Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 08. Mai 2014 - 2 Sa 33/13

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2014:0508.2SA33.13.0A
08.05.2014

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 06.12.2012 - 3 Ca 879/12 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 01.05.2012 bis zum 30.09.2013 in Höhe von 3.970,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.490,00 EUR seit dem 10.09.2013 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit vom 01.10.2013 bis zum 31.07.2014 den wegen der vorzeitigen Auflösung des Berufsausbildungsverhältnisses durch die Kosten der Unterkunft für die Wohnung B-Straße, H-Stadt in Höhe von 310,00 EUR monatlich entstehenden Schaden zu ersetzen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Verdienstausfall für die Zeit vom 18.04.2012 bis zum 14.05.2012 in Höhe von 368,99 EUR zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Umzugskosten für den Umzug von T-Stadt nach B-Stadt sowie von T-Stadt nach H-Stadt in Höhe von insgesamt 2.100,00 EUR zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen vorzeitiger Beendigung ihres Ausbildungsverhältnisses nach § 23 BBiG.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten aufgrund Berufsausbildungsvertrags vom 07. Juli 2011 (Bl. 8 d. A.) seit dem 01. August 2011 als Auszubildende für den Ausbildungsberuf der Immobilienkauffrau beschäftigt. Der für die Zeit vom 01. August 2011 bis 31. Juli 2014 geschlossene Berufsausbildungsvertrag der Parteien sieht eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 410,00 EUR im ersten Ausbildungsjahr, 450,00 EUR im zweiten Ausbildungsjahr und 500,00 EUR im dritten Ausbildungsjahr vor. Weiterhin war zwischen den Parteien vereinbart, dass der Klägerin für die Dauer ihrer Ausbildung bei der Beklagten in T-Stadt ein Apartment (G-Straße 0 in T-Stadt) - zusätzlich zu der im Ausbildungsvertrag vereinbarten monatlichen Ausbildungsvergütung - kostenlos von der Beklagten zur Verfügung gestellt wird. Nachdem das Ausbildungsverhältnis von den Parteien zunächst mit Aufhebungsvereinbarung vom 13. Februar 2012 (Bl. 9 d. A.) zum 28. Februar 2012 beendet worden war, kamen die Parteien in der Folgezeit überein, ihr Ausbildungsverhältnis fortzusetzen. Daraufhin nahm die Klägerin ab dem 12. März 2012 ihre Ausbildung im Betrieb der Beklagten wieder auf.

3

Mit Schreiben vom 17. April 2012 (Bl. 62, 63 d. A.) kündigte die Klägerin das mit der Beklagten bestehende Ausbildungsverhältnis fristlos; wegen der abgegebenen Begründung wird auf das Kündigungsschreiben verwiesen. Mit Bescheid vom 17. April 2012 (Bl. 10 bis 13 d. A.) bestätigte das Polizeipräsidium T-Stadt - Polizeiinspektion T-Stadt - gegenüber dem Komplementär-Geschäftsführer der Beklagten, Herrn D., schriftlich die gegen ihn zuvor mündlich erlassenen Polizeiverfügungen zum Schutz vor Gewalt gemäß § 13 POG Rheinland-Pfalz, mit denen Herrn D. befristet bis zum 27. April 2012 in Bezug auf die Wohnung der Klägerin ein Platzverweis aus der Wohnung sowie ein Betretungsverbot und gegenüber der Klägerin ein Aufenthalts-, Kontakt- und Näherungsverbot mit der Begründung auferlegt wurde, dass er beschuldigt werde, mit Gewalt gegen die Klägerin vorgegangen zu sein ("gegen Hüfte getreten, am Hals bepackt, bespuckt und beleidigt") und deren Wohnung unberechtigt betreten zu haben. Mit Beschluss des Amtsgerichts T-Stadt vom 04. Juni 2012 - 0 X 000/00 - wurde gegen Herrn D. eine bis zum 04. Dezember 2012 befristete einstweilige Anordnung nach § 1 Gewaltschutzgesetz erlassen, durch die ihm untersagt wurde, mit der Klägerin in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen.

4

Mit ihrer beim Arbeitsgericht Trier erhobenen Klage macht die Klägerin Schadensersatzansprüche gemäß § 23 BBiG wegen der vorzeitigen Beendigung ihres Ausbildungsverhältnisses gegen die Beklagte geltend.

5

Sie hat erstinstanzlich vorgetragen, die Beklagte sei gemäß § 23 BBiG zum Schadensersatz verpflichtet, weil ihr Geschäftsführer den Grund für die Auflösung des Ausbildungsverhältnisses zu vertreten habe. Am Freitag, den 13. April 2012, habe sich der Geschäftsführer der Beklagten mit ihr im Fahrzeug der Beklagten befunden. Als sie dem Geschäftsführer mitgeteilt habe, dass sie am Samstagabend ausgehen würde, habe dieser sie daraufhin angespuckt. Am Samstag, den 14. April 2012, habe sie beim Beladen der Fahrzeuge der Beklagten in der Tiefgarage helfen sollen und sei dieser Aufforderung nachgekommen. In der Tiefgarage habe sich ebenfalls der Geschäftsführer befunden. Als sie in der Tiefgarage beim Beladen der Fahrzeuge geholfen habe, habe dieser eine Diskussion mit ihr angefangen, ihr Vorwürfe gemacht und nachgefragt, ob sie einen neuen Mann kennengelernt hätte. Als sie daraufhin die Tiefgarage habe verlassen wollen, habe der Geschäftsführer der Beklagten sie festgehalten, einen Würgegriff am Hals angesetzt und sie gegen die Wand gedrückt. Als sie am nächsten Morgen um ca. 04.00 Uhr nach Hause gekommen sei, habe plötzlich der Geschäftsführer in ihrer Wohnung gestanden. Offensichtlich habe dieser über einen zweiten Schlüssel zu ihrer Wohnung verfügt, mit dem er sich unerlaubt Zutritt zu ihrer Wohnung verschafft habe. Ihrer mehrfachen Aufforderung, die Wohnung zu verlassen, sei dieser nicht nachgekommen. Erst nach einiger Zeit habe er sodann die Wohnung verlassen. Um 20.00 Uhr habe der Geschäftsführer dann an ihrer Wohnungstür geklingelt und vorgeschlagen, ein ruhiges und vernünftiges Gespräch mit ihr zu führen. Entgegen dieser Ankündigung habe das Gespräch damit geendet, dass der Geschäftsführer sie mit den Worten beleidigt habe, sie sei billig und eine Nutte. Soweit der Geschäftsführer der Beklagten bestritten habe, mit ihr eine Beziehung geführt zu haben, ergebe sich das Gegenteil aus dem von ihr vorgelegten SMS-Verkehr (Anlagen zum Schriftsatz vom 06. November 2012). Der Umstand, dass sich der Geschäftsführer der Beklagten gegen beide Gewaltschutzverfügungen unstreitig nicht zur Wehr gesetzt habe, belege unmissverständlich, dass insbesondere die in der polizeilichen Verfügung aufgeführten Vorwürfe richtig seien. Niemand lasse eine polizeiliche Verfügung sowie eine einstweilige Verfügung des Amtsgerichts gegen sich erwirken, ohne sich dagegen zur Wehr zu setzen, sofern der ihm vorgeworfene Sachverhalt nicht der Richtigkeit entspreche. Die durch sie vorgetragenen schwerwiegenden Vertragsverstöße des Geschäftsführers der Beklagten in Form von Beleidigungen und körperlichen Attacken seien durch die Tonaufnahme vom 15. April 2012 belegt, die sie mit Kenntnis des Geschäftsführers der Beklagten gefertigt habe; wegen des von der Klägerin wiedergegebenen Gesprächsinhalts nebst der jeweiligen Tonaufnahmelänge wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 06. November 2012 (S. 4 unten und S. 5 oben = Bl. 85, 86 d. A.) Bezug genommen. Da die Tonaufnahme mit Kenntnis des Geschäftsführers der Beklagten gefertigt worden sei, bestehe kein Beweisverwertungsverbot. Im Rahmen dieser Tonaufnahme habe der Geschäftsführer am 15. April 2012 ausgeführt, dass er sie geschlagen habe. Der gegen sie erhobene Vorwurf des Diebstahls eines auf der Briefkastenanlage der Wohnanlage Güterstraße 51 abgestellten Pakets sei unbegründet, weil dessen Eigentümerin, Frau G., es mitsamt Inhalt - einer Gratistasche Yves Rocher - extra herausgestellt habe, da ihr die Tasche nicht gefallen habe. Es sei in der Anlage üblich, dass Eigentümer, die bestimmte Gegenstände nicht länger benötigten, diese auf die Briefkastenanlage legten, damit andere Bewohner sie sich von dort nehmen könnten. Als Schadenspositionen mache sie zunächst den ihr entstandenen Verdienstausfall für die Zeit vom 18. April bis 14. Mai 2012 in Höhe von 368,99 EUR (410,00 EUR : 30 x 27 Tage) geltend, weil sie erst zum 15. Mai 2012 gemäß dem vorgelegten Berufsausbildungsvertrag (Bl. 102 d. A.) in H-Stadt eine anderweitige Ausbildungsstelle gefunden habe. Sowohl das Jobcenter T-Stadt wie auch die IHK T-Stadt hätten ihr auf Nachfrage keine Ausbildungsstelle zur Immobilienkauffrau in T-Stadt anbieten können. Weiterhin sei die Beklagte zum Ersatz der ihr für die in H-Stadt angemietete Wohnung entstandenen Mietkosten von monatlich 310,00 EUR gemäß dem vorgelegten Mietvertrag (Bl. 103 bis 106 d. A.) verpflichtet. Zudem habe die Beklagte ihr die entstandenen Kosten für den jeweils erforderlichen Umzug von T-Stadt nach B-Stadt nach der ersten Beendigung des Ausbildungsverhältnisses und von T-Stadt nach H-Stadt am 01. Mai 2012 zu erstatten; wegen der Höhe der geltend gemachten Umzugskosten wird auf die Berechnung der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 04. September 2012 (S. 3 bis 5 = Bl. 39 bis Bl. 41 d. A.) Bezug genommen.

6

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

7

die Beklagte zu verurteilen, an sie die Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 01.05. bis zum 31.12.2012 in Höhe von 8 x 310,00 EUR = 2.480,00 EUR zu zahlen,

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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die Kosten der Unterkunft für die Wohnung B-Straße, H-Stadt, in der Höhe von 310,00 EUR monatlich bis zur Beendigung der Ausbildungszeit, voraussichtlich 27.08.2014, zu zahlen,

9

die Beklagte zu verurteilen, ihr Verdienstausfall für die Zeit vom 18.04.2012 bis zum 14.05.2012 in Höhe von 368,99 EUR zu zahlen,

10

die Beklagte weiterhin zu verurteilen, ihr Umzugskosten für den Umzug von T-Stadt nach B-Stadt sowie von T-Stadt nach H-Stadt in Höhe von insgesamt 2.100,00 EUR zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie hat erwidert, die Klage sei mangels Anrufung des gebildeten Schlichtungsausschusses unzulässig. Die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche würden ihr bereits dem Grunde nach nicht zustehen. Zwar habe ihr Komplementär-Geschäftsführer die Klägerin am 14. April 2012 tatsächlich gebeten, ihm beim Beladen eines Fahrzeugs behilflich zu sein. Im Übrigen sei das von ihr bestrittene Vorbringen der Klägerin zu den erhobenen Vorwürfen frei erfunden und diene offensichtlich lediglich der Absicht, sie und ihren Komplementär-Geschäftsführer in Misskredit zu bringen und sich finanzielle Vorteile zu verschaffen, die der Klägerin unter keinem Gesichtspunkt zustünden. Ihr Komplementär-Geschäftsführer habe die Klägerin zu keiner Zeit bespuckt, beleidigt, körperlich misshandelt und geschlagen. In der Aufhebungsvereinbarung vom 13. Februar 2012 sei mit keinem Wort die Rede davon, dass Grund für die Aufhebung des Berufsausbildungsvertrages gewalttätige Übergriffe auf die Klägerin gewesen sein solle. Vielmehr sei dieser Aufhebungsvereinbarung zu entnehmen, dass die Klägerin Heimweh gehabt habe und sie die Wochenendheimfahrten nach B-Stadt stark belastet hätten. Das Ausbildungsverhältnis sei auf Wunsch der Klägerin fortgeführt worden. Bezeichnenderweise sei im Kündigungsschreiben der Klägerin vom 17. April 2012 auch nicht mit einem einzigen Wort die Rede von angeblichen gewaltsamen Übergriffen auf ihre Person. Zudem habe die Klägerin Herrn D. noch am 24. April 2012 um ein Gespräch gebeten und ihm am selben Tag acht Stunden lang erklärt, sie liebe ihn, sie wolle ohne ihn nicht leben und er solle seine Frau und sein Kind für sie verlassen, und habe ihn am 25. und 26. April 2012 jeweils zwei Stunden lang gesucht. Im Übrigen sei die Klägerin jeglichen Beweis für die angeblichen Vorfälle schuldig geblieben. In Bezug auf den von ihr bestrittenen Inhalt der angeblichen Tonaufnahme sei für ihren Komplementär-Geschäftsführer jedenfalls nicht ersichtlich, weshalb er unter anderem auch angegeben haben solle, dass er die Klägerin geschlagen habe, wenn er dies tatsächlich nicht getan habe. Jedenfalls sei dem zitierten Tonbandprotokoll zu entnehmen, dass der Inhalt der Aufnahme, soweit er überhaupt existent sei, nur bruchstückhaft zitiert und demzufolge wohl aus dem Zusammenhang gerissen sei, so dass eine Klärung nur dadurch herbeigeführt werden könne, wenn die gesamte Tonaufzeichnung angehört werde. Mangels Einverständnisses ihres Komplementär-Geschäftsführers zu dieser Tonaufzeichnung bestehe ein entsprechendes Beweisverwertungsverbot. Zudem sei aus der Protokollierung dieser Tonaufnahme nicht erkennbar, wann ihr Komplementär-Geschäftsführer die Klägerin angeblich geschlagen haben solle, insbesondere ob dies angeblich vor oder nach der Mitte Februar 2012 einvernehmlich erfolgten Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses gewesen sein solle. Tatsächlich habe ausschließlich die Klägerin den Grund für die außerordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesetzt, so dass ein Schadensersatzanspruch bereits dem Grunde nach ausscheide. Sie habe nämlich ihrerseits - sich mit dem Kündigungsschreiben der Klägerin zeitlich überschneidend - mit Schreiben vom 17. April 2012 (Bl. 68, 69 d. A.) das Ausbildungsverhältnis mit der Klägerin fristlos gekündigt. Ihre fristlose Kündigung vom 17. April 2012 sei der Klägerin am 19. April 2012 durch Einwurf in ihren Briefkasten unter der damaligen Wohnanschrift (T-Straße 00, T-Stadt) zugestellt worden. Hauptgründe seien die von der Klägerin weitergeführte Tätigkeit als sog. Oben-ohne-Gogo-Tänzerin, zu deren Aufgabe sie diese schon mit Schreiben vom 20. Januar 2012 und in der Folgezeit in mehreren Gesprächen angehalten habe, sowie der Diebstahlsverdacht hinsichtlich des an eine Bewohnerin der Anlage G-Straße 00 adressierten Päckchens. Dass die Klägerin das Paket an sich genommen habe, sei am 14. April 2012 durch die Aufzeichnung einer dort installierten Videokamera aufgefallen. Die Klägerin habe gegenüber Herrn D., von diesem mit Schreiben vom selben Tage hierauf angesprochen, eingeräumt, die im Paket befindliche Tasche an sich genommen zu haben. Nach dem Gespräch habe die Klägerin die Tasche dann nicht deren Eigentümerin zurückgegeben, sondern diese entsorgt. Trotz mehrfacher und ausdrücklicher Aufforderung, schriftlich Stellung zu dem Vorwurf des Diebstahls zu nehmen und eine Entlastungserklärung abzugeben, habe die Klägerin dies verweigert, so dass weiterhin von einem Diebstahl habe ausgegangen werden müssen und das Vertrauensverhältnis dementsprechend zerstört sei. Höchst vorsorglich bestreite sie die Ausführungen der Klägerin zu den jeweiligen Schadenspositionen mit Nichtwissen. Die vereinbarte kostenlose Zurverfügungstellung der Wohnung in T-Stadt habe sich nur auf die Ausbildung bei ihr in T-Stadt und nicht auf einen anderen Ausbilder oder gar einen anderen Ausbildungsort bezogen. Sie habe der Klägerin lediglich zugesagt, die Kosten für den Umzug von T-Stadt nach B-Stadt in Höhe von 300,00 EUR zu übernehmen.

