Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 31. Okt. 2016 - 3 Sa 299/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:1031.3SA299.16.0A
bei uns veröffentlicht am31.10.2016

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17.05.2016 - 11 Ca 2785/15 - wird ebenso wie der Auflösungsantrag auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat, oder aber nicht, sowie im Berufungsverfahren des Weiteren darüber, ob die Beklagte vorsorglich die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung verlangen kann.

2

Die Beklagte ist ein international tätiger Systemlieferant und bietet Komplettlösungen für die Gießerei-Industrie im Bereich pneumatischer Förderanlagen sowie im Servicebereich verschiedene Fahrzeuge an. Zur Produktpalette der Beklagten gehören u.a. stationäre und mobile Besandungsanlagen sowie Sandstreugeräte für Schienenfahrzeuge. Weiter beschäftigt sich die Beklagte mit der Altsandrückgewinnung in Gießereien. Sie beschäftigt ca. 50 Mitarbeiter.

3

Der 1963 geborene Kläger war bei der Beklagten auf der Grundlage eines zunächst am 15.10.2012 befristet abgeschlossenen Arbeitsertrages beschäftigt. Er ist ausgebildeter Bauingenieur.

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§ 2 des schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 15.10.2012 hat folgenden Wortlaut:

§ 2

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Tätigkeit, Einsatzort und Zuständigkeit

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1. Der Arbeitnehmer wird angestellt für die Forschung und Entwicklung am Firmensitz. Der Aufgabenbereich und die Zuständigkeiten sind aus der als Anlage 1 beigefügten "Stellenbeschreibung" zu ersehen, die Bestandteil dieses Vertrages ist.

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2. Der Arbeitnehmer ist gemäß dem als Anlage 2 beigefügten "Organigramm" dem Vorstand mit dem Ressort "Verwaltung/Finanzen" unterstellt.

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3. Die Firma behält sich vor, dem Arbeitnehmer andere, seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeiten, zuzuweisen.

9

Die Anlage 1 (Stellenbeschreibung) vom 15.10.2012 hat u.a. folgenden Inhalt:

10

"…

11

8. Stellenziele:

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- Entwicklung innovativer marktgerechter Produkte und Verfahren, nach Aufgabenstellung der Geschäftsleitung.

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- Weiterentwicklung vorhandener Produkte und Verfahren, nach Aufgabenstellung der Geschäftsleitung.

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9. Aufgaben und Kompetenzen Die Übertragung on hier nicht erwähnten Entscheidungskompetenzen erfolgt im Einzelfall durch die übergeordnete Stelle

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Die wesentlichen Aufgaben sind zu ersehen im QM-Handbau aus den Prozess / Flow-Charst

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FCH-7.04 - Produktentwicklung

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Detailliert ist für die Entwicklungsarbeit folgendes verantwortlich wahrzunehmen.

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- Leitung der Versuchswerkstatt,

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- Konstruktion von Neuentwicklungen, in enger Kooperation mit der Konstruktionsabteilung, bis zum Bau von Prototypen,

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- Erstellung der Dokumentation für die einzelnen Entwicklungsprojekte, mit Beschreibungen, Betriebsanleitungen, Datenblättern, Versuchsprotokollen etc.

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- Erstellung von Zeichnungen und Stücklisten für die Fertigung, am Ende der einzelnen Entwicklungsprojekte, in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung Konstruktion."

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Bei der Einstellung des Klägers waren sich die Parteien darüber im Klaren, dass der Kläger das zunächst gestellte Anforderungsprofil in Bezug auf seine fachliche Ausbildung nur bedingt erfüllen konnte. Mit entscheidend für die Einstellung des Klägers war aber, dass dieser einen sogenannten "Sanddübel" hat patentieren lassen. Dies erschien der Beklagten eine erfolgversprechende Idee zu sein, weshalb die Parteien u.a. planten, das "Sanddübel-Projekt" zur Marktreife zu führen. Die Arbeiten daran führte der Kläger allerdings weitgehend in seiner Freizeit durch.

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Der zwischen den Parteien bestehende befristete Arbeitsvertrag wurde ab dem 15.10.2013 entfristet. Die regelmäßige monatliche Arbeitszeit des Klägers beträgt 138 Stunden bei einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 4.687,78 €. Der Grund für die im Verhältnis zu einer Vollzeitstelle herabgesetzte Arbeitszeit liegt darin begründet, dass der Kläger eigenständig am Sanddübel-Projekt arbeiten wollte.

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Unter der Bezeichnung "B. C." bietet die Beklagte ein Bremssandstreusystem für verschiedene Fahrzeuge an. Die Arbeit an diesem Projekt bildete einen Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten. Es wurde auf einer 1. Stufe im Dezember 2014 technisch abgeschlossen. Es konnte Anfang 2015 bei der XY AG zur Betriebserprobung an einer Lokomotive installiert und an mehreren Tagen getestet worden.

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Im Sommer 2013 bot der sich im Ruhestand befindliche vormalige Entwicklungsleiter der Beklagten diese eine neue Verfahrenstechnik unter der Bezeichnung "Cl." an. Gegenstand des Cl.-Verfahrens ist die Regeneration von an-organischem Sand. Der Kläger berichtete den Entwicklungsvorschlag auf Seiten der Beklagten, hielt ihn aber nicht für erfolgversprechend. Das Angebot des ehemaligen Entwicklungsleiters lehnte die Beklagte folglich ab. Im Oktober 2013 stellte die Beklagte nach Vermittlung des Klägers als weiteren Entwicklungsingenieur Dr. S. ein. Dieser ist Diplom-Ingenieur Maschinenbau. 2014 bot der ehemalige Entwicklungsleiter der Beklagten das Cl.-Verfahren erneut an. Dieses Mal unter Einbeziehung von Herrn Dr. S. entschied sich die Beklagte in dieses Projekt einzusteigen und dessen Entwicklung voranzutreiben. Im Sommer 2015 entschied der Vorstand der Beklagten, die Energien des Unternehmens auf die zügige Entwicklung der Cl.-Anlage und deren Einführung am Markt zu konzentrieren. Aus diesem Grund traf der Vorstand ebenfalls die Entscheidung, das Sanddübel-Projekt nicht weiter zu verfolgen. Auch entschied die Beklagte, die weitere Entwicklung an dem Bremssandstreu-System nicht weiter fortzuführen.

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Mit Schreiben vom 04.08.2015, zugegangen am 07.08.2015, hat die Beklagte daraufhin das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.09.2015, bzw. zum nächst zulässigen Termin gekündigt. Hinsichtlich des Inhalts der Kündigungserklärung wird auf Bl. 21 d. A. Bezug genommen.

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Dagegen richtet sich die am 19.08.2015 beim Arbeitsgericht eingegangene Kündigungsschutzklage.

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Der Kläger hat vorgetragen,

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während des Arbeitsverhältnisses habe es nie Probleme gegeben, die daraus resultiert hätten, dass er Bauingenieur und nicht Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau gewesen sei. Schwerpunkt seiner Arbeit sei die Fortentwicklung des B.rojekts gewesen. Dieses sei in zeitlichen Verzug geraten, weil das eingeplante Personal für die Durchführung des Projekts entweder nicht hinreichend ausgebildet gewesen sei oder im geplanten Entwicklungszeitraum zur Entwicklungsarbeit nicht zur Verfügung gestanden habe. Dies sei der Grund für die Einstellung von Herrn Dr. S. gewesen. Für die XYfachmesse I.2014 habe er aufgrund einer personellen Überforderung des Vertriebs die Produktion eines Werbefilms für die neuen B. Produkte übernommen. Ein weiteres Projekt, das von ihm mitentwickelt worden sei, sei die Entwicklung einer säurefesten Konstruktion für die S.-M. Kernsandmischer. Darüber hinaus sei er im Bereich der Weiterentwicklung der Besandung tätig gewesen. Im Hinblick auf das Cl. Projekt sei aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich gewesen, wie das Projekt hauptsächlich funktionieren soll. Später sei ihm mitgeteilt worden, dass seine Mitarbeit an diesem Projekt ausdrücklich unerwünscht sei.

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Insgesamt verfüge er über die notwendigen Kenntnisse, um die Entwicklungsarbeiten und Entwicklungsprojekte der Beklagten erfolgreich durchführen zu können.

31

Zur weiteren Darstellung des streitigen Vorbringens des Klägers im erstinstanzlichen Rechtszug wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 6 - 8 der angefochtenen Entscheidungen (= Bl. 172 - 174 d. A.) Bezug genommen.

32

Der Kläger hat beantragt,

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1) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 4.8.2015, zugegangen am 7.8.2015, nicht aufgelöst worden ist.

