweck des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO nicht zwingend einen förmlichen Sachantrag. Durch die Vorschrift soll der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen. Daher reicht es aus, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergeben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll (Senatsbeschlüsse vom 19. November 2014 - XII ZB 522/14 - FamRZ 2015, 247 Rn. 10; vom 25. Juni 2014 - XII ZB 134/13 - FamRZ 2014, 1443 Rn. 16 und vom 23. Mai 2012 - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 14 mwN).
12
Danach sind die Anforderungen, die § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG an einen bestimmten Sachantrag stellt, erfüllt, wenn die Beschwerdebegründung erkennen lässt, in welcher Weise der angegriffene Beschluss abgeändert werden soll. Eine Schlüssigkeit der gegebenen Begründung ist nicht erforderlich (Senatsbeschlüsse vom 25. Juni 2014 - XII ZB 134/13 - FamRZ 2014, 1443 Rn. 17 und vom 23. Mai 2012 - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 15 mwN).
13
bb) Gemessen hieran genügt die Beschwerdebegründungsschrift des Antragsgegners den formalen Anforderungen des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG an einen Beschwerdeantrag. Dem Schriftsatz lassen sich Umfang und Ziel der Beschwerde noch hinreichend bestimmt entnehmen.
14
(1) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist der Beschwerdebegründungsschrift eindeutig zu entnehmen, dass der Antragsgegner sich nicht gegen die vom Amtsgericht ausgesprochene Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt wendet. Dies belegt der vom Beschwerdegericht gesehene Betreff ("wegen Beschwerdeverfahren-Trennungsunterhalt") ebenso wie der Umstand, dass der 17-seitige Schriftsatz an keiner Stelle auf den Kindesunterhalt eingeht. Es wird aber auch daraus deutlich, dass der Antragsgegner in seine Berechnungen zum Getrenntlebensunterhalt einen monatlichen Kindesun- terhalt von 350 € und damit eben den - über dem titulierten Unterhalt liegenden - Betrag eingestellt hat, den er unstreitig stets bezahlt hat und den auch das Amtsgericht bei der Berechnung des Getrenntlebensunterhaltsanspruchs der Antragstellerin berücksichtigt hat. Zweifel daran, dass dieser Teil der amtsgerichtlichen Entscheidung vom Antragsgegner mit der Beschwerde nicht angegriffen werden soll, verbleiben mithin nicht.
15
(2) Aber auch hinsichtlich des Getrenntlebensunterhalts lässt die Beschwerdebegründung in für § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG ausreichender Weise erkennen, in welchem Umfang der angegriffene Beschluss abgeändert werden soll.
16
(a) Das Beschwerdegericht vertritt allerdings zutreffend die Ansicht, aus dem Schriftsatz ergebe sich nicht, ob der Antragsgegner sich nur gegen die Höhe des zugesprochenen Unterhalts wende, also den Beschluss lediglich wegen der 8,46 € bzw. 62,66 € übersteigenden Monatsbeträge angreife, oder aber hinsichtlich des Getrenntlebensunterhalts wie in erster Instanz eine vollständige Antragsabweisung begehre. Der Einwand der Rechtsbeschwerde, aus der im Fließtext enthaltenen Formulierung "zuzuerkennen sind" im Zusammenspiel mit dem konkret genannten Enddatum (28. Februar 2014) gehe das Rechtsschutzziel eindeutig hervor, geht fehl. Abgesehen davon, dass offen bleibt, ob eine Befristung nur hilfsweise geltend gemacht sein soll, enthält die Beschwerdebegründung auch Ausführungen zur Verwirkung. Diese finden sich zwar - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht anmerkt - unter "Verfahrensverlauf", schließen aber mit der Ankündigung, es werde hierzu noch in einem gesonderten Schriftsatz weiter ausgeführt. Dies lässt den Schluss als möglich erscheinen, dass der Einwand im Beschwerdeverfahren verfolgt werden soll.
17
(b) Diese Unklarheit führt jedoch nicht dazu, dass die Beschwerde mangels Antrags unzulässig ist.
18
(aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsmittel nicht wegen Unbestimmtheit eines Teils des Beschwerdeangriffs insgesamt als unzulässig angesehen werden, wenn der Begründungsschrift eindeutig zu entnehmen ist, dass der Rechtsmittelführer seinen prozessualen Anspruch jedenfalls in einer bestimmten Höhe weiterverfolgen will. Darauf können sich Gericht und Gegner einstellen. Dem Schutzbedürfnis vor Unklarheit über den Umfang des Rechtsmittels, dem die Vorschrift des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG dient, ist für diesen Teil des Beschwerdeangriffs Genüge getan (vgl. Senatsbeschluss vom 1. April 1987 - IVb ZB 86/86 - juris Rn. 13 und BGH Urteil vom 1. Juli 1975 - VI ZR 251/74 - NJW 1975, 2013, 2014).
19
Die Vorschrift des § 537 Abs. 1 ZPO, nach der ein erstinstanzliches Urteil durch das Berufungsgericht auf Antrag für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist, soweit es durch die Berufungsanträge nicht angegriffen wird, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Zwar könnte sie ein schutzwürdiges Interesse des Berufungsbeklagten daran begründen, aus den in der Berufungsbegründungsfrist eingehenden Schriftsätzen des Rechtsmittelklägers eine eindeutige Kenntnis nicht nur von einem Mindestumfang, sondern vom gesamten Ausmaß des Berufungsangriffs zu erhalten. Die Bestimmung ist aber in Ehe- und Familienstreitsachen nicht anwendbar (§ 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG) und hat dort auch keine Entsprechung.
20
Im Übrigen steht es einem Rechtsmittelführer - in Ehesachen mit der Einschränkung des § 145 Abs. 1 Satz 1 FamFG - frei, auch nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist den Beschwerdeantrag zu erweitern, soweit sich die Erweiterung auf bereits in der Rechtsmittelbegründungsschrift enthalte- ne Gründe stützt (vgl. Senatsurteil vom 12. November 1997 - XII ZR 39/97 - NJW-RR 1998, 572 und BGH Beschluss vom 27. März 2012 - VI ZB 74/11 - NJW-RR 2012, 662 Rn. 8). Selbst ein ausdrücklich eingeschränkter Beschwerdeantrag in der Beschwerdebegründung vermittelt daher für sich genommen dem Beschwerdegegner keine Gewissheit, dass der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel nicht auch auf die ursprünglich nicht angegriffenen Teile der erstinstanzlichen Entscheidung erweitert.
21
(bb) Nach diesen Maßstäben scheitert die Zulässigkeit der Beschwerde nicht daran, dass das Rechtsschutzziel unbestimmt wäre. Der Beschwerdebegründung kann eindeutig entnommen werden, dass der Antragsgegner die amtsgerichtliche Entscheidung zum Getrenntlebensunterhalt jedenfalls insoweit angreifen will, als er zur Zahlung von 8,46 € bzw. 62,66 € übersteigenden Mo- natsbeträgen verpflichtet worden ist. Die vom Beschwerdegericht - zu Recht - benannten Unklarheiten beziehen sich lediglich auf die Frage, ob der Antragsgegner darüber hinaus auch wegen Befristung und/oder Verwirkung für bestimmte Zeitabschnitte oder auch insgesamt eine vollständige Antragsabweisung begehrt. Diese Unklarheiten sind für die Frage der Zulässigkeit jedoch nicht maßgeblich.
Dose Schilling Günter Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Wiesloch, Entscheidung vom 30.05.2014 - 2 F 143/12 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 27.08.2014 - 2 UF 140/14 -

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 29. April 2014 - 9 Sa 833/13 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zu 2. der Klägerin zum Schadensersatz sowie aus § 433 Abs. 2 BGB zur Zahlung verpflichtet ist.

2

Der Beklagte zu 2. war bei der T GmbH (im Folgenden T), die elektrotechnische Geräte vertrieb, als Kundenbetreuer (Account Manager) im Vertrieb tätig. Das Arbeitsverhältnis des Beklagten zu 2. mit der T endete durch arbeitgeberseitige fristlose Kündigung vom 26. Februar 2008. Die T wurde zum 1. April 2009 auf die Klägerin verschmolzen.

3

Der Vertrieb elektrotechnischer Artikel wurde bei der T mit verschiedenen Programmen, ua. mit dem sog. TSAM CRM-Programm und dem EDV-Programm „SeCe-IT“ abgewickelt. Das TSAM CRM-Programm erfasste Kundendaten sowie die beabsichtigten und die getätigten Geschäfte; das EDV-Programm „SeCe-IT“ listete Preise auf sowie mögliche Rabatte, die die Vertriebsmitarbeiter den Kunden gewähren konnten. Soweit diese Rabatte nicht ausreichten, konnte durch den jeweiligen Vertriebsmitarbeiter über das Programm eine höhere Rabattierung (sog. Preiseskalation) initiiert werden. Eine Abgabe der Ware erfolgte grundsätzlich nur an Kunden der T, die keine Wiederverkäufer waren.

4

Der Beklagte zu 2. legte in den EDV-Systemen der T zwei Kunden namens „S I“ bzw. „I“ sowie „K“ an. Inhaber dieser Kunden waren die Ehefrau des Beklagten zu 2. bzw. deren Eltern. Ab Mitte 2006 wurden vom Beklagten zu 2. wenigstens 240 Bestellungen elektrotechnischer Artikel für die vorgenannten Kunden sowie weitere Kunden, namentlich die „S GmbH“, die „Sc AG“ und die „Si GmbH“ ausgelöst und abgewickelt. Teilweise wurden die Bestellungen auf die Kundennummer einer „D AG“, einer „e GmbH & Co. KG“ oder einer „R“ gebucht; es wurden auch abweichende Rechnungs- und Lieferanschriften angegeben. Zum Teil handelte es sich bei den veräußerten Gegenständen um Restposten.

5

Mit ihrer zunächst gegen drei Beklagte als Gesamtschuldner - den Beklagten zu 2. und zwei seiner Vorgesetzten, ua. den Beklagten zu 1. - gerichteten, dem Beklagten zu 2. am 2. September 2008 zugestellten Klage und der diesem am 29. Januar 2010 zugestellten Klageerweiterung hat die Klägerin Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit den oa. 240 Geschäftsvorgängen geltend gemacht. Sie hat behauptet, der Beklagte zu 2. habe diese Verkaufsgeschäfte mit unzulässigen Preisabsprachen bzw. unzulässigen Rabatten getätigt. Er habe veranlasst, dass den Kunden weit unter dem Einkaufs- bzw. Einstandspreis liegende Preise in Rechnung gestellt wurden, ohne dass die erforderlichen Preiseskalationen durchgeführt wurden; zum Teil sei eine Rechnungsstellung vollständig unterblieben. Um Misstrauen erst gar nicht aufkommen zu lassen, seien Bestellungen zudem mittels des Textverarbeitungsprogramms „Word“ abgeändert worden. Die Waren seien von den „Kunden“ an Dritte weiterverkauft worden, die diese Waren ansonsten zu regulären Preisen bei der T bezogen hätten. Infolge des Fehlverhaltens des Beklagten zu 2. sei ihr in den Jahren 2006 und 2007 ein Schaden iHv. insgesamt 5.360.450,21 Euro entstanden. Diesen habe der Beklagte zu 2. ihr nach § 280 bzw. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 bzw. § 263 StGB zu ersetzen. Einen Teilbetrag der Gesamtforderung schulde der Beklagte zu 2. ihr zudem nach § 433 Abs. 2 BGB. Dieser Anspruch betreffe neun mit der „I“ geschlossene Verträge.

6

Die Klägerin hat in erster Instanz ua. beantragt,

        

1.    

den Beklagten zu 1. und den Beklagten zu 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin wegen vorsätzlich begangener Handlungen 5.360.450,21 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung entsprochen. Das Urteil wurde der Klägerin am 16. September 2013 zugestellt. Die Klägerin hat gegen dieses Urteil teilweise, nämlich insoweit Berufung eingelegt, als ihre Klage gegen den Beklagten zu 2. abgewiesen wurde. Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21. November 2013 den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 18. November 2013, der ausweislich des Eingangsstempels des Nachtbriefkastens am 19. November 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, mit der Begründung zurückgewiesen, der Antrag sei erst nach Ablauf der bis zum 18. November 2013 laufenden Frist zur Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsätzen vom 23. Dezember 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet. In der Berufungsbegründungsschrift hat sie ihre Klageforderung auf 500.000,00 Euro beschränkt und ausgeführt, dass diese Beschränkung nur im Hinblick darauf erfolge, dass die Realisierbarkeit der Gesamtforderung bei dem Beklagten zu 2. sehr zweifelhaft sei; sie behalte sich allerdings vor, die Berufung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zu erweitern.

8

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

den Beklagten zu 2. zu verurteilen, an sie wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen 500.000,00 Euro aus den in der Berufungsbegründung vom 23. Dezember 2013 im Einzelnen dargestellten Vorgängen (S. 6 bis 27) in der Abfolge ihrer Darstellung, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Der Beklagte zu 2. hat Klageabweisung beantragt.

10

Das Landesarbeitsgericht, das über den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin nicht entschieden hat, hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. In der Sache verfolgt sie ihr Klagebegehren aus der Berufung weiter. Der Beklagte zu 2. beantragt die Verwerfung bzw. Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung der Klägerin nicht als unzulässig verworfen werden. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO). Der Senat kann allerdings nicht selbst feststellen, ob die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen war. Er kann nicht selbst über den vom Landesarbeitsgericht nicht beschiedenen Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Frist zur Begründung der Berufung entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Zurückverweisung ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat zugunsten der Klägerin die Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Berufung unterstellen dürfte. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann vom Senat nicht entschieden werden, ob die zulässige Klage unbegründet ist.

12

A. Die Revision ist zulässig.

13

I. Die Revision der Klägerin ist statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt, § 74 Abs. 1 ArbGG, sowie frist- und ordnungsgemäß begründet, § 74 Abs. 1 ArbGG, § 551 Abs. 3 ZPO. Die Revision setzt sich insbesondere ausreichend mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander (zu dieser Anforderung vgl. etwa BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 16 mwN; 19. April 2005 - 9 AZR 184/04 - zu I 1 der Gründe mwN).

14

II. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten zu 2. ist die Revision nicht deshalb unzulässig, da der in der Revision gestellte Sachantrag den Zusatz aus dem Berufungsantrag „wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen“ nicht mehr enthält. Hierin liegt keine in der Revisionsinstanz - grundsätzlich - unzulässige Klageänderung bzw. Klageerweiterung (vgl. hierzu BAG 18. November 2014 - 1 AZR 257/13 - Rn. 46, BAGE 150, 50; 28. Mai 2013 - 3 AZR 266/11 - Rn. 17 f. mwN). Der Berufungsantrag ist in der gebotenen Auslegung dahin zu verstehen, dass dem Zusatz „wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen“ keine den Antrag einschränkende Bedeutung zukommt.

15

1. Das Revisionsgericht hat prozessuale Willenserklärungen selbstständig auszulegen. Maßgebend sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, vielmehr ist der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln. Im Zweifel sind Klageanträge so auszulegen, dass das gewollt ist, was aus Sicht der Prozesspartei nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Dabei sind die schutzwürdigen Belange des Prozessgegners zu berücksichtigen (vgl. BAG 7. Juli 2015 - 10 AZR 416/14 - Rn. 18; 2. September 2014 - 3 AZR 951/12 - Rn. 34; 15. Mai 2013 - 7 AZR 665/11 - Rn. 32, BAGE 145, 142).

16

2. Die Auslegung ergibt, dass dem im Berufungsantrag enthaltenen Zusatz „wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen“ keine diesen Antrag einschränkende Bedeutung zukommt. Die Klägerin hatte den Beklagten zu 2. nicht nur auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen, der ihr aus - nach ihrer Behauptung - vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen des Beklagten zu 2. entstanden war. Sie hatte ihren Anspruch auch auf § 280 BGB sowie teilweise auf § 433 Abs. 2 BGB gestützt. Die Aufnahme des oa. Zusatzes in den Antrag war ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die Klägerin, wie sie bereits in der Klageschrift erläutert hat, von der Möglichkeit nach § 850f Abs. 2 ZPO, wonach das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c ZPO vorgesehenen Beschränkungen bestimmen kann, Gebrauch machen wollte und vor diesem Hintergrund eine Feststellung des Schuldgrundes im Titel anstrebte. Eine Beschränkung des Gerichts auf die Prüfung bestimmter Anspruchsgrundlagen oder aber eines bestimmten Lebenssachverhalts unter Ausschluss eines anderen Lebenssachverhalts war mit dem Zusatz demnach nicht bezweckt. Damit hat der Streitgegenstand in der Revisionsinstanz keine Änderung erfahren (vgl. hierzu etwa BAG 28. Mai 2013 - 3 AZR 266/11 - Rn. 18).

17

B. Die Revision ist auch begründet.

18

I. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung der Klägerin nicht als unzulässig verworfen werden.

19

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Berufung sei unzulässig, da die Klägerin keine Berufungsbegründung mit einem hinreichend bestimmten Berufungsantrag (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO) eingereicht habe. Die Klägerin habe das Urteil des Arbeitsgerichts, mit dem ihre auf Zahlung von 5.360.450,21 Euro gerichtete Klage abgewiesen wurde, nur im Umfang von 500.000,00 Euro angefochten. Dem Berufungsantrag sei jedoch weder nach seinem Wortlaut noch durch Auslegung zu entnehmen, ob die Klägerin Ansprüche aus allen erstinstanzlich angeführten 240 Geschäftsvorfällen, oder nur aus den in der Berufungsbegründung konkret aufgelisteten „41“ Geschäftsvorfällen und aus welchen von diesen weiterverfolgt, oder ob sie das Urteil nur hinsichtlich der Ansprüche aus einzelnen Vorfällen zur Überprüfung stellt, und wenn ja, hinsichtlich welcher Vorfälle. Die Klägerin habe erst in der mündlichen Verhandlung ihren Antrag dahin konkretisiert, dass sie die Zahlung von 500.000,00 Euro aus den in der Berufungsbegründung dargestellten Vorgängen in der Abfolge ihrer Darstellung geltend macht. Diese Konkretisierung hätte die Klägerin allerdings bereits in der Berufungsbegründung vornehmen müssen, andernfalls ließen sich Umfang und Ziel ihres Rechtsmittels nicht erkennen.

20

2. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

21

a) Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge). Durch diese Bestimmung soll der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen (vgl. etwa BGH 10. Juni 2015 - XII ZB 611/14 - Rn. 10 mwN; 19. November 2014 - XII ZB 522/14 - Rn. 10; 22. März 2006 - VIII ZR 212/04 - Rn. 8 mwN).

22

Lassen sich Umfang und Ziel des Rechtsmittels durch Auslegung der innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig bestimmen, kann selbst das völlige Fehlen eines förmlichen Berufungsantrags unschädlich sein (vgl. ua. BAG 20. Juni 1989 - 3 AZR 504/87 - zu I 3 der Gründe; BGH 10. Juni 2015 - XII ZB 611/14 - Rn. 10 mwN). Ferner ist zu berücksichtigen, dass die in der Berufungsbegründung angekündigten Anträge nur vorläufigen Charakter haben und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Rahmen der fristgerecht vorgetragenen Anfechtungsgründe noch geändert werden können (vgl. ua. BGH 6. Juli 2005 - XII ZR 293/02 - zu I 2 a der Gründe mwN, BGHZ 163, 324; 27. März 1985 - IVb ZB 20/85 - zu II der Gründe). Der Berufungskläger kann das Rechtsmittel sogar nach Ablauf der Begründungsfrist bis zum Schluss der Berufungsverhandlung erweitern, soweit die fristgerecht vorgetragenen Berufungsgründe die Antragserweiterung decken (vgl. BAG 20. Juli 2004 - 9 AZR 570/03 - zu A I 1 der Gründe; vgl. auch BGH 28. September 2000 - IX ZR 6/99 - zu I 1 der Gründe mwN, BGHZ 145, 256; 30. April 1996 - VI ZR 55/95 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 132, 341; 6. November 1986 - IX ZR 8/86 - zu 4 a bb der Gründe; 16. September 1985 - II ZR 47/85 - zu 2 der Gründe; 24. Oktober 1984 - VIII ZR 140/83 - zu I der Gründe; 8. Oktober 1982 - V ZB 9/82 - zu II 2 der Gründe).

23

Wird unbeschränkt Berufung eingelegt, so erstreckt sich die dadurch eintretende Hemmung der Rechtskraft (§ 705 Satz 2 ZPO) grundsätzlich auch dann auf das gesamte Urteil, wenn die Berufungsbegründung einen beschränkten Antrag enthält. Allein aus dem Umstand, dass der Berufungsantrag hinter der Beschwer zurückbleibt, lässt sich kein teilweiser Rechtsmittelverzicht oder eine Rechtsmittelbegrenzung entnehmen (vgl. ua. BAG 20. Juli 2004 - 9 AZR 570/03 - zu A I 1 der Gründe; BGH 28. September 2000 - IX ZR 6/99 - zu I 1 der Gründe mwN, BGHZ 145, 256; 27. März 1985 - IVb ZB 20/85 - zu II der Gründe; 24. Oktober 1984 - VIII ZR 140/83 - zu I der Gründe; 27. Oktober 1983 - VII ZR 41/83 - zu 2 a der Gründe, BGHZ 88, 360). Im Gegenteil unterliegt die Annahme eines Rechtsmittelverzichts strengen Anforderungen; darauf kann nur geschlossen werden, wenn in der Erklärung klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck gebracht wird, das Urteil insoweit endgültig hinzunehmen und nicht anfechten zu wollen (vgl. ua. BAG 27. Juli 2010 - 3 AZR 317/08 - Rn. 16, BAGE 135, 187; 16. März 2004 - 9 AZR 323/03 - zu A I 1 der Gründe mwN, BAGE 110, 45; BGH 5. September 2006 - VI ZB 65/05 - Rn. 8 mwN; 6. März 1985 - VIII ZR 123/84 - zu 2 b der Gründe; 27. Oktober 1983 - VII ZR 41/83 - aaO).

24

b) Danach genügte die Berufungsbegründung der Klägerin den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO; sie ließ Umfang und Ziel des Rechtsmittels eindeutig erkennen.

25

aa) Die Klägerin hat gegen das erstinstanzliche Urteil, soweit ihre Klage gegen den Beklagten zu 2. abgewiesen wurde, zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung hat sie ausgeführt, sie habe - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - zu sämtlichen von ihr geltend gemachten Schadensersatzansprüchen nach Grund und Höhe hinreichend substantiiert vorgetragen. In diesem Zusammenhang hat sie sich ausdrücklich auf die auch in erster Instanz angeführten 240 Geschäftsvorfälle bezogen. Zusätzlich hat sie darauf hingewiesen, bereits in erster Instanz geltend gemacht zu haben, dass der Beklagte zu 2. ihr einen Teilbetrag der Gesamtforderung zudem aus § 433 Abs. 2 BGB schulde.

26

bb) Der Umstand, dass die Klägerin in der Berufungsbegründung einen Berufungsantrag angekündigt hat, der hinter ihrer Beschwer zurückblieb, ändert nichts daran, dass sie zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt und das Urteil insoweit umfassend angegriffen hatte. Für die Annahme eines teilweisen Rechtsmittelverzichts oder einer Rechtsmittelbegrenzung fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt; im Gegenteil, die Klägerin hatte sich ausdrücklich vorbehalten, ihren angekündigten Antrag noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zu ändern. Vor diesem Hintergrund durfte das Landesarbeitsgericht aus dem in der Berufungsbegründung enthaltenen Berufungsantrag nicht schließen, die Klägerin fechte das arbeitsgerichtliche Urteil, mit dem ihre auf Zahlung von 5.360.450,21 Euro gerichtete Klage abgewiesen worden war, von vornherein nur eingeschränkt, nämlich im Umfang von 500.000,00 Euro an.

27

cc) Da die Klägerin ihren in der Berufungsbegründung angekündigten Berufungsantrag noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hätte ändern können, war es ihr auch unbenommen, im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht klarzustellen, dass es bei dem in der Berufungsbegründung angekündigten Antrag verbleibt und dass sie ihr Begehren insoweit ausschließlich auf die in der Berufungsbegründung ausdrücklich angeführten 42 Geschäftsvorgänge stützt.

28

dd) Die Berufung der Klägerin ist auch nicht deshalb nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO unzulässig, weil sich der Schaden, der der Klägerin nach ihrem Vorbringen aus den in der Berufungsbegründung angeführten 42 Geschäftsvorgängen entstanden sein soll, auf ca. 950.000,00 Euro beläuft, mithin die gegenüber dem Beklagten zu 2. geltend gemachte Forderung iHv. 500.000,00 Euro übersteigt und die Klägerin nicht bereits in der Berufungsbegründung klargestellt hat, wie sie die 500.000,00 Euro aufgeteilt wissen, dh. in welcher Reihenfolge sie die aus den einzelnen 42 Geschäftsvorfällen resultierenden Ansprüche zur Überprüfung des Gerichts stellen will. Dieser Mangel berührt nicht die Zulässigkeit der Berufung, sondern die Zulässigkeit der Klage. Ein solcher Mangel kann in der Berufungsinstanz noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung behoben werden (vgl. etwa BGH 22. November 2011 - VIII ZB 30/11 - Rn. 12; 18. September 1986 - III ZR 124/85 - zu I 2 b der Gründe; 15. März 1956 - II ZB 19/55 - BGHZ 20, 219).

29

II. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Berufung sei unzulässig, stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Berufung ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG). Auch hatte die Klägerin die Berufung fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ArbGG) und ordnungsgemäß begründet (§ 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO).

30

III. Der Senat kann allerdings nicht selbst feststellen, ob die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen war. Er kann nicht selbst über den vom Landesarbeitsgericht nicht beschiedenen Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Frist zur Begründung der Berufung entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Zurückverweisung ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat zugunsten der Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unterstellen dürfte. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann nicht entschieden werden, ob die zulässige Klage unbegründet ist.

31

1. Die Berufungsbegründung der Klägerin vom 23. Dezember 2013 ist zwar erst nach Ablauf der gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG bis zum 18. November 2013 laufenden Frist zur Begründung der Berufung beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Allerdings hatte die Klägerin mit Schriftsätzen vom 18. November 2013 eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Diese Schriftsätze sind ausweislich des Eingangsstempels des Nachtbriefkastens am 19. November 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Nachdem das Landesarbeitsgericht den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Beschluss vom 21. November 2013 mit der Begründung zurückgewiesen hatte, der Antrag sei erst am 19. November 2013 und damit nach Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen, hat die Klägerin mit Schriftsätzen vom 23. Dezember 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, er habe die Fristverlängerungsanträge am späten Abend des 18. November 2013 und damit noch vor Fristablauf in den gemeinsamen Nachtbriefkasten des Landesarbeitsgerichts und des Arbeitsgerichts eingeworfen. Das Landesarbeitsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin vom 23. Dezember 2013 nicht beschieden.

32

2. Der Senat kann nicht selbst über den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

33

a) Nach § 237 ZPO ist für die Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das Gericht zuständig, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung, hier also die Berufungsbegründung, zusteht. Das ist hier das Landesarbeitsgericht. Diese Zuständigkeit gilt sowohl für einen ausdrücklich gestellten Wiedereinsetzungsantrag als auch für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Zulässigkeit der Berufung als Prozessfortführungsvoraussetzung vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist. Dies bedeutet nicht, dass das Revisionsgericht die Prüfung der Wiedereinsetzung uneingeschränkt an sich ziehen könnte. Nach § 238 Abs. 3 ZPO ist eine vom Berufungsgericht gewährte Wiedereinsetzung unanfechtbar und damit auch für das Revisionsgericht bindend. Mit der Entscheidungskompetenz des Berufungsgerichts ist für die fristsäumige Partei die Chance verbunden, mit bindender Wirkung Wiedereinsetzung bewilligt zu erhalten. Diese Chance darf ihr durch eine Entscheidung des Revisionsgerichts über die Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht genommen werden (BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 35 mwN). Eine Prüfung der Wiedereinsetzung durch das Revisionsgericht in einem bei ihm anhängigen Rechtsmittelverfahren kommt angesichts der grundlegenden Entscheidungskompetenz des Berufungsgerichts deshalb nur in Ausnahmefällen in Betracht.

34

b) Ein solcher Ausnahmefall kann zwar angenommen werden, wenn nach Aktenlage ohne Weiteres Wiedereinsetzung zu gewähren ist, über das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen also kein Zweifel besteht (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 37; BGH 20. Mai 2014 - VI ZR 384/13 - Rn. 13). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt.

35

Dies folgt bereits daraus, dass der auf den Anträgen der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 18. November 2013 angebrachte Eingangsstempel des Nachtbriefkastens, der als Eingangsdatum den 19. November 2013 ausweist, gemäß § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis für einen verspäteten Einwurf der Schriftsätze in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts(vgl. etwa BGH 19. November 2013 - II ZB 16/12 - Rn. 8) erbringt. Zwar ist der Beweis der Unrichtigkeit der darin bezeugten Tatsachen zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Auch wenn hieran wegen der Beweisnot des Berufungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen (BGH 19. November 2013 - II ZB 16/12 - aaO), ist der Gegenbeweis allerdings nicht schon dann geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist (BGH 22. Dezember 2011 - VII ZB 35/11 - Rn. 11 mwN). Ob der Klägerin der erforderliche Gegenbeweis gelungen ist, kann vom Senat nach der Aktenlage nicht entschieden werden.

36

3. Eine Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat zugunsten der Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unterstellen dürfte. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob die zulässige Klage unbegründet ist.

37

a) Zwar ist dem Rechtsmittelgericht im Fall eines vom zuständigen Vordergericht unbeschiedenen Wiedereinsetzungsantrags auch dann ausnahmsweise eine Entscheidung in der Sache möglich, wenn diese materiell-rechtlich zum selben Ergebnis wie eine Versagung der Wiedereinsetzung führt. In einem solchen Fall kann die Wiedereinsetzung zugunsten der fristsäumigen Partei unterstellt werden (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 39; BGH 20. Mai 2014 - VI ZR 384/13 - Rn. 13). Danach könnte der Senat allerdings nur dann selbst über die Revision entscheiden, wenn diese sich in jedem Fall als unbegründet erweisen würde.

38

b) Dies ist nicht der Fall. Die Klage ist zulässig. Ob sie unbegründet ist, kann der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

39

aa) Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klageantrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

40

(1) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Klageantrag hinreichend bestimmt sein. Dabei ist der Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung gemäß § 322 ZPO zwischen den Parteien entschieden werden kann. Bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbstständige Ansprüche geltend gemacht werden, bedarf es einer näheren Spezifizierung, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen. Andernfalls ist der Streitgegenstand nicht hinreichend bestimmt und die Klage ist unzulässig (vgl. BAG 24. September 2014 - 5 AZR 593/12 - Rn. 18, BAGE 149, 169; 28. Mai 2013 - 3 AZR 103/12 - Rn. 11; 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 11; BGH 9. Januar 2013 - VIII ZR 94/12 - Rn. 12 f.; 17. Juli 2008 - IX ZR 96/06 - Rn. 7 mwN; 12. Januar 2006 - III ZR 138/05 - Rn. 9 mwN). Dies gilt allerdings nicht für bloße unselbstständige Rechnungsposten (vgl. BGH 6. Mai 2014 - II ZR 217/13 - Rn. 15; 13. März 2003 - VII ZR 418/01 - zu II 3 der Gründe; 19. Juni 2000 - II ZR 319/98 - zu C I 2 b der Gründe).

41

(2) Die Klägerin hat die insoweit erforderliche Spezifizierung vorgenommen. Sie hat ausdrücklich beantragt, den Beklagten zu 2. zu verurteilen, an sie 500.000,00 Euro aus den in der Berufungsbegründung vom 23. Dezember 2013 im Einzelnen dargestellten 42 Geschäftsvorgängen in der Abfolge ihrer Darstellung zu zahlen. Dass sie die Angabe, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Geschäftsvorgänge verteilen soll bzw. in welcher Reihenfolge die aus diesen Geschäftsvorgängen folgenden Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden, erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gemacht hat, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Klägerin konnte etwaige Mängel, die die Zulässigkeit der Klage berühren, noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht beheben (vgl. etwa BGH 22. November 2011 - VIII ZB 30/11 - Rn. 12; 18. September 1986 - III ZR 124/85 - zu I 2 b der Gründe; 15. März 1956 - II ZB 19/55 - BGHZ 20, 219).

42

bb) Ob die zulässige Klage unbegründet ist, kann der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Vogelsang     

        

        

        

    F. Avenarius    

        

    Pauli    

                 

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB503/14
vom
1. April 2015
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In Ehe- und Familienstreitsachen darf ein Rechtsmittel nicht wegen Unbestimmtheit
eines Teils des Beschwerdeangriffs insgesamt als unzulässig
angesehen werden, wenn der Begründungsschrift eindeutig zu entnehmen
ist, dass der Rechtsmittelführer seinen prozessualen Anspruch jedenfalls in einer
bestimmten Höhe weiterverfolgen will (im Anschluss an Senatsbeschluss
vom 1. April 1987 - IVb ZB 86/86 - juris und BGH Urteil vom 1. Juli 1975
- VI ZR 251/74 - NJW 1975, 2013).
BGH, Beschluss vom 1. April 2015 - XII ZB 503/14 - OLG Karlsruhe
AG Wiesloch
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. April 2015 durch den Vorsitzenden
Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger
und Guhling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 2. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. August 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 9.291 €

Gründe:

I.