14

Mit Urteil vom 06. Dezember 2012 - 3 Ca 879/12 - hat das Arbeitsgericht Trier die Klage abgewiesen; wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils (S. 7 bis 11 = Bl. 130 bis 134 d. A.) Bezug genommen.

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Gegen das ihr am 09. Januar 2013 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 21. Januar 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 07. März 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

16

Die Klägerin trägt vor, das Arbeitsgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass eine Anhörung der Tonaufnahme über den Gesprächsmitschnitt mit dem Geschäftsführer der Beklagten vom 15. April 2012 mangels substantiierten Sachvortrags nicht angezeigt gewesen sei. Sie habe vorgetragen, das im Rahmen des Mitschnittes der Geschäftsführer der Beklagten am 15. April 2012 ihr gegenüber geäußert habe, das seine Frau wisse, dass er sie geschlagen habe. Was Herr D. hierbei als "Schlagen" bezeichnet habe, unterliege dessen subjektiver Wertung und sei für sie ohne weiteres nicht nachvollziehbar. Sie könne nur das wiedergeben und vortragen, was Herr D. als Geschäftsführer der Beklagten geäußert habe. Sie habe ausgeführt, dass Herr D. sie am 14. April 2012 beim Verladen in der Tiefgarage gegen die Wand gedrückt und einen Würgegriff angesetzt habe. Dies stelle die Anwendung körperlicher Gewalt dar. Es sei davon auszugehen, dass Herr D. die Anwendung von körperlicher Gewalt im Rahmen des Gesprächsmitschnittes gemeint habe, als er von "Schlagen" gesprochen habe. In der polizeilichen Verfügung vom 17. April 2012 sei der Vorwurf gegen Herrn D. erhoben worden, dass dieser am 14. April 2012 bei dem vorbezeichneten Verladevorgang in der Tiefgarage sie am Hals gepackt, gegen die Wand gedrückt und nach dem Loslassen noch gegen ihre Hüfte getreten habe. Auch dies stelle wiederum die Anwendung erheblicher körperlicher Gewalt dar. Es sei davon auszugehen, dass Herr D. diesen Sachverhalt angesprochen habe, als er im Rahmen des mitgeschnittenen Gespräches vom 15. April 2012 ausgeführt habe, sie geschlagen zu haben. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass Herr D. im Rahmen des Gesprächsmitschnittes vom 15. April 2012 darüber gesprochen habe, dass er seiner Frau mitgeteilt hätte, dass er sie geschlagen habe. Es sei nachvollziehbar, dass Herr D. die ihr gegenüber erfolgte erhebliche Gewaltanwendung seiner Ehefrau nicht in allen Details geschildert habe, sondern dies lediglich dahingehend umschrieben habe, dass er gegenüber seiner Ehefrau ausgeführt habe, sie geschlagen zu haben. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts, dass unklar geblieben sei, ob das von Herrn D. angeblich eingeräumte Schlagen sich auf eine aktuelle Situation im April 2012 beziehe oder auf ein zeitlich zurückliegendes Verhalten, das zum seinerzeitigen Aufhebungsvertrag geführt habe, sei vollkommen abwegig. Hintergrund des Aufhebungsvertrages im Februar 2012 sei gewesen, dass der Geschäftsführer der Beklagten sie mit voller Wucht gegen den Schrank geschleudert habe. Ein Schlagen im klassischen Sinne habe es auch damals nicht gegeben. Darüber hinaus sei im Rahmen des Gespräches am 15. April 2012 über die aktuelle Situation der Parteien gesprochen worden, während keinerlei Bezug zu dem früheren Verhalten im Februar 2012 bzw. zu dem Aufhebungsvertrag vom 13. Februar 2012 bestanden habe. Wenn Herr D. bereits im Februar 2012 seine Ehefrau über das außereheliche Verhältnis aufgeklärt hätte, hätte diese sicherlich interveniert und nicht geduldet, dass das Ausbildungsverhältnis ab dem 12. März 2012 bei der Beklagten fortgesetzt worden sei. Insgesamt sei festzustellen, dass Herr D. als Geschäftsführer der Beklagten sich schwerwiegender Verfehlungen und Vertragsverletzungen schuldig gemacht habe. Am 13. April 2012 habe er ihr während einer Dienstfahrt im Fahrzeug gegen 18.00 Uhr auf der A 602 vor T-Stadt ins Gesicht gespuckt. Am 14. April 2012 sei sie der Aufforderung nachgekommen, in der Tiefgarage beim Beladen der Fahrzeuge zu helfen. Der Geschäftsführer der Beklagten habe sie in eine Diskussion verwickelt und ihr Vorwürfe gemacht. Als sie die Tiefgarage habe verlassen wollen, habe der Geschäftsführer der Beklagten sie festgehalten, am Hals einen Würgegriff angesetzt und sie gegen die Wand gedrückt. Sie habe zu weinen begonnen, woraufhin Herr D. sie losgelassen habe, aber gleichzeitig gegen ihre Hüfte getreten habe. Als sie am Sonntag, 15. April 2012, um 4:00 Uhr morgens nach Hause gekommen sei, habe plötzlich der Geschäftsführer der Beklagten in ihrer Wohnung gestanden, zu der er sich offensichtlich mit einem zweiten Schlüssel unerlaubt Zutritt verschafft habe. Am 15. April 2012 habe Herr D. gegen 20.00 Uhr an ihrer Wohnungstür geklingelt. In dem daraufhin geführten Gespräch habe Herr D. sie mit den Worten beleidigt, sie sei billig und eine Nutte. Das Arbeitsgericht hätte das gesamte prozessuale Verhalten der Parteien im Rahmen der Würdigung der Glaubhaftigkeit der entsprechenden Sachvorträge berücksichtigen müssen. Der Geschäftsführer der Beklagten habe im Verlaufe des Verfahrens unter Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht vorgetragen, dass eine persönliche Beziehung und Affäre zwischen den Parteien nie bestanden hätte. Sie habe den falschen Sachvortrag der Beklagten durch die Vorlage einer Vielzahl von SMS wiederlegen können. Ebenso sei zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer der Beklagten sich gegen die polizeiliche Verfügung vom 17. April 2012 nicht zur Wehr gesetzt habe und diese habe rechtskräftig werden lassen. Niemand würde derartig schwerwiegende Vorwürfe, wie sie im Rahmen der polizeilichen Verfügung vom 17. April 2012 gegen Herrn D. erhoben würden, im Raum stehen lassen. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte sie eines Diebstahls bezichtigt habe, ohne Nachforschungen anzustellen, ob ihr Vortrag über die Ansichnahme der Tasche der Richtigkeit entsprochen habe. Jedenfalls aufgrund des Tonmitschnittes vom 15. April 2012 sei nachgewiesen, dass Herr D. erhebliche körperliche Gewalt ihr gegenüber angewandt habe, so dass sie zur Beendigung des Ausbildungsverhältnisses genötigt gewesen sei.

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Die Klägerin beantragt,

18

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 06. Dezember 2012 - 3 Ca 879/12 - aufzuheben und

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die Beklagte zu verurteilen, an sie die Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 01. Mai bis zum 31. Dezember 2012 in Höhe von 8 x 310,00 EUR = 2.480,00 EUR zu zahlen,

20

die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an sie die Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 01. Januar 2013 bis zum 30. September 2013 in Höhe von 9 x 310,00 EUR = 2.790,00 EUR zu zahlen abzüglich 1.300,00 EUR = 1.490,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage,

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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die Kosten der Unterkunft für die Wohnung B-Straße, B-Stadt in der Höhe von 310,00 EUR monatlich ab dem 01. Oktober 2013 bis zum 31. Juli 2014 zu zahlen,

22

die Beklagte zu verurteilen, ihr Verdienstausfall für die Zeit vom 18. April 2012 bis zum 14. Mai 2012 in Höhe von 368,99 EUR zu zahlen,

23

die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an sie Umzugskosten für den Umzug von T-Stadt nach B-Stadt sowie von T-Stadt nach H-Stadt in Höhe von insgesamt 2.100,00 EUR zu zahlen.

24

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

26

Sie erwidert, das Arbeitsgericht sei im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht begründet seien und die Klägerin ihre Berechtigung zum Ausspruch einer fristlosen Eigenkündigung nicht hinreichend dargelegt habe. Vielmehr sei die Klägerin für die behaupteten und von ihr bestrittenen angeblichen gewalttätigen Übergriffe, das Anspucken und angebliche Beleidigungen seitens ihres Komplementär-Geschäftsführers bzw. das angeblich unberechtigte Eindringen in ihre Wohnung beweisfällig geblieben. Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin stelle sich als völlig unsubstantiiert dar, so dass aus diesen Gründen auch eine Anhörung der Tonaufnahme über den behaupteten Gesprächsmitschnitt nicht angezeigt sei. Wenn in dem angeglichen Gesprächsmitschnitt tatsächlich von Schlagen die Rede gewesen sein solle, zeige dies mit aller Deutlichkeit die Widersprüchlichkeit und Unschlüssigkeit des Vortrags der Klägerin auf, weil doch nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin zu dem angeblichen Vorfall vom 14. April 2012 nicht von einem Schlagen, sondern lediglich von einem angeblichen "gegen die Wand drücken" und von einem angeblichen "Würgegriff" die Rede sei. Auch die von ihr bestrittene Behauptung der Klägerin, sie sei nach dem behaupteten Loslassen auch noch gegen die Hüfte getreten worden, könne ebenfalls bereits begriffstechnisch nicht als Schlagen angesehen werden. Insbesondere habe die Klägerin ihre fristlose Kündigung vom 17. April 2012 mit keinem Wort auf angebliche körperliche Übergriffe seitens ihres Komplementär-Geschäftsführers gestützt. Soweit als Grund für die fristlose Kündigung behauptet worden sei, ihr Komplementär-Geschäftsführer habe der Klägerin direkt ins Gesicht gespuckt, habe die Klägerin keinen Beweis für diese bestrittene Behauptung angetreten. Soweit die fristlose Kündigung der Klägerin darauf gestützt worden sei, dass man ihr zu Unrecht einen Diebstahl unterstellt habe, habe der Verdacht dieses Diebstahls für sie nach Maßgabe des erstinstanzlichen Vorbringens zumindest sehr nahe gelegen, zumal der Klägerin von ihrer Seite mehrfach die Gelegenheit gegeben worden sei, diesen Verdacht auch auszuräumen und die Verdachtsmomente zu beseitigen. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin dem nie nachgekommen sei und auch keine angebliche Stellungnahme vom 15. April 2012 existiere, habe sie aufgrund der sich verdichtenden und von der Klägerin nicht ausgeräumten Verdachtsmomente zu Recht davon ausgehen müssen, dass an dem Verdacht etwas sein könnte, was sie dann auch zu der entsprechenden Strafanzeige gegen die Klägerin veranlasst habe. Für die weitere Behauptung eines von ihr bestrittenen unbefugten Betretens der Betriebswohnung habe die Klägerin ebenfalls keinen Beweis angetreten. Gleiches gelte für die bestrittene und nicht näher erläuterte Behauptung, dass man sich in ihrer Firma angeblich des Öfteren im Ton vergriffen und an sie beleidigende und frauenfeindliche Worte gerichtet habe. Da die von der Klägerin im Kündigungsschreiben aufgeführten Gründe demzufolge nicht begründet bzw. als widerlegt oder nicht bewiesen anzusehen seien, habe das Arbeitsgericht zu Recht angenommen, dass sie den Grund für die durch die Eigenkündigung der Klägerin bedingte Auflösung des Ausbildungsverhältnisses nicht zu vertreten habe.

