Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Feb. 2017 - 5 Sa 435/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0216.5SA435.16.0A
bei uns veröffentlicht am16.02.2017

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 31.08.2016, Az. 3 Ca 1394/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über Differenzlohnansprüche (einschließlich Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit) für die Zeit vom 01.01.2010 bis zum 24.09.2013 sowie über die Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus dem Jahr 2013.

2

Die 1976 geborene Klägerin war bei der Beklagten, einem Gebäudereinigungsunternehmen, seit dem 02.09.2002 zu einem Stundenlohn von € 10,00 brutto in Vollzeit beschäftigt. Seit dem 25.09.2013 war die Klägerin ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Nach der Aussteuerung durch die Krankenkasse bezog sie ab 26.03.2015 Arbeitslosengeld. Das Arbeitsverhältnis endete durch eine Kündigung der Klägerin vom 20.01.2016 mit Ablauf des 04.02.2016. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft Allgemeinverbindlichkeit die Rahmentarifverträge für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (RTV) in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung.

3

Mit Schriftsatz vom 28.08.2015 erhob die Klägerin eine Auskunfts- und Stufenklage auf Abrechnung und Zahlung. In erster Instanz änderte sie ihre Anträge mehrfach. Im Kammertermin vom 31.08.2016 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht folgenden

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"Teilvergleich:

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1. Die Beklagte zahlt an die Klägerin zur Abgeltung der mit der Abrechnung vom 13.06.2016 abgerechneten 124 Gutstunden einen Betrag von € 837,54 netto.

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2. Die Beklagte zahlt an die Klägerin zur Abgeltung der mit der weiteren Abrechnung vom 13.06.2016 abgerechneter Urlaubsabgeltung für 51 Urlaubstage einen Betrag von € 3.586,26 netto.

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3. Die Beklagte überreicht zur Abgeltung der vorgenannten Nettobeträge einen Verrechnungsscheck iHv. € 4.423,80 an die Klägerin.

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4. Mit Zustandekommen dieses Vergleichs ist der Antrag Ziff. 1 aus dem Schriftsatz vom 22.03.2016 iHv. € 1.240,00 brutto (entspricht 124 Gutstunden) sowie der Antrag Ziff. 2 aus dem Schriftsatz vom 22.03.2016 iHv. € 4.080,00 brutto (entspricht 51 Urlaubstage für die Jahre 2014, 2015 und 2016) erledigt."

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Nach Abschluss des Teilvergleichs begehrte die Klägerin erstinstanzlich zuletzt noch Differenzlohnansprüche iHv. € 15.392,12 brutto für die Zeit vom 01.01.2010 bis 24.09.2013 nebst Zuschlägen sowie Urlaubsabgeltung iHv. € 1.440,00 brutto für nicht genommenen Urlaub aus dem Jahr 2013. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und sich auf die tariflichen Ausschlussfristen berufen.

10

Für folgende Jahre verlangt die Klägerin mit dem Klageantrag zu 1) noch folgende Beträge:

11

Jahr   

EUR
brutto

        

2010   

4.480,00

        

2011   

5.285,13

        

2012   

6.038,50

        

2013   

828,50

        
        

16.632,12

Summe 

        

1.240,00

Teilvergleich

        

15.392,12

Rest   

12

Von einer weiteren Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 31.08.2016 Bezug genommen.

13

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie € 15.392,12 brutto nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.03.2016 zu zahlen,

15

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie € 1.440,00 brutto nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.03.2016 zu zahlen.

16

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

18

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 31.08.2016 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, etwaige Ansprüche der Klägerin auf restliche Vergütung und Zuschläge für die Jahre 2010 bis 2013 seien nach § 22 des RTV vom 04.10.2003 (RTV 2003) und nach § 23 des RTV vom 28.06.2011 (RTV 2011) verfallen. Dies gelte unabhängig davon, ob die Beklagte verpflichtet gewesen sei, die geltend gemachten Stunden unmittelbar auszuzahlen oder diese zunächst einem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Die Vergütung für die letzten von der Klägerin angeblich geleisteten weiteren Stunden aus dem Monat September 2013 bzw. die Gutschrift dieser Stunden auf ein Arbeitszeitkonto sei nach § 9 RTV 2011 spätestens am 15.10.2013 fällig geworden. Die Klägerin hätte ihre Ansprüche bis spätestens zum 15.12.2013 schriftlich gegenüber der Beklagten geltend machen müssen. Sie habe die Zahlung bzw. Gutschrift der Stunden - wenn man den Inhalt überhaupt als ausreichende Geltendmachung ansehen wolle - erstmals mit Anwaltsschreiben vom 01.07.2014, wenn nicht sogar erstmals - und dann auch nur teilweise - mit der Klageschrift vom 28.08.2015 schriftlich geltend gemacht. Dies sei verspätet. Die Beklagte könne sich auf den Verfall etwaiger Ansprüche berufen, dem stehe der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegen.

19

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2013, denn der Urlaub 2013 sei bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 04.02.2016 bereits verfallen gewesen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

20

Die Klägerin hat gegen das am 07.09.2016 zugestellte Urteil mit am 06.10.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 28.10.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Eine zweite Begründung erfolgte außerhalb der antragsgemäß bis zum 07.12.2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 03.02.2017.

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Sie macht geltend, die in § 22 RTV 2003 und § 23 RTV 2011 geregelten Ausschlussfristen seien unwirksam. Auch tarifvertragliche Regelungen unterlägen der allgemeinen Billigkeitskontrolle. Die Berufung der Beklagten auf die Ausschlussfristen verstoße gegen die Richtlinie 91/533/EWG des Rates vom 14.10.1991 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen sowie gegen Art. 4 der Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.03.2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft. Die in § 22 RTV 2003 und § 23 RTV 2011 geregelten Ausschlussfristen seien außerdem unwirksam, weil sie gegen § 9 Satz 3 AEntG und § 3 MiLoG verstießen. Ein Verfall ihrer Ansprüche sei mithin nicht eingetreten.

22

Das Arbeitsgericht habe ferner übersehen, dass ihr durch die unterlassene Einbringung des Zeitguthabens in das Arbeitszeitkonto ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zustehe, der nicht verfallen sei. Sie habe erstmals am 01.07.2014, die von der Beklagten ohne besondere Aufforderung geschuldete Auskunft über den Stand ihres Arbeitszeitkontos verlangt. Durch die Erhebung der Auskunftsklage am 28.08.2015 habe sie mithin die Verfallfrist gewahrt. Sie habe erst im Verlauf des Rechtsstreits Kenntnis über den tatsächlichen Umfang des in das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitszeitvolumens erlangt. Darüber hinaus habe die Beklagte durch ihr Schreiben vom 04.07.2014 ein schutzwürdiges Vertrauen begründet. Im Übrigen habe sie bereits unter Beweisantritt dargelegt, dass es im Betrieb der Beklagten betrieblicher Übung entsprochen habe, Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis regelmäßig nicht tariflichen Ausschlussfristen zu unterwerfen.

23

Im Schriftsatz vom 03.02.2017 trägt die Klägerin vor, sie habe insgesamt bislang nicht vergütete Mehrarbeit in folgendem Umfang geleistet: Im Jahr 2010 319 Stunden, im Jahr 2011 499,75 Stunden, im Jahr 2012 545,75 Stunden und im Jahr 2013 465,25 Stunden. Die Ableistung der Mehr-, Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit sei betriebsnotwendig gewesen und habe der pflichtgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben gedient. Überwiegend seien die Stunden bzw. die Tätigkeiten durch die Betriebsleitung angeordnet worden.

24

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

25

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 31.08.2016, Az. 3 Ca 1394/15, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie

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1. € 15.392,12 brutto,

27

2. € 1.440,00 brutto,

28

jeweils nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.03.2016 zu zahlen.

29

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

31

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und bestreitet weiterhin, dass die Klägerin über die von ihr jeweils monatlich abgerechneten und gezahlten Mehrarbeitsstunden hinaus weitere Stunden geleistet habe. Ein pauschaler Hinweis auf irgendwelche Listen, deren Zusammenstellung sich nicht erschließe, ersetze keinen Sachvortrag. Im Übrigen seien etwaige Ansprüche nach den tarifvertraglichen Ausschlussfristen im Gebäudereinigerhandwerk verfallen.

32

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

33

Die Berufung ist nur zum Teil zulässig. Soweit die Klägerin einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2013 iHv. € 1.440,00 brutto geltend macht, ist die Berufung unzulässig. Im Übrigen ist sie zulässig.

34

Eine Berufungsbegründung genügt den gesetzlichen Anforderungen nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr., zB BAG 15.11.2016 - 9 AZR 125/16 - Rn. 11 mwN). Bezieht sich das Rechtsmittel auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn, ist zu jedem Anspruch eine ausreichende Begründung zu geben. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Begründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängt (vgl. etwa BAG 19.07.2016 - 3 AZR 88/15 - Rn. 20 mwN).

35

Die Berufungsbegründung der Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrags auf Zahlung von Urlaubsabgeltung für das Jahr 2013 iHv. € 1.440,00 brutto stützt. Die Urlaubsabgeltung 2013 stellt einen eigenen Streitgegenstand und damit einen eigenen Anspruch im prozessualen Sinn dar. Mit der Abweisung dieses Antrags setzt sich die Berufungsbegründung in keiner Weise auseinander.

II.

36

Die Berufung hat, soweit sie zulässig ist, in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, an die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2010 bis zum 24.09.2013 restliche Vergütung sowie Zuschläge (für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit) iHv. insgesamt € 15.392,12 brutto zu zahlen.

37

1. Die Klage scheitert bereits daran, dass die Klägerin die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Vergütung von Mehrarbeitsstunden nebst Zuschlägen für mehrere Jahre nicht schlüssig dargelegt hat.

38

a) Die Klägerin stützt sich zur Darlegung von Mehrarbeitsstunden, die sie in den Jahren 2010 bis 2013 geleistet haben will, auf von ihr selbst gefertigte Arbeitszeitaufstellungen und Differenzberechnungen, die sie im Verlauf des Rechtsstreits in unterschiedlichen Ausführungen (handschriftliche Listen, Kalenderblattaufschriebe, "Gegenrechnungen" und sonstige Excel-Tabellen) ihren Schriftsätzen - im Umfang von mehreren hundert Seiten - als Anlage beigefügt hat.

39

Weder das Arbeitsgericht noch die Berufungskammer waren verpflichtet, die umfangreichen Listen von sich aus durchzuarbeiten, um so die Ansprüche zu konkretisieren. Anlagen können lediglich zur Erläuterung und Konkretisierung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht vollständig ersetzen (vgl. BGH 17.03.2016 - III ZR 200/15 - Rn. 19 mwN). Zwar kann die gebotene Individualisierung der Klagegründe grundsätzlich auch durch eine konkrete Bezugnahme auf andere Schriftstücke erfolgen (vgl. Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 253 Rn. 12b). Dies gilt jedoch nur, wenn die dortige Darstellung aus sich heraus verständlich ist (vgl. BGH 17.07.2003 - I ZR 295/00 - Rn. 16). Es ist jedoch nicht Aufgabe des Gerichts, zu prüfen, ob sich aus mehrere hundert Seiten umfassenden Aufstellungen und Berechnungen der Nachweis ergibt, dass die Klägerin Mehrarbeit geleistet hat, die ihr nicht vergütet worden ist. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich die unstreitigen oder streitigen Arbeitszeiten aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen (vgl. BAG 16.05.2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 29 mwN).

40

b) Hinzu kommt, dass der Vortrag der Klägerin in sich widersprüchlich ist. Die Stundenaufstellungen und Berechnungen variieren von Schriftsatz zu Schriftsatz. Die schriftsätzlichen Ausführungen widersprechen sich nicht nur untereinander, sie lassen sich auch nicht logisch nachvollziehbar mit den beigefügten Berechnungen und Aufstellungen in Einklang bringen. Zuletzt entspricht nicht einmal mehr der Klageantrag der Klagebegründung.

41

Der wechselnde Vortrag steht der Schlüssigkeit des Vorbringens der Klägerin entgegen. Eine Partei ist zwar nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen (vgl. BGH 02.03.2000 - III ZR 103/99 – Rn. 10 mwN). Stellt allerdings eine Partei mehrere einander widersprechende Behauptungen auf, ohne den Widerspruch zu erläutern, so kann von keiner dieser Behauptungen angenommen werden, sie sei richtig (vgl. BAG 13.06.2002 - 2 AZR 589/01 - Rn. 27). So liegt der Fall hier.

42

In der Klageschrift vom 28.08.2015 hat die Klägerin unter Vorlage einer handschriftlichen Stundenliste behauptet, für das Jahr 2011 sei ein Stundenguthaben von 218,50 Stunden, für das Jahr 2012 von 217,25 Stunden und für das Jahr 2013 von 103,75 Stunden zur Abrechnung und Zahlung offen. Zum Jahr 2010 finden sich keine Stundenangaben.

43

Im Schriftsatz vom 26.12.2015 hat die Klägerin unter Vorlage von Kalenderblättern, Lohnabrechnungen und handschriftlichen Stundenlisten vortragen lassen, für das Jahr 2010 seien noch 130,50 Stunden, für das Jahr 2011 noch 229,50 Stunden, für das Jahr 2012 noch 229,25 Stunden und für das Jahr 2013 noch 68,75 Stunden zur Zahlung offen. Dementsprechend hat die Klägerin ihren Klageantrag zu 1) "neu gefasst" und die Zahlung von € 6.580,00 für insgesamt 658 Stunden beantragt (Seite 7 des Schriftsatzes, Bl. 75 d.A.).

44

Im Schriftsatz vom 15.03.2016 hat die Klägerin unter Vorlage von Excel-Tabellen, Kalenderblättern und diversen "Übersichten", einschließlich einer "Gesamtübersicht" (Bl. 211 d.A.) vorgetragen, für das Jahr 2010 seien noch € 4.480,00 brutto, für das Jahr 2011 noch € 5.285,13 brutto, für das Jahr 2012 noch € 6.038,50 brutto und für das Jahr 2013 noch € 828,50 brutto zur Zahlung offen. Dementsprechend hat sie mit ihrem Klageantrag zu 1) "nunmehr" die Zahlung von € 16.632,12 brutto an Überstundenvergütung nebst Zuschlägen beantragt (Seite 1 des Schriftsatzes, Bl. 205 d.A.).

45

Diese Klageforderung hat die Klägerin ausweislich der Sitzungsniederschrift im Kammertermin des Arbeitsgerichts vom 31.08.2016 nach Abschluss des Teilvergleichs um € 1.240,00 auf € 15.392,12 brutto reduziert (Bl. 659 d.A.). Auch der Berufungsantrag der Klägerin (Seite 1 der Berufungsbegründung vom 28.10.2016, Bl. 710 d.A.) ist mit diesem Betrag identisch.

46

Schließlich hat die Klägerin im letzten Schriftsatz vom 03.02.2017 noch ein weiteres Rechenwerk vorgelegt. Sie trägt unter Vorlage weiterer Excel-Tabellen, einschließlich einer weiteren "Gesamtübersicht" (Bl. 783 d.A.) vor, für das Jahr 2010 seien 319,00 Stunden, für das Jahr 2011 499,75 Stunden, für das Jahr 2012 545,75 Stunden und für das Jahr 2013 465,25 geleistete Mehrarbeitsstunden von der Beklagten bislang nicht vergütet worden. Ausweislich der vorgelegten "Gesamtübersicht" (Bl. 783 d.A.) sollen für das Jahr 2010 noch € 2.922,50 brutto, für das Jahr 2011 noch € 4.106,38 brutto, für das Jahr 2012 noch € 4.369,75 brutto und für das Jahr 2013 noch € 521,00 brutto zur Zahlung offen stehen. Die Gesamtsumme beläuft sich laut "Gesamtübersicht" auf € 11.919,62 brutto. Die Stundenangaben im Schriftsatz (insgesamt 1.829,75 Stunden) lassen sich nicht mit dem Zahlenwerk in der "Gesamtübersicht" in Einklang bringen. Zudem fehlt der Bezug zum Klageantrag iHv. € 15.392,12 brutto.

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c) Die Klage wäre selbst dann unschlüssig, wenn sich die wechselnden Aufstellungen der Klägerin noch irgendwie nachvollziehen ließen.

48

Verlangt ein Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tariflicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Behauptet der Arbeitnehmer zur Begründung eines (abzugeltenden) Arbeitszeit-guthabens, geleistete Überstunden seien in ein vereinbartes Arbeitszeitkonto einzustellen gewesen, hat er die Stunden wie im Überstundenprozess darzulegen (vgl. BAG 23.09.2015 - 5 AZR 767/13 - Rn. 43 mwN). Der Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat, und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist (vgl. BAG 10.04.2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 9). Diese Grundsätze dürfen aber nicht gleichsam schematisch angewendet werden, sondern bedürfen stets der Berücksichtigung der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe (vgl. BAG 16.05.2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 28).

49

Im vorliegenden Fall fällt schon bei einer stichprobenartigen Überprüfung der Lohnabrechnungen der Beklagten auf, dass die Klägerin - bei einer tariflichen Arbeitszeit von 169 Stunden/Monat erhebliche Überstunden geleistet hat, die ihr mit dem vereinbarten Stundensatz von € 10,00 brutto vergütet worden sind. So hat die Beklagte bspw. für den Monat Oktober 2012 eine Stundenzahl von 245, für November 2012 von 198 und für Dezember 2012 von 217 abgerechnet (Bl. 152-154 d.A.). Ausweislich der handschriftlichen Aufstellungen, die die Klägerin als Anlage zum Schriftsatz vom 26.12.2015 vorgelegt hat, will sie im Oktober 2012 insgesamt 229,75 Stunden, im November 2012 insgesamt 199,25 Stunden und im Dezember 2012 insgesamt 220 Stunden (Bl. 155-156 d.A.) gearbeitet haben. Danach hätte die Beklagte im vierten Quartal 2012 insgesamt 11 Stunden mehr gezahlt als die Klägerin nach ihrer Aufstellung geleistet hätte.

50

Greift man stichprobenartig das Kalenderjahr 2012 heraus, hat die Beklagte der Klägerin ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen bei einer tariflichen Jahresarbeitszeit von 2.028 Stunden (169 Stunden x 12 Monate) insgesamt 2.425 Stunden bezahlt. Damit sind in diesem Jahr 397 Stunden Mehrarbeit offensichtlich bereits vergütet worden. Laut Lohnabrechnung Februar 2013 hat die Beklagte Lohn für 201 geleistete Stunden abgerechnet und zusätzlich - wohl für im Jahr 2012 nicht genommenen Urlaub - noch 160 Stunden "für Urlaubsabgeltung", also insgesamt 361 Stunden bezahlt (Bl. 162 d.A.). Wenn die Klägerin für das Jahr 2012 im Verlauf des Rechtsstreits die Vergütung für weitere 217,25 Stunden (Klageschrift vom 28.08.2015), für weitere 229,25 Stunden (Schriftsatz vom 26.12.2015), zuletzt für weitere 545,75 Stunden (Schriftsatz vom 03.02.2017) begehrt bzw. die Zahlung von € 6.038,50 brutto (erste "Gesamtübersicht", Bl. 211 d.A.) oder von € 4.369,75 brutto (zweite Gesamtübersicht, Bl. 783 d.A.) verlangt, wird ihr Vortrag vollends unverständlich und damit unschlüssig.

51

2. Hinzu kommt, dass Zahlungsansprüche der Klägerin für das Jahr 2010 und für das Jahr 2011 (bis einschließlich November) verjährt wären. Der Lohn für geleistete Arbeit war spätestens am 15. des Folgemonats fällig (§ 8 Ziff. 2 RTV 2003). Vergütungsansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Die Verjährungsfrist für Differenzlohnansprüche bis November 2010 hat mit Schluss des Jahres 2010, bis November 2011 mit Schluss des Jahres 2011 zu laufen begonnen, § 199 Abs. 1 BGB. Bei Erhebung der Klage am 28.08.2015 war die regelmäßige Verjährungsfrist abgelaufen. Die Beklagte hat sich auf die Einrede der Verjährung berufen.

52

3. Außerdem wären etwaige Zahlungsansprüche der Klägerin für den Monat Dezember 2011 sowie für die Jahre 2012 und 2013 (bis zum 24.09.) nach § 22 RTV 2003 bzw. § 23 RTV 2011 verfallen. Die Klägerin hat bereits die erste Stufe der Verfallfrist, dh. die schriftliche Geltendmachung innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit des Anspruchs nicht eingehalten. Insoweit wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

53

4. Die Angriffe der Berufung greifen nicht durch. Sowohl der RTV 2003 als auch der RTV 2011 fanden kraft Allgemeinverbindlichkeit (§ 5 Abs. 4 TVG) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

54

a) Entgegen der Ansicht der Berufung ist die tarifliche Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit keiner Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen. Nach dem Wortlaut des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden die §§ 305 bis 310 BGB auf Tarifverträge keine Anwendung. Nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB stehen Tarifverträge Rechtsvorschriften iSv. § 307 Abs. 3 BGB gleich (vgl. BAG 18.09.2012 - 9 AZR 1/11 - Rn. 24 mwN). Tarifliche Ausschlussfristen sind seit jeher als dem Arbeitsverhältnis innewohnende Besonderheiten anerkannt. Sie dienen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit und sollen zu der im Arbeitsleben besonders gebotenen raschen Klärung von Ansprüchen und Bereinigung offener Streitpunkte führen (st. Rspr., vgl. nur BAG 16.03.2016 - 4 AZR 421/15 - Rn. 37 mwN). Die von der Berufung hieran geäußerte Kritik, gibt keine Veranlassung von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

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b) Die in § 22 RTV 2003 und § 23 RTV 2011 geregelten Ausschlussfristen verstoßen entgegen der Ansicht der Berufung nicht gegen europarechtliche Vorgaben. Zum einen gilt, dass die fehlende Kenntnis von Existenz und Inhalt einer Ausschlussfrist den Verfall des Anspruchs unberührt lässt (allg. Meinung, vgl. BAG 18.08.2011 - 8 AZR 187/10 - Rn.46 mwN). Zum anderen haben die Tarifvertragsparteien mit der Bestimmung einer zweimonatigen Frist zur schriftlichen Geltendmachung den Grundsätzen der Äquivalenz und Effektivität (siehe hierzu EuGH 08.07.2010 - C-246/09 - [Bulicke] Rn. 25; 18.09.2003 - C-125/01 - [Pflücke] Rn. 34) ausreichend Rechnung getragen (vgl. BAG 21.02.2012 - 9 AZR 486/10 - Rn. 20 mwN).

56

c) Soweit die Berufung einen Verstoß gegen § 3 MiLoG reklamiert, verkennt sie zwei rechtliche Aspekte: Das Mindestlohngesetz (MiLoG) galt im streitigen Zeitraum von 2010 bis 2013 nicht. Es ist erst gemäß Art. 15 Abs. 1 Tarifautonomiestärkungsgesetz am 16.08.2014 in Kraft getreten. Außerdem gehen nach § 1 Abs. 3 MiLoG ua. die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) und der auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen den Regelungen des MiLoG vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns (ab 01.01.2015 € 8,50 je Zeitstunde) nicht unterschreitet.

57

d) Entgegen der Ansicht der Berufung ist auch ein Verstoß gegen § 9 Satz 3 AEntG nicht feststellbar. Im Streitzeitraum galt für das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der 2. GebäudeArbbV (Zweite Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Gebäudereinigerhandwerk) bis zum 31.12.2011 der Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 29.10.2009, der am 10.03.2010 in Kraft getreten ist (TV Mindestlohn 2010) und ab 01.01.2012 nach der 3. GebäudeArbbV vom 21.12.2011 der TV Mindestlohn 2012 vom 23.08.2011.

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Der Branchenmindestlohn betrug im Geltungsbereich West im Jahr 2010 € 8,40 brutto, im Jahr 2011 € 8,55 brutto, im Jahr 2012 € 8,82 brutto und im Jahr 2013 € 9,00 brutto. Da die Beklagte der Klägerin einen Stundenlohn von € 10,00 brutto gezahlt hat, hätte die Klägerin zur Geltendmachung des Mindestlohns darlegen müssen, dass die für jeden Kalendermonat von der Beklagten gezahlte Bruttovergütung (01.01.2010-30.09.2013 = 45 Monate) den Betrag nicht erreicht hat, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit dem jeweiligen Mindestlohn ergibt (vgl. BAG 25.05.2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 26). An diesem Vortrag fehlt es.

59

Im Übrigen war in § 2 Ziff. 6 des TV Mindestlohn 2010 geregelt, dass der Anspruch auf den Mindestlohn verfällt, wenn er nicht innerhalb von sechs Monaten nach seiner Fälligkeit gerichtlich geltend gemacht wird. Danach waren Ansprüche der Klägerin bis zum 31.12.2011 - schon vor ihrer Verjährung - verfallen. In § 2 Ziff. 5 des TV Mindestlohn 2012 war ebenfalls geregelt, dass der Anspruch auf den Mindestlohn verfällt, wenn er nicht innerhalb von sechs Monaten nach seiner Fälligkeit gerichtlich geltend gemacht wird. Die Sechsmonatsfrist war bei Klageerhebung am 28.08.2015 für Ansprüche aus den Jahren 2012 und 2013 ebenfalls verstrichen. Darüber hinaus enthielt § 2 Ziff. 5 TV Mindestlohn 2012 die Regelung, dass für die Geltendmachung des Mindestlohnes, welcher nicht ausgezahlt worden ist, sondern dem Jahresarbeitszeitkonto (§ 4 Nr. 2 RTV) gutzuschreiben war, die gesetzliche regelmäßige Verjährungsfrist gilt. Ein Jahresarbeitszeitkonto in diesem Sinne haben die Parteien nicht eingerichtet. Die Arbeitszeitflexibilisierung nach § 4 RTV 2011 konnte nur durch Betriebsvereinbarung oder, wenn kein Betriebsrat besteht, durch einzelvertragliche Vereinbarung für die gewerblichen Arbeitnehmer, die in den Lohngruppen 6 bis 9 eingruppiert waren, vereinbart werden. Diesen Lohngruppen gehörte die Klägerin nicht an. Im Übrigen durften das Arbeitszeitguthaben und der dafür einbehaltene Lohn zu keinem Zeitpunkt 150 Stunden überschreiten. Wurde ein Guthaben für 150 Stunden erreicht, so war der Lohn für die darüber hinausgehenden Stunden neben dem Monatslohn auszuzahlen. Da die Beklagte der Klägerin durch Teilvergleich vom 31.08.2016 zur Abgeltung von 124 "Gutstunden" bereits € 1.240,00 brutto gezahlt hat, hätte die Klägerin vortragen müssen, welche 26 Stunden noch zu vergüten sind. Auch an diesem Vortrag fehlt es.

60

e) Soweit die Klägerin erstmals mit der Berufung Schadensersatzansprüche, wohl wegen Verletzung des § 8 TVG oder § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG, geltend macht, hat sie bereits die Voraussetzungen für einen Anspruch nicht schlüssig dargelegt. Im Übrigen hätte sie Schadensersatzansprüche ebenfalls innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der Beklagten schriftlich geltend machen müssen (vgl. BAG 18.08.2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 43). Das war vorliegend nicht der Fall. Schadensersatzansprüche hat die Klägerin erstmals in der Berufungsbegründungsschrift vom 28.10.2016 geltend gemacht. Das war erheblich verspätet. Die Beklagte hat der Klägerin auf außergerichtliche Aufforderung mit Schreiben vom 04.07.2014 mitgeteilt, dass nach ihrer Ansicht noch 124 Gutstunden zur Zahlung offen stünden. Obwohl die Klägerin nach ihren eigenen Angaben, die von ihr geleisteten Stunden auf Tageszetteln akribisch aufgeschrieben hatte, wäre es - allerspätestens im Anschluss an das Schreiben vom 04.07.2014 - Sache der Klägerin gewesen, ihre vermeintlichen Schadensersatzansprüche dem Grunde und der Höhe nach geltend zu machen. Sie hat jedoch erst mit Klageschrift vom 28.08.2015 auf dieses Schreiben reagiert und dann noch nicht einmal Schadensersatzansprüche eingeklagt.

61

f) Soweit die Klägerin mit der Berufung geltend macht, es habe die betriebliche Übung bestanden, Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis "regelmäßig nicht" tariflichen Ausschlussfristen zu unterwerfen, genügt sie auch insoweit ihrer Darlegungslast nicht. Dem Vortrag der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, wie vielen Arbeitnehmern die Beklagte Mehrarbeitsstunden vergütet hat, obwohl die Ansprüche bereits verfallen waren, und wie ihr Verhältnis zur Belegschaftsstärke war. Zur Feststellung einer betrieblichen Übung fehlen konkrete Zahlen und Fakten. Für das Bestehen einer betrieblichen Übung kommt es auf die Zahl der Anwendungsfälle im Verhältnis zur Belegschaftsstärke an. Ferner sind in die Bewertung der Relation von Anzahl der Wiederholungen und Dauer der Übung auch Art und Inhalt der Leistung einzubeziehen (vgl. BAG 11.04.2006 - 9 AZR 500/05 - Rn. 16 mwN). Dazu fehlt jeder Sachvortrag.

III.

62

Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen. Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen


(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem1.der Anspruch entstanden ist und2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des S

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

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(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmung

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(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermöge

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 612 Vergütung


(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 5 Allgemeinverbindlichkeit


(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss (Tarifausschuss) auf gemeinsamen Antrag de

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(1) Der Arbeitgeber hat die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Fristen des Satzes 4 schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift sind minde

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(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber. (2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Di

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Ein Verzicht auf den aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a entstandenen Anspruch der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf Mindestentgeltsätze nach § 5 Satz 1 Nummer 1 ist nur durch gerichtlichen Vergleich zulässig; im Übrigen ist ein V

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 8 Bekanntgabe des Tarifvertrags


Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die im Betrieb anwendbaren Tarifverträge sowie rechtskräftige Beschlüsse nach § 99 des Arbeitsgerichtsgesetzes über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 anwendbaren Tarifvertrag im Betrieb bekanntzumachen.

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Ein Verzicht auf den aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a entstandenen Anspruch der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf Mindestentgeltsätze nach § 5 Satz 1 Nummer 1 ist nur durch gerichtlichen Vergleich zulässig; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des in Satz 1 genannten Anspruchs ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für die Geltendmachung des in Satz 1 genannten Anspruchs können ausschließlich in dem der Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a zugrunde liegenden Tarifvertrag geregelt werden; die Frist muss mindestens sechs Monate betragen.

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 12. Januar 2016 - 1 Sa 88 a/15 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 19. Februar 2015 - 3 Ca 1123/14 - als unzulässig verworfen wird.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Urlaub der Klägerin aus den Jahren 2012 bis 2015.

2

Die Klägerin ist seit dem 1. April 2007 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 1.105,00 Euro als Friseurin beschäftigt. Ihr steht bei einer Fünftagewoche ein Jahresurlaub von 25 Arbeitstagen zu.

3

Nach der Geburt ihrer Kinder nahm die Klägerin im Anschluss an die Mutterschutzfristen vom 27. Dezember 2009 bis zum 26. Oktober 2012 und vom 30. Januar 2013 bis zum 4. Dezember 2015 Elternzeit in Anspruch. Die Beklagte ließ mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 10. Oktober 2014 erklären, dass sie den Urlaub der Klägerin für jeden vollen Monat der Elternzeit gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG um ein Zwölftel kürze.

4

Mit ihrer am 20. Oktober 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Abgeltung von jeweils 25 Urlaubstagen aus den Jahren 2012 bis 2014 verlangt. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Klägerin stehe mangels Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung nicht zu. In der Berufungsbegründung hat die Klägerin vorgetragen, der Argumentation des Arbeitsgerichts trage sie durch die Umstellung ihrer Klageanträge Rechnung. Ihr stehe der Urlaub für die Jahre 2012 bis 2015 in vollem Umfang zu. Die Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers nach § 17 Abs. 1 BEEG sei unionsrechtswidrig und damit unwirksam.

5

Die Klägerin hat im Berufungsverfahren beantragt

        

festzustellen, dass ihr gegenüber der Beklagten für die Jahre 2012 bis 2015 noch je Kalenderjahr ein Urlaubsanspruch im Umfang von 25 Urlaubstagen zusteht;

        

hilfsweise

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.291,50 Euro brutto Urlaubsabgeltung für das Jahr 2012 nebst fünf Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 10. Oktober 2014 zu zahlen,

        

an sie 1.291,50 Euro brutto Urlaubsabgeltung für das Jahr 2013 nebst fünf Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 10. Oktober 2014 zu zahlen,

        

an sie 1.291,50 Euro brutto Urlaubsabgeltung für das Jahr 2014 nebst fünf Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 10. Oktober 2014 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin dem Hauptantrag in geringem Umfang stattgegeben und die Berufung in Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel mit der Maßgabe weiter, dass sie mit dem Hauptantrag die Feststellung verlangt, dass ihr für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 4. Dezember 2015 weitere 89,59 Tage Urlaub zustehen.

Entscheidungsgründe

8

I. Die Revision der Klägerin ist unbegründet, da bereits ihre Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts unzulässig gewesen ist. Das Landesarbeitsgericht hätte die Berufung als unzulässig verwerfen müssen.

9

1. Die Zulässigkeit der Berufung ist eine vom Senat von Amts wegen zu prüfende Prozessfortsetzungsbedingung (BAG 23. Februar 2016 - 3 AZR 230/14 - Rn. 9; vgl. auch BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 9). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO oder ist die Berufung aus anderen Gründen unzulässig, hat das Revisionsgericht die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Berufung als unzulässig verworfen wird. Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist ohne Bedeutung (vgl. BAG 23. Februar 2016 - 3 AZR 230/14 - Rn. 9; 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 9).

10

a) Das Rechtsmittel der Berufung setzt voraus, dass der Berufungskläger die Beseitigung einer in der angefochtenen Entscheidung liegenden Beschwer erstrebt. Dies erfordert, dass der im ersten Rechtszug erhobene Anspruch wenigstens teilweise weiterverfolgt wird. Ein im Wege der Klageänderung neuer, bisher nicht gestellter Anspruch kann nicht das alleinige Ziel eines Rechtsmittels sein (BAG 23. Februar 2016 - 1 ABR 5/14 - Rn. 12; 10. Februar 2005 - 6 AZR 183/04 - zu 1 a der Gründe). Der Anspruch kann auch nicht mit der Begründung in das Berufungsverfahren eingeführt werden, aufgrund eines in erster Instanz geltend gemachten, nunmehr hilfsweise weiterverfolgten Anspruchs entstehe eine nachträgliche objektive Klagehäufung. Die Zulässigkeit eines Hauptantrags folgt nicht aus der eines Hilfsantrags, der nur für den Fall gestellt wird, dass der Hauptantrag ohne Erfolg ist. In der Folge ist eine Berufung nur insoweit zulässig, als der ursprüngliche Antrag unbedingt weiterverfolgt wird (vgl. BAG 23. Februar 2016 - 1 ABR 5/14 - Rn. 12; BGH 11. Oktober 2000 - VIII ZR 321/99 - zu II 2 c der Gründe).

11

b) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr., zB BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 14; 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 11). Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (st. Rspr., zB BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 14; vgl. auch BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 11). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr., zB BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 14; 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 11).

12

2. Danach genügt die Berufungsbegründung der Klägerin vom 30. März 2015 nicht den gesetzlichen Anforderungen.

13

a) Alleiniges Ziel der Berufung war die Änderung des Klageantrags. Statt der erstinstanzlich geltend gemachten Urlaubsabgeltung hat die Klägerin mit ihrer Berufung die Feststellung begehrt, dass ihr für die Jahre 2012 bis 2015 je Kalenderjahr noch ein Urlaubsanspruch im Umfang von 25 Urlaubstagen zusteht. Sie hat damit die erstinstanzliche Klageabweisung in der Berufungsinstanz nicht mehr in Zweifel gezogen, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Feststellungsanspruch zur Entscheidung gestellt. Ihr Klageziel war damit nicht mehr auf die Beseitigung der sich aus dem Urteil des Arbeitsgerichts ergebenden Beschwer gerichtet.

14

b) Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz hilfsweise ihre erstinstanzlich gestellten Leistungsanträge auf Urlaubsabgeltung weiterverfolgt, ist die Berufung ebenfalls unzulässig. Die Berufungsbegründung setzt sich nicht mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts auseinander. Entgegen den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat die Klägerin nichts dazu vorgetragen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sei. In der Berufungsbegründung beschränkt sie sich auf die nicht auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Wiedergabe einer Senatsentscheidung vom 12. März 2013 (- 9 AZN 2383/12 -) und eines dieser Entscheidung vorausgehenden Schriftsatzes. Im Übrigen meint sie lediglich, dass ihr „ein entsprechender Urlaubsanspruch/Urlaubsabgeltungsanspruch“ zustehe. Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll, werden nicht bezeichnet. Stattdessen bestätigt die Klägerin die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, indem sie diese zum Anlass für ihre Klageänderung nimmt.

15

II. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Zimmermann    

        

        

        

    Faltyn    

        

    Matth. Dipper    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Dezember 2014 - 6 Sa 31/14 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Weiterleitung von Rentenleistungen, die eine Versicherung aufgrund eines Versicherungsvertrags im Hinblick auf eine Versorgungszusage einer Rechtsvorgängerin der Beklagten erbringt.

2

Der im Mai 1940 geborene Kläger war vom 1. Juni 1965 bis zum 31. März 1988 bei den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, zunächst bei der F GmbH, seit dem 1. Januar 1967 bei der S GmbH und anschließend bei der I GmbH (im Folgenden I) beschäftigt.

3

Am 1. Januar 1967 trat bei der F GmbH ein Versorgungsplan im Durchführungsweg einer Direktversicherung (im Folgenden VP 67) in Kraft, der auf das Arbeitsverhältnis des Klägers auch während der gesamten Beschäftigungszeit bei der S GmbH Anwendung fand. Der VP 67 bestimmt auszugsweise:

        

„2.     

Art und Höhe der Leistungen

                 

Die Versicherungen, die auf das Leben der Mitarbeiter abgeschlossen werden, sind

                          

Kapitalversicherungen auf den Todes- und Erlebensfall mit Rentenwahlrecht und Beitragsfreiheit bei Invalidität.

                                   
                 

Die Versicherungssumme wird fällig

                 

a)    

im Erlebensfall (Altersversorgung)

                          

am 1. Januar des Jahres, in dem der versicherte Mitarbeiter als männlicher Mitarbeiter das 65. Lebensjahr,

                          

…       

                          

vollendet;

        

…       

                 
        

5.    

Beiträge

                 

Die Beiträge für die Versicherungen werden zu einem Teil von den Mitarbeitern, zum größeren Teil von der F GmbH aufgebracht.

                 

…       

        

6.    

Auszahlung der Leistungen und bezugsberechtigte Personen

                 

Die Versicherungsleistungen werden an die F GmbH zur Weiterleitung an die bezugsberechtigten Personen ausgezahlt.

        

...     

        

8.    

Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses

                 

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Versicherungsfalles überträgt die F GmbH dem Mitarbeiter die Rechte aus dem Teil der Versicherung, der auf die von ihm gezahlten Beiträge entfällt. Der Mitarbeiter kann die Versicherung dann insoweit als Einzelversicherung fortsetzen.

                 

Die F GmbH behält sich vor, auch die Rechte zu dem ihrer Beitragszahlung entsprechenden Teil der Versicherung auf den Mitarbeiter zu übertragen. Die Entscheidung darüber liegt ausschließlich bei der F GmbH. Ein Rechtsanspruch von seiten des Mitarbeiters auf Übertragung der Rechte zu diesem Teil der Versicherung besteht nicht.“

4

Ab 1. August 1978 errichtete die I ein einheitliches Versorgungswerk für alle Mitarbeiter des Unternehmens (im Folgenden I-Versorgungswerk). Die der Versorgungseinrichtung zugrunde liegenden Richtlinien wurden nicht in das Verfahren eingeführt. In einer Broschüre zu diesem Versorgungswerk (im Folgenden I-Broschüre) heißt es auszugsweise:

        

Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter,

        

wir haben uns entschlossen, ab 1. August 1978 ein neues, einheitliches Versorgungswerk für alle Mitarbeiter unserer Firma einzurichten. Wir freuen uns, daß wir Ihnen damit verbesserte Leistungen gegenüber den bisherigen Versorgungswerken zusagen können.

        

Unser neues Versorgungswerk, das wir Ihnen in dieser Broschüre vorstellen, wird dazu beitragen, Sie und Ihre Familie in stärkerem Maße als bisher finanziell abzusichern.

        

…       

        

Teilnahme

        

…       

        

Mit der Rückgabe der Beitrittserklärung erklären Sie sich mit den offiziellen ‚Richtlinien der Versorgungseinrichtung‘ einverstanden, die auf jeden Fall maßgebend sind. Diese Broschüre enthält eine Kurzfassung der ‚Richtlinien‘. Den vollen Text der ‚Richtlinien‘ können Sie jederzeit bei der Personalabteilung in der Hauptverwaltung sowie bei dem zuständigen Geschäftsstellenleiter einsehen.

        

Wenn Sie bereits am 1. August 1978 bei uns beschäftigt waren, so gilt für Sie die Sonderregelung, daß der Versorgungsschutz statt ab 1. Oktober 1978 bereits ab 1. August 1978 einsetzt, wenn die zuvor genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

                 
        

Berechnungsgrundlagen

        

…       

        

Anrechenbare Dienstzeit

        

Berücksichtigt werden grundsätzlich alle Jahre, die Sie ab Alter 25 bei unserer Firma tätig sind, frühestens jedoch ab 1. Oktober 1976. Wenn Sie vor dem 1. Oktober 1976 bei unserer Firma oder bei der S GMBH tätig waren, so werden auch diese Dienstzeiten insoweit berücksichtigt, wie sie in den vorangegangenen Versorgungsplänen für die Berechnung maßgebend waren. …

        

…       

        

Arbeitnehmerbeiträge

        

…       

        

Für die Gehaltsteile über der Beitragsbemessungsgrenze gleichen wir den fehlenden Sozialversicherungsschutz aus, d. h. hierfür wird eine höhere Rentenformel gewählt. Es ist erforderlich, daß Sie sich an den zusätzlichen Kosten für die höheren Leistungen mit einem eigenen Beitrag beteiligen.