1
Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner, ihren Ehemann, auf Getrenntlebens - und Kindesunterhalt in Anspruch.
2
Die seit Juli 2005 verheirateten Beteiligten leben seit Februar 2012 voneinander getrennt. Der im April 2008 geborene gemeinsame Sohn lebt bei der Antragstellerin. Auf deren Antrag hat das Amtsgericht den Antragsgegner verpflichtet , monatlichen Trennungsunterhalt für Oktober 2012 bis einschließlich Februar 2013 in Höhe von 591,60 € und ab März 2013 in Höhe von 791,60 € sowie für den gemeinsamen Sohn ab Oktober 2012 nach der jeweiligen Altersstufe Unterhalt von 128 % des Kindesmindestunterhalts der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle (abzüglich hälftigem Kindergeld) zu bezahlen, und diese Zahlungsverpflichtungen für sofort wirksam erklärt.
3
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt und diese mit gesondertem Schriftsatz, der keinen ausformulierten Beschwerdeantrag enthält, begründet. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
5
1. Sie ist gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), das den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2013 - XII ZB 167/11 - FamRZ 2013, 1117 Rn. 4 mwN).
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
7
a) Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Beschwerde sei unzulässig , weil die Beschwerdebegründung keinen Beschwerdeantrag enthalte. Dem Schriftsatz ließen sich weder Umfang noch Ziel der Beschwerde hinreichend bestimmt entnehmen. Die Beschwerdeeinlegung sei unbeschränkt er- folgt, so dass sich die Beschwerde zunächst auch gegen die Entscheidung zum Kindesunterhalt gerichtet habe. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe insoweit eine Anfechtung erfolgen solle, lasse die Beschwerdebegründung nicht eindeutig erkennen. Zwar sei im Betreff "Beschwerdeverfahren-Trennungsunterhalt" angegeben und auf den Kindesunterhalt sei mit keinem Wort eingegangen , was dafür sprechen könne, dass der Antragsgegner die hierzu ergangene Entscheidung akzeptiere, zumal er - wenn auch unter dem Zwang drohender Zwangsvollstreckung - in der Vergangenheit sogar einen höheren Kindesunterhalt gezahlt habe. Andererseits behaupte er aber ein Nettoeinkommen, das die als Kindesunterhalt zugesprochenen Beträge nicht rechtfertige. Zudem gehe er im Rahmen der Berechnung des Trennungsunterhalts nicht von der vom Amtsgericht zuerkannten Höhe des Kindesunterhalts aus.
8
Aus den innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist eingegangenen Schriftsätzen sei auch nicht eindeutig erkennbar, in welchem Umfang die Entscheidung über den Trennungsunterhalt angefochten werden solle. Der Antragsgegner trage vor, der Anspruch sei nach Höhe und zeitlicher Bemessung unrichtig festgesetzt. Der Beschwerdebegründung lasse sich entnehmen, dass der Antragstellerin für Oktober 2012 bis Februar 2013 monatlich 8,46 € zustünden - wobei dieser Betrag nicht nachvollziehbar sei, weil die entsprechende Berechnung einen Anspruch von 0 € ergebe - und ab März 2013 monatlich 62,66 €. Der Antragsgegner berufe sich aber auch auf Verwirkung und darauf, dass das Amtsgericht sich mit dem Gesichtspunkt der zeitlichen Begrenzung des Trennungsunterhalts nicht auseinandergesetzt habe, wobei Letzteres nach seiner Meinung dazu zu führen habe, dass die Trennungsunterhaltszahlungen spätestens ab März 2014 einzustellen seien. Ob es sich dabei um einen Hauptoder einen Hilfsantrag handele, sei nicht erkennbar, was auch daran deutlich werde, dass der Antragsgegner in einem Schriftsatz nach Ablauf der Be- schwerdebegründungsfrist einen Antrag formuliert habe, der keine zeitliche Begrenzung enthalte.
9
b) Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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aa) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts , wonach der Beschwerdeführer gemäß § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Ehesachen und Familienstreitsachen zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen hat. Er muss demnach in der Beschwerdebegründung darlegen, in welchem Umfang er die erstinstanzliche Entscheidung angreifen will und wie er den Angriff begründet. Da § 117 FamFG keine speziellen Regelungen zum Inhalt der Beschwerdebegründung enthält, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen, ob ein Beschwerdeantrag hinreichend bestimmt und ausreichend begründet ist. Deshalb können für den notwendigen Inhalt der Beschwerdebegründung im Wesentlichen die Anforderungen herangezogen werden, die für eine Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO gelten, auch wenn § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG nicht auf § 520 Abs. 3 ZPO verweist (Senatsbeschlüsse vom 25. Juni 2014 - XII ZB 134/13 - FamRZ 2014, 1443 Rn. 15 und vom 23. Mai 2012 - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 13 mwN).
11
Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung beinhalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert der Zweck des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO nicht zwingend einen förmlichen Sachantrag. Durch die Vorschrift soll der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen. Daher reicht es aus, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergeben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll (Senatsbeschlüsse vom 19. November 2014 - XII ZB 522/14 - FamRZ 2015, 247 Rn. 10; vom 25. Juni 2014 - XII ZB 134/13 - FamRZ 2014, 1443 Rn. 16 und vom 23. Mai 2012 - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 14 mwN).
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Danach sind die Anforderungen, die § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG an einen bestimmten Sachantrag stellt, erfüllt, wenn die Beschwerdebegründung erkennen lässt, in welcher Weise der angegriffene Beschluss abgeändert werden soll. Eine Schlüssigkeit der gegebenen Begründung ist nicht erforderlich (Senatsbeschlüsse vom 25. Juni 2014 - XII ZB 134/13 - FamRZ 2014, 1443 Rn. 17 und vom 23. Mai 2012 - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 15 mwN).
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bb) Gemessen hieran genügt die Beschwerdebegründungsschrift des Antragsgegners den formalen Anforderungen des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG an einen Beschwerdeantrag. Dem Schriftsatz lassen sich Umfang und Ziel der Beschwerde noch hinreichend bestimmt entnehmen.
14
(1) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist der Beschwerdebegründungsschrift eindeutig zu entnehmen, dass der Antragsgegner sich nicht gegen die vom Amtsgericht ausgesprochene Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt wendet. Dies belegt der vom Beschwerdegericht gesehene Betreff ("wegen Beschwerdeverfahren-Trennungsunterhalt") ebenso wie der Umstand, dass der 17-seitige Schriftsatz an keiner Stelle auf den Kindesunterhalt eingeht. Es wird aber auch daraus deutlich, dass der Antragsgegner in seine Berechnungen zum Getrenntlebensunterhalt einen monatlichen Kindesun- terhalt von 350 € und damit eben den - über dem titulierten Unterhalt liegenden - Betrag eingestellt hat, den er unstreitig stets bezahlt hat und den auch das Amtsgericht bei der Berechnung des Getrenntlebensunterhaltsanspruchs der Antragstellerin berücksichtigt hat. Zweifel daran, dass dieser Teil der amtsgerichtlichen Entscheidung vom Antragsgegner mit der Beschwerde nicht angegriffen werden soll, verbleiben mithin nicht.
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(2) Aber auch hinsichtlich des Getrenntlebensunterhalts lässt die Beschwerdebegründung in für § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG ausreichender Weise erkennen, in welchem Umfang der angegriffene Beschluss abgeändert werden soll.
16
(a) Das Beschwerdegericht vertritt allerdings zutreffend die Ansicht, aus dem Schriftsatz ergebe sich nicht, ob der Antragsgegner sich nur gegen die Höhe des zugesprochenen Unterhalts wende, also den Beschluss lediglich wegen der 8,46 € bzw. 62,66 € übersteigenden Monatsbeträge angreife, oder aber hinsichtlich des Getrenntlebensunterhalts wie in erster Instanz eine vollständige Antragsabweisung begehre. Der Einwand der Rechtsbeschwerde, aus der im Fließtext enthaltenen Formulierung "zuzuerkennen sind" im Zusammenspiel mit dem konkret genannten Enddatum (28. Februar 2014) gehe das Rechtsschutzziel eindeutig hervor, geht fehl. Abgesehen davon, dass offen bleibt, ob eine Befristung nur hilfsweise geltend gemacht sein soll, enthält die Beschwerdebegründung auch Ausführungen zur Verwirkung. Diese finden sich zwar - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht anmerkt - unter "Verfahrensverlauf", schließen aber mit der Ankündigung, es werde hierzu noch in einem gesonderten Schriftsatz weiter ausgeführt. Dies lässt den Schluss als möglich erscheinen, dass der Einwand im Beschwerdeverfahren verfolgt werden soll.
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(b) Diese Unklarheit führt jedoch nicht dazu, dass die Beschwerde mangels Antrags unzulässig ist.
18
(aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsmittel nicht wegen Unbestimmtheit eines Teils des Beschwerdeangriffs insgesamt als unzulässig angesehen werden, wenn der Begründungsschrift eindeutig zu entnehmen ist, dass der Rechtsmittelführer seinen prozessualen Anspruch jedenfalls in einer bestimmten Höhe weiterverfolgen will. Darauf können sich Gericht und Gegner einstellen. Dem Schutzbedürfnis vor Unklarheit über den Umfang des Rechtsmittels, dem die Vorschrift des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG dient, ist für diesen Teil des Beschwerdeangriffs Genüge getan (vgl. Senatsbeschluss vom 1. April 1987 - IVb ZB 86/86 - juris Rn. 13 und BGH Urteil vom 1. Juli 1975 - VI ZR 251/74 - NJW 1975, 2013, 2014).
19
Die Vorschrift des § 537 Abs. 1 ZPO, nach der ein erstinstanzliches Urteil durch das Berufungsgericht auf Antrag für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist, soweit es durch die Berufungsanträge nicht angegriffen wird, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Zwar könnte sie ein schutzwürdiges Interesse des Berufungsbeklagten daran begründen, aus den in der Berufungsbegründungsfrist eingehenden Schriftsätzen des Rechtsmittelklägers eine eindeutige Kenntnis nicht nur von einem Mindestumfang, sondern vom gesamten Ausmaß des Berufungsangriffs zu erhalten. Die Bestimmung ist aber in Ehe- und Familienstreitsachen nicht anwendbar (§ 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG) und hat dort auch keine Entsprechung.
20
Im Übrigen steht es einem Rechtsmittelführer - in Ehesachen mit der Einschränkung des § 145 Abs. 1 Satz 1 FamFG - frei, auch nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist den Beschwerdeantrag zu erweitern, soweit sich die Erweiterung auf bereits in der Rechtsmittelbegründungsschrift enthalte- ne Gründe stützt (vgl. Senatsurteil vom 12. November 1997 - XII ZR 39/97 - NJW-RR 1998, 572 und BGH Beschluss vom 27. März 2012 - VI ZB 74/11 - NJW-RR 2012, 662 Rn. 8). Selbst ein ausdrücklich eingeschränkter Beschwerdeantrag in der Beschwerdebegründung vermittelt daher für sich genommen dem Beschwerdegegner keine Gewissheit, dass der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel nicht auch auf die ursprünglich nicht angegriffenen Teile der erstinstanzlichen Entscheidung erweitert.
21
(bb) Nach diesen Maßstäben scheitert die Zulässigkeit der Beschwerde nicht daran, dass das Rechtsschutzziel unbestimmt wäre. Der Beschwerdebegründung kann eindeutig entnommen werden, dass der Antragsgegner die amtsgerichtliche Entscheidung zum Getrenntlebensunterhalt jedenfalls insoweit angreifen will, als er zur Zahlung von 8,46 € bzw. 62,66 € übersteigenden Mo- natsbeträgen verpflichtet worden ist. Die vom Beschwerdegericht - zu Recht - benannten Unklarheiten beziehen sich lediglich auf die Frage, ob der Antragsgegner darüber hinaus auch wegen Befristung und/oder Verwirkung für bestimmte Zeitabschnitte oder auch insgesamt eine vollständige Antragsabweisung begehrt. Diese Unklarheiten sind für die Frage der Zulässigkeit jedoch nicht maßgeblich.
Dose Schilling Günter Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Wiesloch, Entscheidung vom 30.05.2014 - 2 F 143/12 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 27.08.2014 - 2 UF 140/14 -

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 29. April 2014 - 9 Sa 833/13 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zu 2. der Klägerin zum Schadensersatz sowie aus § 433 Abs. 2 BGB zur Zahlung verpflichtet ist.

2

Der Beklagte zu 2. war bei der T GmbH (im Folgenden T), die elektrotechnische Geräte vertrieb, als Kundenbetreuer (Account Manager) im Vertrieb tätig. Das Arbeitsverhältnis des Beklagten zu 2. mit der T endete durch arbeitgeberseitige fristlose Kündigung vom 26. Februar 2008. Die T wurde zum 1. April 2009 auf die Klägerin verschmolzen.

3

Der Vertrieb elektrotechnischer Artikel wurde bei der T mit verschiedenen Programmen, ua. mit dem sog. TSAM CRM-Programm und dem EDV-Programm „SeCe-IT“ abgewickelt. Das TSAM CRM-Programm erfasste Kundendaten sowie die beabsichtigten und die getätigten Geschäfte; das EDV-Programm „SeCe-IT“ listete Preise auf sowie mögliche Rabatte, die die Vertriebsmitarbeiter den Kunden gewähren konnten. Soweit diese Rabatte nicht ausreichten, konnte durch den jeweiligen Vertriebsmitarbeiter über das Programm eine höhere Rabattierung (sog. Preiseskalation) initiiert werden. Eine Abgabe der Ware erfolgte grundsätzlich nur an Kunden der T, die keine Wiederverkäufer waren.

4

Der Beklagte zu 2. legte in den EDV-Systemen der T zwei Kunden namens „S I“ bzw. „I“ sowie „K“ an. Inhaber dieser Kunden waren die Ehefrau des Beklagten zu 2. bzw. deren Eltern. Ab Mitte 2006 wurden vom Beklagten zu 2. wenigstens 240 Bestellungen elektrotechnischer Artikel für die vorgenannten Kunden sowie weitere Kunden, namentlich die „S GmbH“, die „Sc AG“ und die „Si GmbH“ ausgelöst und abgewickelt. Teilweise wurden die Bestellungen auf die Kundennummer einer „D AG“, einer „e GmbH & Co. KG“ oder einer „R“ gebucht; es wurden auch abweichende Rechnungs- und Lieferanschriften angegeben. Zum Teil handelte es sich bei den veräußerten Gegenständen um Restposten.

5

Mit ihrer zunächst gegen drei Beklagte als Gesamtschuldner - den Beklagten zu 2. und zwei seiner Vorgesetzten, ua. den Beklagten zu 1. - gerichteten, dem Beklagten zu 2. am 2. September 2008 zugestellten Klage und der diesem am 29. Januar 2010 zugestellten Klageerweiterung hat die Klägerin Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit den oa. 240 Geschäftsvorgängen geltend gemacht. Sie hat behauptet, der Beklagte zu 2. habe diese Verkaufsgeschäfte mit unzulässigen Preisabsprachen bzw. unzulässigen Rabatten getätigt. Er habe veranlasst, dass den Kunden weit unter dem Einkaufs- bzw. Einstandspreis liegende Preise in Rechnung gestellt wurden, ohne dass die erforderlichen Preiseskalationen durchgeführt wurden; zum Teil sei eine Rechnungsstellung vollständig unterblieben. Um Misstrauen erst gar nicht aufkommen zu lassen, seien Bestellungen zudem mittels des Textverarbeitungsprogramms „Word“ abgeändert worden. Die Waren seien von den „Kunden“ an Dritte weiterverkauft worden, die diese Waren ansonsten zu regulären Preisen bei der T bezogen hätten. Infolge des Fehlverhaltens des Beklagten zu 2. sei ihr in den Jahren 2006 und 2007 ein Schaden iHv. insgesamt 5.360.450,21 Euro entstanden. Diesen habe der Beklagte zu 2. ihr nach § 280 bzw. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 bzw. § 263 StGB zu ersetzen. Einen Teilbetrag der Gesamtforderung schulde der Beklagte zu 2. ihr zudem nach § 433 Abs. 2 BGB. Dieser Anspruch betreffe neun mit der „I“ geschlossene Verträge.

6

Die Klägerin hat in erster Instanz ua. beantragt,

        

1.    

den Beklagten zu 1. und den Beklagten zu 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin wegen vorsätzlich begangener Handlungen 5.360.450,21 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung entsprochen. Das Urteil wurde der Klägerin am 16. September 2013 zugestellt. Die Klägerin hat gegen dieses Urteil teilweise, nämlich insoweit Berufung eingelegt, als ihre Klage gegen den Beklagten zu 2. abgewiesen wurde. Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21. November 2013 den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 18. November 2013, der ausweislich des Eingangsstempels des Nachtbriefkastens am 19. November 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, mit der Begründung zurückgewiesen, der Antrag sei erst nach Ablauf der bis zum 18. November 2013 laufenden Frist zur Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsätzen vom 23. Dezember 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet. In der Berufungsbegründungsschrift hat sie ihre Klageforderung auf 500.000,00 Euro beschränkt und ausgeführt, dass diese Beschränkung nur im Hinblick darauf erfolge, dass die Realisierbarkeit der Gesamtforderung bei dem Beklagten zu 2. sehr zweifelhaft sei; sie behalte sich allerdings vor, die Berufung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zu erweitern.

8

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

den Beklagten zu 2. zu verurteilen, an sie wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen 500.000,00 Euro aus den in der Berufungsbegründung vom 23. Dezember 2013 im Einzelnen dargestellten Vorgängen (S. 6 bis 27) in der Abfolge ihrer Darstellung, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Der Beklagte zu 2. hat Klageabweisung beantragt.

10

Das Landesarbeitsgericht, das über den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin nicht entschieden hat, hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. In der Sache verfolgt sie ihr Klagebegehren aus der Berufung weiter. Der Beklagte zu 2. beantragt die Verwerfung bzw. Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung der Klägerin nicht als unzulässig verworfen werden. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO). Der Senat kann allerdings nicht selbst feststellen, ob die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen war. Er kann nicht selbst über den vom Landesarbeitsgericht nicht beschiedenen Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Frist zur Begründung der Berufung entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Zurückverweisung ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat zugunsten der Klägerin die Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Berufung unterstellen dürfte. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann vom Senat nicht entschieden werden, ob die zulässige Klage unbegründet ist.

12

A. Die Revision ist zulässig.

13

I. Die Revision der Klägerin ist statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt, § 74 Abs. 1 ArbGG, sowie frist- und ordnungsgemäß begründet, § 74 Abs. 1 ArbGG, § 551 Abs. 3 ZPO. Die Revision setzt sich insbesondere ausreichend mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander (zu dieser Anforderung vgl. etwa BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 16 mwN; 19. April 2005 - 9 AZR 184/04 - zu I 1 der Gründe mwN).

14

II. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten zu 2. ist die Revision nicht deshalb unzulässig, da der in der Revision gestellte Sachantrag den Zusatz aus dem Berufungsantrag „wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen“ nicht mehr enthält. Hierin liegt keine in der Revisionsinstanz - grundsätzlich - unzulässige Klageänderung bzw. Klageerweiterung (vgl. hierzu BAG 18. November 2014 - 1 AZR 257/13 - Rn. 46, BAGE 150, 50; 28. Mai 2013 - 3 AZR 266/11 - Rn. 17 f. mwN). Der Berufungsantrag ist in der gebotenen Auslegung dahin zu verstehen, dass dem Zusatz „wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen“ keine den Antrag einschränkende Bedeutung zukommt.

15

1. Das Revisionsgericht hat prozessuale Willenserklärungen selbstständig auszulegen. Maßgebend sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, vielmehr ist der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln. Im Zweifel sind Klageanträge so auszulegen, dass das gewollt ist, was aus Sicht der Prozesspartei nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Dabei sind die schutzwürdigen Belange des Prozessgegners zu berücksichtigen (vgl. BAG 7. Juli 2015 - 10 AZR 416/14 - Rn. 18; 2. September 2014 - 3 AZR 951/12 - Rn. 34; 15. Mai 2013 - 7 AZR 665/11 - Rn. 32, BAGE 145, 142).

16

2. Die Auslegung ergibt, dass dem im Berufungsantrag enthaltenen Zusatz „wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen“ keine diesen Antrag einschränkende Bedeutung zukommt. Die Klägerin hatte den Beklagten zu 2. nicht nur auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen, der ihr aus - nach ihrer Behauptung - vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen des Beklagten zu 2. entstanden war. Sie hatte ihren Anspruch auch auf § 280 BGB sowie teilweise auf § 433 Abs. 2 BGB gestützt. Die Aufnahme des oa. Zusatzes in den Antrag war ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die Klägerin, wie sie bereits in der Klageschrift erläutert hat, von der Möglichkeit nach § 850f Abs. 2 ZPO, wonach das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c ZPO vorgesehenen Beschränkungen bestimmen kann, Gebrauch machen wollte und vor diesem Hintergrund eine Feststellung des Schuldgrundes im Titel anstrebte. Eine Beschränkung des Gerichts auf die Prüfung bestimmter Anspruchsgrundlagen oder aber eines bestimmten Lebenssachverhalts unter Ausschluss eines anderen Lebenssachverhalts war mit dem Zusatz demnach nicht bezweckt. Damit hat der Streitgegenstand in der Revisionsinstanz keine Änderung erfahren (vgl. hierzu etwa BAG 28. Mai 2013 - 3 AZR 266/11 - Rn. 18).

17

B. Die Revision ist auch begründet.

18

I. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung der Klägerin nicht als unzulässig verworfen werden.

19

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Berufung sei unzulässig, da die Klägerin keine Berufungsbegründung mit einem hinreichend bestimmten Berufungsantrag (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO) eingereicht habe. Die Klägerin habe das Urteil des Arbeitsgerichts, mit dem ihre auf Zahlung von 5.360.450,21 Euro gerichtete Klage abgewiesen wurde, nur im Umfang von 500.000,00 Euro angefochten. Dem Berufungsantrag sei jedoch weder nach seinem Wortlaut noch durch Auslegung zu entnehmen, ob die Klägerin Ansprüche aus allen erstinstanzlich angeführten 240 Geschäftsvorfällen, oder nur aus den in der Berufungsbegründung konkret aufgelisteten „41“ Geschäftsvorfällen und aus welchen von diesen weiterverfolgt, oder ob sie das Urteil nur hinsichtlich der Ansprüche aus einzelnen Vorfällen zur Überprüfung stellt, und wenn ja, hinsichtlich welcher Vorfälle. Die Klägerin habe erst in der mündlichen Verhandlung ihren Antrag dahin konkretisiert, dass sie die Zahlung von 500.000,00 Euro aus den in der Berufungsbegründung dargestellten Vorgängen in der Abfolge ihrer Darstellung geltend macht. Diese Konkretisierung hätte die Klägerin allerdings bereits in der Berufungsbegründung vornehmen müssen, andernfalls ließen sich Umfang und Ziel ihres Rechtsmittels nicht erkennen.

20

2. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

21

a) Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge). Durch diese Bestimmung soll der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen (vgl. etwa BGH 10. Juni 2015 - XII ZB 611/14 - Rn. 10 mwN; 19. November 2014 - XII ZB 522/14 - Rn. 10; 22. März 2006 - VIII ZR 212/04 - Rn. 8 mwN).

22

Lassen sich Umfang und Ziel des Rechtsmittels durch Auslegung der innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig bestimmen, kann selbst das völlige Fehlen eines förmlichen Berufungsantrags unschädlich sein (vgl. ua. BAG 20. Juni 1989 - 3 AZR 504/87 - zu I 3 der Gründe; BGH 10. Juni 2015 - XII ZB 611/14 - Rn. 10 mwN). Ferner ist zu berücksichtigen, dass die in der Berufungsbegründung angekündigten Anträge nur vorläufigen Charakter haben und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Rahmen der fristgerecht vorgetragenen Anfechtungsgründe noch geändert werden können (vgl. ua. BGH 6. Juli 2005 - XII ZR 293/02 - zu I 2 a der Gründe mwN, BGHZ 163, 324; 27. März 1985 - IVb ZB 20/85 - zu II der Gründe). Der Berufungskläger kann das Rechtsmittel sogar nach Ablauf der Begründungsfrist bis zum Schluss der Berufungsverhandlung erweitern, soweit die fristgerecht vorgetragenen Berufungsgründe die Antragserweiterung decken (vgl. BAG 20. Juli 2004 - 9 AZR 570/03 - zu A I 1 der Gründe; vgl. auch BGH 28. September 2000 - IX ZR 6/99 - zu I 1 der Gründe mwN, BGHZ 145, 256; 30. April 1996 - VI ZR 55/95 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 132, 341; 6. November 1986 - IX ZR 8/86 - zu 4 a bb der Gründe; 16. September 1985 - II ZR 47/85 - zu 2 der Gründe; 24. Oktober 1984 - VIII ZR 140/83 - zu I der Gründe; 8. Oktober 1982 - V ZB 9/82 - zu II 2 der Gründe).

23

Wird unbeschränkt Berufung eingelegt, so erstreckt sich die dadurch eintretende Hemmung der Rechtskraft (§ 705 Satz 2 ZPO) grundsätzlich auch dann auf das gesamte Urteil, wenn die Berufungsbegründung einen beschränkten Antrag enthält. Allein aus dem Umstand, dass der Berufungsantrag hinter der Beschwer zurückbleibt, lässt sich kein teilweiser Rechtsmittelverzicht oder eine Rechtsmittelbegrenzung entnehmen (vgl. ua. BAG 20. Juli 2004 - 9 AZR 570/03 - zu A I 1 der Gründe; BGH 28. September 2000 - IX ZR 6/99 - zu I 1 der Gründe mwN, BGHZ 145, 256; 27. März 1985 - IVb ZB 20/85 - zu II der Gründe; 24. Oktober 1984 - VIII ZR 140/83 - zu I der Gründe; 27. Oktober 1983 - VII ZR 41/83 - zu 2 a der Gründe, BGHZ 88, 360). Im Gegenteil unterliegt die Annahme eines Rechtsmittelverzichts strengen Anforderungen; darauf kann nur geschlossen werden, wenn in der Erklärung klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck gebracht wird, das Urteil insoweit endgültig hinzunehmen und nicht anfechten zu wollen (vgl. ua. BAG 27. Juli 2010 - 3 AZR 317/08 - Rn. 16, BAGE 135, 187; 16. März 2004 - 9 AZR 323/03 - zu A I 1 der Gründe mwN, BAGE 110, 45; BGH 5. September 2006 - VI ZB 65/05 - Rn. 8 mwN; 6. März 1985 - VIII ZR 123/84 - zu 2 b der Gründe; 27. Oktober 1983 - VII ZR 41/83 - aaO).

24

b) Danach genügte die Berufungsbegründung der Klägerin den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO; sie ließ Umfang und Ziel des Rechtsmittels eindeutig erkennen.

25

aa) Die Klägerin hat gegen das erstinstanzliche Urteil, soweit ihre Klage gegen den Beklagten zu 2. abgewiesen wurde, zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung hat sie ausgeführt, sie habe - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - zu sämtlichen von ihr geltend gemachten Schadensersatzansprüchen nach Grund und Höhe hinreichend substantiiert vorgetragen. In diesem Zusammenhang hat sie sich ausdrücklich auf die auch in erster Instanz angeführten 240 Geschäftsvorfälle bezogen. Zusätzlich hat sie darauf hingewiesen, bereits in erster Instanz geltend gemacht zu haben, dass der Beklagte zu 2. ihr einen Teilbetrag der Gesamtforderung zudem aus § 433 Abs. 2 BGB schulde.

26

bb) Der Umstand, dass die Klägerin in der Berufungsbegründung einen Berufungsantrag angekündigt hat, der hinter ihrer Beschwer zurückblieb, ändert nichts daran, dass sie zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt und das Urteil insoweit umfassend angegriffen hatte. Für die Annahme eines teilweisen Rechtsmittelverzichts oder einer Rechtsmittelbegrenzung fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt; im Gegenteil, die Klägerin hatte sich ausdrücklich vorbehalten, ihren angekündigten Antrag noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zu ändern. Vor diesem Hintergrund durfte das Landesarbeitsgericht aus dem in der Berufungsbegründung enthaltenen Berufungsantrag nicht schließen, die Klägerin fechte das arbeitsgerichtliche Urteil, mit dem ihre auf Zahlung von 5.360.450,21 Euro gerichtete Klage abgewiesen worden war, von vornherein nur eingeschränkt, nämlich im Umfang von 500.000,00 Euro an.

27

cc) Da die Klägerin ihren in der Berufungsbegründung angekündigten Berufungsantrag noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hätte ändern können, war es ihr auch unbenommen, im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht klarzustellen, dass es bei dem in der Berufungsbegründung angekündigten Antrag verbleibt und dass sie ihr Begehren insoweit ausschließlich auf die in der Berufungsbegründung ausdrücklich angeführten 42 Geschäftsvorgänge stützt.

28

dd) Die Berufung der Klägerin ist auch nicht deshalb nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO unzulässig, weil sich der Schaden, der der Klägerin nach ihrem Vorbringen aus den in der Berufungsbegründung angeführten 42 Geschäftsvorgängen entstanden sein soll, auf ca. 950.000,00 Euro beläuft, mithin die gegenüber dem Beklagten zu 2. geltend gemachte Forderung iHv. 500.000,00 Euro übersteigt und die Klägerin nicht bereits in der Berufungsbegründung klargestellt hat, wie sie die 500.000,00 Euro aufgeteilt wissen, dh. in welcher Reihenfolge sie die aus den einzelnen 42 Geschäftsvorfällen resultierenden Ansprüche zur Überprüfung des Gerichts stellen will. Dieser Mangel berührt nicht die Zulässigkeit der Berufung, sondern die Zulässigkeit der Klage. Ein solcher Mangel kann in der Berufungsinstanz noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung behoben werden (vgl. etwa BGH 22. November 2011 - VIII ZB 30/11 - Rn. 12; 18. September 1986 - III ZR 124/85 - zu I 2 b der Gründe; 15. März 1956 - II ZB 19/55 - BGHZ 20, 219).

29

II. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Berufung sei unzulässig, stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Berufung ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG). Auch hatte die Klägerin die Berufung fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ArbGG) und ordnungsgemäß begründet (§ 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO).

30

III. Der Senat kann allerdings nicht selbst feststellen, ob die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen war. Er kann nicht selbst über den vom Landesarbeitsgericht nicht beschiedenen Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Frist zur Begründung der Berufung entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Zurückverweisung ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat zugunsten der Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unterstellen dürfte. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann nicht entschieden werden, ob die zulässige Klage unbegründet ist.

31

1. Die Berufungsbegründung der Klägerin vom 23. Dezember 2013 ist zwar erst nach Ablauf der gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG bis zum 18. November 2013 laufenden Frist zur Begründung der Berufung beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Allerdings hatte die Klägerin mit Schriftsätzen vom 18. November 2013 eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Diese Schriftsätze sind ausweislich des Eingangsstempels des Nachtbriefkastens am 19. November 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Nachdem das Landesarbeitsgericht den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Beschluss vom 21. November 2013 mit der Begründung zurückgewiesen hatte, der Antrag sei erst am 19. November 2013 und damit nach Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen, hat die Klägerin mit Schriftsätzen vom 23. Dezember 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, er habe die Fristverlängerungsanträge am späten Abend des 18. November 2013 und damit noch vor Fristablauf in den gemeinsamen Nachtbriefkasten des Landesarbeitsgerichts und des Arbeitsgerichts eingeworfen. Das Landesarbeitsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin vom 23. Dezember 2013 nicht beschieden.

32

2. Der Senat kann nicht selbst über den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

33

a) Nach § 237 ZPO ist für die Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das Gericht zuständig, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung, hier also die Berufungsbegründung, zusteht. Das ist hier das Landesarbeitsgericht. Diese Zuständigkeit gilt sowohl für einen ausdrücklich gestellten Wiedereinsetzungsantrag als auch für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Zulässigkeit der Berufung als Prozessfortführungsvoraussetzung vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist. Dies bedeutet nicht, dass das Revisionsgericht die Prüfung der Wiedereinsetzung uneingeschränkt an sich ziehen könnte. Nach § 238 Abs. 3 ZPO ist eine vom Berufungsgericht gewährte Wiedereinsetzung unanfechtbar und damit auch für das Revisionsgericht bindend. Mit der Entscheidungskompetenz des Berufungsgerichts ist für die fristsäumige Partei die Chance verbunden, mit bindender Wirkung Wiedereinsetzung bewilligt zu erhalten. Diese Chance darf ihr durch eine Entscheidung des Revisionsgerichts über die Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht genommen werden (BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 35 mwN). Eine Prüfung der Wiedereinsetzung durch das Revisionsgericht in einem bei ihm anhängigen Rechtsmittelverfahren kommt angesichts der grundlegenden Entscheidungskompetenz des Berufungsgerichts deshalb nur in Ausnahmefällen in Betracht.

34

b) Ein solcher Ausnahmefall kann zwar angenommen werden, wenn nach Aktenlage ohne Weiteres Wiedereinsetzung zu gewähren ist, über das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen also kein Zweifel besteht (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 37; BGH 20. Mai 2014 - VI ZR 384/13 - Rn. 13). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt.

35

Dies folgt bereits daraus, dass der auf den Anträgen der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 18. November 2013 angebrachte Eingangsstempel des Nachtbriefkastens, der als Eingangsdatum den 19. November 2013 ausweist, gemäß § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis für einen verspäteten Einwurf der Schriftsätze in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts(vgl. etwa BGH 19. November 2013 - II ZB 16/12 - Rn. 8) erbringt. Zwar ist der Beweis der Unrichtigkeit der darin bezeugten Tatsachen zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Auch wenn hieran wegen der Beweisnot des Berufungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen (BGH 19. November 2013 - II ZB 16/12 - aaO), ist der Gegenbeweis allerdings nicht schon dann geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist (BGH 22. Dezember 2011 - VII ZB 35/11 - Rn. 11 mwN). Ob der Klägerin der erforderliche Gegenbeweis gelungen ist, kann vom Senat nach der Aktenlage nicht entschieden werden.

36

3. Eine Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat zugunsten der Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unterstellen dürfte. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob die zulässige Klage unbegründet ist.

37

a) Zwar ist dem Rechtsmittelgericht im Fall eines vom zuständigen Vordergericht unbeschiedenen Wiedereinsetzungsantrags auch dann ausnahmsweise eine Entscheidung in der Sache möglich, wenn diese materiell-rechtlich zum selben Ergebnis wie eine Versagung der Wiedereinsetzung führt. In einem solchen Fall kann die Wiedereinsetzung zugunsten der fristsäumigen Partei unterstellt werden (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 39; BGH 20. Mai 2014 - VI ZR 384/13 - Rn. 13). Danach könnte der Senat allerdings nur dann selbst über die Revision entscheiden, wenn diese sich in jedem Fall als unbegründet erweisen würde.

38

b) Dies ist nicht der Fall. Die Klage ist zulässig. Ob sie unbegründet ist, kann der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

39

aa) Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klageantrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

40

(1) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Klageantrag hinreichend bestimmt sein. Dabei ist der Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung gemäß § 322 ZPO zwischen den Parteien entschieden werden kann. Bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbstständige Ansprüche geltend gemacht werden, bedarf es einer näheren Spezifizierung, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen. Andernfalls ist der Streitgegenstand nicht hinreichend bestimmt und die Klage ist unzulässig (vgl. BAG 24. September 2014 - 5 AZR 593/12 - Rn. 18, BAGE 149, 169; 28. Mai 2013 - 3 AZR 103/12 - Rn. 11; 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 11; BGH 9. Januar 2013 - VIII ZR 94/12 - Rn. 12 f.; 17. Juli 2008 - IX ZR 96/06 - Rn. 7 mwN; 12. Januar 2006 - III ZR 138/05 - Rn. 9 mwN). Dies gilt allerdings nicht für bloße unselbstständige Rechnungsposten (vgl. BGH 6. Mai 2014 - II ZR 217/13 - Rn. 15; 13. März 2003 - VII ZR 418/01 - zu II 3 der Gründe; 19. Juni 2000 - II ZR 319/98 - zu C I 2 b der Gründe).

41

(2) Die Klägerin hat die insoweit erforderliche Spezifizierung vorgenommen. Sie hat ausdrücklich beantragt, den Beklagten zu 2. zu verurteilen, an sie 500.000,00 Euro aus den in der Berufungsbegründung vom 23. Dezember 2013 im Einzelnen dargestellten 42 Geschäftsvorgängen in der Abfolge ihrer Darstellung zu zahlen. Dass sie die Angabe, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Geschäftsvorgänge verteilen soll bzw. in welcher Reihenfolge die aus diesen Geschäftsvorgängen folgenden Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden, erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gemacht hat, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Klägerin konnte etwaige Mängel, die die Zulässigkeit der Klage berühren, noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht beheben (vgl. etwa BGH 22. November 2011 - VIII ZB 30/11 - Rn. 12; 18. September 1986 - III ZR 124/85 - zu I 2 b der Gründe; 15. März 1956 - II ZB 19/55 - BGHZ 20, 219).

42

bb) Ob die zulässige Klage unbegründet ist, kann der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Vogelsang     

        

        

        

    F. Avenarius    

        

    Pauli    

                 

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Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 31.01.2017, Az.: 11 Ca 1541/16 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz allein um Schadensersatzansprüche der Beklagten, die diese im Wege der Aufrechnung und Hilfswiderklage geltend macht.

2

Die Beklagte betreibt einen Reifenhandel. Bei ihr wird ein Kassenbuch geführt, in das Monat für Monat laufend Einnahmen und Ausgaben nebst Beleg-Nummer, Datum und kurzem Text eingetragen werden.

3

Die Klägerin ist die getrennt lebende Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten; das Scheidungsverfahren ist rechtshängig.

4

Die Klägerin war in der Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2015 aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien (Bl. 7 f. d. A.) bei der Beklagten als Büroangestellte mit einem Bruttomonatsentgelt von 2.962,97 EUR beschäftigt. Zusätzlich leistete die Beklagte monatlich einen Beitrag in Höhe von 106,88 EUR als Direktversicherung. Auf den monatlichen Lohnabrechnungen war diese Leistung als Bestandteil der Bruttovergütung ausgewiesen, der vom Nettoauszahlungsbetrag wieder in Abzug gebracht wurde (vgl. Lohnabrechnung für September 2015, Bl. 12 d. A.).

5

Nachdem die Klägerin die Beklagte erfolglos schriftlich zur Zahlung der ausstehenden Gehälter für September 2015 und Oktober 2015 aufgefordert hatte, hat sie mit beim Arbeitsgericht Koblenz am 13.05.2016 eingegangenem Schriftsatz die vorliegende Zahlungsklage erhoben. Mit der am 16.08.2016 eingegangenen, der Klägerin am 18.08.2016 zugestellten Widerklage hat die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen ihrer Ansicht nach durch die Klägerin veranlasster Lohnüberzahlungen zu ihren Gunsten sowie Schadensersatzforderungen wegen unberechtigter Buchungen geltend gemacht.