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2) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern dass es über den 30.9.2015 hinaus fortbesteht

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat vorgetragen,

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der Kläger sei ausschließlich mit der Verwaltung von Patenten und der Weiterentwicklung des Bremssandstreusystems B.C. beschäftigt gewesen. Alle weiteren Aufgaben seien unerledigt geblieben. Mit der Entscheidung für eine Intensivierung der Arbeiten am Cl. Projekt und der Einstellung des Sandbügelprojekts sowie der Einstellung der Fortentwicklung der Br. Projekte sei der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen. Die Weiterentwicklung des Kernsandmischers S.-M. sei wesentlich durch die Konstruktion in der Auftragsabwicklung erfolgt. Im Übrigen sei dieser weiterentwickelte Kernsandmischer nur einmal verkauft worden. Die vom Kläger behauptete Weiterentwicklung der Besandung habe es nicht gegeben. Die Beklagte habe weiterhin die Entscheidung getroffen, zukünftig in der Entwicklung nur noch mit Maschinenbauingenieuren zu arbeiten. Die Entwicklung neuer technischer Produkte erfordere zwingend Konstruktionskenntnisse. Die Verwaltung der Patente, die durch den Kläger vorgenommen worden sei, werde nunmehr von den Mitarbeitern des Vertriebs in Zusammenarbeit mit dem technischen Büro übernommen. Die Beklagte werde zukünftig nur noch mit einem Entwicklungsingenieur arbeiten. Dieser, Herr Dr. S., werde sich vorrangig um die Entwicklung der sog. Cl.-Anlagen kümmern. Es komme ihr, der Beklagten, insoweit gerade auf die Kenntnisse eines Maschinenbauingenieurs an.

39

Zur weiteren Darstellung des streitigen Vorbringens der Beklagten im erstinstanzlichen Rechtszug wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 9 - 12 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 175 - 178 d. A.) Bezug genommen.

40

Das Arbeitsgericht Koblenz hat daraufhin durch Urteil vom 17.05.2016 - 11 Ca 2785/15 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 04.08.2015, zugegangen am 07.08.2015, nicht aufgelöst wurde. Die weitergehende Klage hat es dagegen abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 168 - 191 d. A. Bezug genommen.

41

Gegen das ihr am 13.06.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 12.07.2016 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 14.09.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 04.08.2016 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 19.09.2016 einschließlich verlängert worden war.

42

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor bereits nach kurzer Zeit habe sich herausgestellt, dass der Kläger die an ihn gestellten Erwartungen und Anforderungen auch nicht ansatzweise erfüllt habe. Deshalb sei im Oktober 2013 Herr Dr. S. eingestellt worden. Der Kläger habe mangelndes Engagement gezeigt und behauptet, mit der Patentverwaltung ausgelastet zu sein. Diese beanspruche aber maximal eine Arbeitsbelastung von einem Tag im Monat. Der Kläger habe insoweit nach dem 31.12.2014 nicht mehr gewinnbringend projektbezogen für die Beklagte gearbeitet. Er müsse sich offensichtlich ausschließlich während der Arbeitszeit mit dem Sanddübelprojekt beschäftigt haben. Darüber gebe es jedoch keine eingebuchten nachweisbaren Stunden. Hinsichtlich des Cl.-Projekts habe der Vorstand der Beklagten im Sommer 2015 gegen das Petitum des Klägers beschlossen, alle Energien auf die Fortentwicklung dieser Anlage zu konzentrieren. Hinsichtlich des Projekts Sandbügel sei die Entscheidung gefallen, es einzustellen, weil eine wirtschaftliche Fortentwicklung nicht durchführbar sein würde. Dem Kläger sei insoweit Gelegenheit gegeben worden, eine erfolgreiche Markteinführung anhand von hochgerechneten Vertriebszahlen zu präsentieren. Auf diese Anforderung hin habe die Beklagte einen 7 Jahre alten Business-Plan durch den Kläger erhalten. Natürlich habe sie es abgelehnt, auf dieser Basis das Projekt weiter zu betreiben. Für das Cl.-Projekt dagegen seien Pneumatik-Kenntnisse, vertiefte Kenntnisse im Maschinenbau und der Gießerei-Technik erforderlich. Dieses Anforderungsprofil könne der Kläger auch nicht ansatzweise erfüllen. Darüber hinaus seien CAD-Konstruktionskenntnisse unabdingbar. Folglich funktioniere die ursprüngliche Stellenbeschreibung nicht mehr. Für das Cl.-Projekt sei ein Maschinenbauingenieur zwingend notwendig. Der Kläger sei nicht in der Lage gewesen, das Cl.-Projekt professionell und wissenschaftlich fundiert zu begleiten und zur Marktreife zu bringen. Folglich sei es die durchaus legitime unternehmerische Entscheidung gewesen, das Anforderungsprofil für den Entwicklungsingenieur der Entwicklungs- bzw. Auftragslage anzupassen. Dazu komme in der Beurteilung der Leistungen eines Profils des Klägers, dass dieser schon beim B.-Projekt zusätzliche Konstrukteure benötigt habe, weil er erhebliche Leistungsdefizite aufweise.

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Dem Kläger sei im Juli 2015 vom Vorstand der Beklagten mitgeteilt worden, dass das Sandbügel-Projekt eingestellt werde. Daraufhin habe der Kläger erklärt, dass er sich dann an andere Partner wenden müsse. Es wurde ein Aufhebungsvertrag diskutiert, der dann per E-Mail des Klägers vom 20.07.2015 unsachgemäß und herabwürdigend kommentiert worden sei. Daraus ergebe sich eine geradezu maßlose Konfrontation gegenüber dem Vorstandsmitglied Herrn B.. Die Beklagte habe dann die unternehmerische Entscheidung getroffen, künftig in der Entwicklung nur noch mit einem Entwicklungsingenieur zu arbeiten, der die Qualifikationen zum Maschinenbauingenieurs mit CAD-Konstruktionskenntnissen habe. Sie habe sich somit im Interesse eines rationellen Einsatzes des Personals entschlossen, die Anzahl der Arbeitnehmer zu reduzieren, um die vorhandene Arbeit auf weniger Schultern zu verteilen. Es gebe nunmehr nur das Cl.-Projekt, das ohne überobligatorische Mehrarbeit von einem qualifizierten Maschinenbauingenieur betreut und zur Marktreife geführt werden könne. Auch die Größe der Firma der Beklagten mit 55 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 11 bis 13 Millionen Euro erfordere keine zwei Entwicklungsingenieure. Eine Sozialauswahl zwischen dem Kläger und Herrn Dr. S. sei nicht durchzuführen, da Herr Dr. S. aufgrund seiner besonderen beruflichen Qualifikation als Maschinenbauingenieur mit dem Kläger nicht vergleichbar sei.

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Aufgrund der geradezu anmaßenden Ausführung des Klägers ist in seiner E-Mail vom 20.07.2015, hinsichtlich deren Inhalts auf Bl. 247 d. A. Bezug genommen wird, bestehe nunmehr das Erfordernis hilfsweise einen Auflösungsantrag zu stellen.

45

Der Beklagten sei es nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Der Kläger habe einem bei der beiden Vorstandsmitglieder persönlich Millionen Schadensersatzforderungen angedroht. Auch sei es fatal für die Beklagte, wenn der Kläger weiterbeschäftigt werde und damit in Kontakt mit dem Cl.-Projekt käme. Im Umkreis der Beklagten seien etliche Konkurrenzunternehmen angesiedelt, die nur darauf warteten, entsprechende Informationen zu erhalten, um nicht unerhebliche Entwicklungskosten sparen zu können.

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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 14.09.2016 (Bl. 228 bis 240 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 241 bis 252 d. A.) Bezug genommen.

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Die Beklagte beantragt,

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1. auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17.05.2016, Aktenzeichen: 11 Ca 2785/15, abgeändert und die Klage abgewiesen,

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2. hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber 6 Monatsverdienste des Klägers nicht überschreiten sollte, zum 30.09.2015 aufzulösen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung einschließlich des Auflösungsantrages zurückzuweisen.

52

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, das Sanddübel-Projekt sei im Rahmen des Anstellungsverhältnisses kein Gegenstand, sondern allein im Freizeitbereich bzw. selbständigen Tätigkeit des Klägers zugeordnet gewesen. Mit seinem Arbeitsantritt als Entwicklungsingenieur im Oktober 2012 sei der Kläger in die von ihm vorrangig konkret zu bearbeitenden Aufgaben eingewiesen worden, nämlich die sofortige Leitung der Versuchswerkstatt, die sofortige Übernahme des laufenden Projekts B. und mittelfristig die organisatorische Trennung bzw. kaufmännische Abgrenzung der Innovationsentwicklungen von den auftragsbezogenen Entwicklungsarbeiten. Die ebenfalls übernommene Verwaltung aller Patente habe sich im Wesentlichen auf jährlich wiederkehrende Erinnerungen der Patentanwaltskanzlei an Gebührenzahlungen zur Aufrechterhaltung der Bestandsschutzrechte vorhandener Patente beschränkt. Ihm sei auch u. a. die Beobachtung des Marktes, selbständige Patentrecherchen und die Beobachtung des Wettbewerbs übertragen worden. Für die Erledigung der Aufgaben des Klägers seien CAD Konstruktionskenntnisse nicht erforderlich. Das sei auch im Rahmen der Einstellung so gesehen worden. Als im Juli 2013 der Zwischenbericht zum Projekt B. habe abgegeben werden müssen, sei absehbar gewesen, dass die verfügbaren Zeit- und Personalressourcen für einen erfolgreichen Projektabschluss im ursprünglichen Bewilligungszeitraum bis zum 31.07.2014 nicht ausreichten. Dementsprechend sei Herr Dr. S. ab dem 07.10.2013 eingestellt worden, als Projektmitarbeiter mit den Teilzeitfaktor 0,60. Der Kläger selbst habe noch die Teilaufgaben "geregeltes Freiblasen des Sandungsschlauches" und die Entwicklung einer Ausblasdüse als Sandungshilfe zu lösen gehabt, wofür umfangreiche Patentrecherchen notwendig gewesen seien. Neben diesem Projekt seien auch weitere Entwicklungsaufgaben verblieben, die für das Jahr 2015 eingeplant gewesen seien. Dazu habe insbesondere die Installation einer (erfolgreichen) Betriebserprobung bei der XY AG in F. gehört.