        

…       

        

Damit nicht der Fall eintritt, daß Sie eigene Beiträge gezahlt haben, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten, sieht unser Versorgungswerk folgende Garantien vor:

        

-       

Wenn die Zahlung einer Rentenleistung an Sie oder Ihre Familie beginnt, so ist zusätzlich zur Rente, die sich aus Ihren Bezügen bis zur Beitragsbemessungsgrenze ergibt, mindestens eine Rente in der Höhe zu zahlen, wie Sie durch Ihre eigenen Beiträge finanziert werden konnte.

        

…       

        

Wenn Sie vor dem 1. August 1978 Beiträge gezahlt haben, so werden selbstverständlich auch diese Beiträge entsprechend den obigen Ausführungen berücksichtigt.

                 
        

Altersrente / Invalidenrente

        

Die Höhe der jährlichen Altersrente beträgt für die Zeiten ab dem 1. Oktober 1976

                 

0,4 % x DIENSTZEIT A x BEZÜGE B bis zur anrechenbaren Beitragsbemessungsgrenze

                 

zuzüglich

                 

1,5 % x DIENSTZEIT A x BEZÜGE B über der anrechenbaren Beitragsbemessungsgrenze

        

Wenn auch vor dem 1. Oktober 1976 Dienstzeiten anrechenbar sind, so erhöht sich die Altersrente nach der obigen Berechnung um folgenden Betrag

                 

0,3 % x DIENSTZEIT A x BEZÜGE B

        

Bitte beachten Sie, daß bei der letzten Berechnung nur die anrechenbaren Dienstzeiten bis zum 30. September 1976 berücksichtigt werden, da spätere Dienstzeiten in den ersten beiden Rentenformeln enthalten sind.

        

…       

        

Sonstige Bestimmungen

        

…       

        

Verschiedenes

        

Die Rentenleistungen dieses Versorgungswerkes sind nicht geringer als die der vorangegangenen Versorgungswerke.

        

…       

        

Inkrafttreten

        

Der Versorgungsplan ist zum 1. August 1978 inkraft getreten.“

5

Am 31. Oktober 1978 unterzeichnete der Kläger eine Beitrittserklärung zum I-Versorgungswerk, die auszugsweise lautet:

        

Beitrittserklärung

        

…       

        
        

1.    

Hiermit erkläre ich mich einverstanden, an dem Versorgungswerk der I GmbH teilzunehmen.

                 

Ich bestätige den Erhalt der Informationsbroschüre und erkenne diese in allen Teilen als für mich verbindlich an.

        

2.    

Ich bin mit dem Abschluß der vorgesehenen Versicherungen einverstanden.“

6

Mit Schreiben vom 22. Dezember 1978 teilte die I den Mitarbeitern, die eine Beitrittserklärung abgegeben hatten, ua. Folgendes mit:

        

Unser neues I Versorgungswerk          

        

Aus unseren Unterlagen ersehen wir, daß wir von Ihnen die Beitrittserklärung zu unserem neuen Versorgungswerk bereits unterschrieben zurückerhalten haben.

        

…       

        

Um Sie gegenüber denjenigen Mitarbeitern, welche die Beitrittserklärung noch nicht an uns zurückgegeben haben, nicht zu benachteiligen, möchten wir Sie heute schriftlich darüber unterrichten, daß die Geschäftsleitung sich bereit erklärt hat, allen Mitarbeitern eine Wahlmöglichkeit zu geben zwischen

        

1.    

unserem neuen Versorgungswerk, das ab 1. August 1978 Gültigkeit hat und

        

2.    

dem Versorgungsplan der S GmbH in der Fassung vom 1. Januar 1967.

        

…       

        
        

Da wir denjenigen Mitarbeitern, die die Beitrittserklärung noch nicht zurückgegeben haben, die Wahl zwischen der Beibehaltung des alten und des neuen Schemas gelassen haben, möchten wir, um alle Mitarbeiter gleich zu behandeln, auch Sie nachträglich über diese Wahlmöglichkeit unterrichten.

        

Wenn Sie sich wider Erwarten dazu entschließen sollten, doch an dem bisherigen S-Plan weiterhin teilzunehmen, so bitten wir Sie höflich, die beigefügte Erklärung bis zum

        

31. Januar 1979

                 
        

an uns zurückzusenden.

        

Diese Erklärung benötigen wir zu unserer eigenen Sicherheit, damit uns später keine Vorwürfe gemacht werden können, daß Sie die wesentlich besseren Leistungen unseres neuen Versorgungswerkes nicht gekannt haben.

        

Wenn wir bis zum 31. Januar 1979 die beigefügte Erklärung von Ihnen nicht zurückerhalten haben, so gehen wir davon aus, daß Sie an unserem neuen I-Versorgungswerk teilnehmen werden.“

7

Der Kläger sandte die beigefügte Erklärung nicht zurück. Zum 31. März 1988 schied er aus dem Arbeitsverhältnis mit der I aus. Im Mai 1988 teilte der für die I tätige Finanzdienstleister dem Kläger mit, dass ihm zusätzlich zu dem unverfallbaren Anspruch aus der Versorgungszusage der I der Teil der Versicherung übertragen werde, zu welchem er eigene Beiträge gezahlt habe und ihm aus dieser Versicherung ein Betrag iHv. 4.115,92 DM zur Verfügung stehe. Die I zahlte diesen Betrag in der Folge an den Kläger aus. Seit dem 1. Februar 2004 bezieht der Kläger eine vorgezogene gesetzliche Altersrente und erhält Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von der Beklagten.

8

Mit Schreiben vom 12. Juli 2004 teilte die Beklagte dem Kläger ua. Folgendes mit:

        

Direktversicherungsrente

        

…       

        

wir haben jetzt in Ihren Unterlagen festgestellt, dass Ihnen zusätzlich zu Ihrer Altersrente noch eine Direktversicherungsrente von der V Versicherung zusteht, die Sie ebenfalls vorzeitig in Anspruch nehmen können.

        

Wenn Sie diese Rente bereits jetzt in Anspruch nehmen möchten, benötigt die V Versicherung von Ihnen eine schriftliche Beantragung dieser vorzeitigen Inanspruchnahme. Bitte senden Sie dieses Schreiben ggfs. zu unseren Händen, damit wir dieses weiterleiten können.“

9

Der Kläger stellte daraufhin mit Schreiben vom 29. November 2004 einen entsprechenden Antrag auf Gewährung einer Direktversicherungsrente von der V Versicherung. Ab dem 1. Januar 2005 zahlte die Beklagte zusätzlich zu der seit Februar 2004 gewährten Betriebsrente monatlich einen Betrag iHv. 65,64 Euro an den Kläger.

10

Mit Schreiben vom 18. Oktober 2010 eröffnete die Beklagte dem Kläger, in der Vergangenheit die Versorgungsleistungen fehlerhaft berechnet und die Zahlungen aus der Direktversicherung fälschlicherweise zusätzlich zu denen aus dem I-Versorgungswerk erbracht zu haben. Sie kündigte eine korrigierte Berechnung mit Wirkung zum 1. Oktober 2010 an und stellte ab diesem Zeitpunkt die Zahlung des zusätzlich zur Betriebsrente gezahlten Monatsbetrags von 65,64 Euro ein.

11

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - zuletzt die Auffassung vertreten, er habe über die von der Beklagten gezahlte Betriebsrente iHv. 235,50 Euro hinaus einen Anspruch auf Zahlung von monatlich 65,64 Euro nach dem VP 67. Die im Jahr 1988 erhaltene Versicherungsleistung iHv. 4.115,92 DM betreffe nur die von ihm selbst finanzierten Beiträge. Der Anspruch aus den arbeitgeberfinanzierten Beiträgen nach dem VP 67 bestehe weiter. Aufgrund der Beitragsleistungen der F bzw. S GmbH iHv. 60 vH und seiner eigenen iHv. 40 vH sowie der langjährigen Zahlung habe er davon ausgehen dürfen, dass der von der Beklagten bis 2010 geleistete zusätzliche Monatsbetrag von 65,64 Euro auf den Arbeitgeberbeiträgen beruhte und korrekt berechnet worden sei. Im Übrigen folge der Anspruch bereits aus der nahezu sechsjährigen vorbehaltslosen Gewährung durch die Beklagte.

12

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.181,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 65,64 Euro beginnend mit dem 1. November 2010 und danach jeweils zum 1. der Folgemonate zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn über den 31. März 2012 hinaus - vorbehaltlich etwaiger zukünftiger Anpassungen der laufenden Leistungen gemäß § 16 BetrAVG ab dem 1. Januar 2011 - über die monatlich geleisteten 235,50 Euro hinaus 65,64 Euro zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger über den 31. März 2012 hinaus vorbehaltlich etwaiger zukünftiger Anpassungen der laufenden Leistungen gemäß § 16 BetrAVG ab dem 1. Januar 2011 einen Versorgungsbetrag iHv. 235,50 Euro, davon 34,25 Euro netto zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge im Umfang der Abweisung durch das Landesarbeitsgericht weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die zuletzt noch in der Revision begehrte Weiterleitung eines Betrags iHv. 65,64 Euro nach dem VP 67.

16

I. Streitgegenstand im Revisionsverfahren ist die Zahlung von monatlich 65,64 Euro nach dem VP 67. Soweit der Kläger zusätzlich rügt, die Beklagte habe seine ruhegehaltsfähigen Dienstmonate nicht zutreffend berechnet, hat ein sich hieraus ergebender Erhöhungsbetrag der Betriebsrente nach dem I-Versorgungswerk weder in den Vorinstanzen noch in der Revisionsinstanz Eingang in seinen Klageantrag gefunden. Dies ist daher nicht Streitgegenstand geworden, zumal es auch an der erforderlichen Klarstellung fehlt, das Begehren werde zumindest hilfsweise geltend gemacht.

17

II. Die Revision ist unbegründet.

18

1. Soweit der Kläger seinen Anspruch auf betriebliche Übung stützt, ist die Berufung unzulässig. Im Übrigen ist sie zulässig.

19

a) Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung. Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Fehlt es an einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründung der Berufung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht die Revision zurückzuweisen. Unerheblich ist, dass das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers insgesamt als zulässig angesehen hat (vgl. etwa BAG 19. Mai 2016 - 3 AZR 131/15 - Rn. 14 mwN).

20

b) Eine Berufungsbegründung genügt den gesetzlichen Anforderungen nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen. Bezieht sich das Rechtsmittel auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn, ist zu jedem Anspruch eine ausreichende Begründung zu geben. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Begründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängt (sh. etwa BAG 19. Mai 2016 - 3 AZR 131/15 - Rn. 15 mwN).

21

c) Die Berufungsbegründung des Klägers genügt diesen Anforderungen nicht, soweit sie sich zur Begründung des Anspruchs auf eine betriebliche Übung stützt. Diese stellt einen eigenen Streitgegenstand und damit einen eigenen Anspruch im prozessualen Sinn dar.

22

aa) Das Arbeitsgericht hat angenommen, der Kläger könne aufgrund der - auch über Jahre hinweg erfolgten - Zahlung von 65,64 Euro nicht davon ausgehen, es handele sich um eine freiwillige Leistung der Beklagten, da sich aus der Ausweisung dieses Betrags als „Versorgungsbezug steuerfrei“ in den Verdienstabrechnungen ergebe, dass mit der Überweisung lediglich eine Verpflichtung erfüllt werden sollte. Es hat weiter gemeint, der Kläger sei offensichtlich selbst von einem bloßen Erfüllungswillen der Beklagten ausgegangen, weil er den streitigen Betrag letztlich als zweite Betriebsrente nach dem VP 67 neben derjenigen nach dem I-Versorgungswerk beanspruche.

23

bb) Mit dieser Begründung setzt sich die Berufung nicht hinreichend auseinander. Der Kläger macht lediglich geltend, er habe nach einer nahezu sechsjährigen Gewährung der Betriebsrente und der Erteilung entsprechender Abrechnungen „über Versorgungsbezüge und Versorgungsbezüge steuerfrei iHv. 65,64 Euro“ davon ausgehen müssen, es handele sich um einen Betrag, der von der S GmbH - ehemals F GmbH - nach dem VP 67 zu zahlen sei. Hierin liegt keine Befassung mit den Argumenten des Arbeitsgerichts. Die Berufungsbegründung lässt Ausführungen dazu vermissen, weshalb die Annahme des Arbeitsgerichts, die Beklagte habe mit der Zahlung der 65,64 Euro lediglich eine Verpflichtung erfüllen wollen, wovon der Kläger selbst auch ausgegangen sei, fehlerhaft sein könnte. Der Kläger beschränkt sich - insoweit nicht ausreichend - in seiner Berufung lediglich auf die Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags.

24

d) Im Übrigen genügt die Berufungsbegründung den gesetzlichen Anforderungen. Das Arbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe seinen Anspruch nicht schlüssig dargelegt. Durch ihre detailreiche chronologische Schilderung der Abläufe setzt sich die Berufung in hinreichender Weise mit der vom Arbeitsgericht gegebenen Begründung auseinander.

25

2. Die Klage ist zulässig, insbesondere bestimmt genug iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem Antragsbestandteil „vorbehaltlich etwaiger zukünftiger Anpassungen der laufenden Leistungen gemäß § 16 BetrAVG“ im Feststellungantrag kommt keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr wollte der Kläger mit dieser Formulierung zum Ausdruck bringen, dass er sich eine Geltendmachung künftiger Anpassungen nach den Regelungen des BetrAVG vorbehält.

26

3. Die Klage ist unbegründet, soweit der Kläger - über die rechtskräftig vom Landesarbeitsgericht zugesprochene höhere Betriebsrente nach dem I-Versorgungswerk hinaus - von der Beklagten die Zahlung weiterer 65,64 Euro monatlich ab dem 1. Oktober 2010 nach dem VP 67 fordert. Ein derartiger Anspruch besteht nicht, da der VP 67 wirksam durch das I-Versorgungswerk ersetzt wurde.

27

a) Der Kläger hat mit seiner ehemaligen Arbeitgeberin, der I, die Ablösung seiner Versorgungsansprüche nach dem VP 67 vereinbart, indem er von der ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, dem I-Versorgungswerk beizutreten. Dies folgt aus der vom Kläger unterzeichneten Beitrittserklärung vom 31. Oktober 1978.

28

aa) Zwar verhält sich der Wortlaut der Beitrittserklärung selbst nicht dazu, ob mit dem Beitritt zum I-Versorgungswerk die Ansprüche nach dem VP 67 abgelöst werden. Das folgt jedoch - für den Kläger erkennbar - aus den Bedingungen des I-Versorgungswerks. Diese sind mit hinreichender Sicherheit aus der, der Beitrittserklärung beigefügten, I-Broschüre zu ersehen.

29

Bereits dem Anschreiben zu der Broschüre konnte der Kläger entnehmen, dass seine damalige Arbeitgeberin ab 1. August 1978 ein neues, einheitliches Versorgungswerk für alle Mitarbeiter errichten wollte. Dies spricht gegen eine Absicht der I, den Arbeitnehmern gleichzeitig Ansprüche aus unterschiedlichen Versorgungswerken zu gewähren. Bestätigt wird dies durch die unter „Verschiedenes“ getroffene Aussage, die Rentenleistungen des I-Versorgungswerks seien nicht geringer als die der vorangegangenen Versorgungswerke. Diese Erklärung wäre überflüssig, wenn die I den Arbeitnehmern Betriebsrenten nach beiden Versorgungswerken hätte zusagen wollen.

30

Auch die unter den Abschnitten „Berechnungsgrundlagen Anrechenbare Dienstzeit“ und „Altersrente / Invalidenrente“ geregelte Teilanrechnung von Dienstzeiten bei der S GmbH lässt erkennen, dass mit einem Beitritt zum I-Versorgungswerk die Ansprüche nach dem VP 67 abgelöst werden sollen. Mit dieser Bestimmung erfasst das I-Versorgungswerk auch nach dem VP 67 erworbene Anwartschaften. Dass die neue Versorgungsordnung keine Regelung über einen Besitzstand für bereits erworbene Anwartschaften enthält und die Anrechnung von Dienstzeiten bei der S GmbH nur begrenzt erfolgt, ändert - entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht - hieran nichts. Träfe die Ansicht des Klägers zu, folgte daraus eine teilweise Doppelanrechnung dieser Dienstzeiten. Für einen entsprechenden Willen der I bestehen keine Anhaltspunkte.

31

bb) Für diese Auslegung spricht auch das Schreiben der I vom 22. Dezember 1978. Durch diese zeitnah zur Beitrittserklärung des Klägers eingeräumte ausdrückliche Möglichkeit, zwischen den beiden Versorgungswerken zu wählen, hat die I verdeutlicht, dass ein Beitritt zu ihrem Versorgungswerk mit einer Ablösung der Zusage nach dem VP 67 verbunden sein sollte.

32

Der Kläger hat im Übrigen die dem Schreiben vom 22. Dezember 1978 beigefügte Erklärung, weiterhin an dem bisherigen VP 67 teilnehmen zu wollen, nicht abgegeben und seine Beitrittserklärung zum I-Versorgungswerk auch nicht widerrufen. Offenbleiben kann, ob er damit erneut sein Einverständnis erklärt hat, dass sich seine betriebliche Altersversorgung allein nach dem I-Versorgungswerk und nicht (zusätzlich) nach dem VP 67 richten sollte. Jedenfalls hat er sich nicht für eine Weitergeltung des VP 67 entschieden.

33

cc) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 12. Juli 2004. Dies kann schon deshalb nicht für die Auslegung der früheren Parteierklärungen herangezogen werden, weil es lediglich eine Mitteilung der Beklagten über die Ergebnisse der Auswertung der bei ihr befindlichen Unterlagen beinhaltet. Damit bietet es keinen Anhaltspunkt für das Verständnis der Regelungen des I-Versorgungswerks zum Zeitpunkt seiner Errichtung.

34

b) Die Vereinbarung über die Anwendung des I-Versorgungswerks anstelle des vorher geltenden VP 67 begegnet auch vor dem Hintergrund des § 3 BetrAVG keinen rechtlichen Bedenken. Den Parteien steht es im laufenden Arbeitsverhältnis frei, die erteilte Versorgungszusage einvernehmlich, ggf. auch zum Nachteil des Arbeitnehmers, zu ändern (BAG 23. April 2013 - 3 AZR 513/11 - Rn. 25 mwN).

35

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Zwanziger    

        

    Ahrendt    

        

    Wemheuer    

        

        

        

    Schmalz    

        

   Xaver Aschenbrenner    

                 
19
Zu den wesentlichen Formerfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gehört außer einem bestimmten Antrag die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der maßgebende Lebenssachverhalt in der Klageschrift vollständig beschrieben oder der Klageanspruch schlüssig und substantiiert dargelegt worden ist. Vielmehr ist es im Allgemeinen ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist (BGH, Urteile vom 17. Juli 2003 - I ZR 295/00, NJW-RR 2004, 639, 640 und vom 11. Februar 2004 - VIII ZR 127/03, NJW-RR 2005, 216). Eine ohne jede Tatsachenangabe erhobene Klage ist indessen unzulässig (Stein/ Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 253 Rn. 52; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 4. Aufl., § 253 Rn. 67; MüKoZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl., § 253 Rn. 82). Die gebotene Individualisierung der Klagegründe kann grundsätzlich auch durch eine konkrete Bezugnahme auf der Klageschrift beigefügte Anlagen erfolgen (BGH, Urteile vom 17. Juli 2003 aaO und vom 11. Februar 2004, aaO), wobei die Gerichte nicht verpflichtet sind, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um so die Ansprüche zu konkretisieren (z.B. BGH, Urteile vom 17. Juli 2003 aaO und vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, NJW 2008, 69 Rn. 25). Anlagen können zudem grundsätzlich lediglich zur Erläuterung und Konkretisierung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht vollständig ersetzen (BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 aaO; Beschluss vom 11. April 2013 - VII ZR 44/12, BeckRS 2013, 08691 Rn. 14; Wieczorek/ Schütze/Assmann, aaO Rn. 156; MüKoZPO/Becker-Eberhard, aaO Rn. 32).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 295/00 Verkündet am:
17. Juli 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Zur Frage der hinreichenden Individualisierung der Klagegründe durch konkrete
Bezugnahme auf eine der Klageschrift beigefügte Anlage, welche die einzelnen
Verträge, aus denen Schadensersatzansprüche hergeleitet werden, übersichtlich
darstellt.
BGH, Urt. v. 17. Juli 2003 - I ZR 295/00 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Starck, Pokrant und Dr. Büscher

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. August 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin handelt mit Ferro-Legierungen, die sie u.a. bei der Gesellschaft für R. mbH (im weiteren: GfR) einlagerte. Sie nimmt die Beklagte als Speditionsversicherer der GfR wegen eingetretener Lagerfehlbestände auf Schadensersatz in Anspruch.
Die GfR meldete im Januar 1997 Konkurs an. Die Beklagte, bei der die GfR den Speditionsversicherungsschein nach Maßgabe des SVS/RVS gezeichnet hatte, ließ in der Folgezeit in Abstimmung mit der Klägerin durch den von ihr beauftragten Havariekommissar J. den Lagerbestand feststellen.
Die Klägerin hat vorgetragen, bei der Überprüfung des Lagerbestandes der GfR sei zu ihren Lasten aus 17 einzelnen Einlagerungsvorgängen ein Fehlbestand von 426.833,56 US-Dollar und 35.896 DM ermittelt worden. Sie hat ihre Ansprüche mit Schreiben vom 16. Januar 1997 bei der Beklagten angemeldet. Von dem Fehlbestand hat die Klägerin einen "erstrangigen Teilbetrag" geltend gemacht.
Sie hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 221.737,85 US-Dollar und 20.144,87 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie ist der Ansicht, daß die geltend gemachten Ansprüche gemäß Nr. 11.6 SVS/RVS ausgeschlossen seien, weil die Klägerin sie nicht innerhalb der zweijährigen Ausschlußfrist wirksam eingeklagt habe. Die am 15. Januar 1999 eingegangene Klageschrift habe mangels hinreichender Substantiierung der einzelnen Lagerverträge und der jeweils hieraus geltend gemachten Fehlbestände nicht fristwahrend wirken können.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet, weil die Klägerin mit möglichen Ersatzansprüchen gemäß Nr. 11.6 SVS/RVS ausgeschlossen sei. Dazu hat es ausgeführt:
Die in Rede stehende zweijährige Frist habe am 16. Januar 1997 zu laufen begonnen. Sie sei nicht mit der am 15. Januar 1999 beim Landgericht eingegangenen Klage gewahrt worden. Eine Frist werde durch Klageerhebung nur gewahrt, wenn die Klageschrift die gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderliche bestimmte Angabe von Gegenstand und Grund des erhobenen Anspruches enthalte. Die Klageschrift vom 15. Januar 1999 erfülle diese Anforderungen nicht. Die Klägerin habe nicht dargelegt, wie sich die geltend gemachten Teilbeträge auf die von ihr behaupteten 17 einzelnen Lagerverträge verteilten. Die Klageschrift lasse mithin nicht erkennen, welche der 17 Versicherungsansprüche die Klägerin in welcher Höhe habe fristwahrend einklagen wollen.
II. Diese Beurteilung hält den Revisionsangriffen nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß die durch Klageerhebung zu wahrende zweijährige Ausschlußfrist in Nr. 11.6 SVS/RVS am
16. Januar 1997 zu laufen begonnen hat, da die Klägerin ihre behaupteten An- sprüche auf die Versicherungsleistung an diesem Tag bei der Vertreterin der Beklagten, der S. KG, angemeldet hat. Ferner ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß zur Wahrung der hier in Rede stehenden Frist die Einreichung einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügenden Klageschrift bis zum 15. Januar 1999 erforderlich war.
2. Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts setzen sich die Schadensersatzforderungen der Klägerin in Höhe von 426.833,56 US-Dollar und 35.896 DM aus 17 Einzelversicherungsansprüchen zusammen. Die Klägerin hat in ihrer am 15. Januar 1999 beim Landgericht eingegangenen Klageschrift nicht im einzelnen dargelegt, wie sich die mit dem Klageantrag geltend gemachten Teilbeträge auf die 17 Einzelansprüche verteilen sollen, so daß der Klageschrift selbst an sich nicht entnommen werden kann, welche der 17 Versicherungsansprüche die Klägerin in welcher Höhe fristwahrend einklagen wollte. Zur Individualisierung der von ihr erhobenen Ansprüche hat die Klägerin jedoch auf die der Klage beigefügte Anlage K 1 Bezug genommen.
Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die erforderliche Konkretisierung der einzelnen Klageansprüche nach Grund und Betrag unter Einbeziehung der Informationen aus der Anlage K 1 hätte erfolgen können. Es hat gemeint, die in einer Anlage enthaltenen Angaben dürften jedenfalls dann nicht zur Individualisierung der Klagegründe herangezogen werden, wenn - wie im Streitfall - nur die Klageschrift und nicht auch die Anlage von einem bei dem Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben worden sei. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
3. Das Vorbringen der Klägerin in der Klageschrift zu den erhobenen Schadensersatzansprüchen wegen der von ihr behaupteten Fehlbestände ist durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die Anlage K 1 hinreichend bestimmt, so daß die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Klageerhebung erfüllt sind.

a) Dafür kommt es nicht darauf an, ob der maßgebende Lebenssachverhalt bereits in der Klageschrift vollständig beschrieben oder der Klageanspruch schlüssig oder substantiiert dargelegt worden ist. Vielmehr ist es - entsprechend dem Zweck der Klageerhebung, dem Schuldner den Willen des Gläubigers zur Durchsetzung seiner Forderungen zu verdeutlichen - im allgemeinen ausreichend , wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 18.7.2000 - X ZR 62/98, NJW 2000, 3492, 3493; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 253 Rdn. 12 a). Die gebotene Individualisierung der Klagegründe kann grundsätzlich auch durch eine konkrete Bezugnahme auf andere Schriftstücke erfolgen (vgl. Zöller/Greger aaO § 253 Rdn. 12 a). Die Gerichte sind zwar nicht verpflichtet , umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten , um so die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren. Eine solche Fallgestaltung liegt im Streitfall jedoch nicht vor. Die Anlage K 1 besteht lediglich aus einem Blatt. Sie ist aus sich heraus verständlich und verlangt dem Tatrichter keine unzumutbare Sucharbeit ab. Es wäre eine durch nichts zu rechtfertigende Förmelei, wollte man den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin für verpflichtet halten, die in der Anlage K 1 enthaltenen Informationen noch einmal schreiben zu lassen, um sie dann in der Form einer unterschriebenen Klageschrift dem Gericht unterbreiten zu können. In der Klageschrift wird der streitgegenständliche Lebenssachverhalt gekennzeichnet und durch die konkrete Bezugnahme auf die Anlage K 1 deutlich zum Ausdruck gebracht, daß deren gesamter Inhalt zum Gegenstand der Klagebegründung gemacht werden sollte.


b) Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche werden - wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt - durch die Angaben in der mit "Verlustmengen Lager GfR" überschriebenen Anlage K 1 hinreichend konkretisiert. In der in Rede stehenden Anlage sind die einzelnen Lagerfehlbestände konkret aufgeführt. Ferner erfolgt eine Zuordnung der Fehlbestände zu den Referenznummern der GfR und der Klägerin. Überdies werden die Rechnungsnummern, die Lieferanten, die Materialien und der jeweils beanspruchte Schadensersatzbetrag (DM oder US-Dollar) genannt. Damit wird dem Erfordernis einer Individualisierung der erhobenen Ansprüche in ausreichendem Maße genügt.

c) Der hinreichenden Individualisierung steht nicht entgegen, daß die Klägerin nicht angegeben hat, welchen Teil des insgesamt behaupteten Schadens in Höhe von 426.833,56 US-Dollar und 35.896 DM sie mit der auf Zahlung von 221.737,85 US-Dollar und 20.144,87 DM gerichteten Klage geltend machen wollte. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterbricht eine Teilklage, mit der verschiedene Ansprüche geltend gemacht werden, in Höhe des insgesamt eingeklagten Betrags auch dann die Verjährung eines jeden dieser Ansprüche, wenn diese ohne nähere Aufgliederung geltend gemacht worden sind (vgl. BGH NJW 2000, 3492, 3494 m.w.N.).
III. Nach allem konnte das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben. Es war daher auf die Revision der Klägerin aufzuheben. Da die abschließende Entscheidung noch weitergehende tatrichterliche Feststellungen erfordert, war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Starck
Pokrant Büscher

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Oktober 2010 - 6 Sa 343/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - soweit für die Revision von Interesse - über die Vergütung von Überstunden.

2

Der Kläger war vom 14. April 2008 bis zum 13. April 2009 bei der Beklagten aufgrund eines auf diesen Zeitraum befristeten Arbeitsvertrags als Kraftfahrer in der Lebendtierabteilung beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält ua. folgende Regelungen:

        

„Arbeitsvertrag

                 
        

(außertariflich)

                 
        

…       

        
        

§ 2 Tätigkeit

        
        

1.    

Der Arbeitnehmer wird als Kraftfahrer eingestellt und ist mit allen einschlägigen Arbeiten nach näherer Anweisung der Geschäftsleitung bzw. der Vorgesetzten beschäftigt. Er ist verpflichtet, auch andere zumutbare Tätigkeiten zu verrichten. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zudem, während seiner Tätigkeit auf ihn zukommende Aufgaben gewissenhaft nach bestem Vermögen zu erfüllen, in jeder Hinsicht die Interessen der Firma zu wahren und seine ganze Arbeitskraft ausschließlich dem Unternehmen zu widmen.

        
        

§ 3 Vergütung

        
        

Die monatliche Vergütung des Arbeitnehmers errechnet sich wie folgt:

        
        

außertarifliches Grundgehalt/Monat (brutto):

1.100,00 €

                 
        

Euro in Worten.

Eintausendeinhundert

                                                              
        

Weiterhin erhalten Sie eine

                                            
                                                              
        

freiwillige Leistungs - und Sorgfaltsprämie/Tag (brutto):

10,00 €

                          
        

wenn und soweit unfall- und schadensfrei gefahren wird und Ordnung, Sauberkeit und Fahrzeugpflege voll gewahrt werden und fehlerfreie Fahrweise, geringen Dieselverbrauch und korrektes Auftreten beim Kunden stattfindet und festgestellt wird bei Nichteinhaltung der Voraussetzungen wird die Leistungsprämie widerrufen, siehe dazu auch den Sorgfaltskatalog.

        

freiwillige Treueprämie/Tag (brutto):

10,00 €

                          
        

für jeden gefahrenen Tag über 6 Stunden Fahr-/Lenkzeit

                 
        

freiwilliger Sonntagszuschlag/Tag (brutto):***

10,00 €

                          
                 

(steuer- u. sv-frei)

                          
        

für jeden gefahrenen Sonntag über 6 Stunden Fahr-/Lenkzeit

                 
        

freiwilliger Feiertagszuschlag/Tag (brutto):***

20,00 €

                          
                 

(steuer- u. sv-frei)

                          
        

für jeden gefahrenen Feiertag über 6 Stunden Fahr-/Lenkzeit

        
                          
        

freiwilliger Nachtzuschlag/Tag (brutto):***

10,00 €**

                 

(steuer- u. sv-frei)

        

für Nachtfahrten (in der Zeit von 22:00 - 4:00 Uhr)

        
                          
        

**    

Prämie gilt bei Besetzung der Fahrzeuge mit nur einem/ einer Fahrer/-in. Bei mehr Fahrern/Fahrerinnen wird die Prämie anteilig gezahlt.

                                                     
        

***     

wird solange steuer- und sozialversicherungsfrei gezahlt, wie es der Gesetzgeber zulässt

                                                     
                 

Bei Zusammentreffen mehrerer Zuschläge gilt der jeweils höhere Zuschlag. Die Abrechnung der Spesen erfolgt nach gesetzlichen Regelungen.

                                                     
                 
        

Die Vertragspartner sind sich darüber einig, dass eventuelle Mehrarbeit mit dem Gehalt pauschal abgegolten ist.

                 
        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält die freiwillige Leistungsprämie i. H. v. 10,00 € je gefahrenen Tag für den sorgfältigen und gewissenhaften Umgang mit den ihr anvertrauten Fahrzeugen nebst den Transportbehältnissen, sowie für den ordnungsgemäßen Umgang mit den zu beförderten Tieren. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, bei Unfällen, Verlusten und Beschädigungen unverzüglich unter Angabe sämtlicher Einzelheiten der Firma zu melden und hierüber spätestens einen Tag später schriftliche Meldung zu machen. Versäumt der Arbeitnehmer diese Meldung sowohl in mündlicher, als auch in schriftlicher Form, muss der Arbeitnehmer mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen rechnen, die aus einer verspäteten Meldung erwachsen können. Es gilt der jeweilige Sorgfaltskatalog. Ist der Fahrantritt ein Sonntag, wird dies dem Montag zugeordnet.

                          
        

…       

                                   
                                                     
        

§ 4 Arbeitszeit

                 
        

1.    

Der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit richtet sich nach der betrieblichen Ordnung. Im Falle betrieblicher Notwendigkeit erklärt sich der Arbeitnehmer mit einer geänderten Einteilung der Arbeitszeit einverstanden (z. B. Havarie).

        

2.    

In Fällen dringenden betrieblichen Bedarfs ist der Arbeitnehmer verpflichtet, vorübergehend Mehrarbeit (Überstunden) zu leisten.

        

3.    

Bei Gehaltsempfängern sind die Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit durch Zahlung des Gehaltes pauschal abgegolten.

        

…“    

                                                              
3

Mit der am 23. September 2009 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger zuletzt Vergütung von 978,5 Überstunden mit einem aus dem Grundgehalt abgeleiteten Stundensatz von 6,35 Euro brutto geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die pauschale Abgeltung von Überstunden sei unwirksam. Mangels einer Regelung zum Umfang der Arbeitspflicht sei auf die betriebliche Arbeitszeit im Unternehmen der Beklagten abzustellen, die 40 Stunden pro Woche betrage. Der Kläger hat unter Vorlage und Berufung auf von ihm gefertigter Listen vorgebracht, an welchem Tag er zu welcher Uhrzeit seine Arbeit im Betrieb begonnen habe, wann er vom Betrieb allein oder mit anderen Fahrern zu welchen Orten oder Mästern gefahren, er wieder in den Betrieb zurückgekehrt sei und das Fahrzeug an den Schlachthof übergeben habe. Er hat behauptet, nach einer internen Anweisung seien die Kraftfahrer der Beklagten verpflichtet, 30 bis 60 Minuten vor der geplanten Abfahrt im Betrieb zu erscheinen und die notwendigen Arbeitsvorbereitungen (technische Überprüfung, Behebung von Mängeln, Betanken etc.) vorzunehmen. Beim jeweiligen Mäster müsse dessen Personal bei der Beladung des LKW unterstützt werden. Sämtliche Fahrten seien von der Beklagten angeordnet gewesen, und zwar im Wesentlichen von der Disponentin Frau H, bei deren Verhinderung von Herrn W.

4

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.213,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Vergütung von Überstunden sei mit dem vereinbarten Gehalt abgegolten. Zudem habe der Kläger einen eventuellen Vergütungsanspruch verwirkt. Die Arbeitszeit des Klägers habe sich gemäß § 4 Arbeitsvertrag nach der betrieblichen Ordnung - also bei Vollzeit 40 Wochenstunden/173,33 Monatsstunden - und, weil es sich beim Kläger um einen Fahrer bzw. Beifahrer von LKW mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht gehandelt habe, nach den gesetzlichen Bestimmungen für Fahrpersonal in § 21a ArbZG gerichtet. Danach sei eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden zulässig und die Beifahrerzeit nicht vergütungspflichtig. Überstunden habe sie weder angeordnet noch gebilligt.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers ist begründet.

8

I. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht zurückgewiesen werden. Das Landesarbeitsgericht hat nicht beachtet, dass § 21a Abs. 3 ArbZG die Vergütung von Beifahrerzeiten nicht ausschließt, und zudem die Substantiierungslast des Arbeitnehmers im Überstundenprozess überspannt.

9

1. Der Kläger hat auch während der als Beifahrer verbrachten Zeit gearbeitet und die von ihm geschuldete Tätigkeit als Kraftfahrer erbracht. Er musste sich aufgrund der Arbeitseinteilung der Beklagten an seinem Arbeitsplatz, dem LKW, aufhalten und konnte nicht frei über die Nutzung seiner Zeit bestimmen. Nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG ist zwar für Arbeitnehmer, die sich beim Fahren abwechseln, die während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte Zeit abweichend von § 2 Abs. 1 ArbZG keine Arbeitszeit. Die Vorschrift enthält jedoch keine Modifizierung dessen, was unter Arbeit zu verstehen ist, und schließt eine Vergütung für die Arbeit als Beifahrer nicht aus (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 19 ff., AP BGB § 307 Nr. 51 = EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 3). Der Kläger kann daher auch für Beifahrertätigkeit die in § 3 Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung beanspruchen. Eine gesonderte Vergütungsregelung für die als Beifahrer verbrachte Zeit haben die Parteien nicht getroffen. Der Kläger war deshalb nicht gehalten, bei der Darlegung von Überstunden zwischen Zeiten, in denen er den LKW selbst gefahren hat, und solchen, in denen er als Beifahrer auf dem LKW mitgefahren ist, zu differenzieren.

10

2. Die Darlegung der Leistung von Überstunden ist nicht aus den vom Landesarbeitsgericht angenommenen Gründen unschlüssig.

11

Das Landesarbeitsgericht moniert, dem Vortrag des Klägers sei nicht zu entnehmen, wann er Pausen gemacht habe. Die Nichtangabe von Pausenzeiten impliziert zunächst aber nur die Behauptung, der Arbeitnehmer habe solche nicht gemacht. Bei Zweifeln hätte das Landesarbeitsgericht nach § 139 Abs. 1 Satz 1 ZPO nachfragen müssen, ob der Sachvortrag des Klägers dahingehend zu verstehen sei, er habe keine Pausen gemacht. Hätte der Kläger dies bejaht, wäre sein Vorbringen unter Berücksichtigung einer etwaigen Einlassung der Beklagten hierzu nach § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigen gewesen. Hätte der Kläger die Frage verneint, wäre das Landesarbeitsgericht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO verpflichtet gewesen, auf eine Ergänzung des Sachvortrags hinzuwirken. Dasselbe gilt für den Vorwurf, dem Sachvortrag des Klägers sei nicht zu entnehmen, warum nach Abschluss der Fahrten regelmäßig exakt 30 Minuten bis zur Übergabe des Fahrzeugs an den Schlachthof berücksichtigt seien.

12

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.

13

1. Ein Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung ist nicht nach § 3 iVm. § 4 Ziff. 3 Arbeitsvertrag ausgeschlossen.

14

a) Auf die genannten Regelungen des Arbeitsvertrags sind jedenfalls § 305c Abs. 2, §§ 306 und 307 bis 309 BGB anzuwenden(§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Die Beklagte hat den Arbeitsvertrag vorformuliert, dem Kläger in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Ob es sich dabei um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelte (§ 305 Abs. 1 BGB), bedarf keiner weiteren Aufklärung, denn der Arbeitsvertrag ist ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 20 ff., AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10). Auf den Inhalt der vorformulierten Klausel zur Vergütung von Überstunden konnte der Kläger unstreitig keinen Einfluss nehmen.

15

b) Die in § 3 iVm. § 4 Ziff. 3 Arbeitsvertrag geregelte Pauschalabgeltung von Überstunden ist mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

16

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistungen er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (vgl. dazu im Einzelnen zuletzt BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 14 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 15 f.).

17

Nach diesen Grundsätzen ist § 3 iVm. § 4 Ziff. 3 Arbeitsvertrag nicht klar und verständlich. Der Umfang der davon erfassten Überstunden ist im Arbeitsvertrag ebenso wenig bestimmt, wie die Voraussetzungen, unter denen Überstunden zu leisten sind, also ein „Fall dringenden betrieblichen Bedarfs“ (§ 4 Ziff. 2 Arbeitsvertrag) vorliegen soll. Insbesondere lässt sich weder der Klausel selbst noch den arbeitsvertraglichen Bestimmungen im Übrigen eine Begrenzung auf die nach § 21a Abs. 4 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit eines als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten iSv. § 21a Abs. 1 ArbZG eingesetzten Arbeitnehmers entnehmen. Die Verwendung des Begriffs „Mehrarbeit“ in § 3 und als Synonym für Überstunden in § 4 Ziff. 2 Arbeitsvertrag deuten im Gegenteil darauf hin, dass auch eine Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit von der Klausel erfasst sein soll, zumal die Beklagte den Kläger nach § 2 Ziff. 1 Arbeitsvertrag verpflichten wollte, seine „ganze Arbeitskraft“ der Beklagten zu widmen.

18

c) Ist im Arbeitsvertrag die Vergütung von Überstunden weder positiv noch negativ geregelt, kommt als Anspruchsgrundlage dafür nur § 612 Abs. 1 BGB in Betracht. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die danach erforderliche - objektive - Vergütungserwartung (vgl. dazu BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; 21. September 2011 - 5 AZR 629/10 - Rn. 31, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 11, jeweils mwN) ist gegeben. Der Kläger schuldet weder Dienste höherer Art, noch erhält er eine deutlich herausgehobene Vergütung. Die ihm nach § 3 Arbeitsvertrag zustehende Vergütung liegt auch unter Berücksichtigung der nach dem Willen der Beklagten freiwillig sein sollenden Leistungs-, Sorgfalts- und Treueprämien sowie den Zuschlägen für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit ganz erheblich unter der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung(zu deren Bedeutung vgl. BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 21).

19

2. Ein Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirkt.

20

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie setzt voraus, dass der Gläubiger sein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat und dabei unter Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken konnten, er wolle auch künftig sein Recht nicht mehr geltend machen. Zudem muss der Verpflichtete sich darauf einstellen dürfen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BAG 23. August 2011 - 3 AZR 575/09 - Rn. 57, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 20; vgl. auch 22. April 2009 - 5 AZR 292/08 - Rn. 28, AP BGB § 611 Wegezeit Nr. 11).

