vorgehend
Arbeitsgericht Würzburg, 10 Ca 1194/12, 13.05.2014

Gericht

Landesarbeitsgericht Nürnberg

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um Annahmeverzugslohnansprüche für die Monate Juli bis Oktober 2013 und hier insbesondere darum, ob diese Ansprüche wegen der Nichteinhaltung tariflicher Ausschlussfristen erloschen sind.

Der am ... 1953 geborene Kläger ist seit 1979 bei der Beklagten zuletzt als Lagerarbeiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 2.321,83 € beschäftigt.

Noch während eines mittlerweile rechtskräftig beendeten Rechtsstreits über die Höhe der Vergütung kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 20.02.2012 das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung. Auf die daraufhin vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage erklärte das Arbeitsgericht Würzburg mit Endurteil vom 26.06.2012 die Kündigung sowohl als außerordentliche als auch als ordentliche Kündigung mangels Kündigungsgrundes für unwirksam (Az. 10 Ca 289/12). Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten wies das Landesarbeitsgericht Nürnberg mit Urteil vom 27.11.2012 zurück (Az. 6 Sa 427/12). Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde nahm die Beklagte mit Telefaxschreiben vom 03.06.2013 gegenüber dem Bundesarbeitsgericht zurück. Mit Beschluss vom 20.06.2013, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugegangen am 26.06.2013, erklärte das Bundesarbeitsgericht, dass die Beklagte des eingelegten Rechtsbehelfes der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision verlustig sei.

Bereits mit Schriftsatz vom 13.07.2012 (Bl. 1 - 4 d. A.) hatte der Kläger im vorliegenden Verfahren Klage auf Annahmeverzugslohn für die zurückliegenden Monate Februar bis Juni 2012 sowie auf Zahlung künftigen monatlichen Entgelts in Höhe von 2.308,54 € brutto ab 01.07.2012 abzüglich Arbeitslosengeld erhoben.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 29.06.2012 (Bl. 87 d. A.) und vom 13.12.2012 (Bl. 88 d. A.) forderte der Kläger die Beklagte zur Mitteilung auf, dass er seine Arbeitstätigkeit wieder aufnehmen könne bzw. bot der Kläger seine Arbeitsleistung ausdrücklich an. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 21.06.2013 forderte der Kläger die Beklagte auf, nachdem das Kündigungsschutzverfahren durch die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig abgeschlossen sei, die Lohnabrechnungen zu erteilen und den Lohn zur Auszahlung zu bringen (Bl. 89 d. A.). Mit Schreiben vom 26.06.2013 antwortete der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, dass vor Veranlassung von Zahlungen noch eine Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit erforderlich sei (Bl. 90 d. A.). Auf Anfrage des Arbeitsgerichts vom 17.06.2013, ob es der Anberaumung eines Kammertermins bedürfe (Bl. 34 d. A.), antwortete der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 05.07.2013 (Bl. 39 ff. d. A.), dass es keiner weiteren prozessleitenden Verfügung bedürfe.

Mit weiterem außergerichtlichen Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 09.10.2013 forderte der Kläger die Beklagte nochmals auf, die Lohnabrechnungen zu erteilen und den rückständigen Lohn zu zahlen (Bl. 94 d. A.).

Mit Klageerweiterungsschriftsatz vom 04.02.2014 machte der Kläger Annahmeverzugsansprüche für Februar 2012 bis einschließlich Januar 2014 geltend, also auch für die in der Berufungsinstanz noch streitgegenständlichen Annahmeverzugsansprüche für die Monate Juli 2013 bis Oktober 2013. Der Kläger erhielt in dieser Zeit Arbeitslosengeld in Höhe von 1.075,20 € monatlich.

Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Allgemeinverbindlicherklärung der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels vom 23. Juni 1997, gültig ab 01. Juli 1997 Anwendung (künftig MTV). Die darin enthaltene Regelung bezüglich der Ausschlussfristen lautet wie folgt:

§ 18

Geltendmachung von Ansprüchen, Gerichtsstand

1. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind gegenüber der Geschäftsleitung oder der von ihr bezeichneten Stelle zunächst mündlich, bei Erfolglosigkeit schriftlich innerhalb der folgenden Fristen geltend zu machen:

a) Ansprüche wegen nicht Übereinstimmung des ausgezahlten Betrages mit der Entgeltabrechnung bzw. dem Entgeltnachweis:

unverzüglich.

b) Ansprüche wegen fehlerhafter Errechnung des Entgelts oder der Abzüge:

vier Wochen nach Aushändigung der Entgeltabrechnung.

c) Alle übrigen Ansprüche:

zwei Monate nach Fälligkeit (Urlaub drei Monate nach Ende des Urlaubsjahres).

d) Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

zwei Monate nach dem Ausscheiden.

2. Für Ansprüche des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber den Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen gelten die Fristen des Absatz 1 sinngemäß.

3. Die Ansprüche erlöschen, wenn sie nicht vor Ablauf der in Ziffern 1. b) - d) genannten Fristen schriftlich geltend gemacht worden sind (Ausschlussfristen).

4. Sind die Ansprüche fristgerecht geltend gemacht, ist ihre Erfüllung aber von der Geschäftsleitung abgelehnt worden oder erklärt sich die Geschäftsleitung innerhalb von zwei Wochen nicht, so muss der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin, sofern er/sie das Arbeitsgericht anrufen will, nach Ablehnung oder nach Fristablauf innerhalb von zwei Monaten Klage erheben. Geschieht dieses nicht, so erlöschen die Ansprüche.

Dies gilt auch sinngemäß für Ansprüche des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin.“

Wegen des Sachvortrages in erster Instanz sowie der Antragstellung wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 13.05.2014 verwiesen (Bl. 122 bis 130 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat der Klage auch hinsichtlich der in der Berufung noch streitgegenständlichen Monate auf Basis eines dem Kläger zustehenden Bruttomonatsentgelts von 2.321,83 € abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes stattgegeben und lediglich bei der Berechnung der Höhe des Entgeltanspruches Abstriche gemacht. Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, dass der Annahmeverzug der Beklagten nicht durch die Rechtskraft des vorangegangenen Kündigungsschutzverfahrens geendet habe. Der Kläger sei auch nach Eintritt der Rechtskraft des Bestandsrechtsstreits nicht gehalten gewesen, seine Ansprüche zur Vermeidung des Verfalles schriftlich und/oder gerichtlich geltend zu machen. Die Kündigungsschutzklage sei insoweit ausreichend gewesen.

Die Beklagte legte gegen das ihr am 28.05.2014 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts mit Schriftsatz vom Montag, dem 30.06.2014, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tage eingegangen, Berufung ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 28.07.2014, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tage eingegangen. Die Klagepartei legte kein Rechtsmittel ein.

Die Beklagte macht - wie sie in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich bestätigt hat - mit der Berufung ausschließlich geltend, dass zwar der Annahmeverzug nicht mit der Rechtskraft des Urteils geendet habe, der Kläger jedoch für die Monate Juli bis Oktober 2013 die zweite Stufe der Ausschlussfrist des MTV (gerichtliche Geltendmachung) nicht eingehalten habe. Die Klageerweiterung vom Februar 2014 habe nur zum Erhalt der Ansprüche ab November 2014 geführt. Die Kündigungsschutzklage wiederum habe nur zum Erhalt der Ansprüche für die Dauer des Bestandsstreits bis Juni 2013 geführt. Bezogen auf den Annahmeverzugslohn für die Monate Juli 2013 bis Oktober 2013 sei das Urteil des Arbeitsgerichts daher aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Die Beklagte stellt daher in der Berufungsinstanz folgenden Antrag:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 13.05.2014, Aktenzeichen 10 Ca 1194/12, wird in Ziffer 2 bezüglich eines Betrages von EUR 9.287,32 brutto abzüglich EUR 4.300,80 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils EUR 1.246,63 seit 01.08.2013, 01.09.2013, 01.10.2013 sowie 01.11.2013 aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Erhebung der Kündigungsschutzklage ausreichend gewesen sei, um auch die Annahmeverzugslohnansprüche für die Zeit nach Ende des Kündigungsschutzprozesses zu erhalten. Im Übrigen habe er im vorliegenden Verfahren bereits mit Klageschriftsatz vom 13.07.2012 Klage auf künftige Leistung ohne zeitliche Begrenzung erhoben und damit die Ausschlussfristen eingehalten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 28.07.2014 (Bl. 220 bis 231 d. A.) und vom 07.10.2014 (Bl. 249 bis 251 d. A.) sowie auf die Schriftsätze des Klägers vom 12.09.2014 (Bl. 241 bis 245 d. A.) und vom 07.11.2014 (Bl. 254 bis 255 d. A.) verwiesen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass der Kläger mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage auch die Annahmeverzugslohnansprüche für die streitgegenständlichen Monate Juli bis Oktober 2013 gerichtlich im Sinne von § 18 Nr. 4 MTV geltend gemacht hat, auch wenn diese Ansprüche erst nach Ende des Bestandsstreits entstanden sind. Darüber hinaus hat auch die Erhebung der Klage auf künftige Leistung die Ausschlussfrist gewahrt.