27

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten der Sachverständigen Frau Prof. Dr. A. vom 27. September 2013 (Bl. 282 - 288 d. A.) und 31. Januar 2014 (Bl. 314 - 331 d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich der Stellungnahme der Parteien zu dem Sachverständigengutachten wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 16. Oktober 2013, 13. Februar 2014 und 25. April 2014 sowie auf die Schriftsätze der Beklagten vom 10. Oktober 2013 und 14. April 2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

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Die Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet.

30

Der Zulässigkeit der Klage steht § 111 Abs. 2 ArbGG nicht entgegen, weil der Schlichtungsausschuss vorprozessual nicht angerufen werden muss, wenn es sich - wie hier - nicht um eine Streitigkeit aus einem bestehenden, sondern aus einem bei Klageeinreichung bereits beendeten Ausbildungsverhältnis handelt. Die Beklagte ist der Klägerin gemäß § 23 BBiG zum Ersatz der geltend gemachten Schadenspositionen verpflichtet, weil das Ausbildungsverhältnis der Parteien nach der Probezeit aus einem Grund vorzeitig aufgelöst worden ist, den die Beklagte zu vertreten hat.

I.

31

Die Klägerin hat gem. § 23 Abs. 1 BBiG einen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Unterkunftskosten in der zuletzt beantragten Höhe von insgesamt 3.970,00 EUR für die Zeit vom 01. Mai 2012 bis zum 30. September 2013.

32

Soweit die Klägerin ihren Klageanspruch in der Berufungsinstanz über den 31. Dezember 2012 hinaus auf die Zeit bis zum 30. September 2013 durch einen bezifferten Leistungsantrag erweitert hat, handelt es sich um eine gemäß § 533 ZPO zulässige Klageänderung.

33

1. Wird das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst, so können nach § 23 Abs. 1 BBiG Ausbildende oder Auszubildende Ersatz des Schadens verlangen, wenn die andere Person den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Diese Voraussetzungen für den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch liegen vor.

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a) Die Klägerin hat das Berufsausbildungsverhältnis mit der Beklagten nach Ablauf der Probezeit am 17. April 2012 vorzeitig gelöst im Sinne des § 23 Abs. 1 BBiG. Hierfür kommt es auf die Wirksamkeit der von ihr ausgesprochenen fristlosen Eigenkündigung vom 17. April 2012 nicht an. Der Begriff des "Lösens" ist weit zu verstehen und erfasst jeden Fall der tatsächlichen Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses vor dem regulären Ende (BAG 17. Juli 2007 - 9 AZR 103/07 - Rn. 11, BAGE 123, 247). Unerheblich ist daher auch, ob die Beklagte ihrerseits eine Kündigung ausgesprochen hat, die nach ihrem Vortrag (S. 7 des Schriftsatzes vom 04. Dezember 2012 = Bl. 116 d. A.) der Klägerin am 19. April 2012 durch Einwurf des Kündigungsschreibens vom 17. April 2012 in ihren Briefkasten zugegangen sein soll. Maßgeblich ist nicht, wer das Berufsausbildungsverhältnis beendet hat, sondern wer den Grund für die vorzeitige Auflösung des Ausbildungsverhältnisses zu vertreten hat.

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b) Das vorzeitige Lösen vom Berufsausbildungsverhältnis der Parteien hat die Beklagte zu vertreten (§ 276 BGB).

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aa) Die Klägerin hat die vorzeitige Auflösung des Berufsausbildungsverhältnisses durch die von ihr ausgesprochene fristlose Kündigung vom 17. April 2012 im vorliegenden Verfahren unter anderem damit begründet, dass der Komplementär-Geschäftsführer der Beklagten, Herr D., sie am 14. April 2012 in der Tiefgarage körperlich angegriffen habe. Hierzu hat sie vorgetragen, dass sie am 14. April 2012 in der Tiefgarage beim Beladen der Fahrzeuge der Beklagten habe helfen sollen und dieser Aufforderung nachgekommen sei. Dabei habe sie der Geschäftsführer der Beklagten in eine Diskussion verwickelt, ihr Vorwürfe gemacht und danach gefragt, ob sie einen neuen Mann kennengelernt hätte. Als sie daraufhin die Tiefgarage habe verlassen wollen, habe der Geschäftsführer, Herr D., sie festgehalten, am Hals einen Würgegriff angesetzt und sie gegen die Wand gedrückt. Sie habe begonnen zu weinen, woraufhin Herr D. sie losgelassen, gleichzeitig aber noch gegen ihre Hüfte getreten habe. Zum Beleg des von ihr geschilderten körperlichen Angriffs hat sich die Klägerin darauf berufen, dass sie mit Kenntnis des Geschäftsführers der Beklagten, Herrn D., eine Tonaufnahme am 15. April 2012 gefertigt habe, in der der Geschäftsführer selbst erklärt habe, dass seine Frau wisse, dass er sie geschlagen habe. Unter Zugrundelegung dieses Vortrags der Klägerin liegt eine schuldhafte Verletzung der der Beklagten aufgrund des Berufsausbildungsverhältnisses der Parteien obliegenden Rücksichtnahme- und Fürsorgepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) durch deren Komplementär-Geschäftsführer vor.

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bb) Die Beklagte hat diesen Vortrag der Klägerin bestritten und darauf erwidert, dass ihr Komplementär-Geschäftsführer die Klägerin zu keiner Zeit körperlich misshandelt bzw. geschlagen habe. Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses des eingeholten Sachverständigengutachtens (Gutachten vom 27. September 2013 und 31. Januar 2014) ist diese Einlassung der Beklagten zur Überzeugung des Berufungsgerichts (§ 286 ZPO) mit der Folge widerlegt, dass gemäß dem Vortrag der Klägerin von dem von ihr behaupteten körperlichen Angriff durch den Komplementär-Geschäftsführer der Beklagten, Herrn D., auszugehen ist.

38

Die von der Klägerin vorgelegte Tonaufnahme über das von ihr behauptete Gespräch vom 15. April 2012 unterliegt keinem Beweisverwertungsverbot. Aus dem von der Klägerin vorgetragenen Gesprächsverlauf, der von der Sachverständigen in ihrem Gutachten vom 27. September 2013 bestätigt worden ist, ergibt sich, dass sich der Komplementär-Geschäftsführer der Beklagten, Herr D., zumindest konkludent mit der nachfolgenden Aufzeichnung des Gesprächs durch die Klägerin einverstanden erklärt hat. Nach dem von der Sachverständigen in ihrem Gutachten vom 27. September 2013 wiedergegebenen Abschnitt des Gespräches hat der Komplementär-Geschäftsführer der Beklagten bemerkt, dass die Klägerin das Gespräch aufnimmt, und sich dagegen nicht etwa verwahrt, sondern vielmehr sein "Okay" erklärt und die Klägerin sogar noch zur Aufnahme aufgefordert. Auch in der Folgezeit hat er keinen irgendwie gearteten Widerspruch gegen die mit seiner Kenntnis erfolgte weitere Gesprächsaufnahme bis zu der von der Klägerin angeführten entscheidungserheblichen Passage zum Ausdruck gebracht. Im Hinblick darauf ist die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 14. April 2014 beantragte Auswertung der gesamten Tonaufzeichnung ab Aufzeichnungsbeginn nicht veranlasst. Eine heimliche Tonaufnahme ohne Einverständnis des Komplementär-Geschäftsführers, die einem Beweisverwertungsverbot unterliegen würde, liegt in Bezug auf den von der Klägerin behaupteten Gesprächsmitschnitt nicht vor. Nachdem aufgrund der zunächst begutachteten Passage nach dem Gutachten vom 27. September 2013 von einem (konkludenten) Einverständnis des Herrn D. auszugehen war, hat die daraufhin erfolgte Auswertung des nachfolgenden Gesprächsverlaufs nach dem Gutachten vom 31. Januar 2014 die von der Klägerin behauptete Äußerung des Komplementär-Geschäftsführers der Beklagten bestätigt. Danach hat der Komplementär-Geschäftsführer der Beklagten gegenüber der Klägerin selbst erklärt, dass seine Frau wisse, dass er sie geschlagen habe.

39

Die Beklagte bzw. ihr Komplementär-Geschäftsführer bei seiner Anhörung hat keine plausible Erklärung für diese Äußerung abzugeben vermocht. Im Rahmen seiner Anhörung im Termin vom 08. Mai 2014 hat der Geschäftsführer Herr D. erklärt, dass er die Klägerin in der Tiefgarage lediglich "gestumpt", aber nicht geschlagen habe. Er bleibe dabei, dass er die Klägerin nicht geschlagen habe.

40

Diese Einlassung steht in unauflösbarem Widerspruch zu seiner eigenen Äußerung in dem mit der Klägerin geführten Gespräch, in dem er selbst erklärt hat, dass seine Frau wisse, dass er die Klägerin geschlagen habe. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte bzw. ihr Komplementär-Geschäftsführer auch selbst nicht behauptet hat, dass sich dieses eigene Schuldeingeständnis auf einen anderen als den von der Klägerin behaupteten Vorfall vom 14. April 2012 bezogen hat, kommt eine Zuordnung zu einem anderen Vorfall nicht in Betracht. Vielmehr ist die Einlassung der Beklagten, ihr Komplementär-Geschäftsführer habe die Klägerin zu keinem Zeitpunkt körperlich misshandelt bzw. geschlagen, durch das eigene Schuldeingeständnis des Komplementär-Geschäftsführers widerlegt. Die Klägerin hat zutreffend darauf verwiesen, dass die dargestellte Anwendung körperlicher Gewalt ohne weiteres mit dem eingeräumten "Schlagen" bezeichnet werden kann, zumal der Geschäftsführer damit auf seine Schilderung gegenüber seiner Ehefrau verwiesen und selbst keinen anderen Vorfall angeführt hat.

41

Anhaltspunkte für eine Manipulation der Tonaufnahme sind nach den überzeugenden Ausführungen der Gutachterin in ihrem Gutachten vom 31. Januar 2014, auf das verwiesen wird, nicht ersichtlich. Vielmehr sind die Angaben der Klägerin in jeder Hinsicht durch alle vorgenommenen Untersuchungen vollumfänglich bestätigt worden. Die ausgelesenen Metadaten haben u.a. auch die Angaben der Klägerin zur Aufnahmezeit und zum Aufnahmeort (15. April 2012 in der Güterstraße in Trier) bestätigt.

42

Aufgrund der widerlegten Einlassung der Beklagten und der weiteren von der Klägerin vorgetragenen Indizien erachtet das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin zu dem von ihr geschilderten Vorfall in der Tiefgarage am 14. April 2012 für wahr. Zwar hat die Klägerin den von ihr behaupteten körperlichen Angriff nicht in ihr Kündigungsschreiben aufgenommen, weil nach ihrer - von der Beklagten mit Nichtwissen bestrittenen - Darstellung Frau F. von der IHK gesagt habe, dass die im Kündigungsschreiben aufgeführten Vorfälle ausreichen würden. Unabhängig davon hat die Klägerin aber nach der schriftlichen Bestätigung (Bescheid vom 17. April 2012) der zuvor mündlich erlassenen Polizeiverfügung zum Schutz vor Gewalt gem. § 13 POG den Komplementär-Geschäftsführer der Beklagten ausdrücklich beschuldigt, mit Gewalt gegen sie vorgegangen zu sein ("gegen Hüfte getreten, am Hals bepackt, bespuckt und beleidigt"). Die Darstellung der Klägerin entspricht mithin der am 17. April 2012 erfolgten schriftlichen Bestätigung der in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem behaupteten Vorfall vom 14. April 2012 erlassenen mündlichen Gewaltschutzverfügung gegenüber dem Komplementär-Geschäftsführer der Beklagten. Weiterhin hat die Klägerin in der Folgezeit eine einstweilige Anordnung gem. dem vorgelegten Beschluss des AG T-Stadt vom 04. Juni 2012 - 9 F 161/12 - gegen den Komplementär-Geschäftsführer der Beklagten erwirkt. Der Komplementär-Geschäftsführer der Beklagten hat weder gegen die Polizeiverfügung vom 17. April 2012 den nach der Rechtsbehelfsbelehrung möglichen Widerspruch eingelegt noch den nach der Rechtsbehelfsbelehrung im Beschluss des AG T-Stadt vom 04. Juni 2012 möglichen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Der Umstand, dass die Klägerin unmittelbar nach dem behaupteten Vorfall vom 14. April 2012 eine Gewaltschutzverfügung gegen den Komplementär-Geschäftsführer der Beklagten erwirkt hat, die von diesem nicht angegriffen worden ist, spricht neben der widerlegten Einlassung der Beklagten ebenfalls für die Richtigkeit ihrer Behauptung. Auch bei ihrer Anhörung hat die Klägerin den Geschehensablauf lebensnah und widerspruchsfrei geschildert, während der Komplementär-Geschäftsführer der Beklagten keine plausible Erklärung für sein eigenes Schuldeingeständnis in dem mit der Klägerin geführten Gespräch abzugeben vermocht hat.

43

Der Beklagten bzw. dem für sie handelnden Komplementär-Geschäftsführer, Herrn D., oblag aufgrund des Berufsausbildungsverhältnisses der Parteien eine entsprechende Fürsorge- und Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) gegenüber der Klägerin. Diese Nebenpflicht hat der Komplementär-Geschäftsführer der Beklagten erheblich verletzt, indem er die Klägerin, die aufforderungsgemäß zur Mithilfe bei der Beladung der Fahrzeuge der Beklagen in der Tiefgarage erschienen war, nach der daraufhin geführten Diskussion körperlich angegriffen hat. Mithin hat die Beklagte diesen Grund für die unmittelbar danach erfolgte vorzeitige Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zu vertreten.