21

Ob eine Verwirkung des Anspruchs auf Überstundenvergütung vor Eintritt der gesetzlichen Verjährung schon deshalb ausscheidet, weil sich der Arbeitgeber, der dem Arbeitnehmer einen Formulararbeitsvertrag anbietet, durch vertragliche Ausschlussfristen (zu den Anforderungen an deren Wirksamkeit vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19; 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - BAGE 116, 66) davor schützen kann, länger als drei Monate nach Fälligkeit des Anspruchs mit einer Geltendmachung konfrontiert zu werden, bedarf keiner Entscheidung. Denn unbeschadet der Frage, ob im Streitfall überhaupt das Zeitmoment erfüllt ist, kann sich jedenfalls ein Arbeitgeber, der - wie die Beklagte - dem Arbeitnehmer eine unwirksame Klausel zur Pauschalabgeltung von Überstunden stellt, nicht schutzwürdig darauf einrichten, der Arbeitnehmer werde die Unwirksamkeit der Klausel schon nicht erkennen und Überstundenvergütung nicht geltend machen (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 24).

22

III. Ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im erneuten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

23

1. Der mit „Arbeitszeit“ überschriebene § 4 Arbeitsvertrag enthält zwar keine ausdrückliche Vereinbarung über eine bestimmte wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit. Über den Verweis auf die „betriebliche Ordnung“ lässt sich aber mittelbar eine Normalarbeitszeit erschließen, deren Dauer zwischen den Parteien unstreitig ist.

24

Der Kläger hat vorgetragen, die betriebliche Arbeitszeit bei der Beklagten betrage 40 Wochenstunden. Dem ist die Beklagte nicht nur nicht entgegengetreten, sondern hat selbst vorgebracht, die Arbeitszeit des Klägers richte sich gemäß § 4 Arbeitsvertrag nach der betrieblichen Ordnung und das seien bei Vollzeit 40 Wochenstunden/173,33 Stunden im Monat. Weiter hat die Beklagte gemeint, weil es sich bei dem Kläger um einen Fahrer bzw. Beifahrer von LKW mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht handele, gölten auch die gesetzlichen Bestimmungen für Fahrpersonal. Das trifft zu, führt aber nicht zu einer Erhöhung der vom Kläger geschuldeten Normalarbeitszeit. § 21a Abs. 4 ArbZG regelt nur die Arbeitszeit eines Kraftfahrers, die arbeitsschutzrechtlich nicht überschritten werden darf. Die Vorschrift ersetzt nicht eine vertragliche Vereinbarung über die Arbeitszeit und tritt bei deren Fehlen nicht an deren Stelle. Einen - als vertragliche Vereinbarung auslegbaren - Hinweis auf das Arbeitszeitgesetz, insbesondere dessen § 21a Abs. 4, enthält § 4 Arbeitsvertrag nicht.

25

2. Für die Darlegung und den Beweis der Leistung von Überstunden gelten die Grundsätze wie für die Behauptung des Arbeitnehmers, die geschuldete (Normal-)Arbeit verrichtet zu haben.

26

a) Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts in Verbindung mit § 614 BGB gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Verlangt der Arbeitnehmer gem. § 611 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er deshalb darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt(zB § 1 BUrlG, §§ 615, 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 37 Abs. 2 BetrVG). Da die konkret zu leistende Arbeit in der Regel vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist (§ 106 GewO), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und ob der Arbeitnehmer den Weisungen nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden (vgl. zum Ganzen BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14).

27

b) Nichts anderes gilt für die Behauptung des Arbeitnehmers, er habe die geschuldete Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet. Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist.

28

Diese Grundsätze dürfen aber nicht gleichsam schematisch angewendet werden, sondern bedürfen stets der Berücksichtigung der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe. So kann ein Kraftfahrer wie der Kläger, dem vom Arbeitgeber bestimmte Touren zugewiesen werden, seiner Darlegungslast bereits dadurch genügen, dass er vorträgt, an welchen Tagen er welche Tour wann begonnen und wann beendet hat. Im Rahmen der gestuften Darlegungslast ist es dann Sache des Arbeitgebers, unter Auswertung der Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 Satz 1 ArbZG substantiiert darzulegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer aus welchen Gründen in geringerem zeitlichen Umfang als von ihm behauptet gearbeitet haben muss.

29

c) Ihrer Darlegungslast genügen weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber durch die bloße Bezugnahme auf den Schriftsätzen als Anlagen beigefügte Stundenaufstellungen oder sonstige Aufzeichnungen. Anlagen können lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BGH 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - Rn. 25 mwN, NJW 2008, 69; vgl. auch BVerfG 30. Juni 1994 - 1 BvR 2112/93 - zu III 2 a der Gründe, NJW 1994, 2683). Die Darlegung der Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer bzw. die substantiierte Erwiderung hierauf durch den Arbeitgeber hat vielmehr entsprechend § 130 Nr. 3 und Nr. 4 ZPO schriftsätzlich zu erfolgen. Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Arbeitszeiten aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen.

30

Nachdem das Landesarbeitsgericht die Art und Weise des Vorbringens der Parteien nicht beanstandet hat, muss ihnen im erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit gegeben werden, ihrer jeweiligen Darlegungslast zur Leistung bzw. Nichtleistung von Überstunden schriftsätzlich nachzukommen.

31

3. Soweit die Beklagte bislang die Anordnung von Überstunden - pauschal - bestritten hat, ist das unbehelflich. Wenn ein Kraftfahrer für eine angewiesene Tour eine bestimmte Zeit benötigt und sie nur unter Leistung von Überstunden ausführen kann, waren die Überstunden - unabhängig von einer ausdrücklichen Anordnung - jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 a der Gründe mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 17 = EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 1). Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber darlegen kann, dass die von ihm dem Arbeitnehmer zugewiesene Tour unter Beachtung der Rechtsordnung, insbesondere der für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten geltenden (Sozial-)Vorschriften und des Straßenverkehrsrechts, innerhalb der Normalarbeitszeit gefahren werden kann. Erst dann obliegt es wiederum dem Arbeitnehmer, besondere Umstände darzutun, die zur Überschreitung der Normalarbeitszeit geführt haben.

32

IV. Ob die Lohnabzüge wegen vermeintlich mangelnder Wagenpflege tatsächlich gerechtfertigt waren, ist wegen der beschränkten Revisionszulassung nicht mehr Gegenstand des erneuten Berufungsverfahrens.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    S. Röth-Ehrmann    

        

    Christen    

                 

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 103/99
Verkündet am:
2. März 2000
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten und die Anschlußrevison des Klägers wird - mit Ausnahme eines abgewiesenen Zinsbetrags für August 1994 in Höhe von 1.400 DM nebst weiteren 12,5 % Zinsen seit dem 21. August 1996 und insoweit unter Zurückweisung der Anschlußrevision - das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 21. Januar 1999 aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Der Kläger nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von 80.000 DM in Anspruch, die er ihm für Frau Monika K. Anfang September 1994 zur Anlage bei der P. F. C. GmbH (künftig: PFC) in bar übergeben haben will. Die Weiterleitung dieser Summe an die PFC habe in zwei Teilbeträgen von je 40.000 DM am 30. September 1994 und 31. Januar 1995 erfolgen sollen. In der Zwischenzeit habe der Beklagte mit den Geldern spekulieren dürfen und hierfür dem Kläger monatliche Zinsen von 1.400 DM ab September 1994 (in erster Instanz noch ab August 1994, für sechs Monate 8.400 DM) versprochen.
Der auf Zahlung von 88.400 DM nebst 12,5 % Zinsen seit dem 31. Januar 1995 gerichteten Klage hat das Landgericht mit Ausnahme der vor dem 21. August 1996 (Zustellung des Mahnbescheids) liegenden Verzugszinsen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Kammergericht die Vertragszinsen von 8.400 DM abgewiesen sowie die Höhe der wegen der Hauptsumme geschuldeten Verzugszinsen auf 4 % reduziert. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger hat sich der Revision im Umfang seiner Beschwer angeschlossen.

Entscheidungsgründe


Die Revision hat vollen, die Anschlußrevision zum überwiegenden Teil Erfolg. Mit Ausnahme eines Teilbetrags von 1.400 DM der Vertragszinsen für August 1994, der abgewiesen bleibt, führen beide Rechtsmittel zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage in der Hauptsache begründet. Die Hingabe von 80.000 DM mit der Abrede, das Geld bis zum 31. Januar 1995 als Anlage bei der PFC einzuzahlen und es zwischenzeitlich für eigene Spekulationszwecke zu verwenden, sei durch die unstreitigen Umstände sowie die Bekundungen der vom Landgericht gehörten Zeugen bewiesen. Dafür bezieht sich das Berufungsgericht auf zwei unstreitig vom Beklagten unter dem 28. August 1994 ausgestellte und die Person des Bezogenen offenlassende Wechsel sowie auf die Aussage der Zeugen D. und M. Nicht erwiesen und nicht einmal schlüssig vorgetragen sei hingegen die vom Kläger behauptete Zinsabrede. Für eine Gewinnbeteiligung des Klägers habe er angesichts seines wechselnden und widersprüchlichen Vortrags nicht genug vorgetragen. Auch ein den gesetzlichen Zinssatz von 4 % übersteigender Verzugsschaden sei nicht dargelegt.

II.


Diese Ausführungen halten den Angriffen beider Revisionen im wesentlichen nicht stand.
1. Mit Recht rügt die Revision des Beklagten die seiner Verurteilung zugrundeliegende Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht als fehlerhaft. Die Tatsachenfeststellung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters (§§ 286 Abs. 1, 561 Abs. 2 ZPO). Revisionsrechtlich ist aber zu überprüfen, ob er sich mit dem Prozeßstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 22. Juli 1998 - VIII ZR 220/97 - NJW 1998, 3197, 3198 m.w.N.). Hieran fehlt es im Streitfall. Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts ist in mehrfacher Hinsicht unvollständig und widersprüchlich.

a) Im Ausgangspunkt allerdings rechtsfehlerfrei durfte das Berufungsgericht die Hingabe der Wechselblankette an den Kläger in der vom Beklagten eingestandenen Absicht, sie hätten "quasi als Quittungen" dienen sollen, als Indiz für eine Übergabe des Geldes werten. Der Beweiswert dieser Tatsache wäre jedoch entkräftet, wenn die Behauptung des Beklagten richtig sein sollte, der Kläger habe ihm erklärt, er - der Kläger - habe die Wechsel wie vereinbart zerrissen, nachdem es nicht zur Gewährung des Darlehens gekommen sei (BU 4 unten). Unter diesen Umständen hätte der Kläger selbst eingeräumt, daß es sich bei den Wechseln lediglich um in Erwartung der Zahlung erfolgte Empfangsbestätigungen und daher um inhaltlich unrichtige "Vorausquittungen" ge-
handelt hätte. Solche Quittungen hätten nicht die Bedeutung eines Empfangsbekenntnisses (RGZ 108, 50, 56; BGH, Urteil vom 13. Juli 1979 - I ZR 153/77 - WM 1979, 1157, 1158). Infolgedessen durfte das Berufungsgericht nicht offenlassen , ob diese - vom Beklagten auch unter Beweis gestellte - Behauptung zutraf.

b) Als weiteren Anhalt für die Richtigkeit des Klagevorbringens hat das Berufungsgericht die Aussage der Zeugin D. betrachtet und die gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Darstellung gerichteten Angriffe des Beklagten mit dem Bemerken zurückgewiesen, die von der Zeugin bekundeten Umstände der Geldübergabe seien im wesentlichen unstreitig. Es mag dahinstehen, ob der Revision schon darin zu folgen ist, daß bei einer solche Lage der Zeugenaussage kein eigener Beweiswert zukommen könnte. Die Angaben der Zeugin D., während sie selbst im Schlafzimmer das Baby gestillt habe und die Parteien sich im Wohnzimmer unterhalten hätten, habe der Kläger 80.000 DM in bar aus dem Schreibtisch im Schlafzimmer geholt, stehen jedenfalls in einem unaufhebbaren Gegensatz zu der im Tatbestand des Berufungsurteils festgehaltenen Behauptung des Beklagten, die Klageparteien hätten in der Wohnung des Klägers allein und in Abwesenheit ihrer Angehörigen über das Anlagegeschäft verhandelt. Nachdem die Ehefrau des Klägers mit den Kindern und Frau J. dort eingetroffen seien, hätten sich die Parteien ohne weiteres verabschiedet und seien ihrer Wege gegangen. Beide Sachdarstellungen können nicht gleichermaßen richtig sein. Das Berufungsurteil leidet insoweit an einem inneren Widerspruch.

c) Der Revision ist schließlich zuzugeben, daß das Berufungsgericht auch bei der Würdigung der Aussage des Zeugen M. nicht alle Umstände in
Betracht gezogen hat. Der vom Berufungsgericht gesehene Widerspruch zwischen dem von dem Zeugen bekundeten Anlageersuchen des Beklagten und der von ihm selbst behaupteten Ablehnung einer Vermittlung des Anlagegeschäfts , weil ihm das Geschäft "zu heiß" gewesen sei, könnte sich auflösen, wenn der Beklagte schon im Vorfeld des Gesprächs vom September 1994 Kontakt mit der PFC und dem Zeugen M. aufgenommen hätte. Ein solcher Ablauf wird durch die Aussage des Zeugen, der nach seinen Angaben sich nicht mehr erinnern konnte, ob der Beklagte den Betrag von 80.000 DM schon bekommen haben wollte oder ob er ihn noch erhalten sollte, nicht ausgeschlossen ; entgegenstehenden Sachvortrag des Beklagten hat das Berufungsgericht ebensowenig festgestellt.
2. a) Rechtsfehlerhaft ist auf der anderen Seite auch die Abweisung der auf 8.400 DM bezifferten Zinsansprüche des Klägers als unschlüssig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Sachvortrag zur Begründung des Klageanspruchs schlüssig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, die geltend gemachten Rechte als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Dabei beurteilt sich die Schlüssigkeit einer Klage nach dem Vorbringen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung. Eine Partei ist daher nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen (BGH, Urteil vom 13. August 1997 - VIII ZR 246/96 - NJW-RR 1998, 712, 713 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen stand ein wechselnder Vortrag des Klägers der Schlüssigkeit seines Vorbringens nicht ohne weiteres entgegen. Inwiefern dieses widersprüchlich und unklar gewesen sein sollte, zeigt das Berufungsge-
richt nicht auf. Der Kläger hatte jedenfalls im Kern stets behauptet, der Beklagte habe den ihm übergebenen Betrag vorübergehend zu eigener Spekulation verwenden dürfen und für diese Kapitalnutzung einen Aufschlag von 1.400 DM monatlich bis zum Januar 1995 an ihn entrichten sollen. Eine solche Modifikation des Auftrags stand den Parteien frei. Bei offengelegter Verwendung von Drittmitteln - wie hier - mag zwar auch das Einverständnis des Dritten erforderlich sein. Dessen Fehlen hatte aber der für Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Vertrags beweispflichtige Beklagte nicht behauptet. Auch sonst bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen eine Zusatzvereinbarung dieser Art. Soweit das Berufungsgericht auch deswegen Zweifel an der behaupteten Abrede äußert, weil die Wechselsumme den Betrag der garantierten Gewinnbeteiligung nicht eingeschlossen habe, tritt es bereits in eine Beweiswürdigung ein, ohne daß es insofern ein ausdrückliches oder konkludentes Bestreiten des Beklagten festgestellt hätte.

b) Soweit es dabei allerdings auch um den Zinsbetrag für August 1994 geht, erweist sich die Klageabweisung aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO). In der Berufungsinstanz hatte der Kläger nur noch behauptet, die Zinszahlungen des Beklagten hätten mit dem Monat September 1994 - statt August 1994, wie noch erstinstanzlich vorgetragen - beginnen sollen. Damit fehlt es der weiter aufrechterhaltenen Klage in Höhe von 1.400 DM für den Monat August an einer Grundlage.
3. Ebensowenig kann die Abweisung eines über 4 % hinausgehenden Verzugszinses seit dem 21. August 1996 bestehen bleiben. Das Berufungsgericht hat gemeint, der Kläger habe einen weitergehenden Verzugsschaden (§ 286 Abs. 1 BGB) nicht dargelegt. Dabei hat es indessen, wie die Anschlußrevision
zu Recht rügt, die auch im Tatbestand seines Urteils wiedergegebene Behauptung des Klägers, er nehme ständig Bankkredit in Höhe der Klageforderung zu einem Zinssatz von 12,5 % in Anspruch, übergangen. Bei einem solchen Verzögerungsschaden stände auch das Zinseszinsverbot in § 289 Satz 1 BGB einer Pflicht des Beklagten zur Verzinsung der vertraglich geschuldeten Zinsen nicht entgegen (§ 289 Satz 2 BGB).

III.


Mit Ausnahme des abgewiesenen Zinsbetrags für August 1994 ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten tatrichterlichen Beurteilung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß die Beweislast für die Übergabe des Geldes an den Beklagten, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, den Kläger trifft. Entgegen der in der Revisionserwiderung wiederholten Ansicht des Klägers kann die Ausstellung der formnichtigen Wechsel (Art. 1 Nr. 3, 2 Abs. 1 WG) durch den Beklagten nicht gemäß § 140 BGB in ein abstraktes Schuldversprechen nach § 780 BGB umgedeutet werden. Denn der Aussteller eines Wechsels haftet lediglich bedingt für den Fall des Rückgriffs (Art. 9 Abs. 1 WG), während der aus einem Schuldversprechen Verpflichtete primär und damit in weiterem Umfang verpflichtet wäre (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 1957 - II ZR 238/56 - NJW 1957, 1837, 1838; Baumbach /Hefermehl, WG und SchG, 21. Aufl., Art. 2 Rn. 10).
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

Tenor

I. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 2. Juli 2013 - 14 Sa 1706/12 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 24. Oktober 2012 - 2 Ca 380/12 - teilweise abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.178,76 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Mai 2012 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben die Klägerin 64 % und die Beklagte 36 % zu tragen, von denen des Berufungsverfahrens und der Revision die Klägerin 61 % und die Beklagte 39 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Auszahlung eines Arbeitszeitguthabens.

2

Die Klägerin wurde von der Beklagten, die mehrere Textileinzelhandelsgeschäfte betreibt, zum 1. Juni 2007 als Bürofachkraft eingestellt. Sie erledigte Sekretariats- und Assistenztätigkeiten für die Geschäftsführung und leitete zuletzt das sogenannte „Back Office“. Ihre Hauptaufgaben verrichtete sie im Vorzimmer der Geschäftsführung. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung am 31. März 2012.

3

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zunächst ein schriftlicher, von der Beklagten gestellter Arbeitsvertrag vom 28. April 2007 (im Folgenden Arbeitsvertrag 2007), der unter anderem folgende Regelungen enthielt:

        

„§ 3 Vergütung

        

Die monatliche Bruttovergütung beträgt 2.500 €. Die Vergütung wird jeweils am Letzten eines Monats fällig. Die Zahlung erfolgt bargeldlos auf das der Firma benannte Konto des Arbeitnehmers.

        

…       

        

§ 7 Arbeitszeit

        

Die Arbeitszeit ist flexibel und richtet sich nach der betriebsüblichen Zeit. Vereinbart werden monatlich 163 Stunden ohne die Berücksichtigung von Pausen. Mehr bzw. Minderstunden werden über ein Zeitkonto abgerechnet. Bei Austritt aus dem Unternehmen wird der Saldo mit dem durchschnittlichen Stundenlohn verrechnet. Arbeitsbeginn und Arbeitsende richten sich nach der jeweiligen Personaleinsatzplanung. Die Firma ist berechtigt, aus dringenden betrieblichen Erfordernissen eine Änderung der Arbeitszeiteinteilung vorzunehmen.

        

…       

        

§ 12 Tarifvertrag

        

Ergänzend gelten die Regelungen des Tarifvertrages für den Einzelhandel in NRW in seiner jeweils geltenden Fassung.

        

§ 13 Ausschlussklausel

        

Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis müssen innerhalb eines Monats nach Zugang der letzten Gehaltsabrechnung geltend gemacht werden; anderenfalls sind sie verwirkt.

        

§ 14 Nebenabreden

        

Nebenabreden und Änderungen des Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der Schriftform. Dieses Formerfordernis kann weder mündlich noch stillschweigend aufgehoben oder außer Kraft gesetzt werden. Eine etwaige Ungültigkeit einzelner Vertragsbestimmungen berührt die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht.“

4

Am 22. Februar 2008 vereinbarten die Parteien in einem „Nachtrag 1 zum unbefristeten Arbeitsvertrag vom 28. April 2007“ unter Beibehaltung der übrigen vertraglichen Vereinbarungen eine Änderung der Kündigungsfrist und eine Erhöhung der Vergütung der Klägerin zum 1. März 2008 auf 2.750,00 Euro brutto und zum 1. Januar 2009 auf 3.000,00 Euro brutto.

5

Mit Formulararbeitsvertrag vom 13./27. November 2008 (im Folgenden Arbeitsvertrag 2008), der gemäß § 1 Abs. 1 mit Wirkung zum 1. Januar 2009 den Arbeitsvertrag vom 28. April 2007 sowie den Nachtrag 1 vom 22. Februar 2008 ersetzte, vereinbarten die Parteien ua. bei gleichbleibender Vergütung in § 7 Abs. 1 eine Verlängerung der monatlichen Arbeitszeit auf 173 Stunden. Im Übrigen blieb § 7 unverändert. Die §§ 12 bis 14 stimmen mit denen des Arbeitsvertrags 2007 überein.

6

Im Manteltarifvertrag für die Unternehmen des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen vom 25. Juli 2008 (im Folgenden MTV), abgeschlossen mit Wirkung zum 1. Januar 2007, ist ua. geregelt:

        

㤠24 Verfallklausel

        

(1)     

Die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen wie folgt:

                 

a)    

3 Monate nach Fälligkeit:

                          

Ansprüche auf Abgeltung der Überstunden;

                 

b)    

spätestens 3 Monate nach Ende des Urlaubsjahres bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

                          

Ansprüche auf Urlaub, Urlaubsabgeltung und Sonderzahlungen;

                 

c)    

6 Monate nach Fälligkeit:

                          

alle übrigen aus Tarifvertrag und Arbeitsverhältnis entstandenen finanziellen Ansprüche.

        

(2)     

Die Ansprüche verfallen nicht, sofern sie innerhalb der vorgenannten Fristen schriftlich geltend gemacht worden sind.

        

(3)     

Vorstehende Fristen gelten als Ausschlussfristen.

        

(4)     

Unter die Verfallklausel fallen nicht solche Ansprüche eines Arbeitgebers oder eines Arbeitnehmers gegen einen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, die auf eine strafbare Handlung oder eine unerlaubte Handlung gestützt werden. Für diese Ansprüche gelten die gesetzlichen Vorschriften.“

7

Die Bestimmung wurde in der durch den Ergänzungstarifvertrag vom 29. Juni 2011 geänderten Fassung des MTV beibehalten.

8

Die Beklagte händigte der Klägerin für den Zeitraum 1. Juni 2007 bis 25. November 2008 mit „Bericht Arbeitszeit Verkäufer“ überschriebene Aufstellungen aus, in denen Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit, die Gesamtstunden, die Pausen sowie die bezahlte Arbeitszeit ausgewiesen sind. Die Plus-Differenz zwischen geleisteten und vergüteten Stunden belief sich danach auf 414 Stunden. In der Folgezeit erfasste die Beklagte die Arbeitszeit der Klägerin nicht mehr und händigte ihr keine weiteren Berichte aus.

9

Die Klägerin führte ab dem 26. November 2008 eine eigene Arbeitszeitaufstellung. Darin hat sie für jeden Arbeitstag ihre Regelarbeitszeit, Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit und Pausenzeiten festgehalten sowie Mehr- und Minderarbeit fortlaufend saldiert. Aus dieser Aufstellung ergeben sich für den Zeitraum 26. November 2008 bis 30. Dezember 2011 eine Plus-Differenz von 643 Stunden und 10 Minuten sowie - ergänzend zu den Berichten der Beklagten - für den 30. und 31. August 2008 zusätzlich 1,5 Gutstunden. Die Aufstellung legte die Klägerin der Beklagten nicht vor.

10

Mit Schreiben vom 24. Februar 2012 forderte die Klägerin die Beklagte unter Hinweis auf § 7 Arbeitsvertrag auf, ihr eine Abrechnung des Arbeitszeitkontos zu übersenden. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 28. Februar 2012 mit der Begründung ab, das Arbeitszeitkonto stehe auf null. Ihre Ablehnung wiederholte sie auf eine nochmalige schriftliche Aufforderung vom 6. März 2012.

11

Mit ihrer am 23. März 2012 eingereichten Klage hat die Klägerin zuletzt die Abgeltung des von ihr für den Zeitraum 1. Juni 2007 bis 31. März 2012 behaupteten Zeitguthabens verlangt. Sie hat geltend gemacht, der Geschäftsführer der Beklagten habe sich am 26. Januar 2009, als er ihr das nicht vollständige Arbeitszeitkonto für November 2008 übergeben habe, geweigert ihre Arbeitszeitaufstellungen entgegen zu nehmen und auch für die Zukunft die Führung eines Arbeitszeitkontos abgelehnt. Er habe die Anweisung erteilt, ihre Arbeitszeiten nicht mehr zu erfassen. Zu den in ihren Arbeitszeitaufstellungen genannten Zeiten habe sie im Betrieb der Beklagten gearbeitet. Durch ihre Tätigkeit im Vorzimmer des Geschäftsführers sei dieser auch jederzeit über ihre Arbeitszeit orientiert gewesen. Sie habe Überstunden leisten müssen, weil sämtliche Geschäftsanfälle auf Weisung des Geschäftsführers sofort zu bearbeiten gewesen seien.

12

Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 18.357,28 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Mai 2012 zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, das Arbeitszeitkonto stehe auf null. Ein Arbeitszeitkonto sei nicht mehr zu führen gewesen, weil die Parteien bereits kurz nach Beginn des Arbeitsverhältnisses Vertrauensarbeitszeit vereinbart hätten. Überstunden seien von ihr nicht angeordnet, gebilligt oder geduldet worden. Sie seien auch nicht zur Erledigung der Arbeit notwendig gewesen. Etwaige Ansprüche seien zudem verfallen und verjährt.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage in dem noch anhängigen Umfang stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.

15

Die Beklagte hat erstmals mit der Revisionsbegründung behauptet, mit der Klägerin in einem Nachtrag zum Arbeitsvertrag 2008 vom 18. Februar 2011 eine auf die tarifliche Ausschlussfrist verweisende Regelung vereinbart zu haben.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision der Beklagten ist zum Teil begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Klägerin zu Unrecht in vollem Umfang stattgegeben. Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet. Die Klägerin hat gemäß § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 7 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Arbeitsvertrag Anspruch auf Vergütung in Höhe von 7.178,76 Euro brutto nebst Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

17

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere streitgegenständlich hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Streitgegenstand der Klage ist die Abgeltung eines bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis behaupteten Zeitguthabens. Zu dessen Bestimmung genügt der Vortrag der Klägerin, eine fortlaufende Saldierung von Mehr- und Minderstunden sei vereinbart worden sowie die Bezifferung des behaupteten Guthabens und des sich hieraus ergebenden Abgeltungsbetrags (vgl. BAG 13. März 2002 - 5 AZR 43/01 - zu I der Gründe).

18

II. Die Klage ist zum Teil begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin zur Abgeltung des bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehenden Zeitguthabens 7.178,76 Euro brutto nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

19

1. Die Klägerin hat ein Zeitguthaben von 414 Stunden schlüssig dargelegt.

20

a) Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste(vgl. BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 20, BAGE 141, 88) und deshalb Vergütung beanspruchen kann, bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte Vergütung erbringen muss. Begehrt der Arbeitnehmer die Abgeltung eines Zeitguthabens, macht er den Vergütungsanspruch für vorgeleistete Arbeit geltend (vgl. BAG 24. September 2003 - 10 AZR 640/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 108, 1; 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, BAGE 135,197). Da dieses Zeitguthaben nur in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrückt, genügt für die Schlüssigkeit einer Klage, die auf Ausgleich des Guthabens auf einem Arbeitszeitkonto gerichtet ist, dass der Kläger die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos und das Bestehen eines Guthabens zum vereinbarten Auszahlungszeitpunkt darlegt (BAG 13. März 2002 - 5 AZR 43/01 - zu II 1 der Gründe; 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, aaO).

21

b) Die Klägerin hat mit den Regelungen in § 7 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Arbeitsvertrag die Vereinbarung der Führung eines Arbeitszeitkontos und der Abgeltung eines ggf. bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehenden Guthabens schlüssig vorgetragen. Mit Vorlage der von der Beklagten bis 25. November 2008 geführten Berichte und der Behauptung, sie habe in der Folgezeit (jedenfalls) nicht weniger Arbeitsstunden geleistet als geschuldet, hat sie zudem einen sich aus dem Arbeitszeitkonto bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu ihren Gunsten ergebenden Saldo von 414 Stunden schlüssig dargelegt. Dieser ist nach § 7 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsvertrag mit dem rechnerisch unstreitigen Stundensatz von 17,34 Euro brutto abzugelten.

22

2. Die Beklagte hat keine Tatsachen dargelegt, die geeignet wären, den sich aus dem Arbeitszeitkonto ergebenden, mit den der Klägerin ausgehändigten Berichten „Arbeitszeit Verkäufer“ streitlos gestellten Saldo zu entkräften.

23

a) Die regelmäßigen Buchungen auf dem Arbeitszeitkonto stellen nicht rechtsgeschäftliche Erklärungen, sondern tatsächliche Handlungen im Sinne sogenannter Wissenserklärungen dar. Der Arbeitnehmer, der Kenntnis von der Buchung erhält, kann nicht annehmen, es handele sich um eine auf Bestätigung oder gar Veränderung der Rechtslage gerichtete Willenserklärung im Sinne eines deklaratorischen oder konstitutiven Schuldanerkenntnisses (vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 26). Der Arbeitgeber stellt jedoch mit der vorbehaltlosen Ausweisung von Guthabenstunden in einem für den einzelnen Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitkonto dessen Saldo streitlos (vgl. BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 19, BAGE 135, 197). Er bringt damit regelmäßig zum Ausdruck, dass bestimmte Arbeitsstunden tatsächlich und mit seiner Billigung geleistet wurden. Will der Arbeitgeber im Nachhinein den sich aus dem Arbeitszeitkonto zugunsten des Arbeitnehmers ergebenden Saldo erheblich bestreiten, obliegt es ihm ausgehend von einer gestuften Darlegungslast, im Einzelnen darzulegen, aufgrund welcher Umstände der ausgewiesene Saldo unzutreffend sei oder sich bis zur vereinbarten Schließung des Arbeitszeitkontos reduziert habe. Erst dann hat der Arbeitnehmer vorzutragen, wann er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen habe, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (vgl. BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14 ff., BAGE 141, 144 zur Darlegungs- und Beweislast im Vergütungsprozess). Trägt der Arbeitgeber hingegen nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der im Arbeitszeitkonto vorbehaltlos ausgewiesene Saldo als zugestanden.

24

b) Ein zugunsten der Klägerin bestehendes Zeitguthaben von 414 Stunden gilt danach als zugestanden.

25

aa) Der Vortrag der Beklagten beschränkt sich auf die pauschale Behauptung, das Arbeitszeitkonto habe bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf null gestanden. In welcher Hinsicht die der Klägerin ausgehändigten Aufstellungen „Bericht Arbeitszeit Verkäufer“ unzutreffend sein sollen und zu welchen der darin angegebenen Zeiten die Klägerin nicht oder nicht auf arbeitgeberseitige Veranlassung gearbeitet haben soll, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Sie hat auch nicht behauptet, die Klägerin habe nach dem 25. November 2008 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als geschuldet gearbeitet, so dass sich das Guthaben reduziert hätte.

26

bb) Unbeachtlich ist, dass die Berichte basierend auf Arbeitszeitangaben der Klägerin erstellt wurden. Die Beklagte hat die Angaben nicht nur widerspruchslos zur Kenntnis genommen (vgl. hierzu BAG 3. November 2004 - 5 AZR 648/03 - zu III 2 der Gründe; 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 c der Gründe), sondern sich zu eigen gemacht, indem sie nach den in der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Klägerin - vergleichbar mit der Abzeichnung von Stunden durch den Arbeitgeber oder einen vertretungsberechtigten Vorgesetzten (vgl. hierzu BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 19) - die Berichte „Arbeitszeit Verkäufer“ aushändigte. Auch unterlassene Rückstellungen für Arbeitszeitguthaben der Klägerin in den Handelsbilanzen der Jahre 2008 bis 2011 - unterstellt man zugunsten der Beklagten, die Klägerin sei für deren Ermittlung verantwortlich gewesen - sind nicht geeignet, das zuvor streitlos gestellte Guthaben in Frage zu stellen.

27

3. Die Parteien haben den Abgeltungsanspruch der Klägerin nicht rechtsgeschäftlich durch Erlass zum Erlöschen gebracht.

28

a) Ein Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllen betrachten. Wenn feststeht, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben. An die Feststellung eines Verzichtswillens sind hohe Anforderungen zu stellen. Ein Erlass liegt im Zweifel nicht vor (vgl. BAG 7. November 2007 - 5 AZR 880/06 - Rn. 17 ff., BAGE 124, 349).

29

b) Es fehlt vorliegend bereits an einer auf einen Erlass gerichteten rechtsgeschäftlichen Erklärung der Klägerin. Eine solche kann nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin die unterlassene Fortführung des Arbeitszeitkontos durch die Beklagte hingenommen hat. Sonstige Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigten, die Klägerin habe den Bestand ihrer Rechte in irgendeiner Weise verändern und dabei auf Ansprüche verzichten wollen, ergeben sich weder aus den unstreitigen noch den von der Beklagten vorgetragenen Umständen.

30

4. Die Parteien haben auch keine von § 7 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Arbeitsvertrag abweichende Vereinbarung getroffen.

31

a) Soweit die Beklagte meint, eine solche sei aus einer mit der Klägerin vereinbarten „Vertrauensarbeitszeit“ abzuleiten, ist ihr Vortrag nicht erheblich. „Vertrauensarbeitszeit“ bedeutet nur, dass der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, der betreffende Arbeitnehmer werde seine Arbeitspflicht in zeitlicher Hinsicht auch ohne Kontrolle erfüllen (vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 2 d cc (2) der Gründe, BAGE 106, 111; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 34; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 35). Die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit steht weder der Führung eines Arbeitszeitkontos entgegen noch schließt sie die Abgeltung eines aus Mehrarbeit des Arbeitnehmers resultierenden Zeitguthabens aus.

32

b) Dass zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer mündlich vereinbart worden sei, ein Arbeitszeitkonto werde nicht mehr geführt und ein bestehendes Zeitguthaben nicht abgegolten, hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Sie hat Zeit, Umstände und Inhalt eines nach ihrem Behaupten mit der Klägerin geführten Gesprächs unzureichend dargelegt. Der fehlende Sachvortrag konnte auch nicht durch eine Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten ersetzt werden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht den Geschäftsführer der Beklagten nicht nach § 448 ZPO als Partei vernommen. Dessen Vernehmung hätte - unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen einer Parteivernehmung - einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dargestellt (vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 368/13 - Rn. 23), zumal eine Präzisierung der Angaben durch den Geschäftsführer anlässlich seiner Anhörung gemäß § 141 ZPO im Berufungstermin nicht erfolgte.

33

5. Der Anspruch der Klägerin auf Abgeltung von 414 Stunden ist nicht verfallen.

34

Die Beklagte hat im Arbeitszeitkonto der Klägerin zum 25. November 2008 414 Guthabenstunden vorbehaltlos ausgewiesen. Damit war wie bei der vorbehaltlosen Ausweisung einer Vergütungsforderung in einer Lohnabrechnung der Zweck der Geltendmachung erreicht. Schon aus diesem Grund war die Klägerin weder nach Maßgabe von § 13 Arbeitsvertrag noch nach § 24 MTV zur Geltendmachung des streitlos gestellten Guthabens innerhalb einer Ausschlussfrist gehalten. Die Notwendigkeit zur Geltendmachung des auf dem Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Guthabens lebte auch nicht wieder auf, als sich dieses nach § 7 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsvertrag bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Zahlungsanspruch wandelte(vgl. BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 20, BAGE 135, 197).

35

6. Der Abgeltungsanspruch ist weder verjährt noch verwirkt.

36

a) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsvertrag war der sich aus dem Arbeitszeitkonto ergebende Saldo „bei Austritt aus dem Unternehmen“ mit dem durchschnittlichen Stundenlohn zu verrechnen. Der Abgeltungsanspruch ist danach bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, dh. mit Ablauf des 31. März 2012, entstanden und fällig geworden. Die von der Beklagten - entgegen den vertraglichen Vereinbarungen - unterlassene Fortführung des Arbeitszeitkontos führte nicht zu einer früheren Fälligkeit.

37

b) Die Klägerin hat die Klage vor Ablauf der nach § 195 BGB für den Abgeltungsanspruch als Vergütungsanspruch einzuhaltenden regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren eingereicht. Das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment konnte vorliegend nicht ausgelöst werden, denn die zunächst als Stufenklage eingereichte Klage wurde der Beklagten vor Fälligkeit des Abgeltungsanspruchs zugestellt. Eine Verwirkung scheidet von vornherein aus, solange das geltend gemachte Recht noch nicht besteht (vgl. BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 - Rn. 69 f.).

38

7. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Landesarbeitsgericht konnte der Klägerin antragsgemäß Zinsen ab 1. Mai 2012 zusprechen, ohne § 193 BGB außer Acht zu lassen. Der 1. April 2012 war ein Sonntag. Die Leistung war nach § 193 BGB am 2. April 2012 zu bewirken. Die Beklagte befand sich ab dem Folgetag im Verzug, ohne dass es einer Mahnung iSv. § 286 Abs. 1 BGB bedurft hätte. Für die Abgeltung des Arbeitszeitguthabens war zwar nicht iSv. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine Zeit nach dem Kalender bestimmt. Eine Mahnung war jedoch nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 24. Februar 2012 und vom 5. März 2012 von der Beklagten wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 7 Arbeitsvertrag die „Abrechnung“ des Arbeitszeitkontos. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 28. Februar 2012 und vom 6. März 2012 generell mit der Begründung ab, das Arbeitszeitkonto stehe auf null. Die Klägerin musste die Schreiben nicht nur bezogen auf eine den Abrechnungs-, sondern auch auf den sich aus § 7 Arbeitsvertrag ergebenden Abgeltungsanspruch als ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung iSv. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verstehen.

39

III. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat ein über 414 Stunden hinausgehendes Zeitguthaben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht schlüssig dargelegt. Das von der Klägerin behauptete weitergehende Zeitguthaben soll nach ihrem Vortrag aus der Leistung vergütungspflichtiger Überstunden resultieren. Insofern hat die Klägerin zwar die Leistung von Überstunden schlüssig dargelegt, nicht aber eine Pflicht der Beklagten diese zu vergüten.

40

1. Die Grundsätze der Darlegungslast, die gelten, wenn der Arbeitgeber in einem von ihm geführten Arbeitszeitkonto ein Zeitguthaben vorbehaltlos ausgewiesen hat, können nicht übertragen werden, wenn sich der Arbeitnehmer zur Begründung seines Anspruchs auf selbst gefertigte Arbeitszeitaufstellungen beruft, die sich der Arbeitgeber nicht zu eigen gemacht hat. In diesem Fall sind zunächst vom Arbeitnehmer die den behaupteten Saldo begründenden Tatsachen im Einzelnen darzulegen. Erst wenn dies geschehen ist, hat sich der Arbeitgeber hierzu zu erklären. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Arbeitgeber die Führung eines Arbeitszeitkontos vertragswidrig unterlassen hat.

41

2. Die Klägerin stützt sich zur Darlegung des weitergehenden Zeitguthabens nicht auf ein von der Beklagten geführtes Arbeitszeitkonto, sondern auf die von ihr selbst erstellten, der Beklagten erst im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits zur Kenntnis gebrachten Arbeitszeitaufstellungen.

42

a) Behauptet der Arbeitnehmer zur Begründung eines (abzugeltenden) Arbeitszeitguthabens, geleistete Überstunden seien in ein vereinbartes Arbeitszeitkonto einzustellen, kann er sich, hat der Arbeitgeber die Stunden und den sich unter ihrer Berücksichtigung ergebenden Saldo des Arbeitszeitkontos nicht streitlos gestellt, nicht auf die Darlegung der Überstundenleistung beschränken, sondern hat als weitere Voraussetzung für eine Gutschrift die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung der behaupteten Überstunden darzulegen.

43

Wie im Überstundenprozess hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat und geleistete Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst wurden oder diesem zumindest zuzurechnen sind. Denn der Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen, und der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 13).

44

Der eine Zeitgutschrift für Überstunden beanspruchende Arbeitnehmer genügt deshalb seiner Darlegungslast nicht schon, wenn er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Er hat darüber hinaus darzulegen, dass Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen seien (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 a der Gründe; 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 31, BAGE 141, 330; 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 16 ff.).

45

b) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin nicht. Sie hat zwar dargelegt, an welchen Tagen sie von wann bis wann Arbeit geleistet haben will, nicht aber, dass Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen wäre.

46

aa) Auf eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden hat sich die Klägerin nicht berufen. Eine konkludente Anordnung von Überstunden hat sie nicht schlüssig dargelegt. Die Klägerin hat lediglich, ohne dies im Einzelnen zu substantiieren, behauptet, die Überstunden seien aufgrund des Umfangs der ihr übertragenen Aufgaben und auch deshalb angefallen, weil auf Weisung des Geschäftsführers sämtliche Geschäftsanfälle sofort zu bearbeiten gewesen seien. Dieser pauschale Vortrag ist ungeeignet, die Erforderlichkeit der einzelnen Arbeitsstunden darzulegen. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, dass bestimmte angewiesene Arbeiten innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten waren (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 31, BAGE 141, 330). Allein die Anwesenheit der Klägerin im Betrieb begründet keine Vermutung dafür, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 17).

47

bb) Die Klägerin hat die Billigung geleisteter Überstunden durch die Beklagte nicht dargelegt. Auch nach dem Vortrag der Klägerin hat die Beklagte erst im vorliegenden Rechtsstreit Kenntnis davon erlangt hat, welche Überstundenleistungen die Klägerin im Einzelnen behauptet.

48

cc) Ebenso wenig ergibt sich eine Duldung von Überstunden aus dem Vorbringen der Klägerin. Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden künftig zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet, sie vielmehr weiterhin entgegennimmt (BAG 6. Mai 1981 - 5 AZR 73/79 - zu II 3 der Gründe). Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn dieses feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 21).