A.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

B.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte auch bezüglich des Zeitraums Juli bis Oktober 2013 zu Recht zur Zahlung von Annahmeverzugslohn in Höhe von 9.287,32 € brutto abzüglich 4.300,80 € netto nebst Zinsen verurteilt. Der Anspruch ist nicht nach § 18 MTV erloschen.

I.

Der Anspruch des Klägers auf Zahlung ist nach §§ 611, 615, 293 ff BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag entstanden.

1. Die Kündigung vom 20.02.2012 hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Dies steht nach Rechtskraft des der Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteils des Landesarbeitsgerichts fest. Weitere Beendigungstatbestände des Arbeitsverhältnisses sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Arbeitsverhältnis bestand daher im streitgegenständlichen Zeitraum Juli 2013 bis Oktober 2013 fort. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.

2. Die Beklagte befand sich mit der Annahme der Leistung des Klägers in Verzug (§ 615 Satz 1 i. V. m. §§ 293 ff. BGB). Sie hatte mit Ausspruch der außerordentlichen Kündigung eine Annahme von dessen Arbeitsleistung generell abgelehnt. Damit geriet sie, ohne dass es noch eines tatsächlichen oder wörtlichen Angebots des Klägers bedurft hätte, gem. § 296 Satz 1 BGB in Gläubigerverzug (ständige Rspr. z. B. BAG 16.04.2013 - 9 AZR 554/11, Rn. 18; 15.05.2013 - 5 AZR 130/13, Rn. 22). Auch dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Im Übrigen läge spätestens in der Erhebung der Kündigungsschutzklage ein ausreichendes wörtliches Angebot nach § 295 BGB (BAG 15.05.2013 - 5 AZR 130/13, Rn. 24).

3. Der Annahmeverzug der Beklagten endete nicht vor Ende des streitgegenständlichen Zeitraums, insbesondere nicht mit dem rechtskräftigen Ende des Kündigungsschutzprozesses im Juni 2013 durch die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde durch die Beklagte (BAG 16.05.2012 - 5 AZR 251/11, Rn. 13 f). Der Annahmeverzug des Arbeitgebers endet nämlich nicht von selbst, sondern wenn die Voraussetzungen des Gläubigerverzugs entfallen. Ist der Arbeitgeber nach einer unwirksamen Kündigungserklärung mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug gekommen, muss er deshalb zur Beendigung des Annahmeverzugs die versäumte Arbeitsaufforderung nachholen. Die Beendigung des Streits über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses ändert daran nichts. Auch in diesem Fall kann der Arbeitnehmer regelmäßig eine Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers abwarten (BAG 16.05.2012 - 5 AZR 251/11, Rn. 14). Einer den Annahmeverzug beendenden Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers bedarf es in jedem Fall, wenn dem Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres erkennbar ist, wann und wo er die Arbeit wieder aufnehmen soll (BAG a. a. O.; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 95 Rn. 63). Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Hiernach hätte es einer erneuten Arbeitszuweisung durch die Beklagte bedurft, um den Annahmeverzug zu beenden. Eine solche ist jedoch erst im Februar 2014 erfolgt, jedenfalls nicht im streitgegenständlichen Zeitraum.

Gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts, dass sie sich auch nach der Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde im Kündigungsschutzverfahren in Annahmeverzug befunden hat, wendet sich die Beklagte in der Berufungsinstanz auch nicht mehr.

4. Die Höhe der monatlich entstandenen Annahmeverzugsansprüche ist zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz ebenfalls nicht mehr streitig. Die Beklagte hat keine Einwendungen gegen die vom Arbeitsgericht festgestellte Höhe des fortzuzahlenden Entgelts von 2.321,83 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes von 1.075,20 € monatlich erhoben. Der Kläger hat die erstinstanzliche Entscheidung nicht angegriffen. Für die vier streitigen Monate ist daher bei der vorzunehmenden Gesamtberechnung (BAG 16.05.2012 - 5 AZR 251/11, Rn. 29) ein Zahlungsanspruch von 9.287,32 € brutto abzüglich auf die Bundesagentur nach § 115 SGB X übergegangener 4.300,80 € netto entstanden.

Der Kläger hat im Hinblick auf den Verzug der Beklagten Anspruch auf Zinsen auf die Differenzvergütung gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Trotz der Gesamtberechnung entstehen die Annahmeverzugsansprüche nicht erst am Ende des Annahmeverzugs, sondern sukzessive während des Annahmeverzugs und werden mit dem jeweiligen Abrechnungszeitraum fällig. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht gehindert, sie ratierlich geltend zu machen. Die Vergütung wurde hier nach § 12 Ziffer 6 MTV jeweils am letzten Werktag des Monats fällig. Einwände gegen die ausgeurteilte Zinspflicht hat die Beklagte nicht erhoben.

II.

Die Klageansprüche sind nicht gem. § 18 MTV verfallen. Sowohl mit Erhebung der Kündigungsschutzklage als auch mit dem Antrag auf künftige Leistung des Annahmeverzugslohns hat der Kläger die erste Stufe (schriftliche Geltendmachung), aber auch die zweite Stufe der Ausschlussfristenregelung (gerichtliche Geltendmachung) für den streitgegenständlichen Zeitraum eingehalten. Die Geltendmachung durch die Kündigungsschutzklage erfasst den gesamten Zeitraum des durch die Kündigung ausgelösten Annahmeverzugs ggf. auch über das Ende des Kündigungsschutzprozesses hinaus.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG wahrt der Arbeitnehmer, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf, die erste Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist für alle vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche. Mit einer solchen Klage erstrebt der Arbeitnehmer nicht nur die Erhaltung seines Arbeitsplatzes, sondern bezweckt darüber hinaus, sich die Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs zu erhalten. Die Ansprüche müssen weder ausdrücklich bezeichnet noch beziffert werden (BAG 19.09.2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 14 m. w. N.). Für die Einhaltung der sog. zweiten Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist, die die gerichtliche Geltendmachung verlangt, galt das nach früherer Rechtsprechung nicht. Hier war regelmäßig die Erhebung einer bezifferten Klage erforderlich (vgl. z. B. noch BAG 17.11.2009 - 9 AZR 745/08).

1. Im Anschluss an den Beschluss des BVerfG vom 01.12.2010 - 1 BvR 1682/07 gab das Bundesarbeitsgericht seine frühere Rechtsprechung bezüglich der Einhaltung der zweiten Stufe auf. Es entschied, dass tarifvertragliche Ausschlussfristen, die eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung vorsehen, verfassungskonform dahingehend auszulegen sind, dass die vom Erfolg einer Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche bereits mit der Klage in der Bestandsstreitigkeit gerichtlich geltend gemacht sind (BAG 19.09.2012 - 5 AZR 627/11). Dies gilt auch für die vorliegende tarifliche Ausschlussfrist.

a. Die durch die undifferenzierte tarifliche Regelung in § 18 Nr. 4 MTV veranlasste verfassungswidrige Obliegenheit zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche wegen Annahmeverzugs wird vermieden, wenn in der Erhebung der Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage die gerichtliche Geltendmachung der vom Ausgang dieser Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche liegt (BAG a. a. O.).