53

Hinsichtlich des Cl.-Projekts treffe es nicht zu, dass der Kläger das Projekt weg beurteilt habe aus Sorge darum, dass dann sein Sanddübel-Projekt eingestellt werde. Vielmehr sei er gebeten worden, sich von dem Projekt und den Kollegen fern zu halten. Es treffe nicht zu, dass für dieses Projekt ein Maschinenbauingenieur zwingend notwendig sei.

54

Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien sei der Beklagten nicht unzumutbar. Dies folge insbesondere nicht aus der E-Mail vom 20.07.2015, ebenso wenig aus sonstigem Verhalten des Klägers. Er sei vielmehr ausdrücklich gewillt, seine Tätigkeit im Unternehmen der Beklagten fortzusetzen. Er habe zu keinem Zeitpunkt Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe gegenüber einem der beiden Vorstandsmitglieder angedroht. Er habe lediglich auf eine mündliche Vereinbarung zwischen ihm und dem Vorstandsmitglied vom 24.09.2013 verwiesen, nachdem das Sanddübel-Projekt gemeinsam durchgeführt werden solle.

55

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 21.10.2016 (Bl. 264 bis 270 d. A.) Bezug genommen.

56

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

57

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 31.10.2016.

Entscheidungsgründe

I.

58

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

59

Das Rechtsmittel der Berufung der Beklagten hat jedoch in der Sache einschließlich des im Berufungsverfahren erstmals zulässiger Weise gestellten Auflösungsantrages keinen Erfolg.

60

Denn mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass vorliegend die ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung der Beklagten vom 04.08.2015 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 30.09.2015 beendet hat. Des Weiteren ist die Fortsetzung des damit fortbestehenden Arbeitsverhältnisses der Beklagten nicht unzumutbar.

61

Die streitgegenständliche ordentliche Arbeitgeberkündigung ist sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG. Sie ist insbesondere nicht als ordentliche Kündigung aufgrund von dringenden betrieblichen Erfordernissen gerechtfertigt.

62

Betriebliche Erfordernisse liegen dann vor, wenn Umstände aus dem wirtschaftlichen oder betriebstechnischen Bereich dazu führen, dass die betriebliche Arbeitsmenge so zurückgeht, dass der Beschäftigungsbedarf für einen oder mehrere Arbeitnehmer entfällt. Erforderlich ist eine konkrete Auswirkung auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers. Es fehlt an einem betrieblichen Erfordernis zur wirksamen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn außer- oder innerbetriebliche Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des betrieblichen Arbeitskräftebedarfs führen (BAG 23.02.2012 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 166 = NZA 2012, 852).

63

Es muss also zumindest ein Arbeitsplatz weggefallen sein, wobei dies nicht in der Weise zu verstehen ist, dass es sich dabei gerade um den konkret fixierten Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers handeln muss (BAG 30.05.1985 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 36).

64

Vielmehr ist nach Maßgabe der sozialen Auswahl ggf. einem Arbeitnehmer zu kündigen, dessen Arbeitsplatz noch vorhanden ist, wenn nur die Anzahl der vergleichbaren Arbeitsplatze insgesamt zurückgegangen ist mit der Folge, dass die Zahl der benötigten Arbeitsplätze aufgrund der Entwicklung der Arbeitsmenge kleiner ist als die Zahl der auf diesen Arbeitsplätzen bislang beschäftigten Arbeitnehmer. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die soziale Rechtfertigung der Kündigung ist grds. der Zeitpunkt des Kündigungszugangs. Grundsätzlich muss dann der Kündigungsgrund - Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit - vorliegen (LAG Düsseld. 16.11.2005 - 12 Sa 1150/05, EzA-SD 1/06 S. 8 LS; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht 13. Aufl. 2016, Kap. 4 Rn. 2523 ff.).

65

Das Merkmal der Dringlichkeit wird dadurch charakterisiert, dass eine Weiterbeschäftigung der nunmehr überzähligen Arbeitnehmer nicht, insbes. nicht unter bestimmten organisatorischen Voraussetzungen möglich ist. Die Kündigung muss in Anbetracht der betrieblichen Situation unvermeidbar sein. Der Betrieb muss sich in einer Zwangslage befinden, die nur durch eine Kündigung, nicht aber durch andere Maßnahmen beseitigt werden kann (APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 561 ff.).

66

Diese betrieblichen Erfordernisse müssen dringend sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes unvermeidbar machen (LAG RhPf 10.05.1988 NZA 1989, 273). Es fehlt an einem betrieblichen Erfordernis zur wirksamen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn außer- oder innerbetriebliche Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des betrieblichen Arbeitskräftebedarfs führen. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen näher darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass zukünftig auf Dauer mit einem reduzierten Arbeitsvolumen und Beschäftigungsbedarf zu rechnen ist; das Vorliegen von möglicherweise nur kurzfristigen Produktions- oder Auftragsschwankungen muss ausgeschlossen sein. Der Arbeitgeber hat den dauerhaften Rückgang des Arbeitsvolumens nachvollziehbar darzustellen, in dem er die einschlägigen Daten aus repräsentativen Referenzperioden miteinander vergleicht (BAG 23.02.2012 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 166 = NZA 2012, 852; s. Hunold NZA-RR 2013, 57 ff.: Schrader/Siebert NZA-RR 2013, 113 ff.). Die organisatorischen Maßnahmen, die der Arbeitgeber trifft, um seinen Betrieb dem Umsatzrückgang oder der verschlechterten Ertragslage anzupassen (wozu weder der Ausspruch der Kündigung selbst [BAG 20.02.1986 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 37] gehören), sind vom Arbeitsgericht nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind (BAG 30.04.1987 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 47; 13.03.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 159; LAG BW 12.08.2004 - 22 Sa 99/03 EzA-SD 1/05, S. 7 LS; LAG Bln.-Bra. 01.03.2007 - 2 Sa 18/07, EzA-SD 19/2007 S. 5; Schrader/Schubert NZA-RR 2004, 393 ff.; Kaiser NZA 2005, Beil. 1/2005 zu Heft 10, S. 31 ff.). Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht (BAG 23.04.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160; 27.01.2011 - 2 AZR 9/10, EzA-SD 13/2011 S. 8 LS; s. Hunold NZA-RR 2013, 57 ff.; Schrader/Siebert NZA-RR 2013, 113 ff.).

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So erfüllen offensichtlich unsachliche oder willkürliche Rationalisierungsmaßnahmen den Tatbestand der unzulässigen Rechtsausübung des betrieblichen Gestaltungsrechts durch den Arbeitgeber. Es ist missbräuchlich, in diesem Sinne, einen Arbeitnehmer durch die Bildung separater betrieblicher Organisationsstrukturen bei unverändertem Beschäftigungsbedarf aus dem Betrieb zu drängen, indem die tatsächlichen Arbeitsabläufe und die hierarchischen Weisungswege als solche unangetastet gelassen und nur, gewissermaßen pro forma, in allein zu diesem Zweck erdachte rechtliche Gefüge eingepasst werden (BAG 23.04.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160 = NZA 2008, 939).

68

Läuft die unternehmerische Entscheidung also letztlich nur auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus, verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, so sind gesteigerte Anforderungen an die Darlegungslast zu stellen (BAG 10.10.2002 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122; 13.02.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158; 16.12.2010 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; 24.05.2012 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167 = NZA 2012, 1223; s. Hunold NZA-RR 2013, 57 ff.; Schrader/Siebert NZA-RR 2013, 113 ff.). Der Arbeitgeber muss dann konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen.

69

Er muss- im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast - die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können. In welcher Weise ein Arbeitgeber darlegt, dass die Umverteilung von Arbeitsaufgaben nicht zu einer überobligatorischen Beanspruchung im Betrieb verbliebener Arbeitnehmer führt, bleibt ihm überlassen. Handelt es sich um nicht taktgebundene Arbeiten, muss nicht in jedem Fall und minutiös dargelegt werden, welche einzelnen Tätigkeiten die fraglichen Mitarbeiter künftig mit welchen Zeitanteilen täglich zu verrichten haben. Es kann - je nach Einlassung des Arbeitnehmers - ausreichend sein, wenn der Arbeitgeber die getroffenen Vereinbarungen zu Umfang und Verteilung der Arbeitszeit darstellt und Anhaltspunkte dafür darlegt, dass Freiräume für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben vorhanden sind (BAG 16.12.2010 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; 24.05.2012 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167 = NZA 2012, 1223).

70

Ist die unternehmerische Entscheidung also verbunden mit einer Neuverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, bedarf es - wie beschrieben - der Konkretisierung dieser Entscheidung, damit geprüft werden kann, ob der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers tatsächlich weggefallen ist und die Entscheidung nicht offensichtlich unsachlich oder willkürlich ist (BAG 13.02.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158; 10.10.2002 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122).

71

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt insgesamt Folgendes:

72

Ist der Rückgang der Beschäftigungsmöglichkeit unmittelbar auf einen organisatorischen Entschluss des Arbeitgebers zurückzuführen (z. B. die ersatzlose Streichung einer Stelle), so muss der Arbeitgeber substantiiert den Inhalt seines Entschlusses, dessen praktische Umsetzung und dessen zahlenmäßige Auswirkungen auf die Beschäftigungsmöglichkeit darlegen (s. Bitter DB 1999, 1214 ff.).