49

Die Klägerin hat nicht durch substantiierten Sachvortrag aufgezeigt, weshalb der Beklagten die behaupteten Überstunden als über die Normalarbeitszeit hinausgehend hätten bekannt sein müssen. Aus ihrer Tätigkeit im Vorzimmer der Geschäftsführung kann nicht geschlossen werden, der Geschäftsführer der Beklagten sei, wie die Klägerin behauptet, jederzeit über ihre Arbeitszeit orientiert gewesen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Geschäftsführer sich zu den von ihr als Überstunden aufgelisteten Zeiten ausnahmslos und ohne Unterbrechungen in seinem Büro aufgehalten habe.

50

3. Dass die Beklagte die weitere Führung des Arbeitszeitkontos vertragswidrig unterlassen hat, rechtfertigt keine abweichende Verteilung der Darlegungslast. Auch bei Fortführung des Arbeitszeitkontos hätte es im Streitfall zunächst der Klägerin oblegen, zur Rechtfertigung eines Guthabens, Tatsachen vorzutragen, die geeignet sind, einen Anspruch auf Einstellung behaupteter Überstunden in das Arbeitszeitkonto zu begründen. Sie hätte auch in diesem Fall nicht nur die Leistung von Überstunden, sondern zusätzlich schlüssig darlegen müssen, dass diese von der Beklagten veranlasst wurden oder ihr zuzurechnen seien.

51

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber     

        

    Volk     

        

        

        

    Dombrowsky     

        

    Zorn     

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. November 2011 - 11 Sa 867/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Vergütung von Überstunden.

2

Der 1988 geborene Kläger war seit dem 15. Januar 2010 bei der Beklagten als Handwerker im Gebäudemanagement beschäftigt. Er bezog bei einer arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 167 Stunden monatlich ein Bruttomonatsentgelt von 2.100,00 Euro. Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 28. Februar 2011.

3

Mit der am 18. März 2011 eingereichten und der Beklagten am 25. März 2011 zugestellten Klage hat der Kläger - soweit für die Revision von Belang - zuletzt Vergütung für 498 Überstunden zu einem Stundensatz von 12,5748 Euro brutto geltend gemacht und vorgetragen, er habe zusammen mit dem Mitarbeiter R das komplette Firmengebäude der Beklagten umgebaut. Dabei seien der gesamte Innenausbau sowie Arbeiten an der Außenanlage, insbesondere Pflaster- und Gartenbauarbeiten, ausgeführt worden. Die an datumsmäßig näher bezeichneten Arbeitstagen im Zeitraum Januar bis Dezember 2010 angefallenen Überstunden habe der damalige Geschäftsführer der Beklagten angeordnet, jedenfalls geduldet. Hilfsweise hat der Kläger die Vergütung für 262,47 Überstunden darauf gestützt, diese würden sich aus von der Beklagten in der Berufungserwiderung vorgelegten Excel-Tabellen ergeben.

4

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.262,25 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger habe keine von ihr angeordneten oder geduldeten Überstunden geleistet. In die Excel-Tabellen habe sie ungeprüft die Angaben aus den von den Beschäftigten geführten handschriftlichen Anwesenheitslisten übernommen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet.

8

I. Die Revision rügt allerdings zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe die Anforderungen an die Darlegung der Leistung von Überstunden überspannt.

9

1. Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tariflicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat, und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 27 ff.).

10

2. Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers in der Berufungsinstanz. Der Kläger hat in der Berufungsbegründung auf über 100 Seiten für jeden einzelnen Tag des Streitzeitraums angegeben, von wann bis wann er gearbeitet haben will. Mit dem Vortrag, zu bestimmten Zeiten gearbeitet zu haben, behauptet der Arbeitnehmer regelmäßig zugleich, während der genannten Zeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben. Das ist für die erste Stufe der Darlegung ausreichend. Der Kläger hat zudem den Inhalt der erbrachten Arbeitsleistung dahin gehend konkretisiert, zusammen mit einem anderen Beschäftigten das komplette Firmengebäude der Beklagten umgebaut, sämtliche Innenausbauarbeiten ausgeführt sowie Arbeiten an den Außenanlagen, insbesondere Pflaster- und Gartenbauarbeiten verrichtet zu haben. Das Landesarbeitsgericht überspannt die Anforderungen, wenn es bereits auf der ersten Stufe der Darlegung einer Überstundenleistung vom Arbeitnehmer „konkrete Tätigkeitsangaben“ für jede einzelne Überstunde verlangt.

11

3. Von der Substantiierung des Tatsachenvortrags zu trennen ist dessen Schlüssigkeit und Glaubwürdigkeit. Substantiiertes Lügen ändert nichts an der Substanz des Sachvortrags, sondern betrifft dessen Glaubwürdigkeit. Insoweit obliegt es vornehmlich den Tatsacheninstanzen, unbeschadet einer etwaigen Einlassung des Arbeitgebers im Rahmen des § 286 Abs. 1 ZPO die Glaubwürdigkeit des Sachvortrags des Arbeitnehmers zu beurteilen, etwa wenn er - wie im Streitfall der Kläger - seinen Sachvortrag mehrfach variiert, Überstunden nach Monaten „aus dem Gedächtnis“ rekonstruiert haben will oder vorprozessual dem Arbeitgeber mitteilte, die geltend gemachten Überstunden seien hauptsächlich bei der kompletten Neugestaltung des privaten Gartens des früheren Geschäftsführers entstanden.

12

II. Ob der Sachvortrag des Klägers zur Leistung von Überstunden in allen Details schlüssig und glaubwürdig ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht eine weitere Voraussetzung für die Vergütung von Überstunden verneint. Der Kläger hat die Veranlassung der Überstundenleistung durch die Beklagte nicht substantiiert dargelegt.

13

1. Der Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB zur Gewährung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet. Legen die Parteien einen bestimmten zeitlichen Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung (Regel- oder Normalarbeitszeit) fest, betrifft die Vergütungspflicht zunächst (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit. Erbringt der Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber zu deren Vergütung nur verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Denn der Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen, und der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vergütungspflicht für Überstunden auf arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB beruht.

14

Für diese arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung als - neben der Überstundenleistung - weitere Voraussetzung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung formuliert, Überstunden müssten vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein (BAG 15. Juni 1961 - 2 AZR 436/60 - zu II der Gründe; 17. April 2002 - 5 AZR 644/00 - zu II 3 der Gründe; 29. Mai 2002 - 5 AZR 370/01 - zu V 1 der Gründe; 28. Januar 2004 - 5 AZR 530/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 109, 254; 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 a der Gründe). Daran hat der Senat stets und auch in seinem die Darlegung und den Beweis der Leistung von Überstunden betreffenden Urteil vom 16. Mai 2012 (- 5 AZR 347/11 - , vgl. dort Rn. 31) festgehalten.

15

2. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass geleistete Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren, trägt der Arbeitnehmer als derjenige, der den Anspruch erhebt (vgl. BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 15 mwN). Dabei gelten folgende Grundsätze:

16

a) Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat. Dazu fehlt es an substantiiertem Sachvortrag des Klägers. Die pauschale und stereotyp wiederholte Behauptung, der frühere Geschäftsführer der Beklagten habe „die Überstunden angeordnet“, ist nicht ausreichend.

17

b) Konkludent ordnet der Arbeitgeber Überstunden an, wenn er dem Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang zuweist, der unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers (zu diesem Maßstab siehe BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 24 mwN) nur durch die Leistung von Überstunden zu bewältigen ist. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten (vgl. als Beispiel BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 31) oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte (vgl. als Beispiel BAG 28. November 1973 - 4 AZR 62/73 - BAGE 25, 419). Dabei begründet allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb oder an einem Arbeitsort außerhalb des Betriebs keine Vermutung dafür, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen (aA LAG Berlin-Brandenburg 23. Dezember 2011 - 6 Sa 1941/11 -; 10. September 2012 - 15 Ta 1766/12 -).

18

Ist wie im Streitfall eine Monatsarbeitszeit vereinbart, muss der Arbeitnehmer zudem darlegen, dass einzelne, zur Erledigung der zugewiesenen Arbeiten geleisteten Überstunden nicht innerhalb einer flexibel gehandhabten Monatsarbeitszeit ausgeglichen werden konnten. Zu alledem fehlt substantiierter Sachvortrag des Klägers.

19

c) Mit der Billigung von Überstunden ersetzt der Arbeitgeber gleichsam durch eine nachträgliche Genehmigung die fehlende vorherige Anordnung schon geleisteter Überstunden. Die Billigung von Überstunden setzt deshalb voraus, dass der Arbeitgeber zu erkennen gibt, mit der schon erfolgten Leistung bestimmter Überstunden einverstanden zu sein. Das muss nicht ausdrücklich erfolgen und kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber oder ein für ihn handelnder Vorgesetzter des Arbeitnehmers eine bestimmte Anzahl von Stunden abzeichnet und damit sein Einverständnis mit einer Überstundenleistung ausdrückt. Dazu reicht aber die widerspruchslose Entgegennahme der vom Arbeitnehmer gefertigten Arbeitszeitaufzeichnungen nicht aus (BAG 3. November 2004 - 5 AZR 648/03 - zu III 2 der Gründe; 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 c der Gründe). Vielmehr muss der Arbeitnehmer darlegen, wer wann auf welche Weise zu erkennen gegeben habe, mit der Leistung welcher Überstunden einverstanden zu sein.

20

Daran fehlt es im Streitfall. Die Übertragung der vom Kläger gefertigten Aufschriebe seiner Anwesenheitszeiten in Excel-Tabellen ist schon deshalb keine Billigung von Überstunden, weil diese Tabellen unstreitig nicht an die Mitarbeiter ausgehändigt wurden und der Kläger somit keinen Anhaltspunkt dafür hatte, die Beklagte genehmige bereits geleistete Überstunden.

21

d) Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden fürderhin zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet, sie vielmehr weiterhin entgegennimmt (BAG 6. Mai 1981 - 5 AZR 73/79 - zu II 2 der Gründe; vgl. auch - zu § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG - BAG 27. November 1990 - 1 ABR 77/89 -; 24. April 2007 - 1 ABR 47/06 - BAGE 122, 127). Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn dieses feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers, darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat.

22

Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers nicht. Er kommt über die formelhafte Wendung, der frühere Geschäftsführer der Beklagten habe von den geleisteten Überstunden Kenntnis gehabt und diese geduldet, nicht hinaus. Allein die Entgegennahme von Aufschrieben der Anwesenheitszeiten seiner Beschäftigten vermag eine Kenntnis des Arbeitgebers von einer bestimmten Überstundenleistung nicht zu begründen. Erst wenn der Arbeitnehmer seine Aufzeichnungen hinsichtlich der Arbeitsleistung konkretisiert und mit einem Hinweis auf eine Überstundenleistung verbindet, ist der Arbeitgeber gehalten, dem nachzugehen und gegebenenfalls gegen nicht gewollte Überstunden einzuschreiten.

23

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    R. Rehwald    

        

    E. Bürger    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Oktober 2010 - 6 Sa 343/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - soweit für die Revision von Interesse - über die Vergütung von Überstunden.

2

Der Kläger war vom 14. April 2008 bis zum 13. April 2009 bei der Beklagten aufgrund eines auf diesen Zeitraum befristeten Arbeitsvertrags als Kraftfahrer in der Lebendtierabteilung beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält ua. folgende Regelungen:

        

„Arbeitsvertrag

                 
        

(außertariflich)

                 
        

…       

        
        

§ 2 Tätigkeit

        
        

1.    

Der Arbeitnehmer wird als Kraftfahrer eingestellt und ist mit allen einschlägigen Arbeiten nach näherer Anweisung der Geschäftsleitung bzw. der Vorgesetzten beschäftigt. Er ist verpflichtet, auch andere zumutbare Tätigkeiten zu verrichten. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zudem, während seiner Tätigkeit auf ihn zukommende Aufgaben gewissenhaft nach bestem Vermögen zu erfüllen, in jeder Hinsicht die Interessen der Firma zu wahren und seine ganze Arbeitskraft ausschließlich dem Unternehmen zu widmen.

        
        

§ 3 Vergütung

        
        

Die monatliche Vergütung des Arbeitnehmers errechnet sich wie folgt:

        
        

außertarifliches Grundgehalt/Monat (brutto):

1.100,00 €

                 
        

Euro in Worten.

Eintausendeinhundert

                                                              
        

Weiterhin erhalten Sie eine

                                            
                                                              
        

freiwillige Leistungs - und Sorgfaltsprämie/Tag (brutto):

10,00 €

                          
        

wenn und soweit unfall- und schadensfrei gefahren wird und Ordnung, Sauberkeit und Fahrzeugpflege voll gewahrt werden und fehlerfreie Fahrweise, geringen Dieselverbrauch und korrektes Auftreten beim Kunden stattfindet und festgestellt wird bei Nichteinhaltung der Voraussetzungen wird die Leistungsprämie widerrufen, siehe dazu auch den Sorgfaltskatalog.

        

freiwillige Treueprämie/Tag (brutto):

10,00 €

                          
        

für jeden gefahrenen Tag über 6 Stunden Fahr-/Lenkzeit

                 
        

freiwilliger Sonntagszuschlag/Tag (brutto):***

10,00 €

                          
                 

(steuer- u. sv-frei)

                          
        

für jeden gefahrenen Sonntag über 6 Stunden Fahr-/Lenkzeit

                 
        

freiwilliger Feiertagszuschlag/Tag (brutto):***

20,00 €

                          
                 

(steuer- u. sv-frei)

                          
        

für jeden gefahrenen Feiertag über 6 Stunden Fahr-/Lenkzeit

        
                          
        

freiwilliger Nachtzuschlag/Tag (brutto):***

10,00 €**

                 

(steuer- u. sv-frei)

        

für Nachtfahrten (in der Zeit von 22:00 - 4:00 Uhr)

        
                          
        

**    

Prämie gilt bei Besetzung der Fahrzeuge mit nur einem/ einer Fahrer/-in. Bei mehr Fahrern/Fahrerinnen wird die Prämie anteilig gezahlt.

                                                     
        

***     

wird solange steuer- und sozialversicherungsfrei gezahlt, wie es der Gesetzgeber zulässt

                                                     
                 

Bei Zusammentreffen mehrerer Zuschläge gilt der jeweils höhere Zuschlag. Die Abrechnung der Spesen erfolgt nach gesetzlichen Regelungen.

                                                     
                 
        

Die Vertragspartner sind sich darüber einig, dass eventuelle Mehrarbeit mit dem Gehalt pauschal abgegolten ist.

                 
        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält die freiwillige Leistungsprämie i. H. v. 10,00 € je gefahrenen Tag für den sorgfältigen und gewissenhaften Umgang mit den ihr anvertrauten Fahrzeugen nebst den Transportbehältnissen, sowie für den ordnungsgemäßen Umgang mit den zu beförderten Tieren. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, bei Unfällen, Verlusten und Beschädigungen unverzüglich unter Angabe sämtlicher Einzelheiten der Firma zu melden und hierüber spätestens einen Tag später schriftliche Meldung zu machen. Versäumt der Arbeitnehmer diese Meldung sowohl in mündlicher, als auch in schriftlicher Form, muss der Arbeitnehmer mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen rechnen, die aus einer verspäteten Meldung erwachsen können. Es gilt der jeweilige Sorgfaltskatalog. Ist der Fahrantritt ein Sonntag, wird dies dem Montag zugeordnet.

                          
        

…       

                                   
                                                     
        

§ 4 Arbeitszeit

                 
        

1.    

Der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit richtet sich nach der betrieblichen Ordnung. Im Falle betrieblicher Notwendigkeit erklärt sich der Arbeitnehmer mit einer geänderten Einteilung der Arbeitszeit einverstanden (z. B. Havarie).

        

2.    

In Fällen dringenden betrieblichen Bedarfs ist der Arbeitnehmer verpflichtet, vorübergehend Mehrarbeit (Überstunden) zu leisten.

        

3.    

Bei Gehaltsempfängern sind die Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit durch Zahlung des Gehaltes pauschal abgegolten.

        

…“    

                                                              
3

Mit der am 23. September 2009 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger zuletzt Vergütung von 978,5 Überstunden mit einem aus dem Grundgehalt abgeleiteten Stundensatz von 6,35 Euro brutto geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die pauschale Abgeltung von Überstunden sei unwirksam. Mangels einer Regelung zum Umfang der Arbeitspflicht sei auf die betriebliche Arbeitszeit im Unternehmen der Beklagten abzustellen, die 40 Stunden pro Woche betrage. Der Kläger hat unter Vorlage und Berufung auf von ihm gefertigter Listen vorgebracht, an welchem Tag er zu welcher Uhrzeit seine Arbeit im Betrieb begonnen habe, wann er vom Betrieb allein oder mit anderen Fahrern zu welchen Orten oder Mästern gefahren, er wieder in den Betrieb zurückgekehrt sei und das Fahrzeug an den Schlachthof übergeben habe. Er hat behauptet, nach einer internen Anweisung seien die Kraftfahrer der Beklagten verpflichtet, 30 bis 60 Minuten vor der geplanten Abfahrt im Betrieb zu erscheinen und die notwendigen Arbeitsvorbereitungen (technische Überprüfung, Behebung von Mängeln, Betanken etc.) vorzunehmen. Beim jeweiligen Mäster müsse dessen Personal bei der Beladung des LKW unterstützt werden. Sämtliche Fahrten seien von der Beklagten angeordnet gewesen, und zwar im Wesentlichen von der Disponentin Frau H, bei deren Verhinderung von Herrn W.

4

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.213,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Vergütung von Überstunden sei mit dem vereinbarten Gehalt abgegolten. Zudem habe der Kläger einen eventuellen Vergütungsanspruch verwirkt. Die Arbeitszeit des Klägers habe sich gemäß § 4 Arbeitsvertrag nach der betrieblichen Ordnung - also bei Vollzeit 40 Wochenstunden/173,33 Monatsstunden - und, weil es sich beim Kläger um einen Fahrer bzw. Beifahrer von LKW mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht gehandelt habe, nach den gesetzlichen Bestimmungen für Fahrpersonal in § 21a ArbZG gerichtet. Danach sei eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden zulässig und die Beifahrerzeit nicht vergütungspflichtig. Überstunden habe sie weder angeordnet noch gebilligt.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers ist begründet.

8

I. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht zurückgewiesen werden. Das Landesarbeitsgericht hat nicht beachtet, dass § 21a Abs. 3 ArbZG die Vergütung von Beifahrerzeiten nicht ausschließt, und zudem die Substantiierungslast des Arbeitnehmers im Überstundenprozess überspannt.

9

1. Der Kläger hat auch während der als Beifahrer verbrachten Zeit gearbeitet und die von ihm geschuldete Tätigkeit als Kraftfahrer erbracht. Er musste sich aufgrund der Arbeitseinteilung der Beklagten an seinem Arbeitsplatz, dem LKW, aufhalten und konnte nicht frei über die Nutzung seiner Zeit bestimmen. Nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG ist zwar für Arbeitnehmer, die sich beim Fahren abwechseln, die während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte Zeit abweichend von § 2 Abs. 1 ArbZG keine Arbeitszeit. Die Vorschrift enthält jedoch keine Modifizierung dessen, was unter Arbeit zu verstehen ist, und schließt eine Vergütung für die Arbeit als Beifahrer nicht aus (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 19 ff., AP BGB § 307 Nr. 51 = EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 3). Der Kläger kann daher auch für Beifahrertätigkeit die in § 3 Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung beanspruchen. Eine gesonderte Vergütungsregelung für die als Beifahrer verbrachte Zeit haben die Parteien nicht getroffen. Der Kläger war deshalb nicht gehalten, bei der Darlegung von Überstunden zwischen Zeiten, in denen er den LKW selbst gefahren hat, und solchen, in denen er als Beifahrer auf dem LKW mitgefahren ist, zu differenzieren.

10

2. Die Darlegung der Leistung von Überstunden ist nicht aus den vom Landesarbeitsgericht angenommenen Gründen unschlüssig.

11

Das Landesarbeitsgericht moniert, dem Vortrag des Klägers sei nicht zu entnehmen, wann er Pausen gemacht habe. Die Nichtangabe von Pausenzeiten impliziert zunächst aber nur die Behauptung, der Arbeitnehmer habe solche nicht gemacht. Bei Zweifeln hätte das Landesarbeitsgericht nach § 139 Abs. 1 Satz 1 ZPO nachfragen müssen, ob der Sachvortrag des Klägers dahingehend zu verstehen sei, er habe keine Pausen gemacht. Hätte der Kläger dies bejaht, wäre sein Vorbringen unter Berücksichtigung einer etwaigen Einlassung der Beklagten hierzu nach § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigen gewesen. Hätte der Kläger die Frage verneint, wäre das Landesarbeitsgericht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO verpflichtet gewesen, auf eine Ergänzung des Sachvortrags hinzuwirken. Dasselbe gilt für den Vorwurf, dem Sachvortrag des Klägers sei nicht zu entnehmen, warum nach Abschluss der Fahrten regelmäßig exakt 30 Minuten bis zur Übergabe des Fahrzeugs an den Schlachthof berücksichtigt seien.

12

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.

13

1. Ein Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung ist nicht nach § 3 iVm. § 4 Ziff. 3 Arbeitsvertrag ausgeschlossen.

14

a) Auf die genannten Regelungen des Arbeitsvertrags sind jedenfalls § 305c Abs. 2, §§ 306 und 307 bis 309 BGB anzuwenden(§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Die Beklagte hat den Arbeitsvertrag vorformuliert, dem Kläger in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Ob es sich dabei um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelte (§ 305 Abs. 1 BGB), bedarf keiner weiteren Aufklärung, denn der Arbeitsvertrag ist ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 20 ff., AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10). Auf den Inhalt der vorformulierten Klausel zur Vergütung von Überstunden konnte der Kläger unstreitig keinen Einfluss nehmen.

15

b) Die in § 3 iVm. § 4 Ziff. 3 Arbeitsvertrag geregelte Pauschalabgeltung von Überstunden ist mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

16

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistungen er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (vgl. dazu im Einzelnen zuletzt BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 14 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 15 f.).

17

Nach diesen Grundsätzen ist § 3 iVm. § 4 Ziff. 3 Arbeitsvertrag nicht klar und verständlich. Der Umfang der davon erfassten Überstunden ist im Arbeitsvertrag ebenso wenig bestimmt, wie die Voraussetzungen, unter denen Überstunden zu leisten sind, also ein „Fall dringenden betrieblichen Bedarfs“ (§ 4 Ziff. 2 Arbeitsvertrag) vorliegen soll. Insbesondere lässt sich weder der Klausel selbst noch den arbeitsvertraglichen Bestimmungen im Übrigen eine Begrenzung auf die nach § 21a Abs. 4 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit eines als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten iSv. § 21a Abs. 1 ArbZG eingesetzten Arbeitnehmers entnehmen. Die Verwendung des Begriffs „Mehrarbeit“ in § 3 und als Synonym für Überstunden in § 4 Ziff. 2 Arbeitsvertrag deuten im Gegenteil darauf hin, dass auch eine Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit von der Klausel erfasst sein soll, zumal die Beklagte den Kläger nach § 2 Ziff. 1 Arbeitsvertrag verpflichten wollte, seine „ganze Arbeitskraft“ der Beklagten zu widmen.

18

c) Ist im Arbeitsvertrag die Vergütung von Überstunden weder positiv noch negativ geregelt, kommt als Anspruchsgrundlage dafür nur § 612 Abs. 1 BGB in Betracht. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die danach erforderliche - objektive - Vergütungserwartung (vgl. dazu BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; 21. September 2011 - 5 AZR 629/10 - Rn. 31, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 11, jeweils mwN) ist gegeben. Der Kläger schuldet weder Dienste höherer Art, noch erhält er eine deutlich herausgehobene Vergütung. Die ihm nach § 3 Arbeitsvertrag zustehende Vergütung liegt auch unter Berücksichtigung der nach dem Willen der Beklagten freiwillig sein sollenden Leistungs-, Sorgfalts- und Treueprämien sowie den Zuschlägen für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit ganz erheblich unter der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung(zu deren Bedeutung vgl. BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 21).

19

2. Ein Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirkt.

20

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie setzt voraus, dass der Gläubiger sein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat und dabei unter Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken konnten, er wolle auch künftig sein Recht nicht mehr geltend machen. Zudem muss der Verpflichtete sich darauf einstellen dürfen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BAG 23. August 2011 - 3 AZR 575/09 - Rn. 57, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 20; vgl. auch 22. April 2009 - 5 AZR 292/08 - Rn. 28, AP BGB § 611 Wegezeit Nr. 11).

21

Ob eine Verwirkung des Anspruchs auf Überstundenvergütung vor Eintritt der gesetzlichen Verjährung schon deshalb ausscheidet, weil sich der Arbeitgeber, der dem Arbeitnehmer einen Formulararbeitsvertrag anbietet, durch vertragliche Ausschlussfristen (zu den Anforderungen an deren Wirksamkeit vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19; 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - BAGE 116, 66) davor schützen kann, länger als drei Monate nach Fälligkeit des Anspruchs mit einer Geltendmachung konfrontiert zu werden, bedarf keiner Entscheidung. Denn unbeschadet der Frage, ob im Streitfall überhaupt das Zeitmoment erfüllt ist, kann sich jedenfalls ein Arbeitgeber, der - wie die Beklagte - dem Arbeitnehmer eine unwirksame Klausel zur Pauschalabgeltung von Überstunden stellt, nicht schutzwürdig darauf einrichten, der Arbeitnehmer werde die Unwirksamkeit der Klausel schon nicht erkennen und Überstundenvergütung nicht geltend machen (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 24).

22

III. Ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im erneuten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

23

1. Der mit „Arbeitszeit“ überschriebene § 4 Arbeitsvertrag enthält zwar keine ausdrückliche Vereinbarung über eine bestimmte wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit. Über den Verweis auf die „betriebliche Ordnung“ lässt sich aber mittelbar eine Normalarbeitszeit erschließen, deren Dauer zwischen den Parteien unstreitig ist.

24

Der Kläger hat vorgetragen, die betriebliche Arbeitszeit bei der Beklagten betrage 40 Wochenstunden. Dem ist die Beklagte nicht nur nicht entgegengetreten, sondern hat selbst vorgebracht, die Arbeitszeit des Klägers richte sich gemäß § 4 Arbeitsvertrag nach der betrieblichen Ordnung und das seien bei Vollzeit 40 Wochenstunden/173,33 Stunden im Monat. Weiter hat die Beklagte gemeint, weil es sich bei dem Kläger um einen Fahrer bzw. Beifahrer von LKW mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht handele, gölten auch die gesetzlichen Bestimmungen für Fahrpersonal. Das trifft zu, führt aber nicht zu einer Erhöhung der vom Kläger geschuldeten Normalarbeitszeit. § 21a Abs. 4 ArbZG regelt nur die Arbeitszeit eines Kraftfahrers, die arbeitsschutzrechtlich nicht überschritten werden darf. Die Vorschrift ersetzt nicht eine vertragliche Vereinbarung über die Arbeitszeit und tritt bei deren Fehlen nicht an deren Stelle. Einen - als vertragliche Vereinbarung auslegbaren - Hinweis auf das Arbeitszeitgesetz, insbesondere dessen § 21a Abs. 4, enthält § 4 Arbeitsvertrag nicht.

25

2. Für die Darlegung und den Beweis der Leistung von Überstunden gelten die Grundsätze wie für die Behauptung des Arbeitnehmers, die geschuldete (Normal-)Arbeit verrichtet zu haben.

26

a) Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts in Verbindung mit § 614 BGB gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Verlangt der Arbeitnehmer gem. § 611 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er deshalb darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt(zB § 1 BUrlG, §§ 615, 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 37 Abs. 2 BetrVG). Da die konkret zu leistende Arbeit in der Regel vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist (§ 106 GewO), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und ob der Arbeitnehmer den Weisungen nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden (vgl. zum Ganzen BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14).

27

b) Nichts anderes gilt für die Behauptung des Arbeitnehmers, er habe die geschuldete Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet. Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist.

28

Diese Grundsätze dürfen aber nicht gleichsam schematisch angewendet werden, sondern bedürfen stets der Berücksichtigung der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe. So kann ein Kraftfahrer wie der Kläger, dem vom Arbeitgeber bestimmte Touren zugewiesen werden, seiner Darlegungslast bereits dadurch genügen, dass er vorträgt, an welchen Tagen er welche Tour wann begonnen und wann beendet hat. Im Rahmen der gestuften Darlegungslast ist es dann Sache des Arbeitgebers, unter Auswertung der Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 Satz 1 ArbZG substantiiert darzulegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer aus welchen Gründen in geringerem zeitlichen Umfang als von ihm behauptet gearbeitet haben muss.

29

c) Ihrer Darlegungslast genügen weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber durch die bloße Bezugnahme auf den Schriftsätzen als Anlagen beigefügte Stundenaufstellungen oder sonstige Aufzeichnungen. Anlagen können lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BGH 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - Rn. 25 mwN, NJW 2008, 69; vgl. auch BVerfG 30. Juni 1994 - 1 BvR 2112/93 - zu III 2 a der Gründe, NJW 1994, 2683). Die Darlegung der Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer bzw. die substantiierte Erwiderung hierauf durch den Arbeitgeber hat vielmehr entsprechend § 130 Nr. 3 und Nr. 4 ZPO schriftsätzlich zu erfolgen. Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Arbeitszeiten aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen.

30

Nachdem das Landesarbeitsgericht die Art und Weise des Vorbringens der Parteien nicht beanstandet hat, muss ihnen im erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit gegeben werden, ihrer jeweiligen Darlegungslast zur Leistung bzw. Nichtleistung von Überstunden schriftsätzlich nachzukommen.

31

3. Soweit die Beklagte bislang die Anordnung von Überstunden - pauschal - bestritten hat, ist das unbehelflich. Wenn ein Kraftfahrer für eine angewiesene Tour eine bestimmte Zeit benötigt und sie nur unter Leistung von Überstunden ausführen kann, waren die Überstunden - unabhängig von einer ausdrücklichen Anordnung - jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 a der Gründe mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 17 = EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 1). Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber darlegen kann, dass die von ihm dem Arbeitnehmer zugewiesene Tour unter Beachtung der Rechtsordnung, insbesondere der für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten geltenden (Sozial-)Vorschriften und des Straßenverkehrsrechts, innerhalb der Normalarbeitszeit gefahren werden kann. Erst dann obliegt es wiederum dem Arbeitnehmer, besondere Umstände darzutun, die zur Überschreitung der Normalarbeitszeit geführt haben.

32

IV. Ob die Lohnabzüge wegen vermeintlich mangelnder Wagenpflege tatsächlich gerechtfertigt waren, ist wegen der beschränkten Revisionszulassung nicht mehr Gegenstand des erneuten Berufungsverfahrens.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    S. Röth-Ehrmann    

        

    Christen    

                 

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss (Tarifausschuss) auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die Allgemeinverbindlicherklärung erscheint in der Regel im öffentlichen Interesse geboten, wenn

1.
der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder
2.
die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlicherklärung verlangt.

(1a) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag über eine gemeinsame Einrichtung zur Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, wenn der Tarifvertrag die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen durch eine gemeinsame Einrichtung mit folgenden Gegenständen regelt:

1.
den Erholungsurlaub, ein Urlaubsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld,
2.
eine betriebliche Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes,
3.
die Vergütung der Auszubildenden oder die Ausbildung in überbetrieblichen Bildungsstätten,
4.
eine zusätzliche betriebliche oder überbetriebliche Vermögensbildung der Arbeitnehmer,
5.
Lohnausgleich bei Arbeitszeitausfall, Arbeitszeitverkürzung oder Arbeitszeitverlängerung.
Der Tarifvertrag kann alle mit dem Beitragseinzug und der Leistungsgewährung in Zusammenhang stehenden Rechte und Pflichten einschließlich der dem Verfahren zugrunde liegenden Ansprüche der Arbeitnehmer und Pflichten der Arbeitgeber regeln. § 7 Absatz 2 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes findet entsprechende Anwendung.

(2) Vor der Entscheidung über den Antrag ist Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen werden würden, den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber sowie den obersten Arbeitsbehörden der Länder, auf deren Bereich sich der Tarifvertrag erstreckt, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben. In begründeten Fällen kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Teilnahme an der Verhandlung mittels Video- oder Telefonkonferenz vorsehen.

(3) Erhebt die oberste Arbeitsbehörde eines beteiligten Landes Einspruch gegen die beantragte Allgemeinverbindlicherklärung, so kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dem Antrag nur mit Zustimmung der Bundesregierung stattgeben.

(4) Mit der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrags in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ein nach Absatz 1a für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag ist vom Arbeitgeber auch dann einzuhalten, wenn er nach § 3 an einen anderen Tarifvertrag gebunden ist.

(5) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags im Einvernehmen mit dem in Absatz 1 genannten Ausschuß aufheben, wenn die Aufhebung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend. Im übrigen endet die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags mit dessen Ablauf.

(6) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann der obersten Arbeitsbehörde eines Landes für einzelne Fälle das Recht zur Allgemeinverbindlicherklärung sowie zur Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit übertragen.

(7) Die Allgemeinverbindlicherklärung und die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit bedürfen der öffentlichen Bekanntmachung. Die Bekanntmachung umfasst auch die von der Allgemeinverbindlicherklärung erfassten Rechtsnormen des Tarifvertrages.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.

(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.

(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:

1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;
2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte;
3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.

(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 2. Dezember 2010 - 22 Sa 59/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Abgeltung von jeweils 30 Urlaubstagen aus den Jahren 2007 und 2008 sowie von 20 Urlaubstagen aus dem Jahr 2009 auf der Grundlage eines Abgeltungsbetrags von 71,76 Euro brutto pro Urlaubstag.

2

Die Klägerin war vom 15. März 1997 bis zum 31. Juli 2009 auf der Grundlage eines arbeitgeberseitig vorformulierten Formulararbeitsvertrags vom 22. März 1997 beschäftigt, zuletzt als Fachverkäuferin zu einem Stundenlohn von 9,20 Euro brutto mit einer Wochenarbeitszeit von 39 Stunden. Der Arbeitsvertrag lautet auszugsweise:

        

„Für das Arbeitsverhältnis gelten die für das Bäckerhandwerk Baden-Württemberg jeweils gültigen Bestimmungen des Manteltarifvertrages. Bei tarifvertragslosem Zustand gelten bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrages die Bestimmungen des alten als vereinbart.

        

Der/die Arbeitnehmer/in verpflichtet sich, bei Antritt der Tätigkeit seine/ihre Arbeitspapiere (Lohnsteuerkarte, Versicherungsnachweise, Urlaubsbescheinigung, Gesundheitszeugnis und soweit erforderlich eine Arbeitserlaubnis) ordnungsgemäß abzugeben.

        

…       

        

Der Arbeitnehmer hat ohne besondere Hinweise die gesetzlichen Bestimmungen der Aufsichtsbehörden (Gewerbeaufsichtsamt, Lebensmittelüberwachung, Gesundheitsamt, Berufsgenossenschaft etc.) hinsichtlich Sicherheit, Sauberkeit, Jugendarbeitsschutzgesetz etc. zu beachten.

        

Soweit vorstehend nichts anderes vereinbart wurde, gelten die jeweils gültigen Bestimmungen des Manteltarifvertrages für das Bäckerhandwerk in Baden-Württemberg (z. B. Anspruch auf Urlaub, zusätzliches Urlaubsgeld, Kündigung etc.).“

3

In dem Manteltarifvertrag für das Bäckerhandwerk in Baden-Württemberg vom 12. Dezember 1991 (MTV) heißt es ua.:

        

„§ 11 

        

Urlaub

        

…       

        
        

6.    

Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Die Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Falle der Übertragung ist der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Jahres geltend zu machen und zu gewähren. Der Urlaubsanspruch erlischt am 31. März, sofern er nicht vorher erfolglos geltend gemacht worden ist.

                 

Der Urlaubsplan wird zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat oder, wo ein solcher nicht besteht, mit dem einzelnen Arbeitnehmer vereinbart und durch Aushang bekanntgegeben.

        

…       

        
        

14.     

Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht gewährt werden, so ist er abzugelten. Endet ein Arbeitsverhältnis durch Vertragsbruch des Arbeitnehmers bzw. durch selbstverschuldete fristlose Entlassung, so verfällt der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende Urlaubs- bzw. Abgeltungsanspruch.

        

…       

        
        

18.     

… Ab ... erhalten alle Arbeitnehmer 36 Werktage Urlaub.

        

…       

                 
        

§ 21   

        

Ausschlussfristen

        

Alle gegenseitigen Ansprüche sind innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Entstehen schriftlich geltend zu machen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung dieser Ansprüche ausgeschlossen.

        

Ist ein Arbeitnehmer durch außerordentliche Störung seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht in der Lage, Ansprüche gemäß Satz 1 geltend zu machen, so ist der Lauf der Ausschlussfrist bis zu dem Tage gehemmt, an dem diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen behoben sind.“

4

Ab Herbst 2007 war die Klägerin durchgängig arbeitsunfähig krank. Sie bezog ab Oktober 2007 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die zunächst bis zum 28. Februar 2009 befristet war und anschließend auf der Grundlage eines Bescheids vom 16. Oktober 2008 als Dauerrente weitergewährt wurde. Mit Schreiben vom 19. Februar 2009 forderte die Klägerin die Beklagte ohne Erfolg auf, die ihr noch zustehende Urlaubsabgeltung für die Kalenderjahre 2007 und 2008 bis zum 2. März 2009 abzurechnen und auszuzahlen.

5

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, auch während der Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit und des Bezugs der Erwerbsminderungsrente seien Urlaubsansprüche entstanden, die nicht verfallen seien. Die Urlaubsregelung unterscheide nicht zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem vereinbarten Mehrurlaub. Der mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstandene Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei nicht aufgrund der tariflichen Ausschlussfrist des MTV untergegangen.

6

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.740,80 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

7

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, in der Zeit ihrer Erwerbsunfähigkeit habe die Klägerin keinen Urlaubsanspruch erworben, weil das Arbeitsverhältnis wegen des Bezugs einer Rente wegen voller Erwerbsminderung geruht habe. Eine Ansammlung von Urlaubsansprüchen über mehrere Jahre hinweg sei nicht gerechtfertigt. Im Übrigen habe die Klägerin die Ausschlussfrist des § 21 MTV nicht gewahrt.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für die Revision von Interesse - mit Urteil vom 22. Juni 2010 stattgegeben. Mit Schreiben vom 29. Juni 2010 beantragte die Klägerin die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils. Das erstinstanzliche Urteil wurde beiden Parteien am 1. Juli 2010 zugestellt und die vollstreckbare Ausfertigung am 12. Juli 2010 erteilt. Am 15. Juli 2010 forderte die Klägerin die Beklagte per Fax zur Zahlung auf. Danach zahlte die Beklagte den titulierten Betrag.

9

Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz im Wege der Widerklage beantragt,

        

        

die Klägerin zu verurteilen, den aus dem Urteil - 7 Ca 63/10 - vollstreckten Betrag iHv. 5.740,80 Euro an sie zurückzuzahlen.

10

Die Klägerin hat zu ihrem Antrag auf Abweisung der Widerklage die Ansicht vertreten, die Beklagte habe schon deshalb keinen Rückzahlungsanspruch, weil sie aus freien Stücken geleistet habe.

11

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert, die Klage insgesamt abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Klägerin verfolgt mit der Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils und die Abweisung der Widerklage.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Klägerin ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

13

I. Soweit die Klägerin ihren Zahlungsantrag in der Revisionsinstanz erstmals darauf stützt, die Beklagte sei mit der Aushändigung einer Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen iSd. Nachweisgesetzes in Verzug gewesen und schulde der Klägerin daher Schadensersatz, ist die Revision unzulässig. Die Schadensersatzklage betrifft einen neuen Streitgegenstand. Der Sache nach handelt es sich um eine Klageerweiterung, die in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig ist, weil das Revisionsgericht an das Tatsachenvorbringen und die Feststellungen im Berufungsverfahren gebunden ist (§ 559 ZPO; vgl. BAG 28. Oktober 2008 - 3 AZR 903/07 - Rn. 17 mwN, AP ZPO § 264 Nr. 9). Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum geltend gemachten Schadensersatzanspruch sind nicht getroffen.

14

II. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klage unbegründet und die Widerklage der Beklagten begründet ist.

15

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung aus § 7 Abs. 4 BUrlG, § 11 Ziff. 14 MTV. Einer Geltendmachung des Abgeltungsanspruchs steht jedenfalls § 21 Satz 2 MTV entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die Geltendmachung von Ansprüchen nach Ablauf der sechswöchigen Ausschlussfrist des § 21 Satz 1 MTV ausgeschlossen.

16

a) Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin fand die Regelung des § 21 MTV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

17

aa) Zwar lässt sich die Geltung des MTV nicht aus dem TVG ableiten. Der für allgemeinverbindlich erklärte MTV war zum 31. Dezember 1996 gekündigt worden (vgl. BAG 15. Oktober 2003 - 4 AZR 573/02 - zu I 2 der Gründe, BAGE 108, 114). Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde nach diesem Zeitpunkt begründet, sodass sich das Arbeitsverhältnis nicht gemäß § 4 Abs. 5 TVG nach dem MTV richtete. Die Nachwirkung von Tarifnormen erstreckt sich nicht auf ein Arbeitsverhältnis, das erst während des Nachwirkungszeitraums eines ursprünglich für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags begründet wird (st. Rspr., vgl. BAG 2. März 2004 - 1 AZR 271/03 - zu I 2 der Gründe, BAGE 109, 369).

18

bb) Die Parteien haben die Anwendung der Ausschlussfrist des MTV jedoch vertraglich vereinbart. Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses im Nachwirkungszeitraum schließt es nicht aus, dass die Arbeitsvertragsparteien die abgelaufenen Tarifbestimmungen einzelvertraglich in Bezug nehmen(BAG 9. Mai 2007 - 4 AZR 319/06 - Rn. 32, 36, AP BGB § 305c Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 12; 20. September 2006 - 10 AZR 33/06 - Rn. 20, NZA 2007, 164). Dies entsprach dem Willen der Parteien. Ihr Vertrag regelt ausdrücklich, dass „bei tarifvertragslosem Zustand“ die Bestimmungen des alten Tarifvertrags bis zum Abschluss eines neuen als vereinbart gelten. Es ist dabei unerheblich, dass in dem von der Beklagten vorformulierten Formulararbeitsvertrag zweifach mit unterschiedlichem Wortlaut auf den Tarifvertrag Bezug genommen wurde.