6

Die Klägerin hat im Wesentlichen erstinstanzlich vorgetragen,

7

sie habe als kaufmännische Angestellte dem Geschäftsführer unterstanden. Die Kasse der Beklagten sei nicht nur ihr, sondern auch dem Geschäftsführer der Beklagten zugänglich gewesen. Sie habe alle Rechnungen ausschließlich auf Geheiß des Geschäftsführers in das Kassenbuch eingetragen. Gleiches gelte für Buchungen, die sie nur auf Anweisung des Geschäftsführers vorgenommen habe. Sie habe nicht zu entscheiden gehabt, ob es sich um Betriebsausgaben oder um private Ausgaben gehandelt habe. Der Geschäftsführer der Beklagten habe so etwa auch bei dem nunmehr beanstandeten PC nebst Fritzbox, die der Geschäftsführer dem gemeinsamen Sohn geschenkt habe, sie angewiesen, die Rechnungen in die Kasse einzutragen und sodann die entsprechenden Beträge zu entnehmen. Genauso verhalte es sich mit den Kindermöbeln sowie den Lampen, die der Geschäftsführer ihr geschenkt habe. Soweit sie im Kassenbuch für einzelne Positionen Eintragungen getätigt habe und sie selbst entsprechende Ausgaben getätigt habe, seien die Entnahmen auch wie gebucht verwendet worden. Die Zahlung an die Direktversicherung sei als Leistung der betrieblichen Altersversorgung zwischen den Parteien vereinbart. Außerdem sei der entsprechende Betrag vom Nettogehalt wieder in Abzug gebracht worden. Sie habe insgesamt nur 6,5 Urlaubstage im Jahr 2016 nehmen können.

8

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

9

1. die Beklagte wird verurteilt, 3.069,85 Euro brutto für den Monat September 2015 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich hieraus ergebenden Auszahlungsbetrag in Höhe von 1.869,18 Euro seit dem 07.11.2015 an die Klägerin zu zahlen.

10

2. Die Beklagte wird verurteilt, 613,98 Euro brutto für den Monat Oktober 2015 nebst in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich hieraus ergebenden Auszahlungsbetrag seit dem 16.11.2015 an die Klägerin zu zahlen.

11

3. Die Beklagte wird verurteilt, weitere 2.353,59 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2016 zu zahlen.

12

die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

sowie hilfsweise widerklagend beantragt,

15

1. die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 3.420,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2016 zu zahlen.

16

2. Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 1.683,51 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.08.2016 zu zahlen.

17

Die Klägerin hat beantragt,

18

die Widerklage abzuweisen.

19

Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen,

20

dass sie mit den Gegenforderungen wegen überzahltem Lohn in Höhe von 3.420,16 EUR sowie Schadensersatzansprüchen in Höhe von 1.683,51 EUR aufrechne und hilfsweise Widerklage erhebe. Die Klägerin habe unberechtigt eigenmächtig zusätzlich zu dem vertraglich vereinbarten Bruttomonatsgehalt einen Betrag in Höhe von 106,88 Euro monatlich gegenüber dem mit der Lohnbuchhaltung beauftragten Steuerbüro angegeben. Die Überweisung des sich ergebenden Nettobetrages habe sie, die Klägerin, an sich selbst veranlasst. Der Zahlungsbetrag werde für 32 Monate geltend gemacht. Darüber hinaus habe die Klägerin ab April 2015 begonnen, Rechnungsbeträge für privat genutzte Gegenstände aus dem Vermögen der Beklagten zu vereinnahmen und so der Beklagten einen Schaden in Höhe von 1.683,51 EUR zugefügt. Sie habe die entsprechenden Rechnungsbeträge in das Kassenbuch der Beklagten eingetragen und die entsprechenden Entnahmen für sich selbst behalten. Tatsächlich seien die entsprechenden Positionen nicht angefallen. Teilweise habe die Klägerin für seitens des Geschäftsführers der Beklagten aus dem Privatvermögen gezahlten Gegenstände Buchungen im Kassenbuch vorgenommen und die entsprechenden Beträge entnommen. Auch habe die Klägerin private Gegenstände über die Beklagte erworben und die entsprechenden Positionen in das Kassenbuch eingetragen bzw. Sachen mittels Kontoüberweisungen der Beklagten erworben, die überhaupt nichts mit dem Unternehmen der Beklagten zu tun haben. Zudem habe die Klägerin noch 4 weitere Tage Urlaub im Jahr 2016 gehabt.

21

Das Arbeitsgericht hat mit am 31.01.2017 verkündeten Urteil der Klage bis auf einen Betrag in Höhe von 102,33 EUR brutto stattgegeben und die Hilfswiderklage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass die Zahlungsansprüche bis auf einen Tag zu Unrecht geltend gemachter Entgeltfortzahlung für den 08.10.2015 bestünden und auch nicht durch die erklärte Aufrechnung erloschen seien. Denn die von der Beklagten geltend gemachten Gegenansprüche seien nicht gegeben, so dass die von ihr erklärte Aufrechnung, auch soweit die Pfändungsfreigrenze überschritten sei, nicht greife und auch die Widerklage unbegründet sei. Ein Rückzahlungsanspruch der Beklagten für die monatlich geleisteten Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung bestehe aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt, vielmehr müsse sich die Beklagte an der entsprechenden jahrelangen Praxis festhalten lassen. Ebenso wenig sei ein Schadensersatzanspruch der Beklagten wegen behaupteter Barentnahmen aus dem Kassenbestand bzw. der damit korrespondierenden behaupteten Falschbuchungen gegeben. Es fehle bereits im Hinblick auf das Bestreiten der Klägerin an hinreichend substantiiertem Vortrag hinsichtlich der angeblich durch die Klägerin vereinnahmten Beträge.

22

Gegen das ihr am 13.02.2017 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte, mit Schriftsatz vom 20.02.2017 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 23.02.2017 eingegangen, Berufung eingelegt und diese innerhalb der antragsgemäß bis zum 15.05.2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 12.05.2017 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag per Fax eingegangen, begründet.

23

Die Beklagte macht zusammengefasst geltend,

24

das Arbeitsgericht habe zu Unrecht das Nichtbestehen von Schadensersatzansprüchen aus den §§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 BGB, 823 BGB angenommen. Die Vermutung des Arbeitsgerichts, dass die Eintragungen im Kassenbuch im beiderseitigen Einverständnis mit dem Geschäftsführer erfolgt seien, wenn es um Anschaffungen des Sohnes gegangen sei, gehe fehl. Die Steuerprüfung habe die erstinstanzlichen Sachverhalte bestätigt, insgesamt habe die Klägerin entsprechend der (nunmehr) abgeschlossenen Steuerprüfung die in der Tabelle im Schriftsatz vom 09.08.2017 (Bl. 199 d. A.) angeführten Gegenstände in die Buchhaltung des Unternehmens eingebucht und persönlich an sich genommen bzw. mitgenommen und so ausweislich der Tabelle der Beklagten einen Gesamtschaden in Höhe von 7.549,46 EUR zugefügt. Dies gelte insbesondere auch für Möbel zu einem Gesamtpreis von 690,12 EUR. Ausweislich der Tabelle habe sie in den Jahren 2013 bis 2015 insgesamt 1.712,25 EUR für Zigaretten aus der Kasse zum Eigenkonsum entnommen. Daher sei die Aufrechnung mit diesen Forderungen auch nicht präkludiert. Darüber hinaus habe die Klägerin auch ihre Schwester, Frau B. S., vom 01.04.2004 bis 15.05.2015 als Aushilfe ohne Kenntnis des Geschäftsführers der Beklagten angemeldet. Der Schwester der Klägerin seien monatlich 350 EUR bezahlt worden, obwohl sie keinerlei Leistungen für die Beklagte erbracht habe. Pro Jahr belaufe sich der Schaden hierdurch allein auf 4.000,00 EUR. Auch hiermit rechne die Beklagte auf.

25

Die Beklagte beantragt,

26

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 31.01.2017 – 11 Ca 154/16 teilweise abzuändern und nach den Schlussanträgen der Beklagten erster Instanz zu entscheiden.

27

Die Klägerin beantragt,

28

die Berufung zurückzuweisen.

29

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und widerspricht der von der Beklagten erklärten Aufrechnung, soweit diese Gegenforderungen betrifft, die erstmalig in der Berufungsinstanz geltend gemacht werden. Auch seien die Sachverhalte präkludiert, da sie alle bereits in der ersten Instanz hätten vorgebracht werden können und müssen. Es gebe keine Buchungen und Bearbeitungen im Rahmen der Buchführung der Beklagten, die von der Klägerin zu verantworten seien. Alle Barentnahmen aus der Kasse seien Verfügungen des Geschäftsführers der Beklagten gewesen, der sich dabei der Klägerin als Angestellte bedient habe. Die Buchungen seien ausschließlich auf Anweisung des Geschäftsführers vorgenommen worden. Ebenso habe die Klägerin keine eigenen Entscheidungen hinsichtlich des Personals der Beklagten getroffen, vielmehr habe diese der Geschäftsführer getroffen. So habe er auch alle Lohnanmeldungen, Sozialversicherungsmeldungen und Bilanzen unterzeichnet. Der Geschäftsführer der Beklagten versuche seine eigenen Verfügungen nun der Klägerin unterzuschieben, wie insbesondere die Aufnahme des E-Bikes und der Barentnahme für die für den Sohn beim D. B. gekauften Gegenstände in die Tabelle zeigten. Letztere habe der Geschäftsführer zunächst bar bezahlt und dann selbst die Rechnung in die Kasse der Beklagten gelegt und den entsprechenden Betrag entnommen. Im Übrigen sei die Klägerin keine Raucherin, der einzige der bei der Beklagten rauchen würde, sei deren Geschäftsführer, der die entsprechenden Buchungen veranlasst habe.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

31

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO nur zum Teil zulässig.

32

1. Für die Zulässigkeit der Berufung ist es entgegen der Auffassung der Klägerin unschädlich, dass insbesondere der Berufungsbegründungsschriftsatz der Beklagten noch keinen förmlichen Berufungsantrag enthielt.

33

Zwar ist es zweckmäßig, dass das Anfechtungs- und Änderungsbegehren in einem förmlichen Berufungsantrag formuliert wird. Doch reicht es nach Auffassung des BGH (std. Rspr. des BGH vgl. zB. BGH 01.04.2015 - XII ZB 503/14, NJW 2015, 1606, 1607; 15.12.2009 – IX ZB 36/09, NJW-RR 2010, 424, 425), der sich die Berufungskammer anschließt, aus, dass der Berufungsbegründung im Ganzen das Berufungsbegehren eindeutig erkennen lässt. So muss gemäß § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO die Berufungsbegründung lediglich die Erklärung beinhalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden. Nach der Rechtsprechung des BGH erfordert auch der Zweck des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO nicht zwingend einen förmlichen Sachantrag. Durch die Vorschrift soll nämlich der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen (vgl. z.B. BGH 01.04.2015 - XII ZB 503/14, NJW 2015, 1606, 1607). Daher reicht es aus, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergeben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll (std. Rspr. des BGH vgl. z.B. BGH 01.04.2015 - XII ZB 503/14, NJW 2015, 1606, 1607; 15.12.2009 – IX ZB 36/09, NJW-RR 2010, 424, 425).

34

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat die Beklagte vorliegend auch ohne förmlichen Antrag aufgrund des Inhalts ihres Berufungsschriftsatzes klar zu erkennen gegeben, dass sie ihr Ziel vollumfänglich nach ihren Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen, weiterverfolgt. Das erstinstanzliche Urteil war der Berufung beigefügt gewesen. Aufgrund des gesamten Inhalts des Berufungsschriftsatzes lässt sich als Berufungsbegehren entnehmen, dass die Beklagte die Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteils mit dem Ziel begehrt, dass die nunmehr dem Grunde nach von der Beklagten anerkannten Klageforderungen der Klägerin durch Aufrechnung mit Gegenforderungen, die überwiegend bereits auch erstinstanzlich zur Aufrechnung gestellt wurden, erloschen sind oder zumindest ihrer Hilfswiderklage stattgegeben wird.

35

2. Allerdings genügt die Berufungsbegründung bereits nicht den Anforderungen des § 64 Abs. 6 S. 1 i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 3 ZPO an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung, soweit das erstinstanzliche Urteil die Aufrechnung mit einer Gegenforderung wegen 32 Monaten angeblich zu Unrecht geleisteter Beiträgen zur betrieblichen Altersversorgung abgelehnt und den diesbezüglichen Hilfswiderklageantrag zu 1. gleichfalls abschlägig beschieden hat.

36

Gemäß § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO erfordert eine ausreichende Berufungsbegründung eine argumentative Auseinandersetzung mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils. Eine substantielle Kritik liegt nicht vor, wenn der Berufungsführer lediglich seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt oder gar nur pauschal auf ihn verweist. Es muss im Einzelnen konkret erkennbar sein, was nach Auffassung des Rechtsmittelführers am angefochtenen Urteil falsch sein soll. Die Regelung des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Streitstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (BGH 24.01.2000 – II ZR 172/98, NJW 2000, 1576; hessisches LAG 17.06.2014 – 15 Sa 240/14; LAG Rheinland-Pfalz 15.03.2005 – 2 Sa 928/04 – zitiert nach juris).

37

Dabei muss sich, wenn in einem arbeitsgerichtlichen Urteil über im Wege der objektiven Klagehäufung sowie zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen und einen Anspruch, der im Wege der (Hilfs-)Widerklage geltend gemacht worden ist, entschieden worden ist, die Berufungsbegründung im vorgenannten Umfang mit jedem einzelnen Antrag und Anspruch auseinandersetzen, der in das Berufungsverfahren gelangen soll (BAG 16.04.1997 – 4 AZR 635/95, NZA 1998, 45; LAG Rheinland-Pfalz 15.03.2005 – 2 Sa 928/04 – zitiert nach juris). Hintergrund ist die lediglich prozessuale Zusammenfassung mehrerer Forderungen und Gegenforderungen in einem Rechtsstreit, bei dem die einzelnen Streitgegenstände ihre Eigenständigkeit nicht einbüßen. Etwas anderes gilt nur in dem hier nicht vorliegenden Fall, dass die Begründetheit oder Unbegründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängt (BAG 16.04.1997 – 4 AZR 635/95, NZA 1998, 45).

38

Die Beklagte hat jedoch in ihrer Berufungsbegründung lediglich ausgeführt, dass das Arbeitsgericht die Ansprüche der Klägerin richtig berechnet habe und im Übrigen auf ihre Aufrechnung verwiesen und darauf, dass entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts eine Aufrechnungslage gegeben sei. Dementsprechend setzt sich die Berufungsbegründung bereits mit keinem Wort mit der Argumentation zur Einbeziehung der monatlichen Beträge zur betrieblichen Altersversorgung in die Berechnung der Höhe der Entgeltfortzahlungsansprüche der Klägerin auseinander. Ebenso wenig nimmt die Berufung dazu Stellung, dass das Arbeitsgericht das Vorliegen einer Gegenforderung bezüglich der 32 Monate gezahlten betrieblichen Altersversorgung mit der Begründung abgelehnt hat, dass die erfolgten Zahlungen nicht ohne Rechtsgrund sondern aufgrund einer (konkludenten) Vereinbarung der Parteien erfolgt seien und die Beklagte sich an der jahrelangen entsprechenden Praxis festhalten lassen müsse. Diese Argumentation liegt schließlich auch der Abweisung des diesbezüglichen Hilfswiderklageantrags zu 1. zu Grunde und wird gleichfalls mit keinem Wort in der Berufungsbegründung angegriffen.

II.

39

Soweit die Berufung zulässig ist, hat sie jedoch in der Sache selbst keinen Erfolg, da sie unbegründet ist. Weder sind die Klageforderungen durch die erklärte Aufrechnung der Beklagten nach § 389 BGB erloschen, noch ist der Hilfswiderklagantrag zu 2. begründet.

40

1. Soweit die Beklagte an ihrer bereits erstinstanzlich erklärten Aufrechnung festhält, hat dies auch im Berufungsverfahren keinen Erfolg.

41

Denn die als Gegenforderungen nach §§ 387 ff. BGB angeführten angeblichen Schadensersatzansprüche wegen Entnahmen aus der Kasse und Falschbuchungen, die zusammengefasst in der Tabelle im Schriftsatz vom 09.08.2017 (Bl. 199 d.A.) nochmals aufgezählt werden, wurden bereits nicht hinreichend schlüssig und substantiiert dargelegt. Dies hat bereits das Arbeitsgericht in seinen erstinstanzlichen Entscheidungsgründen zutreffend ausgeführt, so dass im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten lediglich folgende ergänzende Anmerkungen zu machen sind:

42

a) Die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen der zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche trägt die Beklagte.

43

Allein die pauschale Behauptung der Beklagten, dass die Klägerin die in dieser Tabelle angeführten Gegenstände in die Buchhaltung des Unternehmens eingebucht und persönlich an sich genommen habe, vermag keinen substantiierten Vortrag zu den Voraussetzungen eines etwaigen Schadensersatzanspruchs aus § 280 Abs. 1 iVm. § 241 BGB wegen Verletzung einer arbeitsvertraglichen Haupt- oder Nebenpflicht noch zu denen eines deliktischen Schadensersatzanspruchs aus § 823 BGB wegen unerlaubter Handlung der Klägerin zu begründen. Dies gilt umso mehr hinsichtlich der in der Tabelle angeführten Einzelforderungen, bei denen sich die Klägerin nicht nur auf ein bloßes Bestreiten beschränkt, sondern selbst Gegenvortrag hält. Weder trägt die Beklagte ausreichend substantiiert eine der Klägerin vorwerfbare Pflichtverletzung noch eine durch die Klägerin schuldhaft verursachte Rechtsgutsverletzung vor. Denn es fehlt bereits jeglicher Vortrag dazu, weshalb die Eintragungen auf einer Pflichtverletzung der Klägerin beruhten.

44

Das Kassenbuch an sich stimmte, es gab keinen Fehlbestand. Zumal die Klägerin behauptet, auf Anweisung des für die Beklagte handelnden Geschäftsführers die nunmehr beanstandeten Eintragungen und Buchungen vorgenommen zu haben. Dies gilt auch für die Eintragung von von der Beklagten bezahlten Gegenständen, die sodann nicht am Unternehmenssitz der Beklagten blieben, sondern Privat für das Wohnhaus und den gemeinsamen Sohn der Klägerin und des Geschäftsführers, der zugleich Mehrheitsgesellschafter der Beklagten ist, angeschafft wurden. Insoweit hat die erste Instanz bereits zutreffend den Umstand gewertet, dass die Klägerin mit dem Geschäftsführer der Beklagten zu diesen Zeitpunkten noch verheiratet war und es sich um Ausgaben handelte, die deren gemeinsamen Sohn oder der Klägerin zu Gute kamen.

45

Der von der Beklagten angeführte Umstand, dass die Steuerprüfung diese Eintragungen und Buchungen moniert hat, da es sich insoweit um keine Betriebsausgaben der Beklagten handelt, reicht ebenso wenig, um einen Haftungstatbestand der Klägerin zu begründen. Denn die steuerrechtliche Behandlung von Ausgaben als Betriebs- oder Privatausgaben besagt noch nichts darüber, ob die Klägerin schuldhaft eine (arbeitsvertragliche) Pflichtverletzung bzw. schuldhaft eine Rechtsgutsverletzung begangen hat, was diese bestreitet und darauf verweist, die Eintragungen in Absprache und auf Anweisung des Geschäftsführers der Beklagten getätigt zu haben. Ebenso wenig ergibt sich aus den Beanstandungen der Steuerprüfung hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Betriebsausgabe, dass die Klägerin etwaige Barentnahmen an sich genommen hat, was diese gleichfalls bestreitet und darauf verweist, dass der Beklagte selbst die Rechnungen, bei denen er in Vorleistung getreten ist, in die Kasse gelegt habe und sodann das Geld entnommen habe. Dennoch fehlt jeglicher Beklagtenvortrag dazu, wie die Klägerin in Besitz dieser Rechnungen gelangt sein soll, die der Geschäftsführer der Beklagten selbst zunächst bar bezahlt hatte. Gleiches gilt für die im Kassenbuch aufgenommenen Rechnungen und Geldentnahmen für Zigaretten, von denen die Beklagte in zweiter Instanz nunmehr behauptet, dass diese dem Eigenverbrauch gedient haben. Die Klägerin bestreitet zu rauchen und verweist darauf, dass allein der Geschäftsführer Raucher sei. Auch hierzu macht die Beklagte keinerlei weitere Angaben. Eine Vernehmung der als Zeugin angebotenen Steuerberaterin der Beklagten erübrigte sich daher, da die Erhebung dieses Beweises mangels ausreichenden Vortags lediglich auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinausgelaufen wäre.

46

b) Darüber hinaus scheitert die erklärte Aufrechnung letztlich auch an der fehlenden Gleichartigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen. Nach § 387 BGB ist Voraussetzung der Aufrechnung, dass die zur Aufrechnung gestellten Forderungen gleichartig sind. Daran fehlt es hingegen, wenn gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers mit sonstigen Nettoforderungen aufgerechnet werden soll, es sei denn, die Höhe der Abzüge ist bekannt. Andernfalls wäre nicht klar, in welcher Höhe das Gericht über die Gegenforderung entschieden hat. Der Umfang der Rechtskraft darf indes nicht unklar bleiben, § 322 Abs. 2 ZPO (BAG 22.03.2000 – 4 AZR 120/99). Das Gericht ist angesichts des Beibringungsgrundsatzes im Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess zur Ermittlung des betreffenden Sachverhaltes nicht verpflichtet, von Amts wegen zu ermitteln, welche Vergütungsdifferenzen der Arbeitnehmer nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsabgaben zu beanspruchen hat (vgl. BAG 22.03.2000 - 4 AZR 120/99 - Rn. 13, zitiert nach juris). Die Arbeitgeberin trägt vielmehr auch die Darlegungslast dafür, dass ihre Aufrechnung gegen den gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nur nach Maßgabe des §§ 850 a bis 850 i ZPO pfändbaren Anspruchs des Arbeitnehmers auf Lohn und Überstundenvergütung das Erlöschen oder den teilweisen Untergang dieser Forderungen bewirkt hat (§ 389 BGB) (vgl. BAG 05. Dezember 2002 - 6 AZR 569/01 - Rn. 16, zitiert nach juris).

47

Ausgehend hiervon erweist sich die erklärte Aufrechnung als unzulässig. Denn die Nettobeträge, die die Klägerin aus Entgeltfortzahlung bzw. Urlaubsabgeltung zu erhalten hat, stehen weder fest noch hat die Beklagte diese vorgetragen. Gleiches gilt für den monatlichen Freibetrag und dementsprechend für die Höhe des überhaupt pfändbaren Betrages. Zumal auch unklar ist, ob der Sohn hinsichtlich der Höhe des Pfändungsfreibetrages zu berücksichtigen ist.

48

2. Die erstmals in der Berufungsinstanz erklärte Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung wegen monatlicher Lohnzahlungen an die Schwester der Klägerin in Höhe von für ein Jahr allein 4000,00 EUR konnte keine Berücksichtigung finden, weil die prozessualen Voraussetzungen nach den §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 533 ZPO nicht vorlagen.

49

Wird erstmals in der Berufungsinstanz eine Aufrechnung erklärt, ist dies nach § 533 Nr. 1 ZPO nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und gemäß § 533 Nr. 2 ZPO, die Aufrechnungserklärung auf Tatsachen gestützt wird, die das Berufungsgericht im Rahmen seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zu berücksichtigen hätte.

50

Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch insoweit nicht erfüllt. Die Klägerin hat der Aufrechnung ausdrücklich widersprochen. Ob die in zweiter Instanz erstmalig erklärte Aufrechnung zumindest sachdienlich ist, kann dahinstehen, da sie in keinem Fall den Anforderungen des § 533 Nr. 2 ZPO genügt. Auch im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren ist danach eine Aufrechnung nur dann noch zulässig, wenn es sich um denselben Streitstoff handelt mit dem sich das Berufungsgericht auch ohne die Aufrechnungserklärung hätte befassen müssen. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Denn das Berufungsgericht müsste sich mit einem völlig neuen Sachverhalt auseinandersetzen, da die Fragen der Sozialversicherungsanmeldung und der angeblichen Nichterbringung einer Arbeitsleistung durch die Schwester nichts mit dem bisherigen Streitgegenstand hinsichtlich angeblich pflichtwidriger Eintragungen der Klägerin in das Kassenbuch der Beklagten zu tun haben. Im Übrigen erscheint aber auch die Prozessführungsberechtigung der Beklagten zur Geltendmachung einer hieraus etwaige folgenden Schadensersatzforderung sehr fraglich, da ausweislich der von der Beklagten selbst eingereichten Anmeldung zur Sozialversicherung die Schwester der Klägerin nicht bei der Beklagten sondern bei der Einzelhandelsfirma des Geschäftsführers der Beklagten gemeldet war.

51

Schließlich scheitert auch diese Aufrechnung jenseits der Bestimmung des § 533 ZPO gleichfalls an der fehlenden Gleichartigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen da auch hier wieder mit einer Nettoforderung gegen die Bruttolohnforderung der Klägerin aufgerechnet werden soll.

52

3. Auch der Hilfswiderklageantrag zu 2. auf Zahlung von Schadensersatzforderung in Höhe von 1.683,51 EUR wegen Vereinnahmung von Kassenbeständen bzw. Bezahlung von privaten Gegenständen aus der Kasse der Beklagten war aus den bereits unter II. 1. a) dargestellten Gründen mangels ausreichender Darlegung der Tatbestandsvoraussetzungen der angeblichen Schadensersatzansprüche ebenfalls abzuweisen.

III.

53

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG besteht ebenfalls nicht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB503/14
vom
1. April 2015
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In Ehe- und Familienstreitsachen darf ein Rechtsmittel nicht wegen Unbestimmtheit
eines Teils des Beschwerdeangriffs insgesamt als unzulässig
angesehen werden, wenn der Begründungsschrift eindeutig zu entnehmen
ist, dass der Rechtsmittelführer seinen prozessualen Anspruch jedenfalls in einer
bestimmten Höhe weiterverfolgen will (im Anschluss an Senatsbeschluss
vom 1. April 1987 - IVb ZB 86/86 - juris und BGH Urteil vom 1. Juli 1975
- VI ZR 251/74 - NJW 1975, 2013).
BGH, Beschluss vom 1. April 2015 - XII ZB 503/14 - OLG Karlsruhe
AG Wiesloch
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. April 2015 durch den Vorsitzenden
Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger
und Guhling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 2. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. August 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 9.291 €

Gründe:

I.

1
Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner, ihren Ehemann, auf Getrenntlebens - und Kindesunterhalt in Anspruch.
2
Die seit Juli 2005 verheirateten Beteiligten leben seit Februar 2012 voneinander getrennt. Der im April 2008 geborene gemeinsame Sohn lebt bei der Antragstellerin. Auf deren Antrag hat das Amtsgericht den Antragsgegner verpflichtet , monatlichen Trennungsunterhalt für Oktober 2012 bis einschließlich Februar 2013 in Höhe von 591,60 € und ab März 2013 in Höhe von 791,60 € sowie für den gemeinsamen Sohn ab Oktober 2012 nach der jeweiligen Altersstufe Unterhalt von 128 % des Kindesmindestunterhalts der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle (abzüglich hälftigem Kindergeld) zu bezahlen, und diese Zahlungsverpflichtungen für sofort wirksam erklärt.
3
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt und diese mit gesondertem Schriftsatz, der keinen ausformulierten Beschwerdeantrag enthält, begründet. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
5
1. Sie ist gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), das den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2013 - XII ZB 167/11 - FamRZ 2013, 1117 Rn. 4 mwN).
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
7
a) Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Beschwerde sei unzulässig , weil die Beschwerdebegründung keinen Beschwerdeantrag enthalte. Dem Schriftsatz ließen sich weder Umfang noch Ziel der Beschwerde hinreichend bestimmt entnehmen. Die Beschwerdeeinlegung sei unbeschränkt er- folgt, so dass sich die Beschwerde zunächst auch gegen die Entscheidung zum Kindesunterhalt gerichtet habe. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe insoweit eine Anfechtung erfolgen solle, lasse die Beschwerdebegründung nicht eindeutig erkennen. Zwar sei im Betreff "Beschwerdeverfahren-Trennungsunterhalt" angegeben und auf den Kindesunterhalt sei mit keinem Wort eingegangen , was dafür sprechen könne, dass der Antragsgegner die hierzu ergangene Entscheidung akzeptiere, zumal er - wenn auch unter dem Zwang drohender Zwangsvollstreckung - in der Vergangenheit sogar einen höheren Kindesunterhalt gezahlt habe. Andererseits behaupte er aber ein Nettoeinkommen, das die als Kindesunterhalt zugesprochenen Beträge nicht rechtfertige. Zudem gehe er im Rahmen der Berechnung des Trennungsunterhalts nicht von der vom Amtsgericht zuerkannten Höhe des Kindesunterhalts aus.
8
Aus den innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist eingegangenen Schriftsätzen sei auch nicht eindeutig erkennbar, in welchem Umfang die Entscheidung über den Trennungsunterhalt angefochten werden solle. Der Antragsgegner trage vor, der Anspruch sei nach Höhe und zeitlicher Bemessung unrichtig festgesetzt. Der Beschwerdebegründung lasse sich entnehmen, dass der Antragstellerin für Oktober 2012 bis Februar 2013 monatlich 8,46 € zustünden - wobei dieser Betrag nicht nachvollziehbar sei, weil die entsprechende Berechnung einen Anspruch von 0 € ergebe - und ab März 2013 monatlich 62,66 €. Der Antragsgegner berufe sich aber auch auf Verwirkung und darauf, dass das Amtsgericht sich mit dem Gesichtspunkt der zeitlichen Begrenzung des Trennungsunterhalts nicht auseinandergesetzt habe, wobei Letzteres nach seiner Meinung dazu zu führen habe, dass die Trennungsunterhaltszahlungen spätestens ab März 2014 einzustellen seien. Ob es sich dabei um einen Hauptoder einen Hilfsantrag handele, sei nicht erkennbar, was auch daran deutlich werde, dass der Antragsgegner in einem Schriftsatz nach Ablauf der Be- schwerdebegründungsfrist einen Antrag formuliert habe, der keine zeitliche Begrenzung enthalte.
9
b) Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
aa) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts , wonach der Beschwerdeführer gemäß § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Ehesachen und Familienstreitsachen zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen hat. Er muss demnach in der Beschwerdebegründung darlegen, in welchem Umfang er die erstinstanzliche Entscheidung angreifen will und wie er den Angriff begründet. Da § 117 FamFG keine speziellen Regelungen zum Inhalt der Beschwerdebegründung enthält, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen, ob ein Beschwerdeantrag hinreichend bestimmt und ausreichend begründet ist. Deshalb können für den notwendigen Inhalt der Beschwerdebegründung im Wesentlichen die Anforderungen herangezogen werden, die für eine Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO gelten, auch wenn § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG nicht auf § 520 Abs. 3 ZPO verweist (Senatsbeschlüsse vom 25. Juni 2014 - XII ZB 134/13 - FamRZ 2014, 1443 Rn. 15 und vom 23. Mai 2012 - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 13 mwN).
11
Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung beinhalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert der Zweck des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO nicht zwingend einen förmlichen Sachantrag. Durch die Vorschrift soll der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen. Daher reicht es aus, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergeben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll (Senatsbeschlüsse vom 19. November 2014 - XII ZB 522/14 - FamRZ 2015, 247 Rn. 10; vom 25. Juni 2014 - XII ZB 134/13 - FamRZ 2014, 1443 Rn. 16 und vom 23. Mai 2012 - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 14 mwN).
12
Danach sind die Anforderungen, die § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG an einen bestimmten Sachantrag stellt, erfüllt, wenn die Beschwerdebegründung erkennen lässt, in welcher Weise der angegriffene Beschluss abgeändert werden soll. Eine Schlüssigkeit der gegebenen Begründung ist nicht erforderlich (Senatsbeschlüsse vom 25. Juni 2014 - XII ZB 134/13 - FamRZ 2014, 1443 Rn. 17 und vom 23. Mai 2012 - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 15 mwN).
13
bb) Gemessen hieran genügt die Beschwerdebegründungsschrift des Antragsgegners den formalen Anforderungen des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG an einen Beschwerdeantrag. Dem Schriftsatz lassen sich Umfang und Ziel der Beschwerde noch hinreichend bestimmt entnehmen.
14
(1) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist der Beschwerdebegründungsschrift eindeutig zu entnehmen, dass der Antragsgegner sich nicht gegen die vom Amtsgericht ausgesprochene Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt wendet. Dies belegt der vom Beschwerdegericht gesehene Betreff ("wegen Beschwerdeverfahren-Trennungsunterhalt") ebenso wie der Umstand, dass der 17-seitige Schriftsatz an keiner Stelle auf den Kindesunterhalt eingeht. Es wird aber auch daraus deutlich, dass der Antragsgegner in seine Berechnungen zum Getrenntlebensunterhalt einen monatlichen Kindesun- terhalt von 350 € und damit eben den - über dem titulierten Unterhalt liegenden - Betrag eingestellt hat, den er unstreitig stets bezahlt hat und den auch das Amtsgericht bei der Berechnung des Getrenntlebensunterhaltsanspruchs der Antragstellerin berücksichtigt hat. Zweifel daran, dass dieser Teil der amtsgerichtlichen Entscheidung vom Antragsgegner mit der Beschwerde nicht angegriffen werden soll, verbleiben mithin nicht.
15
(2) Aber auch hinsichtlich des Getrenntlebensunterhalts lässt die Beschwerdebegründung in für § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG ausreichender Weise erkennen, in welchem Umfang der angegriffene Beschluss abgeändert werden soll.
16
(a) Das Beschwerdegericht vertritt allerdings zutreffend die Ansicht, aus dem Schriftsatz ergebe sich nicht, ob der Antragsgegner sich nur gegen die Höhe des zugesprochenen Unterhalts wende, also den Beschluss lediglich wegen der 8,46 € bzw. 62,66 € übersteigenden Monatsbeträge angreife, oder aber hinsichtlich des Getrenntlebensunterhalts wie in erster Instanz eine vollständige Antragsabweisung begehre. Der Einwand der Rechtsbeschwerde, aus der im Fließtext enthaltenen Formulierung "zuzuerkennen sind" im Zusammenspiel mit dem konkret genannten Enddatum (28. Februar 2014) gehe das Rechtsschutzziel eindeutig hervor, geht fehl. Abgesehen davon, dass offen bleibt, ob eine Befristung nur hilfsweise geltend gemacht sein soll, enthält die Beschwerdebegründung auch Ausführungen zur Verwirkung. Diese finden sich zwar - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht anmerkt - unter "Verfahrensverlauf", schließen aber mit der Ankündigung, es werde hierzu noch in einem gesonderten Schriftsatz weiter ausgeführt. Dies lässt den Schluss als möglich erscheinen, dass der Einwand im Beschwerdeverfahren verfolgt werden soll.
17
(b) Diese Unklarheit führt jedoch nicht dazu, dass die Beschwerde mangels Antrags unzulässig ist.
18
(aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsmittel nicht wegen Unbestimmtheit eines Teils des Beschwerdeangriffs insgesamt als unzulässig angesehen werden, wenn der Begründungsschrift eindeutig zu entnehmen ist, dass der Rechtsmittelführer seinen prozessualen Anspruch jedenfalls in einer bestimmten Höhe weiterverfolgen will. Darauf können sich Gericht und Gegner einstellen. Dem Schutzbedürfnis vor Unklarheit über den Umfang des Rechtsmittels, dem die Vorschrift des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG dient, ist für diesen Teil des Beschwerdeangriffs Genüge getan (vgl. Senatsbeschluss vom 1. April 1987 - IVb ZB 86/86 - juris Rn. 13 und BGH Urteil vom 1. Juli 1975 - VI ZR 251/74 - NJW 1975, 2013, 2014).
19
Die Vorschrift des § 537 Abs. 1 ZPO, nach der ein erstinstanzliches Urteil durch das Berufungsgericht auf Antrag für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist, soweit es durch die Berufungsanträge nicht angegriffen wird, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Zwar könnte sie ein schutzwürdiges Interesse des Berufungsbeklagten daran begründen, aus den in der Berufungsbegründungsfrist eingehenden Schriftsätzen des Rechtsmittelklägers eine eindeutige Kenntnis nicht nur von einem Mindestumfang, sondern vom gesamten Ausmaß des Berufungsangriffs zu erhalten. Die Bestimmung ist aber in Ehe- und Familienstreitsachen nicht anwendbar (§ 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG) und hat dort auch keine Entsprechung.
20
Im Übrigen steht es einem Rechtsmittelführer - in Ehesachen mit der Einschränkung des § 145 Abs. 1 Satz 1 FamFG - frei, auch nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist den Beschwerdeantrag zu erweitern, soweit sich die Erweiterung auf bereits in der Rechtsmittelbegründungsschrift enthalte- ne Gründe stützt (vgl. Senatsurteil vom 12. November 1997 - XII ZR 39/97 - NJW-RR 1998, 572 und BGH Beschluss vom 27. März 2012 - VI ZB 74/11 - NJW-RR 2012, 662 Rn. 8). Selbst ein ausdrücklich eingeschränkter Beschwerdeantrag in der Beschwerdebegründung vermittelt daher für sich genommen dem Beschwerdegegner keine Gewissheit, dass der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel nicht auch auf die ursprünglich nicht angegriffenen Teile der erstinstanzlichen Entscheidung erweitert.
21
(bb) Nach diesen Maßstäben scheitert die Zulässigkeit der Beschwerde nicht daran, dass das Rechtsschutzziel unbestimmt wäre. Der Beschwerdebegründung kann eindeutig entnommen werden, dass der Antragsgegner die amtsgerichtliche Entscheidung zum Getrenntlebensunterhalt jedenfalls insoweit angreifen will, als er zur Zahlung von 8,46 € bzw. 62,66 € übersteigenden Mo- natsbeträgen verpflichtet worden ist. Die vom Beschwerdegericht - zu Recht - benannten Unklarheiten beziehen sich lediglich auf die Frage, ob der Antragsgegner darüber hinaus auch wegen Befristung und/oder Verwirkung für bestimmte Zeitabschnitte oder auch insgesamt eine vollständige Antragsabweisung begehrt. Diese Unklarheiten sind für die Frage der Zulässigkeit jedoch nicht maßgeblich.
Dose Schilling Günter Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Wiesloch, Entscheidung vom 30.05.2014 - 2 F 143/12 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 27.08.2014 - 2 UF 140/14 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 36/09
vom
24. März 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Für insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen gegen Sozialversicherungsträger ist der
Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.
BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - IX ZB 36/09 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann und die Richter
Dr. Fischer und Dr. Pape
am 24. März 2011

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Januar 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 6.508,23 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Kläger ist Verwalter in dem am 21. April 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Er begehrt von der Beklagten, einer gesetzlichen Krankenkasse, im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO Rückzahlung von 19.524,68 €, die der Schuldner auf erhebliche Beitragsrückstände bei der Beklagten im Zeitraum vom 15. April 1999 bis 15. Dezember 2001 geleistet hat, sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.561,28 €, jeweils zuzüglich Zinsen.
2
Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten gerügt. Das Landgericht hat durch Beschluss den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für zulässig erklärt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, den Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit festzustellen.