44

c) Ein Mitverschulden der Klägerin (§ 254 BGB) wegen des von der Beklagten behaupteten Diebstahls eines Paketes kommt nicht in Betracht.

45

Ausweislich der vorgelegten E-Mail vom 9. Mai 2012 (Anlage K 4 zum Schriftsatz der Klägerin vom 6. November 2012 = Bl. 99 d. A.) hat die Klägerin nach der von der damaligen Eigentümerin des Paketes, Frau D., abgegebenen Erklärung keinen Diebstahl begangen. Die für einen von der Klägerin begangenen Diebstahl darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat sich zu dieser E-Mail nicht näher erklärt und die diesbezügliche Einlassung der Klägerin nicht unter Beweisantritt widerlegt.

46

2. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gem. § 23 Abs. 1 BBiG umfasst die ihr in der Zeit vom 01. Mai 2012 bis 30. September 2013 entstandenen Kosten der Unterkunft in der zuletzt geltend gemachten Höhe.

47

a) Rechtsfolge des § 23 Abs. 1 BBiG ist der Ersatz des Schadens, der durch das vorzeitige Lösen vom Berufsausbildungsverhältnis entstanden ist. Der Auszubildende kann Ersatz des gesamten Schadens verlangen, der durch das vorzeitige Lösen vom Berufsausbildungsverhältnis verursacht worden ist. Bei der Schadensermittlung ist das nicht ordnungsgemäß erfüllte Berufsausbildungsverhältnis nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB mit einem ordnungsgemäßen zu vergleichen. Der Ausbildende hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Schadensersatzanspruch umfasst auch Aufwendungen, die notwendig sind, um die Ausbildung in einer anderen Ausbildungsstätte fortzusetzen (BAG 17. Juli 2007 - 9 AZR 103/07 - Rn. 16, BAGE 123, 247; BAG 16. Juli 2013 - 9 AZR 784/11 - Rn. 40, NZA 2013, 1202).

48

b) Danach ist der Schadensersatzanspruch der Klägerin auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten der Unterkunft am neuen Ausbildungsort in der Zeit vom 01. Mai 2012 bis 30. September 2013 begründet.

49

Ausweislich des vorgelegten Mietvertrags vom 02. Mai 2012 (Bl. 18 - 21 d. A.) und der vorgelegten Kontoauszüge (Bl. 241 - 245 d. A. ) sind der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum für die am neuen Ort erforderliche Unterkunft Mietkosten in Höhe von 310,00 EUR monatlich entstanden, die sie ohne die vorzeitige Auflösung des Ausbildungsverhältnisses der Parteien nicht gehabt hätte, weil ihr bei ordnungsgemäßer Durchführung des Berufsausbildungsverhältnisses der Parteien für die Dauer ihrer Ausbildung bei der Beklagten nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung eine kostenlose Unterkunft zur Verfügung gestanden hätte. Im Rahmen des nach § 249 BGB anzustellenden Vermögensvergleiches ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach dem vorgelegten Ausbildungsvertrag (Bl. 226 d. A.) bei ihrer neuen Ausbilderin (Firma N.) Anspruch auf eine höhere Ausbildungsvergütung hat, die die im Ausbildungsvertrag der Parteien vereinbarte Ausbildungsvergütung im ersten Ausbildungsjahr um monatlich 40,00 EUR und im zweiten sowie dritten Ausbildungsjahr um jeweils monatlich 50,00 EUR übersteigt. Die Klägerin hat gemäß ihrer Berechnung im Schriftsatz vom 02. September 2013 die sich hiernach für die Gesamtdauer der Ausbildung ergebenden Mehreinkünfte in Höhe von insgesamt 1.300,00 EUR bereits in voller Höhe bei dem von ihr zuletzt geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Abzug gebracht und nur den danach noch verbleibenden Differenzbetrag geltend gemacht (01. Mai 2012 - 30. September 2013 = 17 Monate x 310,00 EUR - 1.300,00 EUR = insgesamt 3.970,00 EUR). Im Übrigen hat sie unwidersprochen vorgetragen, dass die spätere Erhöhung der Ausbildungsvergütung bei der neuen Ausbilderin erfolgte, weil die Empfehlungen der IHK bundesweit für die Ausbildungsvergütungen der Auszubildenden zur Immobilienkauffrau ab September 2012 entsprechend angehoben worden seien, so dass die Ausbildungsvergütung bei der Beklagten ebenfalls entsprechend angehoben worden wäre.

II.

50

Der für die nachfolgende Zeit vom 01. Oktober 2013 bis 31. Juli 2014 zuletzt gestellte Feststellungsantrag ist zulässig und begründet.

51

1. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 08. Mai 2014 klargestellt, dass sie mit dem Feststellungsantrag zu 2) den wegen der vorzeitigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses durch die Mietkosten in Höhe von 310,00 EUR monatlich entstehenden Schaden geltend mache, der sich nach der Klageerweiterung (bezifferter Leistungsantrag für die Zeit bis zum 30. September 2013) auf die nachfolgende Zeit ab dem 01. Oktober 2013 beziehe. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Parteien darüber streiten, ob die Beklagte zum Schadensersatz für den nachfolgenden Zeitraum verpflichtet ist. Dabei reicht es aus, dass die Entstehung eines zu ersetzenden Schadens - wie hier - wahrscheinlich ist (BAG 08. Mai 2007 - 9 AZR 527/06 - Rn. 29, NJW 2007, 3594). Die Klägerin war hinsichtlich der zwischenzeitlich vergangenen Monate auch nicht gehalten, den bei Klageerhebung auf einen künftigen Zeitraum bezogenen Feststellungsantrag fortlaufend durch entsprechende Klageänderungen auf einen jeweils bezifferten Leistungsantrag umzustellen (vgl. BAG 15. Juli 1992 - 7 AZR 491/91 - Rn. 14, NZA 1993, 661).

52

2. Der zuletzt gestellte Feststellungsantrag ist auch begründet, weil die Beklagte gemäß den obigen Ausführungen der Klägerin zum Schadensersatz nach § 23 Abs. 1 BBiG verpflichtet ist und dieser Schadensersatzanspruch den bis zum 31. Juli 2014 noch eintretenden Schaden hinsichtlich der von der Klägerin aufzuwendenden Mietkosten umfasst.

53

Der Schadensersatzanspruch des § 23 BBiG erfasst den sog. "Verfrühungsschaden", der aus der Differenz der Vermögenslage der Klägerin zu berechnen ist, wie sie ohne die vorzeitige Auflösung des Berufsausbildungsverhältnisses bestanden hätte und der Vermögenslage, die aufgrund dieser vorzeitigen Auflösung besteht (BAG 08. Mai 2007 - 9 AZR 527/06 - Rn. 26, NJW 2007, 3594). Im Hinblick darauf, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien ohne dessen vorzeitige Auflösung nach der im Ausbildungsvertrag vereinbarten Ausbildungszeit zum 31. Juli 2014 geendet hätte, hat die Klägerin im Termin vom 08. Mai 2014 erklärt, dass der Feststellungsantrag auf die Zeit bis zum 31. Juli 2014 beschränkt werde. Die Mehreinkünfte durch die im Ausbildungsvertrag mit der neuen Ausbilderin vereinbarte höhere Ausbildungsvergütung hat die Klägerin bereits in ihrem Leistungsantrag in vollem Umfang berücksichtigt. Sollte die Klägerin in der Zeit bis zum 31. Juli 2014 darüber hinaus noch weitere anzurechnende Mehreinnahmen erzielen, wären diese bei der Schadensberechnung ggf. zu berücksichtigen (vgl. BAG 08. Mai 2007 - 9 AZR 527/06 - Rn. 30, NJW 2007, 3594).

III.

54

Weiterhin ist die Beklagte zum Ersatz des der Klägerin entstandenen Verdienstausfalls in der Zeit vom 18. April bis 14. Mai 2012 in Höhe von 368,99 EUR verpflichtet.

55

Der nach § 23 Abs. 1 BBiG zum Schadensersatz verpflichtete Ausbildende hat dem Auszubildenden die Ausbildungsvergütung bis zur Aufnahme einer neuen Ausbildung oder ggf. eines Arbeitsverhältnisses weiterzuzahlen (BAG 08. Mai 2007 - 9 AZR 527/06 - Rn. 23, NJW 2007, 3594; BAG 16. Juli 2013 - 9 AZR 784/11 - Rn. 40, NZA 2013, 1202). Der Schadensersatzanspruch der Klägerin umfasst mithin die ihr wegen der vorzeitigen Auflösung des Ausbildungsverhältnisses entgangene Ausbildungsvergütung in der geltend gemachten Höhe (410,00 EUR : 30 x 27 Tage).

IV.

56

Auch der Anspruch auf Erstattung der Umzugskosten ist in der geltend gemachten Höhe begründet.

57

In Bezug auf den Umzug der Klägerin von T-Stadt nach B-Stadt hat die Beklagte in ihrem Schreiben vom 08. März 2012 (Bl. 22 d. A.) der Klägerin - uneingeschränkt - zugesagt, dass die Kosten für ihren Umzug von ihr getragen werden. Der weitere Umzug von T-Stadt nach H-Stadt ist durch die von der Beklagten zu vertretende vorzeitige Auflösung des Ausbildungsverhältnisses veranlasst worden. Die Klägerin war insbesondere infolge der vorzeitigen Auflösung des Ausbildungsverhältnisses nicht verpflichtet, ihre Ausbildung in T-Stadt und Umgebung fortzusetzen. Vorliegend kann offen bleiben, ob die Klägerin, die nach ihrem Vortrag die beiden Umzüge selbst unter Mithilfe ihrer Familie bewerkstelligt hat, tatsächlich die behaupteten Geldbeträge an ihre Familienangehörigen für deren Mithilfe gezahlt hat. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass im Falle einer Beauftragung eines Umzugsunternehmens für den Umzug von T-Stadt nach H-Stadt mindestens 1.500,00 EUR sowie für den Umzug von T-Stadt nach B-Stadt mindestens 2.000,00 EUR angefallen wären. Soweit die Klägerin die beiden Umzüge - überobligationsmäßig - zur Minderung des Schadens, der bei einem Umzug durch ein Umzugsunternehmen entstanden wäre, durch Mithilfe ihrer Familie bewerkstelligt hat, handelt es sich um freiwillige Leistungen Dritter, die nicht anzurechnen sind, weil sie nach ihrem Zweck den Schädiger nicht entlasten sollen; eine Anrechnung scheidet dabei unabhängig davon aus, in welcher Form der Dritte geholfen hat (vgl. Münchener Kommentar zum BGB 6. Aufl. § 249 Rn. 251 und 252). Der von der Klägerin im Einzelnen dargestellte Aufwand für die beiden Umzüge, dem jeweils nicht nur hinsichtlich der zurückzulegenden Fahrtstrecken, sondern auch bezüglich des erforderlichen Arbeitsaufwandes für die Klägerin selbst bzw. ihre Familienangehörigen ein entsprechender Vermögenswert zukommt, rechtfertigt nach der gem. § 287 Abs. 1 ZPO möglichen Schadensschätzung zumindest die von der Klägerin hierfür angesetzten Beträge.

58

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

59

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Juli 2013 - 9 AZR 784/11

bei uns veröffentlicht am 16.07.2013

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 17. Juni 2011 - 6 Sa 19/11 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufge

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(1) Wird das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst, so können Ausbildende oder Auszubildende Ersatz des Schadens verlangen, wenn die andere Person den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Dies gilt nicht im Falle des § 22 Absatz 2 Nummer 2.

(2) Der Anspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht wird.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Soweit nach anderen Rechtsvorschriften andere Gerichte, Behörden oder Stellen zur Entscheidung oder Beilegung von Arbeitssachen zuständig sind, treten an ihre Stelle die Arbeitsgerichte. Dies gilt nicht für Seemannsämter, soweit sie zur vorläufigen Entscheidung von Arbeitssachen zuständig sind.

(2) Zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden aus einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis können im Bereich des Handwerks die Handwerksinnungen, im übrigen die zuständigen Stellen im Sinne des Berufsbildungsgesetzes Ausschüsse bilden, denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gleicher Zahl angehören müssen. Der Ausschuß hat die Parteien mündlich zu hören. Wird der von ihm gefällte Spruch nicht innerhalb einer Woche von beiden Parteien anerkannt, so kann binnen zwei Wochen nach ergangenem Spruch Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben werden. § 9 Abs. 5 gilt entsprechend. Der Klage muß in allen Fällen die Verhandlung vor dem Ausschuß vorangegangen sein. Aus Vergleichen, die vor dem Ausschuß geschlossen sind, und aus Sprüchen des Ausschusses, die von beiden Seiten anerkannt sind, findet die Zwangsvollstreckung statt. Die §§ 107 und 109 gelten entsprechend.

(1) Wird das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst, so können Ausbildende oder Auszubildende Ersatz des Schadens verlangen, wenn die andere Person den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Dies gilt nicht im Falle des § 22 Absatz 2 Nummer 2.

(2) Der Anspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht wird.

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

(1) Wird das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst, so können Ausbildende oder Auszubildende Ersatz des Schadens verlangen, wenn die andere Person den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Dies gilt nicht im Falle des § 22 Absatz 2 Nummer 2.

(2) Der Anspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht wird.

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Wird das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst, so können Ausbildende oder Auszubildende Ersatz des Schadens verlangen, wenn die andere Person den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Dies gilt nicht im Falle des § 22 Absatz 2 Nummer 2.

(2) Der Anspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht wird.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 17. Juni 2011 - 6 Sa 19/11 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 12. November 2010 - 31 Ca 1202/10 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.255,77 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010 zu zahlen.

b) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.653,38 Euro brutto abzüglich bereits bezahlter 1.591,13 Euro netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010 zu zahlen.

c) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 480,60 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010 zu zahlen.

d) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu 25 % zu tragen, der Beklagte zu 75 %. Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu 17 % zu tragen, der Beklagte zu 83 %. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 65 % zu tragen, der Beklagte zu 35 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über restliche Ausbildungsvergütung und Schadensersatz wegen der vorzeitigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses.