73

Handelt es sich insoweit um eine nur beschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung, so ist der Arbeitgeber nicht an sich verpflichtet, die hierfür maßgeblichen Erwägungen offen zu legen. Andererseits muss der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Verringerung bzw. Veränderung der Produktion auf die Arbeitsmenge auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang entsteht. Zu dem Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers gehört dabei die Befugnis, die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe erledigt werden soll. Der Arbeitgeber kann grds. sowohl das Arbeitsvolumen - die Menge der zu erledigenden Arbeit - als auch das diesem zugeordneten Arbeitskraftvolumen - Arbeitnehmerstunden - und damit auch das Verhältnis dieser beiden Größen zueinander festlegen. Zwar muss nicht ein bestimmter Arbeitsplatz entfallen sein, Voraussetzung ist aber, dass die Organisationsentscheidung ursächlich für den vom Arbeitgeber behaupteten Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Entscheidung sich auf eine nach sachlichen Merkmalen genauer bestimmte Stelle bezieht. Der allgemeine Beschluss, Personalkosten zu senken, erfüllt diese Anforderungen nicht (LAG BW 20.02.2004 AuR 2004, 356 LS).

74

Hingegen hat der Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen, dass die fragliche innerbetriebliche Maßnahme (z. B. eine Rationalisierungsmaßnahme) offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 09.05.1996 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 85), wobei aber ggf. die Erleichterung des Anscheinsbeweis in Betracht kommt (BAG 24.10.1979 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 13). Denn insoweit spricht für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist (BAG 23.04.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160). Es ist aber andererseits missbräuchlich in diesem Sinne, einen Arbeitnehmer durch die Bildung separater betrieblicher Organisationsstrukturen bei unverändertem Beschäftigungsbedarf aus dem Betrieb zu drängen, indem die tatsächlichen Arbeitsabläufe und die hierarchischen Weisungswege als solche unangetastet gelassen und nur, gewissermaßen pro forma, in allein zu diesem Zweck erdachte rechtliche Gefüge eingepasst werden (BAG 23.04.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160).

75

Läuft also die unternehmerische Entscheidung dagegen letztlich nur auf den Abbau einer Hierarchieebene hinaus, so sind gesteigerte Anforderungen an die Darlegungslast zu stellen (BAG 13.02.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158; 24.05.2012 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167 = NZA 2012, 1223). Ist die unternehmerische Entscheidung verbunden mit einer Neuverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, bedarf es der Konkretisierung dieser Entscheidung, damit geprüft werden kann, ob der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers tatsächlich weggefallen ist und die Entscheidung nicht offensichtlich unsachlich oder willkürlich ist (BAG 10.10.2002 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122; 13.02.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158). Der Arbeitgeber muss insbes. konkret darlegen, in welchem Umfang die bisher von dem Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand entfallen. Er muss aufgrund seiner unternehmerischen Vorgaben die zukünftige Entwicklung der Arbeitsmenge anhand einer näher konkretisierten Prognose darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligatorische Leistungen erbracht werden können (BAG 13.02.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158; 24.05.2012 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167 = NZA 2012, 1223).

76

In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten keine nicht willkürliche nicht rechtsmissbräuchliche Unternehmerentscheidung gegeben ist, auf die sich die Beklagte zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erfolg berufen kann. Gleiches gilt für etwaige sonstige dringende betriebliche Gründe.

77

Das Arbeitsgericht hat insoweit ausgeführt:

78

"Zunächst lässt sich aus Sicht der Kammer nicht bestreiten, dass es sich bei den dargelegten unternehmerischen Entscheidungen (Einstellung Sanddübel-Projekt / Einstellung B.-Projekt/ Schwerpunktsetzung beim Cl.-Projekt) um legitime, keinesfalls unsachliche, unvernünftige oder willkürliche Entscheidungen handelt.

79

Es fehlt dann aber an einem ausreichend substantiierten Vortrag dazu, welche konkreten Auswirkungen diese Entscheidung auf den Arbeitsplatz des Klägers haben. Insoweit treffen die Beklagte nach vorstehenden Grundsätzen gesteigerte Darlegungslasten. Die unternehmerische Entscheidung ist hier zum einen aufs engste mit der Kündigungsentscheidung verbunden. Zum anderen betrifft sie nur das Arbeitsverhältnis des Klägers.

80

(2) In Bezug auf die Entscheidung, das sogenannte „Sanddübel-Projekt“ nicht weiter zu verfolgen, gilt dabei, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass sich der Kläger um dieses Projekt schwerpunktmäßig außerhalb seiner (aus diesem Grund reduzierten) Arbeitszeit gekümmert hat. Auf Nachfrage des Gerichts hat die Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung am 17.5.2016 noch einmal ausdrücklich bestätigt.

81

Einen konkreten Einfluss dieser Entscheidung auf die durch den Kläger bei der Beklagten abzuleistenden Arbeit trägt die Beklagte entsprechend nicht vor. Auch wenn das Sanddübel-Projekt – wie die Beklagte betont – seinerzeit für die Einstellung des Klägers maßgeblich gewesen ist, so lässt sich mit dessen Einstellung der Wegfall des klägerischen Arbeitsplatzes angesichts der geschilderten Gesamtumstände jedenfalls nicht begründen.

82

(3) Im Hinblick auf den Wegfall des Arbeitsplatzes ist weiterhin von dem zwischen den Parteien vertraglich vereinbarten Stellenprofil auszugehen. Konkreter, im Einzelnen überprüfbarer Sachvortrag dazu, wie sich die Tätigkeit des Klägers durch die Einstellung der sogenannten „B.-Projekte“ ändert, ergibt sich aus den beklagtenseitigen Darlegungen nicht.

83

Insoweit fehlt auch – eine aus Sicht der Kammer notwendige – differenzierte Beschreibung dahingehend, wie sich die Aufgaben des Klägers im Hinblick auf die seitens der Beklagten herausgestellte Verwaltung der Patente einerseits und die Arbeit an Projekten (schwerpunktmäßig dem „B.-Projekt aber gerade auch an anderen Projekten) andererseits verteilte.

84

Angesichts des Umstandes, dass nicht detailliert dargelegt ist, inwieweit die Verwaltung der Patente den Kläger im Rahmen seiner täglichen/ggf. auch wöchentlichen Arbeitsbelastung konkret in Anspruch genommen hat, können die Ausführungen der Beklagten dazu, wie die durch den Kläger vormals geleisteten Tätigkeiten im Einzelnen ohne überobligatorische Arbeitsbelastung durch Mitarbeiter des Vertriebs in Zusammenarbeit mit dem technischen Büro aufgefangen werden sollen, keiner stichhaltigen Überprüfung unterzogen werden.

85

(4) Angesichts des zwischen den Parteien vereinbarten Stellenprofils, das weit über die von der Beklagtenseite zuletzt in den Vordergrund gestellten Konstruktionsfertigkeiten hinausgeht, ist für die Kammer auch nicht konkret ersichtlich, ob und inwieweit der Kläger keinen Beitrag zum neuen „Cl.-Projekt“ leisten kann. Dem Vortrag der Beklagten fehlt insoweit jedes prognostische Element, wie sich die Tätigkeit des Klägers durch die unternehmerische Entscheidung zu Gunsten des "Cl.-Projekts" konkret entwickelt.

86

Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte in ihrem Vortrag maßgeblich auf (vermeintliche) fachliche Defizite des Klägers rekurriert. Diese scheinen aus Sicht der Klägerin in erster Linie für den Wegfall des Arbeitsplatzes maßgeblich zu sein. Aus Sicht der Kammer sind diese Erwägungen – wenn man wie die Beklagte zutreffend auf die Betriebsbezogenheit der Kündigung abstellt – nur nachrangig relevant.

87

Es hätte daher zunächst eines vertieften Vortrages dazu bedurft, welche kon-kreten Tätigkeiten der Kläger im Verlauf des Arbeitsverhältnisses mit der Be-klagten – auch angesichts der nach dem Vortrag der Beklagten von Beginn an bekannten und bestehenden fachlichen Defizite, die im Übrigen die Beklagte nicht daran hinderten, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu entfristen – mit welcher zeitlichen Belastung erbracht hat. Dann wäre ins Einzelne gehend darzulegen gewesen, wie sich die unternehmerischen Entscheidungen auf den Arbeitsplatz des Klägers – auch unter Berücksichtigung der konkret vereinbarten Tätigkeit – ausgewirkt hätten.

88

Der pauschale Hinweis jedenfalls, ein Großteil der arbeitsvertraglich übernommenen Aufgabenbereiche seien durch den Kläger nicht bearbeitet worden, ist unzureichend und gibt keinen Aufschluss darüber, wie der Kläger zeitlich eingesetzt wurde. Entsprechend lassen sich die Auswirkungen der unternehmerischen Entscheidungen auf den konkreten Arbeitsplatz nicht überprüfen.