II.


3
Rechtsbeschwerde Die ist statthaft (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Der Bundesgerichtshof ist an die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberlandesgericht gebunden (§ 17a Abs. 4 Satz 6 GVG). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO).
4
Das Rechtsmittel ist jedoch in der Sache unbegründet. Gemäß § 13 GVG ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben. Eine öffentlichrechtliche Streitigkeit nach § 51 SGG liegt nicht vor.
5
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört der Anfechtungsrechtsstreit als bürgerlich-rechtlicher Rechtsstreit gemäß § 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte. Für die Bestimmung des Rechtswegs ist die Natur des Rechtsverhältnisses entscheidend, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 29. Oktober 1987 - GmS - OGB 1/86, BGHZ 102, 280, 283). Ob der Insolvenzverwalter bestimmte Rechtshandlungen anfechten und daraus einen Rückgewähranspruch herleiten kann, ist nach den Rechtssätzen der Insolvenzordnung zu entscheiden. Dieser Rückgewähranspruch ist generell ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch, der die materiellen Ordnungsvorstellungen des Insolvenzrechts gegenüber sämtlichen Gläubigern nach Maßgabe der §§ 129 ff InsO durchsetzt. Er verdrängt grundsätzlich die außerhalb der Insolvenz geltenden allgemeinen Regelungen etwa im Sozialversicherungs-, Steuer- oder Abgabenrecht. Es handelt sich mithin nach der Rechtsnatur der zu beurteilenden Verhältnisse um einen Rechtsstreit im Sinne des § 13 GVG (BGH, Urteil vom 7. Mai 1991 - IX ZR 30/90, BGHZ 114, 315, 320 f; vom 21. September 2006 - IX ZR 89/05, ZIP 2006, 2234 Rn. 10; Beschluss vom 2. Juni 2005 - IX ZB 235/04, ZIP 2005, 1334, 1335; vom 2. April 2009 - IX ZB 182/08, ZIP 2009, 825 Rn. 10).
6
Der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch ist von Ansprüchen aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis wesensverschieden und folgt eigenen Regeln. Er verdrängt in seinem Anwendungsbereich die allgemeineren Regeln der zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse und eröffnet dem Insolvenzverwalter eine Rückforderungsmöglichkeit, die nach dem außerhalb der Insolvenz geltenden Rechte dem Verfügenden selbst verwehrt ist. Bei dem Rückgewähranspruch handelt es sich um einen originären gesetzlichen Anspruch, der mit Insolvenzeröffnung entsteht und der dem Insolvenzverwalter vorbehalten ist, mit dessen Amt er untrennbar verbunden ist. Der Insolvenzverwalter handelt materiell-rechtlich wie prozessual im eigenen Namen und aus eigenem Recht, jedoch mit Wirkung für und gegen die Masse; er wird dabei in Erfüllung der ihm durch die Insolvenzordnung auferlegten gesetzlichen Verpflichtungen tätig (BGH, Beschluss vom 2. April 2009 - IX ZB 182/08, aaO Rn. 13 mwN).
7
2. Soweit die Sozialgerichte sich bislang mit dieser Frage zu befassen hatten, haben sie den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für gegeben erachtet (LSG Rheinland-Pfalz, ZInsO 2003, 195). Derselben Meinung ist die sozialgerichtliche Literatur (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl. § 51 Rn. 39 Stichwort Insolvenz). Die Rechtsbeschwerde zeigt keine abweichende Entscheidung der Sozialgerichte oder abweichende Auffassungen in der Literatur auf.
8
3. Demzufolge werden in ständiger, bislang nicht in Frage gestellter Praxis die Insolvenzanfechtungsklagen der Insolvenzverwalter und Treuhänder gegen Sozialversicherungsträger von den ordentlichen Gerichten entschieden.
9
4. An dieser Beurteilung etwas zu ändern gibt die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010 keinen Anlass. Dieser hat für insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen gegen Arbeitnehmer auf Rückzahlung von Lohn die Arbeitsgerichte für zuständig erachtet (Beschluss vom 27. September 2010 - GmS - OGB 1/09, ZIP 2010, 2418, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ). Hieraus ergibt sich nichts für einen Rechtsweg zu den Sozialgerichten bei Anfechtungsklagen gegen Sozialversicherungsträger.
10
a) Der Gemeinsame Senat hat insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen gegen Arbeitnehmer als bürgerlich-rechtliche Rechtsstreitigkeit angesehen und auf die bisherige Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats zur Abgrenzung öffentlich- und bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten Bezug genommen (Beschluss vom 27. September 2010 aaO Rn. 6). Danach richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, die Frage, ob eine Streitigkeit öffentlich oder bürgerlich-rechtlich ist, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (Gemeinsamer Senat, Beschluss vom 10. April 1986 - GmS - OGB 1/85, BGHZ 97, 312, 313 f; vom 29. Oktober 1987 - GmS - OGB 1/86, BGHZ 102, 280, 283). Es kommt darauf an, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem ho- heitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich die Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen, ihnen zugeordneten Rechtssätze des ordentlichen Rechts bedienen, oder ob sie den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt sind (Gemeinsamer Senat, Beschluss vom 10. April 1986 aaO; vom 29. Oktober 1987 aaO).
11
Für die Annahme einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit ist zwar noch nicht ausreichend, dass sich der Kläger auf eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage beruft. Maßgebend ist, dass der Parteivortrag - seine Richtigkeit unterstellt - Rechtsbeziehungen oder Rechtsfolgen ergibt, für welche die Zuständigkeit der Zivilgerichte besteht (Gemeinsamer Senat, Beschluss vom 10. April 1986 aaO S. 284).
12
Die Rechtsfolge, die sich aus der insolvenzrechtlichen Anfechtung ergibt, ist gemäß § 143 Abs. 1 InsO der Rückgewähranspruch. Dabei handelt es sich - wie ausgeführt - um einen originären gesetzlichen Anspruch des Insolvenzverwalters. Die Rückgewährpflicht hat ihre Grundlage nicht im Sozialversicherungsrecht , sondern allein im Insolvenzrecht. Die Insolvenzordnung eröffnet mit der Insolvenzanfechtung eine Rückforderungsmöglichkeit, die dem Schuldner selbst gerade verwehrt ist und die der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dient. Die zugrunde liegende Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner wird dadurch nicht umgestaltet. Die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind vielmehr an Verwaltungsakte, auch diejenigen der Sozialversicherungsträger, in den Grenzen ihrer Bestandskraft gebunden. Sie haben diese, selbst wenn sie fehlerhaft sind, zu beachten, solange sie nicht durch die zuständigen Behörden oder durch die zuständigen Gerichte aufgehoben worden sind. Sie haben sie folglich ihrer Entscheidungsfindung auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts zugrunde zu legen, ohne deren Rechtmäßigkeit zu prüfen (BGH, Urteil vom 21. September 2006 - IX ZR 89/05, ZIP 2006, 2234 Rn. 14 mwN). Deshalb kommt die insolvenzrechtliche Anfechtung von Verwaltungsakten (und Gerichtsurteilen), auch wenn sie von Insolvenzgläubigern erlassen wurden, nicht in Betracht.
13
Das Insolvenzverfahren schafft jedoch zwischen den Verfahrensbeteiligten , insbesondere dem Schuldner, den Gläubigern und den Aus- und Absonderungsberechtigten , Rechtsbeziehungen, die bürgerlich-rechtlicher Natur sind. In der Gesamtvollstreckung gibt es keine Privilegierung von Hoheitsträgern; Gläubiger , die gegenüber dem Schuldner ihre Zahlungsansprüche in einem Über-/ Unterordnungsverhältnis durch öffentlich-rechtliche Leistungsbescheide selbst titulieren und außerhalb des Insolvenzverfahrens selbst vollstrecken können, verlieren im Insolvenzverfahren diese Befugnis (§ 89 InsO; Jaeger/Eckardt, InsO § 89 Rn. 13). Sie sind im laufenden Insolvenzverfahren den anderen Gläubigern gleichgestellt. Maßgebend für die Insolvenzfestigkeit der erfolgten Befriedigung von Insolvenzgläubigern ist allein die Insolvenzordnung.
14
b) Nur für das Verhältnis zwischen den ordentlichen Gerichten und der Arbeitsgerichtsbarkeit hat der Gemeinsame Senat im Beschluss vom 27. September 2010 den anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch nicht als rechtswegbestimmend und die Rechtsnatur des Anfechtungsrechts für belanglos angesehen. Insoweit handele es sich um einen Streit aus einem Arbeitsverhältnis. Dies wird mit arbeitsrechtlichen Überlegungen, der schnelleren und kostengünstigeren Abwicklung der Verfahren in der Arbeitsgerichtsbarkeit, der Nutzung der Kenntnisse von im Arbeitsleben (nicht im Insolvenzrecht) erfahrenen Personen und mit dem geringeren Kostenrisiko vor den Arbeitsgerichten begründet. Auch dem Umstand, dass sich die Parteien kostenlos von volljährigen Familienangehörigen oder Gewerkschaftern (von letzteren in allen In- stanzen) vertreten lassen können, wird Bedeutung beigemessen. Zudem wird auf die Möglichkeit des § 11a Arbeitsgerichtsgesetz Bezug genommen, wonach einem beklagten Arbeitnehmer auch dann ein Rechtsanwalt beigeordnet werden kann, wenn seine Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg hat (Gemeinsamer Senat, aaO Rn. 10 ff). Diese Schutzbestimmungen des Arbeitsgerichtsgesetzes zugunsten der Arbeitnehmer sollen vollen Umfangs auch für Insolvenzanfechtungsklagen gegen Arbeitnehmer aufrechterhalten werden (Gemeinsamer Senat aaO Rn. 13).
15
c) Diese Argumente sind auf die Sozialgerichtsbarkeit - aber auch auf die anderen Gerichtsbarkeiten, die über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten zu entscheiden haben - nicht übertragbar. Den Sozialversicherungsträgern ist durch die Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes gegenüber den Beitragspflichtigen kein besonderer verfahrensrechtlicher Schutz eingeräumt, den es gegenüber dem Insolvenzverwalter, der im Interesse der Gläubigergleichbehandlung Anfechtungsansprüche geltend zu machen hat, zu erhalten gilt.
16
5. Soweit der Kläger die außergerichtlich angefallene Vergütung seines Rechtsanwalts als Verzugsschaden geltend macht, wird von der Rechtsbe- schwerde nichts gegen die Annahme eingewandt, dass es sich hierbei um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handelt.
Kayser Vill Lohmann
Fischer Pape

Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.11.2008 - 16 O 63/08 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.01.2009 - I-12 W 76/08 -

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 29. April 2014 - 9 Sa 833/13 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zu 2. der Klägerin zum Schadensersatz sowie aus § 433 Abs. 2 BGB zur Zahlung verpflichtet ist.

2

Der Beklagte zu 2. war bei der T GmbH (im Folgenden T), die elektrotechnische Geräte vertrieb, als Kundenbetreuer (Account Manager) im Vertrieb tätig. Das Arbeitsverhältnis des Beklagten zu 2. mit der T endete durch arbeitgeberseitige fristlose Kündigung vom 26. Februar 2008. Die T wurde zum 1. April 2009 auf die Klägerin verschmolzen.

3

Der Vertrieb elektrotechnischer Artikel wurde bei der T mit verschiedenen Programmen, ua. mit dem sog. TSAM CRM-Programm und dem EDV-Programm „SeCe-IT“ abgewickelt. Das TSAM CRM-Programm erfasste Kundendaten sowie die beabsichtigten und die getätigten Geschäfte; das EDV-Programm „SeCe-IT“ listete Preise auf sowie mögliche Rabatte, die die Vertriebsmitarbeiter den Kunden gewähren konnten. Soweit diese Rabatte nicht ausreichten, konnte durch den jeweiligen Vertriebsmitarbeiter über das Programm eine höhere Rabattierung (sog. Preiseskalation) initiiert werden. Eine Abgabe der Ware erfolgte grundsätzlich nur an Kunden der T, die keine Wiederverkäufer waren.

4

Der Beklagte zu 2. legte in den EDV-Systemen der T zwei Kunden namens „S I“ bzw. „I“ sowie „K“ an. Inhaber dieser Kunden waren die Ehefrau des Beklagten zu 2. bzw. deren Eltern. Ab Mitte 2006 wurden vom Beklagten zu 2. wenigstens 240 Bestellungen elektrotechnischer Artikel für die vorgenannten Kunden sowie weitere Kunden, namentlich die „S GmbH“, die „Sc AG“ und die „Si GmbH“ ausgelöst und abgewickelt. Teilweise wurden die Bestellungen auf die Kundennummer einer „D AG“, einer „e GmbH & Co. KG“ oder einer „R“ gebucht; es wurden auch abweichende Rechnungs- und Lieferanschriften angegeben. Zum Teil handelte es sich bei den veräußerten Gegenständen um Restposten.

5

Mit ihrer zunächst gegen drei Beklagte als Gesamtschuldner - den Beklagten zu 2. und zwei seiner Vorgesetzten, ua. den Beklagten zu 1. - gerichteten, dem Beklagten zu 2. am 2. September 2008 zugestellten Klage und der diesem am 29. Januar 2010 zugestellten Klageerweiterung hat die Klägerin Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit den oa. 240 Geschäftsvorgängen geltend gemacht. Sie hat behauptet, der Beklagte zu 2. habe diese Verkaufsgeschäfte mit unzulässigen Preisabsprachen bzw. unzulässigen Rabatten getätigt. Er habe veranlasst, dass den Kunden weit unter dem Einkaufs- bzw. Einstandspreis liegende Preise in Rechnung gestellt wurden, ohne dass die erforderlichen Preiseskalationen durchgeführt wurden; zum Teil sei eine Rechnungsstellung vollständig unterblieben. Um Misstrauen erst gar nicht aufkommen zu lassen, seien Bestellungen zudem mittels des Textverarbeitungsprogramms „Word“ abgeändert worden. Die Waren seien von den „Kunden“ an Dritte weiterverkauft worden, die diese Waren ansonsten zu regulären Preisen bei der T bezogen hätten. Infolge des Fehlverhaltens des Beklagten zu 2. sei ihr in den Jahren 2006 und 2007 ein Schaden iHv. insgesamt 5.360.450,21 Euro entstanden. Diesen habe der Beklagte zu 2. ihr nach § 280 bzw. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 bzw. § 263 StGB zu ersetzen. Einen Teilbetrag der Gesamtforderung schulde der Beklagte zu 2. ihr zudem nach § 433 Abs. 2 BGB. Dieser Anspruch betreffe neun mit der „I“ geschlossene Verträge.

6

Die Klägerin hat in erster Instanz ua. beantragt,

        

1.    

den Beklagten zu 1. und den Beklagten zu 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin wegen vorsätzlich begangener Handlungen 5.360.450,21 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung entsprochen. Das Urteil wurde der Klägerin am 16. September 2013 zugestellt. Die Klägerin hat gegen dieses Urteil teilweise, nämlich insoweit Berufung eingelegt, als ihre Klage gegen den Beklagten zu 2. abgewiesen wurde. Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21. November 2013 den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 18. November 2013, der ausweislich des Eingangsstempels des Nachtbriefkastens am 19. November 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, mit der Begründung zurückgewiesen, der Antrag sei erst nach Ablauf der bis zum 18. November 2013 laufenden Frist zur Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsätzen vom 23. Dezember 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet. In der Berufungsbegründungsschrift hat sie ihre Klageforderung auf 500.000,00 Euro beschränkt und ausgeführt, dass diese Beschränkung nur im Hinblick darauf erfolge, dass die Realisierbarkeit der Gesamtforderung bei dem Beklagten zu 2. sehr zweifelhaft sei; sie behalte sich allerdings vor, die Berufung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zu erweitern.

8

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

den Beklagten zu 2. zu verurteilen, an sie wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen 500.000,00 Euro aus den in der Berufungsbegründung vom 23. Dezember 2013 im Einzelnen dargestellten Vorgängen (S. 6 bis 27) in der Abfolge ihrer Darstellung, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Der Beklagte zu 2. hat Klageabweisung beantragt.

10

Das Landesarbeitsgericht, das über den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin nicht entschieden hat, hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. In der Sache verfolgt sie ihr Klagebegehren aus der Berufung weiter. Der Beklagte zu 2. beantragt die Verwerfung bzw. Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung der Klägerin nicht als unzulässig verworfen werden. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO). Der Senat kann allerdings nicht selbst feststellen, ob die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen war. Er kann nicht selbst über den vom Landesarbeitsgericht nicht beschiedenen Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Frist zur Begründung der Berufung entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Zurückverweisung ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat zugunsten der Klägerin die Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Berufung unterstellen dürfte. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann vom Senat nicht entschieden werden, ob die zulässige Klage unbegründet ist.

12

A. Die Revision ist zulässig.

13

I. Die Revision der Klägerin ist statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt, § 74 Abs. 1 ArbGG, sowie frist- und ordnungsgemäß begründet, § 74 Abs. 1 ArbGG, § 551 Abs. 3 ZPO. Die Revision setzt sich insbesondere ausreichend mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander (zu dieser Anforderung vgl. etwa BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 16 mwN; 19. April 2005 - 9 AZR 184/04 - zu I 1 der Gründe mwN).

14

II. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten zu 2. ist die Revision nicht deshalb unzulässig, da der in der Revision gestellte Sachantrag den Zusatz aus dem Berufungsantrag „wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen“ nicht mehr enthält. Hierin liegt keine in der Revisionsinstanz - grundsätzlich - unzulässige Klageänderung bzw. Klageerweiterung (vgl. hierzu BAG 18. November 2014 - 1 AZR 257/13 - Rn. 46, BAGE 150, 50; 28. Mai 2013 - 3 AZR 266/11 - Rn. 17 f. mwN). Der Berufungsantrag ist in der gebotenen Auslegung dahin zu verstehen, dass dem Zusatz „wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen“ keine den Antrag einschränkende Bedeutung zukommt.

15

1. Das Revisionsgericht hat prozessuale Willenserklärungen selbstständig auszulegen. Maßgebend sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, vielmehr ist der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln. Im Zweifel sind Klageanträge so auszulegen, dass das gewollt ist, was aus Sicht der Prozesspartei nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Dabei sind die schutzwürdigen Belange des Prozessgegners zu berücksichtigen (vgl. BAG 7. Juli 2015 - 10 AZR 416/14 - Rn. 18; 2. September 2014 - 3 AZR 951/12 - Rn. 34; 15. Mai 2013 - 7 AZR 665/11 - Rn. 32, BAGE 145, 142).

16

2. Die Auslegung ergibt, dass dem im Berufungsantrag enthaltenen Zusatz „wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen“ keine diesen Antrag einschränkende Bedeutung zukommt. Die Klägerin hatte den Beklagten zu 2. nicht nur auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen, der ihr aus - nach ihrer Behauptung - vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen des Beklagten zu 2. entstanden war. Sie hatte ihren Anspruch auch auf § 280 BGB sowie teilweise auf § 433 Abs. 2 BGB gestützt. Die Aufnahme des oa. Zusatzes in den Antrag war ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die Klägerin, wie sie bereits in der Klageschrift erläutert hat, von der Möglichkeit nach § 850f Abs. 2 ZPO, wonach das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c ZPO vorgesehenen Beschränkungen bestimmen kann, Gebrauch machen wollte und vor diesem Hintergrund eine Feststellung des Schuldgrundes im Titel anstrebte. Eine Beschränkung des Gerichts auf die Prüfung bestimmter Anspruchsgrundlagen oder aber eines bestimmten Lebenssachverhalts unter Ausschluss eines anderen Lebenssachverhalts war mit dem Zusatz demnach nicht bezweckt. Damit hat der Streitgegenstand in der Revisionsinstanz keine Änderung erfahren (vgl. hierzu etwa BAG 28. Mai 2013 - 3 AZR 266/11 - Rn. 18).

17

B. Die Revision ist auch begründet.

18

I. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung der Klägerin nicht als unzulässig verworfen werden.

19

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Berufung sei unzulässig, da die Klägerin keine Berufungsbegründung mit einem hinreichend bestimmten Berufungsantrag (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO) eingereicht habe. Die Klägerin habe das Urteil des Arbeitsgerichts, mit dem ihre auf Zahlung von 5.360.450,21 Euro gerichtete Klage abgewiesen wurde, nur im Umfang von 500.000,00 Euro angefochten. Dem Berufungsantrag sei jedoch weder nach seinem Wortlaut noch durch Auslegung zu entnehmen, ob die Klägerin Ansprüche aus allen erstinstanzlich angeführten 240 Geschäftsvorfällen, oder nur aus den in der Berufungsbegründung konkret aufgelisteten „41“ Geschäftsvorfällen und aus welchen von diesen weiterverfolgt, oder ob sie das Urteil nur hinsichtlich der Ansprüche aus einzelnen Vorfällen zur Überprüfung stellt, und wenn ja, hinsichtlich welcher Vorfälle. Die Klägerin habe erst in der mündlichen Verhandlung ihren Antrag dahin konkretisiert, dass sie die Zahlung von 500.000,00 Euro aus den in der Berufungsbegründung dargestellten Vorgängen in der Abfolge ihrer Darstellung geltend macht. Diese Konkretisierung hätte die Klägerin allerdings bereits in der Berufungsbegründung vornehmen müssen, andernfalls ließen sich Umfang und Ziel ihres Rechtsmittels nicht erkennen.

20

2. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

21

a) Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge). Durch diese Bestimmung soll der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen (vgl. etwa BGH 10. Juni 2015 - XII ZB 611/14 - Rn. 10 mwN; 19. November 2014 - XII ZB 522/14 - Rn. 10; 22. März 2006 - VIII ZR 212/04 - Rn. 8 mwN).

22

Lassen sich Umfang und Ziel des Rechtsmittels durch Auslegung der innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig bestimmen, kann selbst das völlige Fehlen eines förmlichen Berufungsantrags unschädlich sein (vgl. ua. BAG 20. Juni 1989 - 3 AZR 504/87 - zu I 3 der Gründe; BGH 10. Juni 2015 - XII ZB 611/14 - Rn. 10 mwN). Ferner ist zu berücksichtigen, dass die in der Berufungsbegründung angekündigten Anträge nur vorläufigen Charakter haben und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Rahmen der fristgerecht vorgetragenen Anfechtungsgründe noch geändert werden können (vgl. ua. BGH 6. Juli 2005 - XII ZR 293/02 - zu I 2 a der Gründe mwN, BGHZ 163, 324; 27. März 1985 - IVb ZB 20/85 - zu II der Gründe). Der Berufungskläger kann das Rechtsmittel sogar nach Ablauf der Begründungsfrist bis zum Schluss der Berufungsverhandlung erweitern, soweit die fristgerecht vorgetragenen Berufungsgründe die Antragserweiterung decken (vgl. BAG 20. Juli 2004 - 9 AZR 570/03 - zu A I 1 der Gründe; vgl. auch BGH 28. September 2000 - IX ZR 6/99 - zu I 1 der Gründe mwN, BGHZ 145, 256; 30. April 1996 - VI ZR 55/95 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 132, 341; 6. November 1986 - IX ZR 8/86 - zu 4 a bb der Gründe; 16. September 1985 - II ZR 47/85 - zu 2 der Gründe; 24. Oktober 1984 - VIII ZR 140/83 - zu I der Gründe; 8. Oktober 1982 - V ZB 9/82 - zu II 2 der Gründe).

23

Wird unbeschränkt Berufung eingelegt, so erstreckt sich die dadurch eintretende Hemmung der Rechtskraft (§ 705 Satz 2 ZPO) grundsätzlich auch dann auf das gesamte Urteil, wenn die Berufungsbegründung einen beschränkten Antrag enthält. Allein aus dem Umstand, dass der Berufungsantrag hinter der Beschwer zurückbleibt, lässt sich kein teilweiser Rechtsmittelverzicht oder eine Rechtsmittelbegrenzung entnehmen (vgl. ua. BAG 20. Juli 2004 - 9 AZR 570/03 - zu A I 1 der Gründe; BGH 28. September 2000 - IX ZR 6/99 - zu I 1 der Gründe mwN, BGHZ 145, 256; 27. März 1985 - IVb ZB 20/85 - zu II der Gründe; 24. Oktober 1984 - VIII ZR 140/83 - zu I der Gründe; 27. Oktober 1983 - VII ZR 41/83 - zu 2 a der Gründe, BGHZ 88, 360). Im Gegenteil unterliegt die Annahme eines Rechtsmittelverzichts strengen Anforderungen; darauf kann nur geschlossen werden, wenn in der Erklärung klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck gebracht wird, das Urteil insoweit endgültig hinzunehmen und nicht anfechten zu wollen (vgl. ua. BAG 27. Juli 2010 - 3 AZR 317/08 - Rn. 16, BAGE 135, 187; 16. März 2004 - 9 AZR 323/03 - zu A I 1 der Gründe mwN, BAGE 110, 45; BGH 5. September 2006 - VI ZB 65/05 - Rn. 8 mwN; 6. März 1985 - VIII ZR 123/84 - zu 2 b der Gründe; 27. Oktober 1983 - VII ZR 41/83 - aaO).

24

b) Danach genügte die Berufungsbegründung der Klägerin den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO; sie ließ Umfang und Ziel des Rechtsmittels eindeutig erkennen.

25

aa) Die Klägerin hat gegen das erstinstanzliche Urteil, soweit ihre Klage gegen den Beklagten zu 2. abgewiesen wurde, zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung hat sie ausgeführt, sie habe - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - zu sämtlichen von ihr geltend gemachten Schadensersatzansprüchen nach Grund und Höhe hinreichend substantiiert vorgetragen. In diesem Zusammenhang hat sie sich ausdrücklich auf die auch in erster Instanz angeführten 240 Geschäftsvorfälle bezogen. Zusätzlich hat sie darauf hingewiesen, bereits in erster Instanz geltend gemacht zu haben, dass der Beklagte zu 2. ihr einen Teilbetrag der Gesamtforderung zudem aus § 433 Abs. 2 BGB schulde.

26

bb) Der Umstand, dass die Klägerin in der Berufungsbegründung einen Berufungsantrag angekündigt hat, der hinter ihrer Beschwer zurückblieb, ändert nichts daran, dass sie zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt und das Urteil insoweit umfassend angegriffen hatte. Für die Annahme eines teilweisen Rechtsmittelverzichts oder einer Rechtsmittelbegrenzung fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt; im Gegenteil, die Klägerin hatte sich ausdrücklich vorbehalten, ihren angekündigten Antrag noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zu ändern. Vor diesem Hintergrund durfte das Landesarbeitsgericht aus dem in der Berufungsbegründung enthaltenen Berufungsantrag nicht schließen, die Klägerin fechte das arbeitsgerichtliche Urteil, mit dem ihre auf Zahlung von 5.360.450,21 Euro gerichtete Klage abgewiesen worden war, von vornherein nur eingeschränkt, nämlich im Umfang von 500.000,00 Euro an.

27

cc) Da die Klägerin ihren in der Berufungsbegründung angekündigten Berufungsantrag noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hätte ändern können, war es ihr auch unbenommen, im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht klarzustellen, dass es bei dem in der Berufungsbegründung angekündigten Antrag verbleibt und dass sie ihr Begehren insoweit ausschließlich auf die in der Berufungsbegründung ausdrücklich angeführten 42 Geschäftsvorgänge stützt.

28

dd) Die Berufung der Klägerin ist auch nicht deshalb nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO unzulässig, weil sich der Schaden, der der Klägerin nach ihrem Vorbringen aus den in der Berufungsbegründung angeführten 42 Geschäftsvorgängen entstanden sein soll, auf ca. 950.000,00 Euro beläuft, mithin die gegenüber dem Beklagten zu 2. geltend gemachte Forderung iHv. 500.000,00 Euro übersteigt und die Klägerin nicht bereits in der Berufungsbegründung klargestellt hat, wie sie die 500.000,00 Euro aufgeteilt wissen, dh. in welcher Reihenfolge sie die aus den einzelnen 42 Geschäftsvorfällen resultierenden Ansprüche zur Überprüfung des Gerichts stellen will. Dieser Mangel berührt nicht die Zulässigkeit der Berufung, sondern die Zulässigkeit der Klage. Ein solcher Mangel kann in der Berufungsinstanz noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung behoben werden (vgl. etwa BGH 22. November 2011 - VIII ZB 30/11 - Rn. 12; 18. September 1986 - III ZR 124/85 - zu I 2 b der Gründe; 15. März 1956 - II ZB 19/55 - BGHZ 20, 219).

29

II. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Berufung sei unzulässig, stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Berufung ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG). Auch hatte die Klägerin die Berufung fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ArbGG) und ordnungsgemäß begründet (§ 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO).

30

III. Der Senat kann allerdings nicht selbst feststellen, ob die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen war. Er kann nicht selbst über den vom Landesarbeitsgericht nicht beschiedenen Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Frist zur Begründung der Berufung entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Zurückverweisung ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat zugunsten der Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unterstellen dürfte. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann nicht entschieden werden, ob die zulässige Klage unbegründet ist.

31

1. Die Berufungsbegründung der Klägerin vom 23. Dezember 2013 ist zwar erst nach Ablauf der gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG bis zum 18. November 2013 laufenden Frist zur Begründung der Berufung beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Allerdings hatte die Klägerin mit Schriftsätzen vom 18. November 2013 eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Diese Schriftsätze sind ausweislich des Eingangsstempels des Nachtbriefkastens am 19. November 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Nachdem das Landesarbeitsgericht den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Beschluss vom 21. November 2013 mit der Begründung zurückgewiesen hatte, der Antrag sei erst am 19. November 2013 und damit nach Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen, hat die Klägerin mit Schriftsätzen vom 23. Dezember 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, er habe die Fristverlängerungsanträge am späten Abend des 18. November 2013 und damit noch vor Fristablauf in den gemeinsamen Nachtbriefkasten des Landesarbeitsgerichts und des Arbeitsgerichts eingeworfen. Das Landesarbeitsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin vom 23. Dezember 2013 nicht beschieden.

32

2. Der Senat kann nicht selbst über den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

33

a) Nach § 237 ZPO ist für die Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das Gericht zuständig, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung, hier also die Berufungsbegründung, zusteht. Das ist hier das Landesarbeitsgericht. Diese Zuständigkeit gilt sowohl für einen ausdrücklich gestellten Wiedereinsetzungsantrag als auch für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Zulässigkeit der Berufung als Prozessfortführungsvoraussetzung vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist. Dies bedeutet nicht, dass das Revisionsgericht die Prüfung der Wiedereinsetzung uneingeschränkt an sich ziehen könnte. Nach § 238 Abs. 3 ZPO ist eine vom Berufungsgericht gewährte Wiedereinsetzung unanfechtbar und damit auch für das Revisionsgericht bindend. Mit der Entscheidungskompetenz des Berufungsgerichts ist für die fristsäumige Partei die Chance verbunden, mit bindender Wirkung Wiedereinsetzung bewilligt zu erhalten. Diese Chance darf ihr durch eine Entscheidung des Revisionsgerichts über die Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht genommen werden (BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 35 mwN). Eine Prüfung der Wiedereinsetzung durch das Revisionsgericht in einem bei ihm anhängigen Rechtsmittelverfahren kommt angesichts der grundlegenden Entscheidungskompetenz des Berufungsgerichts deshalb nur in Ausnahmefällen in Betracht.

34

b) Ein solcher Ausnahmefall kann zwar angenommen werden, wenn nach Aktenlage ohne Weiteres Wiedereinsetzung zu gewähren ist, über das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen also kein Zweifel besteht (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 37; BGH 20. Mai 2014 - VI ZR 384/13 - Rn. 13). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt.

35

Dies folgt bereits daraus, dass der auf den Anträgen der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 18. November 2013 angebrachte Eingangsstempel des Nachtbriefkastens, der als Eingangsdatum den 19. November 2013 ausweist, gemäß § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis für einen verspäteten Einwurf der Schriftsätze in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts(vgl. etwa BGH 19. November 2013 - II ZB 16/12 - Rn. 8) erbringt. Zwar ist der Beweis der Unrichtigkeit der darin bezeugten Tatsachen zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Auch wenn hieran wegen der Beweisnot des Berufungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen (BGH 19. November 2013 - II ZB 16/12 - aaO), ist der Gegenbeweis allerdings nicht schon dann geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist (BGH 22. Dezember 2011 - VII ZB 35/11 - Rn. 11 mwN). Ob der Klägerin der erforderliche Gegenbeweis gelungen ist, kann vom Senat nach der Aktenlage nicht entschieden werden.

36

3. Eine Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat zugunsten der Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unterstellen dürfte. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob die zulässige Klage unbegründet ist.

37

a) Zwar ist dem Rechtsmittelgericht im Fall eines vom zuständigen Vordergericht unbeschiedenen Wiedereinsetzungsantrags auch dann ausnahmsweise eine Entscheidung in der Sache möglich, wenn diese materiell-rechtlich zum selben Ergebnis wie eine Versagung der Wiedereinsetzung führt. In einem solchen Fall kann die Wiedereinsetzung zugunsten der fristsäumigen Partei unterstellt werden (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 303/12 - Rn. 39; BGH 20. Mai 2014 - VI ZR 384/13 - Rn. 13). Danach könnte der Senat allerdings nur dann selbst über die Revision entscheiden, wenn diese sich in jedem Fall als unbegründet erweisen würde.