19

(1) Keine der beiden Bezugnahmeklauseln lässt sich im Hinblick auf ihren klaren Wortlaut so auslegen, dass die Bestimmungen des MTV und damit auch die Ausschlussfrist des § 21 MTV nicht in Bezug genommen werden. Für eine Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB, nach dem Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders gehen, ist daher kein Raum.

20

(2) Die Bezugnahmeklauseln in dem von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrag sind auch nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird ( BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06  - Rn. 14, BAGE 124, 259 ). Für die Annahme, eine Klausel verstoße gegen das Transparenzgebot, reicht es deshalb nicht aus, dass der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen ( BAG 15. April 2008 - 9 AZR 159/07  - Rn. 77, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 38 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 21). Erst in der Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht erkennen kann, ob und wie er seine Rechte wahrnehmen kann, liegt die für die Rechtsfolge der Unwirksamkeit erforderliche unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 236/10 - Rn. 43, AP TzBfG § 9 Nr. 7 = EzA TzBfG § 9 Nr. 5; 14. März 2007 - 5 AZR 630/06 - Rn. 27, BAGE 122, 12 ).

21

Die beiden Klauseln sind ausreichend klar und verständlich und in Bezug auf die Anwendbarkeit der tariflichen Vorschriften nicht widersprüchlich. Zwar enthält die den Vertrag einleitende Bezugnahme - anders als die zweite - keinen Vorbehalt dahin gehend, dass der Tarifvertrag nur insoweit zur Anwendung gelangen soll, als im Arbeitsvertrag nichts anderes vereinbart wurde. Dieser Vorbehalt ist jedoch grundsätzlich jeder arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel immanent, ohne dass er ausdrücklich vereinbart werden muss. Insofern haben beide Bezugnahmeklauseln den gleichen Inhalt. Der Arbeitsvertrag enthält weder eine Regelung, die dem Regelungsbereich des § 21 MTV entspricht, noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Parteien die Geltung von Ausschlussfristen für ihr Arbeitsverhältnis ausschließen wollten. Es bestand daher keine Gefahr, dass die Klägerin in der Annahme, die Verfallfristen sollten nicht gelten, von einer Geltendmachung von Ansprüchen abgesehen hat.

22

b) Die Parteien konnten die Geltung einer sechswöchigen tariflichen Ausschlussfrist vereinbaren.

23

aa) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Länge der Verfallfrist keiner Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen.

24

(1) Nach dem Wortlaut des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden die §§ 305 bis 310 BGB auf Tarifverträge keine Anwendung. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB enthält seinem Wortlaut nach keine Einschränkung dahin, dass dies nur für Tarifverträge gelten soll, die kraft Tarifbindung unmittelbar und zwingend gelten(§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Der gesetzliche Gesamtzusammenhang spricht gleichfalls gegen eine Inhaltskontrolle einschlägiger tarifvertraglicher Regelungen, die im Arbeitsvertrag im Wege der Globalverweisung in Bezug genommen worden sind (BAG 28. Juni 2007 - 6 AZR 750/06 - Rn. 22, BAGE 123, 191). Nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB stehen Tarifverträge Rechtsvorschriften iSv. § 307 Abs. 3 BGB gleich. Mit der uneingeschränkten Verweisung auf den einschlägigen Tarifvertrag erlangen die tarifvertraglichen Bestimmungen bei nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern erst Geltung im Arbeitsverhältnis. Die Verweisung führt damit nicht zu einer Abweichung von Rechtsvorschriften iSv. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, sondern zu deren Anwendbarkeit. Eine Inhaltskontrolle hat in diesem Fall nicht zu erfolgen, weil sie gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur bei einer Abweichung von Rechtsvorschriften stattfindet(vgl. BAG 13. Juli 2010 - 9 AZR 264/09 - Rn. 50; 23. September 2004 - 6 AZR 442/03 - zu II 2 e der Gründe, BAGE 112, 64; ErfK/Preis 12. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 13; HWK/Gotthardt 5. Aufl. § 307 BGB Rn. 14). Die Vermutung der Angemessenheit endet nicht mit der Kündigung des Tarifvertrags durch eine der Tarifvertragsparteien (aA wohl Thüsing/Lambrich NZA 2002, 1361, 1363). Das folgt schon daraus, dass das Gesetz bei tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien gemäß § 4 Abs. 5 TVG die Nachwirkung des gekündigten Tarifvertrags anordnet(vgl. BAG 16. August 1990 - 8 AZR 439/89 - zu 4 b der Gründe, BAGE 65, 359). Ordnet das Gesetz die Geltung des außer Kraft getretenen Tarifvertrags an (vgl. BAG 29. Januar 1975 - 4 AZR 218/74 - BAGE 27, 22), sind keine Gründe ersichtlich, die dagegen sprechen, eine solche Geltung auch ohne Angemessenheitsprüfung durch Formulararbeitsvertrag herbeiführen zu können. Ob etwas anderes gilt, wenn die Tarifvertragsparteien die Nachwirkung des Tarifvertrags ausgeschlossen haben (vgl. dazu BAG 3. September 1986 - 5 AZR 319/85 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 53, 1), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

25

(2) Die Parteien haben eine Globalverweisung in diesem Sinne vereinbart. Es sollten nach dem Wortlaut des Vertrags die jeweils gültigen Bestimmungen des Manteltarifvertrags für das Bäckerhandwerk in Baden-Württemberg zur Anwendung kommen. Dabei wurde nicht nur auf bestimmte Regelungsgegenstände Bezug genommen. In der zweiten Bezugnahmeklausel werden in einem Klammerzusatz zwar bestimmte Regelungskomplexe ausdrücklich erwähnt. Aus den Begriffen „z. B.“ und „etc.“ ergibt sich jedoch, dass diese Aufzählung nur beispielhaft und gerade nicht abschließend ist. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin folgt nicht allein aus der Formulierung „soweit vorstehend nichts anderes vereinbart wurde“, dass die Parteien nur eine Teilverweisung vereinbaren wollten. Die Klägerin hat keine Regelung des Arbeitsvertrags benannt, die dahin gehend auszulegen sei, dass durch sie eine vom Manteltarifvertrag abweichende Vereinbarung getroffen werden sollte. Es ist nicht ersichtlich, dass die der fraglichen Klausel vorangehenden Vereinbarungen der Parteien zu Arbeitspapieren, zum Direktionsrecht, zu Zulagen, Lohnabtretungen, Nebentätigkeiten und der Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen zulasten der Klägerin eine Regelung beinhalten, die dazu geeignet ist, die Angemessenheitsvermutung des Tarifvertrags infrage zu stellen. Vor diesem Hintergrund war nicht zu entscheiden, ob auch Teilverweisungen auf Tarifverträge zu einem Ausschluss der Angemessenheitsprüfung nach § 307 BGB führen(vgl. zum Meinungsstand: BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 390/08 - Rn. 29, AP BGB § 307 Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8; ErfK/Preis §§ 305 - 310 BGB Rn. 17 ff.; HWK/Gotthardt § 307 BGB Rn. 14).

26

bb) Es kann dahinstehen, ob und ggf. inwieweit Tarifvertragsparteien beim Abschluss von Tarifverträgen an europäische Richtlinien iSd. Art. 288 AEUV gebunden sind. Die Ausschlussfristenregelung des § 21 MTV steht in Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9).

27

(1) Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG gebietet nicht, dass eine Ausschlussfrist für den Urlaubsabgeltungsanspruch die Dauer des Bezugszeitraums des Urlaubsanspruchs deutlich übersteigt. Eine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nicht(BAG 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - Rn. 22 ff., AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 93 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 20).

28

(2) Die Ausschlussfrist schränkt die Effektivität der Durchsetzung des europarechtlich gewährleisteten Anspruchs auf Urlaubsabgeltung nicht unzulässig ein. Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfen Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] Rn. 25 mwN, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 16 = EzA AGG § 15 Nr. 8). Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen ist grundsätzlich mit dem Erfordernis der Effektivität vereinbar, weil eine solche Festsetzung ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit ist. Die Prüfung der Angemessenheit ist Sache des nationalen Gerichts (EuGH 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] Rn. 36 mwN, 42, aaO). Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist daher nicht erforderlich(vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 38, NZA 2012, 1090).

29

Eine Frist von sechs Wochen ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses erscheint nicht so kurz, dass es Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis endet, nicht gelingen kann, die Frist zur Geltendmachung ihrer Urlaubsabgeltungsansprüche zu wahren. Der Senat hat in seinem Urteil vom 13. Dezember 2011 (- 9 AZR 399/10 - Rn. 27, AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 93 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 20)eine tarifliche Frist von zwei Monaten als ausreichend lang angesehen, weil der ausscheidende Arbeitnehmer grundsätzlich in der Lage ist, seine Ansprüche anhand des Bundesurlaubsgesetzes und der einschlägigen tariflichen Vorschriften selbst zu berechnen. Die Klägerin hat keine Umstände vorgetragen und es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine um etwas mehr als zwei Wochen kürzere Frist dazu führen würde, dass die Durchsetzung des Abgeltungsanspruchs übermäßig erschwert würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausschlussfrist nach § 21 Satz 3 MTV gehemmt ist, solange ein Arbeitnehmer durch außerordentliche Störung seines körperlichen oder geistigen Zustands nicht in der Lage ist, Ansprüche gemäß § 21 Satz 1 MTV geltend zu machen. Das Vorliegen einer solchen Störung hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

30

cc) Nach nationalem Recht spricht eine Vermutung dafür, dass die sechswöchige Verfallfrist des § 21 Satz 1 MTV angemessen ist. Als tarifliche Regelung unterliegt sie keiner Angemessenheitskontrolle durch die Gerichte (vgl. BAG 22. September 1999 - 10 AZR 839/98 - zu II 3 b cc der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 226 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 132; 6. September 1995 - 5 AZR 174/94 - zu III 1 der Gründe, BAGE 81, 5).

31

c) Die Klägerin hat ihren Abgeltungsanspruch nicht rechtzeitig iSd. § 21 MTV schriftlich geltend gemacht.

32

aa) Auf eine Geltendmachung in ihrem Kündigungsschreiben kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Eine Geltendmachung von Urlaubsabgeltungsansprüchen setzt daher jedenfalls voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet wird (vgl. BAG 22. April 2004 - 8 AZR 652/02 - zu II 1 a der Gründe mwN, AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 28; ErfK/Preis §§ 194 - 218 BGB Rn. 59). Wenn die Klägerin gemäß ihrem Vortrag im Revisionsverfahren die Beklagte im Kündigungsschreiben bat, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zum 31. Juli 2009 abzurechnen, machte sie damit keine Urlaubsabgeltungsansprüche im Sinne von § 21 Satz 1 MTV geltend. Unabhängig davon, dass nach dem Wortlaut nur eine Abrechnung (vgl. § 108 GewO) und keine Zahlung verlangt wurde, fehlt auch jeglicher Hinweis darauf, dass eine Abgeltung von Urlaub beansprucht wurde.

33

bb) Ohne Rechtsfehler ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass auch durch das Schreiben der Klägerin vom 19. Februar 2009 die Ausschlussfrist des § 21 MTV nicht gewahrt wurde. Zu jenem Zeitpunkt war ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung noch nicht entstanden. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG 21. Februar 2012 - 9 AZR 486/10 - Rn. 22, NZA 2012, 750). Das Arbeitsverhältnis endete erst aufgrund der Eigenkündigung der Klägerin mit Ablauf des 31. Juli 2009. Vor dem Entstehen des Abgeltungsanspruchs konnte die Klägerin diesen im Februar 2009 nicht iSd. § 21 MTV geltend machen, zumal damals der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht feststand.

34

(1) Aus dem Wortlaut des § 21 Satz 1 MTV, auf den es für die Tarifauslegung zunächst ankommt, folgt zwar nicht ausdrücklich, dass eine Geltendmachung erst nach dem Entstehen des Anspruchs erfolgen kann. Diese Vorschrift legt nur fest, dass alle gegenseitigen Ansprüche innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Entstehen schriftlich geltend zu machen sind. Auch § 21 Satz 2 MTV regelt nur, dass „nach Ablauf“ dieser Frist eine Geltendmachung ausgeschlossen ist.

35

(2) Aus dem Zweck der Ausschlussfrist ergibt sich jedoch, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen nach dem Vorbringen des Anspruchstellers bei der Geltendmachung grundsätzlich bereits vorliegen oder ihr Eintreten als sicher gelten muss, um die tarifliche Ausschlussfrist zu wahren. Ausschlussfristen bezwecken, dass sich der Anspruchsgegner auf die aus Sicht des Anspruchstellers noch offenen Forderungen rechtzeitig einstellt, Beweise sichert oder vorsorglich Rücklagen bilden kann (vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu I 4 b der Gründe, BAGE 109, 100). Sie sollen zur raschen Klärung von Ansprüchen beitragen. Dieser Zweck kann nicht erfüllt werden, wenn Ansprüche vor ihrer Entstehung geltend gemacht werden und damit letztlich nur als möglich angekündigt werden (vgl. BAG 16. Juni 2010 - 4 AZR 924/08 - Rn. 35 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 79; 22. Januar 2009 - 6 AZR 5/08 - Rn. 14 mwN, AP BAT § 70 Nr. 39). Vor dem Entstehen eines Anspruchs ist regelmäßig ungewiss, ob, wann und in welchem Umfang der Schuldner überhaupt zur Zahlung verpflichtet sein wird. Dementsprechend setzt die tariflich wirksame Geltendmachung eines Anspruchs nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich den Bestand des Anspruchs voraus (BAG 16. Juni 2010 - 4 AZR 924/08 - aaO; vgl. 22. Januar 2009 - 6 AZR 5/08 - aaO; 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 a der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 100; ebenso Schaub/Treber ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 209 Rn. 56; Weyand Ausschlussfristen im Tarifrecht Kap. 6 Rn. 78).

36

(3) Dies gilt im Hinblick auf die Geltendmachung von Urlaubsabgeltungsansprüchen jedenfalls dann, wenn Urlaubsabgeltung - wie hier - lange vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beansprucht wird und die Beendigung oder der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht sicher ist. In einem solchen Fall können weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Verlangens absehen, ob überhaupt Urlaubsabgeltungsansprüche entstehen und für wie viele Urlaubstage ggf. bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich noch ein Urlaubsabgeltungsanspruch in welcher Höhe entstehen wird. Aufgrund gesetzlicher oder tariflicher Verfallregelungen kann Urlaub zwischenzeitlich noch verfallen. Je nach dem Beendigungszeitpunkt kann dieser Kürzungsregelungen unterliegen (§ 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG). Die verfrühte Geltendmachung kann deshalb allenfalls punktuell den „Ist-Zustand“ der Urlaubshöhe zum Zeitpunkt der Geltendmachung abbilden, auf den es für den erst später entstehenden Urlaubsabgeltungsanspruch jedoch nicht ankommt. Soweit sie auf den noch ungewissen künftigen Beendigungszeitpunkt bezogen wird, geschieht sie „ins Blaue hinein“. Die Zulassung einer solchen „Vorratsgeltendmachung“ ohne erkennbaren Anlass in einer noch wandelbaren Situation würde nicht zur schnellen Klärung von Ansprüchen beitragen, sondern die Ausschlussfrist ins Leere laufen lassen.

37

2. Die Widerklage ist begründet. Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin aus § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO einen Anspruch auf Rückzahlung von 5.740,80 Euro.

38

a) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass die Beklagte die Zahlung in Höhe von 5.740,80 Euro brutto zur Abwendung der Zwangsvollstreckung leistete, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Urteil des Arbeitsgerichts war gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG vorläufig vollstreckbar. Die Voraussetzungen einer Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung liegen vor.

39

aa) Der Schuldner leistet „zur Abwendung der Vollstreckung“ und nicht freiwillig, wenn er sich damit einem gegen ihn ausgeübten „Vollstreckungsdruck“ beugt. Der vollstreckungsabwendende Zweck der Leistung kann sich aus den Umständen ergeben (BAG 25. September 2003 - 8 AZR 427/02 - zu II 1 a aa der Gründe mwN, AP ZPO § 717 Nr. 8 = EzA ZPO 2002 § 717 Nr. 2). Es genügt, wenn der Schuldner damit rechnen musste, dass die Vollstreckung demnächst beginnt (BAG 18. Dezember 2008 - 8 AZR 105/08 - Rn. 25 mwN, AP ZPO § 717 Nr. 9). Nicht erforderlich ist, dass der Gläubiger bereits Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet hat. Wenn der Gläubiger alle Vollstreckungsvoraussetzungen herbeigeführt hat, trifft ihn nur dann keine Haftung nach § 717 Abs. 2 ZPO, wenn er gegenüber dem Schuldner deutlich macht, daraus keine Rechte herzuleiten(vgl. BGH 16. Dezember 2010 - Xa ZR 66/10 - Rn. 25, NJW-RR 2011, 338; Ulrici in BeckOK ZPO Stand 15. Juli 2012 § 717 Rn. 13.2).

40

bb) Zwar hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, dass die Klägerin ausdrücklich mit Vollstreckungsmaßnahmen drohte. Den genauen Inhalt der schriftlichen Zahlungsaufforderung hat das Landesarbeitsgericht nicht aufgeklärt. Die Klägerin war jedoch über das zum Betreiben des Erkenntnisverfahrens Erforderliche hinausgegangen und hatte eine Handlung vorgenommen, die der Durchsetzung des Titels diente, indem sie unmittelbar nach der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels eine Zahlungsaufforderung an die Beklagte sandte. Damit forderte sie erst, aber auch sofort zur Zahlung auf, nachdem die Voraussetzungen für die Vollstreckung des Urteils geschaffen waren. Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass sie deutlich gemacht habe, trotz Vorliegens der Voraussetzungen keine Zwangsvollstreckung betreiben zu wollen. Das Verhalten der Klägerin konnte die Beklagte - auch ohne ausdrückliche Androhung von Vollstreckungsmaßnahmen in der Zahlungsaufforderung - nur so verstehen, dass bei einer Nichtzahlung die Vollstreckung bevorstand. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen.

41

b) Der im Rahmen von § 717 Abs. 2 ZPO ersatzfähige Schaden umfasst auch die unstreitig abgeführten Steuern und den Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. § 717 Abs. 2 ZPO gewährt einen materiellrechtlichen Anspruch auf Schadensersatz, nicht auf Herausgabe der Bereicherung. Er setzt daher nicht voraus, dass der Gläubiger durch die Vollstreckung etwas erlangt hat (BAG 25. September 2003 - 8 AZR 427/02 - zu II 1 b aa (1) der Gründe mwN, AP ZPO § 717 Nr. 8 = EzA ZPO 2002 § 717 Nr. 2). Für den Umfang des Schadensersatzanspruchs gelten die §§ 249 ff. BGB (BAG 18. Dezember 2008 - 8 AZR 105/08 - Rn. 28 mwN, AP ZPO § 717 Nr. 9).

42

aa) Der Schadensersatzanspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO umfasst bei einem zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Entgeltbetrag, wenn der Arbeitgeber - wie hier - zur Zahlung des Bruttobetrags verurteilt worden ist, die vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer gezahlte Lohnsteuer, den Solidaritätszuschlag und ggf. die Kirchensteuer (vgl. BAG 18. Dezember 2008 - 8 AZR 105/08 - Rn. 30 mwN, AP ZPO § 717 Nr. 9).

43

bb) Der Schadensersatzanspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO erstreckt sich auch auf den abgeführten Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags(vgl. LAG Düsseldorf 13. März 2012 - 17 Sa 277/11 - zu A V 2 a der Gründe; Hessisches LAG 28. Januar 2011 - 3 Sa 960/10 - zu II 2 d dd der Gründe).

44

(1) Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer den gesamten Bruttobetrag. Die arbeitsrechtliche Vergütungspflicht beinhaltet nicht nur die Nettoauszahlung, sondern umfasst auch die Leistungen, die nicht in einer unmittelbaren Auszahlung an den Arbeitnehmer bestehen (BAG 29. März 2001 - 6 AZR 653/99 - zu II 2 der Gründe mwN, AP SGB IV § 26 Nr. 1 = EzA BGB § 812 Nr. 7). Bei der Zwangsvollstreckung aus einem Zahlungsurteil kann dementsprechend der volle Betrag beigetrieben werden (vgl. BAG 25. September 2003 - 8 AZR 427/02 - zu II 1 c aa (1) der Gründe mwN, AP ZPO § 717 Nr. 8 = EzA ZPO 2002 § 717 Nr. 2). Im Moment der Leistung zur Abwendung der Zahlungsverpflichtung musste die Beklagte davon ausgehen, dass eine Zwangsvollstreckung nur abgewendet werden könne, wenn der Anteil des titulierten Bruttobetrags, der dem Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags entspricht, auch gezahlt werde. Insofern stellt auch die geleistete Zahlung einen Schaden im Sinne des § 717 Abs. 2 ZPO dar.

45

(2) Die Beklagte kann die Rückzahlung des Geldbetrags verlangen und muss sich nicht auf die Abtretung eines Erstattungsanspruchs aus § 26 SGB IV, der mit dem Aufwand und dem Risiko(vgl. zB Verfallklausel, § 26 Abs. 2 SGB IV sowie § 26 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB IV) einer Rückabwicklung verbunden ist, verweisen lassen. Im Rahmen des § 717 Abs. 2 ZPO ist nicht maßgeblich, ob und ggf. was die Klägerin erlangte (vgl. dazu BAG 29. März 2001 - 6 AZR 653/99 - zu II 3 der Gründe mwN, AP SGB IV § 26 Nr. 1 = EzA BGB § 812 Nr. 7), sondern der bei der Beklagten eingetretene Schaden. Dies ist der insgesamt gezahlte Betrag.

46

cc) Der Schadensersatzanspruch entfällt nicht dadurch, dass die Beklagte ggf. gegenüber Dritten die Rückzahlung der abgeführten Beträge verlangen könnte. Aus dem Rechtsgedanken des § 255 BGB folgt, dass ein Schadensersatzanspruch nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass sich der Geschädigte wegen eines entstandenen Vermögensnachteils auch an einen Dritten halten kann(BAG 25. September 2003 - 8 AZR 427/02 - zu II 1 b bb der Gründe mwN, AP ZPO § 717 Nr. 8 = EzA ZPO 2002 § 717 Nr. 2).

47

dd) Der Anspruch der Beklagten aus § 717 Abs. 2 ZPO ist auch nicht durch ein mitwirkendes Verschulden gemäß § 254 BGB gemindert oder ausgeschlossen. Der Einwand des Mitverschuldens ist nur zulässig, soweit es um den weiteren Vollstreckungsschaden (insbesondere Bürgschaftskosten, Zinsaufwendungen und -ausfälle) geht (vgl. BAG 18. Dezember 2008 - 8 AZR 105/08 - Rn. 38 mit ausführlicher Begründung und mwN, AP ZPO § 717 Nr. 9). Der Einwand ist dagegen ausgeschlossen, soweit der Schuldner des vorläufig vollstreckbaren Titels - wie hier - nach § 717 Abs. 2 ZPO nur die Erstattung desjenigen verlangt, was der Vollstreckungsgläubiger durch die Vollstreckung oder aufgrund einer zu deren Abwendung erbrachten Leistung des Vollstreckungsschuldners erhalten hat(vgl. BAG 18. Dezember 2008 - 8 AZR 105/08 - aaO).

48

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Mehnert    

        

    Pielenz    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. April 2015 - 23 Sa 232/15 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2014 - 56 Ca 18628/13 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung sowie der Revision zu tragen. Die Kosten erster Instanz trägt das beklagte Land.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über einen Differenzlohnanspruch des Klägers für den Monat Juni 2013.

2

Der Kläger ist auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 1. Juli 1991 bei dem beklagten Land beschäftigt und seit Januar 2008 als Angestellter im Außendienst mit Aufgaben im Allgemeinen Ordnungsdienst tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet - zumindest kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme - der Tarifvertrag zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom 14. Oktober 2010 (Angleichungs-TV Land Berlin) und danach grundsätzlich der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung.

3

Der Kläger wurde zunächst nach Entgeltgruppe 6 TV-L vergütet. Mit außergerichtlichen Schreiben vom 15. September 2011 und 6. August 2012 machte er seine Eingruppierung in der Entgeltgruppe 8 TV-L gegenüber dem beklagten Land geltend.

4

Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 18. Dezember 2013 eingegangenen Klage hat er ua. die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes zur Zahlung von Entgelt nach Entgeltgruppe 9 TV-L ab 1. November 2010 nebst Zinsen verlangt. Die Klage ist dem beklagten Land am 7. Januar 2014 zugestellt worden. Während des laufenden Rechtsstreits hat sich das beklagte Land bereit erklärt, ihn aufgrund der Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe 9 Fallgruppe 3 Teil I der Anlage A zum TV-L entsprechend zu vergüten. Unter Berufung auf die tariflichen Ausschlussfristen hat es für die Vergangenheit bis einschließlich Juni 2013 jedoch lediglich die Differenz zwischen der gezahlten Vergütung und dem nach Entgeltgruppe 8 Stufe 6+ geschuldeten Entgelt nachgezahlt. Die vom Kläger mit der Klage begehrte Vergütung nach Entgeltgruppe 9 Stufe 4+ TV-L hat sie erst ab dem 1. Juli 2013 geleistet. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe Entgelt nach Entgeltgruppe 9 Stufe 4+ TV-L auch für den Monat Juni 2013 zu. Die Ausschlussfrist aus § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L sei durch den rechtzeitigen Klageeingang und die „demnächst“ iSv. § 167 ZPO erfolgte Zustellung der Klageschrift gewahrt.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

das beklagte Land zu verurteilen, ihm 253,50 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2014 zu zahlen.

7

Das beklagte Land hat seinen Klageabweisungsantrag mit der Auffassung begründet, § 167 ZPO finde auf die Ausschlussfrist aus § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L keine Anwendung.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist begründet. Die Klage ist unbegründet. Der Differenzentgeltanspruch des Klägers für den Monat Juni 2013 ist nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L verfallen.

10

A. Dem Kläger stand für den Monat Juni 2013 ein Differenzentgeltanspruch in Höhe von 253,50 Euro brutto zu. Hierüber sind sich die Parteien einig.

11

B. Dieser Anspruch ist nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L, der für das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel anwendbar ist, verfallen.

12

I. Nach § 37 Abs. 1 TV-L ist ein Anspruch innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen; andernfalls ist er verfallen. Die Fälligkeit von Monatsentgeltansprüchen bestimmt sich nach § 24 Abs. 1 Satz 2 TV-L. Danach erfolgt die Zahlung am letzten Tag des Monats für den laufenden Kalendermonat. Soweit - wie hier - ein Entgeltanspruch für den Monat Juni 2013 in Rede steht, ist dieser danach am 30. Juni 2013 fällig. Der für die schriftliche Geltendmachung vorgesehene Sechs-Monats-Zeitraum endet damit mit Ablauf des 30. Dezember 2013 (§ 187 Abs. 1 iVm. § 188 Abs. 2 BGB).

13

II. Der Kläger hat die tarifliche Ausschlussfrist nicht eingehalten. Er hat den Anspruch nicht bis zum 30. Dezember 2013 schriftlich geltend gemacht.

14

1. Eine anzuwendende oder geltende tarifliche Verfallfrist ist von Amts wegen zu beachten. Der Schuldner muss sich nicht auf ihre Wirkung berufen, da es sich um eine rechtsvernichtende Einwendung handelt (st. Rspr., vgl. schon BAG 15. März 1960 - 1 AZR 464/57 - zu III der Gründe).

15

2. Ein einmal entstandener Anspruch, der von einer tariflichen Verfallklausel erfasst wird, geht mit dem ungenutzten Verstreichenlassen der Frist unter, ohne dass es einer weiteren rechtsgeschäftlichen Handlung des Schuldners bedarf (st. Rspr., vgl. nur BAG 11. Juli 1990 - 5 AZR 609/89 - zu III 2 a der Gründe, BAGE 65, 264).

16

3. Maßgebender Zeitpunkt für die Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist gem. § 37 Abs. 1 TV-L ist der Zugang der schriftlichen Geltendmachung beim Arbeitsvertragspartner.

17

a) Die Geltendmachung eines Anspruchs im Sinne der tariflichen Ausschlussklauseln ist keine Willenserklärung iSv. § 130 BGB, die auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge kraft rechtsgeschäftlichen Willens gerichtet ist. Sie ist aber eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, die die durch den Tarifvertrag angeordnete Rechtsfolge herbeiführen will. Auf solche sind die Vorschriften über die Willenserklärung entsprechend ihrer Eigenart anzuwenden (vgl. nur BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 313/99 - zu II 2 b bb der Gründe mwN, BAGE 96, 28; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 109, 100).

18

b) Danach kommt es für die Feststellung des Zeitpunkts der Geltendmachung entsprechend § 130 BGB auf den Zugang beim Schuldner an.

19

4. Der Kläger hat die streitige Entgeltdifferenz für den Monat Juni 2013 nicht bis zum 30. Dezember 2013 geltend gemacht. Eine entsprechende schriftliche Forderung ist dem beklagten Land bis dahin nicht zugegangen. Die erste im tariflichen Sinne ordnungsgemäße Geltendmachung der noch streitigen Forderung ist in der Klageschrift enthalten, mit der der Kläger den vorliegenden Rechtsstreit eingeleitet hat. Diese ist dem beklagten Land jedoch erst am 7. Januar 2014 mit der Zustellung der Klageschrift zugegangen.

20

5. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass er die Klageschrift bereits am 18. Dezember 2013 beim Arbeitsgericht eingereicht hat. § 167 ZPO, nach dem die fristwahrende Wirkung einer Zustellung bereits mit Eingang des Antrags bei Gericht eintritt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt, ist auf die außergerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist nicht anzuwenden.

21

a) Die Anwendbarkeit des § 167 ZPO auf eine außergerichtliche schriftliche Geltendmachung ist umstritten.

22

aa) In der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und in der Literatur wurde die Ansicht vertreten, § 167 ZPO komme grundsätzlich nur in den Fällen zur Anwendung, in denen eine Frist lediglich durch Inanspruchnahme der Gerichte gewahrt werden könne. Demgegenüber wurde die Vorschrift in Fällen nicht für anwendbar gehalten, in denen durch die Zustellung die auch durch außergerichtliche Geltendmachung zu wahrenden Fristen eingehalten werden sollten. Nur in Ausnahmefällen - wenn die gesetzliche oder vertragliche Regelung, aus der sich die zu wahrende Frist ergab, einer eingeschränkten Anwendung der Rückwirkungsregelung entgegenstand - sollte anderes gelten (vgl. nur BGH 21. Oktober 1981 - VIII ZR 212/80 - zu II 2 und 3 der Gründe; 11. Oktober 1974 - V ZR 25/73 - zu II 2 der Gründe; aus der Literatur Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 29. Aufl. § 167 Rn. 3; Musielak/Wolst ZPO 5. Aufl. § 167 Rn. 2; MünchKomm-ZPO-Lüke 1. Aufl. § 270 Rn. 21 und 26; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 16. Aufl. § 75 Rn. 8).

23

Das Bundesarbeitsgericht hat diese Auffassung im Grundsatz geteilt. Es hat insbesondere bei tarifvertraglichen Ausschlussfristen stets entschieden, dass es dann, wenn der Gläubiger die Möglichkeit hat, die Ausschlussfrist auch in anderer Form - zB durch einfaches Schreiben - einzuhalten, aber dennoch die Form der Klage wählt, zu seinen Lasten geht, wenn die Klageschrift nicht innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist dem Schuldner zugestellt wird (BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 541/06 - Rn. 31; 25. September 1996 - 10 AZR 678/95 - zu II 3 und 4 der Gründe; 8. März 1976 - 5 AZR 361/75 - zu 3 a der Gründe; 18. Januar 1974 - 3 AZR 3/73 - zu II 3 der Gründe, BAGE 25, 475; 4. November 1969 - 1 AZR 141/69 - zu 1 der Gründe; ebenso noch 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 27, BAGE 142, 143, für die Frist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG, unter Berufung auf 8. März 1976 - 5 AZR 361/75 - zu 3 a der Gründe). In diesen Fällen bedürfe der Anspruchsteller nicht der Mitwirkung des Gerichts und deshalb auch nicht des Schutzes davor, dass eine Verzögerung innerhalb des von ihm nicht zu beeinflussenden Gerichtsbetriebs eintrete (vgl. nur BAG 8. März 1976 - 5 AZR 361/75 - aaO; 4. November 1969 - 1 AZR 141/69 - zu 1 der Gründe).

24

bb) Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 17. Juli 2008 (- I ZR 109/05 - Rn. 21 ff. mwN, BGHZ 177, 319; fortgeführt im Hinblick auf die Wahrung der in § 545 BGB bestimmten Frist mit Urteil vom 25. Juni 2014 - VIII ZR 10/14 - Rn. 28) seine Rechtsprechung zur Anwendung von § 167 ZPO auf eine außergerichtliche fristgebundene Geltendmachung aufgegeben und angenommen, § 167 ZPO sei grundsätzlich auch in den Fällen anwendbar, in denen durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden solle, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden könne. Zur Begründung hat er dabei vor allem auf Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes abgestellt. Der Wortlaut des § 167 ZPO biete keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zustellung davon abhänge, ob mit ihr eine nur gerichtlich oder auch eine außergerichtlich geltend zu machende Frist gewahrt werden solle und ob die Zustellung durch Vermittlung des Gerichts oder eines Gerichtsvollziehers(§ 132 BGB) erfolge. Wer mit der Klage „die stärkste Form der Geltendmachung“ von Ansprüchen wähle, müsse sich darauf verlassen können, dass die Einreichung der Klageschrift die Frist wahre. Zugleich hat der Bundesgerichtshof betont, Sinn und Zweck der Regelung könnten bei einzelnen Fristen einer Rückwirkung der Zustellung ausnahmsweise entgegenstehen, so dass von dem Grundsatz der Anwendung des § 167 ZPO auch auf Fristen, die durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden könnten, Ausnahmen zuzulassen seien(vgl. BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 25, aaO).

25

cc) Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage nach der Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofes im Ergebnis uneinheitlich entschieden. Der Achte Senat hat sich mit Urteil vom 22. Mai 2014 (- 8 AZR 662/13 - Rn. 14, BAGE 148, 158) für die in § 15 Abs. 4 AGG geregelte Frist zur schriftlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausdrücklich angeschlossen. Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dagegen mit Urteil vom 21. Oktober 2014 (- 3 AZR 937/12 - Rn. 16 ff., BAGE 149, 326) entschieden, § 167 ZPO sei auf die Rügefrist nach § 16 BetrAVG nach Sinn und Zweck dieser Fristbestimmung nicht anwendbar.

26

b) Der Vierte Senat schließt sich der Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofes für den Fall der Wahrung tariflicher Ausschlussfristen nicht an, sondern hält an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fest.

27

aa) Der Senat hat bereits grundsätzliche Bedenken gegen die Auffassung, § 167 ZPO sei in der Regel auch in den Fällen anzuwenden, in denen durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch eine außergerichtliche Geltendmachung eingehalten werden kann. Die vom Bundesgerichtshof vorgenommene allgemeine Änderung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses bei der Anwendung von § 167 ZPO auf materiell-rechtliche Fristen begegnet nach dieser Auffassung grundlegenden Bedenken.

28

(1) Wenn eine Willenserklärung zu ihrer Wirksamkeit des Zugangs beim Empfänger bedarf, ist für den Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens der Zugang beim Empfänger selbst maßgebend (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies gilt auch für rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen, wie etwa die Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung von tariflichen Ausschlussfristen (vgl. BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 17, 21, BAGE 148, 158; 26. Februar 2003 - 5 AZR 223/02 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 105, 181). Soll durch die Erklärung eine Frist gewahrt werden, trägt grundsätzlich der Erklärende und nicht der Erklärungsempfänger das Risiko einer nicht fristgerechten Übermittlung der Erklärung. Bedient sich der Erklärende zur Übermittlung eines Dritten, so fällt ihm auch in diesem Fall das Risiko einer verspäteten Übermittlung zu (so schon BAG 8. März 1976 - 5 AZR 361/75 - zu 3 b der Gründe). Die Entscheidung des Gesetzgebers für die Empfangstheorie basiert auf einer sachgerechten Verteilung der mit der Übermittlung einer Erklärung zwischen Abwesenden zwangsläufig verbundenen Risiken des Verlusts, der Entstellung und der Verzögerung. Jeder Beteiligte soll das überwiegend von ihm zu beherrschende Risiko tragen. Mit dem Begriff des Zugangs ist dafür ein Zeitpunkt bezeichnet, der eine Zäsur bei der Risikoverteilung markiert. Ab diesem Moment endet das Übermittlungsrisiko des Erklärenden, während die Verantwortung für die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Empfänger bei diesem liegt (so zutreffend Staudinger/Reinhard Singer/Jörg Benedict BGB 2012 § 130 Rn. 8).

29

(2) Dieser Grundsatz galt ursprünglich auch für die Wahrung einer gerichtlichen Klagefrist; Ausnahmen galten nur für die durch das Gericht vorzunehmenden Auslands- und öffentlichen Zustellungen (vgl. dazu det. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - Rn. 34, BAGE 143, 50). Die gesetzliche Einführung der Zustellung von Amts wegen im amtsgerichtlichen Verfahren im Jahre 1909 entzog dieser Risikoverteilung die Grundlage, da nunmehr der Kläger mit der Einreichung der Klageschrift die Herrschaft über die Zustellung an den Beklagten verloren hatte. Dementsprechend konnte ihm das Risiko einer verspäteten Zustellung nicht mehr auferlegt werden. Dem trug die Einführung der Regelung von § 167 ZPO(früher: § 270 Abs. 3 aF bzw. § 261b Abs. 3 aF bzw. § 496 Abs. 3 ZPO aF)dadurch Rechnung, dass es für die Fristwahrung ausreichen sollte, wenn die Klage innerhalb der Frist bei dem von Gesetzes wegen mit der Zustellung allein betrauten Gericht einging. In der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs war ausgeführt, da die Zustellungen mit der Einführung des Amtsbetriebes „der Einwirkung und insbesondere der Beschleunigung seitens der Parteien entzogen [werden], so muss Sorge dafür getragen werden, dass in den Fällen, in welchen die Zustellung zur Wahrung einer Frist oder zur Unterbrechung der Verjährung erforderlich ist, der Zeitraum, den die Ausführung der Zustellung nach der Einreichung oder Anbringung des Antrags oder der Erklärung durch die Partei noch in Anspruch nimmt, dieser nicht zum Nachteile gereiche“ (Verhandlungen des Reichstages 1908 Bd. 246 Aktenstück Nr. 735 S. 4568).

30

Nachdem der Amtsbetrieb mit der Vierten Vereinfachungsverordnung vom 12. Januar 1943 auch für das landgerichtliche Verfahren eingeführt worden war, wurde im Jahre 1950 die bisher nur für die Amtsgerichte getroffene Regelung in § 261b Abs. 3 ZPO auch für das landgerichtliche Verfahren übernommen(vgl. Amtliche Begründung der Vereinheitlichungsnovelle von 1950, Anlage 1a der BT-Drs. 1/530 S. 17, wonach der neu eingefügte § 261b ZPO „eine Folge des Amtsbetriebes“ ist). Diese Regelung hatte den Zweck, den Parteien, die bis dahin die Zustellungen im Prozess selbst besorgten und deshalb deren Zeitpunkt zuverlässig selbst bestimmen konnten, das von ihnen nicht mehr kalkulierbare Risiko einer Verspätung der amtlichen Zustellung abzunehmen, indem bestimmt wurde, dass die Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags bei Gericht zurückwirken sollte (zu dieser Entstehungsgeschichte BGH 8. November 1979 - VII ZR 86/79 - zu II 2 a der Gründe, BGHZ 75, 307).

31

(3) Dass die in § 167 ZPO geregelte Ausnahme von der grundsätzlichen Risikoverteilung zwischen dem Erklärenden und dem Empfänger der Erklärung allein auf dem Grundgedanken der Nicht-Zurechenbarkeit von Verzögerungen bei der gerichtlichen Zustellung beruht, zeigt sich auch in der Rechtsprechung zu dem an sich zeitbezogenen Merkmal „demnächst“. Tatsächlich wird dieses Tatbestandsmerkmal nicht, wie der Wortlaut nahelegt, anhand des real verstrichenen Zeitraums zwischen Einreichung der Klage und ihrer Zustellung überprüft. Soweit der Erklärende nicht zu einer ihm und nicht dem Gericht zuzurechnenden Verzögerung beigetragen hat, wird selbst für Zeiträume von mehr als zwei Jahren angenommen, die Zustellung sei „demnächst“ iSv. § 167 ZPO erfolgt. Das Tatbestandsmerkmal hat seine Bedeutung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dagegen nahezu ausschließlich für den Fall einer zusätzlichen, vom Erklärenden verschuldeten Verzögerung der Zustellung. Denn eine Zustellung ist danach dann „demnächst“ iSv. § 167 ZPO erfolgt, „wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten“(so aus jüngster Zeit beispielhaft BGH 25. September 2015 - V ZR 203/14 -; ebenso 10. Juli 2015 - V ZR 154/14 - Rn. 5; 20. Mai 2015 - IV ZR 127/14 - Rn. 25; 5. November 2014 - III ZR 559/13 -; 15. November 2012 - I ZR 86/11 -; ebenso BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 248/13 - Rn. 35, BAGE 147, 227 für eine Kündigungsschutzklage). Sinn und Zweck von § 167 ZPO erfordern, eine Zustellung als „demnächst“ anzusehen, „wenn die Partei … unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat“(BGH 3. September 2015 - III ZR 66/14 - Rn. 15 mwN). Hat der Veranlasser die Zustellung nicht vorwerfbar oder nur geringfügig, dh. nicht mehr als 14 Tage oder wenig darüber (vgl. nur BGH 30. März 2012 - V ZR 148/11 - Rn. 7 mwN) verzögert, überwiegen regelmäßig seine Interessen gegenüber den Belangen des Zustellungsadressaten (BGH 12. Januar 2016 - II ZR 280/14 - Rn. 10 mwN). So wird ein Mitverschulden des Erklärenden an einer - bei der gerichtlichen Zustellung verursachten - Verzögerung (zB fehlerhafte Anschriftenangabe, keine Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses) unter dem Tatbestandsmerkmal „demnächst“ geprüft, obwohl sich dies allein auf den verstrichenen Zeitraum und nicht auf dessen Verursachung durch den Erklärenden bezieht. Die dem Gericht oder den objektiven Verhältnissen anzulastenden Verzögerungen, welcher Dauer auch immer, bleiben dagegen im Regelfall ohne Auswirkungen auf die Anwendung des § 167 ZPO und werden bei der Berechnung der dem Anspruchsteller selbst anzulastenden Verzögerung - ggf. tageweise - herausgerechnet, und damit für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „demnächst“ gerade nicht herangezogen (beispielhaft BGH 10. Juli 2015 - V ZR 154/14 - Rn. 6 und 8 f.; vgl. weiter instruktiv zB die Kasuistik bei Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 167 Rn. 15 und bei MüKoZPO/Häublein 4. Aufl. § 167 Rn. 9 bis 16). Diese Auslegung bestätigt den Charakter der Norm als typisierte Risikoverteilung nach den jeweiligen Sphären, wenn eine gerichtliche Zustellung notwendig ist.