2

Die Klägerin war beim Beklagten, der Ingenieurdienstleistungen im Bereich der Metallindustrie anbietet, in der Zeit vom 14. Juli 2008 bis zum 12. November 2009 auf der Grundlage eines bis zum 1. September 2010 befristeten Berufsausbildungsvertrags vom 7. Juli 2008 als Auszubildende für den Beruf einer Kauffrau für Bürokommunikation beschäftigt. Vor Beginn der Ausbildung bei dem Beklagten hatte die Klägerin mit ihrer Berufsausbildung bereits in einem anderen Ausbildungsbetrieb begonnen. Die dort zurückgelegte Ausbildungszeit von zehn Monaten wurde angerechnet.

3

Im Ausbildungsvertrag vereinbarten die nicht tarifgebundenen Parteien eine monatliche Ausbildungsvergütung für das erste Ausbildungsjahr iHv. 500,00 Euro brutto, für das zweite Ausbildungsjahr iHv. 550,00 Euro brutto und für das dritte Ausbildungsjahr iHv. 600,00 Euro brutto. Die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern (IHK) hatte für den Ausbildungsberuf Kaufmann/-frau für Bürokommunikation mit Stand 2007 eine Ausbildungsvergütung von 669,00 Euro brutto im ersten Ausbildungsjahr, 731,00 Euro brutto im zweiten Ausbildungsjahr und 801,00 Euro brutto im dritten Ausbildungsjahr vorgeschlagen.

4

Ab August 2009 zahlte der Beklagte die Ausbildungsvergütung nicht mehr termingerecht. Die Klägerin forderte ihn mehrfach erfolglos zur Zahlung auf und erklärte, dass sie gezwungen sei, das Ausbildungsverhältnis vorzeitig zu beenden, wenn der Beklagte seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkomme. Mit Schreiben vom 12. November 2009 kündigte die Klägerin das Ausbildungsverhältnis unter Angabe von Gründen fristlos und machte noch ausstehende Ausbildungsvergütung sowie Schadensersatzansprüche geltend. Am 1. Dezember 2009 begann sie ein neues Ausbildungsverhältnis, in dem sie eine Ausbildungsvergütung von 519,00 Euro netto bezog. Auf die Vergütungsansprüche der Klägerin für den Zeitraum August 2009 bis einschließlich 12. November 2009 zahlte der Beklagte insgesamt 1.591,13 Euro netto.

5

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die vereinbarte Ausbildungsvergütung sei nicht angemessen. Die Angemessenheit sei nach den Metall-Tarifverträgen zu beurteilen. Jedenfalls seien aber die Empfehlungen der IHK zugrunde zu legen. Bei einer unangemessenen Vergütungsvereinbarung finde keine geltungserhaltende Reduktion statt. Ihr Schadensersatzanspruch wegen der vom Beklagten zu vertretenen vorzeitigen Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses beinhalte auch eine Abfindung analog §§ 9, 10 KSchG.

6

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.255,77 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010 zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.653,38 Euro brutto abzüglich 1.591,13 Euro netto erhaltener Ausbildungsvergütung nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010 zu zahlen,

3. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.281,60 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010 zu zahlen.

7

Zu seinem Klageabweisungsantrag hat der Beklagte die Ansicht vertreten, die Empfehlungen der IHK stellten keinen Maßstab für sein Unternehmen dar. Die vereinbarte Ausbildungsvergütung sei angemessen. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung bestehe nicht.

8

Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zur Zahlung weiterer Ausbildungsvergütung für den Zeitraum vom 14. Juli 2008 bis zum 31. Juli 2009 iHv. 437,95 Euro brutto und für den Zeitraum vom 1. August 2009 bis zum 12. November 2009 iHv. 2.122,72 Euro brutto abzüglich gezahlter 1.591,13 Euro netto sowie zur Zahlung von Schadensersatz iHv. 384,48 Euro verurteilt, jeweils zuzüglich Prozesszinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 6. Februar 2010. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Seine Anschlussberufung hat der Beklagte zurückgenommen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, soweit diesem nicht bereits rechtskräftig stattgegeben wurde.

Entscheidungsgründe

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A. Die zulässige Revision der Klägerin ist teilweise begründet.

10

I. Die Klägerin hat über die bereits gezahlte bzw. bereits rechtskräftig ausgeurteilte Vergütung hinaus einen Anspruch auf weitere Ausbildungsvergütung iHv. 757,35 Euro brutto aus § 17 Abs. 1 BBiG nebst Zinsen gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

11

1. Die vereinbarte Höhe der Ausbildungsvergütung ist unangemessen.

12

a) Die in § 17 BBiG geregelte Ausbildungsvergütung hat regelmäßig drei Funktionen. Sie soll den Auszubildenden und seine unterhaltsverpflichteten Eltern bei der Lebenshaltung finanziell unterstützen, die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und die Leistungen des Auszubildenden in gewissem Umfang „entlohnen“ (st. Rspr., zuletzt BAG 23. August 2011 - 3 AZR 575/09 - Rn. 37 mwN, BAGE 139, 89; vgl. BAG 19. Februar 2008 - 9 AZR 1091/06 - Rn. 18 mwN, BAGE 126, 12 zur Vorgängervorschrift § 10 BBiG aF). § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG ist nur eine Rahmenvorschrift. Sie legt den Maßstab für die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nicht selbst fest. Bei fehlender Tarifbindung ist es Aufgabe der Vertragsparteien, die Höhe der Vergütung zu vereinbaren. Sie haben dabei einen Spielraum. Die richterliche Überprüfung erstreckt sich nur darauf, ob die vereinbarte Vergütung die Mindesthöhe erreicht, die noch als angemessen anzusehen ist. Ob die Parteien den Spielraum gewahrt haben, ist unter Abwägung ihrer Interessen und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls festzustellen. Maßgeblich dafür ist die Verkehrsanschauung (st. Rspr., zuletzt BAG 26. März 2013 - 3 AZR 89/11 - Rn. 10 mwN). Insoweit kommt dem Revisionsgericht ein unbeschränktes Überprüfungsrecht zu (BAG 19. Februar 2008 - 9 AZR 1091/06 - Rn. 20 mwN, aaO).

13

Wichtigster Anhaltspunkt für die Verkehrsanschauung sind die einschlägigen Tarifverträge. Bei ihnen ist anzunehmen, dass das Ergebnis der Tarifverhandlungen die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt (st. Rspr., zuletzt BAG 26. März 2013 - 3 AZR 89/11 - Rn. 11 mwN). Nur wenn einschlägige tarifliche Regelungen fehlen, kann auf branchenübliche Sätze abgestellt oder eine der Verkehrsauffassung des betreffenden Gewerbezweigs entsprechende Vergütung zugrunde gelegt werden. In diesem Fall kann auf die Empfehlungen der Kammern oder der Handwerksinnungen zurückgegriffen werden (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 26. März 2013 - 3 AZR 89/11 - Rn. 12 mwN). Eine Orientierung an der Berufsausbildungsbeihilfe scheidet dagegen aus. Eine solche Ausrichtung würde nur die Funktion der Ausbildungsvergütung als Beitrag zum Lebensunterhalt berücksichtigen, nicht aber die Funktionen der Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses und der „Entlohnung“ des Auszubildenden.

14

Eine vereinbarte Ausbildungsvergütung ist in der Regel unangemessen, wenn sie die einschlägige tarifliche oder branchenübliche Vergütung um mehr als 20 % unterschreitet (st. Rspr., vgl. BAG 23. August 2011 - 3 AZR 575/09 - Rn. 41, BAGE 139, 89 zu § 17 Abs. 1 AltPflG aF). Der Auszubildende trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die vereinbarte Vergütung unangemessen ist. Er genügt seiner Darlegungslast regelmäßig damit, dass er sich auf die einschlägige tarifliche Vergütung oder - falls es eine solche nicht gibt - auf Empfehlungen von Kammern und Innungen stützt und darlegt, dass die ihm gezahlte Vergütung diese um mehr als 20 % unterschreitet (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 26. März 2013 - 3 AZR 89/11 - Rn. 14 mwN). Der Ausbildende darf sich dann nicht auf den Vortrag beschränken, die von ihm gezahlte Vergütung sei angemessen. Er hat vielmehr zu begründen, warum dies der Fall sein soll. Zu einem substanziierten Bestreiten des Ausbildenden gehört auch die Darlegung, warum im Einzelfall ein von den geschilderten Grundsätzen abweichender Maßstab gelten soll (vgl. zu § 10 BBiG aF: BAG 25. Juli 2002 - 6 AZR 311/00 - zu I 4 der Gründe mwN; 30. September 1998 - 5 AZR 690/97 - zu II 5 der Gründe).

15

b) Die von den Parteien vereinbarte Höhe der Ausbildungsvergütung ist unter Anwendung dieser Grundsätze unangemessen, weil sie die von der IHK empfohlene Ausbildungsvergütung um mehr als 20 % unterschreitet.

16

aa) Eine einschlägige tarifliche Regelung existiert nicht. Ein Tarifvertrag ist dann einschlägig, wenn beide Vertragsparteien (bei unterstellter Tarifbindung) unter seinen räumlichen, zeitlichen und fachlichen Geltungsbereich fallen (Kittner/Zwanziger/Deinert-Lakies 7. Aufl. § 115 Rn. 127a). Weder die Klägerin noch der Beklagte hat schlüssig dargetan, dass ein Tarifvertrag nach seinem Geltungsbereich für das Ausbildungsverhältnis der Parteien einschlägig war. Die Klägerin hat deshalb zu Recht der Berechnung ihrer Klageforderung die Empfehlung der für den Beklagten zuständigen IHK zugrunde gelegt.

17

bb) Diese Empfehlung ist maßgeblich. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 ZPO) gab es eine Empfehlung der IHK für den Ausbildungsberuf Kaufmann/-frau für Bürokommunikation mit Stand 2007. Anhaltspunkte dafür, dass die IHK für die Jahre 2008 und 2009 eine geringere Ausbildungsvergütung empfahl, bestehen nicht. Der Beklagte hat sich auf eine solche Empfehlung auch nicht berufen. Die IHK ist nach § 71 Abs. 2 BBiG die für die nicht handwerkliche Ausbildung zuständige Stelle. Das Unternehmen des Beklagten befindet sich im Bezirk der IHK.

18

c) Anerkennenswerte Gründe, die empfohlene Vergütung um mehr als 20 % zu unterschreiten, sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht ersichtlich. Im Einzelfall kann es zwar Gründe geben, einen an sich geltenden Maßstab nicht zur Prüfung der Angemessenheit heranzuziehen (BAG 23. August 2011 - 3 AZR 575/09 - Rn. 39 mwN, BAGE 139, 89 zu § 17 Abs. 1 AltPflG aF). Solche Gründe hat der Beklagte jedoch nicht dargetan. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es insbesondere nicht darauf an, ob der Ausbildende über finanzielle Mittel für eine höhere Ausbildungsvergütung verfügt, welche Leistungsfähigkeit er hat und ob ggf. seine Finanzdecke nicht besonders hoch ist. Die gesetzliche Regelung, nach der eine angemessene Ausbildungsvergütung zu zahlen ist, dient auch dazu, Verfälschungen des Ausbildungsmarkts zu vermeiden. Das schließt eine Orientierung an den finanziellen Möglichkeiten der Träger der praktischen Ausbildung aus (BAG 23. August 2011 - 3 AZR 575/09 - Rn. 40 mwN, BAGE 139, 89 zu § 17 Abs. 1 AltPflG aF).

19

2. Die Unangemessenheit der vereinbarten Berufsausbildungsvergütung bewirkt, dass der Klägerin die von der IHK für das jeweilige Ausbildungsjahr empfohlene Ausbildungsvergütung zusteht. Die Vergütungsvereinbarung der Parteien ist gemäß § 25 BBiG nichtig. An die Stelle der vereinbarten tritt die angemessene Vergütung (vgl. BAG 10. April 1991 - 5 AZR 226/90 - zu II 4 c der Gründe, BAGE 68, 10 zu § 10 BBiG aF; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 174 Rn. 63).

20

a) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist kein Abschlag von 20 % vorzunehmen. Die Begrenzung des Anspruchs auf das gerade noch zulässige Maß der Unterschreitung widerspräche dem Zweck von § 17 Abs. 1 BBiG. Diese Vorschrift soll eine angemessene Ausbildungsvergütung sicherstellen. Damit wäre es nicht vereinbar, bei einer Unterschreitung der nach der Verkehrsanschauung angemessenen Ausbildungsvergütung den Anspruch zugunsten des Trägers der praktischen Ausbildung auf das gerade noch Angemessene zu begrenzen (st. Rspr., vgl. BAG 23. August 2011 - 3 AZR 575/09 - Rn. 41 mwN, BAGE 139, 89 zu § 17 Abs. 1 AltPflG aF; 19. Februar 2008 - 9 AZR 1091/06 - Rn. 50 mwN, BAGE 126, 12 zu § 12 Abs. 1 KrPflG; 25. Juli 2002 - 6 AZR 311/00 - zu I 8 der Gründe zu § 10 BBiG aF).

21

b) Soweit das Landesarbeitsgericht argumentiert hat, es gehe nicht an, dass die Vertragspartner bei Begründung des Ausbildungsverhältnisses einen Spielraum haben, der die Vereinbarung einer Vergütung 20 % unterhalb einer tariflichen oder branchenüblichen Vergütung erlaube, sie aber mit einer Anpassung stets auf die volle Höhe der Empfehlung rechnen müssten, wenn sie eine geringere vertragliche Vergütung vorsehen, überzeugt dies nicht. Gewährt der Ausbildende dem Auszubildenden entgegen der gesetzlichen Anordnung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG keine angemessene Vergütung, überschreitet er den ihm eingeräumten Spielraum. Wäre die Konsequenz aus diesem gesetzeswidrigen Verhalten, dass nur die Ausbildungsvergütung geschuldet würde, die gerade noch angemessen ist, bestünde bei einem Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG für den Ausbilder kein Risiko, die nach der Verkehrsanschauung angemessene Ausbildungsvergütung zahlen zu müssen. Dies widerspräche dem Schutzzweck der Norm.