38

b) Dies ist nicht der Fall. Die Klage ist zulässig. Ob sie unbegründet ist, kann der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

39

aa) Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klageantrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

40

(1) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Klageantrag hinreichend bestimmt sein. Dabei ist der Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung gemäß § 322 ZPO zwischen den Parteien entschieden werden kann. Bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbstständige Ansprüche geltend gemacht werden, bedarf es einer näheren Spezifizierung, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen. Andernfalls ist der Streitgegenstand nicht hinreichend bestimmt und die Klage ist unzulässig (vgl. BAG 24. September 2014 - 5 AZR 593/12 - Rn. 18, BAGE 149, 169; 28. Mai 2013 - 3 AZR 103/12 - Rn. 11; 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 11; BGH 9. Januar 2013 - VIII ZR 94/12 - Rn. 12 f.; 17. Juli 2008 - IX ZR 96/06 - Rn. 7 mwN; 12. Januar 2006 - III ZR 138/05 - Rn. 9 mwN). Dies gilt allerdings nicht für bloße unselbstständige Rechnungsposten (vgl. BGH 6. Mai 2014 - II ZR 217/13 - Rn. 15; 13. März 2003 - VII ZR 418/01 - zu II 3 der Gründe; 19. Juni 2000 - II ZR 319/98 - zu C I 2 b der Gründe).

41

(2) Die Klägerin hat die insoweit erforderliche Spezifizierung vorgenommen. Sie hat ausdrücklich beantragt, den Beklagten zu 2. zu verurteilen, an sie 500.000,00 Euro aus den in der Berufungsbegründung vom 23. Dezember 2013 im Einzelnen dargestellten 42 Geschäftsvorgängen in der Abfolge ihrer Darstellung zu zahlen. Dass sie die Angabe, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Geschäftsvorgänge verteilen soll bzw. in welcher Reihenfolge die aus diesen Geschäftsvorgängen folgenden Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden, erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gemacht hat, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Klägerin konnte etwaige Mängel, die die Zulässigkeit der Klage berühren, noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht beheben (vgl. etwa BGH 22. November 2011 - VIII ZB 30/11 - Rn. 12; 18. September 1986 - III ZR 124/85 - zu I 2 b der Gründe; 15. März 1956 - II ZB 19/55 - BGHZ 20, 219).

42

bb) Ob die zulässige Klage unbegründet ist, kann der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Vogelsang     

        

        

        

    F. Avenarius    

        

    Pauli    

                 

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
XII ZR 293/02 Verkündet am:
6. Juli 2005
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Auch nach der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Rechtslage kann die Anschlußberufung
nach Ablauf der Einlegungsfrist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO
erweitert werden, soweit die Erweiterung durch die fristgerecht eingereichte Anschlußberufungsbegründung
gedeckt ist.
BGH, Versäumnisurteil vom 6. Juli 2005 - XII ZR 293/02 - OLG Koblenz
AG Koblenz
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juli 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Antragstellerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz vom 25. November 2002 aufgehoben, soweit das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 17. April 2002 hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts für die Zeit vom 9. Juli bis 31. August 2002 dahin abgeändert worden ist, daß der Antragsgegner weniger als monatlich 300 € zuzüglich Zinsen zu zahlen hat. Das vorgenannte Urteil des Oberlandesgerichts wird zur Klarstellung bezüglich des nachehelichen Unterhalts insgesamt wie folgt neu gefaßt: Auf die Berufung der Antragstellerin und die Anschlußberufung des Antragsgegners wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Koblenz vom 17. April 2002 in Ziffer 2 (nachehelicher Ehegattenunterhalt) teilweise abgeändert. Der Antragsgegner wird verurteilt, an die Antragstellerin monatlich im voraus bis zum 5. eines jeden Monats folgenden Ehegattenunterhalt zu zahlen: Vom 9. Juli bis 31. August 2002 monatlich 300 €, vom 1. September bis 31. Dezember 2002 monatlich 358 € ab 1. Januar 2003 monatlich 571,29 €, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB auf die bis zum 4. November 2002 aufgelaufenen Rückstände. Der weitergehende Antrag auf Zahlung von Ehegattenunterhalt wird abgewiesen. Im übrigen werden Berufung und Anschlußberufung zurückgewiesen. Hinsichtlich der Kosten I. und II. Instanz verbleibt es bei dem Ausspruch des Berufungsurteils. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den der Antragstellerin zustehenden nachehelichen Unterhalt. Die Ehegatten haben am 30. Mai 1984 die Ehe geschlossen, aus der zwei Kinder, Jasmin, geboren am 13. November 1989, und Bastian, geboren am 18. August 1997, hervorgegangen sind. Die Antragstellerin ist Hausfrau und betreut nach der Trennung der Parteien die gemeinsamen Kinder allein. Der
Antragsgegner ist Berufssoldat; seine Dienststelle ist der Stützpunkt BonnSt. Augustin. Auf ein bei seinem Vater aufgenommenes Darlehen zur Finanzierung der Anschaffungskosten für seinen Pkw zahlt er monatlich 300 DM (153,39 €); einen Kredit zur Finanzierung der Anschaffungskosten für den Pkw der Antragstellerin führte er bis einschließlich August 2002 mit monatlich 280 DM (143,16 €) zurück. Die Parteien haben im wesentlichen darüber gestritten , in welcher Höhe dem Antragsgegner Fahrtkosten als berufsbedingte Aufwendungen entstehen. Durch Scheidungsverbundurteil hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien geschieden (insoweit rechtskräftig seit dem 9. Juli 2002), dem Antrag der Antragstellerin auf Zahlung nachehelichen Unterhalts teilweise, nämlich in Höhe von monatlich 322 €, stattgegeben und den Versorgungsausgleich geregelt. Gegen dieses Urteil haben die Antragstellerin in bezug auf die Folgesachen Ehegattenunterhalt Berufung und die Bundesrepublik Deutschland in bezug auf die Folgesache Versorgungsausgleich Beschwerde eingelegt. Der Antragsgegner hat sich der Berufung der Antragstellerin - unter dem Vorbehalt der Erweiterung - angeschlossen. Während die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag in vollem Umfang (1.117,34 DM = 571,29 €) weiterverfolgte , begehrte der Antragsgegner zunächst eine Herabsetzung seiner Zahlungspflicht auf monatlich 300 €. In der mündlichen Verhandlung vom 4. November 2002 hat er von seinem Erweiterungsvorbehalt Gebrauch gemacht und für die Zeit bis zum 31. August 2002 eine Reduzierung auf 250 € monatlich verlangt. Das Berufungsgericht hat - bezüglich des lediglich noch im Streit befindlichen nachehelichen Unterhalts - das Urteil auf Berufung und Anschlußberufung teilweise abgeändert. Für den Zeitraum vom 9. Juli bis 31. August 2002, der allein Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, hat es den Unterhalt auf
monatlich 284 € zuzüglich Zinsen herabgesetzt. Dagegen richtet sich die insoweit zugelassene Revision der Antragstellerin, mit der sie die Zurückweisung der Anschlußberufung begehrt, soweit diese zu einer Herabsetzung des Unterhalts auf weniger als 300 € monatlich zuzüglich Zinsen geführt hat.

Entscheidungsgründe:

Gegen den im Verhandlungstermin nicht erschienenen Antragsgegner ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Dieses beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis; es berücksichtigt den gesamten Sach- und Streitstand (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff.). Das Rechtsmittel ist begründet. Es führt in dem beantragten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Zurückweisung der Anschlußberufung.

I.

Zutreffend ist das Oberlandesgericht allerdings davon ausgegangen, daß die Anschlußberufung des Antragsgegners auch im Umfang der erfolgten Erweiterung zulässig ist. 1. Der Antragsgegner hat sich innerhalb der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der - bis zum 31. August 2004 geltenden - Neufassung durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl I 1887 ff.), d.h.
innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift, dem Rechtsmittel der Antragstellerin angeschlossen. Er hat zunächst begehrt, den Unterhaltsantrag der Antragstellerin abzuweisen, soweit ihr mehr als 300 € monatlich zuerkannt worden sind. In der Begründung hat er im einzelnen ausgeführt , daß der Antragstellerin kein Unterhaltsanspruch zustehe, und hat sich deshalb die Erweiterung der Anschlußberufung mit dem Ziel vorbehalten, auf vollständige Abweisung des Unterhaltsbegehrens anzutragen. Von dem Erweiterungsvorbehalt hat der Antragsgegner in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht im Umfang der bewilligten Prozeßkostenhilfe (Herabsetzung des Unterhalts für die Zeit vom 9. Juli bis 31. August 2002 auf monatlich 250 €) Gebrauch gemacht. 2. Diese Vorgehensweise war nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Prozeßrecht nicht zu beanstanden. Ihre Zulässigkeit begegnet auch weiterhin keinen rechtlichen Bedenken. Zwar konnte der Berufungsbeklagte nach dem früheren Prozeßrecht zeitlich unbeschränkt - bis zur Beendigung des Verfahrens über die Hauptberufung (vgl. etwa Zöller/Gummer, ZPO 21. Aufl. § 522a Rdn. 6) - unselbständige Anschlußberufung einlegen, während er sich nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der Fassung des ZPO-Reformgesetzes nur bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Berufungsschrift der Berufung anschließen kann. Daraus folgt aber nicht, daß der Berufungsbeklagte das mit der Anschlußberufung verfolgte Begehren im Rahmen der gegebenen Begründung nach Ablauf der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht mehr erweitern kann.
a) Nach § 524 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muß die Begründung der Anschlußberufung - ebenso wie diejenige der Berufung - die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge).
Gleichwohl ist - nach dem insoweit gleichlautenden - früheren Recht die Erweiterung von Rechtsmittelanträgen für zulässig erachtet worden. Denn das Erfordernis bestimmter Anträge ist nur formal; die in der Begründungsschrift enthaltenen Anträge haben nur vorläufigen Charakter und können in der mündlichen Verhandlung noch geändert, insbesondere noch erweitert werden, soweit die Erweiterung durch die Rechtsmittelbegründung gedeckt wird (BGHZ 12, 52, 67 f.; BGH, Urteil vom 6. November 1986 - IX ZR 8/86 - NJW-RR 1987, 249).
b) Auch nach der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Rechtslage können Berufungsanträge nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erweitert werden , soweit sie durch die fristgerecht eingereichten Berufungsgründe (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO) gedeckt sind (ebenso MünchKomm ZPO/Rimmelspacher 2. Aufl. § 520 Rdn. 43; Musielak/Ball ZPO 4. Aufl. § 520 Rdn. 25; Zöller/Gummer ZPO 23. Aufl. § 520 Rdn. 31; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann ZPO 63. Aufl. § 520 Rdn. 19; Piekenbrock MDR 2002, 675, 676; Gerken NJW 2002, 1095, 1096; Born FamRZ 2003, 1245, 1246). Die Bestimmung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO hat, wie bereits ausgeführt, gegenüber derjenigen des § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F. keine inhaltliche Änderung erfahren. Das Ziel der ZPO-Reform, insbesondere die Einführung einer beschleunigten Erledigungsmöglichkeit für substanzlose Berufungen (vgl. BTDrucks. 14/4722 S. 1), steht der Annahme einer Erweiterungsmöglichkeit nicht entgegen. Die in der Rechtsmittelbegründung vorgetragenen Berufungsgründe lassen - unabhängig von dem zunächst angekündigten Antrag - eine vollumfängliche rechtliche Beurteilung des Begehrens zu. Auch die Möglichkeit, eine aussichtslose Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluß zurückzuweisen, erfährt grundsätzlich keine Verzögerung, wenn der Berufungskläger im Rahmen seiner Stellungnahme zu dem Hinweis auf die beabsichtigte Verfahrensweise seinen Berufungsantrag erweitert. Es steht dem Berufungskläger ohnehin frei, ein vom Berufungsgericht für unzureichend erachtetes Vor-
bringen in den Grenzen des § 530 ZPO zu ändern und durch weiteren Sachvortrag zu ergänzen oder auch neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Rahmen des § 531 ZPO geltend zu machen. Im Anschluß daran muß sich das Berufungsgericht erneut mit der Sache befassen und davon überzeugen, ob die Zurückweisungsvoraussetzungen weiterhin erfüllt sind. Wenn es dies einstimmig bejaht, darf es die Berufung durch Beschluß zurückweisen. Einer erneuten Anhörung bedarf es nicht grundsätzlich, sondern nur dann, wenn in der Stellungnahme in zulässiger Weise wesentlich neu vorgetragen wird oder wenn sich die Prozeßsituation ändert (Musielak/Ball aaO § 522 Rdn. 27; Zöller/Gummer aaO § 522 Rdn. 34).
c) Ist aber die Erweiterung der Berufungsanträge entsprechend den genannten Maßgaben als zulässig zu erachten, kann für die Erweiterung der Anschlußberufung nichts anderes gelten. Das folgt bereits aus dem Prinzip der prozessualen Waffengleichheit als verfahrensrechtlich gebotenem Erfordernis des Gleichheitssatzes (BVerfGE 52, 131, 144; NJW 1987, 2570), das bedingt, daß der Berufungsbeklagte im Stande ist, auch auf die erweiterte Berufung des Gegners reagieren zu können und die Grenzen der Verhandlung mitzubestimmen (Senatsurteil vom 28. März 1984 - IVb ZR 58/82 - NJW 1984, 2951, 2952). Darüber hinaus müßte es auch als Verstoß gegen den Grundsatz der Waffengleichheit angesehen werden, wenn der nicht bemittelte Berufungskläger die Möglichkeit hätte, den unbedingten Berufungsantrag zunächst nur in eingeschränktem Umfang zu stellen, gleichzeitig Prozeßkostenhilfe für eine beabsichtigte Erweiterung zu begehren und diese dann - nach entsprechender Prozeßkostenhilfebewilligung - auch vorzunehmen, wenn diese Möglichkeit für den Anschlußberufungskläger nicht gleichermaßen bestünde (Born aaO S. 1246). Diese ist aber nur dann gegeben, wenn auch der Anschlußberufungskläger seinen Antrag in zulässiger Weise erweitern kann. Denn die Frist des § 524 Abs. 2
Satz 2 ZPO kann nicht verlängert werden. Da es sich nicht um eine Notfrist handelt, kommt auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht (vgl. Gerken aaO S. 1096). Schließlich sprechen auch Gründe der Prozeßökonomie für die vorgenannte Auffassung. Die Anschlußberufung soll dem an sich "friedfertigen" und zur Hinnahme der erstinstanzlichen Entscheidung bereiten Berufungsbeklagten auch dann noch die Möglichkeit geben, selbst in den Prozeß einzugreifen, wenn das Rechtsmittel des Gegners erst kurz vor Ablauf der Rechtsmittelfrist eingelegt wird und er deshalb eine eigene Berufung nicht mehr führen kann. Dadurch kann vermieden werden, daß eine Partei, die sich eigentlich mit dem erlassenen Urteil zufrieden geben will, nur wegen eines erwarteten Rechtsmittels des Gegners vorsorglich selbst Rechtsmittel einlegt (Senatsurteil aaO S. 2952). Dieses Ziel kann aber nicht in vollem Umfang erreicht werden, wenn der Berufungsbeklagte auf eine Berufungserweiterung nach Ablauf der Frist des § 524 Absatz 2 Satz 2 ZPO nicht mehr reagieren kann. Die danach zulässige Erweiterung der Anschlußberufung konnte in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu Protokoll erklärt werden (vgl. BGH, Urt. v. 29. September 1992 - VI ZR 234/91 - NJW 1993, 269, 270).

II.

1. Das Oberlandesgericht hat den vom Amtsgericht ausgeurteilten Unterhalt für die Zeit vom 9. Juli bis 31. August 2002 auf monatlich 284 € herabgesetzt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Das um Fahrtkosten zur Arbeit, Kosten der Krankenversicherung und die Kreditrate für den Pkw der
Antragstellerin bereinigte Nettoeinkommen des Antragsgegners sei mit monatlich 1.459 € anzusetzen. Bei diesem Einkommen schulde er Kindesunterhalt nach Einkommensgruppe 2 der herangezogenen Düsseldorfer Tabelle, und zwar in Höhe von monatlich 288 € für Jasmin (Altersstufe 3) und in Höhe von monatlich 202 € für Bastian (Altersstufe 1, jeweils Tabellenbeträge). Nach Abzug der Tabellenbeträge stünden für den gemäß § 1570 BGB geschuldeten Ehegattenunterhalt noch 969 € zur Verfügung. Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin sei mit 3/7 hiervon, also mit 415 €, anzusetzen. Da der Antragsgegner unter Berücksichtigung des ihm zu belassenden Selbstbehalts von 840 € nicht in der Lage sei, alle Unterhaltsansprüche zu erfüllen, sei eine Mangelverteilung durchzuführen. Diese ergebe einen geschuldeten Ehegattenunterhalt von 284 €. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 2. In welcher Höhe der Unterhaltsbedarf zu bemessen ist, obliegt zwar der tatrichterlichen Beurteilung des Einzelfalls. Das dabei gewonnene Ergebnis ist revisionsrechtlich jedoch darauf zu überprüfen, ob es den anzuwendenden Rechtsgrundsätzen Rechnung trägt und angemessen ist (Senatsurteil vom 23. Oktober 2002 - XII ZR 266/99 - FamRZ 2002, 1698, 1700 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Wie der Senat nach Erlaß des angefochtenen Urteils entschieden hat, ist in einem absoluten Mangelfall, von dessen Vorliegen das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist, für den unterhaltsberechtigten Ehegatten der seiner jeweiligen Lebenssituation entsprechende notwendige Eigenbedarf als Einsatzbetrag in die Mangelverteilung einzustellen. Für gleichrangige Kinder ist insoweit ein Betrag von 135 % des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zugrunde zu legen (Senatsurteil vom 22. Januar 2002 - XII ZR 2/00 - FamRZ
2003, 363, 365 f.). Nur so werden für die Ehefrau und die Kinder Einsatzbeträge in die Mangelverteilung eingestellt, die in angemessener Relation zueinander stehen, so daß ein ausgewogenes Ergebnis erzielt werden kann. Da für die Antragstellerin nur die mit 415 € ermittelte Unterhaltsquote in die Mangelverteilung einbezogen worden ist, die realistischerweise nicht für sich beanspruchen kann, den eheangemessenen Unterhalt darzustellen, und für die Kinder lediglich Unterhalt gemäß Gruppe 2 der Düsseldorfer Tabelle berücksichtigt worden ist, der unter deren Existenzminimum liegt, kann das angefochtene Urteil hinsichtlich der Unterhaltsbemessung für die Zeit vom 9. Juli bis 31. August 2002 keinen Bestand haben.

III.

Die Sache ist indessen nach dem festgestellten Sachverhalt zur Endentscheidung reif, so daß der Senat in der Sache selbst befinden kann (§ 563 Abs. 3 ZPO). Für die Antragstellerin ist nach der vom Berufungsgericht herangezogenen Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1. Januar 2002, B V Nr. 2) ein Eigenbedarf von 730 € als Einsatzbetrag in die Mangelverteilung einzustellen; für die Kinder sind Beträge von 254 € und 364 € (jeweils 135 % des Regelbetrages) zugrunde zu legen. Ob und ggf. in welcher Höhe der Unterhalt der Kinder tituliert ist, ist im Rahmen eines andere Unterhaltsansprüche betreffenden Rechtsstreits grundsätzlich ohne Bedeutung, weil davon ausgegangen werden kann, daß bei Abweichungen von der materiellen Rechtslage die Abänderung des Titels möglich gewesen wäre (vgl. Senatsurteil vom 22. Januar 2003 aaO S. 367 m.w.N.).
Damit errechnen sich Einsatzbeträge von insgesamt 1.348 €, denen ein verteilungsfähiges Einkommen von 619 € (1.459 € ./. 840 €) gegenübersteht. Aus dem Verhältnis dieser Verteilungsmasse zu den Einsatzbeträgen errechnet sich die Quote, nach der der für die Antragstellerin in die Mangelverteilung eingestellte Betrag zu kürzen ist. Danach ergibt sich für sie folgender Unterhalt: Kürzungsfaktor (619 : 1.348) : 45,92 %; Unterhalt rund 335 € (730 x 45,92 %). Da die Antragstellerin nur insoweit Revision eingelegt hat, als ihr weniger als 300 € monatlich zuerkannt worden sind, kann allein dieser Betrag ausgeurteilt werden. Die notwendige Überprüfung des gewonnenen Ergebnisses auf seine Angemessenheit gibt zu Korrekturen keinen Anlaß.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.

(2) Die Vorschriften des Dritten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten Rechts sowie für Betriebe, die von einer öffentlichen Verwaltung geführt werden, soweit sie wirtschaftliche Zwecke verfolgen.

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Juli 2012 - 10 Sa 890/12 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 23. November 2011 - 2 Ca 561/11 - durch die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien am 30. Juni 2011 geendet hat, und durch die Verurteilung des beklagten Erzbistums zur Zahlung von 1.323,46 Euro brutto „abzüglich 2.694,15 Euro netto“ zurückgewiesen hat.

2. Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung und über Vergütungsansprüche.

2

Die 1972 geborene Klägerin war seit Februar 1998 bei dem beklagten Erzbistum zunächst als Gemeindeassistentin und anschließend als Gemeindereferentin beschäftigt. Sie erhielt zuletzt Vergütung nach Entgeltgruppe 10 Stufe 5 der Anlage 5 (Entgelttabelle) zu § 23 der Kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung für das beklagte Erzbistum(KAVO) in Höhe von etwa 3.900,00 Euro brutto monatlich.

3

Die Klägerin unterzeichnete vor Aufnahme ihrer Tätigkeit eine Erklärung mit welcher sie anerkannte, als Gemeindeassistentin bzw. -referentin in besonderer Weise am Sendungsauftrag der Kirche teilzunehmen. Sie verpflichtete sich, ihre arbeitsvertraglichen Pflichten in besonderem Maße loyal zu erfüllen und bei der Ausübung ihres Dienstes kirchliche Vorschriften zu beachten und zu wahren. Ferner nahm sie gemäß der Vereinbarung zur Kenntnis, dass die Anlage 20 zur KAVO sowie das Diözesane Statut für Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten im beklagten Erzbistum vom 11. September 1995 (Kirchliches Amtsblatt für die Erzdiözese Paderborn 1996 Stück 3 Nr. 30) nebst Anlagen in den jeweiligen Fassungen Bestandteil ihres Anstellungsvertrags seien.

4

Mit Urkunde vom 5. Februar 2000 beauftragte der Erzbischof von Paderborn die Klägerin in einer liturgischen Feier zum Dienst als Gemeindereferentin im beklagten Erzbistum und verlieh ihr zugleich die Lehrbefugnis zur Erteilung des katholischen Religionsunterrichts an Grund-, Haupt-, Sonder-, Real- und Gesamtschulen (missio canonica).

5

Nachdem die Klägerin zunächst im Pastoralverbund S tätig war, setzte das beklagte Erzbistum sie ab Mai 2007 auf ihren Wunsch im Pastoralverbund Paderborn ein. Ihre Klage auf Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, ihren Wohnsitz in die Einsatzgemeinde zu verlegen, wies das Landesarbeitsgericht im August 2009 ab. Die Entscheidung wurde rechtskräftig.

6

Von Ende Januar 2009 bis Ende Februar 2010 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 25. Januar 2010 beantragte sie ihre Umsetzung in den Pastoralverbund Se oder den Pastoralverbund H. In einem Gespräch über ihren künftigen Einsatz wurde ihr mitgeteilt, dass ihr die kanonische Beauftragung zum Dienst als Gemeindereferentin entzogen werden solle. Das beklagte Erzbistum hörte die Klägerin zu dieser Absicht außerdem mit Schreiben vom 11. Februar 2010 an.

7

Mit Dekret vom 16. März 2010 entzog das beklagte Erzbistum der Klägerin die mit Urkunde vom 5. Februar 2000 erteilte kanonische Beauftragung mit sofortiger Wirkung. Die Beauftragung stelle einen innerkirchlichen Rechtsakt dar, der zurückgenommen werden könne und müsse, wenn das für eine pastorale Tätigkeit im Auftrag des Diözesanbischofs erforderliche Vertrauensverhältnis dauerhaft und irreparabel beschädigt sei. Die Klägerin habe während des Verfahrens über die Residenzpflicht wiederholt unwahre und ehrverletzende Tatsachenbehauptungen zum Nachteil des Bistums, des Bischofs und von Mitarbeitern getätigt oder derartige Behauptungen durch ihren Ehemann geduldet und diese durch gezielten Einsatz der Presse in die Öffentlichkeit getragen. Die Behauptungen seien in hohem Maße geeignet gewesen, das Ansehen der Kirche und das Vertrauensverhältnis zum Bischof zu beschädigen.

8

Die Klägerin beantragte erfolglos die Aussetzung des Vollzugs und Rücknahme des Dekrets. Ihre Beschwerde an den Apostolischen Stuhl nach can. 1737 des Codex Iuris Canonici in der Fassung vom 25. Januar 1983 (CIC) wies die congregatio pro clericis mit Dekret vom 16. Oktober 2010 zurück.

9

Im April 2010 wies das beklagte Erzbistum der Klägerin eine Tätigkeit im audiovisuellen Archiv des Instituts für Religionspädagogik und Medienarbeit zu, welcher diese zunächst nachkam. Mit Schreiben vom 13. Juli 2010 kündigte sie an, ab dem 26. Juli 2010 ein Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeitsleistung wegen nicht vertragsgemäßer Beschäftigung geltend zu machen. In einem Personalgespräch von diesem Tage wurde ihr angeboten, eine Arbeitshilfe für den „Materialkoffer zum Christentum“ für den Einsatz in der Grundschule zu erstellen. Die Tätigkeit betreffe religionspädagogische Aufgaben, entspreche in vollem Umfang ihrer Ausbildung und sei der Entgeltgruppe 9 bis 10 zuzuordnen. Die Klägerin lehnte die angebotene Beschäftigung ab. Das beklagte Erzbistum zahlte ihr daraufhin ab dem 26. Juli 2010 kein Arbeitsentgelt mehr.

10

Die Klägerin erhob Klage auf Beschäftigung als Gemeindereferentin und Zahlung der vertraglichen Vergütung für die Zeit vom 26. Juli bis zum 30. September 2010. Nachdem der Klage erstinstanzlich überwiegend stattgegeben worden war, erklärte das beklagte Erzbistum mit Schreiben vom 2. und 22. Dezember 2010 - nach Anhörung der Mitarbeitervertretung - außerordentliche Kündigungen, jeweils verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen als Sekretärin mit einer Vergütung gemäß Entgeltgruppe 5 Stufe 5 KAVO fortzusetzen. Nach erneuter Anhörung der Mitarbeitervertretung erklärte es am 29. Dezember 2010, wiederum verbunden mit dem Angebot einer Weiterbeschäftigung als Sekretärin, eine ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2011. Die Klägerin lehnte das Änderungsangebot ab.

11

Auf die Berufung des beklagten Erzbistums wies das Landesarbeitsgericht im September 2011 das Begehren der Klägerin auf Beschäftigung als Gemeindereferentin und Zahlung der Vergütung für die Zeit bis zum 30. September 2010 ab. Es könne dahinstehen, ob dem Beschäftigungsanspruch bereits der Entzug der Beauftragung als Gemeindereferentin entgegenstehe. Er sei jedenfalls aufgrund der nicht offensichtlich unwirksamen Änderungskündigungen entfallen. Ein Vergütungsanspruch scheide aus, da die Klägerin das Angebot des Bistums, eine Arbeitshilfe für den Unterricht in der Grundschule zu erstellen, abgelehnt habe. Das Urteil wurde rechtskräftig.

12

Im vorliegenden Rechtsstreit hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Änderungskündigungen vom 2., 22. und 29. Dezember 2010 gewandt und für die Zeit vom 26. Juli bis zum 30. September 2010 Nachzahlung von insgesamt 103,24 Euro wegen einer zum 1. März 2010 erfolgten Vergütungserhöhung begehrt. Sie hat ferner die Zahlung von Verzugslohn für die Zeit vom 1. Oktober bis zum 2. Dezember 2010 in Höhe von insgesamt 8.286,03 Euro und der Weihnachtszuwendung für das Jahr 2010 in Höhe von 80 vH ihres Bruttomonatsgehalts verlangt. Auf den Gesamtbetrag in Höhe von 11.565,58 Euro brutto hat sie sich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts iHv. 2.694,15 Euro anrechnen lassen. Hilfsweise hat sie Anspruch auf Abgeltung von 27 Urlaubstagen erhoben.

13

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das beklagte Erzbistum könne sich zur Begründung der Änderungskündigungen nicht auf den Entzug ihrer kanonischen Beauftragung berufen. Anderenfalls vermöge es sich selbst einen Kündigungsgrund zu schaffen. Sie habe als Gemeindereferentin kein kirchliches Amt bekleidet, sondern sei lediglich zu einem Dienst beauftragt worden. Ihr Arbeitsverhältnis sei gekündigt worden, weil sie in vorangegangenen Prozessen ihre Rechte ausgeübt habe. Das Änderungsangebot sei unzumutbar, da es unnötig weit in ihre Rechte eingreife.

14

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentlichen Kündigungen seitens des beklagten Erzbistums vom 2. und 22. Dezember 2010 noch durch dessen ordentliche Kündigung vom 29. Dezember 2010 beendet worden ist;

        

2.    

das beklagte Erzbistum zu verurteilen, an sie 11.565,58 Euro brutto abzüglich 2.694,15 Euro netto zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus 9,10 Euro seit dem 1. August 2010, aus 47,07 Euro seit dem 1. September 2010, aus weiteren 47,07 Euro seit dem 1. Oktober 2010, aus 3.970,39 Euro seit dem 1. November 2010, aus 7.146,70 Euro seit dem 1. Dezember 2010 sowie aus 345,25 Euro seit dem 1. Januar 2011 zu zahlen;

        

3.    

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1) das beklagte Erzbistum zu verurteilen, an sie 4.947,75 Euro brutto abzüglich 2.266,29 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 1. Juli 2011 zu zahlen.

15

Das beklagte Erzbistum hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, jedenfalls die ordentliche Änderungskündigung sei aus Gründen in der Person der Klägerin sozial gerechtfertigt. Der Klägerin fehle nach dem Entzug der kanonischen Beauftragung die Voraussetzung für die Ausübung einer Tätigkeit als Gemeindereferentin. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche verbiete es den Arbeitsgerichten, diesen in der kirchlichen Gerichtsbarkeit abschließend gewürdigten Sachverhalt einer eigenen Prüfung zu unterziehen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Annahmeverzugslohn, da sie nicht leistungsfähig gewesen sei. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung hänge davon ab, ob das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2011 ende. Solange dies nicht rechtskräftig feststehe, liege eine unzulässige Klage auf künftige Leistung vor.

16

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentlichen Änderungskündigungen nicht aufgelöst worden ist. Es hat das beklagte Erzbistum verurteilt, an die Klägerin eine anteilige Weihnachtszuwendung in Höhe von 1.323,46 Euro brutto abzgl. 2.694,15 Euro netto nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das beklagte Erzbistum zur Zahlung von Urlaubsabgeltung verurteilt. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter, soweit sie mit ihnen vor dem Landesarbeitsgericht unterlegen ist.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision hat teilweise Erfolg. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sei durch die ordentliche Änderungskündigung des beklagten Erzbistums vom 29. Dezember 2010 zum 30. Juni 2011 aufgelöst worden. Ob die Kündigung wirksam ist, steht noch nicht fest. Von der der Klägerin zugesprochenen - anteiligen - Weihnachtszuwendung für das Jahr 2010 in Höhe von 1.323,46 Euro brutto hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht einen Betrag in Höhe von 2.694,15 Euro netto in Abzug gebracht. In welcher Höhe sich die Klägerin erhaltene Sozialleistungen auf diesen Anspruch anrechnen lassen muss, bedarf weiterer Sachaufklärung. Im Übrigen ist die Revision unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf den begehrten Verzugslohn noch auf eine - im Bruttobetrag - höhere Weihnachtszuwendung für das Jahr 2010.

18

I. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die ordentliche Änderungskündigung ist aufzuheben und die Sache insoweit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Nach den bisherigen Feststellungen steht nicht fest, dass sich das beklagte Erzbistum darauf beschränkt hat, mit der Kündigung solche Änderungen vorzuschlagen, die die Klägerin billigerweise hätte hinnehmen müssen.

19

1. Der Antrag der Klägerin ist zu Recht nach § 4 Satz 1 KSchG auf die Feststellung gerichtet, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die Kündigung vom 29. Dezember 2010 nicht aufgelöst worden. Die Klägerin hat das mit der Kündigung verbundene Änderungsangebot nicht, auch nicht unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG, angenommen. Damit bleibt es bei der in der Änderungskündigung enthaltenen Kündigungserklärung. Die Parteien streiten - anders als wenn die Klägerin das mit der Kündigung verbundene Änderungsangebot unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen hätte - nicht über die Wirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen iSv. § 4 Satz 2 KSchG, sondern über eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung(vgl. KR-Friedrich 10. Aufl. § 4 KSchG Rn. 284; APS/Hesse 4. Aufl. § 4 KSchG Rn. 116; MüKoBGB/Hergenröder 6. Aufl. § 4 KSchG Rn. 93; ErfK/Kiel 13. Aufl. § 4 KSchG Rn. 27; umgekehrt für den Fall der Annahme unter Vorbehalt BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 25/11 - Rn. 20, 21).

20

2. Der Kündigungsschutzantrag ist nicht deshalb unbegründet, weil zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestanden hätte. Die Klägerin ist vom beklagten Erzbistum als Arbeitnehmerin beschäftigt worden. Die Parteien hatten entsprechend Nr. 5 des Diözesanen Statuts für Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten im beklagten Erzbistum vom 28. Dezember 1995 (Kirchliches Amtsblatt für die Erzdiözese Paderborn 1996 Stück 3 Nr. 30; abgelöst durch das Diözesane Statut vom 1. Dezember 2006, Kirchliches Amtsblatt für die Erzdiözese Paderborn 2006 Stück 11 Nr. 142) die Bedingungen des Anstellungsverhältnisses der Klägerin als Gemeindereferentin in einem Arbeitsvertrag geregelt. Hierüber besteht zwischen ihnen kein Streit.

21

3. Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch das beklagte Erzbistum nach § 41 Abs. 3 Satz 1 KAVO ausgeschlossen gewesen wäre. Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitnehmer mehr als 15 Jahre beschäftigt und älter als 40 Jahre ist. Die Klägerin hatte im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung - unabhängig davon, ob sie bereits über eine hinreichende Beschäftigungszeit verfügte - das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet.

22

4. Ob die Kündigung gemäß § 2 iVm. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist, steht noch nicht fest. Zwar fehlte der Klägerin nach dem Entzug der kanonischen Beauftragung voraussichtlich auf Dauer die Befähigung für die vertraglich vereinbarte Tätigkeit als Gemeindereferentin im beklagten Erzbistum. Der Senat kann aber nicht selbst beurteilen, ob das Bistum der Klägerin eine Änderung der Arbeitsbedingungen angeboten hat, die sich nicht weiter als erforderlich vom bisherigen Vertragsinhalt entfernte.

23

a) Bedienen sich die Kirchen der Privatautonomie, um Arbeitsverhältnisse zu begründen, so findet auf diese das staatliche Arbeitsrecht Anwendung. Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt deren Zugehörigkeit zu den „eigenen Angelegenheiten“ der Kirche iSv. Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV allerdings nicht auf. Sie darf deshalb die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes, das kirchliche Proprium, nicht in Frage stellen. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts bleibt auch für die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse wesentlich (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83  ua. - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138 ; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25).

24

b) Eine Änderungskündigung iSv. § 2 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn das Änderungsangebot des Arbeitgebers durch Gründe iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und sich darauf beschränkt, solche Änderungen vorzusehen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss(vgl. für die betriebsbedingte Änderungskündigung BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 396/12 - Rn. 16; 23. Februar 2012 - 2 AZR 44/11 - Rn. 34). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot - wie im Streitfall - abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 396/12 - aaO; 23. Februar 2012 - 2 AZR 44/11 - aaO). Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise akzeptieren muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beurteilen. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle vorgesehenen Änderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich von deren Inhalt nicht weiter entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 396/12 - Rn. 17; 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 15).