32

(4) Der Wortlaut des § 167 ZPO begrenzt den Anwendungsbereich weiterhin dadurch, dass die zu wahrende Frist gerade „durch die Zustellung“ gewahrt werden soll(so grundsätzlich auch Wieczorek/Schütze/Rohe ZPO 4. Aufl. § 167 Rn. 6). Zustellung ist nach der Legaldefinition in § 166 Abs. 1 ZPO die förmliche Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person im Sinne der Zustellvorschriften der ZPO. Die prozessuale Zustellung als Staatshoheitsakt (so Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 17. Aufl. § 72 Rn. 3) ist grundsätzlich zu trennen vom materiell-rechtlichen Zugang einer Willens- bzw. rechtsgeschäftsähnlichen Erklärung. Die Zustellung verlangt weder eine Übergabe noch die Möglichkeit zur Kenntnisnahme. Die in der zuzustellenden Urkunde enthaltenen materiell-rechtlichen Erklärungen sind als solche regelmäßig nicht Gegenstand der Zustellung. Geht es um die Geltendmachung einer Ausschlussfrist als rechtsgeschäftsähnliche Handlung (vgl. BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 21, BAGE 148, 158), kann der fristwahrende Zugang zwar „anlässlich“ oder „bei Gelegenheit“ der prozessualen Zustellung einer Klageschrift erfolgen, aber grundsätzlich nicht „durch“ die Zustellung. Grund der Fristwahrung ist der materiell-rechtlich innerhalb der Frist erfolgte Zugang der (formgerechten) rechtsgeschäftsähnlichen Handlung und nicht die prozessrechtlich wirksame Zustellung des Dokuments. Dies wird besonders deutlich am Beispiel solcher Erklärungen, deren Inhalt nicht in einem Klageantrag enthalten ist, sondern an anderer Stelle des Schriftsatzes, wie etwa sog. Schriftsatzkündigungen in Kündigungsrechtsstreitigkeiten (vgl. dazu Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 123 Rn. 18). Lediglich dann, wenn eine gerichtliche Geltendmachung zwingend vorgeschrieben ist, wie dies Tarifverträge mit einer sog. zweiten Stufe nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung häufig vorsehen, ist der Grund der Fristwahrung nach dem tarifvertraglichen Normbefehl die Zustellung der Klageschrift selbst. In diesem Fall wird die Frist „durch die Zustellung“ gewahrt. Dass das Vertrauen eines Erklärenden in den Wortlaut des § 167 ZPO auch bei materiell-rechtlichen Erklärungen schützenswert ist, wie der Bundesgerichtshof annimmt, bedeutet hingegen nicht, dass der juristische Kontext des Begriffs der „Zustellung“ außer Acht gelassen und ein allgemein-umgangssprachliches Verständnis unter Einschluss jedweder Form des Zugangs einer Erklärung zur - nahezu alleinigen - argumentativen Grundlage für eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gemacht werden kann.

33

(5) Mit der klageweise Geltendmachung einer Forderung liegt nach Auffassung des Senats im Übrigen keineswegs die „stärkste Form der Geltendmachung“ (so aber BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 25, BGHZ 177, 319; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 20, BAGE 148, 158) vor, wobei die Klageerhebung ohnehin keine „Form“ iSv. §§ 126 ff. BGB darstellt (zur Wahrung tariflicher Ausschlussfristen durch Telefax BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 313/99 - BAGE 96, 28 und durch E-Mail BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 549/08 - BAGE 135, 80). Für die Annahme eines Stufenverhältnisses in qualitativer Hinsicht besteht bei der Wahrung materiell-rechtlicher Ausschlussfristen kein Anlass. Dies gilt insbesondere für Willenserklärungen oder rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen, die zu ihrer gestaltenden Wirkung innerhalb einer bestimmten Frist ausgesprochen werden müssen. So ist die Erklärung einer fristlosen Kündigung gem. § 626 BGB in einem dem Arbeitnehmer anschließend zugestellten Schriftsatz an das Arbeitsgericht keineswegs eine „stärkere Form“ des Ausdrucks des Willens, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu beenden, so dass auch insoweit die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht allein durch die - „fristgerechte“ - Einreichung eines entsprechenden Schriftsatzes gewahrt sein dürfte.

34

(6) Auch § 132 Abs. 1 BGB iVm. §§ 191, 192, 167 ZPO zwingen nicht zu einer hiervon abweichenden Auslegung. Die vom Ersten Senat des Bundesgerichtshofes in der Entscheidung vom 17. Juli 2008 vertretene Auffassung, bereits die Übergabe eines eine Willenserklärung enthaltenen Schriftstücks an den Gerichtsvollzieher wahre - bei demnächstiger Zustellung - die Frist (arg. § 130 iVm. § 132 Abs. 1 BGB iVm. §§ 191, 192 iVm. § 167 ZPO, BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 24, BGHZ 177, 319), ist dort nicht näher begründet worden und wird im Schrifttum nicht allgemein geteilt (zB Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 167 Rn. 3; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1819; Boemke jurisPR-ArbR 40/2014 Anm. 2; Gehlhaar NZA-RR 2011, 169, 172; ausf. Schumann FS Stürner 2013 Bd. I S. 541, 573 ff.; iE auch Däubler/Zwanziger TVG 3. Aufl. 2012 § 4 Rn. 1159; Schaub/Treber ArbR-HdB 16. Aufl. 2015 § 209 Rn. 39; JKOS/Jacobs Tarifvertragsrecht 2. Aufl. 2013 § 7 Rn. 178; ebenso für die Wahrung kündigungsrechtlicher Fristen Mues in Mues/Eisenbeis/Laber Handbuch Kündigungsrecht 2. Aufl. Teil 1 Rn. 201). Schon § 191 ZPO unterscheidet zwischen der zugelassenen und der vorgeschriebenen Parteizustellung. Bei der vorgeschriebenen Parteizustellung, etwa zur Wahrung der Vollziehungsfrist bei einer Unterlassungsverfügung gem. § 929 Abs. 2 ZPO, ist der Kläger gesetzlich gezwungen, die Hilfe eines Gerichtsvollziehers in Anspruch zu nehmen. Dagegen kann § 167 ZPO nicht unbesehen auf Fälle angewendet werden, in denen das Tätigwerden des Erklärenden im eigenen Wirkungskreis nicht auf diese Weise begrenzt ist. Wenn der bloße Zugang einer materiell-rechtlichen Willenserklärung nach § 130 BGB „zur Fristwahrung“ genügt und es einer Zustellung nicht bedarf, kommt nach Auffassung des Senats eine „entsprechende Anwendung“(§ 191 ZPO)jedenfalls nicht als Regelfall in Betracht (Stein/Jonas/Roth aaO; ähnlich Boemke aaO).

35

Dies gilt besonders im Arbeitsrecht. Dort muss der Ablauf von materiell-rechtlichen Fristen von den dadurch Begünstigten zumeist in sicherer Weise selbst festgestellt werden können. Ein Arbeitnehmer, der länger als sechs Monate in einem Betrieb beschäftigt ist, muss nicht damit rechnen, dass ihm nach Ablauf der Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG eine Kündigung zugeht und er sich allein aufgrund der Regelungen über prozessuale Fristen so behandeln lassen muss, als sei sie ihm bereits vor Ablauf der Frist zugegangen, mit der Folge, dass für ihn kein materieller Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz besteht. Gleiches gilt für den Zugang einer außerordentlichen Kündigung im Zeitraum von zwei Wochen nach Kenntnisnahme des Kündigenden gem. § 626 Abs. 2 BGB oder für den Zugang einer nachträglichen Mitteilung der Schwangerschaft gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, bei der im Übrigen die zweiwöchige Erklärungsfrist ihrerseits gerade mit dem Zugang der Kündigung beginnt. Außerordentlich problematisch erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass ein Arbeitnehmer gegen eine Kündigung nach § 4 Satz 1 KSchG innerhalb einer Frist von drei Wochen „nach Zugang der schriftlichen Kündigung“ Klage erheben muss, wenn man nicht zwei verschiedene Zugangszeitpunkte iSv. §§ 130, 132 BGB fingieren will. Der mit der Fristbestimmung verbundene Zweck besteht in diesen Fällen gerade darin, dem Empfänger einer solchen außergerichtlichen Erklärung Rechtssicherheit über den gesetzlich oder tariflich vorgesehenen Eintritt der mit dem Verstreichen der Frist verbundenen Rechtsfolge zu geben. Deshalb ist aus Sicht des Senats die Begründung des Bundesgerichtshofes für seine Rechtsprechungsänderung mit „Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes“ (BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 25, BGHZ 177, 319; ihm folgend BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 20, BAGE 148, 158) nicht überzeugend. Gerade die Rechtssicherheit ist vom Bundesarbeitsgericht stets ausdrücklich und zutreffend für die gegenteilige Ansicht herangezogen worden (vgl. nur BAG 17. Juni 1998 - 2 AZR 336/97 - zu II 1 der Gründe, BAGE 89, 149; 19. Juni 1986 - 2 AZR 565/85 - zu B III 2 der Gründe, zur Vorbehaltsannahme einer Änderungskündigung nach § 2 KSchG; 8. März 1976 - 5 AZR 361/75 - zu 4 c der Gründe).

36

bb) Es bedarf im Streitfall jedoch keiner abschließenden Klärung dieser allgemeinen Streitfrage. Denn der Senat stellt im Ergebnis streitentscheidend darauf ab, dass es jedenfalls für die Wahrung einer tariflichen Verfall- oder Ausschlussfrist grundsätzlich erforderlich ist, dass das Geltendmachungsschreiben dem Empfänger zugegangen ist; § 167 ZPO findet in diesen Fällen regelmäßig keine Anwendung. Das ergibt sich - unter ergänzender Heranziehung der bereits dargelegten allgemeinen Gesichtspunkte - entscheidend aus den Besonderheiten des Arbeitsrechts iVm. der Auslegung tariflicher Verfallfristenregelungen.

37

(1) Tarifliche Ausschlussfristen sind seit jeher als dem Arbeitsverhältnis innewohnende Besonderheiten anerkannt. Sie dienen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (st. Rspr., vgl. nur BAG 18. Februar 2016 - 6 AZR 628/14 - Rn. 16 mwN) und sollen zu der im Arbeitsleben besonders gebotenen raschen Klärung von Ansprüchen und Bereinigung offener Streitpunkte führen (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 5 der Gründe, BAGE 115, 19, als eine der „im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten“ iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB). Sie haben einen Mahn-, Warn- und Verständigungseffekt (BAG 22. Januar 2008 - 9 AZR 416/07 - Rn. 34 mwN). Mit ihrer Wirkung schaffen sie Rechtssicherheit und Rechtsfrieden (BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 549/08 - Rn. 94 mwN, BAGE 135, 80). So soll insbesondere im Fall noch ausstehender nicht erkennbarer Entgeltansprüche der Arbeitgeber in der tariflich bestimmten Frist erfahren, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer noch Forderungen erhebt (BAG 8. Juni 1983 - 5 AZR 632/80 - zu 2 b der Gründe, BAGE 43, 71). Der Schuldner soll sich darauf verlassen können, nach Ablauf der tariflichen Verfallfristen nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 18, BAGE 135, 197; 18. August 2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 26; 14. März 2012 - 10 AZR 172/11 - Rn. 40). Es ist der Zweck einer jeden tariflichen Ausschlussfrist zu erreichen, dass der Schuldner über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Forderung nicht länger als notwendig im Unklaren gelassen wird (BAG 4. November 1969 - 1 AZR 141/69 - zu 1 der Gründe). Umgekehrt soll der Gläubiger angehalten werden, innerhalb kurzer Fristen die Begründetheit seiner Ansprüche zu prüfen (BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 494/12 - Rn. 14). Die Parteien werden nach Fristablauf davon befreit, Rückstellungen zu bilden und Beweismittel vorzuhalten (BAG 14. Januar 2009 - 5 AZR 154/08 - Rn. 15; 16. Januar 2013 - 10 AZR 863/11 - Rn. 30 mwN, BAGE 144, 210; 18. Februar 2016 - 6 AZR 628/14 - aaO). Ist - wie vorliegend - ein öffentlicher Arbeitgeber betroffen, soll er in der Lage sein, notwendige Haushaltsmittel so zu veranschlagen, dass Nachforderungen in engen Grenzen gehalten werden können (BAG 18. November 2004 - 6 AZR 512/03 - zu 4 der Gründe). Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien hat nach diesem Zweck regelmäßig das Interesse des Schuldners an rechtzeitiger Klarheit Vorrang (Weyand Ausschlussfristen im Tarifrecht Kapitel 6 Rn. 99 mwN).

38

(2) Dieser den tariflichen Verfallfristen von den Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer grundrechtlich geschützten Tarifautonomie zugewiesene allgemeine Zweck liegt auch der im Streitfall anzuwendenden Regelung in § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L zugrunde(vgl. BeckOK TV-L/Bepler Stand 1. März 2016 § 37 Rn. 2; Burger TVöD/TV-L 3. Aufl. § 37 TV-L Rn. 3; Bredemeier/Neffke/Gerretz TVöD/TV-L 4. Aufl. § 37 TV-L Rn. 2).

39

(3) Der so von den Tarifvertragsparteien bestimmte Sinn und Zweck von Ausschlussfristen würde vereitelt, wenn der Schuldner des Anspruchs auch nach Ablauf der Frist eine - möglicherweise als „demnächst“ erfolgende - gerichtliche Zustellung des Geltendmachungsschreibens zu gewärtigen hätte.

40

(a) Das ergibt sich schon daraus, dass die durch die - nicht erforderliche - Inanspruchnahme des Gerichts eingetretene Verzögerung zeitlich nicht einzugrenzen ist. Der Begriff „demnächst“ in § 167 ZPO kennt in zeitlicher Hinsicht keine absolute Grenze(BAG 13. November 2014 - 6 AZR 869/13 - Rn. 46, BAGE 150, 22; 20. Februar 2014 - 2 AZR 248/13 - Rn. 35, BAGE 147, 227, jeweils mwN). Auch eine mehrmonatige Verzögerung ist insoweit folgenlos (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 143, 50), da dieses Merkmal bereits grundsätzlich nicht der Bestimmung einer zeitlichen Begrenzung bei der Beurteilung einer Verzögerung durch das Gericht dient, sondern dem ganz anderen Element des Verschuldens des Erklärenden an einer weiteren, darüber hinausgehenden Verzögerung. Diese Auffassung führte in der Vergangenheit zu der Annahme einer fristwahrenden Zustellung nach teilweise erheblichen Zeiträumen zwischen Klageeingang und Zustellung, zB dreieinhalb Monate (BGH 22. Juni 1993 - VI ZR 190/92 - zu II 2 der Gründe), fast vier Monate (BGH 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99 - zu II 3 a der Gründe, BGHZ 145, 358), fünf Monate (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 741/13 - Rn. 53; BGH 12. Juli 2006 - IV ZR 23/05 - Rn. 17, BGHZ 168, 306), fast acht Monate (BGH 11. Februar 2011 - V ZR 136/10 - Rn. 6), neun Monate (BGH 7. April 1983 - III ZR 193/81 - zu II 1 der Gründe), zehn Monate (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 711/10 - Rn. 46; BGH 26. September 1957 - II ZR 267/56 - zu II 1 a der Gründe, BGHZ 25, 250), neunzehn Monate (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - BAGE 143, 50) und bis zu mehr als 28 Monate (OLG Frankfurt 18. August 1987 - 3 UF 255/86 -).

41

Dem steht für die Wirkungsweise von außergerichtlichen tariflichen Ausschlussfristen die in der jahrzehntelangen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gesicherte Auffassung entgegen, dass eine tarifliche Ausschlussfrist, die häufig nur zwei Monate beträgt (vgl. zB in der Bauwirtschaft § 14 Abs. 1 BRTV Bau), für eine klare und schnelle Klärung der wechselseitigen Ansprüche sorgen soll. Dieses Ziel ist dann evident nicht mehr gewahrt, wenn ein Schuldner - ohne jede Kenntnis einer Geltendmachung - gewärtigen muss, auch nach Ablauf eines Vielfachen der Ausschlussfrist von der Geltendmachung eines Anspruchs überrascht zu werden. Dies entspricht nicht dem den tariflichen Ausschlussfristen von den Tarifvertragsparteien beigemessenen Sinn und Zweck. Die Annahme der Anwendbarkeit von § 167 ZPO auf die Wahrung tariflicher Verfallfristen durch ein außergerichtliches Schreiben vernachlässigt die Perspektive des Schuldners grundlegend(zur Bewertung der Interessen von Gläubiger und Schuldner in der neuen Rspr. des BGH ausf. Schumann FS Stürner S. 541, insbes. 566 ff.). Dabei sind die Verfallfristen vorwiegend zur Rechtssicherheit in seinem - jeweiligen - Bereich geschaffen worden. Die hierin zum Ausdruck kommende Absicht der Tarifvertragsparteien würde konterkariert, wenn gerade durch die Möglichkeit der in § 167 ZPO für fristenwahrende Zustellungen angelegten Rückwirkung auch bei der tariflichen Verfallfrist eine zusätzliche Rechtsunsicherheit geschaffen werden würde, die nach ihrem Willen für den Schuldner nur für einen ganz bestimmten, von ihnen selbst festgelegten Zeitraum besteht, dann aber endgültig beseitigt sein sollte.

42

Im Übrigen differenzieren die Tarifvertragsparteien gerade bei Ausschlussfristen häufig zwischen der außergerichtlichen Geltendmachung als erster Stufe und der anschließenden gerichtlichen Geltendmachung als zweiter Stufe (vgl. zB im Bereich der Bauwirtschaft § 14 BRTV Bau). Dabei dient die erste Frist der schnellen Information über Inhalt und Umfang des erhobenen Anspruchs. Innerhalb der folgenden Klagefrist ist dann, dh. nach vergeblicher außergerichtlicher Geltendmachung klarzustellen, dass sich der Gläubiger damit nicht begnügen will (BAG 22. Januar 2008 - 9 AZR 416/07 - Rn. 34; 23. Februar 1977 - 3 AZR 764/75 - zu 4 der Gründe). Diese unterschiedliche Funktion der beiden Fristen lässt eine Anwendung des für die gerichtliche Geltendmachung vorgesehenen § 167 ZPO bereits auf der ersten Stufe der außergerichtlichen Geltendmachung nicht zu.

43

(b) Es kommt hinzu, dass die fristwahrende Wirkung gem. § 167 ZPO auch dann noch angenommen wird, wenn es - über eine ggf. mit der Zustellung verbundenen Verzögerung hinaus - aufgrund schuldhaften Verhaltens des Erklärenden zu einer weiteren Verspätung bei der Zustellung kommt (vgl. dazu oben unter B II 5 b bb (3)). Diese müssen sich „in einem hinnehmbaren Rahmen“ halten (so die Formulierung bei BGH 3. Februar 2011 - V ZR 44/11 -; BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 248/13 - Rn. 35, BAGE 147, 227). In der konkreten Anwendung führt diese Rechtsprechung dazu, dass verschuldete - weitere - Verzögerung in einem Umfang von 14 Tagen (so bei BGH 10. Februar 2011 - VII ZR 185/07 - Rn. 8 mwN; 16. Januar 2009 - V ZR 74/08 - Rn. 16, BGHZ 179, 230 unter Bezugnahme auf 20. April 2000 - VII ZR 116/99 - und 25. November 1985 - II ZR 236/84 -) als nicht hindernd angesehen wird, von einer „demnächstigen“ Zustellung auszugehen (für die Grenze von einem Monat - weiterer - Verzögerung vgl. BAG 13. November 2014 - 6 AZR 869/13 - Rn. 46, BAGE 150, 22; BGH 27. April 2006 - I ZR 237/03 - Rn. 17 mwN). Schaltet der Anspruchsteller ein Mahnbescheidsverfahren vor, hat er selbst nach von ihm verschuldeter Zurückweisung des Antrags einen weiteren Monat Zeit für die Klageerhebung, um die fristwahrende Wirkung des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids - und nicht die anschließende Klageeinreichung - herbeizuführen (§ 691 Abs. 2 ZPO).

44

Dies verdeutlicht den Unterschied zu der Einhaltung der tariflichen Verfallfristen. Hier bestehen - wie dargelegt aus gutem Grund - strenge Regelungen zu deren Wahrnehmung, die stets innerhalb der Frist erfolgen muss (BAG 8. März 1976 - 5 AZR 361/75 - zu 3 c der Gründe: „der Natur der Sache nach starre Regelung einer Ausschlussfrist“). Selbst eine schuldlose Versäumung der Frist, soweit sie nicht durch widersprüchliches Verhalten des Schuldners hervorgerufen wurde (vgl. dazu zB BAG 18. August 2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 46 mwN), führt zum Verfall des Anspruchs (für § 37 TV-L: BeckOK TV-L/Bepler § 37 Rn. 1), es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben ausdrücklich vorgesehen, dass eine nicht zu vertretende Verzögerung sich nicht auswirken soll (zB im Einheitlichen Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2003 § 19 Abs. 4). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt grundsätzlich nicht in Betracht (BAG 18. November 2004 - 6 AZR 651/03 - zu 4 der Gründe, BAGE 112, 351). Umso mehr muss dies für einen vom Anspruchsteller verschuldeten - auch nur kurzfristig - verspäteten Zugang des Schreibens beim Schuldner gelten. Damit lässt sich die Folgenlosigkeit desselben Verhaltens bei der - nicht erforderlichen - Wahl der Zustellung durch ein Gericht nicht vereinbaren.

45

cc) Der Senat ist auch nicht gehalten, die Sache dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 iVm. § 11 RsprEinhG oder dem Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 ArbGG vorzulegen.

46

(1) Eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes kommt nicht in Betracht. Dieser entscheidet nur, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats abweichen will (§ 2 Abs. 1 RsprEinhG). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Senat bezieht seine Auffassung der Nichtanwendbarkeit von § 167 ZPO streitentscheidend letztlich auf tarifvertragliche Verfallfristen und die auf sie zutreffenden Besonderheiten des Arbeitsrechts. Im Übrigen hat auch der Erste Senat des Bundesgerichtshofes in seiner Entscheidung vom 17. Juli 2008 selbst darauf hingewiesen, dass er die Möglichkeit von Ausnahmen einer Rückwirkung gem. § 167 ZPO sieht, die sich aus dem Sinn und Zweck der jeweiligen Fristenregelung begründen können(BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 25 mwN, BGHZ 177, 319).

47

(2) Es bedarf auch nicht der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts gem. § 45 ArbGG. Dessen Voraussetzungen liegen gleichfalls nicht vor.

48

(a) Der Senat setzt die bisherige Rechtsprechung aller Senate des Bundesarbeitsgerichts - mit Ausnahme des Achten Senats für die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG - fort. Auch der Dritte Senat hat in der - nach der Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofes ergangenen - Entscheidung vom 21. Oktober 2014 für die von ihm zu beurteilende Rügefrist nach § 16 BetrAVG an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten(- 3 AZR 937/12 - Rn. 37 ff., BAGE 149, 326).

49

(b) Soweit der Achte Senat § 167 ZPO bei einer außergerichtlichen Geltendmachung gem. § 15 Abs. 4 AGG für anwendbar erachtet hat(BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 23 ff., BAGE 148, 158), ist eine entscheidungserhebliche Divergenz zum entscheidenden Senat nicht gegeben. Der Achte Senat hat seine Entscheidung zu der in § 15 Abs. 4 AGG geregelten zweimonatigen Geltendmachungsfrist getroffen. Er hat sich der im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stehenden geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes jedoch ausdrücklich nur für den Fall eines Anspruchs nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG angeschlossen, namentlich aufgrund des besonderen Fristbeginns in § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG sowie wegen § 15 Abs. 5 AGG, wonach Ansprüche aus anderen Rechtsvorschriften unberührt bleiben. Deshalb trete zwei Monate nach Ablehnung einer Bewerbung kein umfassendes Ende von Geltendmachungsmöglichkeiten ein und der Arbeitgeber müsse aus diesem Grund Beweismittel ohnehin länger zur Dokumentation aufbewahren (BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 26 ff., aaO; anders zur Reichweite der Ausschlussfrist dagegen noch 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 51, BAGE 142, 143). Dabei hat der Achte Senat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er über die Anwendung von § 167 ZPO in anderen Bereichen des Arbeitsrechts nicht zu entscheiden hatte(BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 24, aaO). Aufgrund dieser Besonderheiten besteht mit der hiesigen Senatsentscheidung über die Einhaltung einer tariflichen Verfallfrist durch ein außergerichtliches Geltendmachungsschreiben keine Divergenz zum Achten Senat.

50

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 91a Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Rinck    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Pust    

        

    Ratayczak    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. August 2009 - 19 Sa 690/09 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Widerklage der Beklagten, mit der diese Schadensersatzansprüche gegenüber dem Kläger verfolgt.

2

Die Beklagte ist ein Bauunternehmen. Der Kläger war bei ihr seit 6. August 2007 als Maurer zu einem Stundenlohn von 12,40 Euro brutto bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Kraft Allgemeinverbindlichkeit fand auf das Arbeitsverhältnis der Bundesrahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes vom 4. Juli 2002 in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 20. August 2007 (BRTV) Anwendung.

3

Dieser Tarifvertrag enthält ua. folgende Bestimmung:

        

㤠15 Ausschlussfristen

        

1.    

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden; besteht bei Ausscheiden des Arbeitnehmers ein Arbeitszeitguthaben, beträgt die Frist für dieses Arbeitszeitguthaben jedoch sechs Monate.

        

2.    

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt die Verfallfrist von zwei Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens.“

4

Im April 2008 war der Kläger auf einer Baustelle in Polen eingesetzt. Diese wurde am 30. April 2008 vorläufig geräumt, um über das verlängerte Wochenende (1. Mai) zurück nach Deutschland zu fliegen. Die Beklagte hatte in einem Hotel in Polen einen Raum angemietet, in dem während der Abwesenheit der Arbeitnehmer deren Werkzeuge und persönliche Gegenstände deponiert werden konnten. Der Kläger nutzte diese Möglichkeit nicht, sondern packte seine persönlichen Gegenstände vor der Abreise nach Deutschland ein und tauschte bei der Ankunft in D auf dem Flughafen seine polnischen Devisen gegen Euro.

5

Am 2. Mai 2008 rief der Kläger bei der Beklagten an und teilte mit, er habe sich, als er seinem Großvater ins Auto geholfen habe, den Arm angestoßen, weshalb er zum Arzt müsse. In der Folgezeit meldete sich der Kläger nicht mehr bei der Beklagten, die den Kläger auch telefonisch nicht erreichen konnte. Mit Schreiben vom 7. Mai 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 26. Mai 2008. Seit dem 27. Mai 2008 steht der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Unternehmen. Am 23. Juni 2008 reichten die Eltern des Klägers eine von ihm gefertigte Stundenaufstellung für April und Mai 2008 bei der Beklagten ein. Außerdem übergaben sie eine am 2. Mai 2008 ausgestellte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 2. bis 16. Mai 2008 attestierte.

6

Mit Schreiben vom 5. November 2008, gerichtet an ihren Prozessbevollmächtigten, bezifferte die Beklagte die errechneten Kosten und Mehraufwendungen wegen der nicht erfolgten Arbeitsaufnahme des Klägers im Mai 2008.

7

Mit der am 19. November 2008 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger die Abrechnung und Auszahlung seiner Lohnansprüche für die Monate April und Mai 2008 begehrt.

8

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 5. März 2009, dem Klägervertreter am 12. März 2009 zugestellt, Widerklage erhoben. Mit dieser verlangt sie vom Kläger Erstattung der Mehrkosten iHv. 11.216,80 Euro, die durch sein Fehlen entstanden seien.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, die Monate April 2008 und Mai 2008 ordnungsgemäß abzurechnen und den sich aus der Abrechnung ergebenden Nettolohn an den Kläger auszuzahlen.

10

Die Beklagte hat beantragt,

        

die Klage abzuweisen,

        

und     

        

den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte einen Betrag iHv. 11.216,80 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Zur Begründung der Widerklage hat die Beklagte behauptet, der Kläger habe seine Erkrankung im Mai 2008 nur vorgetäuscht. Dies ergebe sich schon daraus, dass er sämtliche persönlichen Gegenstände von Polen nach Deutschland mitgenommen und sämtliche polnischen Devisen zurückgetauscht habe. Durch den plötzlichen Ausfall des Klägers sei eine Verzögerung der Baumaßnahmen von zehn Arbeitstagen eingetreten. Deshalb sei ein zweiter zehntägiger Arbeitseinsatz Ende Mai/Anfang Juni 2008 notwendig geworden. Hierfür seien Kosten für vier Flüge iHv. 539,60 Euro, Spesen für zehn Tage iHv. 700,00 Euro sowie Kosten für weitere Hotelübernachtungen iHv. 670,00 Euro, insgesamt 1.909,60 Euro angefallen. Für den Zeitraum des zweiten Arbeitseinsatzes sei ein anderweitiger Umsatz iHv. insgesamt 9.307,20 Euro weggefallen, da die Beklagte durch den zweiten Einsatz in Polen einen anderweitigen Auftrag verloren habe.

12

Der Kläger hat zur Widerklage die Ansicht vertreten, ein Arbeitgeber müsse das Risiko, dass ein Arbeitnehmer spontan ausfällt, zwangsläufig tragen. Es gehöre zu seinem wirtschaftlichen Unternehmerrisiko, dass ein Arbeitnehmer wie hier krankheitsbedingt ausfalle. Für eine derartige Situation habe der Arbeitgeber Vorsorge zu treffen bzw. die Konsequenzen zu tragen, wenn er dies versäume.

13

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

14

Nach Berufungseinlegung durch die Beklagte haben die Parteien den Rechtsstreit, soweit er sich auf die Klageforderung bezog, aufgrund eines in einem Parallelverfahren geschlossenen Vergleichs für erledigt erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat im Übrigen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Nach Zulassung der Revision durch den Senat verfolgt die Beklagte ihr Prozessziel im Rahmen der Widerklage nur noch hinsichtlich der Hauptforderung (ohne Zinsen) weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Etwaige Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger sind verfallen.

16

A. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten, mit der sie sich nur noch gegen die Abweisung ihrer Widerklage durch das Arbeitsgericht gewandt hatte, zurückgewiesen. Dazu hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Beklagten sei verfallen. Auf das Arbeitsverhältnis finde der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe kraft Allgemeinverbindlichkeit Anwendung. § 15 BRTV-Bau sehe eine zweistufige Ausschlussfrist vor, die auch einen Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers erfasse. Die Beklagte habe die zweistufige Ausschlussfrist schon auf der ersten Stufe nicht eingehalten. Die Fälligkeit des geltend gemachten Anspruchs sei spätestens am 5. November 2008 eingetreten, eine schriftliche Geltendmachung sei aber erst mit der Widerklage erfolgt, die dem Klägervertreter am 12. März 2009, dh. außerhalb der zweimonatigen Frist zugestellt worden sei. Der Verfall der Widerklageforderung sei auch nicht durch § 242 BGB ausgeschlossen.

17

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

18

I. Die zulässige Widerklage ist nicht begründet. Der Beklagten steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch iHv. 11.216,80 Euro nicht zu.

19

1. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Beklagten wäre, unabhängig von der Rechtsgrundlage auf die er gestützt werden könnte, mangels rechtzeitiger Geltendmachung nach § 15 BRTV verfallen und damit erloschen(vgl. BAG 30. März 1973 - 4 AZR 259/72 - BAGE 25, 169 = AP BGB § 390 Nr. 4 = EzA BGB § 390 Nr. 1; 18. Dezember 2008 - 8 AZR 105/08 - AP ZPO § 717 Nr. 9). Ausschlussfristen sind von den Gerichten für Arbeitssachen von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG 18. Dezember 2008 - 8 AZR 105/08 - aaO).

20

Nach § 15 BRTV verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden(1. Stufe). Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird (2. Stufe).

21

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft Allgemeinverbindlicherklärung der BRTV Anwendung.

22

aa) Der Betrieb der Beklagten ist ein Betrieb des Baugewerbes, der gemäß § 1 Abs. 2 BRTV unter den betrieblichen Geltungsbereich dieses Rahmentarifvertrags fällt. Dies ist zwischen den Parteien nicht streitig.

23

bb) Aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnormen des BRTV sowohl den Kläger als auch die Beklagte, unabhängig, ob diese tarifgebunden sind oder nicht, § 5 Abs. 4 TVG.

24

b) Die tarifvertragliche Ausschlussfrist des § 15 BRTV gilt auch für den von der Beklagten geltend gemachten Schadensersatzanspruch, selbst wenn eine vorsätzliche Pflicht- oder Rechts(gut)verletzung durch den Kläger vorliegen sollte. Dies ergibt eine sachgerechte Auslegung der Tarifnorm.

25

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist stets abzustellen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Verbleiben noch Zweifel, können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Reglung führt (st. Rspr., vgl. BAG 11. November 2010 - 8 AZR 392/09 - mwN, NZA 2011, 763). In ständiger Rechtsprechung geht das Bundesarbeitsgericht für tarifvertragliche Ausschlussfristen zudem davon aus, dass diese im Hinblick auf ihre Wirkung grundsätzlich eng auszulegen sind (vgl. BAG 4. April 2001 - 4 AZR 242/00 - mwN, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 156 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 141). Allerdings kann dieser Grundsatz erst dann greifen, wenn die Mittel der Auslegung erschöpft sind und dabei kein eindeutiges Ergebnis zu erzielen war (vgl. Wiedemann/Wank 7. Aufl. § 4 TVG Rn. 800).

26

bb) Nach § 15 Abs. 1 BRTV unterfallen der Ausschlussfrist „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“. Bereits nach dem Wortlaut sollen „alle beiderseitigen“, dh. wechselseitigen Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien der Klausel unterliegen. Es ergeben sich aus der Formulierung der Tarifnorm keine Anhaltspunkte dafür, dass nur bestimmte Ansprüche gemeint sind und insbesondere solche wegen vorsätzlich begangener, ggf. auch unerlaubter Handlungen ausgenommen sein sollen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterfallen wegen des einheitlichen Lebensvorgangs nicht nur vertragliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche einer Klausel, die „alle … Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ einer bestimmten Frist zur Geltendmachung unterwirft, sondern auch solche aus unerlaubter Handlung iSd. §§ 823, 826 BGB(vgl. BAG 30. Oktober 2008 - 8 AZR 886/07 - EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 192). Die Tarifvertragsparteien verfolgen mit der weiten Formulierung das Ziel, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit herbeizuführen. Die Arbeitsvertragsparteien sollen sich darauf verlassen können, dass nach Fristablauf der jeweilige Vertragspartner keine Ansprüche mehr erhebt (vgl. ErfK/Preis 11. Aufl. §§ 194 - 218 BGB Rn. 32). Dem entspricht es am ehesten, alle Ansprüche aus einem einheitlichen Lebensvorgang nach einer gewissen Zeit jedem rechtlichen Streit zu entziehen. Anknüpfungspunkt ist für die Tarifvertragsparteien weniger die Rechtsgrundlage für den Anspruch als vielmehr der Anlass seines jeweiligen Entstehens (vgl. Wiedemann/Wank 7. Aufl. § 4 TVG Rn. 807 mwN; BAG 10. August 1967 - 3 AZR 221/66 - BAGE 20, 30 = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 37). Ergibt sich somit aus dem Wortlaut eindeutig eine einschränkungslose Erfassung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, so bleibt kein Raum für die von der Rechtsprechung geforderte enge Auslegung von Ausschlussfristen (vgl. BAG 21. Januar 2010 - 6 AZR 556/07 - AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 3 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 196).

27

c) Die tarifvertragliche Ausschlussfrist in § 15 BRTV ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

28

aa) Die Gerichte für Arbeitssachen haben Tarifverträge daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht vereinbar sind, nicht hingegen darauf, ob die jeweilige tarifliche Regelung die gerechteste und zweckmäßigste Lösung darstellt (st. Rspr., vgl. BAG 22. September 1999 - 10 AZR 839/98 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 226 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 132).

29

bb) § 15 BRTV ist nicht nach §§ 134, 202 Abs. 1 BGB nichtig bzw. teilnichtig.

30

Das Arbeitsverhältnis der Parteien begann am 6. August 2007, so dass auf dieses das BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung Anwendung findet.

31

Nach § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Die Vorschrift ergänzt den allgemeinen Grundsatz des § 276 Abs. 3 BGB, wonach die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden kann. § 202 Abs. 1 BGB erfasst nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen. § 202 BGB stellt eine Verbotsnorm im Sinne von § 134 BGB dar. So hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist, sofern sie auch vorsätzliche Vertragsverstöße und vorsätzlich begangene unerlaubte Handlungen erfassen sollte, als teilnichtig angesehen (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19 = AP BGB § 310 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3).

32

§ 202 Abs. 1 BGB steht jedoch einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist, die auch Schadensersatzansprüche aus vorsätzlichem Handeln erfasst und nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 Abs. 4 TVG normative Wirkung entfaltet, nicht entgegen.

33

§ 202 Abs. 1 BGB spricht von einer Erleichterung der Haftung wegen Vorsatzes „durch Rechtsgeschäft“. Damit wird bereits nach dem Wortlaut der Norm auf einen Tatbestand abgestellt, der sich aus Willenserklärungen ergibt. Die amtliche Überschrift von § 202 BGB spricht zwar in Abweichung vom Wort „Rechtsgeschäft“ von „Vereinbarungen über die Verjährung“, jedoch folgt auch hieraus, dass sich § 202 BGB auf Verjährungsregelungen durch Parteivereinbarung bezieht und die Vertragsfreiheit der Parteien insoweit einschränkt. Auch die Gesetzesbegründung spricht von der Disposition der Parteien, von Parteivereinbarung bzw. dem Interesse beider Parteien (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 109 f.). § 202 BGB bezieht sich damit losgelöst von den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets ausschließlich auf die Parteien des materiellrechtlichen Anspruchs, um dessen Verjährung es geht(vgl. MünchKommBGB/Grothe 5. Aufl. § 202 BGB Rn. 4; Staudinger/Peters/Jacoby [2009] § 202 BGB Rn. 6; BeckOK Bamberger/Roth/Henrich Stand 1. März 2011 BGB § 202 Rn. 4). Der Gesetzgeber hat daher auch darauf verzichtet, die Grundaussage des § 225 Satz 2 BGB aF, wonach verjährungserleichternde Vereinbarungen grundsätzlich zulässig waren, in das modernisierte Schuldrecht aufzunehmen, da dies ohnehin Bestandteil der allgemeinen Vertragsfreiheit ist(vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 110). Soweit § 202 BGB nicht einschlägig ist, verjährungsverändernden Regelungen also nicht entgegensteht, verbleibt es bei der Dispositivität der Verjährungsregeln. Für individualvertragliche Vereinbarungen zur Verjährungserleichterung besteht nach § 202 Abs. 1 BGB die Einschränkung, dass - unabhängig von der Rechtsnatur des Anspruchs - die Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus erleichtert werden darf. Als „Rechtsgeschäft“ im Sinne von § 202 BGB kommen vertragliche Individualvereinbarungen und Vereinbarungen aufgrund Allgemeiner Geschäftsbedingungen in Betracht.

34

Eine „Vereinbarung“ im Sinne von § 202 Abs. 1 BGB liegt allerdings nicht vor, wenn auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ein Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifbindung oder kraft Allgemeinverbindlicherklärung zwingend Anwendung findet(§ 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 Abs. 4 TVG) (aA Matthiessen Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen S. 205; Matthiessen/Shea DB 2004, 1366, 1368; Lakkis in jurisPK-BGB 5. Aufl. § 202 Rn. 14; dies. AcP 2003, 763, 768, jeweils ohne weitere Auseinandersetzung mit dem Wortlaut von § 202 BGB).

35

Gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien ein Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifbindung, so gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG. Die Rechtsnormen eines Tarifvertrags sind Gesetze im materiell-rechtlichen Sinne und erfüllen den Gesetzesbegriff des Art. 2 EGBGB(BAG 14. Juni 1994 - 9 AZR 284/93 - BAGE 77, 81 = AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 21 = EzA BGB § 125 Nr. 11). Für die Tarifgebundenen entspricht die Regelungswirkung daher derjenigen anderer Gesetze. Aufgrund dieser normativen Wirkung des Tarifvertrags, die gerade nicht Ausdruck der privatautonomen Gestaltung der Arbeitsvertragsparteien ist, handelt es sich bei den zwingend und unmittelbar geltenden Rechtsnormen eines Tarifvertrags nicht um ein „Rechtsgeschäft“ im Sinne von § 202 BGB, sondern um eine gesetzliche Regelung im Sinne von Art. 2 EGBGB.

36

Gleiches gilt, wenn - wie im Streitfalle - die tariflichen Regelungen nach § 5 Abs. 4 TVG aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung Anwendung finden.

37

Ob eine individualvertragliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien und damit ein Rechtsgeschäft im Sinne von § 202 BGB jedoch dann vorliegt, wenn ein Tarifvertrag aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel insgesamt Anwendung findet oder wenn allein bezüglich der Ausschlussfristen ein Tarifvertrag Anwendung finden soll, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.

38

Eine Inhaltskontrolle des Tarifvertrags nach §§ 305 ff. BGB schließt § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB aus.

39

cc) Die Ausschlussfrist verstößt auch nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht.