b. Der Wortlaut der vorliegenden tariflichen Regelung steht einer solchen verfassungskonformen Auslegung nicht entgegen. Der Wortsinn eines „Klageerhebens“ der vom Ausgang der Bestandsstreitigkeit abhängigen Ansprüche verlangt nicht zwingend, dass gerade der Streitgegenstand „Vergütung“ zum Inhalt des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gemacht werden muss. Eine an einen engen prozessualen Begriff des Streitgegenstands anknüpfende weitere Klage verlangt eine solche Klausel nicht. Hinzu kommt, dass bei der verfassungskonformen Auslegung dem Wortsinn nur eine eingrenzende Funktion zukommt. Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien die Formulierung in Kenntnis der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verwandt haben, steht der nunmehr verfassungsrechtlich gebotenen Neuinterpretation nicht entgegen (BAG a. a. O., Rn. 21).

c. Die verfassungskonforme Auslegung des Merkmals „Klage erheben“ in § 18 Abs. 4 MTV berücksichtigt in angemessener Weise den Zweck einer zweistufigen Ausschlussfrist. Ausschlussfristen bezwecken, dem Schuldner zeitnah Gewissheit darüber zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er noch zu rechnen hat. Zulasten des Arbeitnehmers wirkende Ausschlussfristen sollen den Arbeitgeber vor der Verfolgung unzumutbarer Ansprüche bewahren. Das sind regelmäßig solche, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und auch nicht zu rechnen braucht. Erhebt der Arbeitnehmer Bestandsschutzklage, kann der Arbeitgeber an der Ernstlichkeit der Geltendmachung der hiervon abhängigen Vergütungsansprüche nicht wirklich zweifeln. Schon mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage kann sich der Arbeitgeber auf die vom Ausgang dieser Streitigkeit abhängigen Forderungen einstellen, Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden. Ihm muss bewusst sein, dass ggf. auch über die Höhe der zu zahlenden Vergütung noch Streit entstehen kann und nicht selten auch entsteht. Dass die Ansprüche nicht in einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechenden Bestimmtheit geltend gemacht werden, ist - wie bei der Wahrung der ersten Stufe der Ausschlussfrist für Ansprüche, die vom Ausgang der Bestandsschutzstreitigkeit abhängen - aus verfassungsrechtlichen Gründen hinzunehmen. Überdies ist zu berücksichtigen, dass durch den Zwang zur vorzeitigen Erhebung der Klage auch der Arbeitgeber unnötigen Kostenrisiken ausgesetzt würde (BAG a. a. O., Rn. 22).

2. Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage hat der Kläger die streitgegenständlichen Annahmeverzugsansprüche sowohl schriftlich geltend gemacht als auch eingeklagt im Sinne von § 18 MTV, auch wenn diese erst nach Ende des Bestandsrechtsstreits entstanden sind.

a. Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage hat der Kläger die erste Stufe der Ausschlussfrist auch für die Monate Juli 2013 bis Oktober 2013 gewahrt.

aa. Bereits im Jahre 1990 hat das BAG entschieden, dass dann, wenn durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage die tarifliche Frist gewahrt ist, nach Rechtskraft des Urteils im Kündigungsschutzprozess die tariflichen Lohnansprüche nicht erneut innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist geltend gemacht werden müssen, wenn der Tarifvertrag dies nicht ausdrücklich vorsieht (BAG 09.08.1990 - 2 AZR 579/89). Dem damaligen Fall lag eine dreimonatige einstufige Ausschlussfrist zugrunde. Die Rechtskraft des vom Kläger gewonnenen Kündigungsschutzprozesses trat im September 1985 ein. Mit Klage vom 30.12.1986 machte der Kläger Annahmeverzugslohnansprüche für die Zeit von 1983 bis Dezember 1986 geltend. Das BAG verurteilte die Beklagte auch für die nach Rechtskraft der Kündigungsschutzklage entstandenen Ansprüche. Ohne eine ausdrückliche tarifliche Regelung würden tarifliche Ansprüche nicht verfallen, wenn sie einmal rechtzeitig geltend gemacht worden seien. Es könne daher nur logische Folge der Geltendmachung sein, dass der Verfall durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage endgültig ausgeschlossen sei (BAG a. a. O., Rn. 38).

bb. Dem folgt das erkennende Gericht mit der vom BAG inzident vorausgesetzten und deshalb nur klarstellenden Ergänzung, dass es sich um Ansprüche handeln muss, die vom Ausgang des Bestandsstreits abhängen. Dies sind insbesondere Annahmeverzugsansprüche.