25

c) Für eine Änderung der Vertragsbedingungen lagen im Streitfall Gründe in der Person der Klägerin iSv. § 2 iVm. § 1 Abs. 2 KSchG vor.

26

aa) Als Gründe in der Person, die eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial rechtfertigen können, kommen Umstände in Betracht, die auf den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers beruhen. Eine auf sie gestützte Kündigung kann sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen in seiner Person - die nicht von ihm verschuldet sein müssen - zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung ganz oder teilweise nicht mehr in der Lage ist. In diesen Fällen liegt in der Regel eine erhebliche und dauerhafte Störung des vertraglichen Austauschverhältnisses vor, der der Arbeitgeber, wenn keine andere Beschäftigung mehr möglich ist, mit einer Kündigung begegnen kann (vgl. für eine Beendigungskündigung BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 19; für eine außerordentliche (Änderungs-)Kündigung mit Auslauffrist 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 32; 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 24, BAGE 132, 299).

27

bb) Nach dem Entzug der kanonischen Beauftragung war die Klägerin voraussichtlich dauerhaft nicht mehr in der Lage, die nach dem Vertrag vorausgesetzte Arbeitsleistung als Gemeindereferentin im beklagten Erzbistum zu erbringen.

28

(1) Dies folgt nicht schon daraus, dass der von der Klägerin im Vorprozess erhobene Anspruch auf Beschäftigung als Gemeindereferentin rechtskräftig abgewiesen wurde.

29

(a) Der Umfang der materiellen Rechtskraft gemäß § 322 Abs. 1 ZPO ist aus dem Urteil und den dazu ergangenen Gründen zu bestimmen. Bei einer klageabweisenden Entscheidung ist der aus der Begründung zu ermittelnde ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 89; BGH 24. Juni 1993 - III ZR 43/92  - zu III 1 der Gründe ).

30

(b) Dass eine Weiterbeschäftigung der Klägerin als Gemeindereferentin dem beklagten Erzbistum unmöglich gewesen wäre, steht danach noch nicht rechtskräftig fest. Ausschlaggebender Grund für die Abweisung der Klage auf Beschäftigung als Gemeindereferentin war allein, dass das beklagte Erzbistum zwischenzeitlich ua. die hier gegenständliche Änderungskündigung erklärt hatte, welche den Beschäftigungsanspruch der Klägerin als Gemeindereferentin entfallen ließ.

31

(2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dem beklagten Erzbistum sei nach Maßgabe seines kirchlichen Selbstverständnisses eine Weiterbeschäftigung der Klägerin als Gemeindereferentin unmöglich gewesen, nachdem dieser ihre kanonische Beauftragung entzogen worden sei.

32

(a) Die staatlichen Gerichte haben ihrer Prüfung grundsätzlich die Anforderungen zugrunde zu legen, die nach dem kirchlichen Selbstverständnis an die Ausübung kirchlicher Ämter zu stellen sind. Nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 1 und Abs. 3 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates. Damit erkennt der Staat die Kirchen als Institutionen mit dem Recht der Selbstbestimmung an, die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht von ihm herleiten (BVerfG 9. Dezember 2008 - 2 BvR 717/08 - Rn. 3). Die Folge ist, dass der Staat in ihre inneren Verhältnisse nicht eingreifen darf (BVerfG 9. Dezember 2008 - 2 BvR 717/08 - Rn. 4; 17. Februar 1965 - 1 BvR 732/64 - zu II 1 der Gründe, BVerfGE 18, 385). Die Ausgestaltung des innerkirchlichen Dienst- und Amtsrechts unterliegt nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht und ist - sofern die Kirchen es nicht selbst dem staatlichen Recht unterstellen - der Gerichtsbarkeit des Staates entzogen(BVerfG 9. Dezember 2008 - 2 BvR 717/08 - Rn. 7).Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und die in Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV ausdrücklich gewährleistete Ämterautonomie umfassen das Recht festzulegen, welche Kirchenämter einzurichten, wie diese zu besetzen und welche Anforderungen an die Amtsinhaber zu stellen sind(BVerfG 9. Dezember 2008 - 2 BvR 717/08 - Rn. 14; BVerwG 25. November 1982 - 2 C 21/78 - zu II 1 der Gründe, BVerwGE 66, 241).

33

(b) Nach dem Selbstverständnis des beklagten Erzbistums als Teil der verfassten Kirchen handelt es sich bei dem pastoralen Dienst einer Gemeindereferentin um ein Kirchenamt iSv. can. 145 CIC, dessen Ausübung konstitutiv einer kanonischen Beauftragung gemäß can. 228 § 1 CIC bedarf. In Nr. 5 der Anlage 20 zur KAVO ist demgemäß vorgesehen, dass die Mitarbeiter im pastoralen Dienst des Bistums durch den Diözesanbischof beauftragt werden.

34

(c) Anhaltspunkte dafür, dass dieses Verständnis deshalb unplausibel sei, weil ein kirchliches Amt nur das geistliche Amt des Priestertums sein könne, bestehen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht.

35

(aa) Nur das Priesteramt ist zwar mit der sog. sacra potestas ausgestattet (Bethke Das kirchenamtliche Dienstverhältnis von Laien S. 15 mwN). Daneben können aber auch Laien zu besonderen kirchlichen Ämtern mit geistlicher Zielsetzung herangezogen werden (Bethke Das kirchenamtliche Dienstverhältnis von Laien S. 17 mwN), wenn die zuständige kirchliche Autorität solche Ämter zusätzlich schafft (vgl. Hallermann TThZ 108 (1999), 200, 207). Can. 145 § 1 CIC sieht die Möglichkeit der Einrichtung eines kirchlichen Amts durch kirchliche Anordnung ausdrücklich vor. Zwar wird die Anwendung des Begriffs „Amt“ auf die Stellung von Laien teilweise vermieden (vgl. Bethke Das kirchenamtliche Dienstverhältnis von Laien S. 23). Dennoch handelt es sich bei der Tätigkeit einer Gemeindereferentin nicht um einen nur vorübergehend eingerichteten Dienst, einen bloßen „munus“ (vgl. Hallermann TThZ 108 (1999), 200, 206 f.), sondern um einen ständigen Dienst zur Erfüllung eines geistlichen Zwecks. Er muss nach can. 145 § 1 CIC durch eine zuständige Autorität übertragen werden und ermächtigt den Berufenen zum Handeln im Namen der Kirche(vgl. Bethke Das kirchenamtliche Dienstverhältnis von Laien S. 45, 47; Hallermann TThZ 108 (1999), 200, 207 f., 214 ff.). Der bischöfliche Auftrag hebt die Tätigkeit einer Gemeindereferentin über die einem jeden Katholiken eingeräumte Fähigkeit heraus (vgl. Bethke Das kirchenamtliche Dienstverhältnis von Laien S. 45). Die Entscheidung der congregatio pro clericis über die Beschwerde der Klägerin gegen den Entzug ihrer kanonischen Beauftragung hat dieses Verständnis vom Dienst einer Gemeindereferentin als Kirchenamt bestätigt.

36

(bb) Im beklagten Erzbistum wurde der besondere Dienst der Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten teilkirchlich eingerichtet und festgelegt, dass der Erzbischof die dazu ausersehenen Personen ausdrücklich beauftragt (vgl. Nr. 1 des Diözesanen Statuts für Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten im beklagten Erzbistum vom 28. Dezember 1995, Kirchliches Amtsblatt für die Erzdiözese Paderborn 1996 Stück 3 Nr. 30, abgelöst durch das Diözesane Statut vom 1. Dezember 2006, Kirchliches Amtsblatt für die Erzdiözese Paderborn 2006 Stück 11 Nr. 142).

37

(d) In ihrer Erklärung von Januar 1998 hat die Klägerin die Geltung der Anlage 20 zur KAVO sowie des Diözesanen Statuts für Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten im beklagten Erzbistum vom 11. September 1995 für ihr Arbeitsverhältnis anerkannt. Einer ausdrücklichen arbeitsvertraglichen Vereinbarung, ihre Beschäftigung als Gemeindereferentin setze eine kanonische Beauftragung voraus, bedurfte es daneben nicht.

38

(3) Die für den Dienst als Gemeindereferentin konstitutive kanonische Beauftragung ist der Klägerin von der dafür zuständigen kirchlichen Stelle - bestätigt von der congregatio pro clericis und für die staatlichen Gerichte verbindlich - entzogen worden.

39

(a) Eine Kontrolle dieser kircheninternen Maßnahme durch die staatlichen Gerichte findet grundsätzlich nicht statt. Den Kirchen ist gemäß Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV ein besonderer Schutz bei der Ämtervergabe zuzubilligen. Weder die Ämtervergabe noch der Amtsentzug unterliegen dem staatlichen Rechtsschutz (Mager in v. Münch/Kunig GG Bd. 2 6. Aufl. Art. 140 Rn. 47; Lücke EuGRZ 1995, 651, 654 f.). So stellt auch der Entzug der missio canonica einen innerkirchlichen Akt dar, der aufgrund des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich ist (BAG 25. Mai 1988 - 7 AZR 506/87 - zu I 3 c der Gründe). Staatliche Mitwirkungsrechte bei der Besetzung kirchlicher Ämter können nur aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften begründet werden (Korioth in Maunz/Dürig GG Stand Januar 2013 Art. 140 GG/Art. 137 WRV Rn. 31).

40

(b) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dieses Primat des kirchlichen Selbstverständnisses im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK anerkannt. Auf Maßnahmen, die zum Kirchenrecht zählen und nicht Teil des Staatsrechts sind, findet Art. 6 EMRK keine Anwendung(vgl. EGMR 6. Dezember 2011 - 38254/04 - Rn. 79 ff., 88).

41

(c) Der Entzug der kanonischen Beauftragung der Klägerin für den Dienst als Gemeindereferentin steht nicht im Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot ( Art. 3 Abs. 1 GG ), den guten Sitten iSd. § 138 BGB oder demordre public ihren Niederschlag gefunden haben.

42

(aa) Die congregatio pro clericis hat den Entzug der Beauftragung mit Blick darauf gebilligt, dass die Klägerin ihrer Residenzpflicht nicht nachgekommen und das erforderliche Vertrauensverhältnis für eine pastorale Tätigkeit im Auftrag des Erzbischofs irreparabel beschädigt sei. Sie hat darin den nach can. 193 § 1 CIC erforderlichen schwerwiegenden Grund dafür gesehen, die Klägerin ihres Amts zu entheben.

43

(bb) Dies lässt jedenfalls keinen Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung erkennen. Es ist nicht willkürlich, in einer möglichen Verletzung von Dienst- bzw. Amtspflichten verbunden mit einem Verlust des für die Amtsausübung nach dem kirchlichen Selbstverständnis erforderlichen Vertrauens einen Grund für den Entzug des Amts zu sehen. Es unterliegt keiner Überprüfung durch die staatlichen Gerichte, welche Umstände im Einzelnen die entsprechende innerkirchliche Einschätzung gerechtfertigt haben und ob diese zutrifft.

44

(4) Mit dem Entzug der kanonischen Beauftragung fehlte der Klägerin dauerhaft die Befähigung für die vertraglich vereinbarte Tätigkeit einer Gemeindereferentin. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine erneute Beauftragung zu erwarten gewesen wäre. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Entzug ihrer kanonischen Beauftragung nicht deshalb kündigungsschutzrechtlich unbeachtlich, weil er auf einer Entscheidung des Bistums selbst beruht. Dieses hat sich damit nicht willkürlich selbst einen Kündigungsgrund geschaffen. Es war bei seiner Entscheidung an die kirchenrechtlichen Voraussetzungen nach can. 193 § 1 CIC gebunden. Ob diese beachtet wurden, unterlag zudem der kircheninternen Kontrolle, ua. durch die congregatio pro clericis. Die Beschränkung auf eine ausschließlich innerkirchliche Überprüfung dieser Maßnahme ist vom verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht der Kirche umfasst und einer Kontrolle durch die staatlichen Gerichte entzogen.

45

d) Aufgrund des Wegfalls der Befähigung der Klägerin für die vertraglich geschuldete Tätigkeit als Gemeindereferentin ist eine Änderung der vertraglichen Arbeitsbedingungen notwendig geworden. Nach den bisherigen Feststellungen ist offen, ob das beklagte Erzbistum mit dem Angebot, die Klägerin als Sekretärin mit Vergütung nach Entgeltgruppe 5 weiterzubeschäftigen, die Anpassung auf das objektiv erforderliche Maß beschränkt hat. Die entsprechende Sachaufklärung wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben.

46

aa) Die Klägerin hat geltend gemacht, das Angebot einer Teilzeitstelle mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit und einer Vergütung nach Entgeltgruppe 10 hätte die bisherigen Vertragsbedingungen weniger geändert. Sie hat sich damit zumindest konkludent darauf berufen, mit den ihr zuvor angebotenen religionspädagogischen Aufgaben im Institut für Religionspädagogik und Medienarbeit weiterbeschäftigt werden zu können.

47

bb) Damit hat die Klägerin entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hinreichend ausgeführt, wie sie sich eine anderweitige, ihrer bisherigen Tätigkeit näher kommende Beschäftigung vorstellt. Es ist im Rahmen von § 2 iVm. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer einen ganz bestimmten freien Arbeitsplatz bezeichnet. Er genügt seiner Darlegungslast in der Regel schon dadurch, dass er angibt, an welchen Betrieb er denkt und welche Art der Beschäftigung er meint (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 30; 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 28, BAGE 142, 36). Es war daher Sache des beklagten Erzbistums, substantiiert zu erläutern, aus welchem Grund eine Beschäftigung der Klägerin auf einem Arbeitsplatz mit den angebotenen religionspädagogischen Aufgaben nicht möglich gewesen sei. Das Landesarbeitsgericht wird ihm Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen zu geben haben. In der vom Bistum in Bezug genommenen Anhörung der Mitarbeitervertretung vom 16. Dezember 2010 wurde lediglich ausgeführt, die Klägerin habe zumutbare andere Tätigkeiten abgelehnt.

48

cc) Die vorausgegangene Ablehnung der nunmehr ins Spiel gebrachten Tätigkeit hindert die Klägerin nicht, sich auf diese Änderungsmöglichkeit zu berufen. Ihr Verhalten wäre nur dann widersprüchlich, wenn sie zuvor hätte erkennen lassen, sie werde ein entsprechendes Angebot unter keinen Umständen, auch nicht bei Ausspruch einer Änderungskündigung und auch nicht unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG annehmen(vgl. BAG 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II 4 c ee der Gründe, BAGE 114, 243). Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.

49

dd) Auch das Angebot einer Weiterbeschäftigung mit Aufgaben der Entgeltgruppe 10 zu einem geringeren zeitlichen Umfang als bisher hätte weniger weit vom bisherigen Arbeitsvertrag der Klägerin entfernt sein können als die angebotene Vollzeitstelle als Sekretärin. Dies gilt selbst dann, wenn die Klägerin aufgrund des geringeren Beschäftigungsumfangs trotz der höheren Entgeltgruppe weniger verdient hätte als bei einer Beschäftigung als Sekretärin in Vollzeit.

50

(1) Im Arbeitsverhältnis kommt der Höhe der Vergütung pro Zeiteinheit und damit der Wertigkeit der Tätigkeit eine besondere Bedeutung zu. Diese bleibt - anders als beim Angebot einer geringerwertigen Tätigkeit mit unverändertem Stundenumfang - bei einer bloßen Reduzierung des Beschäftigungsumfangs gleich. Sie stellt deshalb grundsätzlich den weniger weit reichenden Eingriff in das vertragliche Austauschverhältnis dar.

51

(2) Daran ändert sich im Grundsatz nichts, wenn der Arbeitnehmer auf der Teilzeitstelle mit höherwertiger Tätigkeit insgesamt eine geringere Vergütung erzielt als auf der Vollzeitstelle mit geringerwertiger Tätigkeit. Zwar verschlechtert sich dadurch sein Gesamtvergütungsanspruch. Der höhere Gesamtverdienst auf der geringer bewerteten Vollzeitstelle wiegt aber den objektiven Vorteil der Beschäftigung mit einer höherwertigen Tätigkeit auf einer Teilzeitstelle in der Regel nicht auf. Dieser liegt darin, dass der Arbeitnehmer seine aufgrund der Teilzeitbeschäftigung frei werdende Arbeitskraft anderweitig verwerten oder nutzen kann. Zudem hat er bei einer Beschäftigung in Teilzeit die Möglichkeit, dem Arbeitgeber nach § 9 TzBfG den Wunsch nach einer Verlängerung seiner Arbeitszeit anzuzeigen mit der Folge, dass er bei der zukünftigen Besetzung eines geeigneten freien Arbeitsplatzes uU bevorzugt berücksichtigt werden muss. Nicht zuletzt ermöglicht ihm eine Weiterbeschäftigung auf der Teilzeitstelle mit höherwertiger Tätigkeit eher den Erhalt seiner Qualifikationen.

52

(3) Im Streitfall würde der objektive Vorteil der Beibehaltung einer nach Entgeltgruppe 10 zu vergütenden Tätigkeit bei einem Beschäftigungsumfang von 50 vH - wie von der Klägerin geltend gemacht - nicht dadurch aufgewogen, dass nach dem Vorbringen des beklagten Erzbistums die Klägerin als Sekretärin in Vollzeit 2.650,82 Euro brutto, in ihrer bisherigen Entgeltgruppe 10 dann hingegen nur 1.997,10 Euro verdient hätte, was einem Unterschied in Höhe von 394,89 Euro netto entspräche. Eine solche Vergütungsdifferenz von - auf Bruttobasis - weniger als 25 vH vermöchte die erhebliche Herabstufung nach der Art der Tätigkeit, verbunden mit einer Herabgruppierung um fünf Entgeltgruppen bei weiterhin voller Arbeitszeit, nicht zu kompensieren.

53

ee) Die Notwendigkeit, die Anpassung der Vertragsbedingungen auf das objektiv erforderliche Maß zu beschränken, stellt keine Überforderung des Arbeitgebers dar. Sofern im Einzelfall schwierig zu bestimmen sein sollte, welches von mehreren möglichen Änderungsangeboten sich weniger weit vom bisherigen Vertragsinhalt entfernt, steht es dem Arbeitgeber frei, dem Arbeitnehmer die in Betracht kommenden Änderungen alternativ anzubieten. Der Arbeitnehmer hätte dann die Wahl, eines der Angebote vorbehaltlos oder unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG anzunehmen oder sämtliche Änderungsangebote abzulehnen. Auf eine abgelehnte Weiterbeschäftigungsmöglichkeit vermöchte er sich im Rechtsstreit nicht mehr widerspruchsfrei als eine den bisherigen Vertragsbedingungen näher kommende Alternative zu berufen (vgl. zu diesem Erfordernis der Widerspruchsfreiheit BAG 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 46; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II 4 c gg der Gründe mwN, BAGE 114, 243).

54

5. Die Sache ist hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

55

a) Die Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen nicht wegen fehlerhafter Anhörung der Mitarbeitervertretung unwirksam.

56

aa) Die Klägerin unterfällt gemäß Art. 5 § 11 des Diözesanen Statuts für Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten vom 1. Dezember 2006 (Kirchliches Amtsblatt für die Erzdiözese Paderborn 2006 Stück 11 Nr. 142) der Zuständigkeit der für diese gebildeten Mitarbeitervertretung. Die Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten des beklagten Erzbistums gelten als Einrichtung im Sinne des § 1a Abs. 2 der Mitarbeitervertretungsordnung für das beklagte Erzbistum(MAVO).

57

bb) Eine Kündigung, die unter Missachtung von § 30 Abs. 1 und Abs. 2 MAVO ausgesprochen wurde, ist wegen § 30 Abs. 5 MAVO auch nach staatlichem Recht unwirksam(vgl. BAG 10. Dezember 1992 - 2 AZR 271/92 - zu II 1 der Gründe; APS/Linck 4. Aufl. Mitarbeitervertretung im kirchlichen Bereich Rn. 63).

58

cc) Nach § 30 Abs. 1 MAVO ist der Mitarbeitervertretung vor jeder ordentlichen Kündigung durch den Dienstgeber schriftlich die Absicht zu kündigen mitzuteilen. Bestand das Arbeitsverhältnis bei der Kündigung mindestens sechs Monate, sind auch die Gründe für die Kündigung darzulegen. Will die Mitarbeitervertretung gegen die Kündigung Einwendungen geltend machen, hat sie diese gemäß § 30 Abs. 2 MAVO unter Angabe der Gründe dem Dienstgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Erhebt die Mitarbeitervertretung innerhalb der Frist keine Einwendungen, gilt die beabsichtigte Kündigung als nicht beanstandet. Erhebt die Mitarbeitervertretung Einwendungen und hält der Dienstgeber an der Kündigungsabsicht fest, werden die Einwendungen in einer gemeinsamen Sitzung von Dienstgeber und Mitarbeitervertretung mit dem Ziel einer Verständigung beraten. Der Dienstgeber setzt den Termin der gemeinsamen Sitzung fest und lädt hierzu ein.

59

dd) Die Regelungen in § 30 Abs. 1 und Abs. 2 MAVO sind - mit Ausnahme der Beratungspflicht nach rechtzeitig erhobenen Einwendungen - § 102 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG nachgebildet. Insofern können die dort geltenden Grundsätze für die Auslegung herangezogen werden (vgl. BAG 16. Oktober 1991 - 2 AZR 156/91 - zu II 2 c der Gründe). Wie bei § 102 Abs. 1 BetrVG hat der Dienstgeber nicht alle erdenklichen, sondern nur die für ihn maßgebenden Kündigungsgründe mitzuteilen(APS/Linck 4. Aufl. Mitarbeitervertretung im kirchlichen Bereich Rn. 31; MAVO/Fuhrmann 6. Aufl. § 30 Rn. 37, 40; Joussen ZMV 2006, 116, 119). Die Kündigungsgründe sind konkret darzustellen, pauschale Angaben und bloße Werturteile genügen nicht.

60

ee) Im Streitfall wird das durchgeführte Anhörungsverfahren den Anforderungen des § 30 Abs. 1 MAVO gerecht. Das beklagte Erzbistum hat die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 16. Dezember 2010 ausreichend über die Kündigungsgründe unterrichtet. Aus dem Schreiben ergibt sich, dass der Klägerin nach Auffassung des Bistums aufgrund des Entzugs der kanonischen Beauftragung endgültig die Befähigung zur Ausübung ihrer vertraglichen Verpflichtungen als Gemeindereferentin fehlte und aus diesem Grund (hilfsweise) die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses - verbunden mit dem aus Sicht des Bistums für sie am wenigsten nachteiligen Angebot einer Weiterbeschäftigung als Sekretärin nach Entgeltgruppe 5 - erklärt werden sollte.

61

ff) Nach den bisherigen Feststellungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass das beklagte Erzbistum das weitere Verfahren nach § 30 Abs. 2 MAVO nicht eingehalten hätte.

62

b) Die Kündigung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das Verbot von Maßregelungen in § 612a BGB unwirksam.

63

aa) Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Als Maßnahme kommt auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Sie kann sich als Benachteiligung wegen einer zulässigen Rechtsausübung darstellen. Das Maßregelungsverbot ist verletzt, wenn zwischen der Rechtsausübung und der Benachteiligung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dafür muss die zulässige Rechtsausübung der tragende Grund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur der äußere Anlass für sie war ( BAG 19. April 2012 - 2 AZR 233/11 - Rn. 47; 12. Mai 2011 - 2 AZR 384/10  - Rn. 38 ).

64

bb) Nach diesen Grundsätzen liegt hier kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot vor. Es ist nicht erkennbar, dass die Rechtsausübung der Klägerin in Gestalt der Vorprozesse der tragende Grund für die Änderungskündigung vom 29. Dezember 2010 gewesen wäre. Das Bistum hat sich zur Begründung der Änderungskündigung auf den Entzug der kanonischen Beauftragung der Klägerin für den Dienst als Gemeindereferentin berufen. Der Entzug seinerseits war laut des die Beschwerde der Klägerin zurückweisenden Dekrets der congregatio pro clericis nicht darauf gestützt, dass die Klägerin Rechtsstreitigkeiten mit dem Bistum geführt hatte. Der Amtsentzug wurde als gerechtfertigt angesehen, weil die Klägerin ihre Residenzpflicht verletzt habe und das Vertrauensverhältnis für eine pastorale Tätigkeit im Auftrag des Erzbischofs nicht mehr gegeben sei. Dies wiederum war nach der Begründung des Dekrets über den Entzug der Beauftragung nicht deshalb der Fall, weil die Klägerin Rechtsstreitigkeiten gegen ihren Dienstherrn geführt, sondern weil sie unwahre und ehrverletzende Behauptungen verbreitet bzw. deren Verbreitung geduldet und gefördert habe. Anhaltspunkte dafür, der in Wirklichkeit tragende Grund für die Entscheidung sei gleichwohl der Umstand gewesen, dass die Klägerin überhaupt ihre Rechte klageweise geltend gemacht hatte, sind nicht gegeben. Die kircheninterne Würdigung des Verhaltens der Klägerin unterliegt keiner Überprüfung durch die staatlichen Gerichte.

65

II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf - weitergehende - Vergütung aus § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1, § 293 ff. BGB. Es bedarf keiner Entscheidung, ob ihr ein auf die Gehaltserhöhung gerichteter Anspruch für die Zeit vom 26. Juli bis zum 30. September 2010 bereits durch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Vorprozess über den dort eingeklagten Betrag rechtskräftig aberkannt ist oder ob es sich insofern um die Entscheidung über eine (verdeckte) Teilklage handelt, deren Bindungswirkung lediglich den erhobenen Teilanspruch umfasst (vgl. dazu BGH 27. Juli 2012 - V ZR 258/11 - Rn. 9; 9. April 1997 - IV ZR 113/96 - BGHZ 135, 178). Das beklagte Erzbistum war weder während dieses Zeitraums noch in der Zeit vom 1. Oktober 2010 bis zum 2. Dezember 2010 mit der Annahme der Arbeitsleistung der Klägerin in Verzug.

66

1. Nach § 297 BGB kommt der Arbeitgeber trotz Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außerstande ist, die vertraglich geschuldete Leistung zu bewirken. Neben der - tatsächlichen oder rechtlichen - Leistungsunfähigkeit erfasst § 297 BGB auch das Fehlen von Leistungswilligkeit. Ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer setzt sich selbst außerstande, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die objektive Leistungsfähigkeit und der subjektive Leistungswille sind Voraussetzungen, die während der gesamten Dauer des Annahmeverzugs vorliegen müssen ( BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 93/12 - Rn. 25; 22. Februar 2012 -  5 AZR 249/11  - Rn. 16 , BAGE 141, 34).

67

2. Die Klägerin war in diesem Sinne zur Leistung unfähig bzw. unwillig. Für die vertraglich geschuldete Tätigkeit als Gemeindereferentin fehlte ihr nach dem sofort wirksamen Entzug der kanonischen Beauftragung am 16. März 2010 die subjektive Leistungsfähigkeit. Wird zu ihren Gunsten unterstellt, das beklagte Erzbistum sei aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten gewesen, sie - vorübergehend - mit anderen als den vertragsgemäßen Arbeiten zu beschäftigen (vgl. zur Diskussion BAG 27. August 2008 - 5 AZR 16/08 - Rn. 15; 18. Dezember 1986 - 2 AZR 34/86 - zu B II 4 der Gründe), ist es dieser Verpflichtung hier nachgekommen. Es hat der Klägerin näher benannte religionspädagogische Aufgaben zugewiesen, deren Erfüllung diese mit Wirkung ab dem 26. Juli 2010 ablehnte. Dies begründet ihre Leistungsunwilligkeit jedenfalls ab diesem Zeitpunkt.

68

III. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 33a Abs. 1 KAVO, § 1 Abs. 1 der Anlage 14 zur KAVO auf Zahlung einer Weihnachtszuwendung für das Jahr 2010 über den ihr zugesprochenen Anteil in Höhe von 5/12 hinaus. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, der volle Anspruch auf 80 vH eines Bruttomonatsgehalts sei gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 der Anlage 14 zur KAVO in dem Umfang zu kürzen gewesen, wie die Klägerin für volle Kalendermonate im Jahr 2010 keinen Entgeltanspruch hatte. Dies war in sieben Monaten - im Januar und Februar sowie von August bis Dezember 2010 - der Fall.

69

1. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der Anlage 14 zur KAVO vermindert sich die Weihnachtszuwendung um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, für den der Mitarbeiter während des Kalenderjahres keinen Anspruch auf Bezüge aus einem Rechtsverhältnis der in § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Anlage 14 zur KAVO genannten Art hat.

70

2. Die Regelung ist wirksam. Dies gilt selbst dann, wenn sie als allgemeine Geschäftsbedingung ebenso wie eine rein einzelvertragliche Bestimmung einer vollen Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB unterliegen sollte (vgl. zum Prüfungsmaßstab bei kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen BAG 17. November 2005 - 6 AZR 160/05 - Rn. 16 ff., 19, 20 ff.).

71

a) Die Kürzungsregelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 der Anlage 14 zur KAVO ist nicht unklar iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie sieht eine Kürzung pro rata temporis für Monate ohne Bezüge mit im Satz 2 der Bestimmung konkret benannten Ausnahmen vor.

72

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Kürzungsregelung nicht deshalb unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 BGB und damit unwirksam, weil sie nicht danach unterscheidet, ob der Arbeitnehmer aufgrund eines ihm selbst oder eines dem Arbeitgeber zuzurechnenden Umstands keinen Vergütungsanspruch hatte. Mit Blick auf einen möglichen Anspruchsverlust infolge von Arbeitsunfähigkeit ergibt sich schon aus § 4a EFZG, dass das Gesetz im Rahmen der dort genannten Grenzen - die hier nicht überschritten sind - eine solche Differenzierung bei Kürzungsregelungen für Sondervergütungen nicht verlangt. In welchen sonstigen Fällen ein Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis aufgrund eines dem Arbeitgeber zuzurechnenden Umstands seinen Vergütungsanspruch verlieren könnte, ist weder von der Klägerin vorgetragen, noch objektiv ersichtlich. So trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko und hat bei Annahmeverzug die Vergütung fortzuzahlen.

73

3. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Klägerin habe für die Monate Januar und Februar 2010 wegen ihrer von Januar 2009 bis Ende Februar 2010 andauernden Erkrankung keinen Entgeltanspruch gehabt. Auch für die Monate August bis Dezember 2010 hat es einen Vergütungsanspruch der Klägerin zutreffend verneint. Die Klägerin hat in dieser Zeit keine Arbeitsleistung erbracht, das beklagte Erzbistum war - wie ausgeführt - mit der Annahme ihrer Leistung auch nicht in Verzug. Ein Vergütungsanspruch für die Zeit nach dem 2. Dezember 2010 ist als solcher nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Dennoch hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis einen Entgeltanspruch der Klägerin für den Monat Dezember 2010 mit Recht verneint. Zwar hat das beklagte Erzbistum am 2. Dezember 2010 eine - unwirksame - außerordentliche Änderungskündigung ausgesprochen. Die Klägerin war jedoch zur Leistung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit als Gemeindereferentin weiterhin nicht fähig. Für andere Arbeiten fehlte ihr der erforderliche Leistungswille. Das beklagte Erzbistum musste ihr jedenfalls zur Vermeidung von Annahmeverzug nicht noch einmal die Arbeiten anbieten, die sie bereits abgelehnt hatte (vgl. BAG 27. August 2008 - 5 AZR 16/08 - Rn. 15).

74

IV. Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht von der der Klägerin zugesprochenen anteiligen Weihnachtszuwendung für das Jahr 2010 in Höhe von 1.323,46 Euro brutto Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 2.694,15 Euro netto in Abzug gebracht hat. Ob und in welcher Höhe der Anspruch gemäß § 115 SGB X auf Sozialleistungsträger übergegangen und anzurechnen ist, steht noch nicht fest.

75

1. Auch Sonderzahlungen sind grundsätzlich übergangsfähige Entgeltleistungen (vgl. BAG 26. Mai 1992 - 9 AZR 41/91 - BAGE 70, 275). Nach der Begriffsbestimmung in § 14 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Die mögliche Unpfändbarkeit eines Anspruchs auf Weihnachtsvergütung steht dem Übergang gemäß § 115 Abs. 2 SGB X nicht entgegen.

76

2. Voraussetzung für den Übergang eines Anspruchs nach § 115 Abs. 1 SGB X ist, dass seine Nichterfüllung kausal war für die Leistung durch den Träger.

77

a) Zweck des § 115 SGB X ist es, dem Sozialleistungsträger die Leistungen zurückzuerstatten, die nicht angefallen wären, wenn der Arbeitgeber seiner Leistungspflicht rechtzeitig nachgekommen wäre. Voraussetzung ist also eine Kumulation von Ansprüchen in der Person des Leistungsempfängers derart, dass zu der Befriedigung eines identischen Interesses der Arbeitgeber und ggf. ein Sozialleistungsträger verpflichtet sind. Die Bestimmung verlangt eine zeitliche Kongruenz dergestalt, dass die Sozialleistung tatsächlich an die Stelle des Arbeitsentgelts getreten ist. Eine völlige zeitliche Deckung von arbeitsrechtlichem Vergütungszeitraum und sozialrechtlichem Leistungszeitraum ist dafür nicht erforderlich. Entscheidend ist, für welchen Zeitraum die Leistungen des Arbeitgebers auf der einen und die des Sozialleistungsträgers auf der anderen Seite bestimmt sind (vgl. BAG 21. März 2012 - 5 AZR 61/11 - Rn. 21, BAGE 141, 95; 26. Mai 1993 - 5 AZR 405/92 - zu 2 a der Gründe, BAGE 73, 186).

78

b) Das Landesarbeitsgericht hat bislang nicht geprüft, ob und ggf. in welcher Höhe eine zeitliche und inhaltliche Kongruenz der angerechneten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Anspruchs der Klägerin auf Weihnachtszuwendung gegeben ist. Dies wird es nachzuholen haben. Die Überleitungsanzeige vom 10. Februar 2011 bezog sich nur auf Lohnansprüche für den Zeitraum vom 5. Oktober 2010 bis zum 30. November 2010.

79

c) In Betracht kommt auch eine Anrechnung anderer Sozialleistungen. Die Klägerin hat vorgetragen, ab dem 12. Dezember 2010 Arbeitslosengeld erhalten zu haben.

80

3. Die Höhe eines möglichen Forderungsübergangs auf den Sozialleistungsträger gemäß § 115 Abs. 1 SGB X ist durch die Höhe des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt begrenzt(vgl. BeckOK SozR/Pohl 30. Edition § 115 SGB X Rn. 21 mwN). Ein den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers übersteigender Betrag kann nicht übergehen. Auch dies wird das Landesarbeitsgericht ggf. zu berücksichtigen haben.

81

V. Die Verurteilung des beklagten Erzbistums zur Zahlung von Urlaubsabgeltung wird das Landesarbeitsgericht, sollte es zu dem Ergebnis kommen, die Kündigung vom 29. Dezember 2010 habe das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst, aufzuheben und für gegenstandslos zu erklären haben (vgl. BAG 24. Januar 2013 - 2 AZR 140/12 - Rn. 29; BGH 14. Dezember 1988 - IVa ZR 209/87  - zu IV der Gründe, BGHZ 106, 219 ). Andernfalls verbleibt es bei deren Rechtskraft. Die Entscheidung über den von der Klägerin nur hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Kündigungsschutzantrag erhobenen Anspruch auf Urlaubsabgeltung steht unter der auflösenden Bedingung, dass dem Hauptantrag endgültig stattgegeben wird und damit kein Raum mehr für die Entscheidung über den Hilfsantrag bleibt (vgl. BGH 6. November 2012 - II ZR 280/11 -; 14. Dezember 1988 - IVa ZR 209/87 - aaO). Eine Aufhebung durch den Senat kommt nicht in Betracht, weil das Bistum selbst seine Verurteilung nicht angefochten hat.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    Söller    

        

    Jan Eulen    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 5. August 2010 - 2 Sa 634/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses sowie über die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers.