40

Die Gerichte für Arbeitssachen haben Ausschlussfristen in Tarifverträgen wie sonstige tarifliche Regelungen nur einer eingeschränkten Kontrolle dahin gehend zu unterziehen, ob die Ausschlussfrist bzw. Regelung mit höherrangigem Recht vereinbar ist (vgl. BAG 22. September 1999 - 10 AZR 839/98 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 226 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 132). Eine Angemessenheitskontrolle findet damit nicht statt. Dieser eingeschränkte Kontrollmaßstab wird durch § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB bestätigt(vgl. Weyand in Ausschlussfristen im Tarifrecht Kapitel 2 Rn. 71; Krause RdA 2004, 106, 111). Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass dem § 15 BRTV entsprechende Ausschlussfristen im Baubereich nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen, insbesondere nicht sittenwidrig sind oder gegen Treu und Glauben verstoßen(vgl. BAG 22. September 1999 - 10 AZR 839/98 - aaO; 16. November 1965 - 1 AZR 160/65 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 30 = EzA TVG § 4 Nr. 9).

41

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Tarifvertragsparteien in § 15 BRTV eine Regelung getroffen haben, die im Hinblick auf ihre Weite auch Schadensersatzansprüche aufgrund vorsätzlicher Handlungen erfasst und daher von den Arbeitsvertragsparteien im Hinblick auf § 202 Abs. 1 BGB nicht wirksam im Arbeitsvertrag vereinbart werden könnte. Diese Privilegierung der Tarifvertragsparteien ergibt sich gerade aus der gesetzlichen Regelung des § 202 BGB, die ausschließlich für individualrechtliche Vereinbarungen gilt. § 202 BGB erweist sich damit als tarifdispositives Gesetzesrecht.

42

d) Etwaige Schadensersatzansprüche hätte die Beklagte in der ersten Stufe innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber dem Kläger schriftlich erheben müssen (§ 15 Abs. 1 BRTV). Das war nicht der Fall.

43

aa) Ein Anspruch ist regelmäßig erst dann im Sinne einer Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann (vgl. BAG 27. Oktober 2005 - 8 AZR 3/05 - AP BGB § 310 Nr. 5 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 181). Bei Schadensersatzansprüchen tritt Fälligkeit daher ein, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist und geltend gemacht werden kann (vgl. BAG 20. Juni 2002 - 8 AZR 488/01 - EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 11). Feststellbar ist der Schaden, sobald der Gläubiger vom Schadensereignis Kenntnis erlangt oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt Kenntnis erlangt hätte (vgl. BAG 27. April 1995 - 8 AZR 582/94 -; 16. Mai 1984 - 7 AZR 143/81 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 85 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 58). Geltend gemacht werden können Schadensersatzforderungen, sobald der Gläubiger in der Lage ist, sich den erforderlichen Überblick ohne schuldhaftes Zögern zu verschaffen und er seine Forderungen wenigstens annähernd beziffern kann (vgl. BAG 30. Oktober 2008 - 8 AZR 886/07 - EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 192). Zur Fälligkeit der Forderung reicht es aus, wenn der Gläubiger die Ansprüche so deutlich bezeichnen kann, dass der Schuldner erkennen kann, aus welchem Sachverhalt und in welcher ungefähren Höhe er in Anspruch genommen werden soll. Dementsprechend muss zumindest die ungefähre Höhe der Forderung vom Gläubiger benannt werden. Die Fälligkeit eines Schadensersatzanspruchs setzt darüber hinaus voraus, dass ein Schaden überhaupt entstanden ist. Erst mit der Entstehung des Schadens kann auch ein Schadensersatzanspruch entstehen (vgl. BAG 14. Dezember 2006 - 8 AZR 628/05 - mwN, AP BGB § 618 Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 618 Nr. 2).

44

bb) Mit Schreiben vom 5. November 2008 hat die Beklagte gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten die nach ihrer Auffassung durch das Fehlen des Klägers nach dem ersten Maiwochenende notwendig gewordenen Aufwendungen bzw. eingetretenen Schäden im Einzelnen nach Hotelübernachtungskosten, Flügen, Spesen etc. beziffert. Aus den dort genannten Einzelposten hat sie die Widerklageforderung iHv. 11.216,80 Euro errechnet. Die Beklagte war damit spätestens am 5. November 2008 in der Lage, die von ihr behaupteten Ansprüche zu benennen und zu beziffern. Folglich trat spätestens zu diesem Zeitpunkt Fälligkeit ein. Die Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 1 BRTV endete damit am 5. Januar 2009 (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die mit Schriftsatz vom 5. März 2009 erhobene, dem Klägervertreter am 12. März 2009 zugestellte Widerklage hat diese Frist nicht gewahrt. Eine frühere schriftliche Geltendmachung, aus welcher der Kläger Grund und ungefähre Höhe des behaupteten Anspruchs hätte entnehmen können, ist nicht festzustellen. Insbesondere stellt der bloße Hinweis der Beklagten in der Klageerwiderung vom 23. Dezember 2008, durch die Kündigung des Klägers seien der Beklagten erhebliche Schäden entstanden, die im Zweifel noch weiter beziffert würden, keine ausreichende Geltendmachung im Sinne von § 15 Abs. 1 BRTV dar. Eine solche, nach Grund und ungefährer Höhe spezifizierte Geltendmachung war auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil dem Kläger die ungefähre Schadenshöhe bekannt gewesen wäre (vgl. BAG 16. Dezember 1971 - 1 AZR 335/71 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 48 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 8). Dass dies der Fall war, wird von der Beklagten nicht einmal behauptet.

45

e) Eine Berücksichtigung der Ausschlussfrist zugunsten des Klägers ist auch nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen.

46

aa) Zunächst gilt, dass die fehlende Kenntnis von Existenz und Inhalt einer Ausschlussfrist den Verfall des Anspruchs unberührt lässt (allg. Meinung, vgl. BAG 16. August 1983 - 3 AZR 206/82 - AP TVG § 1 Auslegung Nr. 131 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 56). Eine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit gemäß § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung stellt die Berufung auf eine Ausschlussfrist dann dar, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit des Gläubigers hinsichtlich der erforderlichen Geltendmachung des Anspruchs durch ein Verhalten des Schuldners veranlasst worden ist. Der Schuldner muss also den Gläubiger von der Geltendmachung des Anspruchs bzw. der Einhaltung der Verfallfrist abgehalten haben. Das wird zB angenommen, wenn der Schuldner durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen dem Gläubiger die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hat bzw. an objektiven Maßstäben gemessen den Eindruck erweckt hat, der Gläubiger könne darauf vertrauen, dass der Anspruch auch ohne Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist erfüllt werde (vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 8 AZR 8/02 - BAGE 103, 71 = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 169 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 158).

47

bb) Dies war vorliegend nicht der Fall. Zwar meint die Beklagte sinngemäß, der Kläger habe mit dem Klageantrag, gerichtet auf Abrechnung und Auszahlung des sich aus den Abrechnungen ergebenden Nettobetrags, zu erkennen gegeben, dass noch Ansprüche - ggf. auch wechselseitige - offen stünden. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Der Kläger hat nur eigene Entgeltansprüche für April und Mai 2008 geltend gemacht und keine Erklärung dahin gehend abgegeben, seinerseits Ansprüche der Beklagten erfüllen zu wollen. Insbesondere hat er die Beklagte nicht an einer Geltendmachung ihrer Ansprüche gehindert. Die Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung auf Schadensersatzansprüche ihrerseits hingewiesen. Dass sie diese nicht innerhalb der Ausschlussfrist in der notwendigen Art und Weise geltend gemacht hat, ist nicht auf Erklärungen oder ein Verhalten des Klägers zurückzuführen, sondern liegt allein in ihrem Verantwortungsbereich.

48

II. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Schuckmann    

        

    F. Avenarius    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 24. Juni 2010 - 4 Sa 1029/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der Beklagten, den gesetzlichen Urlaub aus den Jahren 2007 und 2008 abzugelten. Hilfsweise begehrt er Schadensersatz.

2

Der Kläger war bei der Beklagten, einem Unternehmen des Großhandels, vom 1. Juli 1984 bis zum 31. März 2008 als kaufmännischer Angestellter tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels idF vom 23. Juni 1997 (MTV) Anwendung. In diesem heißt es auszugsweise:

        

„§ 18 Geltendmachung von Ansprüchen, Gerichtsstand

        

1.    

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind gegenüber der Geschäftsleitung oder der von ihr bezeichneten Stelle zunächst mündlich, bei Erfolglosigkeit schriftlich innerhalb der folgenden Fristen geltend zu machen:

                 

...     

                 

d)    

im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses: 2 Monate nach dem Ausscheiden.

        

...     

                 
        

3.    

Die Ansprüche erlöschen, wenn sie nicht vor Ablauf der in Ziff. 1b - d genannten Fristen schriftlich geltend gemacht worden sind (Ausschlussfristen).

        

...“   

        
3

Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 1. Juli 1984 enthielt keinen Hinweis auf den MTV.

4

Der Kläger war vom 6. Juni 2007 bis mindestens 1. August 2008 krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Die Beklagte gewährte ihm weder für das Jahr 2007 noch für das Folgejahr Urlaub. Nach einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte schlossen die Parteien am 24. Oktober 2007 im Kündigungsrechtsstreit einen gerichtlichen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis am 31. März 2008 endete. In einem an die Beklagte gerichteten Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 30. Oktober 2007 heißt es ua.:

        

„Darüber hinaus ist … darauf hinzuweisen, dass mein Mandant noch 25 Tage Resturlaub für das Jahr 2007 hat und sodann noch weitergehenden Urlaub für 2008 für die verbleibenden 3 Monate von 6 Tagen besteht. Ob und inwieweit dieser dann abzugelten sein wird, bleibt abzuwarten. Sofern mein Mandant bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangt, wird der Urlaub in natura eingebracht.“

5

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigen vom 23. Februar 2009 verlangte der Kläger von der Beklagten ohne Erfolg, ua. den gesetzlichen Urlaub aus den Jahren 2007 und 2008 abzugelten.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung unter Beachtung der manteltariflichen Ausschlussfristen gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Der Anspruch sei nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern erst zu dem Zeitpunkt entstanden und fällig geworden, in dem das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung zur Befristung von Urlaubsansprüchen aufgegeben habe. Zudem verhalte sich die Beklagte treuwidrig, wenn sie sich auf die Ausschlussfrist berufe. Im Übrigen sei ihm Vertrauensschutz zu gewähren. Schließlich sei die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet, da sie ihm entgegen den Vorgaben des Nachweisgesetzes nicht mitgeteilt habe, dass § 18 MTV auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.192,30 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. März 2009 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der im Jahr 2007 entstandene Urlaubsanspruch sei nicht auf das Folgejahr übertragen worden. Der Kläger habe die tarifvertragliche Ausschlussfrist weder mit dem Schreiben vom 30. Oktober 2007 noch mit dem Schreiben vom 23. Februar 2009 gewahrt. Sie sei dem Kläger gegenüber nicht zum Schadensersatz verpflichtet, da die tariflichen Regelungen über Ausschlussfristen bereits zu dem Zeitpunkt gegolten hätten, zu dem das Nachweisgesetz in Kraft getreten sei.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dieser verfolgt mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist weder verpflichtet, den Urlaubsanspruch des Klägers abzugelten, noch hat sie ihm Schadensersatz zu leisten.

11

I. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte seinen gesetzlichen Urlaub aus den Jahren 2007 und 2008 abgilt. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch, der dem Kläger nach § 7 Abs. 4 BUrlG mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustand, gemäß § 18 Ziff. 1 Buchst. d iVm. § 18 Ziff. 3 MTV verfallen ist.

12

1. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG hat der Arbeitgeber Urlaub abzugelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2008 hatte der Kläger Anspruch auf 25 Arbeitstage Urlaub.

13

a) Der zwischen den Parteien unstreitige Anspruch auf 20 Arbeitstage Mindesturlaub aus dem Jahre 2007 (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) wurde gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG infolge der vom 6. Juni 2007 bis mindestens 1. August 2008 währenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Klägers in das Jahr 2008 übertragen. Ist es dem Arbeitnehmer aufgrund einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unmöglich, seinen Urlaub am Jahresende zu nehmen, liegt ein Übertragungsgrund in der Person des Arbeitnehmers vor. Denn der Arbeitgeber ist aus Rechtsgründen gehindert, dem aufgrund seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit von der Arbeitsverpflichtung bereits befreiten Arbeitnehmer Urlaub zu erteilen. Urlaub und Arbeitsunfähigkeit schließen sich gegenseitig aus (vgl. BAG 29. Juli 2003 - 9 AZR 270/02 - zu B I 2 b bb (1) der Gründe, BAGE 107, 124). Die Übertragung erfolgt ipso iure. Rechtsgeschäftliche Handlungen der Arbeitsvertragsparteien sind somit nicht erforderlich (vgl. BAG 24. März 2009 -  9 AZR 983/07  - Rn. 52, BAGE 130, 119 ).

14

b) Zu diesem übertragenen Urlaub trat am 1. Januar 2008 der gesetzliche Mindesturlaub im Umfang von 20 Tagen (§ 3 Abs. 1 BUrlG). Der Umstand, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt krankheitsbedingt arbeitsunfähig war, ist im Hinblick auf das Entstehen des Urlaubsanspruchs zu Beginn des Urlaubsjahres ohne rechtliche Bedeutung (vgl. BAG 28. Januar 1982 -  6 AZR 571/79  - zu II 2 der Gründe, BAGE 37, 382). Der aus dem Jahr 2008 resultierende Anspruch auf Vollurlaub wandelte sich am 31. März 2008 von Gesetzes wegen nachträglich in einen Anspruch auf Teilurlaub im Umfang von fünf Arbeitstagen um (§ 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG).

15

c) Die Beklagte schuldete die Abgeltung des Urlaubs unabhängig davon, ob und zu welchem Zeitpunkt der Kläger nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangt hat. Der Mindesturlaub ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängig von der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs in einem gedachten fortbestehenden Arbeitsverhältnis nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Seine entgegenstehende Rechtsprechung hat der Senat im Nachgang zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Slg. 2009, I-179) aufgegeben (vgl. BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 47 ff., BAGE 130, 119).

16

2. Der Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung ist gemäß § 18 Ziff. 1 Buchst. d iVm. § 18 Ziff. 3 MTV verfallen.

17

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden gemäß § 5 Abs. 4 TVG die Regelungen des allgemeinverbindlichen MTV Anwendung. Ist das Arbeitsverhältnis beendet, obliegt es nach § 18 Ziff. 1 Buchst. d MTV dem Arbeitnehmer, Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen einer Frist von zwei Monaten gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen. Versäumt er diese Frist, erlöschen die Ansprüche (§ 18 Ziff. 3 MTV).

18

b) Ansprüche auf Urlaubsabgeltung unterfallen als Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis der Ausschlussfrist des § 18 Ziff. 1 Buchst. d MTV. Der in § 18 Ziff. 3 MTV angeordnete Verfall ist wirksam. Dem stehen weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch die vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommene und für den Senat verbindliche Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9; im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie) entgegen.

19

aa) Nach der früheren Senatsrechtsprechung ließen tarifvertragliche Ausschlussfristen den Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs unberührt. Dies galt selbst in den Fällen, in denen die Tarifvorschrift alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis befristete (vgl. zuletzt BAG 20. Januar 2009 -  9 AZR 650/07  - Rn. 21). In seiner Entscheidung vom 9. August 2011 (- 9 AZR 365/10 - Rn. 16 ff., NZA 2011, 1421 ) hat der Senat die Aufgabe dieser Rechtsprechung eingehend begründet. Er geht seitdem davon aus, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch denselben tariflichen Bedingungen unterfällt wie alle übrigen Zahlungsansprüche der Arbeitsvertragsparteien. Dies gilt auch für die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs (vgl. BAG 9. August 2011 - 9 AZR 475/10 - Rn. 34, NZA 2012 , 166; 9. August 2011 - 9 AZR 352/10 - Rn. 26, PflR 2012, 14). Die Revision hat keinerlei Gesichtspunkte aufgezeigt, die den Senat veranlassen könnten, diese Rechtsprechung zu revidieren.

20

bb) Die Rechtsprechung des Senats steht im Einklang mit den Vorgaben des Europarechts, insbesondere mit Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie und den hierzu vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Grundsätzen(vgl. BAG 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - Rn. 25, NZA 2011, 1421). Mit der Bestimmung einer zweimonatigen Frist zur mündlichen bzw. schriftlichen Geltendmachung haben die Tarifvertragsparteien den Grundsätzen der Äquivalenz und Effektivität (siehe hierzu EuGH 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] Rn. 25, EzA AGG § 15 Nr. 8; 18. September 2003 - C-125/01 - [Pflücke] Rn. 34, Slg. 2003, I-9375) ausreichend Rechnung getragen (vgl. BAG 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - Rn. 26).

21

c) Der Kläger hat den Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht binnen der in § 18 Ziff. 1 Buchst. d MTV bestimmten Frist von zwei Monaten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Dieser Anspruch war mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2008 fällig. Der Kläger hätte ihn deshalb spätestens bis zum 31. Mai 2008 gegenüber der Beklagten geltend machen müssen. Diese Frist hat er nicht gewahrt.

22

aa) Der Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub abzugelten, entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Soweit die Revision geltend macht, der Anspruch des Klägers sei erst in dem Zeitpunkt entstanden, in dem der Senat den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Urteil vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Slg. 2009, I-179) im nationalen Recht Geltung verschafft habe, rechtfertigt dies nicht eine abweichende Entscheidung. Das Bundesarbeitsgericht hat in dem Urteil vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - BAGE 130, 119) die bestehende Rechtslage mit bindender Wirkung für die Parteien des damaligen Rechtsstreits festgestellt, diese jedoch nicht mit Verkündung des Urteils geschaffen.

23

bb) Vorbehaltlich abweichender Regelungen wird der Urlaubsabgeltungsanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig (vgl. BAG 11. Oktober 2010 - 9 AZN 418/10 - Rn. 20, AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 75 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 125 ). Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist (vgl. ausführlich BAG 9. August 2011 - 9 AZR 352/10 - Rn. 19 ff., PflR 2012, 14). Die Fälligkeit des Anspruchs ist nicht erst mit Verkündung der Leitentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Slg. 2009, I-179) oder der nachfolgenden Entscheidung des Senats vom 24. März 2009 (9 AZR 983/07 - BAGE 130, 119) eingetreten. Für den Verfall eines Anspruchs kommt es regelmäßig nicht auf die Kenntnis des Gläubigers von dem Anspruch an (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 222/07 - Rn. 19, BAGE 125, 216; 26. April 1978 - 5 AZR 62/77 - zu II der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 64 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 35). Ein Auseinanderfallen von Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt kann nur unter besonderen Umständen angenommen werden (vgl. hierzu BAG 9. August 2011 - 9 AZR 475/10 - Rn. 37, NZA 2012, 166). Solche besonderen Umstände hat der Kläger nicht vorgetragen. Ihm war es möglich, den nunmehr erhobenen Anspruch fristgerecht gegenüber der Beklagten mündlich und schriftlich geltend zu machen.

24

cc) Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage im Jahr 2007 hat der Kläger den Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht geltend gemacht. Erhebt ein Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage, kann darin zwar grundsätzlich eine schriftliche Geltendmachung der Ansprüche liegen, die vom Erfolg der Kündigungsschutzklage abhängen (vgl. BAG 11. Februar 2009 - 5 AZR 168/08 - Rn. 17, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 192 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 195 ; 14. Dezember 2005 - 10 AZR 70/05 - Rn. 24, BAGE 116, 307; 10. Juli 2003 -  6 AZR 283/02  - zu 6 der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168). Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung knüpft jedoch nicht an den Erfolg der Kündigungsschutzklage, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, an, sondern setzt mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade das Gegenteil voraus. Will der Arbeitnehmer den tariflichen Verfall solcher Ansprüche verhindern, reicht die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht aus (vgl. zur Karenzentschädigung: BAG 18. Dezember 1984 - 3 AZR 383/82 - zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 87 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 61).

25

dd) Auch mit dem Schreiben vom 30. Oktober 2007 hat der Kläger die tarifliche Ausschlussfrist nicht gewahrt.

26

(1) Das Landesarbeitsgericht hat das Schreiben so ausgelegt, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers lediglich auf einen in der Zukunft möglicherweise entstehenden Abgeltungsanspruch hingewiesen hat. Dieses Auslegungsergebnis ist in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt zu kontrollieren. Die Auslegung nichttypischer Erklärungen und rechtsgeschäftsähnlicher Handlungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Das Revisionsgericht kann lediglich prüfen, ob das Berufungsgericht von den gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) ausgegangen ist, den gesamten Auslegungsstoff berücksichtigt hat und weder gegen Denk- noch gegen Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 19, BAGE 131, 30).

27

(2) An diesen Maßstäben gemessen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht dem Schreiben nicht den Inhalt einer Geltendmachung iSd. § 18 Ziff. 1 MTV beigemessen hat. Das Landesarbeitsgericht hat sowohl den Wortlaut des Schreibens als auch die Umstände, unter denen der Kläger das Schreiben an die Beklagte richtete, berücksichtigt. Gegen das Auslegungsergebnis des Landesarbeitsgerichts richtet sich auch kein Angriff der Revision. Vielmehr hat der Kläger in der Revisionsbegründung zu erkennen gegeben, er habe zum damaligen Zeitpunkt von einer Geltendmachung Abstand genommen, weil er auf der Grundlage der damaligen Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen sei, dass die Beklagte zur Abgeltung des Urlaubs nicht verpflichtet sei.

28

3. Die Beklagte hat das Recht, sich auf die tarifliche Ausschlussfrist zu berufen, nicht verwirkt (§ 242 BGB).

29

a) Beruft sich ein Arbeitgeber auf eine Ausschlussfrist, verstößt dies gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und ist damit gemäß § 242 BGB unzulässig, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit des Arbeitnehmers durch ein Verhalten des Arbeitgebers veranlasst worden ist(vgl. BAG 18. November 2004 - 6 AZR 651/03 - zu 6 a der Gründe, BAGE 112, 351). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Beklagte hat bei dem Kläger nicht den Eindruck erweckt, er brauche die tariflichen Fristen zur Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht einzuhalten.

30

b) Allein der mögliche Verstoß der Beklagten gegen die ihr obliegenden Pflichten aus dem Nachweisgesetz begründet nicht den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG ist der Arbeitgeber verpflichtet, spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Gemäß § 3 Satz 1 NachwG ist dem Arbeitnehmer eine Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen spätestens einen Monat nach der Änderung schriftlich mitzuteilen. Hat das Arbeitsverhältnis bereits bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestanden, so ist dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen innerhalb von zwei Monaten eine Niederschrift auszuhändigen (§ 4 Satz 1 NachwG). In die Niederschrift ist ua. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind, aufzunehmen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG). Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt würde, die Beklagte sei ihren Verpflichtungen aus dem Nachweisgesetz nicht nachgekommen, lägen die Voraussetzungen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht vor. Verstößt ein Arbeitgeber gegen die in § 2 oder § 3 Satz 1 NachwG normierten Nachweispflichten, hindert ihn dies nicht, die Erfüllung eines von dem Arbeitnehmer erhobenen Anspruchs unter Berufung auf die Ausschlussfrist abzulehnen(vgl. BAG 5. November 2003 - 5 AZR 469/02 - zu I 5 b der Gründe, BAGE 108, 256; 17. April 2002 -  5 AZR 89/01  - zu III der Gründe, BAGE 101, 75).

31

4. Der Kläger nimmt ohne Erfolg Vertrauensschutz für sich in Anspruch. Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob seine frühere Rechtsprechung, wonach Ausschlussfristen den Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs nicht berührten, geeignet war, ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer zu begründen. Spätestens nach Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in der Sache Schultz-Hoff vom 2. August 2006 (- 12 Sa 486/06 - LAGE BUrlG § 7 Nr. 43) konnten Arbeitnehmer nicht mehr davon ausgehen, dass die Rechtsprechung des Senats unverändert fortgeführt würde. Durch dieses Vorabentscheidungsersuchen wurde nicht nur ein einzelner Aspekt, wie das Erlöschen von Urlaubsabgeltungsansprüchen bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit, sondern die Rechtsprechung zur Erfüllbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach der Surrogatstheorie infrage gestellt. Davon waren auch die Grundsätze betroffen, die der Senat unter dem Regime der Surrogatstheorie zum Nichteingreifen von tariflichen Ausschlussfristen entwickelt hatte (vgl. BAG 9. August 2011 - 9 AZR 475/10 - Rn. 48, NZA 2012, 166).

32

5. Höhere Gewalt stand einer fristgerechten Geltendmachung des erhobenen Anspruchs nicht entgegen. Der in § 206 BGB normierte Rechtsgedanke hinderte nicht den Verfall des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs. Nach § 206 BGB ist die Verjährung gehemmt, solange der Berechtigte innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist. Diese Vorschrift wird als allgemeingültiges Rechtsprinzip auch auf Ausschlussfristen angewandt. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob § 206 BGB über seinen Wortlaut hinaus auf die Fälle einer sog. „gefestigten anspruchsfeindlichen Rechtsprechung“ anzuwenden ist (vgl. hierzu BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 4 b dd der Gründe, BAGE 103, 290). Denn die Vorschrift des § 18 Ziff. 1 Buchst. d MTV verlangte vom Kläger nicht die Erhebung einer Klage vor dem Arbeitsgericht, sondern lediglich die fristgerechte mündliche und gegebenenfalls schriftliche Geltendmachung gegenüber der Beklagten. Dies war ihm unabhängig von der damaligen Rechtsprechung möglich und zumutbar. Im Übrigen hätte eine Hemmung der Ausschlussfrist spätestens mit Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in der Sache Schultz-Hoff vom 2. August 2006 (- 12 Sa 486/06 - LAGE BUrlG § 7 Nr. 43) geendet. Ab diesem Zeitpunkt konnte der Kläger nicht mehr davon ausgehen, dass der Senat seine bisherige Rechtsprechung zur Surrogatstheorie aufrechterhalten werde (vgl. BAG 9. August 2011 - 9 AZR 475/10 - Rn. 50, NZA 2012, 166).

33

II. Der Klageanspruch ist auch nicht unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten begründet. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10, § 3 Satz 1 NachwG liegen nicht vor. Selbst wenn der Senat zugunsten des Klägers davon ausginge, die Beklagte habe gegen die ihr obliegenden Pflichten aus dem Nachweisgesetz verstoßen, fehlte es an der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem vom Kläger geltend gemachten Schaden. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen.

34

1. Befindet sich ein Arbeitgeber mit der Aushändigung der nach § 2 NachwG geschuldeten Niederschrift oder der ihm nach § 3 NachwG obliegenden Mitteilung in Verzug, hat er gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB den durch den eingetretenen Verzug adäquat verursachten Schaden zu ersetzen. Der Schadensersatzanspruch ist auf Naturalrestitution gerichtet (§ 249 Abs. 1 BGB). Deshalb kann ein Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber verlangen, so gestellt zu werden, als wäre sein Zahlungsanspruch nicht untergegangen, wenn ein solcher Anspruch nur wegen Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers bestehen würde (vgl. BAG 5. November 2003 - 5 AZR 676/02 - zu III 3 a der Gründe, AP NachwG § 2 Nr. 7 = EzA NachwG § 2 Nr. 6 ).

35

a) Bei der Prüfung der adäquaten Verursachung kommt dem Arbeitnehmer die Vermutung eines aufklärungsgemäßen Verhaltens zugute. Danach ist grundsätzlich davon auszugehen, dass jedermann bei ausreichender Information seine Eigeninteressen in vernünftiger Weise wahrt. Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG ist zu vermuten, dass der Arbeitnehmer die tarifliche Ausschlussfrist beachtet hätte, wenn der Arbeitgeber ihn auf die Geltung des Tarifvertrags hingewiesen hätte. Dem Arbeitgeber bleibt die Möglichkeit, diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen (vgl. BAG 5. November 2003 - 5 AZR 676/02 - zu III 3 a der Gründe, AP NachwG § 2 Nr. 7 = EzA NachwG § 2 Nr. 6).

36

b) Ein möglicher Verstoß der Beklagten gegen ihre nachweisrechtlichen Pflichten war nicht dafür ursächlich, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch gemäß § 18 Ziff. 1 Buchst. d iVm. § 18 Ziff. 3 MTV erloschen ist. Nach den von der Revision mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 559 ZPO) Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hätte der Kläger auch bei Kenntnis der Ausschlussfrist von einer fristgerechten Geltendmachung gegenüber der Beklagten abgesehen. Denn zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ausschlussfrist auslief, ging der Kläger auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung davon aus, es stehe ihm infolge seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Abgeltung des bis zum 31. März 2008 nicht genommenen Urlaubs nicht zu.

37

2. Der Kläger vermag das Klagebegehren nicht mit Erfolg auf deliktsrechtliche Vorschriften zu stützen. Insbesondere ist die Beklagte nicht nach § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB iVm. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10, § 3 Satz 1 NachwG zum Schadensersatz verpflichtet. § 3 Satz 1 NachwG ist ebenso wenig Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB wie § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG(vgl. BAG 5. November 2003 - 5 AZR 469/02 - zu I 5 c cc der Gründe, BAGE 108, 256).

38

III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Brühler    

        

    Klose    

        

    Suckow    

        

        

        

    Ropertz    

        

    Pielenz    

                 

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

Ein Verzicht auf den aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a entstandenen Anspruch der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf Mindestentgeltsätze nach § 5 Satz 1 Nummer 1 ist nur durch gerichtlichen Vergleich zulässig; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des in Satz 1 genannten Anspruchs ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für die Geltendmachung des in Satz 1 genannten Anspruchs können ausschließlich in dem der Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a zugrunde liegenden Tarifvertrag geregelt werden; die Frist muss mindestens sechs Monate betragen.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Januar 2016 - 19 Sa 1851/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs durch Sonderzahlungen und die Auswirkungen des Mindestlohngesetzes auf arbeitsvertraglich vereinbarte Entgeltbestandteile.

2

Die Klägerin ist seit 1992, zuletzt als Mitarbeiterin in der Cafeteria, bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in Vollzeit beschäftigt.

3

Der schriftliche Arbeitsvertrag regelt - inhaltsgleich mit weiteren Arbeitsverträgen der Arbeitnehmer der Beklagten - ua.:

        

        

㤠3 Lohn; Gehalt

        

a)    

Der Arbeitnehmer … erhält auf der Basis eines Stundensatzes von 13,50 DM einen Monatslohn … von 2.347,92 DM. Der Lohn … wird jeweils am 10. des Monats für den Vormonat … gezahlt. …

        

b)    

… Die über die regelmäßige monatliche betriebsübliche Arbeitszeit hinaus angeordnete und geleistete Arbeit wird mit dem vereinbarten Stundensatz zuzüglich des nachstehenden Zuschlages berechnet. …

                 

Überstundenzuschlag: 25 %

                 

…       

        

c)    

Für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen wird ein Zuschlag in nachstehender Höhe des vereinbarten Stundenlohns gezahlt. …

                 

Sonntagszuschlag: 30 %

                 

Feiertagszuschlag: 100 %

        

d)    

Für die Arbeit in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr (Nachtarbeit) erhält der Arbeitnehmer … einen Zuschlag in nachstehender Höhe des vereinbarten Stundenlohns.

                 

Nachtzuschlag: 10 %

        

…       

        
                 

§ 4 Urlaubsgeld, Zuwendung

                 

Hat das Arbeitsverhältnis seit Beginn des laufenden Kalenderjahres bestanden, erhält der Arbeitnehmer … zur Lohnzahlung Mai ein zusätzliches Urlaubsgeld des im Fälligkeitsmonat vereinbarten Entgelts entsprechend § 3 des Arbeitsvertrages und mit der Gehaltszahlung im Monat November ein Weihnachtsgeld des zu diesem Zeitpunkt vereinbarten Lohns als Sonderzuwendung in nachstehender Höhe.

                 

Urlaubsgeld: 50 %

                 

Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld): 50 %

                 

Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im laufenden Kalenderjahr oder hat der Arbeitnehmer … nicht während des gesamten Jahres Bezüge von der Einrichtung erhalten, vermindert sich das zusätzliche Urlaubsgeld sowie die Sonderzuwendung um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem kein Arbeitsverhältnis bestanden oder für den keine Bezüge beansprucht wurden. Eventuell zuviel gezahltes Urlaubsgeld und / oder Sonderzuwendung sind zurückzuzahlen.“

4

Die Beklagte schloss mit dem Betriebsrat am 8./10. Dezember 2014 eine „Betriebsvereinbarung Inkrafttreten Mindestlohngesetz“ (im Folgenden BV Mindestlohn), die ua. bestimmt:

        

„Fälligkeit Sonderzahlungen Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld

                 

Arbeitsvertraglich vereinbarte Jahressonderzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld) sind in Höhe von 1/12 für jeden Kalendermonat zur betriebsüblichen Fälligkeit der Monatsvergütung zur Zahlung fällig.

        

Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen

                 

Die Arbeitgeberin verpflichtet sich für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2017 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. …“

5

Mitte Dezember 2014 bot die Beklagte allen Arbeitnehmern Änderungsverträge an, die eine Erhöhung des Monatsentgelts um 2 % ab 1. Januar 2015 und eine anteilige Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds in jedem Monat vorsahen. Die Klägerin lehnte dies, anders als die weit überwiegende Mehrheit der Belegschaft, ab. Ende Januar 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die arbeitsvertragliche Regelung zur Rückzahlung zu viel gezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgelds entfalle ersatzlos rückwirkend zum Jahresbeginn.

6

Ab Januar 2015 zahlte die Beklagte der Klägerin neben dem Bruttogehalt iHv. 1.391,36 Euro monatlich weitere jeweils 57,97 Euro brutto, die sie mit „Urlaubsgeld 1/12“ und „Sonderzuwendung 1/12“ abrechnet, insgesamt 1.507,30 Euro brutto. Nacht-, Überstunden-, Sonn- und Feiertagszuschlägen legt die Beklagte den vertraglichen Bruttostundenlohn iHv. 8,00 Euro zugrunde. Im Februar, April und Juni 2015 angefallene Überstunden vergütete die Beklagte ebenfalls auf der Basis von 8,00 Euro brutto/Stunde.

7

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin Zahlungs- und Feststellungsklage erhoben. Sie fordert weitere Vergütung für den Zeitraum von Januar bis November 2015.

8

Die Klägerin meint, die Beklagte zahle den gesetzlichen Mindestlohn nicht in voller Höhe. Bei durchschnittlich 173,33 Stunden im Monat müsse das Bruttomonatsgehalt 1.473,33 Euro betragen. Die Jahressonderzahlungen seien nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar. Deren arbeitsvertraglich vereinbarte Fälligkeit könne nicht verändert werden. Die BV Mindestlohn sei unwirksam. Alle Entgeltbestandteile seien auf der Grundlage des Mindestlohns von 8,50 Euro/Stunde zu berechnen, Überstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten.

9

Die Klägerin hat - soweit für die Revision relevant - sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 927,21 Euro brutto zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen,

        

2.    

festzustellen, dass die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte von 1/12 Urlaubsgeld iHv. 57,97 Euro brutto und 1/12 Sonderzuwendung iHv. 57,97 Euro brutto durch Entgeltabrechnung für den jeweiligen Kalendermonat seit Januar 2015 unwirksam ist,

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Urlaubsgeld iHv. 736,67 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 695,64 Euro zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen,

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Weihnachtsgeld iHv. 736,67 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 695,64 Euro brutto zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn sei erfüllt, die Zwölftelung der Jahressonderzahlungen zulässig. Zuschläge und Sonderzahlungen würden durch die gesetzliche Mindestlohnregelung nicht berührt und seien weiterhin nach dem arbeitsvertraglich Vereinbarten geschuldet.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin im Wesentlichen zurückgewiesen und ihr (rechtskräftig) nur Nachtarbeitszuschläge iHv. 0,80 Euro brutto zugesprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Der Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn ist erfüllt. Das Mindestlohngesetz hat die arbeitsvertraglich vereinbarten Entgeltbestandteile - wie Sonderzahlungen und Zuschläge für Sonderformen der Arbeit oder Arbeit zu besonderen Zeiten - nicht erhöht. Verzugszinsen kann die Klägerin nicht beanspruchen.

13

I. Die Klage ist in den Zahlungsanträgen zulässig. Dagegen ist der Feststellungsantrag unzulässig.

14

1. Die Zahlungsanträge sind zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie sind auf konkrete Vergütungsdifferenzen über eine Zeit von elf Monaten gerichtet. Die Klage ist für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 12).

15

2. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag zutreffend als unzulässig abgewiesen.

16

a) Die von der Klägerin begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Abrechnung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds betrifft kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO(zu den Anforderungen vgl. BAG 24. Februar 2016 - 7 ABR 23/14 - Rn. 12 mwN). Zwar sind die Gerichte gehalten, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass hierdurch eine erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 12 mwN). Doch scheitert jede Auslegung - etwa dahingehend, die Fälligkeit der Jahressonderzahlungen solle geklärt werden - am Wortlaut des Antrags.

17

b) Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine Verletzung der Hinweispflicht rügt, genügt die Revisionsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen (vgl. dazu BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109,145). Die Klägerin hat nicht dargelegt, welchen anderen Antrag sie auf welchen Hinweis des Landesarbeitsgerichts gestellt hätte, und auch in der Revisionsinstanz unverändert an dem vom Berufungsgericht als unzulässig beanstandeten Feststellungsantrag festgehalten.

18

II. Die Klage ist unbegründet.

19

1. Sie ist bereits unschlüssig, weil die Klägerin ihre Forderung nicht nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern anhand eines monatlichen Stundendurchschnitts begründet hat. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG). Dies erfordert die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die Behauptung einer aus dem Durchschnitt eines Zeitraums ermittelten Stundenzahl ersetzt diesen Vortrag nicht. Insbesondere wenn in dieser Stundenzahl Zeiten ohne Arbeitsleistung, aber fortbestehendem Vergütungsanspruch (zB Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen oder Urlaub) enthalten sind, für die das Mindestlohngesetz mangels tatsächlicher Arbeitsleistung keine Ansprüche begründet. Insofern ist Sachvortrag nach den jeweils einschlägigen Normen zu leisten. Der Senat braucht aber nicht auf eine entsprechende Ergänzung des Vortrags der Klägerin hinzuwirken, weil die Zahlungsanträge in jedem Fall unbegründet sind.

20

2. Der Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG ist durch Erfüllung erloschen.

21

a) Die Beklagte hat den Mindestlohnanspruch der Klägerin in der streitgegenständlichen Zeit jedenfalls durch allmonatliche Zahlung des Bruttogehalts und eines Zwölftels der Jahressonderzahlungen erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

22

b) Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt(hM Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 2; Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 4; BT-Drs. 18/1558 S. 34). Das Mindestlohngesetz greift in die Entgeltvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien und anwendbarer Entgelttarifverträge nur insoweit ein, als sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten. § 3 MiLoG führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch.

23

aa) Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn haben alle Arbeitnehmer, auch wenn ihre durch Arbeits- oder Tarifvertrag geregelte Vergütung über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt (HK-MiLoG/Düwell § 1 Rn. 18). Das Mindestlohngesetz schafft in seinem Geltungsbereich eine eigenständige Anspruchsgrundlage für alle Arbeitnehmer (ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 MiLoG Rn. 2; aA Waltermann AuR 2015, 166, 170; HK-MiLoG/Schubert § 20 Rn. 10).

24

bb) Erreicht die vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht, begründet dies von Gesetzes wegen einen Anspruch auf Differenzvergütung, wenn der Arbeitnehmer in der Abrechnungsperiode für die geleisteten Arbeitsstunden im Ergebnis nicht mindestens den in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG vorgesehenen Bruttolohn erhält(Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 31; Lembke NZA 2016, 1, 4; vgl. zu einem tariflichen Mindestlohn BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 8/08 - Rn. 28, BAGE 128, 119).

25

Dabei scheiden längere Berechnungszeiträume als ein Kalendermonat für die Frage, ob ein Anspruch auf Differenzvergütung entstanden ist, aus (Kocher AuR 2015, 173, 175; Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 78; aA Waltermann AuR 2015, 166, 171: „zweimonatlich“; wohl auch ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 MiLoG Rn. 8). Denn mit dem Mindestlohngesetz soll den in Vollzeit tätigen Arbeitnehmern ein Monatseinkommen „oberhalb der Pfändungsfreigrenze“ gesichert werden (BT-Drs. 18/1558 S. 28). Um regelmäßigen Zahlungspflichten nachkommen zu können, regelt § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG konsequenterweise die Fälligkeit des Mindestlohns spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde.

26

cc) Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro ergibt. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Arbeitgeber den Mindestlohn stets rechtzeitig leistet, auch verspätete Zahlungen können Erfüllungswirkung haben. Dies belegt § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG, wonach der Arbeitgeber ordnungswidrig handelt, wenn er den Mindestlohn nicht oder „nicht rechtzeitig zahlt“. Im Übrigen wäre der Anspruch auf den Mindestlohn nicht klagbar, würde man nachträglichen Zahlungen die Erfüllungswirkung absprechen. Leistet der Arbeitgeber den Mindestlohn nach Fälligkeit (§ 2 Abs. 1 MiLoG), kann der Arbeitnehmer Verzugszinsen sowie den Ersatz eines sonstigen Verzugsschadens verlangen, §§ 288, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

27

dd) Erfüllung iSv. § 362 Abs. 1 BGB tritt beim Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn - wie in jedem Schuldverhältnis - ein, wenn die geschuldete Leistung bewirkt wird. Diese Leistung liegt in der Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts, denn der gesetzliche Mindestlohn ist das als Gegenleistung für die Arbeit (mindestens) zu erbringende Entgelt.

28

(1) Der Gesetzesbegriff des Mindestlohns bedarf der Auslegung. Maßgebend ist dafür der in der Norm zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Regelung hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (st. Rspr., vgl. nur BVerfG 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2 BvR 2155/11 - Rn. 66, BVerfGE 133, 168).