(1) Vom Ausgang des Bestandsrechtsstreits hängen jedenfalls die Annahmeverzugsansprüche ab, die durch den durch die unwirksame Arbeitgeberkündigung ausgelösten Annahmeverzug entstehen. Dieser so ausgelöste Annahmeverzug endet aber nicht mit der Rechtskraft des Bestandsstreits, sondern erst, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen vertragsgerechten Arbeitsplatz vorbehaltlos zuweist. Das kann auch erst deutlich nach dem Ende des Kündigungsschutzprozesses der Fall sein.

Der Zeitpunkt der Beendigung des Bestandsstreits (z. B. Eintritt der Rechtskraft) ist demgegenüber kein Kriterium, das eine erneute Geltendmachung künftiger Annahmeverzugsansprüche auslösen könnte. Der Bestandsstreit betrifft einen anderen Streitgegenstand als die Annahmeverzugslohnansprüche. Mit der Stattgabe einer Kündigungsschutzklage steht nur fest, dass die streitgegenständliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht zum in der Kündigung vorgesehenen Termin aufgelöst hat (BAG 20.03.2014 - 2 AZR 1071/12, Rn. 17 m. w. N.). Selbst bei Stattgabe einer allgemeinen Feststellungsklage gerichtet auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses steht nur fest, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Termin der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz bestanden hat. Die Rechtskraft des Bestandsstreits tritt zu einem hiervon unabhängigen und in der Regel viel später liegenden Zeitpunkt ein. Bezugspunkt der Geltendmachung der Annahmeverzugsansprüche durch die Bestandsschutzklage ist schon deshalb nicht die Dauer des Bestandsstreits, sondern der außerhalb des Streitgegenstands des Bestandsstreits liegende Annahmeverzug. Deshalb ist die Antwort auf die Frage, welche künftigen Forderungen von der mit der Bestandsschutzklage erfolgten Geltendmachung erfasst sind, nicht von der Dauer des Bestandsstreits abhängig, sondern von der Dauer des durch die unwirksame Kündigung ausgelösten Annahmeverzugs.

(2) Auch in anderen Fällen kann die Geltendmachung eines Anspruchs vor dessen Entstehung ausnahmsweise eine tarifliche Ausschlussfrist wahren. Das kommt in Betracht, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist (BAG 16.01.2013 - 10 AZR 863/11; 03.07.2013 - 4 AZR 476/12). In einem solchen Fall entsteht ein bestimmter Anspruch immer aus dem gleichen Grundtatbestand heraus. Dieses Verständnis von tariflichen Ausschlussfristen liegt auch der Rechtsprechung zugrunde, wonach künftig entstehende Entgeltansprüche bereits mit Erhebung der Bestandsschutzklage wirksam geltend gemacht werden können (BAG 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - Rn. 32). Grundtatbestand bezogen auf die vorliegende Fallkonstellation ist aber der unstreitige Bestand des Arbeitsverhältnisses und die Dauer des Annahmeverzugs, nicht die Dauer des Bestandsrechtsstreits.

(3) Der Arbeitgeber ist auch nicht schutzwürdig. Denn er hat es selbst in der Hand, den Annahmeverzug zu beenden. Beendet er den Annahmeverzug nicht, in dem er einen vertragsgerechten Arbeitsplatz anbietet, kann er auch nach Ende des Bestandsstreits nicht ernsthaft davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer ab Ende des Bestandsstreits keine Ansprüche aus Annahmeverzug mehr herleiten will. Dies gilt umso mehr im vorliegenden Fall, in dem die Prozessbevollmächtigten des Klägers neben der vorliegenden Klage mehrmals Abrechnung der Annahmeverzugslohnansprüche auch noch nach Ende des Bestandsstreits (Schreiben vom 09.10.2013, Bl. 94 d. A.) gefordert hatten.