2

Die Beklagte ist ein international tätiges IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen mit ca. 2000 Mitarbeitern in Deutschland. Der Kläger ist Jurist. Von Dezember 1999 bis November 2000 nahm er erfolgreich an einem Qualifikationsprogramm „Applikationsentwickler Client-Server“ teil. Wenige Wochen vor dem Ende dieses Programms besuchte ein Bereichsleiter der Beklagten den Kurs und forderte die Teilnehmer auf, sich bei dieser zu bewerben. Auf seine Bewerbung hin wurde der Kläger zum 1. Dezember 2000 von der Beklagten als Organisationsprogrammierer eingestellt. Zu seinen vertraglichen Aufgaben gehörte ua. die „Programmierung von Anwendersoftware“ und die „Beratung in Organisations- und Systemfragen“.

3

Der Kläger wurde zunächst im B-Projekt PPC eingesetzt und mit der Konzepterstellung, einer Projektassistenz sowie dem Erstellen eines Handbuchs beauftragt. Nach Abschluss des Projekts war er weiter für den Kunden B im Projekt „Produkt Qualitätsmanagement“ bis zu dessen Ende im Herbst 2004 tätig. Zwischenzeitlich wurde die Abteilung „TA Applications Consulting und Development“, in der der Kläger beschäftigt war, aufgelöst. Deshalb sollte er ab Mai 2005 im Bereich Programmierung eingesetzt werden. Zu diesem Zweck wurde ihm zunächst ein Skript zum Selbststudium überlassen. Eine beabsichtigte zweimonatige Schulung in der Filiale P scheiterte. Danach sollte der Kläger sich in ein bestimmtes Securitysystem einarbeiten. Hierzu nahm er an mindestens zwei Schulungen teil. Im August 2006 wurde er im Projekt „B-Atlas“ eingesetzt. Im März 2007 sollte er im Programmierbereich tätig werden, löste aber die ihm gestellte Aufgabe nicht.

4

Im Mai 2007 initiierte der Kläger zusammen mit Kollegen eine Betriebsversammlung zur (erstmaligen) Wahl eines Betriebsrats.

5

Am 20. Juni 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich wegen Arbeitsverweigerung.

6

Am 10. Oktober 2007, einen Tag vor der Betriebsratswahl, schickte der Kläger eine E-Mail an 20 Mitarbeiter der Beklagten, in der er ua. ausführte:

        

„Wie Ihr vielleicht wisst, wurde ich am 20.6. fristlos gekündigt, es wurden zwar kein Gründe angegeben, aber es liegt natürlich auf der Hand, dass man mit dieser Maßnahme den Betriebsrat verhindern wollte.“

Wegen dieser E-Mail kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 23. Oktober 2007 erneut außerordentlich. Das Arbeitsgericht stellte die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 20. Juni und 23. Oktober 2007 rechtskräftig fest und verurteilte die Beklagte, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Organisationsprogrammierer weiterzubeschäftigen.

7

Am 31. Januar 2008 mahnte die Beklagte den Kläger mit der Begründung ab, er habe gegenüber einem Mitarbeiter erklärt, man müsse sie - die Beklagte - in allen Belangen „hart anfassen“. Mit einer Abmahnung vom 5. Februar 2008 wurde ihm vorgeworfen, er habe sich nicht acht Stunden täglich auf einen Arbeitseinsatz vorbereitet. Mit einer weiteren Abmahnung vom 19. Februar 2008 rügte die Beklagte die fehlende Bereitschaft des Klägers, seine Programmiererfähigkeiten gutachterlich untersuchen zu lassen.

8

Am 4. März 2008 erstellte ein IT-Sachverständiger nach zwei Gesprächen mit dem Kläger ein Gutachten über dessen Qualifikations- und Kenntnisstand im Bereich der Softwareentwicklung. Er kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht über die erforderliche fachliche Qualifikation verfüge, um eine Tätigkeit als Organisationsprogrammierer zu erbringen.

9

Die Beklagte hörte den bei ihr bestehenden Betriebsrat am 6. März 2008 zu einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist an. Der Personalausschuss des Betriebsrats stimmte den beabsichtigten Kündigungen zu. Mit Schreiben vom 10. März 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise außerordentlich mit einer Auslauffrist zum 30. Juni 2008. Zugleich erteilte sie dem Kläger Hausverbot.

10

Nach Auslaufen des nachwirkenden Kündigungsschutzes als Bewerber zur Betriebsratswahl hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 16. April 2008 zu einer ordentlichen Kündigung des Klägers aus personen- und verhaltensbedingten Gründen an. Der Vorsitzende des Personalausschusses teilte am 17. April 2008 die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung mit. Am gleichen Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. September 2008.

11

Zum 30. April 2008 schied einer der beiden bei der Beklagten beschäftigten Juristen aufgrund einer Eigenkündigung vom Januar 2008 aus. Spätestens zum 1. Oktober 2008 stellte die Beklagte einen Juristen neu ein.

12

Am 13. Oktober 2008 wollte der Kläger als Ersatzmitglied an einer außerhalb des Betriebs stattfindenden Sitzung des Betriebsrats teilnehmen. Der Vorsitzende verweigerte ihm dies. Da der Kläger nicht freiwillig gehen wollte, rief er die Polizei zu Hilfe. Hierzu nahm der Kläger am 7. November 2008 nach Aufforderung durch die Beklagte wie folgt Stellung:

        

„Da Sie zweifellos nicht das Hausrecht über die Gaststätte ... ausüben, besteht kein Anlass, zu Ihrem Schreiben näher Stellung zu nehmen.

        

Einen besseren Beweis als Ihr Schreiben, dass der m Betriebsrat unternehmensgesteuert, unternehmensdominiert und unternehmensbestimmt ist und dass Sie ihn lediglich als Hilfsorgan ansehen, hätten Sie gar nicht liefern können.“

13

In einem Schreiben vom 27. November 2008 wiederholte der Kläger den Vorwurf, der Betriebsrat sei von der Beklagten nicht unabhängig. Die Beklagte forderte ihn am 3. Dezember 2008 auf, diese Äußerung zurückzunehmen und den Betriebsfrieden zukünftig nicht mehr zu stören.

14

Mit einem als „Abmahnung und Aufforderung zum Widerruf“ überschriebenen Schreiben vom 23. Dezember 2008 rügte die Beklagte den Kläger wegen seiner Äußerung in der E-Mail vom 10. Oktober 2007 und forderte ihn auf, gegenüber den Empfängern dieser Mail bis 9. Januar 2009 seine Äußerung zu widerrufen, andernfalls behalte sie sich arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zum Ausspruch einer Kündigung vor. Nachdem die Beklagte den Betriebsrat zu einer weiteren außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung angehört und der Personalausschuss mitgeteilt hatte, dass dagegen keine Einwände bestünden, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 21. Januar 2009 außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Mit Schreiben vom 11. Februar 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis ein weiteres Mal außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin, nachdem der Personalausschuss auch dagegen keine Einwände erhoben hatte.

15

Mit Schreiben vom 7. April 2009 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses, weil der Kläger nicht programmieren könne und ihm diese Fähigkeit bereits bei Abschluss des Vertrags gefehlt habe.

16

Der Kläger hat mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage geltend gemacht, sämtliche Kündigungen seien unwirksam. Er habe zu keiner Zeit die Arbeit verweigert. Die ihm gestellten Aufgaben seien jedoch zu schwierig und die angebotenen Schulungen für ihn als Anfänger nicht geeignet gewesen. Ein Fachfremder könne in einer einjährigen Schulung das Programmieren nicht lernen. Die Beklagte habe bei seiner Einstellung gewusst, dass er lediglich eine Qualifizierungsmaßnahme von einem Jahr absolviert habe. Trotz seiner unzureichenden Kenntnisse habe sie ihn eingestellt und fünf Jahre lang ohne Programmiertätigkeiten beschäftigt. Nach Ablauf der Probezeit könne sie sich deshalb nicht mehr auf unzulängliche Kenntnisse berufen. Er könne weiterhin in einem der Tätigkeitsbereiche eingesetzt werden, in dem er jahrelang gearbeitet habe. Auch sei während der Kündigungsfrist die Stelle eines Juristen zur Nachbesetzung frei gewesen, die ihm habe übertragen werden können.

17

Im Übrigen sei er ordentlich unkündbar gewesen. Bei Ausspruch der Kündigung vom 17. April 2008 habe ihm der nachwirkende Kündigungsschutz als Ersatzmitglied zugestanden. In den Betriebsratssitzungen am 28. oder 29. Februar, 29. März und 28. April 2008 seien ordentliche Betriebsratsmitglieder verhindert gewesen. Gleichwohl sei er nicht geladen worden.

18

Die Abmahnungen vom 31. Januar, 5. Februar, 26. Februar und 23. Dezember 2008 seien unwirksam und deshalb zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

19

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 10. März 2008 nicht beendet worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 17. April 2008 nicht zum 30. September 2008 beendet worden ist;

        

3.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 21. Januar 2009 noch durch die hilfsweise ausgesprochene Kündigung von diesem Tage zum 30. Juni 2009 beendet worden ist;

        

4.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 11. Februar 2009 noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung von diesem Tage zum 30. Juni 2009 beendet worden ist;

        

5.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen;

        

6.    

die Beklagte zu verurteilen, die ihm mit Schreiben vom 31. Januar 2008, 5. Februar 2008, 26. Februar 2008 und 23. Dezember 2008 erteilten Abmahnungen zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

20

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise

        

für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigungen vom 10. März und 17. April 2008 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2, § 10 Abs. 1 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, die jedoch 8.042,28 Euro brutto nicht übersteigen sollte, zum 30. September 2008 aufzulösen.

21

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 17. April 2008 sei aus verhaltensbedingten und personenbedingten Gründen gerechtfertigt. Entweder habe der Kläger trotz Abmahnungen die Arbeit verweigert oder er sei nicht in der Lage, zu programmieren. Seine ursprüngliche Tätigkeit könne er nicht mehr ausüben, seine Abteilung sei bereits 2005 aufgelöst worden. Eine Weiterbeschäftigung im Rahmen von Projekten sei nicht möglich. Sämtliche Projekte seien abgeschlossen, es gebe nur noch freie Stellen als Programmierer. Für eine Tätigkeit im Bereich Business fehle dem Kläger die notwendige Qualifikation. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger auf der frei gewordenen Juristenstelle, einer Beförderungsstelle, weiterzubeschäftigen. Die Position habe zunächst nicht nachbesetzt werden sollen. Erst Anfang Juli 2008 habe sie entschieden, wieder einen Juristen einzustellen. Die Kündigung vom 21. Januar 2009 sei begründet, weil der Kläger trotz Abmahnung und Aufforderung mit Fristsetzung die beleidigenden Äußerungen in seiner E-Mail vom 10. Oktober 2007 nicht widerrufen habe. Die Kündigung vom 11. Februar 2009 beruhe auf dem Vorwurf, der Betriebsrat sei unternehmensgesteuert. Die Anfechtung sei wirksam. Bei der Fähigkeit zu programmieren handele es sich um eine verkehrswesentliche Eigenschaft. In jedem Fall sei das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Es sei zerrüttet. Der Kläger habe sie anlässlich der letzten Betriebsratswahl erheblich diskreditiert.

22

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen.

23

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 10. März 2008 weder fristlos noch mit einer sozialen Auslauffrist aufgelöst worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine noch rechtshängigen Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

24

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Die Kündigung vom 17. April 2008 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2008 aus personenbedingten Gründen iSd. § 1 Abs. 2 KSchG rechtswirksam beendet.

25

I. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist aus Gründen in der Person des Klägers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

26

1. Zum Zeitpunkt der Kündigung vom 17. April 2008 bestand zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis.

27

a) Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist, wie das Landesarbeitsgericht mangels Revision der Beklagten rechtskräftig festgestellt hat, durch die Kündigung vom 10. März 2008 nicht aufgelöst worden.

28

b) Das Arbeitsverhältnis ist von der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 7. April 2009 nicht wirksam - und dann rückwirkend zum März 2008 - angefochten worden. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht das Vorliegen eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft nach § 119 Abs. 2 BGB verneint.

29

aa) Fehlt einem Vertragspartner die fachliche Qualifikation, die dem Vertrag von den Parteien ersichtlich zugrunde gelegt worden ist, kann dies zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB berechtigen.

30

bb) Der Beklagten war bei der Einstellung des Klägers bekannt, dass dieser nur für ein Jahr an dem Qualifizierungsprogramm „Applikationsentwickler Client-Server“ teilgenommen hatte. Es fehlt deshalb an einem schlüssigen Vortrag dahin, dass sie die Kenntnisse, die sie mittlerweile beim Kläger als erforderlich ansieht, schon bei Vertragsschluss gefordert und zur Voraussetzung des Arbeitsvertrags gemacht hat.

31

cc) Auf die Frage, ob die Beklagte die Anfechtung unverzüglich iSd. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB erklärt hat, kommt es nicht mehr an.

32

2. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist durch Gründe in der Person des Klägers bedingt.

33

a) Das Landesarbeitsgericht hat mit Bezug auf das Gutachten des IT-Sachverständigen zum Qualifikations- und Kenntnisstand des Klägers im Bereich der Softwareentwicklung angenommen, dass diesem die wesentlichen Grundlagen des Programmierens fehlten und er sich die notwendigen Kenntnisse nur durch eine zweijährige Ausbildung hätte aneignen können. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an.

34

b) Aufgrund dieses in einem vertretbaren Zeitraum nicht zu behebenden Mangels an Programmierkenntnissen des Klägers lag zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung eine erhebliche Störung des Arbeitsverhältnisses der Parteien vor (vgl. dazu BAG 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 - zu B der Gründe, BAGE 61, 131; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 271 ff.). Der Umstand, dass dieser Mangel in den ersten Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nicht zum Tragen kam, weil der Kläger zunächst vertragsgemäß anderweitig beschäftigt worden war, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Fehlen von Kenntnissen für die vertraglich gleichermaßen geschuldete Tätigkeit als Organisationsprogrammierer hat die Beklagte mit dem mehrjährigen anderweitigen Einsatz nicht „gebilligt“.

35

c) Die weitere Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Störung des Arbeitsverhältnisses könne nicht durch eine anderweitige Beschäftigung des Klägers beseitigt werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

36

aa) Zwar bestand die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit des Klägers nicht allein im Programmieren, sondern auch in der Beratung. Auch wurde er jahrelang nicht als Programmierer beschäftigt. Ein Mangel von Programmierkenntnissen des Klägers rechtfertigt deshalb für sich allein noch nicht die Annahme, die Beklagte könne ihn nicht mehr vertragsgerecht beschäftigen. Das Landesarbeitsgericht ist jedoch nach Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, der Kläger habe nicht mehr wie zuvor in Projekten ohne Programmiertätigkeit beschäftigt werden können. Die bisherigen Projekte seien ausgelaufen. Künftig werde es solche nicht mehr in gleicher Weise wie bisher geben. Tätigkeiten wie die Administration von Hard- und Software und die Durchführung von Schulungsveranstaltungen würden von den Programmierern miterledigt. Eine Umorganisation von Arbeitsplätzen sei nicht möglich, weil mittlerweile alle Mitarbeiter Programmierkenntnisse haben müssten. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten wie bisher gebe es für den Kläger nicht. Freie Arbeitsplätze gebe es nur noch im Bereich Programmierung. Der Kläger hat sich gegen diese Beweiswürdigung nicht gewandt.

37

bb) Die Beklagte musste den Kläger auch nicht auf der Stelle des ausgeschiedenen Juristen weiterbeschäftigen. Das Landesarbeitsgericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon ausgegangen, zum Zeitpunkt der Kündigung habe für die Beklagte nicht festgestanden, dass die Stelle eines Juristen zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen würde. Nach den glaubhaften Aussagen der Zeugen B und R sei eine Nachbesetzung der frei gewordenen Stelle zunächst nicht vorgesehen gewesen. Erst nach Ausspruch der Kündigung im Juli 2008 habe sich die Situation geändert.

38

d) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene abschließende Interessenabwägung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision zeigt nicht auf, dass dieses wesentliche Umstände oder erhebliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen hätte.

39

II. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat die ausführliche Unterrichtung des Betriebsrats vom 16. April 2008 zu Recht als hinreichend angesehen. Die Revision rügt auch das nicht.

40

III. Die Kündigung vom 17. April 2008 verstößt nicht gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Der Kläger genoss keinen besonderen Kündigungsschutz.

41

1. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG besteht für Ersatzmitglieder des Betriebsrats solange, wie sie ein zeitweilig verhindertes ordentliches Mitglied vertreten. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG besteht für die Dauer eines Jahres nach dem Ende ihrer Tätigkeit als Ersatzmitglied(vgl. BAG 5. November 2009 - 2 AZR 487/08 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 65 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 64; 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5). Dieser nachwirkende Kündigungsschutz tritt allerdings nur ein, wenn das Ersatzmitglied in der Vertretungszeit konkrete Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen hat. Der nachwirkende Schutz soll die unabhängige, pflichtgemäße Ausübung des Betriebsratsamts dadurch gewährleisten, dass er den Arbeitgeber nach dem Amtsende ein Jahr lang hindert, eine Kündigung des früheren Betriebsratsmitglieds ohne wichtigen Grund auszusprechen. Das Gesetz setzt darauf, dass sich in dieser Zeit eine mögliche Verärgerung des Arbeitgebers über die Amtsgeschäfte des Betriebsratsmitglieds deutlich legt und dieses deshalb während seiner aktiven Zeit unbefangen agieren lässt. Einer solchen „Abkühlungsphase“ bedarf es nicht, wenn das Ersatzmitglied während der Zeit, in der es vertretungshalber nachgerückt war, weder an Sitzungen des Betriebsrats teilgenommen noch sonstige Betriebsratstätigkeiten ausgeübt hat. Es hat dann dem Arbeitgeber keinen Anlass zu möglichen negativen Reaktionen auf seine Amtsausübung gegeben und bedarf deshalb keines besonderen Schutzes (BAG 8. September 2011 - 2 AZR 388/10 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 70 = EzA BetrVG 2001 § 25 Nr. 3; 5. November 2009 - 2 AZR 487/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 65 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 64).

42

2. Hiernach stand dem Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung ein besonderer Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 KSchG nicht zu.

43

a) Ein Fall des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG liegt nicht vor. Der Kläger war bei Kündigungsausspruch am 17. April 2008 nicht in den Betriebsrat nachgerückt.

44

b) Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG gegeben. Zwar war der Kläger als erstes Ersatzmitglied für ein verhindertes reguläres Mitglied Ende Februar und Ende März 2008 in den Betriebsrat nachgerückt, soweit er nicht seinerseits wegen des Ausspruchs der Kündigung vom 10. März 2008 objektiv verhindert war. Ist ein ordentliches Mitglied verhindert, rückt das betreffende Ersatzmitglied in den Betriebsrat „automatisch“ nach, unabhängig davon, ob es selbst oder etwa der Betriebsratsvorsitzende vom Verhinderungsfall Kenntnis hat (BAG 8. September 2011 - 2 AZR 388/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 70 = EzA BetrVG 2001 § 25 Nr. 3). Der Kläger hat jedoch auch als nachgerücktes Ersatzmitglied keinerlei Betriebsratstätigkeit erbracht. An den Ende Februar und Ende März 2008 durchgeführten Betriebsratssitzungen hat er schon deshalb nicht teilgenommen, weil er nicht geladen worden war. Selbst wenn dies darauf beruht haben sollte, dass der Betriebsratsvorsitzende die Nachrückregelung des § 25 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG bewusst ignoriert hat, ändert das nichts daran, dass der Kläger an den Sitzungen des Gremiums tatsächlich nicht teilgenommen und auch sonstige Betriebsratsaufgaben nicht wahrgenommen hat. Bloß fiktive, in Wirklichkeit aber unterbliebene Tätigkeiten des Ersatzmitglieds lösen den nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht aus.

45

Etwas anderes käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Beklagte den Fehler in der Amtsführung des Betriebsratsvorsitzenden bewusst veranlasst oder mit diesem kollusiv zusammengewirkt hätte (vgl. BAG 4. August 1975 - 2 AZR 266/74 - zu III 6 der Gründe, BAGE 27, 209). Dafür fehlt es an Anhaltspunkten.

46

IV. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 612a BGB iVm. § 134 BGB unwirksam.

47

1. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Als „Maßnahme“ im Sinne des Gesetzes kommt auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Sie kann sich als eine Benachteiligung wegen einer zulässigen Rechtsausübung des Arbeitnehmers darstellen. Das Maßregelungsverbot ist aber nur dann verletzt, wenn zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur der äußere Anlass für die Maßnahme war (BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 384/10 - Rn. 38, EzA BEEG § 18 Nr. 1).

48

2. Nach diesen Grundsätzen kann hier ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nicht festgestellt werden. Es ist nicht erkennbar, dass etwa die Inanspruchnahme betriebsverfassungsrechtlicher Rechte durch den Kläger der tragende Grund für die Kündigung vom 17. April 2008 war. Bereits ab dem Jahr 2005, also längere Zeit vor der Initiierung der Betriebsversammlung, wurden Schulungsmaßnahmen durchgeführt, um den Kläger mit Programmierungsaufgaben beschäftigen zu können. Längere Zeit nach der Betriebsversammlung, Ende Februar 2008, erstellte der IT-Sachverständige das Gutachten, das dem Kläger einen nicht ausreichenden Qualifikations- und Kenntnisstand in der Softwareentwicklung bescheinigt und inhaltlich von ihm selbst nicht für falsch gehalten wird. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, die Aktivitäten des Klägers im Zusammenhang mit dem Anstoß zu einer Betriebsversammlung und Betriebsratswahl seien der tragende Grund für die Kündigung vom 17. April 2008.

49

V. Die weiteren Feststellungsanträge sind unbegründet. Sie setzen sämtlich das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses über den 30. September 2008 hinaus voraus.

50

VI. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Das Kündigungsschutzverfahren ist rechtskräftig beendet.

51

VII. Der Antrag des Klägers, die vier näher bezeichneten Abmahnungen zurückzunehmen und aus seiner Personalakte zu entfernen, ist unbegründet. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat ein Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung selbst einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte. Ein solcher Anspruch kann nur ausnahmsweise gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, eine Abmahnung könne dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden. Entsprechende Gründe hat der Kläger nicht dargelegt.

52

VIII. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Kreft     

        

    Rachor    

        

    Eylert     

        

        

        

    Frey    

        

    Grimberg     

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 29. Januar 2010 - 4 Sa 943/08 - aufgehoben, soweit es ihre Berufung gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln vom 29. April 2008 - 11 Ca 2902/07 - über die Feststellungsanträge des Klägers und hinsichtlich ihres Auflösungsantrags zurückgewiesen hat.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit zweier fristloser, vorsorglich ordentlicher Kündigungen sowie über einen in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellten Auflösungsantrag der Beklagten; dabei steht im Vordergrund die Frage, ob dem Kläger der besondere Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG zuteil wird.

2

Der Kläger, promovierter Jurist, trat Anfang April 2000 in die Dienste der Beklagten. Er war zunächst als internationaler Direktor für Personalangelegenheiten (Human Resources) zuständig.

3

Mit Schreiben vom 31. Dezember 2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter Berufung auf betriebliche Gründe zum 30. Juni 2004. Alsbald danach einigten sich die Parteien auf die Weiterbeschäftigung des Klägers als nationaler Personalleiter.

4

Am 28. Mai 2003 wurde der Kläger Vater eines Sohnes. Mit Schreiben vom 17. Januar 2005 begehrte er Elternzeit mit Elternteilzeitbeschäftigung im Umfang von 30 Wochenstunden. Die Parteien einigten sich auf eine entsprechende Elternteilzeit bis zum 15. März 2007.

5

Seit dem 1. Januar 2006 war der Kläger unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freigestellt.

6

Mit Schreiben vom 15. August 2006 und vom 29. August 2006 sprach die Beklagte dem Kläger außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigungen aus, deren Rechtsunwirksamkeit das Landesarbeitsgericht Köln mit Urteil vom 22. August 2007 rechtskräftig feststellte.

7

Im Mai 2007 wurde der Kläger Vater einer Tochter. Als voraussichtlicher Geburtstermin war der 6. Mai 2007 errechnet worden. Tatsächlich kam das Kind am 18. Mai zur Welt.

8

Mit Schreiben vom 14. März 2007, am selben Tage dem Geschäftsführer der Beklagten übergeben, beanspruchte der Kläger Elternzeit aus Anlass der bevorstehenden Geburt seiner Tochter für die Zeit vom 10. Mai 2007 bis zum 28. Februar 2010, und zwar „unter der Bedingung“, dass seinem gleichzeitig gestellten Antrag auf Elternteilzeit im Umfang von 30 Wochenarbeitsstunden entsprochen werde.

9

Mit Schreiben vom 16. März 2007, dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, kündigte die Beklagte fristlos und hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

10

Mit Schreiben vom 30. April 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristlos und vorsorglich fristgerecht. Zugleich lehnte sie den Antrag auf Elternteilzeit ab, weil das Arbeitsverhältnis bereits beendet sei und dem Begehren dringende betriebliche Gründe entgegenstünden.

11

Für keine der Kündigungen lag eine Zulässigkeitserklärung nach § 18 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 BEEG vor.

12

Der Kläger hat mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage die Auffassung vertreten, die Kündigungen seien wegen Verstoßes gegen § 18 BEEG unwirksam. Bei § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG sei für die achtwöchige Schutzfrist der medizinisch errechnete Entbindungstermin maßgeblich und nicht eine uU spätere Geburt. Außerdem fehle es an Kündigungsgründen.

13

Der Kläger hat, soweit für die Revision noch von Bedeutung, beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die mit Schreiben der Beklagten vom 16. März 2007 ausgesprochene fristlose noch durch die hilfsweise fristgerechte Kündigung beendet wird,

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die mit Schreiben der Beklagten vom 30. April 2007 ausgesprochene fristlose noch durch die hilfsweise fristgerechte Kündigung beendet wird.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen,

        

hilfsweise, das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2007 bzw. zum nächstmöglichen Zeitpunkt gegen Zahlung einer durch das Gericht zu erkennenden nach Maßgabe des § 10 KSchG festzusetzenden Abfindung aufzulösen, die 0,5 durchschnittliche Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr des Klägers bei der Beklagten jedoch nicht überschreiten sollte.

15

Sie hat die Auffassung vertreten, für keine der beiden Kündigungen bestehe Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 BEEG. Die Mitteilung des Klägers über die Inanspruchnahme von Elternzeit vom 14. März 2007 habe unter einer aufschiebenden Bedingung, nämlich der Gewährung von Elternteilzeit gestanden. Da diese Bedingung durch ihre Ablehnung des Elternteilzeitbegehrens am 30. April 2007 nicht eingetreten sei, habe die Mitteilung zu keinem Zeitpunkt Wirksamkeit erlangt. Im Hinblick auf die Kündigung vom 16. März 2007 sei die in § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG gesetzlich normierte achtwöchige Frist für die Vorwirkung des besonderen Kündigungsschutzes überschritten. Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB liege vor. Der Kläger habe sie über Jahre getäuscht und ihr nicht unerheblichen Schaden zugefügt. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG, so dass sie die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ohne Angabe von Gründen verlangen könne. Im Übrigen lägen auch erhebliche Auflösungsgründe iSd. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vor.

16

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen. Er hat geltend gemacht, er sei nicht leitender Angestellter und Auflösungsgründe lägen nicht vor.

17

Die Vorinstanzen haben nach den Klageanträgen erkannt und den Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter und beantragt hilfsweise weiterhin die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch gerichtliches Urteil.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte mit der von ihm gegebenen Begründung weder den Kündigungsschutzanträgen stattgeben noch den Auflösungsantrag der Beklagten abweisen. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG) und der Rechtsstreit ist an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Nach den bisherigen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob sich die Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht entscheidungsreif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

19

A. Ob die Kündigungen das Arbeitsverhältnis aufgelöst haben, steht noch nicht fest.

20

I. Das Landesarbeitsgericht hat die Unwirksamkeit der Kündigung vom 16. März 2007 zu Unrecht mit einem Verstoß gegen § 18 BEEG begründet(1.). Die Kündigung ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht unwirksam nach § 612a BGB iVm. § 134 BGB(2.). Ob die Voraussetzungen des § 626 BGB vorliegen oder eine soziale Rechtfertigung iSd. § 1 KSchG gegeben ist, vermag der Senat auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht zu beurteilen(3.).

21

1. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit beantragt worden ist, höchstens aber acht Wochen vor Beginn der Elternzeit nicht kündigen (Vorwirkung). Darin liegt ein gesetzliches Verbot, das sich gegen die Kündigungserklärung selbst richtet. Eine Kündigung, die trotzdem erfolgt, ist nach § 134 BGB nichtig(BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 23/07 - Rn. 20, AP BErzGG § 18 Nr. 11 = EzA BErzGG § 18 Nr. 9; 11. März 1999 - 2 AZR 19/98 - BAGE 91, 101, 103).

22

a) Das Kündigungsverbot des § 18 BEEG besteht grundsätzlich nur dann, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für die Elternzeit vorliegen. Zum Kündigungszeitpunkt müssen deshalb sowohl die Voraussetzungen des § 15 BEEG als auch die des § 16 BEEG erfüllt sein(BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 23/07 - Rn. 23, aaO zu § 18 BErzGG). Nach diesen gesetzlichen Vorgaben müssen alle Arbeitnehmer, die Elternzeit in Anspruch nehmen können, nicht nur die persönlichen Voraussetzungen gem. § 15 Abs. 1 BEEG erfüllen, sondern auch die Elternzeit schriftlich und ordnungsgemäß gegenüber ihrem Arbeitgeber verlangt haben(BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 23/07 - Rn. 24, aaO; Hk-MuSchG/BEEG/Rancke 2. Aufl. § 18 BEEG Rn. 13).

23

b) Der Kläger hat Elternzeit gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG nicht wirksam in Anspruch genommen.

24

aa) Eine wirksame Inanspruchnahme von Elternzeit im Sinne dieser Bestimmung setzt zum einen das Verlangen der Elternzeit vom Arbeitgeber, und zwar spätestens sieben Wochen vor dem Zeitpunkt, von dem ab er verwirklicht werden soll, in schriftlicher Form voraus und zum anderen gleichzeitig mit diesem Verlangen die Erklärung, für welche Zeiträume Elternzeit in Anspruch genommen werden soll (vgl. BAG 17. Februar 1994 - 2 AZR 616/93 - BAGE 76, 35, 42 zur Regelung des § 16 BErzGG).

25

(1) Damit dem Arbeitnehmer der besondere Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG zukommt, muss das Verlangen in einem Zeitraum von höchstens acht Wochen vor Beginn der Elternzeit liegen. Erfolgt das Verlangen früher, so ist der Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG nicht bereits mit dem Verlangen gegeben, sondern setzt erst acht Wochen vor Beginn der Elternzeit ein(vgl. BAG 17. Februar 1994 - 2 AZR 616/93 - BAGE 76, 35, 41 zum BErzGG).

26

(2) Die Inanspruchnahme der Elternzeit ist von keiner Zustimmung des Arbeitgebers abhängig. Sie führt aufgrund des dem Arbeitnehmer eingeräumten Gestaltungsrechts unmittelbar zum Ruhen der sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden wechselseitigen Hauptpflichten (BAG 19. April 2005 - 9 AZR 233/04 - BAGE 114, 206, 211).

27

(3) Der Arbeitnehmer kann den Antrag auf Elternteilzeit gleichzeitig mit der Inanspruchnahme von Elternzeit stellen und diese Inanspruchnahme ihrerseits von der Bedingung abhängig machen, dass Elternteilzeit gewährt wird (BAG 15. April 2008 - 9 AZR 380/07 - BAGE 126, 276, 280). Der Anspruch auf Elternteilzeit kann also frühestens mit dem Verlangen von Elternzeit iSv. § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG erhoben werden(BAG 5. Juni 2007 - 9 AZR 82/07 - BAGE 123, 30, 37).

28

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht den besonderen Kündigungsschutz des Klägers bejaht.

29

(1) Das Schreiben des Klägers vom 14. März 2007 genügt dem Erfordernis der Schriftlichkeit. Es enthält zudem eine Mitteilung, für welchen Zeitraum (10. Mai 2007 bis 28. Februar 2010) der Kläger die Elternzeit begehrt. Auch die siebenwöchige Frist vor Beginn der beantragten Elternzeit am 10. Mai 2007 nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG hat der Kläger eingehalten.

30

(2) Das Verlangen nach Elternzeit vom 14. März 2007 fällt in den Acht- Wochen-Zeitraum vor Beginn der Elternzeit nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Als Endtermin der Frist ist der Tag der prognostizierten Geburt maßgeblich, wenn dieser vor dem Tag der tatsächlichen Geburt liegt.

31

(a) Der Wortlaut des § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG ist allerdings nicht eindeutig. Er spricht nicht von Geburt, sondern von „Beginn der Elternzeit“. Dies rührt daher, dass die Elternzeit sich nicht unmittelbar an die Geburt des Kindes anschließen muss, sondern auch erst im Anschluss an die ablaufende Mutterschutzfrist nach § 6 Abs. 1 MuSchG oder noch später genommen werden kann. Der Zeitpunkt der tatsächlichen Geburt ist damit nur der frühestmögliche Zeitpunkt für den Beginn der Elternzeit.

32

(b) Die Systematik des Gesetzes und der Zusammenhang mit den Vorschriften des Mutterschutzgesetzes sprechen dafür, dass es für die Frage des Beginns der Acht-Wochen-Frist und des Eingreifens des Kündigungsschutzes auf den ärztlich prognostizierten Beginn der Elternzeit ankommt. Der gesetzliche Kündigungsschutz nach dem BEEG bliebe im Zeitraum vor dem Beginn der Elternzeit zunächst in der Schwebe, wenn man die tatsächliche Niederkunft als maßgeblich für die Berechnung ansähe (vgl. BAG 27. Oktober 1983 - 2 AZR 566/82 - zu A II 2 a der Gründe, AP MuSchG 1968 § 9 Nr. 14 = EzA MuSchG § 9 nF Nr. 25 zu § 9 MuSchG). Fristenregelungen verlangen Rechtssicherheit. Bestimmt der Gesetzgeber eine Vorfrist und räumt er dem Arbeitnehmer ein innerhalb der Vorfrist auszuübendes Recht - hier auf das Geltendmachen von Elternzeit - ein, so muss die Vorfrist auch schon vor dem Tag, an dem sie endet, sicher berechnet werden können. Das aber setzt voraus, dass es nicht auf den tatsächlichen, sondern auf den voraussichtlichen Tag der Entbindung ankommt. In dieselbe Richtung weist auch die - in ähnlichem Zusammenhang stehende - Regelung des § 3 Abs. 2 MuSchG. Für die Berechnung des Beginns der in § 3 Abs. 2 MuSchG vorgesehenen Frist sieht § 5 Abs. 2 Satz 2 MuSchG bei Differenzen zwischen dem tatsächlichen Zeitpunkt der Entbindung und dem mutmaßlichen Tag der Entbindung die Prognose des Arztes als maßgeblich an.

33

(c) Diese Betrachtungsweise steht im Einklang mit der Rechtsprechung zu § 9 Abs. 1 MuSchG. Auch hier ist der mutmaßliche Schwangerschaftsbeginn maßgeblich. Der Berechnung ist der voraussichtliche Tag der Entbindung und eine mutmaßliche Schwangerschaftsdauer von 280 Tagen zugrunde zu legen (BAG 7. Mai 1998 - 2 AZR 417/97 - BAGE 88, 357, 360).

34

(d) Auch Sinn und Zweck des § 18 BEEG gebieten es, für den Beginn des achtwöchigen Schutzzeitraums auf den ärztlich prognostizierten Tag der Geburt abzustellen. Werdende Mütter und ungeborene Kinder sind besonders schutzbedürftig und schutzwürdig. Den Staat trifft eine Schutzpflicht zugunsten des ungeborenen Lebens (BVerfG 27. Oktober 1998 - 1 BvR 2306/96, 2314/96, 1108/97, 1109/97, 1110/97 - zu C III 2 b bb der Gründe, BVerfGE 98, 265). Zeichnet sich eine Abweichung vom errechneten Geburtstermin ab, könnte - käme es auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Geburt an - ein Anreiz für die Eltern geschaffen werden, den Geburtstermin nicht nach medizinischen, sondern nach juristischen Gesichtspunkten zu beeinflussen. Das liefe dem Gesetzeszweck zuwider.