22

3. Unter Zugrundelegung der zwischen den Parteien unstreitigen Differenzbeträge und geleisteten Zahlungen steht der Klägerin für den Zeitraum vom 14. Juli 2008 bis zum 31. Juli 2009 ein Anspruch auf Zahlung von 2.255,77 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010 zu. Für die Zeit vom 1. August 2009 bis zum 12. November 2009 hat sie Anspruch auf Zahlung von 2.653,38 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 1.591,13 Euro netto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010.

23

II. In Bezug auf den geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist die Revision nur teilweise begründet. Die Klägerin hat aus § 23 Abs. 1 BBiG einen Anspruch auf weiteren Schadensersatz iHv. 96,12 Euro.

24

1. Wird das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst, so kann nach § 23 Abs. 1 BBiG der Ausbildende oder der Auszubildende Ersatz des Schadens verlangen, wenn die andere Person den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Diese Voraussetzungen liegen vor.

25

a) Das bis zum 1. September 2010 befristete Berufsausbildungsverhältnis der Parteien wurde nach Ablauf der Probezeit durch die fristlose Kündigung der Klägerin zum 12. November 2009 gelöst.

26

b) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe den Grund für die Auflösung des Berufsausbildungsverhältnisses zu vertreten, weil er ab August 2009 die Ausbildungsvergütung trotz der Mahnung der Klägerin nicht termingerecht zahlte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal der Beklagte selbst erklärte, er könne die vereinbarte Ausbildungsvergütung erst im Folgejahr zahlen.

27

c) Mit ihrer dem Beklagten am 5. Februar 2010 zugestellten Klage auf Schadensersatz wahrte die Klägerin die Ausschlussfrist des § 23 Abs. 2 BBiG.

28

2. Der Schadensersatzanspruch umfasst entgangene Ausbildungsvergütung für die Zeit vom 13. bis zum 30. November 2009 iHv. weiteren 96,12 Euro.

29

a) Ausgehend von der Empfehlung der IHK ergibt sich für diesen Zeitraum eine Ausbildungsvergütung iHv. 480,60 Euro (801,00 Euro / 30 Tage x 18 Tage). Nach Abzug des bereits rechtskräftig zugesprochenen Betrags iHv. 384,48 Euro verbleibt als Schaden eine Differenz iHv. 96,12 Euro.

30

b) Ein Vermögensvorteil der Klägerin, der auf diesen Schaden anspruchsmindernd anzurechnen wäre, besteht nicht. Zwar muss sich der Auszubildende auf den Ersatzanspruch, der grundsätzlich die Vergütung ab dem tatsächlichen bis zum vereinbarten Ende des Ausbildungsverhältnisses erfasst, den in diesem Zeitraum insgesamt adäquat erworbenen anderweitigen Verdienst anrechnen lassen (vgl. BAG 17. Juli 2007 - 9 AZR 103/07 - Rn. 27 mwN, BAGE 123, 247; ErfK/Schlachter 13. Aufl. § 23 BBiG Rn. 2). Der Geschädigte muss dabei, soweit es um Umstände aus seiner Sphäre geht, an der Sachaufklärung mitwirken (vgl. Palandt/Grüneberg 72. Aufl. § 254 BGB Rn. 72 mwN). Die Klägerin ist dieser Mitwirkungspflicht nachgekommen und hat ihre ab dem 1. Dezember 2009 im neuen Ausbildungsverhältnis bezogene Ausbildungsvergütung offengelegt. Der Beklagte hat daraufhin nicht dargetan, dass und ggf. in welcher Höhe dieser anderweitige Verdienst zu einer Minderung des geltend gemachten Schadens führte. Er hat insbesondere nicht konkret aufgezeigt, dass dieser Verdienst insgesamt höher war als die Vergütung, die die Klägerin vom 13. November 2009 bis zum 1. September 2010 erhalten hätte.

31

3. § 23 Abs. 1 BBiG gewährt dem Auszubildenden entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin keine Abfindung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG.

32

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann zwar ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB auch eine den Verlust des Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses ausgleichende angemessene Entschädigung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG umfassen(vgl. grundlegend BAG 26. Juli 2001 - 8 AZR 739/00 - zu B III 2 d der Gründe, BAGE 98, 275).

33

aa) Maßgebend dafür ist, dass der Schadensersatzanspruch aus § 628 Abs. 2 BGB hinsichtlich des Vergütungsausfalls auf den Zeitraum der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist beschränkt ist (vgl. BAG 26. Juli 2001 - 8 AZR 739/00 - zu B III 2 d der Gründe, BAGE 98, 275). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt und das Arbeitsverhältnis ohne das vertragswidrige Verhalten des Arbeitgebers nicht aufgelöst worden wäre. Der kündigende Arbeitnehmer verzichtet in diesen Fällen auf den durch die Kündigungsschutzbestimmungen vermittelten Bestandsschutz. Seine Lage ist mit derjenigen des unberechtigt gekündigten Arbeitnehmers vergleichbar, der einen Auflösungsantrag nach § 9 oder § 13 KSchG gestellt hat, weil ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Der Arbeitgeber darf aber nicht dadurch bessergestellt werden, dass er anstatt eine unberechtigte außerordentliche Kündigung auszusprechen und damit ggf. abfindungspflichtig nach § 13 Abs. 1 Satz 3, §§ 9, 10 KSchG zu werden, durch vertragswidriges Verhalten den Arbeitnehmer zur außerordentlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses veranlasst(vgl. BAG 26. Juli 2001 - 8 AZR 739/00 - zu B III 2 c und B III 2 d bb der Gründe mwN, aaO).

34

bb) Den Arbeitnehmer trifft damit neben der für die Dauer der Kündigungsfrist entfallenen Vergütung ein weiterer wirtschaftlicher Verlust, für den er einen angemessenen Ausgleich verlangen kann. Für die Bemessung dieses Ausgleichs bietet es sich an, auf die Abfindungsregelungen der §§ 9, 10, 13 KSchG abzustellen. Das Gesetz bestimmt in diesen Vorschriften den Wert des Bestandsschutzes, wenn das Festhalten am Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer unzumutbar ist. Diese gesetzliche Wertung rechtfertigt es, den Verlust des Bestandsschutzes als normative Schadensposition anzuerkennen. Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers ist jedoch, dass im Falle einer unberechtigten Arbeitgeberkündigung die §§ 9, 10 und/oder § 13 KSchG Anwendung fänden(BAG 21. Mai 2008 - 8 AZR 623/07 - Rn. 28 und 31 mwN).

35

b) Diese Erwägungen greifen beim Ersatz des Schadens nach § 23 Abs. 1 BBiG nicht ein(so auch ErfK/Schlachter § 23 BBiG Rn. 2).

36

aa) Zwar sind auf den Berufsausbildungsvertrag nach § 10 Abs. 2 BBiG die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden, soweit sich aus seinem Wesen und Zweck und aus dem BBiG nichts anderes ergibt. Nach dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit zum Entwurf des BBiG sollte der Gesetzesentwurf insoweit, wie er auf eine Regelung verzichtet, um die allgemeinen für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsgrundsätze und Rechtsvorschriften ergänzt werden, um dem Auszubildenden mindestens in gleichem Maße wie dem Arbeitnehmer Schutz zu geben (vgl. BT-Drucks. V/4260 S. 5). Damit sollte die Anwendung auch solcher Vorschriften sichergestellt sein, die das Berufsausbildungsverhältnis nicht ausdrücklich einbeziehen. Hierzu sollte auch das Kündigungsschutzgesetz zählen (vgl. BT-Drucks. V/4260 S. 6).

37

bb) Durch Berufsausbildungsvertrag begründete Berufsausbildungsverhältnisse und durch Arbeitsvertrag begründete Arbeitsverhältnisse sind jedoch nicht generell gleichzusetzen (BAG 21. September 2011 - 7 AZR 375/10 - Rn. 15 mwN, BAGE 139, 213). Die Regelungen im KSchG zur ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber finden auf Auszubildende keine Anwendung. Nach Ablauf der Probezeit kann der Ausbildende das Ausbildungsverhältnis aufgrund der Spezialvorschrift des § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nicht ordentlich kündigen. Auch § 628 Abs. 2 BGB ist auf Auszubildende nicht anwendbar; § 23 Abs. 1 BBiG ist die speziellere Vorschrift(BAG 8. Mai 2007 - 9 AZR 527/06 - Rn. 17 mwN zur Vorgängervorschrift § 16 BBiG aF; KR/Weigand 10. Aufl. §§ 21 - 23 BBiG Rn. 131; Pepping in Wohlgemuth BBiG § 23 Rn. 2).

38

cc) Auch § 13 Abs. 1 Satz 3 und §§ 9, 10 KSchG sind auf das Berufsausbildungsverhältnis nicht anzuwenden, weil dies mit dem Wesen und dem Zweck des Berufsausbildungsvertrags nicht zu vereinbaren ist(vgl. mit ausführlicher Begründung BAG 29. November 1984 - 2 AZR 354/83 - zu II der Gründe; vgl. auch KR/Spilger § 9 KSchG Rn. 14b mwN; v. Hoyningen-Huene in vHH/L 15. Aufl. § 13 Rn. 18; Leinemann/Taubert BBiG 2. Aufl. § 22 Rn. 172 mwN; Herkert/Töltl BBiG Stand Juni 2013 § 22 Rn. 155 f.; Kittner/Zwanziger/Deinert-Appel § 84 7. Aufl. Rn. 3). An den Vorschriften des BBiG ist erkennbar, dass der Gesetzgeber es zur Erreichung des Ausbildungsziels für erforderlich gehalten hat, auf einen möglichst lange dauernden Bestand des Ausbildungsverhältnisses hinzuwirken und Kündigungen zu erschweren. Die Erfüllung der Berufsausbildungsaufgabe verlangt eine besonders starke Bindung der Vertragsparteien (vgl. BT-Drucks. V/4260 S. 11). Die Eröffnung einer erleichterten Auflösungsmöglichkeit ist hiermit unvereinbar (vgl. BAG 29. November 1984 - 2 AZR 354/83 - zu II der Gründe). Dieser Wertung würde es widersprechen, wenn im Falle der vom Ausbildenden verursachten fristlosen Kündigung des Auszubildenden - anders als bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses nach unberechtigter Kündigung des Ausbildenden - ein Abfindungsanspruch angenommen würde.

39

dd) Auch dem Bestandsschutz kommt im Ausbildungsverhältnis kein dem Bestandsschutz im Arbeitsverhältnis entsprechender wirtschaftlicher Wert zu. Das Arbeitsverhältnis stellt regelmäßig die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Arbeitnehmers dar. Daraus leitet sich der wirtschaftliche Wert des Bestandsschutzes ab. Das Berufsausbildungsverhältnis ist dagegen darauf angelegt, dem Auszubildenden - in einem zeitlich befristeten Zeitraum - eine breit angelegte berufliche Grundausbildung und die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln (BAG 29. November 1984 - 2 AZR 354/83 - zu II 2 b der Gründe). Entsprechend der Zwecksetzung des Berufsausbildungsverhältnisses stellt die Ausbildungsvergütung deshalb nur eine finanzielle Unterstützung bei der Lebenshaltung und nur eine „Entlohnung“ in gewissem Umfang dar. Das Erreichen des Ausbildungsziels vermittelt den wesentlichen wirtschaftlichen Wert des Ausbildungsverhältnisses für den Auszubildenden und damit den Wert des Bestandsschutzes.

40

ee) Der Auszubildende erhält bereits durch den Ersatz des materiellen Schadens nach § 23 Abs. 1 BBiG die Möglichkeit, dieses Ausbildungsziel trotz des vertragswidrigen Verhaltens des Ausbildenden zu erreichen. Bei § 23 Abs. 1 BBiG findet eine Begrenzung des Schadensersatzanspruchs auf den Lohnausfall während einer fiktiven Kündigungsfrist nicht statt. Daher ist es - anders als bei § 628 Abs. 2 BGB - nicht erforderlich, als Ausgleich für eine solche Begrenzung den Wert des Bestandsschutzes als zusätzliche Schadensposition anzuerkennen. Der Auszubildende kann nach § 23 Abs. 1 BBiG vielmehr Ersatz des gesamten Schadens verlangen, der durch das vorzeitige Lösen vom Berufsausbildungsverhältnis verursacht worden ist. Bei der Schadensermittlung ist das nicht ordnungsgemäß erfüllte Berufsausbildungsverhältnis nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB mit einem ordnungsgemäßen zu vergleichen. Der Ausbildende hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ungeachtet der besonderen Funktionen der Ausbildungsvergütung hat der zum Schadensersatz verpflichtete Ausbildende dem Auszubildenden die Ausbildungsvergütung bis zur Aufnahme einer neuen Ausbildung oder ggf. eines Arbeitsverhältnisses weiterzuzahlen (vgl. BAG 8. Mai 2007 - 9 AZR 527/06 - Rn. 23). Der Schadensersatzanspruch umfasst ferner auch Aufwendungen, die notwendig sind, um die Ausbildung in einer anderen Ausbildungsstätte fortzusetzen (vgl. BAG 17. Juli 2007 - 9 AZR 103/07 - Rn. 16, BAGE 123, 247).

41

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 Satz 2, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.

        

    Krasshöfer    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Faltyn    

        

    Starke    

                 

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Wird das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst, so können Ausbildende oder Auszubildende Ersatz des Schadens verlangen, wenn die andere Person den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Dies gilt nicht im Falle des § 22 Absatz 2 Nummer 2.