29

Ausgehend von dem in § 1 Abs. 1 MiLoG verwendeten Begriff des Mindestlohns und der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimmten Höhe in Form eines Bruttobetrags, handelt es sich um eine Bruttoentgeltschuld des Arbeitgebers. Dabei ist es unerheblich, dass der Gesetzgeber - im Unterschied zu anderen arbeitsrechtlichen Regelungen - nicht den Begriff „Entgelt“ (vgl. zB § 10 Abs. 1 Satz 5 AÜG „Arbeitsentgelt“, § 5 Satz 1 Nr. 1 AEntG „Mindestentgeltsätze“), sondern „Lohn“ verwendet. Diese nicht mehr zeitgemäße, auf die Vergütung gewerblicher Arbeitnehmer abstellende Terminologie erklärt sich mit dem Sprachgebrauch in der politischen Diskussion vor Verabschiedung des Gesetzes (vgl. Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 7). Eine Beschränkung des Geltungsbereichs auf Arbeiter, die noch im Stundenlohn vergütet werden, war und ist nicht gewollt. Es sollten umfassend alle Arbeitnehmer vor den Folgen einer unangemessen niedrigen Vergütung geschützt werden. Dieser in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Zweck zielt darauf ab, jedem Arbeitnehmer ein existenzsicherndes Monatseinkommen zu gewährleisten (BT-Drs. 18/1558 S. 28). Diesem Ziel entsprechend fordern §§ 1 und 2 MiLoG mit dem Begriff der „Zahlung“ und der Nennung eines Eurobetrags in „brutto“ eine Entgeltleistung in Form von Geld(Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 81 ff.; Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 127; Sittard RdA 2015, 99, 105).

30

Der Mindestlohn beträgt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG 8,50 Euro brutto „je Zeitstunde“. Das Gesetz macht den Anspruch nicht von der zeitlichen Lage der Arbeit oder den mit der Arbeitsleistung verbundenen Umständen oder Erfolgen abhängig (vgl. Lembke NZA 2015, 70, 76). Die Normierung eines angemessenen Verhältnisses von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt bezweckt die Existenzsicherung durch Arbeitseinkommen als Ausdruck der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG), die letztlich auch die sozialen Sicherungssysteme entlasten soll (BT-Drs. 18/1558 S. 28; Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 16. Aufl. § 66 Rn. 2; Sittard NZA 2015, 78, 79 f.; Greiner/Strippelmann BB 2015, 949, 950; Jares DB 2015, 307, 309; Heuschmid/Hlava NJW 2015, 1719, 1722).

31

(2) Bei einer Geldschuld wird die geschuldete Leistung mangels anderer Vereinbarung nur dann bewirkt, wenn der Gläubiger den Geldbetrag, den er beanspruchen kann, endgültig zur freien Verfügung übereignet oder überwiesen erhält. Darf er den Betrag nicht behalten, tritt der Leistungserfolg nicht ein (vgl. BGH 23. Januar 1996 - XI ZR 75/95 - zu 1 der Gründe; Jauernig/Stürner BGB 16. Aufl. § 362 Rn. 1; Staudinger/Olzen (2016) § 362 BGB Rn. 27). Daher erfüllt der Arbeitgeber den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn durch die im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen nur, soweit diese dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben.

32

(3) Gilt somit ein umfassender Entgeltbegriff, sind alle im Synallagma stehenden Geldleistungen des Arbeitgebers geeignet, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Von den im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers (vgl. Bayreuther NZA 2014, 865, 869; Lembke NZA 2015, 70, 76) fehlt folglich nur solchen Zahlungen die Erfüllungswirkung, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (zB § 6 Abs. 5 ArbZG, der einen Zuschlag auf das dem Arbeitnehmer zustehende Bruttoarbeitsentgelt vorsieht, vgl. BAG 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 51, BAGE 148, 68) beruhen. Letzteres folgt aus der Gleichrangigkeit der Normen des Bundesrechts. Ist eine Zuordnung der Zahlung erforderlich, finden die Regelungen des § 366 BGB Anwendung(vgl. Thüsing/Greiner MiLoG 2. Aufl. § 3 Rn. 13; aA wohl Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 82 ff.).

33

c) Danach sind die Mindestlohnansprüche der Klägerin in den Kalendermonaten Januar bis November 2015 erfüllt. Denn neben dem monatlichen Bruttogehalt kommt auch den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 geleisteten Jahressonderzahlungen Erfüllungswirkung zu. Sie sind eine im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis stehende Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit. Denn nach § 4 Arbeitsvertrag mindern sie sich um jeweils ein Zwölftel für Kalendermonate ohne Entgeltanspruch. Einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegen die Jahressonderzahlungen nicht. Eine Rückforderung ist der Beklagten aufgrund ihrer vorprozessualen Erklärung vom Januar 2015 verwehrt.

34

3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erhöhte Jahressonderzahlungen. Diese sind nicht auf der Grundlage des aktuellen Mindestlohns zu berechnen. Nach § 4 Arbeitsvertrag betragen Urlaubs- und Weihnachtsgeld jeweils 50 % des „vereinbarten Entgelts“ bzw. des „vereinbarten Lohns“. Das Landesarbeitsgericht ist deshalb zutreffend davon ausgegangen, die Berechnung richte sich nach der in § 3 Arbeitsvertrag bestimmten Vergütung. Der Wortlaut der Vereinbarung lässt keinen anderen Schluss zu. Das Mindestlohngesetz hat daran nichts geändert. Der gesetzliche Mindestlohn tritt neben den arbeits- bzw. tarifvertraglichen Vergütungsanspruch, lässt aber die Vergütungsvereinbarung unberührt (vgl. Rn. 22). Eine bestimmte Höhe von Sonderzahlungen sieht das Mindestlohngesetz nicht vor.

35

4. Die Klägerin kann keine höheren als die arbeitsvertraglich vereinbarten Zuschläge für Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit verlangen. Diese sind nicht auf der Grundlage der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimmten 8,50 Euro, sondern des vertraglich vereinbarten Bruttostundenentgelts zu berechnen.

36

Die Zuschlagspflicht für Überstunden und Arbeit an besonderen Tagen folgt allein aus § 3 Buchst. b und c Arbeitsvertrag und knüpft an den „vereinbarten Stundenlohn“ an. Das ist der in § 3 Buchst. a Arbeitsvertrag festgehaltene Betrag. Der Wortlaut der Vereinbarung lässt nur diesen Schluss zu. Auf die Ausführungen in Rn. 34 wird verwiesen. Daran hat das Mindestlohngesetz nichts geändert.

37

5. Die Klägerin hat aufgrund des Mindestlohngesetzes keinen Anspruch auf weitere Überstundenvergütungen.

38

In den Monaten mit Überstundenleistung hat die Beklagte den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn durch Zahlung des Bruttomonatsgehalts, der in Zwölfteln geleisteten Jahressonderzahlungen und der jeweiligen Überstundenvergütung iHv. 8,00 Euro brutto/Stunde erfüllt.

39

Im Februar 2015 leistete die Klägerin eine Überstunde, für die die Beklagte neben der Vergütung weitere 8,00 Euro brutto, mithin 1.515,30 Euro brutto geleistet hat. Im April 2015 erbrachte die Klägerin vier Überstunden, für die sie neben der Vergütung weitere 32,00 Euro brutto, mithin 1.539,30 Euro brutto erhalten hat. Im Juni 2015 leistete die Klägerin 4,5 Überstunden, für die die Beklagte neben der Vergütung weitere 36,00 Euro brutto, mithin 1.543,30 Euro brutto geleistet hat. Die Klägerin hat in keinem der Fälle vorgetragen, sie habe über die damit jedenfalls in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns abgegoltenen 178,27 bzw. 181,09 bzw. 181,56 Arbeitsstunden im Monat weitere Arbeit erbracht.

40

6. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Verzugszinsen wegen verspäteter Jahressonderzahlungen besteht nicht. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, Ansprüche auf Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen nicht rechtzeitiger Leistung der Jahressonderzahlungen bestünden nicht. Die Regelung der Fälligkeit der BV Mindestlohn mit jeweils 1/12 für jeden Kalendermonat verdrängt die arbeitsvertragliche Fälligkeitsvereinbarung.

41

a) Die von der Klägerin erhobenen Rügen gegen die formelle Wirksamkeit der BV Mindestlohn greifen nicht durch.

42

aa) Die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe das Bestreiten eines wirksamen Betriebsratsbeschlusses übergangen, ist unzulässig. Der pauschale Hinweis auf ein Bestreiten genügt den Anforderungen an eine Gehörsrüge nicht. Darüber hinaus brauchen die Gerichte nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu behandeln (vgl. BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10). Die Klägerin hat keine besonderen Umstände deutlich gemacht, wonach das Landesarbeitsgericht ihr Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen haben soll. Tatsächlich setzt sich das Landesarbeitsgericht mit dem streitigen Thema auseinander, hält das Bestreiten der Klägerin aber nicht mehr für erheblich.

43

bb) Die Rüge, der angebotene Zeugenbeweis sei nicht erhoben worden, ist ebenfalls unzulässig, denn ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Allein die Rüge, ein Beweis sei nicht erhoben worden, ist unzureichend, wenn die Klägerin - wie hier - nicht vorgetragen hat, wo und bei welcher Gelegenheit sie ein den Anforderungen des § 373 ZPO entsprechendes Beweisangebot gemacht habe(vgl. BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 380/99 - zu II 2 b cc (3) der Gründe, BAGE 96, 123).

44

cc) Die Würdigung der Beschlussfassung des Betriebsrats durch das Landesarbeitsgericht verletzt nicht § 286 ZPO. Danach haben die Tatsacheninstanzen unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer ggf. durchgeführten Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung darüber zu befinden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr erachten oder nicht. Die Würdigung muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein. Mögliche Zweifel müssen überwunden, brauchen aber nicht völlig ausgeschlossen zu werden (vgl. BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 35 mwN). Revisionsrechtlich ist diese Würdigung allein daraufhin zu überprüfen, ob alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht Denk- und Erfahrungsgrundsätze verletzt wurden.Gemessen daran hat das Landesarbeitsgericht § 286 ZPO nicht verletzt. Es hat, basierend auf dem Beklagtenvortrag zur Beschlussfassung des Betriebsrats, seine Überzeugungsbildung ausreichend dargelegt. Das Berufungsgericht durfte das weitere, lediglich pauschale Bestreiten der Klägerin für unerheblich halten.

45

dd) Schließlich hat das Landesarbeitsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen Verstoß gegen § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG verneint. Nach dieser Bestimmung hat der Vorsitzende die Mitglieder des Betriebsrats zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Für ein verhindertes Betriebsratsmitglied hat er nach § 29 Abs. 2 Satz 6 BetrVG das Ersatzmitglied zu laden. Die Einhaltung dieser Vorschriften ist wesentlich für die Wirksamkeit eines in der Sitzung gefassten Beschlusses. Eine mangels Übermittlung der Tagesordnung verfahrensfehlerhafte Ladung zu einer Betriebsratssitzung kann allerdings durch die im Übrigen ordnungsgemäß geladenen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats in einer Betriebsratssitzung geheilt werden, wenn dieser beschlussfähig iSd. § 33 Abs. 2 BetrVG ist und die Anwesenden einstimmig beschließen, über einen Regelungsgegenstand zu beraten und abzustimmen. Nicht erforderlich ist, dass an dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder teilnehmen (vgl. BAG 4. November 2015 - 7 ABR 61/13 - Rn. 32 mwN; 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 (B) - Rn. 30, BAGE 148, 26).

46

b) Die BV Mindestlohn ist auch materiell wirksam.

47

aa) Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG greift nicht, denn es handelt sich um eine Angelegenheit, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt(BAG GS 3. Dezember 1991 -  GS 2/90  - zu C I 4 der Gründe, BAGE 69, 134 ; BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09  - Rn. 30 , BAGE 138 ,68).

48

Es liegt ein Fall der erzwingbaren Mitbestimmung vor. Die BV Mindestlohn beinhaltet eine Fälligkeitsbestimmung. Fälligkeit bezeichnet bei (Arbeits-)Vergütung den Zeitpunkt, wann diese zu entrichten ist (vgl. § 614 BGB). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG erfasst die Regelung des Zeitpunkts, zu dem die Arbeitsvergütung zu zahlen ist(vgl. BAG 22. Juli 2014 - 1 ABR 96/12 - Rn. 12, BAGE 148, 341). Eine die Beklagte bindende tarifliche Regelung besteht nicht.

49

bb) Die arbeitsvertragliche Fälligkeitsregelung wird durch die der BV Mindestlohn verdrängt, denn sie ist betriebsvereinbarungsoffen.

50

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) handelt es sich bei den arbeitsvertraglichen Regelungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die hiergegen erhobene Gehörsrüge der Klägerin genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Klägerin hat nicht konkret vortragen, welcher Vortrag übergangen sein soll (vgl. BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - Rn. 36, BAGE 109, 145).

51

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BAG 17. April 2013 - 10 AZR 281/12 - Rn. 12; 19. August 2015 - 5 AZR 450/14 - Rn. 14).

52

Die Arbeitsvertragsparteien können ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das kann ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen und ist nicht nur bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich, sondern auch bei einzelvertraglichen Abreden (vgl. BAG 17. Februar 2015 - 1 AZR 599/13 - Rn. 27). Eine konkludente Vereinbarung darf angenommen werden, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat. Mit der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen macht der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet sind, kann aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handelt, die einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen (vgl. BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 60).

53

Danach ist die arbeitsvertragliche Fälligkeitsregelung der Jahressonderzahlungen betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet. Es handelt sich um von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen mit kollektivem Bezug. Der Auszahlungszeitpunkt der Jahressonderzahlungen soll betriebseinheitlich geregelt werden. Dass der Vereinbarung der Fälligkeitsregelung in § 4 Arbeitsvertrag eine betriebsvereinbarungsfeste Individualvereinbarung zugrunde liegt, ist nicht ersichtlich.

54

c) Der Beklagten ist es nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht verwehrt, sich auf die Fälligkeitsregelung der BV Mindestlohn zu berufen. Ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten liegt nicht vor. Entgegen der Revision ist § 242 BGB nicht deshalb anzuwenden, weil die Beklagte die Wirkung der BV Mindestlohn unter die Bedingung gestellt habe, dass mit sämtlichen Arbeitnehmern Änderungsverträge zustande kommen. Die BV Mindestlohn selbst enthält keine solche Bedingung. Eine außerhalb der kollektiven Vereinbarung einseitig von der Beklagten formulierte Bedingung hätte überdies keinen rechtlichen Einfluss auf den Inhalt einer zwischen den Betriebspartnern geschlossenen Betriebsvereinbarung. Gleiches gilt für die Schreiben der Beklagten vom Dezember 2014 und Januar 2015.

55

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    Dombrowsky    

        

    Mattausch    

                 

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die im Betrieb anwendbaren Tarifverträge sowie rechtskräftige Beschlüsse nach § 99 des Arbeitsgerichtsgesetzes über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 anwendbaren Tarifvertrag im Betrieb bekanntzumachen.

(1) Der Arbeitgeber hat die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Fristen des Satzes 4 schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen:

1.
der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
2.
der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
3.
bei befristeten Arbeitsverhältnissen: das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,
4.
der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, daß der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann,
5.
eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
6.
sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit,
7.
die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung,
8.
die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen,
9.
bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes:
a)
die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat,
b)
die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden,
c)
der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
d)
die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat,
10.
sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,
11.
die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,
12.
ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung,
13.
wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist,
14.
das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden,
15.
ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.
Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Dem Arbeitnehmer ist die Niederschrift mit den Angaben nach Satz 2 Nummer 1, 7 und 8 spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung, die Niederschrift mit den Angaben nach Satz 2 Nummer 2 bis 6, 9 und 10 spätestens am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses und die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach Satz 2 spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen.

(1a) Wer einen Praktikanten einstellt, hat unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrages, spätestens vor Aufnahme der Praktikantentätigkeit, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Praktikanten auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen:

1.
der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
2.
die mit dem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele,
3.
Beginn und Dauer des Praktikums,
4.
Dauer der regelmäßigen täglichen Praktikumszeit,
5.
Zahlung und Höhe der Vergütung,
6.
Dauer des Urlaubs,
7.
ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Praktikumsverhältnis anzuwenden sind.
Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(2) Hat der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung länger als vier aufeinanderfolgende Wochen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen, so hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor dessen Abreise die Niederschrift nach Absatz 1 Satz 1 mit allen wesentlichen Angaben nach Absatz 1 Satz 2 und folgenden zusätzlichen Angaben auszuhändigen:

1.
das Land oder die Länder, in dem oder in denen die Arbeit im Ausland geleistet werden soll, und die geplante Dauer der Arbeit,
2.
die Währung, in der die Entlohnung erfolgt,
3.
sofern vereinbart, mit dem Auslandsaufenthalt verbundene Geld- oder Sachleistungen, insbesondere Entsendezulagen und zu erstattende Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten,
4.
die Angabe, ob eine Rückkehr des Arbeitnehmers vorgesehen ist, und gegebenenfalls die Bedingungen der Rückkehr.

(3) Fällt ein Auslandsaufenthalt nach Absatz 2 in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1), die durch die Richtlinie (EU) 2018/957 (ABl. L 173 vom 9.7.2018, S. 16) geändert worden ist, muss die Niederschrift nach Absatz 1 Satz 1 neben den Angaben nach Absatz 2 auch folgende zusätzliche Angaben enthalten:

1.
die Entlohnung, auf die der Arbeitnehmer nach dem Recht des Mitgliedstaats oder der Mitgliedstaaten, in dem oder in denen der Arbeitnehmer seine Arbeit leisten soll, Anspruch hat,
2.
den Link zu der einzigen offiziellen nationalen Website, die der Mitgliedstaat, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit leisten soll, betreibt nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems – („IMI-Verordnung“) (ABl. L 159 vom 28.5.2014, S. 11).

(4) Die Angaben nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis 8 und 10 bis 14 können ersetzt werden durch einen Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen. Ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 11 und 14 die jeweilige gesetzliche Regelung maßgebend, so kann hierauf verwiesen werden. Die Angaben nach Absatz 2 Nummer 2 und Absatz 3 Nummer 1 können ersetzt werden durch einen Hinweis auf konkrete Bestimmungen der einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Satzungen oder Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.

(5) Wenn dem Arbeitnehmer ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt worden ist, entfällt die Verpflichtung nach den Absätzen 1, 2 und 3, soweit der Vertrag die in den Absätzen 1 bis 4 geforderten Angaben enthält.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. August 2009 - 19 Sa 690/09 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Widerklage der Beklagten, mit der diese Schadensersatzansprüche gegenüber dem Kläger verfolgt.

2

Die Beklagte ist ein Bauunternehmen. Der Kläger war bei ihr seit 6. August 2007 als Maurer zu einem Stundenlohn von 12,40 Euro brutto bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Kraft Allgemeinverbindlichkeit fand auf das Arbeitsverhältnis der Bundesrahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes vom 4. Juli 2002 in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 20. August 2007 (BRTV) Anwendung.

3

Dieser Tarifvertrag enthält ua. folgende Bestimmung:

        

㤠15 Ausschlussfristen

        

1.    

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden; besteht bei Ausscheiden des Arbeitnehmers ein Arbeitszeitguthaben, beträgt die Frist für dieses Arbeitszeitguthaben jedoch sechs Monate.

        

2.    

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt die Verfallfrist von zwei Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens.“

4

Im April 2008 war der Kläger auf einer Baustelle in Polen eingesetzt. Diese wurde am 30. April 2008 vorläufig geräumt, um über das verlängerte Wochenende (1. Mai) zurück nach Deutschland zu fliegen. Die Beklagte hatte in einem Hotel in Polen einen Raum angemietet, in dem während der Abwesenheit der Arbeitnehmer deren Werkzeuge und persönliche Gegenstände deponiert werden konnten. Der Kläger nutzte diese Möglichkeit nicht, sondern packte seine persönlichen Gegenstände vor der Abreise nach Deutschland ein und tauschte bei der Ankunft in D auf dem Flughafen seine polnischen Devisen gegen Euro.

5

Am 2. Mai 2008 rief der Kläger bei der Beklagten an und teilte mit, er habe sich, als er seinem Großvater ins Auto geholfen habe, den Arm angestoßen, weshalb er zum Arzt müsse. In der Folgezeit meldete sich der Kläger nicht mehr bei der Beklagten, die den Kläger auch telefonisch nicht erreichen konnte. Mit Schreiben vom 7. Mai 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 26. Mai 2008. Seit dem 27. Mai 2008 steht der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Unternehmen. Am 23. Juni 2008 reichten die Eltern des Klägers eine von ihm gefertigte Stundenaufstellung für April und Mai 2008 bei der Beklagten ein. Außerdem übergaben sie eine am 2. Mai 2008 ausgestellte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 2. bis 16. Mai 2008 attestierte.

6

Mit Schreiben vom 5. November 2008, gerichtet an ihren Prozessbevollmächtigten, bezifferte die Beklagte die errechneten Kosten und Mehraufwendungen wegen der nicht erfolgten Arbeitsaufnahme des Klägers im Mai 2008.

7

Mit der am 19. November 2008 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger die Abrechnung und Auszahlung seiner Lohnansprüche für die Monate April und Mai 2008 begehrt.

8

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 5. März 2009, dem Klägervertreter am 12. März 2009 zugestellt, Widerklage erhoben. Mit dieser verlangt sie vom Kläger Erstattung der Mehrkosten iHv. 11.216,80 Euro, die durch sein Fehlen entstanden seien.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, die Monate April 2008 und Mai 2008 ordnungsgemäß abzurechnen und den sich aus der Abrechnung ergebenden Nettolohn an den Kläger auszuzahlen.

10

Die Beklagte hat beantragt,

        

die Klage abzuweisen,

        

und     

        

den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte einen Betrag iHv. 11.216,80 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Zur Begründung der Widerklage hat die Beklagte behauptet, der Kläger habe seine Erkrankung im Mai 2008 nur vorgetäuscht. Dies ergebe sich schon daraus, dass er sämtliche persönlichen Gegenstände von Polen nach Deutschland mitgenommen und sämtliche polnischen Devisen zurückgetauscht habe. Durch den plötzlichen Ausfall des Klägers sei eine Verzögerung der Baumaßnahmen von zehn Arbeitstagen eingetreten. Deshalb sei ein zweiter zehntägiger Arbeitseinsatz Ende Mai/Anfang Juni 2008 notwendig geworden. Hierfür seien Kosten für vier Flüge iHv. 539,60 Euro, Spesen für zehn Tage iHv. 700,00 Euro sowie Kosten für weitere Hotelübernachtungen iHv. 670,00 Euro, insgesamt 1.909,60 Euro angefallen. Für den Zeitraum des zweiten Arbeitseinsatzes sei ein anderweitiger Umsatz iHv. insgesamt 9.307,20 Euro weggefallen, da die Beklagte durch den zweiten Einsatz in Polen einen anderweitigen Auftrag verloren habe.

12

Der Kläger hat zur Widerklage die Ansicht vertreten, ein Arbeitgeber müsse das Risiko, dass ein Arbeitnehmer spontan ausfällt, zwangsläufig tragen. Es gehöre zu seinem wirtschaftlichen Unternehmerrisiko, dass ein Arbeitnehmer wie hier krankheitsbedingt ausfalle. Für eine derartige Situation habe der Arbeitgeber Vorsorge zu treffen bzw. die Konsequenzen zu tragen, wenn er dies versäume.

13

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

14

Nach Berufungseinlegung durch die Beklagte haben die Parteien den Rechtsstreit, soweit er sich auf die Klageforderung bezog, aufgrund eines in einem Parallelverfahren geschlossenen Vergleichs für erledigt erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat im Übrigen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Nach Zulassung der Revision durch den Senat verfolgt die Beklagte ihr Prozessziel im Rahmen der Widerklage nur noch hinsichtlich der Hauptforderung (ohne Zinsen) weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Etwaige Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger sind verfallen.

16

A. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten, mit der sie sich nur noch gegen die Abweisung ihrer Widerklage durch das Arbeitsgericht gewandt hatte, zurückgewiesen. Dazu hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Beklagten sei verfallen. Auf das Arbeitsverhältnis finde der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe kraft Allgemeinverbindlichkeit Anwendung. § 15 BRTV-Bau sehe eine zweistufige Ausschlussfrist vor, die auch einen Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers erfasse. Die Beklagte habe die zweistufige Ausschlussfrist schon auf der ersten Stufe nicht eingehalten. Die Fälligkeit des geltend gemachten Anspruchs sei spätestens am 5. November 2008 eingetreten, eine schriftliche Geltendmachung sei aber erst mit der Widerklage erfolgt, die dem Klägervertreter am 12. März 2009, dh. außerhalb der zweimonatigen Frist zugestellt worden sei. Der Verfall der Widerklageforderung sei auch nicht durch § 242 BGB ausgeschlossen.

17

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

18

I. Die zulässige Widerklage ist nicht begründet. Der Beklagten steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch iHv. 11.216,80 Euro nicht zu.

19

1. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Beklagten wäre, unabhängig von der Rechtsgrundlage auf die er gestützt werden könnte, mangels rechtzeitiger Geltendmachung nach § 15 BRTV verfallen und damit erloschen(vgl. BAG 30. März 1973 - 4 AZR 259/72 - BAGE 25, 169 = AP BGB § 390 Nr. 4 = EzA BGB § 390 Nr. 1; 18. Dezember 2008 - 8 AZR 105/08 - AP ZPO § 717 Nr. 9). Ausschlussfristen sind von den Gerichten für Arbeitssachen von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG 18. Dezember 2008 - 8 AZR 105/08 - aaO).

20

Nach § 15 BRTV verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden(1. Stufe). Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird (2. Stufe).

21

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft Allgemeinverbindlicherklärung der BRTV Anwendung.

22

aa) Der Betrieb der Beklagten ist ein Betrieb des Baugewerbes, der gemäß § 1 Abs. 2 BRTV unter den betrieblichen Geltungsbereich dieses Rahmentarifvertrags fällt. Dies ist zwischen den Parteien nicht streitig.

23

bb) Aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnormen des BRTV sowohl den Kläger als auch die Beklagte, unabhängig, ob diese tarifgebunden sind oder nicht, § 5 Abs. 4 TVG.

24

b) Die tarifvertragliche Ausschlussfrist des § 15 BRTV gilt auch für den von der Beklagten geltend gemachten Schadensersatzanspruch, selbst wenn eine vorsätzliche Pflicht- oder Rechts(gut)verletzung durch den Kläger vorliegen sollte. Dies ergibt eine sachgerechte Auslegung der Tarifnorm.

25

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist stets abzustellen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Verbleiben noch Zweifel, können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Reglung führt (st. Rspr., vgl. BAG 11. November 2010 - 8 AZR 392/09 - mwN, NZA 2011, 763). In ständiger Rechtsprechung geht das Bundesarbeitsgericht für tarifvertragliche Ausschlussfristen zudem davon aus, dass diese im Hinblick auf ihre Wirkung grundsätzlich eng auszulegen sind (vgl. BAG 4. April 2001 - 4 AZR 242/00 - mwN, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 156 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 141). Allerdings kann dieser Grundsatz erst dann greifen, wenn die Mittel der Auslegung erschöpft sind und dabei kein eindeutiges Ergebnis zu erzielen war (vgl. Wiedemann/Wank 7. Aufl. § 4 TVG Rn. 800).

26

bb) Nach § 15 Abs. 1 BRTV unterfallen der Ausschlussfrist „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“. Bereits nach dem Wortlaut sollen „alle beiderseitigen“, dh. wechselseitigen Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien der Klausel unterliegen. Es ergeben sich aus der Formulierung der Tarifnorm keine Anhaltspunkte dafür, dass nur bestimmte Ansprüche gemeint sind und insbesondere solche wegen vorsätzlich begangener, ggf. auch unerlaubter Handlungen ausgenommen sein sollen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterfallen wegen des einheitlichen Lebensvorgangs nicht nur vertragliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche einer Klausel, die „alle … Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ einer bestimmten Frist zur Geltendmachung unterwirft, sondern auch solche aus unerlaubter Handlung iSd. §§ 823, 826 BGB(vgl. BAG 30. Oktober 2008 - 8 AZR 886/07 - EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 192). Die Tarifvertragsparteien verfolgen mit der weiten Formulierung das Ziel, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit herbeizuführen. Die Arbeitsvertragsparteien sollen sich darauf verlassen können, dass nach Fristablauf der jeweilige Vertragspartner keine Ansprüche mehr erhebt (vgl. ErfK/Preis 11. Aufl. §§ 194 - 218 BGB Rn. 32). Dem entspricht es am ehesten, alle Ansprüche aus einem einheitlichen Lebensvorgang nach einer gewissen Zeit jedem rechtlichen Streit zu entziehen. Anknüpfungspunkt ist für die Tarifvertragsparteien weniger die Rechtsgrundlage für den Anspruch als vielmehr der Anlass seines jeweiligen Entstehens (vgl. Wiedemann/Wank 7. Aufl. § 4 TVG Rn. 807 mwN; BAG 10. August 1967 - 3 AZR 221/66 - BAGE 20, 30 = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 37). Ergibt sich somit aus dem Wortlaut eindeutig eine einschränkungslose Erfassung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, so bleibt kein Raum für die von der Rechtsprechung geforderte enge Auslegung von Ausschlussfristen (vgl. BAG 21. Januar 2010 - 6 AZR 556/07 - AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 3 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 196).

27

c) Die tarifvertragliche Ausschlussfrist in § 15 BRTV ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

28

aa) Die Gerichte für Arbeitssachen haben Tarifverträge daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht vereinbar sind, nicht hingegen darauf, ob die jeweilige tarifliche Regelung die gerechteste und zweckmäßigste Lösung darstellt (st. Rspr., vgl. BAG 22. September 1999 - 10 AZR 839/98 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 226 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 132).

29

bb) § 15 BRTV ist nicht nach §§ 134, 202 Abs. 1 BGB nichtig bzw. teilnichtig.

30

Das Arbeitsverhältnis der Parteien begann am 6. August 2007, so dass auf dieses das BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung Anwendung findet.

31

Nach § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Die Vorschrift ergänzt den allgemeinen Grundsatz des § 276 Abs. 3 BGB, wonach die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden kann. § 202 Abs. 1 BGB erfasst nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen. § 202 BGB stellt eine Verbotsnorm im Sinne von § 134 BGB dar. So hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist, sofern sie auch vorsätzliche Vertragsverstöße und vorsätzlich begangene unerlaubte Handlungen erfassen sollte, als teilnichtig angesehen (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19 = AP BGB § 310 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3).

32

§ 202 Abs. 1 BGB steht jedoch einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist, die auch Schadensersatzansprüche aus vorsätzlichem Handeln erfasst und nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 Abs. 4 TVG normative Wirkung entfaltet, nicht entgegen.

33

§ 202 Abs. 1 BGB spricht von einer Erleichterung der Haftung wegen Vorsatzes „durch Rechtsgeschäft“. Damit wird bereits nach dem Wortlaut der Norm auf einen Tatbestand abgestellt, der sich aus Willenserklärungen ergibt. Die amtliche Überschrift von § 202 BGB spricht zwar in Abweichung vom Wort „Rechtsgeschäft“ von „Vereinbarungen über die Verjährung“, jedoch folgt auch hieraus, dass sich § 202 BGB auf Verjährungsregelungen durch Parteivereinbarung bezieht und die Vertragsfreiheit der Parteien insoweit einschränkt. Auch die Gesetzesbegründung spricht von der Disposition der Parteien, von Parteivereinbarung bzw. dem Interesse beider Parteien (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 109 f.). § 202 BGB bezieht sich damit losgelöst von den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets ausschließlich auf die Parteien des materiellrechtlichen Anspruchs, um dessen Verjährung es geht(vgl. MünchKommBGB/Grothe 5. Aufl. § 202 BGB Rn. 4; Staudinger/Peters/Jacoby [2009] § 202 BGB Rn. 6; BeckOK Bamberger/Roth/Henrich Stand 1. März 2011 BGB § 202 Rn. 4). Der Gesetzgeber hat daher auch darauf verzichtet, die Grundaussage des § 225 Satz 2 BGB aF, wonach verjährungserleichternde Vereinbarungen grundsätzlich zulässig waren, in das modernisierte Schuldrecht aufzunehmen, da dies ohnehin Bestandteil der allgemeinen Vertragsfreiheit ist(vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 110). Soweit § 202 BGB nicht einschlägig ist, verjährungsverändernden Regelungen also nicht entgegensteht, verbleibt es bei der Dispositivität der Verjährungsregeln. Für individualvertragliche Vereinbarungen zur Verjährungserleichterung besteht nach § 202 Abs. 1 BGB die Einschränkung, dass - unabhängig von der Rechtsnatur des Anspruchs - die Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus erleichtert werden darf. Als „Rechtsgeschäft“ im Sinne von § 202 BGB kommen vertragliche Individualvereinbarungen und Vereinbarungen aufgrund Allgemeiner Geschäftsbedingungen in Betracht.

34

Eine „Vereinbarung“ im Sinne von § 202 Abs. 1 BGB liegt allerdings nicht vor, wenn auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ein Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifbindung oder kraft Allgemeinverbindlicherklärung zwingend Anwendung findet(§ 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 Abs. 4 TVG) (aA Matthiessen Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen S. 205; Matthiessen/Shea DB 2004, 1366, 1368; Lakkis in jurisPK-BGB 5. Aufl. § 202 Rn. 14; dies. AcP 2003, 763, 768, jeweils ohne weitere Auseinandersetzung mit dem Wortlaut von § 202 BGB).

35

Gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien ein Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifbindung, so gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG. Die Rechtsnormen eines Tarifvertrags sind Gesetze im materiell-rechtlichen Sinne und erfüllen den Gesetzesbegriff des Art. 2 EGBGB(BAG 14. Juni 1994 - 9 AZR 284/93 - BAGE 77, 81 = AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 21 = EzA BGB § 125 Nr. 11). Für die Tarifgebundenen entspricht die Regelungswirkung daher derjenigen anderer Gesetze. Aufgrund dieser normativen Wirkung des Tarifvertrags, die gerade nicht Ausdruck der privatautonomen Gestaltung der Arbeitsvertragsparteien ist, handelt es sich bei den zwingend und unmittelbar geltenden Rechtsnormen eines Tarifvertrags nicht um ein „Rechtsgeschäft“ im Sinne von § 202 BGB, sondern um eine gesetzliche Regelung im Sinne von Art. 2 EGBGB.

36

Gleiches gilt, wenn - wie im Streitfalle - die tariflichen Regelungen nach § 5 Abs. 4 TVG aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung Anwendung finden.

37

Ob eine individualvertragliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien und damit ein Rechtsgeschäft im Sinne von § 202 BGB jedoch dann vorliegt, wenn ein Tarifvertrag aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel insgesamt Anwendung findet oder wenn allein bezüglich der Ausschlussfristen ein Tarifvertrag Anwendung finden soll, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.

38

Eine Inhaltskontrolle des Tarifvertrags nach §§ 305 ff. BGB schließt § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB aus.

39

cc) Die Ausschlussfrist verstößt auch nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht.

40

Die Gerichte für Arbeitssachen haben Ausschlussfristen in Tarifverträgen wie sonstige tarifliche Regelungen nur einer eingeschränkten Kontrolle dahin gehend zu unterziehen, ob die Ausschlussfrist bzw. Regelung mit höherrangigem Recht vereinbar ist (vgl. BAG 22. September 1999 - 10 AZR 839/98 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 226 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 132). Eine Angemessenheitskontrolle findet damit nicht statt. Dieser eingeschränkte Kontrollmaßstab wird durch § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB bestätigt(vgl. Weyand in Ausschlussfristen im Tarifrecht Kapitel 2 Rn. 71; Krause RdA 2004, 106, 111). Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass dem § 15 BRTV entsprechende Ausschlussfristen im Baubereich nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen, insbesondere nicht sittenwidrig sind oder gegen Treu und Glauben verstoßen(vgl. BAG 22. September 1999 - 10 AZR 839/98 - aaO; 16. November 1965 - 1 AZR 160/65 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 30 = EzA TVG § 4 Nr. 9).

41

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Tarifvertragsparteien in § 15 BRTV eine Regelung getroffen haben, die im Hinblick auf ihre Weite auch Schadensersatzansprüche aufgrund vorsätzlicher Handlungen erfasst und daher von den Arbeitsvertragsparteien im Hinblick auf § 202 Abs. 1 BGB nicht wirksam im Arbeitsvertrag vereinbart werden könnte. Diese Privilegierung der Tarifvertragsparteien ergibt sich gerade aus der gesetzlichen Regelung des § 202 BGB, die ausschließlich für individualrechtliche Vereinbarungen gilt. § 202 BGB erweist sich damit als tarifdispositives Gesetzesrecht.

42

d) Etwaige Schadensersatzansprüche hätte die Beklagte in der ersten Stufe innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber dem Kläger schriftlich erheben müssen (§ 15 Abs. 1 BRTV). Das war nicht der Fall.

43

aa) Ein Anspruch ist regelmäßig erst dann im Sinne einer Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann (vgl. BAG 27. Oktober 2005 - 8 AZR 3/05 - AP BGB § 310 Nr. 5 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 181). Bei Schadensersatzansprüchen tritt Fälligkeit daher ein, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist und geltend gemacht werden kann (vgl. BAG 20. Juni 2002 - 8 AZR 488/01 - EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 11). Feststellbar ist der Schaden, sobald der Gläubiger vom Schadensereignis Kenntnis erlangt oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt Kenntnis erlangt hätte (vgl. BAG 27. April 1995 - 8 AZR 582/94 -; 16. Mai 1984 - 7 AZR 143/81 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 85 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 58). Geltend gemacht werden können Schadensersatzforderungen, sobald der Gläubiger in der Lage ist, sich den erforderlichen Überblick ohne schuldhaftes Zögern zu verschaffen und er seine Forderungen wenigstens annähernd beziffern kann (vgl. BAG 30. Oktober 2008 - 8 AZR 886/07 - EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 192). Zur Fälligkeit der Forderung reicht es aus, wenn der Gläubiger die Ansprüche so deutlich bezeichnen kann, dass der Schuldner erkennen kann, aus welchem Sachverhalt und in welcher ungefähren Höhe er in Anspruch genommen werden soll. Dementsprechend muss zumindest die ungefähre Höhe der Forderung vom Gläubiger benannt werden. Die Fälligkeit eines Schadensersatzanspruchs setzt darüber hinaus voraus, dass ein Schaden überhaupt entstanden ist. Erst mit der Entstehung des Schadens kann auch ein Schadensersatzanspruch entstehen (vgl. BAG 14. Dezember 2006 - 8 AZR 628/05 - mwN, AP BGB § 618 Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 618 Nr. 2).

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bb) Mit Schreiben vom 5. November 2008 hat die Beklagte gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten die nach ihrer Auffassung durch das Fehlen des Klägers nach dem ersten Maiwochenende notwendig gewordenen Aufwendungen bzw. eingetretenen Schäden im Einzelnen nach Hotelübernachtungskosten, Flügen, Spesen etc. beziffert. Aus den dort genannten Einzelposten hat sie die Widerklageforderung iHv. 11.216,80 Euro errechnet. Die Beklagte war damit spätestens am 5. November 2008 in der Lage, die von ihr behaupteten Ansprüche zu benennen und zu beziffern. Folglich trat spätestens zu diesem Zeitpunkt Fälligkeit ein. Die Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 1 BRTV endete damit am 5. Januar 2009 (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die mit Schriftsatz vom 5. März 2009 erhobene, dem Klägervertreter am 12. März 2009 zugestellte Widerklage hat diese Frist nicht gewahrt. Eine frühere schriftliche Geltendmachung, aus welcher der Kläger Grund und ungefähre Höhe des behaupteten Anspruchs hätte entnehmen können, ist nicht festzustellen. Insbesondere stellt der bloße Hinweis der Beklagten in der Klageerwiderung vom 23. Dezember 2008, durch die Kündigung des Klägers seien der Beklagten erhebliche Schäden entstanden, die im Zweifel noch weiter beziffert würden, keine ausreichende Geltendmachung im Sinne von § 15 Abs. 1 BRTV dar. Eine solche, nach Grund und ungefährer Höhe spezifizierte Geltendmachung war auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil dem Kläger die ungefähre Schadenshöhe bekannt gewesen wäre (vgl. BAG 16. Dezember 1971 - 1 AZR 335/71 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 48 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 8). Dass dies der Fall war, wird von der Beklagten nicht einmal behauptet.

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e) Eine Berücksichtigung der Ausschlussfrist zugunsten des Klägers ist auch nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen.

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aa) Zunächst gilt, dass die fehlende Kenntnis von Existenz und Inhalt einer Ausschlussfrist den Verfall des Anspruchs unberührt lässt (allg. Meinung, vgl. BAG 16. August 1983 - 3 AZR 206/82 - AP TVG § 1 Auslegung Nr. 131 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 56). Eine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit gemäß § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung stellt die Berufung auf eine Ausschlussfrist dann dar, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit des Gläubigers hinsichtlich der erforderlichen Geltendmachung des Anspruchs durch ein Verhalten des Schuldners veranlasst worden ist. Der Schuldner muss also den Gläubiger von der Geltendmachung des Anspruchs bzw. der Einhaltung der Verfallfrist abgehalten haben. Das wird zB angenommen, wenn der Schuldner durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen dem Gläubiger die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hat bzw. an objektiven Maßstäben gemessen den Eindruck erweckt hat, der Gläubiger könne darauf vertrauen, dass der Anspruch auch ohne Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist erfüllt werde (vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 8 AZR 8/02 - BAGE 103, 71 = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 169 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 158).

47

bb) Dies war vorliegend nicht der Fall. Zwar meint die Beklagte sinngemäß, der Kläger habe mit dem Klageantrag, gerichtet auf Abrechnung und Auszahlung des sich aus den Abrechnungen ergebenden Nettobetrags, zu erkennen gegeben, dass noch Ansprüche - ggf. auch wechselseitige - offen stünden. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Der Kläger hat nur eigene Entgeltansprüche für April und Mai 2008 geltend gemacht und keine Erklärung dahin gehend abgegeben, seinerseits Ansprüche der Beklagten erfüllen zu wollen. Insbesondere hat er die Beklagte nicht an einer Geltendmachung ihrer Ansprüche gehindert. Die Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung auf Schadensersatzansprüche ihrerseits hingewiesen. Dass sie diese nicht innerhalb der Ausschlussfrist in der notwendigen Art und Weise geltend gemacht hat, ist nicht auf Erklärungen oder ein Verhalten des Klägers zurückzuführen, sondern liegt allein in ihrem Verantwortungsbereich.

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II. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Schuckmann    

        

    F. Avenarius    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.