89

(5) Weiterhin hat der Kläger unbestritten an Projekten gearbeitet, die über die Fortentwicklung der „B.-Projekte“ und die Verwaltung von Patenten hinausgingen (Stichwort: Besandung und „I.T.“ 2016 sowie Kernsandmischer „S.M.“). Die seitens der Beklagten insoweit in den Vordergrund gerückten Umstände jedenfalls, dass die Projekte seitens des Klägers zum Teil nicht weiterverfolgt wurden (I. T. 2016) bzw. nicht zum gewünschten wirtschaftlichen Erfolg führten („S.M.“ wie im Übrigen auch die Fortentwicklung der „B.-Projekte“) lassen – jedenfalls angesichts der hier streitgegenständlichen unternehmerischen Entscheidungen – keinen Schluss darauf zu, inwieweit dies den Arbeitsplatz des Klägers konkret tangierte. Dies zumal deshalb, weil die Beklagte den Kläger hätte ohne Weiteres anweisen könnte zum Beispiel das Projekt „Besandung“ weiterzubetreiben.

90

(6) Schlussendlich ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass bei der Beklagten seit Oktober 2013 bis zur Kündigung im August 2015 zwei Entwicklungsingenieure beschäftigt waren. Die Beklagte selbst trägt vor, dass nach wie vor Arbeitsbedarf im Bereich "Entwicklung" besteht (z.B. sind Maschinen, Anlagen und Bauteile der Beklagten auf spezielle Kundenwünsche anzupassen und die Entwicklung und Fortentwicklung von Bauteilen notwendig).

91

Auch insoweit hätte es eines vertieften Vortrages dazu bedurft, welchen Beitrag der Kläger hierzu in der Vergangenheit geleistet hat und inwieweit der im Unternehmen verbleibende Entwicklungsingenieur bereits heute mit seiner Arbeitszeit durch diese Arbeiten gebunden ist bzw. wie sich der Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers auf dessen Arbeitspensum und die zu bewältigende Arbeitsmenge prognostisch auswirken wird.

92

(7) Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass für die Kammer nicht konkret fassbar wird, welche Auswirkungen die streitgegenständlichen unternehmerischen Entscheidungen auf den Arbeitsplatz des Klägers konkret haben, so dass der Arbeitsplatzwegfall jedenfalls nicht in der prozessual notwendigen Form dargetan ist.

93

cc) Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Beklagte vorträgt, zukünftig in der Entwicklung nur noch mit Maschinenbauingenieuren arbeiten zu wollen. Eine legitime unternehmerische Organisationsentscheidung kann zwar auch darin begründet liegen, das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze im Rahmen einer Umstrukturierung neu festzuschreiben (BAG 10.11.1994, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65; Dörner in: Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Aufl., Kap. 4 Rn. 2687; Rolfs in: BeckOK Arbeitsrecht § 1 KSchG Rn. 399).

94

Ist aber von dieser Festschreibung – wie hier – nur ein Arbeitnehmer betroffen, so unterliegt der Arbeitgeber gesteigerten Darlegungslasten. Er hat dann konkret darzulegen, dass es sich nicht nur um wünschenswerte Qualifikationsmerkmale handelt und dass für die Änderung ein konkreter betrieblicher Anlass besteht (Vgl. hierzu: Dörner in: Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Aufl., Kap. 4 Rn. 2687). Diesen Anforderungen genügt die Beklagte hier nicht.

95

Es fehlt bereits Vortrag dazu, welcher "konkrete" betriebliche Anlass für die Festlegung eines bestimmten Qualifikationsmerkmals ausschlaggebend gewesen sein soll. Der alleinige Hinweis auf das „Cl.-Projekt“ reicht insoweit jedenfalls nicht aus. Eine unternehmerische Entscheidung, die ein bestimmtes Anforderungsprofil für eine Stelle festschreibt, wodurch nur ein Mitarbeiter betroffen ist, gegenüber dem man zuvor auf dieses Qualifikationsmerkmal bewusst verzichtet hat, erweist sich überdies als treuwidrig. Die Beklagte trägt selbst vor, bei der Einstellung des Klägers sei man sich darüber bewusst gewesen, dass dieser das Anforderungsprofil der zunächst ausgeschriebenen Stelle nicht voll erfülle. Trotz dieses Umstandes wurde das zunächst befristet begründete Arbeitsverhältnis entfristet.

96

Ferner ist nichts dazu vorgetragen, ob und inwieweit der Kläger das neue Anforderungsprofil durch zumutbare Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen hätte erreichen können. Der pauschale Hinweis, der Kläger habe die Teilnahme an CAD-Schulungen verweigert, ist insoweit unzureichend."

97

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich die Kammer voll inhaltlich zustimmend an, macht sie sich zu eigen und stellt dies hiermit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich fest.

98

Auch das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des insoweit maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht lediglich - wenn auch aus der Sicht der Beklagten heraus verständlich - deutlich, dass die Beklagte mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug durch das Arbeitsgericht, dem die Kammer voll inhaltlich folgt, nicht einverstanden ist. Auch nach dem Berufungsvorbringen bleibt unklar, worin die tatsächlich vom Kläger erbrachte Arbeitsleistung für die Beklagte vom Beginn seines Arbeitsverhältnisses an bestanden hat. Die Darstellung der Beklagten ist insoweit auch im Berufungsverfahren pauschal, unpräzise und insbesondere ohne Angabe jeglicher Zeitanteile. Welche Einzeltätigkeiten des Klägers aufgrund welcher Entscheidungen der Beklagten entfallen sein sollen, bleibt im Einzelnen unklar. Ebenso, aufgrund welcher Umstände der Wegfall eines Arbeitsplatzes derart, wie der Kläger ihn hatte, gegeben sein soll. Deutlich wird lediglich, dass die Beklagte zwischenzeitlich der Auffassung ist, dass der von ihr nach dem Kläger eingestellte Herr Dr. S. besser geeignet ist, die von ihr vorgesehenen Arbeitsaufgaben zu erfüllen. Denn ihr Vorbringen macht immerhin deutlich, dass sie davon ausgeht, dass Herr Dr. S. eher als der Kläger die von ihr an den Stelleninhaber gestellten Arbeitsanforderungen erfüllt. So gesehen handelt es sich aber nicht um eine betriebsbedingte Kündigung aufgrund des Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs für einen Arbeitnehmer, sondern um eine unzulässige Austauschkündigung, bei der bei gleichem Arbeitsbedarf der neue Stelleninhaber den alten Stelleninhaber ersetzen soll. Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren insbesondere in den Mittelpunkt ihres Vorbringens die CAD Konstruktionskenntnisse stellt, ist darauf hinzuweisen, dass sich davon in der von der Beklagten selbst erstellten Stellenbeschreibung nichts findet. Zudem fehlt, nachdem der Kläger dies nachvollziehbar bestritten hat, jegliches tatsächliches Vorbringen der Beklagten dazu, dass diese Kenntnisse tatsächlich für die vom Kläger nach Maßgabe seines Arbeitsvertrages und der dazu ergangenen Stellenbeschreibung durchzuführenden Arbeiten benötigt werden. Dass sie aktuell sinnvoll sein mögen, rechtfertigt keine ordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung. Vor diesem Hintergrund kommt eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht in Betracht. Ob darüber hinaus die Notwendigkeit der Durchführung einer Sozialauswahl bestand und ob diese fehlerhaft zu Lasten des Klägers von der Beklagten getroffen wurde, bedarf nach alledem keiner Entscheidung.

99

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das zwischen den Parteien folglich fortbestehende Arbeitsverhältnis auch nicht hilfsweise gegen Zahlung einer Abfindung zum 30.09.2015 aufzulösen.

100

Denn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 2 KSchG sind vorliegend ersichtlich nicht gegeben.

101

Gem. § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG hat das Arbeitsgericht, wenn es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Arbeitgeberkündigung nicht aufgelöst worden ist, auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen (s. dazu Holthausen/Holthausen NZA-RR 2007, 449 ff.); für die Gewichtung des Interesses des Arbeitgebers an der Auflösung kommt es insbes. auch auf den Umfang der bei Unterlassen der Beendigung zu befürchtenden schweren Störungen an (Prognoseprinzip; BAG 08.10.2009 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 57).

102

Die Frage der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist zukunftsbezogen zu beantworten. Das schließt es aus, der Dauer der Betriebszugehörigkeit als solcher ohne nähere Betrachtung der mit ihr verbundenen Einschätzungen des künftigen betriebsdienlichen Zusammenwirkens Bedeutung beizumessen. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers setzt die Prognose einer schweren Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses voraus (BAG 09.09.2010 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 60). Auflösungsgründe können insbes. solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (BAG 24.03.2011 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 62 = NZA-RR 2012, 243).

103

Die Gründe, die eine dem Betriebszweck dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien nicht erwarten lassen, können, müssen aber insgesamt nicht unbedingt im Verhalten, insbes. nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer sei gefährdet (BAG 23.06.2005 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 52; 10.07.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; s. a. BAG 23.02.2010 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 58). Die danach erforderliche Gesamtabwägung aller Umstände, die für oder gegen die Prognose sprechen, muss zu dem Ergebnis führen, eine weitere, den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei nicht mehr zu erwarten (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2013, Kap. 4., Rn. 3326).

104

Als Auflösungsgrund kommen, wie dargelegt, insbes. Beleidigungen, sonstige verletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzten oder Kollegen in Betracht (BAG 24.03.2011 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 62 = NZA-RR 2012, 243; LAG Köln 12.12.2008 - 11 Sa 777/08, AuR 2009, 224 LS; Gravenhorst NZA-RR 2007, 57 ff.). Ehrverletzende Äußerungen anlässlich einer prozessualen Auseinandersetzung der Arbeitsvertragsparteien können durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt sein. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Prozessparteien schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann. Das gilt aber nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Insbesondere dürfen nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden, deren Unhaltbarkeit ohne weiteres auf der Hand liegt (BAG 24.03.2011 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 62 = NZA-RR 2012, 243).