b. Mit der Kündigungsschutzklage hat der Kläger auch bezüglich der streitgegenständlichen Annahmeverzugsansprüche im Sinne von § 18 Nr. 4 MTV rechtzeitig Klage erhoben.

aa. Die vom BAG verwendete Formulierung, dass die Erhebung der Kündigungsschutzklage auch die gerichtliche Geltendmachung für Ansprüche darstellt, die vom Ausgang des Bestandsrechtsstreits abhängen, beinhaltet nicht, dass dies nur für Ansprüche gelten soll, die während des Bestandsstreits entstehen. Eine solche feste zeitliche Eingrenzung findet sich in der Entscheidung vom 19.09.2012 - 5 AZR 627/11 nicht. Auch erst später entstehende Annahmeverzugsansprüche können daher bereits mit der Bestandsschutzklage gerichtlich geltend gemacht sein, wenn sie vom Ausgang des Bestandsstreits abhängen. Dies ist vorliegend der Fall (s. o. unter a.).

bb. Wenn aber mit Erhebung der Bestandsschutzklage auch bezüglich künftig entstehender Annahmeverzugsansprüche „Klage erhoben“ im Sinne des § 18 Abs. 4 MTV ist, und hierin auch eine ausreichend bestimmte Klageerhebung gesehen wird, so muss sich diese gerichtliche Geltendmachung auch auf den gesamten durch die unwirksame Kündigung ausgelösten Annahmeverzugszeitraum beziehen. Auch hier ist die logische Folge der einmal erfolgten ausreichenden Klageerhebung, dass der Verfall endgültig ausgeschlossen ist (ebenso von Medem, NZA 2013, 345, 348). Es bedarf ja in Bezug auf die Einhaltung der Ausschlussfrist gerade keiner bezifferten Klageerhebung für jeden einzelnen Monat. Bezugspunkt der Geltendmachung ist eben nicht die Dauer des Bestandsstreits, sondern der außerhalb des Streitgegenstands des Bestandsstreits liegende Annahmeverzug.

cc. Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass die im Anschluss an das BVerfG gefundene verfassungskonforme Auslegung des Begriffs der Klageerhebung bzw. der gerichtlichen Geltendmachung auch vom Kostenrisiko, das insbesondere den Arbeitnehmer träfe, wenn er für jeden einzelnen Monat den Annahmeverzug trotz ungewissen Prozessausgangs beziffert einklagen müsste, beeinflusst ist. Der Wegfall dieser Ungewissheit durch das Ende des Bestandsstreits führt aber nicht dazu, dass die Pflicht zur Klageerhebung deshalb wieder aufleben muss. Dies ist verfassungsrechtlich jedenfalls nicht geboten. Im Gegenteil: Ohne gesonderte tarifliche Regelung würde es zu einem kaum überbrückbaren Wertungswiderspruch führen, wenn die außergerichtliche Geltendmachung weitergehende Ansprüche erfassen würde als die gerichtliche Geltendmachung, obwohl die jeweilige Geltendmachung in verfassungskonformer Auslegung der tariflichen Ausschlussfristen durch ein und derselbe Handlung (Bestandsschutzklage) ordnungsgemäß erfolgt ist.

dd. Die Interessenlage der Parteien unterscheidet sich im Kern nicht von der Interessenlage bezüglich der Einhaltung der ersten Stufe der Ausschlussfrist. Beendet der Arbeitgeber den Annahmeverzug nicht, in dem er einen vertragsgerechten Arbeitsplatz anbietet, kann er auch nach Ende des Bestandsstreits nicht ernsthaft davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer ab Ende des Bestandsstreits keine Ansprüche aus Annahmeverzug mehr herleiten will.

ee. Die Auffassung, dass die Bestandsschutzklage die Geltendmachung von Annahmeverzugsansprüchen für den gesamten Annahmeverzugszeitraum unabhängig vom Ende des Bestandsrechtsstreits erfasst, passt auch eher zur vom BAG vertretenen Rechtsprechung von der Gesamtberechnung der Annahmeverzugslohnansprüche unabhängig von den einzelnen (monatlichen) Entgeltzahlungsperioden (vgl. BAG 16.05.2012 - 5 AZR 251/11). Denn der durch die unwirksame Kündigung ausgelöste Annahmeverzug endet eben nicht mit der Rechtskraft des Bestandsrechtsstreits.