35

(3) Gleichwohl unterliegt die Kündigung vom 16. März 2007 nicht dem Verbot des § 18 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Der Kläger war zu keinem Zeitpunkt in Elternzeit. Deshalb konnte er auch nicht den Kündigungsschutz im Vorwirkungszeitraum erwerben: Mangels Elternzeit fehlte es bereits an einem Anknüpfungspunkt für die Bestimmung eines Vorwirkungszeitraums. Der Kläger hat die Elternzeit unter der Bedingung der Gewährung der beantragten Elternteilzeit geltend gemacht. Die Beklagte hat die beantragte Elternteilzeit jedoch abgelehnt. Es kann dahinstehen, ob das Schreiben des Klägers vom 14. März 2007 im Sinne einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung zu verstehen ist. In keinem Fall hat das Verlangen des Klägers dazu geführt, dass er in Elternzeit gewesen wäre. Dies entsprach auch dem ausdrücklichen Willen des Klägers. Elternzeit wollte er gerade nicht in Anspruch nehmen, wenn es nicht zur Elternteilzeit käme. Handelte es sich um eine aufschiebende Bedingung, so traten die Rechtswirkungen, da die Bedingung ausgefallen ist, zu keinem Zeitpunkt ein (vgl. Jauernig BGB 13. Aufl. § 158 Rn. 7). Stand das Verlangen des Klägers unter der auflösenden Bedingung der Ablehnung des Teilzeitantrags, so war mit Ablehnung des Teilzeitantrags der Zustand wiederhergestellt, der vor dem Verlangen von Elternzeit bestand (vgl. Jauernig BGB § 158 Rn. 8). In keinem Fall war der Kläger in Elternzeit. § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG setzt dagegen voraus, dass tatsächlich Elternzeit genommen wird.

36

(4) Sinn und Zweck des § 18 BEEG gebieten keine Erweiterung seines Anwendungsbereichs über den Wortlaut hinaus. § 18 Abs. 1 BEEG unterscheidet hinsichtlich des Kündigungsschutzes zwischen den Zeiträumen vor Beginn und während der Elternzeit. So soll die Kündigungsschutzwirkung selbst dann nur ex nunc und nicht nachträglich ex tunc wegfallen, wenn die Elternzeit zB wegen einer Abrede gem. § 16 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 BEEG gar nicht tatsächlich in Anspruch genommen worden ist (KR/Bader 9. Aufl. § 18 BEEG Rn. 23; DLW/Dörner 4. Aufl. D Rn. 444). Die Fallkonstellation der vorzeitigen Beendigungsvereinbarung zwischen den Parteien ist mit dem hier vom Kläger gewählten Weg einer Bedingung nicht vergleichbar. Anders als in den Fällen des § 16 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 BEEG ist im Streitfall die Inanspruchnahme von Elternzeit nicht nachträglich wieder entfallen, sondern diese wurde gar nicht erst in Anspruch genommen. Der Arbeitnehmer, der sich - wie hier auch der Kläger - bewusst für den unsicheren Weg entscheidet, indem er die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Elternzeit wegen der Verknüpfung mit der Gewährung von Elternteilzeit in die Hände des Arbeitgebers legt, ist nicht schutzwürdig.

37

2. Die Kündigung ist nicht gem. § 612a BGB iVm. § 134 BGB unwirksam.

38

a) § 612a BGB enthält ein Verbot der Maßregelung. Als „Maßnahmen“ im Sinne des Gesetzes kommen auch Kündigungen in Betracht. Voraussetzung ist, dass die Maßnahme eine Benachteiligung wegen einer zulässigen Rechtsausübung des Arbeitnehmers darstellt. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei der Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil er in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das Maßregelungsverbot ist nur dann verletzt, wenn zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet (BAG 25. Mai 2004 - 3 AZR 15/03 - zu III 2 der Gründe, AP BetrAVG § 1b Nr. 5 = EzA BetrAVG § 1b Gleichbehandlung Nr. 1; 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu B III 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2; 12. Juni 2002 - 10 AZR 340/01 - BAGE 101, 312, 318).

39

b) Nach diesen Grundsätzen liegt hier kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vor. Es ist nicht erkennbar, dass die Rechtsausübung des Klägers durch Inanspruchnahme von Elternzeit unter der Bedingung von Elternteilzeit das tragende Motiv der Beklagten für den Ausspruch der Kündigung gewesen ist. Die Beklagte hat am 31. Dezember 2003, 15. August 2006 und am 29. August 2006 bereits drei - wenn auch erfolglose - Kündigungen ausgesprochen und damit ihren Beendigungswillen zum Ausdruck gebracht. Zudem hat sie im Ablehnungsschreiben vom 30. April 2007 ausdrücklich betriebliche Gründe für die Verweigerung der Elternteilzeit genannt.

40

3. Ob die außerordentliche Kündigung die Voraussetzungen des § 626 BGB bzw. die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung die des § 1 KSchG erfüllt, kann der Senat nicht entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der Frage, ob ein sachlicher Kündigungsgrund vorliegt, bisher nicht auseinandergesetzt. Feststellungen sind nicht getroffen. Das führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

41

II. Sollte das Landesarbeitsgericht erneut auf die Unwirksamkeit der Kündigung vom 16. März 2007 erkennen, wird es bei der Beurteilung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 30. April 2007 davon auszugehen haben, dass dem Kläger auch hinsichtlich dieser nicht der besondere Schutz des § 18 Abs. 1 BEEG zustand, wie aus den vorstehenden Erwägungen folgt. Die Kündigung vom 30. April 2007 ist auch nicht nach § 612a BGB iVm. § 134 BGB unwirksam. Auch insoweit wird auf die obigen Ausführungen (Ziffer I 2) verwiesen. Ob die Kündigung sich als fristlose Kündigung nach § 626 BGB bzw. als hilfsweise ordentliche Kündigung gemessen an § 1 KSchG als wirksam erweist, kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht nicht beurteilen.

42

III. Da die Beklagte den Auflösungsantrag nach § 14 Abs. 2 Satz 2, § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hilfsweise für den Fall gestellt hat, dass sich die streitgegenständlichen Kündigungen als sozialwidrig erweisen sollten, ist dem Senat auch diesbezüglich eine Entscheidung nicht möglich. So sind insbesondere noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger - wie die Beklagte vorträgt - leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist. In diesem Fall bedürfte der Auflösungsantrag gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG keiner Begründung.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Baerbaum    

        

    Bartz    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

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Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 5.6.2014, Az.: 7 Ca 352/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Überstundenvergütung.

2

Der Kläger war bei den Beklagten, die Ferienappartements vermieten, seit dem 01.03.2012 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 31.10.2011 als "Mitarbeiter" beschäftigt. Die Beklagten beschäftigen regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Mit Schreiben vom 01.01.2014 kündigten die Beklagten das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2014.

4

Gegen diese Kündigung richtet sich die vom Kläger am 22.01.2014 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage. Darüber hinaus nimmt der Kläger die Beklagten auf Zahlung von Vergütung für 935 Überstunden in Höhe von insgesamt 12.949,75 € in Anspruch.

5

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens und der erstinstanzlich gestellten Sachanträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 05.06.2014 (Bl. 96-101 d. A.).

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 05.06.2014 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 8 bis 13 dieses Urteils (= Bl. 102-107 d. A.) verwiesen.

7

Gegen das ihm am 18.09.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.10.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 19.11.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 18.12.2014 begründet.

8

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, die Kündigung beruhe auf willkürlichen und sachfremden Motiven. Dies ergebe sich bereits daraus, dass zeitgleich mit Ausspruch der Kündigung eine Neueinstellung seitens der Beklagten vorgenommen worden sei. Dies beweise den ständigen Bedarf der Beklagten an einer Vollzeitkraft zur Bewältigung des Arbeitsaufkommens. Darüber hinaus sei die Kündigung ausgesprochen worden, nachdem er - der Kläger - seine ständig zu leistenden Überstunden und die ständige hohe Arbeitsbelastung in einem Gespräch vom 10.09.2013 geltend gemacht habe. Es treffe daher nicht zu, dass die Beklagten erst nach Kündigungsausspruch von den Überstunden erfahren hätten. Die berechtigte Geltendmachung von Überstundenvergütung und die Forderung auf Einhaltung der arbeitsvertraglichen Arbeitszeit hätten die Beklagten zur Kündigung veranlasst. Diese sei daher wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot unwirksam. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei er seiner Darlegungslast bezüglich der geltend gemachten Überstundenvergütung nachgekommen. Ihm sei die generelle Anweisung erteilt worden, für alles zuständig zu sein. Es sei seine Aufgabe gewesen, dafür zu sorgen, dass alles rund laufe und sich die Beklagten um nichts kümmern müssten. Bereits erstinstanzlich habe er dargetan, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er gearbeitet habe. Hinsichtlich des Beginns, des Endes und der Aufteilung der Arbeitszeit habe er sich dabei ausschließlich - wie vertraglich vereinbart - an den Erfordernissen des Betriebes ausgerichtet. Er habe die An- und Abreisewünsche der Gäste, die Öffnungszeiten der Rezeption usw. berücksichtigt. Es sei ihm nicht möglich, die an den einzelnen Tagen erbrachten einzelnen Tätigkeiten aufzulisten. Die Überstunden seien jedoch zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeiten notwendig gewesen. Sie seien den Beklagten überdies bekannt gewesen und von ihnen gebilligt worden.

9

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 16.12.2014 (Bl. 145-150 d. A.) Bezug genommen.

10

Der Kläger beantragt,

11

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und

12

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 01.01.2014 zum 31.01.2014 beendet wurde;

13

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 12.949,75 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.05.2014 zu zahlen.

14

Die Beklagten beantragen,

15

die Klage abzuweisen.

16

Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 29.12.2014 (Bl. 170-172 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

17

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage vielmehr zu Recht insgesamt abgewiesen.

II.

18

1. Die Kündigungsschutzklage ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die streitbefangene ordentliche Kündigung vom 01.01.2014 zum 31.01.2014 aufgelöst.

19

a) Die Kündigung ist nicht sozialwidrig i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 23 Abs. 1 KSchG keine Anwendung, da die Beklagten nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen.

20

b) Die Kündigung verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

21

Die Vorschrift des § 242 BGB ist auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Das Kündigungsschutzgesetz hat die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht. Eine Kündigung verstößt deshalb in der Regel nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. Dabei geht es vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen. Der Vorwurf willkürlicher, sachfremder oder diskriminierender Ausübung des Kündigungsrecht scheidet dagegen aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Rechtsausübung vorliegt (BAG v. 25.04.2001 - 5 AZR 360/99 - AP Nr. 14 zu § 242 BGB Kündigung).

22

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen derjenigen Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit ergibt, liegt beim Arbeitnehmer, wobei insoweit jedoch die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast gelten. In einem ersten Schritt muss der Arbeitnehmer, der die Gründe, die zu seiner Kündigung geführt haben, oft nicht kennt, nur einen Sachverhalt vortragen, der die Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB indiziert. Der Arbeitgeber muss sich nach § 138 Abs. 2 ZPO sodann qualifiziert auf den Vortrag des Arbeitnehmers einlassen, um ihn zu entkräften. Trägt er dabei betriebliche, persönliche oder sonstige Gründe vor, die den Vorwurf der Treuwidrigkeit ausschließen, so hat der Arbeitnehmer die Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit der Kündigung dennoch ergeben soll, zu beweisen (BAG v. 28.08.2003 - 2 AZR 333/02 - AP Nr. 17 zu § 242 BGB Kündigung).

23

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann nicht davon ausgegangen werden, dass die streitbefangene Kündigung gegen Treu und Glauben verstößt.

24

Der Kläger beruft sich diesbezüglich auf den unstreitigen Umstand, dass die Beklagten zeitgleich mit Kündigungsausspruch eine Neueinstellung vorgenommen haben, woraus sich ergebe, dass nach wie vor ein ständiger Bedarf für die Beschäftigung einer Vollzeitkraft zur Bewältigung des Arbeitsaufkommens bestehe. Damit macht der Kläger sinngemäß geltend, es liege eine bloße Austauschkündigung vor, für die (ansonsten) keinerlei Gründe vorlägen. Die Beklagten haben demgegenüber (bereits erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 07.04.2014, dort Seite 4. f = Bl. 57 f. d. A.) vorgetragen, dass das Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung des Klägers sowie seiner Ehefrau infolge einer Ende 2012/Anfang 2013 umgesetzten Neuorganisation bzw. Umstrukturierung der Aufgabenbereiche entfallen sei. Demnach wurden insbesondere die dem Kläger bislang obliegenden Aufgaben vom Beklagten zu 1. sowie von dessen Bruder übernommen. Den diesbezüglichen, ausreichend substantiierten Sachvortrag der Beklagten hat der Kläger zwar bestritten, jedoch nicht widerlegt. Der Kläger hat keinerlei Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die Unrichtigkeit des Beklagtenvorbringens, insbesondere die Nichtdurchführung der behaupteten Neuverteilung der Aufgabenbereiche ergeben könnte. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass die streitbefangene Kündigung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt.

25

c) Die Kündigung verstößt auch nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.

26

§ 612a BGB bestimmt, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht deshalb benachteiligen darf, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Norm erfasst einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit (BAG v. 14.02.2007 - 7 AZR 95/06 - Rz. 21, zitiert nach juris). Hauptanwendungsfall einer arbeitgeberseitigen Maßnahme, die gegen das Maßregelungsverbot verstoßen kann, ist die Kündigung. Das Maßregelungsverbot ist jedoch nur dann verletzt, wenn zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, d. h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet (BAG v. 21.09.2011 - 7 AZR 150/10 - AP Nr. 20 zu § 612a BGB m. w. N.).

27

Für das Vorliegen einer Maßregelung i. S. v. § 612a BGB trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. In Betracht kommt diesbezüglich jedoch eine Beweiserleichterung durch Anscheinsbeweis, wenn ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und der Rechtsausübung besteht. Dies gilt etwa dann, wenn insoweit ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben ist (vgl. Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Auflage, § 612a BGB Rz. 22 m. N. a. d. R.).

28

Im Streitfall lässt sich aus dem Vorbringen des Klägers letztlich nicht herleiten, dass das wesentliche Motiv der Beklagten für den Ausspruch der Kündigung der - nach Behauptung des Klägers - zuvor geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Überstundenvergütung war. Ein diesbezüglicher Anscheinsbeweis ist vorliegend nicht gegeben. Zwischen der Geltendmachung der Überstundenvergütung, die nach Behauptung des Klägers am 10.09.2013 erfolgte, und dem Kündigungsausspruch lag ein Zeitraum von nahezu drei Monaten. Von einem engen zeitlichen Zusammenhang kann von daher nicht mehr gesprochen werden. Auch ansonsten liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Geltendmachung eines Anspruchs auf Zahlung von Überstundenvergütung das wesentliche Motiv für den Kündigungsausspruch bildete.

29

2. Der Klageantrag zu 2. ist ebenfalls unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Überstundenvergütung.

30

Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tariflicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, so hat er darzulegen und - im Bestreitensfall zu beweisen - dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Dieser Darlegungslast genügt der Arbeitnehmer jedoch nicht durch bloße Bezugnahme auf den Schriftsätzen als Anlagen beigefügte Stundenaufstellungen oder sonstige Aufzeichnungen. Anlagen können lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen. Die Darlegung der Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer hat vielmehr entsprechend § 130 Nr. 3, Nr. 4 ZPO schriftsätzlich zu erfolgen. Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Arbeitszeiten aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen (BAG v. 16.05.2012 - 5 AZR 347/11 - AP Nr. 53 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung).

31

Dieser Darlegungslast hat der Kläger demnach bereits deshalb nicht Genüge getan, da er sich - was die an einzelnen Tagen jeweils abgeleisteten Arbeitszeiten betrifft - ausschließlich auf die als Anlagen zum Schriftsatz vom 12.03.2014 und zur Berufungsbegründungsschrift beigefügten Stundenaufstellungen bezogen hat. An einem schriftsätzlichen Vortrag fehlt es insoweit. Hierauf hat auch bereits das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils (dort S. 12, erster Absatz) hingewiesen.

32

Darüber hinaus hat der Kläger nicht ausreichend dargetan, dass die behaupteten Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erbringung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren.

33

Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden, muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat. Dazu fehlt es an jeglichem substantiiertem Sachvortrag des Klägers.

34

Konkludent ordnet der Arbeitgeber Überstunden an, wenn er dem Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang zuweist, der unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nur durch die Leistung von Überstunden zu bewältigen ist. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten war, oder dass ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte (BAG v. 10.04.2013 - 5 AZR 122/12 - AP Nr. 54 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung m. w. N.) Auch diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Aus der Darstellung der ihm obliegenden Aufgaben und der behaupteten Anweisung, dafür Sorge zu tragen, "dass alles rund laufe", ergibt sich nicht, dass die von ihm auszuführenden Arbeiten nicht innerhalb der vereinbarten Wochenarbeitszeit von 40 Stunden erledigt werden konnten. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb oder an einem anderen Arbeitsort keine Vermutung dafür begründet, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen (BAG v. 10.04.2013 a. a. O.).

35

Von einer Billigung der behaupteten Überstunden durch die Beklagten kann vorliegend ebenfalls nicht ausgegangen werden. Mit der Billigung von Überstunden ersetzt der Arbeitgeber gleichsam durch eine nachträgliche Genehmigung die fehlende vorherige Anordnung schon geleisteter Überstunden. Der Arbeitnehmer muss hierzu darlegen, wer wann auf welche Weise zu erkennen gegeben habe, mit der Leistung welcher Überstunden einverstanden zu sein. Diesbezüglich lässt sich dem Sachvortrag des Klägers nichts entnehmen.

36

Letztlich bietet der Sachvortrag des Klägers auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die behaupteten Überstunden seitens der Beklagten geduldet wurden. Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden zukünftig zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet, sie vielmehr weiterhin entgegennimmt. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist (BAG v. 10.04.2013 a. a. O.). Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers nicht. Er kommt über die formelhafte Wendung, den Beklagten sei bekannt gewesen, wie lange er - der Kläger - gearbeitet habe, bzw. den Beklagten sei der Umfang der Arbeitszeit und die regelmäßige Überschreitung der arbeitsvertraglichen Arbeitszeit ständig präsent gewesen, letztlich nicht hinaus.

III.

37

Die Berufung des Klägers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

38

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§72a ArbGG) wird hingewiesen.

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.


Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 10.03.2016 - 2 Ca 1639/15 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung während der Probezeit.

2

Der Kläger ist alleinerziehender Vater eines 2011 geborenen Sohnes. Er war bei dem Beklagten aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15.06.2015 (Bl. 4 ff. d.A.) als Kurierfahrer zu einem Bruttostundenlohn von 8,50 EUR und einer 35 Stunden-Woche beim Beklagten eingestellt. Der Arbeitsvertrag sah unter § 1 Ziffer 4. eine sechsmonatige Probezeit mit zweiwöchiger Kündigungsfrist vor.

3

Der Kläger hatte vom 30.11.2015 bis 04.12.2014 Urlaub. Am 01.12.2015 informierte der Kläger den Beklagten per WhatsApp-Nachricht, dass sein Sohn in der nächsten Woche operiert werde, er daher noch den 07.12.2015 Urlaub bräuchte und der Rest der Woche (bis zum 11.12.2015) über die Krankenkasse laufen würde. Der Beklagte antwortete hierauf per WhatsApp-Nachricht am 02.12.2015, dass dies in Ordnung gehe.

4

Vom 08.12.2015 bis 10.12.2015 befand sich der Sohn des Klägers sodann wegen eines operativen Eingriffs in vorstationärer Behandlung im Westpfalz/Klinikum K.. Der Kläger wurde aufgrund des jungen Alters seines Sohnes mitaufgenommen. Die (weiter-)behandelnden Kinderärzte schrieben den Sohn des Klägers schließlich am Freitag den 11.12.2015 bis zum 31.12.2015 weiter krank und attestierten die Erforderlichkeit der Betreuung und Beaufsichtigung durch den Kläger. Die entsprechenden ärztlichen Bescheinigungen für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes faxte der Kläger dem Beklagten noch am gleichen Tag mittags gegen 13.50 Uhr.

5

Am späten Nachmittag des 11.12.2015 gegen 17.00 Uhr überreichte der Beklagte dem Kläger persönlich eine ordentliche arbeitgeberseitige fristgerechte Kündigung zum 25.12.2015.

6

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 22.12.2015 eingegangenen Klage, da er die schriftliche Kündigung des Beklagten für eine unzulässige Maßregelung hält.

7

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

8

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 11.12.2015 nicht aufgelöst worden ist.

9

2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger über den 25.12.2015 hinaus als Kurierfahrer weiter zu beschäftigen.

10

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Der Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen,
er habe den Kläger nicht wegen der Erkrankung seines Sohnes entlassen. Die Krankenkasse habe den Kläger bezahlt und er habe keine zusätzlichen Kosten gehabt. Die Kündigung sei innerhalb der 6-monatigen Probezeit erfolgt. Den Grund müsse er nicht angeben. Es sei Zufall, dass das Kind zum Ende der Probezeit operiert wurde. Er habe am 30.11.2015 den Kollegen des Klägers C angesprochen und ihm gesagt, dass er eine Kündigung an den Kläger geschrieben habe. Bei diesem Gespräch habe ihm Herr C gesagt, dass er eigentlich zwei Wochen Kündigungsfrist einhalten müsse. Deshalb habe er die Kündigung vom 30.11.2015 nicht an den Kläger abgegeben. Dies alles beweise, dass er schon am 30.11.2015 habe kündigen wollen.

13

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat mit am 10.03.2016 verkündeten Urteil der Klage stattgegeben. Die Kündigung vom 11.12.2015 sei rechtsunwirksam, weil sie gegen § 612a BGB verstoße. Der Kläger habe in zulässiger Weise sein Recht aus § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB V ausgeübt, als er während der OP seines Sohnes und dessen Erkrankung bis 31.12.2015 von der Arbeit fern geblieben sei. Der Beklagte habe auch gekündigt, weil der Kläger sein Recht nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB V ausgeübt habe. Er habe gewusst, dass ab dem 09.12.2015 die Operation des Kindes anstand. Die Einlassungen des Beklagten im Schriftsatz vom 08.02.2016 seien nicht nachvollziehbar. Dies gelte insbesondere für die Behauptung, er habe die Kündigung am 30. November 2015 deshalb nicht ausgesprochen, weil er eine Kündigungsfrist von zwei Wochen einhalten müsse. Die Einhaltung der Kündigungsfrist setzte aber den Zugang der Kündigung geradezu voraus. Nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins sei daher davon auszugehen, dass der Beklagte die Kündigung wegen der Rechtsausübung des Klägers ausgesprochen habe.

14

Gegen das am 11.04.2016 zugestellte Arbeitsgerichtsurteil hat der Beklagte mit einem am 15.04.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 14.05.2016 Berufung eingelegt und diese mit am 13.06.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

15

Nach Maßgabe seines Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 13.06.2016, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 82 ff. d.A.), macht der Beklagte zusammengefasst im Wesentlichen geltend:

16

eine Maßregelung läge bereits tatbestandlich nicht vor, da er den Kläger nicht zur Arbeit aufgefordert habe, habe dieser auch kein Recht in Form einer Arbeitsverweigerung ausgeübt. Auch habe ihn das erstinstanzliche Gericht nicht darauf hingewiesen, dass es von einem Anscheinsbeweis zugunsten des Klägers ausgehe und sich damit die Beweislast umkehre und es Sache des Beklagten sei den Anschein durch konkreten Vortrag nebst Beweisangeboten zu widerlegen. Auf diesen Hinweis hätte er sodann konkreter als in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz dargelegt, dass es sich bei der Übermittlung der Bescheinigungen und der Übergabe des Kündigungsschreibens um einen reinen zeitlichen Zufall gehandelt habe. Der Beklagte trägt hierzu unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags ergänzend vor, er habe erst am 01.12.2015 durch die klägerische WhatsApp-Nachricht von der anstehenden Operation des Sohnes erfahren. Zuvor habe er bereits am 30.11.2015 dem Mitarbeiter C mitgeteilt, dass er dem Kläger während der Probezeit wegen Unzufriedenheit mit dessen Leistungen kündigen wolle, da dieser dessen Touren übernehmen sollte. Es habe zahlreiche Beschwerden über den Kläger wegen Drängeln und unrichtigen Verhalten im Straßenverkehr gegeben. Auch seien seine Spritkosten deutlich über denen anderer Fahrer gewesen, zudem habe er das Fahrzeug verbotener Weise für Privatfahrten benutzt. Auch sei die Auftragslage rückläufig gewesen, so dass er sich von einem Mitarbeiter habe trennen wollen. Zudem habe er bereits vor Übermittlung der Bescheinigungen des Klägers mit seinem Steuerberaterbüro wegen der Kündigung des Klägers per E-Mail am 10.11.2015 korrespondiert (Bl. 128 d.A.). Wie bereits erstinstanzlich vorgetragen habe die Steuerberaterin die geschriebene Kündigung vom 30.11.2015 sehen wollen, er habe ihr diese per E-Mail zugeschickt und sie habe ihm erklärt, dass er keinen Kündigungsgrund reinschreiben solle. Die E-Mailkorrespondenz mit der Steuerberaterin belege zudem, dass er das Fernbleiben akzeptiert und den Kläger nicht mehr eingeplant habe.

17

Der Beklagte beantragt,

18

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 10.03.2016 – 2 Ca 1639/15 abzuändern und die Klage abzuweisen.

19

Der Kläger beantragt,

20

die Berufung zurückzuweisen.

21

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 04.07.2016, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 145 -147 d. A.), als rechtlich zutreffend:

22

Bereits der enge zeitliche Zusammenhang zwischen seinem Fax und der Kündigungsübergabe belege die Maßregelung. Hinsichtlich des Sachvortrags zur vorherigen Kündigungsabsicht, E-Mail-Korrespondenz mit dem Steuerberater und Fehlverhalten des Klägers rüge er Verspätung und beantrage dessen Zurückweisung. Im Übrigen bestreite er hilfsweise, dass der Beklagte vor dem 11.12.2015 bereits beabsichtigt habe ihm zu kündigen und dass Fehlverhalten vorgelegen habe. Zudem habe er den Beklagten bereits am 19.11.2015 über die Notwendigkeit einer Operation seines Sohnes Anfang Dezember 2015 informiert.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24

Die zulässige Berufung hat in der Sache auch Erfolg. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat die streitgegenständliche ordentliche Kündigung des Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet.

I.

25

Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie frist-und formgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

26

Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die streitgegenständliche schriftliche Kündigung des Beklagten vom 11.12.2015 unter Wahrung der maßgeblichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB zum 25.12.2015 beendet.

27

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz bereits schon deshalb keine Anwendung, da die sechsmonatige Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG im Kündigungszeitpunkt noch nicht abgelaufen war. Es handelt sich vorliegend um eine sog. Probezeitkündigung.

28

2. Die Kündigung ist auch nicht gem. § 134 BGB iVm § 612 a BGB nichtig. Sie verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot.

29

a) Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Als Maßnahme kommt auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Sie kann sich als Benachteiligung wegen einer zulässigen Rechtsausübung darstellen. Das Maßregelungsverbot ist verletzt, wenn zwischen der Rechtsausübung und der Benachteiligung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dafür muss die zulässige Rechtsausübung der tragende Grund, das heißt das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur der äußere Anlass für sie war (BAG 10.04. 2014 - 2 AZR 812/12 - Rn. 63, 19.04. 2012 - 2 AZR 233/11 - Rn. 47; 12.05.2011 - 2 AZR 384/10 - Rn. 38, jeweils zitiert nach juris).

30

Für das Vorliegen einer Maßregelung i. S. v. § 612a BGB trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. In Betracht kommt diesbezüglich jedoch eine Beweiserleichterung durch Anscheinsbeweis, wenn ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und der Rechtsausübung besteht. Dies gilt etwa dann, wenn insoweit ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben ist (vgl. ErfK/Preis, 17. Aufl., § 612a BGB Rz. 22 m.w.N.). Den Anscheinsbeweis kann der Arbeitgeber sodann seinerseits durch substantiierten Vortrag erschüttern mit der Folge, dass nunmehr der Arbeitnehmer den Vollbeweis führen muss.

31

b) Nach diesen Grundsätzen ist ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot vorliegend nicht gegeben. Es ist nicht erkennbar, dass eine zulässige Rechtsausübung des Klägers tragender Grund für den Ausspruch der Kündigung vom 11.12.2015 gewesen wäre.

32

aa) Nach dem klaren Gesetzeswortlaut greift der Schutz des § 612 a BGB nur dann ein, wenn das geltend gemachte Recht tatsächlich besteht und in zulässiger Weise ausgeübt wird. Die bloße Mitteilung der bestehenden Erkrankung des Kindes und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Betreuung stellt keine Rechtsausübung dar.

33

Denn die Arbeitspflicht entfällt bereits nach § 45 Abs. 3 SGB V, wenn die kind- und betreuungsbezogenen Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB V vorliegen. Daher macht der Kläger, wenn sein zu betreuendes Kind erkrankt ist, kein Recht geltend, sondern ist wegen der Erkrankung des Sohnes nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet. Dementsprechend stellt die Mitteilung der Erkrankung des Sohnes und der entsprechenden Betreuungsnotwendigkeit durch Übersendung der ärztlichen Bescheinigungen gerade keine Rechtsausübung dar. Insoweit besteht kein Unterschied zum Fall, dass ein Arbeitnehmer selbst arbeitsunfähig erkrankt. Für den Fall der Arbeitsunfähigkeit entspricht es der Rechtsprechung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 612a BGB nicht vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer erkrankt, da es an einer Rechtsausübung fehlt, weil der Arbeitnehmer bereits wegen der bestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet ist, Arbeitsleistungen zu erbringen (vgl. hierzu LAG Rheinland-Pfalz v. 30.08.2007 – 2 Sa 373/03. LAG Berlin-Brandenburg 07.10.2010 -25 Sa 1435/10).

34

bb) Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Beklagte gekündigt hätte, weil der Kläger von seinem Recht Gebrauch gemacht hat eigenmächtig von der Arbeit fern zu bleiben. Denn § 45 Abs. 1 S. 3 SGB V gewährt dem Arbeitnehmer (bei Erkrankung eines Kindes) nicht nur einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, sondern bei rechtswidriger Verweigerung auch das Recht, der Arbeit "eigenmächtig" fern zu bleiben (vgl. LAG Köln 10.11.1993 – 7 Sa 6901/93, NZA 1995, 128, so auch für den Fall der Weigerung trotz eigener Arbeitsunfähigkeit zu arbeiten BAG 23.04.2009 – 6 AZR 189/08, NZA 2009, 974).

35

Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Eine Aufforderung des Beklagten wieder zur Arbeit zu erscheinen, die der Kläger mit seiner Übersendung der weiteren Bescheinigungen als Weigerung beantworten konnte, gab es nicht.

36

Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte ein Fernbleiben von der Arbeit über den 11.12.2015 hinaus nicht akzeptieren würde, sind gleichfalls nicht ersichtlich. So hatte der Beklagte am 02.12.2015 ausdrücklich sein Einverständnis zum Fernbleiben für die Zeit vom 07.12.2015 bis 11.12.2015 gegenüber dem Kläger per WhatsApp mitgeteilt. Bereits dieser Umstand spricht vielmehr dafür, dass auch ein längeres Fernbleiben wegen Erkrankung des Sohnes akzeptiert werde. Dies gilt umso mehr, als dem Beklagten anders als bei einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers zudem keinerlei Lohnfortzahlungskosten anfielen, was dem Beklagten unstreitig auch bekannt war. Darüber hinaus behauptet der Kläger bereits nicht, dass der Beklagte auf seine Arbeitsleistung ab dem 14.12.2015 bis zum 31.12.2015 angewiesen war. Auch der Umstand, dass der Beklagte lediglich eine ordentliche Kündigung aussprach, die zudem keine Aufforderung gegenüber dem Kläger enthält seine Arbeitsleistung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 25.12.2015 zu erbringen, deutet darauf hin, dass dem Beklagten das weitere Fernbleiben nicht störte.

37

cc) Selbst wenn die Berufungskammer dennoch der Auffassung des Arbeitsgerichts folgen würde, dass der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Übersendung der ärztlichen Bescheinigungen und Übergabe des Kündigungsschreiben im vorliegenden Fall einen Anscheinsbeweis für eine Maßregelung begründe, so hätte der Beklagte diesen erschüttert.

38

Denn der Beklagte hatte bereits erstinstanzlich ohne anwaltliche Hilfe mit Schriftsatz vom 08.02.2016 (Bl. 17 d.A.) zum einen nicht nur vorgetragen, dass er am 30.11.2015 den Mitarbeiter C angesprochen habe, weil er dem Kläger eine Kündigung geschrieben habe. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass er eigentlich zwei Wochen Kündigungsfrist einhalten müsse und er habe deshalb die Kündigung nicht abgegeben. Vielmehr hat der Kläger zum anderen in diesem Schriftsatz bereits auch weiter ausgeführt, dass er die Kündigung sodann auf Verlangen seines Steuerberaters diesem am 10.12.2015 per E-Mail gesendet habe. Er habe als Antwort erhalten, dass er keinen Kündigungsgrund reinschreiben solle. Mit seiner fristgerechten Berufungsbegründung hat der Beklagte diesen Vortrag wiederholt und dahingehend vertieft dargestellt, als er zudem die entsprechende E-Mailkorrespondenz mit dem Steuerberaterbüro vorlegt (Bl. 95 d.A.) und erläutert. Dabei gibt er diese auch als Beleg für seine Dispositionen ohne die Arbeitsleistung des Klägers an. Ferner gibt er zudem als Gründe für seine Unzufriedenheit zahlreiche Beschwerden, überhöhte Spritkosten sowie verbotene Privatfahrten an.

39

Gründe, die eine Zurückweisung dieser ergänzenden Darstellungen als verspätet nach den Vorschriften des § 67 ArbGG rechtfertigen könnten, sind - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht gegeben. Danach sind nach den Absätzen 2 und 3 dieser Vorschrift zulässige neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vom Berufungskläger in der Berufungsbegründung vorzubringen. Nichts anderes hat der Beklagte getan.

40

Ausweislich der E-Mailkorrespondenz vom 10.12.2015 hat der Beklagte dem Steuerberaterbüro bereits an diesem Tag darüber informiert, dass er in der Werkstatt in nächster Zeit wenig Arbeit habe und sein Mitarbeiter Herr Z daher die Tour des Klägers 2 bis 3 Monate fahren sollte. Ferner teilte er dort gleichfalls ausdrücklich mit, dass er dem Kläger kündigen wolle und fragte nach der zweiwöchigen Kündigungsfrist während der Probezeit. Hierdurch wird seine bereits erstinstanzlich getätigte Einlassung gestützt, dass sein Beendigungswillen unabhängig von der Verlängerung der gesetzlichen Freistellung wegen Betreuung des erkrankten Sohnes bestand. Zumal er auf die Arbeitsleistung des Klägers nicht angewiesen war, sondern vielmehr keinen Bedarf mehr hieran hatte. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass das weitere Fernbleiben des Klägers der tragende Grund für die ausgesprochene Kündigung des Beklagten war. Ein etwaiger Anscheinsbeweis wäre erschüttert. Der Kläger wäre angesichts des in der Berufungsbegründung ausreichend substantiierten Beklagtenvortrags gehalten gewesen, seinerseits dezidiert Stellung zu nehmen. Das weiter pauschale Bestreiten der Kündigungsabsicht reichte hingegen nicht aus.

41

c) Die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung scheiterte daher nicht an § 612a BGB. Auf die vom Beklagten des Weiteren pauschal angeführten und vom Kläger bestrittenen angeblichen Fehlverhalten kam es nicht an, da es innerhalb der ersten 6 Monate mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes gerade keiner Rechtfertigung der Kündigung bedarf.

42

d) Sonstige Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich und werden vom Kläger nicht geltend gemacht.

43

3. Mangels fortbestehendem Arbeitsverhältnis war der mit dem Klageantrag zu 2) gestellte Weiterbeschäftigungsantrag ebenfalls als unbegründet abzuweisen.

III.

44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

45

Gründe die eine Zulassung der Revision iSd. § 72 Abs. 2 ArbGG veranlasst hätten, bestehen nicht.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.