105

Als Auflösungsgründe können zwar auch solche Tatsachen herangezogen werden, die die Kündigung selbst nicht rechtfertigen. Durch eine bloße Bezugnahme auf nicht ausreichende Kündigungsgründe genügt der Arbeitgeber allerdings noch nicht seiner Darlegungslast. Er muss dann vielmehr im Einzelnen vortragen und zusätzlich greifbare Tatsachen dafür vortragen, dass die nicht ausreichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen, dass der Kündigungssachverhalt so beschaffen ist, dass eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lässt (BVerfG 22.10.2004, EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 49). Zwar ist es nicht notwendig, dass es sich um neue, erst nach Ausspruch der Kündigung eingetretene Tatsachen handelt; der Arbeitgeber muss aber darlegen, welche der zur Begründung der Kündigung vorgetragenen Tatsachen auch für den Auflösungsantrag herangezogen werden sollen. Denn nach dem Verhandlungsgrundsatz darf das Gericht seine Entscheidung nur solche Auflösungstatsachen zugrunde legen, die der darlegungspflichtige Arbeitgeber vorgebracht hat. Selbst offenkundige Tatsachen darf das Gericht nicht verwerten, wenn es sich nicht auf sie zur Begründung seines Auflösungsantrags berufen hat (BAG 16.05.1984 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 16).

106

Vorliegend hat die Beklagte im Berufungsverfahren den Auflösungsantrag gestellt und im Berufungsbegründungsschriftsatz die tatsächlichen Gründe benannt, auf den sie den Auflösungsantrag stützen möchte.

107

Die Beklagte hat insoweit in der Berufungsbegründung (Seite 11 letzter Absatz = Bl. 238 d. A.) ausgeführt:

108

"Aufgrund der geradezu anmaßenden Ausführungen des Klägers in seiner E-Mail vom 20.07.2015 sehen wir das Erfordernis hilfsweise einen Auflösungsantrag zu stellen." Weitere Ausführungen im Tatsächlichen fehlen; im weiteren Fortgang der Berufungsbegründungsschrift werden lediglich Rechtsausführungen getätigt.

109

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die E-Mail des Klägers vom 20.07.2015 (Bl. 247 d. A.) nicht geeignet, die Annahme zu rechtfertigen, dass Gründe gegeben sind, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Im ersten Drittel der Mail äußert sich der Kläger gegenüber dem Vorstandsmitglied Herrn B. zwar kritisch im Hinblick auf den Entwurf eines Aufhebungsvertrages, irgendwelche die persönliche Integrität von Herrn B. in Zweifel ziehenden Ausführungen enthält die E-Mail insoweit aber ersichtlich nicht. Im weiteren Verlauf der E-Mail wird die Diktion zwar kritischer und enthält den Hinweis, dass dem Kläger aus seiner Sicht durch Nichterfüllung eine Vereinbarung ein erheblicher finanzieller Schaden entstehen kann. Des Weiteren kündigt der Kläger entsprechende Schadensersatzforderungen "hiermit" an. Ferner sieht er Herrn B. persönlich in der Verantwortung für eine beiderseitige vertragsgemäße Erfüllung "unseres Dienstverhältnisses und die Nichterfüllung unserer Vereinbarung". Warum dies geeignet sein soll, eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien auszuschließen, erschließt sich der Kammer nicht. Der Kläger hat sich im Hinblick auf Umstände, mit denen er nicht einverstanden ist, kritisch geäußert, er hat Verantwortung angemahnt und er hat entsprechende mögliche Schadensersatzforderungen geltend gemacht. Weder der Inhalt seiner Ausführungen noch die Diktion sind beleidigend, ehrverletzend. Vielmehr handelt es sich um die - vermeintliche - Wahrnehmung berechtigter Interessen, deren Würdigung durch die Beklagte die Kammer ausdrücklich nicht teilt.

110

Nach alledem war der Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.

111

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

112

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

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(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältni

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Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 27. Jan. 2011 - 2 AZR 9/10

bei uns veröffentlicht am 27.01.2011

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 25. August 2009 - 1 Sa 1/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von neuem. Wird gegen beide Urteile von derselben Partei Berufung eingelegt, so sind beide Berufungen miteinander zu verbinden.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 25. August 2009 - 1 Sa 1/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger macht die Unwirksamkeit einer von der Beklagten zu 1. auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung geltend und nimmt die Beklagte zu 2. auf Beschäftigung in Anspruch.

2

Der im Jahre 1958 geborene Kläger ist verheiratet und drei Kindern unterhaltsverpflichtet. Er trat im Jahre 1991 als Instrumentalist (Waldhorn) in die Dienste der Beklagten zu 1., die bis zum Jahre 2008 ein Theater und ein Orchester unterhielt. Nach § 4 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern(TVK) vom 1. Juli 1971 in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen. Der Bruttomonatsverdienst des Klägers betrug zuletzt ca. 3.500,00 Euro.

3

Bis zum 31. Dezember 2008 erhielt die Beklagte zu 1., die nicht kostendeckend wirtschaften kann, jährliche Gesamtzuwendungen von ca. 8,5 Millionen Euro, die zu ca. 50 vH der Freistaat Thüringen erbrachte. Die übrigen Zuwendungen trugen die Gesellschafter der Beklagten, die E und der W bei. Im Jahr 2006 kündigte der Freistaat eine Kürzung seiner Zuschüsse für die Zeit ab 2009 an. In einer Finanzierungsvereinbarung vom 15. Juni 2007 schrieben der Freistaat, die E und der W die Kürzungen fest. Danach wollte der Freistaat für die Jahre 2009 bis 2012 nur noch 1,5 Millionen Euro beisteuern. Im Fall der Gewährleistung des Dreispartenangebotes durch Zustiftung der Beklagten zu 1. zur Kulturstiftung M - der Beklagten zu 2. -, die ebenfalls ein Orchester unterhält, sollte sich die Landesförderung um etwa eine Million Euro erhöhen. Ebenfalls am 15. Juni 2007 wurde ein Abkommen über die betreffende Zustiftung mit Wirkung zum 1. Januar 2009 geschlossen. Darin ist die angestrebte Struktur des künftigen Theaterbetriebes beschrieben. Im Stellenplan für das Orchester sind nur noch 24 statt bisher 42,5 Stellen und keine Blechbläser mehr vorgesehen.

4

Nach Anhörung des Betriebsrats sprach die Beklagte zu 1. dem Kläger die Kündigung nach § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK zum 31. Juli 2008 aus.

5

Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt. Er hat das Vorliegen einer wirksamen unternehmerischen Entscheidung zur Verkleinerung des Orchesters bestritten. Jedenfalls aber sei die Entscheidung willkürlich und offensichtlich unvernünftig. Ein Spielplan ohne Horn sei nicht möglich. Man könne dann nicht mehr „Peter und der Wolf“ aufführen, sondern nur noch „Peter ohne Wolf“. Die Beklagte habe gezielt bestimmte Stellen wegfallen lassen, um Arbeitnehmer in ihrer sozialen Schutzwürdigkeit zu übergehen. Auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Die Kündigung habe überdies zu einem späteren Zeitpunkt ausgesprochen werden können. Die Beklagte habe eine Sozialauswahl durchführen müssen, zumindest mit den in M beschäftigten Instrumentalisten. Es bestehe zwischen E und M nach der Zustiftung ein gemeinsamer Betrieb. Auch Betriebsrat und Orchestervorstand seien nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Eine Massenentlassungsanzeige sei, obwohl erforderlich, nicht erfolgt. Schließlich sei die Kündigung auch deswegen unwirksam, weil sie wegen des beabsichtigten Betriebsübergangs erfolgt sei.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch außerordentliche Kündigung mit Schreiben der Beklagten zu 1. vom 5. Juli 2007 zum 31. Juli 2008 beendet worden ist;

                          
        

2.    

die Beklagte zu 2. zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 16. Oktober 1990 in der Fassung des Arbeitsvertrages vom 1. Juli 1991 nach Maßgabe des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) in jeweils geltender Fassung, des Vergütungs-Tarifvertrages mit Vergütungsordnung und Ortszuschlagstabelle in jeweils geltender Fassung, des TV Orchestervorstand in jeweils geltender Fassung, des TV Instrumenten-, Rohr-, Blatt- und Saitengeld in jeweils geltender Fassung, des TV Kleidergeld in jeweils geltender Fassung, des TV Zuwendungen in jeweils geltenden Fassung, des TV Urlaubsgeld in jeweils geltender Fassung und des TV Vermögenswirksame Leistungen ab dem 1. Januar 2009 weiterzubeschäftigen;

                          
        

3.    

festzustellen, dass ab dem 1. Januar 2009 zwischen ihm und der Beklagten zu 2. ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