(2) Der Anspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht wird.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 17. Juni 2011 - 6 Sa 19/11 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 12. November 2010 - 31 Ca 1202/10 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.255,77 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010 zu zahlen.

b) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.653,38 Euro brutto abzüglich bereits bezahlter 1.591,13 Euro netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010 zu zahlen.

c) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 480,60 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010 zu zahlen.

d) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu 25 % zu tragen, der Beklagte zu 75 %. Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu 17 % zu tragen, der Beklagte zu 83 %. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 65 % zu tragen, der Beklagte zu 35 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über restliche Ausbildungsvergütung und Schadensersatz wegen der vorzeitigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses.

2

Die Klägerin war beim Beklagten, der Ingenieurdienstleistungen im Bereich der Metallindustrie anbietet, in der Zeit vom 14. Juli 2008 bis zum 12. November 2009 auf der Grundlage eines bis zum 1. September 2010 befristeten Berufsausbildungsvertrags vom 7. Juli 2008 als Auszubildende für den Beruf einer Kauffrau für Bürokommunikation beschäftigt. Vor Beginn der Ausbildung bei dem Beklagten hatte die Klägerin mit ihrer Berufsausbildung bereits in einem anderen Ausbildungsbetrieb begonnen. Die dort zurückgelegte Ausbildungszeit von zehn Monaten wurde angerechnet.

3

Im Ausbildungsvertrag vereinbarten die nicht tarifgebundenen Parteien eine monatliche Ausbildungsvergütung für das erste Ausbildungsjahr iHv. 500,00 Euro brutto, für das zweite Ausbildungsjahr iHv. 550,00 Euro brutto und für das dritte Ausbildungsjahr iHv. 600,00 Euro brutto. Die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern (IHK) hatte für den Ausbildungsberuf Kaufmann/-frau für Bürokommunikation mit Stand 2007 eine Ausbildungsvergütung von 669,00 Euro brutto im ersten Ausbildungsjahr, 731,00 Euro brutto im zweiten Ausbildungsjahr und 801,00 Euro brutto im dritten Ausbildungsjahr vorgeschlagen.

4

Ab August 2009 zahlte der Beklagte die Ausbildungsvergütung nicht mehr termingerecht. Die Klägerin forderte ihn mehrfach erfolglos zur Zahlung auf und erklärte, dass sie gezwungen sei, das Ausbildungsverhältnis vorzeitig zu beenden, wenn der Beklagte seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkomme. Mit Schreiben vom 12. November 2009 kündigte die Klägerin das Ausbildungsverhältnis unter Angabe von Gründen fristlos und machte noch ausstehende Ausbildungsvergütung sowie Schadensersatzansprüche geltend. Am 1. Dezember 2009 begann sie ein neues Ausbildungsverhältnis, in dem sie eine Ausbildungsvergütung von 519,00 Euro netto bezog. Auf die Vergütungsansprüche der Klägerin für den Zeitraum August 2009 bis einschließlich 12. November 2009 zahlte der Beklagte insgesamt 1.591,13 Euro netto.

5

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die vereinbarte Ausbildungsvergütung sei nicht angemessen. Die Angemessenheit sei nach den Metall-Tarifverträgen zu beurteilen. Jedenfalls seien aber die Empfehlungen der IHK zugrunde zu legen. Bei einer unangemessenen Vergütungsvereinbarung finde keine geltungserhaltende Reduktion statt. Ihr Schadensersatzanspruch wegen der vom Beklagten zu vertretenen vorzeitigen Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses beinhalte auch eine Abfindung analog §§ 9, 10 KSchG.

6

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.255,77 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010 zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.653,38 Euro brutto abzüglich 1.591,13 Euro netto erhaltener Ausbildungsvergütung nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010 zu zahlen,

3. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.281,60 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010 zu zahlen.

7

Zu seinem Klageabweisungsantrag hat der Beklagte die Ansicht vertreten, die Empfehlungen der IHK stellten keinen Maßstab für sein Unternehmen dar. Die vereinbarte Ausbildungsvergütung sei angemessen. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung bestehe nicht.

8

Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zur Zahlung weiterer Ausbildungsvergütung für den Zeitraum vom 14. Juli 2008 bis zum 31. Juli 2009 iHv. 437,95 Euro brutto und für den Zeitraum vom 1. August 2009 bis zum 12. November 2009 iHv. 2.122,72 Euro brutto abzüglich gezahlter 1.591,13 Euro netto sowie zur Zahlung von Schadensersatz iHv. 384,48 Euro verurteilt, jeweils zuzüglich Prozesszinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 6. Februar 2010. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Seine Anschlussberufung hat der Beklagte zurückgenommen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, soweit diesem nicht bereits rechtskräftig stattgegeben wurde.

Entscheidungsgründe

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A. Die zulässige Revision der Klägerin ist teilweise begründet.

10

I. Die Klägerin hat über die bereits gezahlte bzw. bereits rechtskräftig ausgeurteilte Vergütung hinaus einen Anspruch auf weitere Ausbildungsvergütung iHv. 757,35 Euro brutto aus § 17 Abs. 1 BBiG nebst Zinsen gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

11

1. Die vereinbarte Höhe der Ausbildungsvergütung ist unangemessen.

12

a) Die in § 17 BBiG geregelte Ausbildungsvergütung hat regelmäßig drei Funktionen. Sie soll den Auszubildenden und seine unterhaltsverpflichteten Eltern bei der Lebenshaltung finanziell unterstützen, die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und die Leistungen des Auszubildenden in gewissem Umfang „entlohnen“ (st. Rspr., zuletzt BAG 23. August 2011 - 3 AZR 575/09 - Rn. 37 mwN, BAGE 139, 89; vgl. BAG 19. Februar 2008 - 9 AZR 1091/06 - Rn. 18 mwN, BAGE 126, 12 zur Vorgängervorschrift § 10 BBiG aF). § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG ist nur eine Rahmenvorschrift. Sie legt den Maßstab für die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nicht selbst fest. Bei fehlender Tarifbindung ist es Aufgabe der Vertragsparteien, die Höhe der Vergütung zu vereinbaren. Sie haben dabei einen Spielraum. Die richterliche Überprüfung erstreckt sich nur darauf, ob die vereinbarte Vergütung die Mindesthöhe erreicht, die noch als angemessen anzusehen ist. Ob die Parteien den Spielraum gewahrt haben, ist unter Abwägung ihrer Interessen und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls festzustellen. Maßgeblich dafür ist die Verkehrsanschauung (st. Rspr., zuletzt BAG 26. März 2013 - 3 AZR 89/11 - Rn. 10 mwN). Insoweit kommt dem Revisionsgericht ein unbeschränktes Überprüfungsrecht zu (BAG 19. Februar 2008 - 9 AZR 1091/06 - Rn. 20 mwN, aaO).

13

Wichtigster Anhaltspunkt für die Verkehrsanschauung sind die einschlägigen Tarifverträge. Bei ihnen ist anzunehmen, dass das Ergebnis der Tarifverhandlungen die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt (st. Rspr., zuletzt BAG 26. März 2013 - 3 AZR 89/11 - Rn. 11 mwN). Nur wenn einschlägige tarifliche Regelungen fehlen, kann auf branchenübliche Sätze abgestellt oder eine der Verkehrsauffassung des betreffenden Gewerbezweigs entsprechende Vergütung zugrunde gelegt werden. In diesem Fall kann auf die Empfehlungen der Kammern oder der Handwerksinnungen zurückgegriffen werden (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 26. März 2013 - 3 AZR 89/11 - Rn. 12 mwN). Eine Orientierung an der Berufsausbildungsbeihilfe scheidet dagegen aus. Eine solche Ausrichtung würde nur die Funktion der Ausbildungsvergütung als Beitrag zum Lebensunterhalt berücksichtigen, nicht aber die Funktionen der Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses und der „Entlohnung“ des Auszubildenden.

14

Eine vereinbarte Ausbildungsvergütung ist in der Regel unangemessen, wenn sie die einschlägige tarifliche oder branchenübliche Vergütung um mehr als 20 % unterschreitet (st. Rspr., vgl. BAG 23. August 2011 - 3 AZR 575/09 - Rn. 41, BAGE 139, 89 zu § 17 Abs. 1 AltPflG aF). Der Auszubildende trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die vereinbarte Vergütung unangemessen ist. Er genügt seiner Darlegungslast regelmäßig damit, dass er sich auf die einschlägige tarifliche Vergütung oder - falls es eine solche nicht gibt - auf Empfehlungen von Kammern und Innungen stützt und darlegt, dass die ihm gezahlte Vergütung diese um mehr als 20 % unterschreitet (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 26. März 2013 - 3 AZR 89/11 - Rn. 14 mwN). Der Ausbildende darf sich dann nicht auf den Vortrag beschränken, die von ihm gezahlte Vergütung sei angemessen. Er hat vielmehr zu begründen, warum dies der Fall sein soll. Zu einem substanziierten Bestreiten des Ausbildenden gehört auch die Darlegung, warum im Einzelfall ein von den geschilderten Grundsätzen abweichender Maßstab gelten soll (vgl. zu § 10 BBiG aF: BAG 25. Juli 2002 - 6 AZR 311/00 - zu I 4 der Gründe mwN; 30. September 1998 - 5 AZR 690/97 - zu II 5 der Gründe).

15

b) Die von den Parteien vereinbarte Höhe der Ausbildungsvergütung ist unter Anwendung dieser Grundsätze unangemessen, weil sie die von der IHK empfohlene Ausbildungsvergütung um mehr als 20 % unterschreitet.

16

aa) Eine einschlägige tarifliche Regelung existiert nicht. Ein Tarifvertrag ist dann einschlägig, wenn beide Vertragsparteien (bei unterstellter Tarifbindung) unter seinen räumlichen, zeitlichen und fachlichen Geltungsbereich fallen (Kittner/Zwanziger/Deinert-Lakies 7. Aufl. § 115 Rn. 127a). Weder die Klägerin noch der Beklagte hat schlüssig dargetan, dass ein Tarifvertrag nach seinem Geltungsbereich für das Ausbildungsverhältnis der Parteien einschlägig war. Die Klägerin hat deshalb zu Recht der Berechnung ihrer Klageforderung die Empfehlung der für den Beklagten zuständigen IHK zugrunde gelegt.

17

bb) Diese Empfehlung ist maßgeblich. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 ZPO) gab es eine Empfehlung der IHK für den Ausbildungsberuf Kaufmann/-frau für Bürokommunikation mit Stand 2007. Anhaltspunkte dafür, dass die IHK für die Jahre 2008 und 2009 eine geringere Ausbildungsvergütung empfahl, bestehen nicht. Der Beklagte hat sich auf eine solche Empfehlung auch nicht berufen. Die IHK ist nach § 71 Abs. 2 BBiG die für die nicht handwerkliche Ausbildung zuständige Stelle. Das Unternehmen des Beklagten befindet sich im Bezirk der IHK.

18

c) Anerkennenswerte Gründe, die empfohlene Vergütung um mehr als 20 % zu unterschreiten, sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht ersichtlich. Im Einzelfall kann es zwar Gründe geben, einen an sich geltenden Maßstab nicht zur Prüfung der Angemessenheit heranzuziehen (BAG 23. August 2011 - 3 AZR 575/09 - Rn. 39 mwN, BAGE 139, 89 zu § 17 Abs. 1 AltPflG aF). Solche Gründe hat der Beklagte jedoch nicht dargetan. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es insbesondere nicht darauf an, ob der Ausbildende über finanzielle Mittel für eine höhere Ausbildungsvergütung verfügt, welche Leistungsfähigkeit er hat und ob ggf. seine Finanzdecke nicht besonders hoch ist. Die gesetzliche Regelung, nach der eine angemessene Ausbildungsvergütung zu zahlen ist, dient auch dazu, Verfälschungen des Ausbildungsmarkts zu vermeiden. Das schließt eine Orientierung an den finanziellen Möglichkeiten der Träger der praktischen Ausbildung aus (BAG 23. August 2011 - 3 AZR 575/09 - Rn. 40 mwN, BAGE 139, 89 zu § 17 Abs. 1 AltPflG aF).

19

2. Die Unangemessenheit der vereinbarten Berufsausbildungsvergütung bewirkt, dass der Klägerin die von der IHK für das jeweilige Ausbildungsjahr empfohlene Ausbildungsvergütung zusteht. Die Vergütungsvereinbarung der Parteien ist gemäß § 25 BBiG nichtig. An die Stelle der vereinbarten tritt die angemessene Vergütung (vgl. BAG 10. April 1991 - 5 AZR 226/90 - zu II 4 c der Gründe, BAGE 68, 10 zu § 10 BBiG aF; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 174 Rn. 63).

20

a) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist kein Abschlag von 20 % vorzunehmen. Die Begrenzung des Anspruchs auf das gerade noch zulässige Maß der Unterschreitung widerspräche dem Zweck von § 17 Abs. 1 BBiG. Diese Vorschrift soll eine angemessene Ausbildungsvergütung sicherstellen. Damit wäre es nicht vereinbar, bei einer Unterschreitung der nach der Verkehrsanschauung angemessenen Ausbildungsvergütung den Anspruch zugunsten des Trägers der praktischen Ausbildung auf das gerade noch Angemessene zu begrenzen (st. Rspr., vgl. BAG 23. August 2011 - 3 AZR 575/09 - Rn. 41 mwN, BAGE 139, 89 zu § 17 Abs. 1 AltPflG aF; 19. Februar 2008 - 9 AZR 1091/06 - Rn. 50 mwN, BAGE 126, 12 zu § 12 Abs. 1 KrPflG; 25. Juli 2002 - 6 AZR 311/00 - zu I 8 der Gründe zu § 10 BBiG aF).