7

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte zu 1. hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen der am 15. Juni 2007 getroffenen unternehmerischen Entscheidung wirksam. Eine Nichtdurchführung dieser Entscheidung hätte zu ihrer Insolvenz geführt. Die ab 1. August 2008 gültige neue Orchesterstruktur sehe den gänzlichen Wegfall sämtlicher Blechbläser vor. Sie sei nicht willkürlich. Man habe verschiedene Modelle geprüft. Dabei habe sich herausgestellt, dass die Holzbläser häufiger gebraucht würden als die Blechbläser. Auch sei eine homogene Klangbalance innerhalb der Gruppe der Holzbläser im Verhältnis zu den Streichern heikler und schwieriger herzustellen als in der Gruppe der Blechbläser. Es gebe keine objektiv zwingend gebotene Zusammensetzung eines Orchesters. Einer Sozialauswahl habe es nicht bedurft, da sämtlichen mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmern gekündigt worden sei. Die Musiker des Orchesters in M seien nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen gewesen. Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen, der ggf. eine übergreifende Sozialauswahl erforderlich gemacht hätte, liege ebenso wenig vor wie ein Betriebsübergang. Die Kündigung habe auch zum Ende der Spielzeit 2008 erfolgen können. Die Kündigungsfrist sei eingehalten. Kündigungen seien nur zum Ende des für das Orchester üblichen Beschäftigungsjahres möglich. Der Betriebsrat und die Sprecherin des Orchestervorstandes seien ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Kündigung scheitere nicht an § 17 KSchG. Anzeigepflichtige Massenentlassungen seien zum Zeitpunkt des Ausspruchs der hier streitigen Kündigung nicht erfolgt.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung vom 5. Juli 2007 ist als ordentliche Kündigung anzusehen (I.1). Die in § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern vom 1. Juli 1971 idF vom 4. Dezember 2002 (TVK) niedergelegten Voraussetzungen ihrer Wirksamkeit liegen ebenso vor (I.2) wie diejenigen des § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG(I.3). Das etwaige Fehlen der Anhörung des Orchestervorstandes führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung (I.4). Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß beteiligt worden (I.5). Die Kündigung verstößt weder gegen § 613a Abs. 4 BGB(I.6) noch gegen § 17 KSchG(I.7). Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Juli 2008 aufgelöst. Der Kläger steht nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 2. und hat deshalb auch keinen Anspruch auf Beschäftigung gegen sie (II.).

10

I. Die von der Beklagten zu 1. ausgesprochene Kündigung ist als ordentliche Kündigung wirksam. Sie ist nach § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK iVm. § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt.

11

1. Bei der in § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK geregelten Kündigung handelt es sich nicht um eine außerordentliche, sondern um eine ordentliche Kündigung (so schon für die Vorgängerregelung: Senat 20. März 1969 - 2 AZR 106/68 - AP TOK § 23 Nr. 2). Sie bedurfte deshalb keines wichtigen Grundes iSd. § 626 Abs. 1 BGB. Das ergibt die Auslegung der genannten Tarifnorm.

12

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist vom Wortlaut auszugehen. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil er Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geben kann. Daneben können die Gerichte weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages und die praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (Senat 24. Juni 2004 - 2 AZR 656/02 - AP BGB § 626 Nr. 180 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 7; BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 2/05 - Rn. 33, BAGE 118, 141; 15. Oktober 2003 - 4 AZR 594/02 - EzA TVG § 4 Stahlindustrie Nr. 2).

13

b) Im Streitfall scheint der Wortlaut der maßgeblichen Tarifnorm dafür zu sprechen, die dort geregelte Kündigung als eine außerordentliche Kündigung einzustufen. Der Zusammenhang der Vorschrift mit den übrigen tariflichen Regelungen zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei der Auflösung und Verkleinerung von Orchestern sowie Sinn und Zweck der Regelung und ihre nähere Ausgestaltung und Praktikabilität zeigen jedoch, dass die Vorschrift eine Rückausnahme von der ordentlichen Unkündbarkeit statuieren will und damit unter den in ihr genannten Voraussetzungen die ordentliche Kündigung zulässt.

14

(aa) In § 42 Abs. 1 TVK sind mehrere unterschiedliche Fallgestaltungen geregelt. Zunächst sind die Voraussetzungen benannt, die, abweichend vom Normalfall, zur ordentlichen Unkündbarkeit führen: Einem Arbeitnehmer kann nach 15 Beschäftigungsjahren und Vollendung des 40. Lebensjahrs nur noch unter den Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB gekündigt werden. Alsdann sind drei Fälle beschrieben, von denen gesagt ist, dass sie als wichtige Gründe „gelten“. Der hier maßgebliche „wichtige Grund“ liegt im Beschluss zur Auflösung oder Verkleinerung des Orchesters (§ 42 Abs. 1 Buchst. a TVK). Für diesen Fall ist eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum Ende des für das Orchester üblichen Beschäftigungsjahres vorgesehen, womit die für ordentliche Kündigungen an sich maßgebliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende des für das Orchester üblichen Beschäftigungsjahres (§ 41 Abs. 2 TVK) um ein halbes Jahr verlängert wird. Ferner ist in § 51 TVK festgelegt, dass der Arbeitgeber dem nach § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK gekündigten Musiker eine anderweitige Beschäftigung anbieten muss oder, wenn das nicht möglich ist, ihm über mehrere Jahre hinweg eine Abfindung zu zahlen hat. Unter bestimmten Voraussetzungen wird auch danach, wenn der Arbeitgeber keine angemessene Beschäftigung anbietet oder nachweist, bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres eine Abfindung gezahlt, und zwar in Höhe von bis zu 71 vH der Jahresvergütung.

15

(bb) Sowohl die im Fall des § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK vorgesehene lange Kündigungsfrist als auch die im Tarifvertrag vorgesehenen Rechtsfolgen sprechen dagegen, die Kündigung als außerordentliche Kündigung anzusehen. Bei näherem Zusehen erweist sich auch, dass in § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK die Wirksamkeit der Kündigung gar nicht an das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSd. § 626 Abs. 1 BGB gebunden ist. Vielmehr ordnet der Tarifvertrag an, dass bestimmte Fälle als wichtige Gründe „gelten“ sollen. Möglicherweise wurde die Formulierung in der Annahme gewählt, die Tarifvertragsparteien könnten das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB fingieren, was aber angesichts des zwingenden Charakters von § 626 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist(Senat 24. Juni 2004 - 2 AZR 656/02 - AP § 626 BGB Nr. 180 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 7). Ist also die tarifvertragliche Fiktion eines zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden wichtigen Grundes rechtlich nicht möglich, so sind Sinn und Zweck der Vorschrift dennoch rechtlich unbedenklich: Die Tarifvertragsparteien wollten eine mit besonders langer Kündigungsfrist auszusprechende Kündigung in den genannten Fällen mit den Folgen des § 51 TVK(Abfindung) ungeachtet der an sich gegebenen ordentlichen Unkündbarkeit ermöglichen. Dieses Ziel ist rechtlich nur dann erreichbar, wenn die Vorschrift des § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK nicht als Fall des § 626 Abs. 1 BGB, sondern als Rückausnahme vom Verbot der ordentlichen Kündigung angesehen, die Kündigung nach dieser Vorschrift also als ordentliche Kündigung unter erschwerten Voraussetzungen eingestuft wird (so schon für die Vorgängerregelung: Senat 20. März 1969 - 2 AZR 106/68 - AP TOK § 23 Nr. 2).

16

2. Die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK liegen vor. Der Rechtsträger des Orchesters, dem der Kläger angehörte, nämlich die Beklagte zu 1., hat die Verkleinerung des Orchesters beschlossen. Wie das Landesarbeitsgericht für den Senat bindend festgestellt hat, haben die Gesellschafter der Beklagten zu 1. einen Beschluss über die „unternehmerische Entscheidung zur Struktur des künftigen Theaterbetriebes E“ gefasst. Er sieht die Beschäftigung von Blechbläsern nicht mehr vor. Nach diesem Konzept ist die Stelle des Klägers als Hornist entfallen.

17

3. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Sie ist nicht aus anderen Gründen sozialwidrig. Die von der Beklagten zu 1. getroffene unternehmerische Entscheidung zur Verkleinerung des Orchesters ist nicht missbräuchlich.

18

a) Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht (Senat 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 177 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160; 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130 = EzA KSchG § 2 Nr. 62). Deshalb hat im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und im Streitfall zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die Maßnahme offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (Senat 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - BAGE 92, 61; 22. April 2004 - 2 AZR 385/03 - BAGE 110, 188; 23. Juni 2005 - 2 AZR 642/04 - BAGE 115, 149). Dabei zielt die Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung durch das Gericht weder darauf ab, dem Arbeitgeber organisatorische Vorgaben zu machen, noch darf sie dazu dienen, die Stichhaltigkeit der Erwägungen zu prüfen, die den Arbeitgeber gerade zu dem von ihm gewählten Konzept geführt haben. Es geht in diesem Zusammenhang allein um die Verhinderung von Missbrauch (Senat 22. Mai 2003 - 2 AZR 326/02 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126). Verstöße gegen gesetzliche und tarifliche Normen (vgl. dazu Senat 18. Dezember 1997 - 2 AZR 709/96 - BAGE 87, 327) sollen genauso verhindert, wie Diskriminierung und Umgehungsfälle vermieden werden. Deshalb ist es zB missbräuchlich, einen Arbeitnehmer durch die Bildung separater betrieblicher Organisationsstrukturen bei unverändertem Beschäftigungsbedarf aus dem Betrieb zu drängen (Senat 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - BAGE 103, 31; 22. April 2004 - 2 AZR 385/03 - aaO) oder abstrakte Änderungen von Organisationsstrukturen, denen keine tatsächliche Änderung der realen Abläufe zugrunde liegt, zu benutzen, um den Inhalt von Arbeitsverhältnissen zum Nachteil von Arbeitnehmern zu ändern oder Arbeitsverhältnisse zu beenden.

19

b) Daran gemessen ist die unternehmerische Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die finanzielle Zwangslage, in die sie durch die vom Freistaat Thüringen angekündigte Reduzierung der staatlichen Förderung geriet, dargestellt. Ihr Konzept, nur noch ein Rumpforchester aus festangestellten Instrumentalisten zu behalten und bei Bedarf die benötigten weiteren Künstler zusätzlich zu engagieren, ist nachvollziehbar, wenn es auch manchen nach künstlerisch-ästhetischen Gesichtspunkten Urteilenden nicht überzeugen mag. Dass die Neuordnung etwa nur unter Verletzung arbeitsrechtlicher Vorgaben zu verwirklichen gewesen wäre oder gar dem Zweck gedient hätte, kündigungsrechtliche Vorschriften - zB die der Sozialauswahl - zu umgehen, hat der Kläger in den Vorinstanzen zwar gelegentlich allgemein geltend gemacht. Konkrete Anhaltspunkte dafür sind aber nicht ersichtlich. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das Konzept sei - jenseits ins Dunkele reichender Vermutungen - nicht gegen den Kläger gerichtet, hat dieser in der Revision nicht angegriffen.

20

c) Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 3 KSchG wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam. Ohne dass der Kläger dem entgegengetreten wäre, hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beschäftigungsbedarf für sämtliche Hornisten entfallen sei. Der Kläger hat auch keinen mit ihm vergleichbaren, weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. benannt, dem an seiner Stelle - bei Zugrundelegung des unternehmerischen Konzepts - hätte gekündigt werden müssen. Da die Kündigung etwa eineinhalb Jahre vor dem Wirksamwerden der Zustiftung zur Beklagten zu 2. ausgesprochen wurde, kam eine Einbeziehung der Musiker des M Orchesters von vornherein nicht in Betracht.

21

d) Die in § 42 Abs. 1 Satz 4 TVK vorgesehene Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum Ende des Orchesterjahres ist eingehalten. Die Beklagte zu 1. war nicht gehalten, die Kündigung erst zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kürzungen auszusprechen. Maßstab für den richtigen Kündigungstermin bei einer betriebsbedingten Kündigung ist zum einen die geltende Kündigungsfrist und zum anderen die unternehmerische Entscheidung, die der Kündigung zugrunde liegt. Letztere sah den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit zum 31. Juli 2008 vor. Die unternehmerische Entscheidung war auch insoweit nicht missbräuchlich. Zum einen ist es sachgerecht, die notwendige Umstrukturierung eines Orchesters nicht in der Mitte, sondern am Ende einer Spielzeit vorzusehen. Zum anderen hat die Beklagte zu 1. ausgeführt, sie habe die für 2008 noch bewilligten Mittel des Freistaats Thüringen zur - nur teilweisen - Bewältigung der mit den Kündigungen verbundenen finanziellen Lasten - zB Übergangsgelder und Abfindungen - benötigt.

22

4. Ob die Beklagte zu 1. ihren nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 des Tarifvertrages über die Bildung und die Aufgaben des Orchestervorstandes vom 1. Juli 1971 (TV Orchestervorstand) bestehenden Pflichten nachgekommen ist, kann dahin stehen. Selbst wenn sie diese Pflichten verletzt haben sollte, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Den hier in Rede stehenden Vorschriften ist keine Anordnung zu entnehmen, aus der sich die Unwirksamkeit einer unter Verletzung von § 5 Abs. 1, Abs. 2 TV Orchestervorstand erklärten Kündigung ergäbe. Der Tarifvertrag sieht - anders als § 102 BetrVG - nicht die Unwirksamkeit einer ohne Beteiligung des Orchestervorstandes erfolgten Kündigung vor. Bereits dies spricht gegen die vom Kläger vertretene Auffassung. Nach der Rechtsprechung des Senats haben im Übrigen sogar Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften des kollektiven Rechts nur bei entsprechender ausdrücklicher Anordnung des Gesetzgebers die Unwirksamkeit der betreffenden Kündigung zur Folge, da regelmäßig die kollektivrechtliche Seite von der individualrechtlichen zu trennen ist (Senat 22. April 2010 - 2 AZR 491/09 - NZA 2010, 1235). Im Streitfall tritt hinzu, dass die gemeinsame Protokollerklärung der Tarifvertragsparteien deren übereinstimmende Auffassung festhält, der Begriff der „Beteiligung“ in § 5 Abs. 1 TV Orchestervorstand sei nicht im „personalrechtlichen“ Sinne zu verstehen.

23

5. Die Kündigung ist nicht nach § 102 BetrVG unwirksam.

24

a) Die Beklagte zu 1. hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 27. Juni 2007 über die dem Kläger nach § 42 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVK auszusprechende betriebsbedingte Kündigung unterrichtet. Sie hat den Betriebsrat gebeten, bis zum 13. Juli 2007 Stellung zu nehmen. Sie hat damit die gesetzliche Frist zur Stellungnahme (§ 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG) um etwa eine Woche verlängert. Der Betriebsrat erklärte sich jedoch bereits mit Schreiben vom 3. Juli 2007 und widersprach der Kündigung. Darin lag nach der vom Kläger nicht mehr angegriffenen Würdigung des Landesarbeitsgerichts eine abschließende Stellungnahme.

25

b) Ob die Beklagte zu 1. dem Betriebsrat mitgeteilt hat, dass sie - möglicherweise - ihrer Pflicht zur Unterrichtung des Orchestervorstandes nicht nachgekommen ist, bedurfte keiner Aufklärung. Die Beklagte zu 1. war zu einer entsprechenden Mitteilung an den Betriebsrat nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG verpflichtet. Nach dieser Vorschrift muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Kündigungsgründe unterrichten. Darunter fallen nur solche Umstände, die für die Wirksamkeit der Kündigung aus Sicht des Arbeitgebers maßgebend sind. Da die Beteiligung des Orchestervorstandes ebenso wie ihr Unterbleiben keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Kündigung ausübt, bedurfte es im Rahmen der Anhörung nach § 102 BetrVG auch keiner Unterrichtung darüber. Die dem entgegenstehende Auffassung des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt (17. November 1998 - 7 Sa 952/95 -) findet weder im Tarifvertrag noch im Gesetz eine Stütze.

26

6. Die Kündigung ist nicht nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam.

27

a) Die Kündigung eines Betriebsveräußerers unterfällt dann nicht dem Verbot des § 613a Abs. 4 BGB, wenn sie der Verwirklichung eines vom Erwerber vorgegebenen und nicht missbräuchlichen Sanierungskonzepts dient(BAG 20. März 2003 - 8 AZR 97/02 - BAGE 105, 338). Die Umsetzung des Konzepts muss bei Zugang der Kündigung allerdings bereits greifbare Formen angenommen haben.

28

b) Nach diesen Grundsätzen verstieß die Kündigung nicht gegen § 613a Abs. 4 BGB.

29

(aa) Es kann dahinstehen, ob, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat, § 613a Abs. 4 BGB schon deshalb nicht anwendbar ist, weil die Kündigung etwa eineinhalb Jahre vor der Zustiftung des Theaterbetriebs E zur Beklagten zu 2. erfolgte.

30

(bb) Offenbleiben mag auch, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Zustiftung als Betriebsübergang angesehen werden kann. Zweifelhaft ist jedenfalls die Annahme, die Zustiftung eines Unternehmens oder Betriebes führe ohne Weiteres zu einem einheitlichen Unternehmen oder gemeinsamen Betrieb mit der kündigungsrechtlichen Folge, dass Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im gesamten Bereich der aufnehmenden Stiftung zu berücksichtigen wären und eine Sozialauswahl sich auf alle bei dieser tätigen vergleichbaren Arbeitnehmer zu beziehen hätte. Vielmehr können unter dem „Dach“ einer Stiftung getrennte - ggf. auch durch Zustiftung hinzugekommene - Unternehmen und Betriebe bestehen. Der Stiftung können uU, wie einem Konzern, mehrere selbständige Unternehmen und Betriebe in der Form von Sondervermögen angehören (vgl. Rawer DNotZ 2008, 5).

31

(cc) Jedenfalls lag bei Kündigung ein nachhaltiges, nicht missbräuchliches und in Einzelheiten ausgearbeitetes Konzept für die Fortführung des Orchesters nach dem Wirksamwerden der Zustiftung vor, dessen einzige realistische Alternative die Insolvenz war. Damit erfolgte die Kündigung nicht „wegen des Betriebsübergangs“.

32

7. Die Kündigung ist nicht unter Verstoß gegen § 17 KSchG ausgesprochen worden. Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat bindend festgestellt, dass die in § 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG vorgesehene Mindestanzahl von Kündigungen nicht erreicht wurde, weshalb keine Anzeigepflicht bestand.

33

II. Die Unbegründetheit der gegen die Beklagte zu 2. verfolgten Klageanträge folgt jedenfalls aus der Unbegründetheit der gegen die Beklagte zu 1. erhobenen Klage.

34

III. Die Kosten der Revision fallen dem Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Beckerle    

        

    B. Schipp    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.