21

b) Soweit das Landesarbeitsgericht argumentiert hat, es gehe nicht an, dass die Vertragspartner bei Begründung des Ausbildungsverhältnisses einen Spielraum haben, der die Vereinbarung einer Vergütung 20 % unterhalb einer tariflichen oder branchenüblichen Vergütung erlaube, sie aber mit einer Anpassung stets auf die volle Höhe der Empfehlung rechnen müssten, wenn sie eine geringere vertragliche Vergütung vorsehen, überzeugt dies nicht. Gewährt der Ausbildende dem Auszubildenden entgegen der gesetzlichen Anordnung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG keine angemessene Vergütung, überschreitet er den ihm eingeräumten Spielraum. Wäre die Konsequenz aus diesem gesetzeswidrigen Verhalten, dass nur die Ausbildungsvergütung geschuldet würde, die gerade noch angemessen ist, bestünde bei einem Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG für den Ausbilder kein Risiko, die nach der Verkehrsanschauung angemessene Ausbildungsvergütung zahlen zu müssen. Dies widerspräche dem Schutzzweck der Norm.

22

3. Unter Zugrundelegung der zwischen den Parteien unstreitigen Differenzbeträge und geleisteten Zahlungen steht der Klägerin für den Zeitraum vom 14. Juli 2008 bis zum 31. Juli 2009 ein Anspruch auf Zahlung von 2.255,77 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010 zu. Für die Zeit vom 1. August 2009 bis zum 12. November 2009 hat sie Anspruch auf Zahlung von 2.653,38 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 1.591,13 Euro netto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2010.

23

II. In Bezug auf den geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist die Revision nur teilweise begründet. Die Klägerin hat aus § 23 Abs. 1 BBiG einen Anspruch auf weiteren Schadensersatz iHv. 96,12 Euro.

24

1. Wird das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst, so kann nach § 23 Abs. 1 BBiG der Ausbildende oder der Auszubildende Ersatz des Schadens verlangen, wenn die andere Person den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Diese Voraussetzungen liegen vor.

25

a) Das bis zum 1. September 2010 befristete Berufsausbildungsverhältnis der Parteien wurde nach Ablauf der Probezeit durch die fristlose Kündigung der Klägerin zum 12. November 2009 gelöst.

26

b) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe den Grund für die Auflösung des Berufsausbildungsverhältnisses zu vertreten, weil er ab August 2009 die Ausbildungsvergütung trotz der Mahnung der Klägerin nicht termingerecht zahlte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal der Beklagte selbst erklärte, er könne die vereinbarte Ausbildungsvergütung erst im Folgejahr zahlen.

27

c) Mit ihrer dem Beklagten am 5. Februar 2010 zugestellten Klage auf Schadensersatz wahrte die Klägerin die Ausschlussfrist des § 23 Abs. 2 BBiG.

28

2. Der Schadensersatzanspruch umfasst entgangene Ausbildungsvergütung für die Zeit vom 13. bis zum 30. November 2009 iHv. weiteren 96,12 Euro.

29

a) Ausgehend von der Empfehlung der IHK ergibt sich für diesen Zeitraum eine Ausbildungsvergütung iHv. 480,60 Euro (801,00 Euro / 30 Tage x 18 Tage). Nach Abzug des bereits rechtskräftig zugesprochenen Betrags iHv. 384,48 Euro verbleibt als Schaden eine Differenz iHv. 96,12 Euro.

30

b) Ein Vermögensvorteil der Klägerin, der auf diesen Schaden anspruchsmindernd anzurechnen wäre, besteht nicht. Zwar muss sich der Auszubildende auf den Ersatzanspruch, der grundsätzlich die Vergütung ab dem tatsächlichen bis zum vereinbarten Ende des Ausbildungsverhältnisses erfasst, den in diesem Zeitraum insgesamt adäquat erworbenen anderweitigen Verdienst anrechnen lassen (vgl. BAG 17. Juli 2007 - 9 AZR 103/07 - Rn. 27 mwN, BAGE 123, 247; ErfK/Schlachter 13. Aufl. § 23 BBiG Rn. 2). Der Geschädigte muss dabei, soweit es um Umstände aus seiner Sphäre geht, an der Sachaufklärung mitwirken (vgl. Palandt/Grüneberg 72. Aufl. § 254 BGB Rn. 72 mwN). Die Klägerin ist dieser Mitwirkungspflicht nachgekommen und hat ihre ab dem 1. Dezember 2009 im neuen Ausbildungsverhältnis bezogene Ausbildungsvergütung offengelegt. Der Beklagte hat daraufhin nicht dargetan, dass und ggf. in welcher Höhe dieser anderweitige Verdienst zu einer Minderung des geltend gemachten Schadens führte. Er hat insbesondere nicht konkret aufgezeigt, dass dieser Verdienst insgesamt höher war als die Vergütung, die die Klägerin vom 13. November 2009 bis zum 1. September 2010 erhalten hätte.

31

3. § 23 Abs. 1 BBiG gewährt dem Auszubildenden entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin keine Abfindung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG.

32

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann zwar ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB auch eine den Verlust des Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses ausgleichende angemessene Entschädigung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG umfassen(vgl. grundlegend BAG 26. Juli 2001 - 8 AZR 739/00 - zu B III 2 d der Gründe, BAGE 98, 275).

33

aa) Maßgebend dafür ist, dass der Schadensersatzanspruch aus § 628 Abs. 2 BGB hinsichtlich des Vergütungsausfalls auf den Zeitraum der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist beschränkt ist (vgl. BAG 26. Juli 2001 - 8 AZR 739/00 - zu B III 2 d der Gründe, BAGE 98, 275). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt und das Arbeitsverhältnis ohne das vertragswidrige Verhalten des Arbeitgebers nicht aufgelöst worden wäre. Der kündigende Arbeitnehmer verzichtet in diesen Fällen auf den durch die Kündigungsschutzbestimmungen vermittelten Bestandsschutz. Seine Lage ist mit derjenigen des unberechtigt gekündigten Arbeitnehmers vergleichbar, der einen Auflösungsantrag nach § 9 oder § 13 KSchG gestellt hat, weil ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Der Arbeitgeber darf aber nicht dadurch bessergestellt werden, dass er anstatt eine unberechtigte außerordentliche Kündigung auszusprechen und damit ggf. abfindungspflichtig nach § 13 Abs. 1 Satz 3, §§ 9, 10 KSchG zu werden, durch vertragswidriges Verhalten den Arbeitnehmer zur außerordentlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses veranlasst(vgl. BAG 26. Juli 2001 - 8 AZR 739/00 - zu B III 2 c und B III 2 d bb der Gründe mwN, aaO).

34

bb) Den Arbeitnehmer trifft damit neben der für die Dauer der Kündigungsfrist entfallenen Vergütung ein weiterer wirtschaftlicher Verlust, für den er einen angemessenen Ausgleich verlangen kann. Für die Bemessung dieses Ausgleichs bietet es sich an, auf die Abfindungsregelungen der §§ 9, 10, 13 KSchG abzustellen. Das Gesetz bestimmt in diesen Vorschriften den Wert des Bestandsschutzes, wenn das Festhalten am Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer unzumutbar ist. Diese gesetzliche Wertung rechtfertigt es, den Verlust des Bestandsschutzes als normative Schadensposition anzuerkennen. Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers ist jedoch, dass im Falle einer unberechtigten Arbeitgeberkündigung die §§ 9, 10 und/oder § 13 KSchG Anwendung fänden(BAG 21. Mai 2008 - 8 AZR 623/07 - Rn. 28 und 31 mwN).

35

b) Diese Erwägungen greifen beim Ersatz des Schadens nach § 23 Abs. 1 BBiG nicht ein(so auch ErfK/Schlachter § 23 BBiG Rn. 2).

36

aa) Zwar sind auf den Berufsausbildungsvertrag nach § 10 Abs. 2 BBiG die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden, soweit sich aus seinem Wesen und Zweck und aus dem BBiG nichts anderes ergibt. Nach dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit zum Entwurf des BBiG sollte der Gesetzesentwurf insoweit, wie er auf eine Regelung verzichtet, um die allgemeinen für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsgrundsätze und Rechtsvorschriften ergänzt werden, um dem Auszubildenden mindestens in gleichem Maße wie dem Arbeitnehmer Schutz zu geben (vgl. BT-Drucks. V/4260 S. 5). Damit sollte die Anwendung auch solcher Vorschriften sichergestellt sein, die das Berufsausbildungsverhältnis nicht ausdrücklich einbeziehen. Hierzu sollte auch das Kündigungsschutzgesetz zählen (vgl. BT-Drucks. V/4260 S. 6).

37

bb) Durch Berufsausbildungsvertrag begründete Berufsausbildungsverhältnisse und durch Arbeitsvertrag begründete Arbeitsverhältnisse sind jedoch nicht generell gleichzusetzen (BAG 21. September 2011 - 7 AZR 375/10 - Rn. 15 mwN, BAGE 139, 213). Die Regelungen im KSchG zur ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber finden auf Auszubildende keine Anwendung. Nach Ablauf der Probezeit kann der Ausbildende das Ausbildungsverhältnis aufgrund der Spezialvorschrift des § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nicht ordentlich kündigen. Auch § 628 Abs. 2 BGB ist auf Auszubildende nicht anwendbar; § 23 Abs. 1 BBiG ist die speziellere Vorschrift(BAG 8. Mai 2007 - 9 AZR 527/06 - Rn. 17 mwN zur Vorgängervorschrift § 16 BBiG aF; KR/Weigand 10. Aufl. §§ 21 - 23 BBiG Rn. 131; Pepping in Wohlgemuth BBiG § 23 Rn. 2).

38

cc) Auch § 13 Abs. 1 Satz 3 und §§ 9, 10 KSchG sind auf das Berufsausbildungsverhältnis nicht anzuwenden, weil dies mit dem Wesen und dem Zweck des Berufsausbildungsvertrags nicht zu vereinbaren ist(vgl. mit ausführlicher Begründung BAG 29. November 1984 - 2 AZR 354/83 - zu II der Gründe; vgl. auch KR/Spilger § 9 KSchG Rn. 14b mwN; v. Hoyningen-Huene in vHH/L 15. Aufl. § 13 Rn. 18; Leinemann/Taubert BBiG 2. Aufl. § 22 Rn. 172 mwN; Herkert/Töltl BBiG Stand Juni 2013 § 22 Rn. 155 f.; Kittner/Zwanziger/Deinert-Appel § 84 7. Aufl. Rn. 3). An den Vorschriften des BBiG ist erkennbar, dass der Gesetzgeber es zur Erreichung des Ausbildungsziels für erforderlich gehalten hat, auf einen möglichst lange dauernden Bestand des Ausbildungsverhältnisses hinzuwirken und Kündigungen zu erschweren. Die Erfüllung der Berufsausbildungsaufgabe verlangt eine besonders starke Bindung der Vertragsparteien (vgl. BT-Drucks. V/4260 S. 11). Die Eröffnung einer erleichterten Auflösungsmöglichkeit ist hiermit unvereinbar (vgl. BAG 29. November 1984 - 2 AZR 354/83 - zu II der Gründe). Dieser Wertung würde es widersprechen, wenn im Falle der vom Ausbildenden verursachten fristlosen Kündigung des Auszubildenden - anders als bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses nach unberechtigter Kündigung des Ausbildenden - ein Abfindungsanspruch angenommen würde.

39

dd) Auch dem Bestandsschutz kommt im Ausbildungsverhältnis kein dem Bestandsschutz im Arbeitsverhältnis entsprechender wirtschaftlicher Wert zu. Das Arbeitsverhältnis stellt regelmäßig die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Arbeitnehmers dar. Daraus leitet sich der wirtschaftliche Wert des Bestandsschutzes ab. Das Berufsausbildungsverhältnis ist dagegen darauf angelegt, dem Auszubildenden - in einem zeitlich befristeten Zeitraum - eine breit angelegte berufliche Grundausbildung und die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln (BAG 29. November 1984 - 2 AZR 354/83 - zu II 2 b der Gründe). Entsprechend der Zwecksetzung des Berufsausbildungsverhältnisses stellt die Ausbildungsvergütung deshalb nur eine finanzielle Unterstützung bei der Lebenshaltung und nur eine „Entlohnung“ in gewissem Umfang dar. Das Erreichen des Ausbildungsziels vermittelt den wesentlichen wirtschaftlichen Wert des Ausbildungsverhältnisses für den Auszubildenden und damit den Wert des Bestandsschutzes.

40

ee) Der Auszubildende erhält bereits durch den Ersatz des materiellen Schadens nach § 23 Abs. 1 BBiG die Möglichkeit, dieses Ausbildungsziel trotz des vertragswidrigen Verhaltens des Ausbildenden zu erreichen. Bei § 23 Abs. 1 BBiG findet eine Begrenzung des Schadensersatzanspruchs auf den Lohnausfall während einer fiktiven Kündigungsfrist nicht statt. Daher ist es - anders als bei § 628 Abs. 2 BGB - nicht erforderlich, als Ausgleich für eine solche Begrenzung den Wert des Bestandsschutzes als zusätzliche Schadensposition anzuerkennen. Der Auszubildende kann nach § 23 Abs. 1 BBiG vielmehr Ersatz des gesamten Schadens verlangen, der durch das vorzeitige Lösen vom Berufsausbildungsverhältnis verursacht worden ist. Bei der Schadensermittlung ist das nicht ordnungsgemäß erfüllte Berufsausbildungsverhältnis nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB mit einem ordnungsgemäßen zu vergleichen. Der Ausbildende hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ungeachtet der besonderen Funktionen der Ausbildungsvergütung hat der zum Schadensersatz verpflichtete Ausbildende dem Auszubildenden die Ausbildungsvergütung bis zur Aufnahme einer neuen Ausbildung oder ggf. eines Arbeitsverhältnisses weiterzuzahlen (vgl. BAG 8. Mai 2007 - 9 AZR 527/06 - Rn. 23). Der Schadensersatzanspruch umfasst ferner auch Aufwendungen, die notwendig sind, um die Ausbildung in einer anderen Ausbildungsstätte fortzusetzen (vgl. BAG 17. Juli 2007 - 9 AZR 103/07 - Rn. 16, BAGE 123, 247).

41

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 Satz 2, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.

        

    Krasshöfer    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Faltyn    

        

    Starke    

                 

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.