3. Die Ausschlussfristen sind für die streitgegenständlichen Zeiträume nicht nur durch die Bestandsschutzklage gewahrt worden, sondern auch durch die ursprünglich im vorliegenden Verfahren mit Schriftsatz vom 13.07.2012 erhobene Klage auf künftige Leistung des Annahmeverzugslohns von monatlich 2.308,54 € brutto ab 01.07.2012 abzüglich gewährten Arbeitslosengeldes (Ziffer 2 der ursprünglichen Klage). Wenn schon die Bestandsschutzklage die gerichtliche Geltendmachung von künftigen Annahmeverzugsansprüchen bewirkt, dann erst Recht eine bezifferte Klage auf künftige Leistung. Hierdurch wurde der Beklagten eindeutig vor Augen geführt, dass und in welcher Höhe sie mit Ansprüchen des Klägers für die Dauer des Annahmeverzugs rechnen musste. Dieser Antrag war auch nicht etwa begrenzt auf die Dauer des damals noch laufenden Bestandsstreits. Jedenfalls sind durch ihn auch künftige Annahmeverzugsansprüche gerichtlich geltend gemacht worden.

Diesen Klageantrag hat der Kläger aufrechterhalten bis zur Umstellung der Klage mit Schriftsatz vom 13.01.2014 auf dann rückständigen Annahmeverzugslohn in Höhe von 32.965,40 € brutto einschließlich des streitgegenständlichen Zeitraums.

C.

I.

Die Beklagte hat die Kosten ihres unbegründeten Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

II.

Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Es ist - soweit ersichtlich - höchstrichterlich noch nicht entschieden, ob die Bestandsschutzklage oder eine bezifferte Klage auf künftige Leistung auch die von einer undifferenzierten tariflichen Ausschlussfrist geforderte Klageerhebung für Annahmeverzugsansprüche wahrt, die erst nach Rechtskraft des Bestandsstreits entstehen.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

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Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 12. Nov. 2014 - 2 Sa 407/14 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 12. Nov. 2014 - 2 Sa 407/14 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. März 2014 - 2 AZR 1071/12

bei uns veröffentlicht am 20.03.2014

Tenor Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Oktober 2012 - 5 Sa 389/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 03. Juli 2013 - 4 AZR 476/12

bei uns veröffentlicht am 03.07.2013

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. März 2012 - 5 Sa 830/11 - insoweit aufgehoben, als es das Urteil des Arbeitsgerichts

Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Apr. 2013 - 9 AZR 554/11

bei uns veröffentlicht am 16.04.2013

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 14. April 2011 - 6 Sa 439/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Jan. 2013 - 10 AZR 863/11

bei uns veröffentlicht am 16.01.2013

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. August 2011 - 18 Sa 96/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Sept. 2012 - 5 AZR 627/11

bei uns veröffentlicht am 19.09.2012

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. März 2011 - 18 Sa 1170/10 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11

bei uns veröffentlicht am 16.05.2012

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 12. Januar 2011 - 4 Sa 437/10 - aufgehoben.

Referenzen

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Handlung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 14. April 2011 - 6 Sa 439/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütung während der Altersteilzeit.

2

Der am 11. Juli 1953 geborene Kläger ist beim beklagten Freistaat (Beklagter) als Fachlehrer an einer staatlichen berufsbildenden Schule beschäftigt. Vor dem Wechsel in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis war er mit 80 vH der Arbeitszeit eines entsprechenden Vollzeitbeschäftigten tätig. Darüber hinaus leistete der Kläger planmäßige Mehrarbeitsstunden. Die von ihm tatsächlich erteilten Unterrichtswochenstunden entsprachen dem Deputat einer vollzeitbeschäftigten Lehrkraft.

3

Die Parteien schlossen am 14. Mai 2008 auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vom 23. Juli 1996 und des Tarifvertrags zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 einen Altersteilzeitarbeitsvertrag im Blockmodell mit einer Arbeitsphase vom 1. August 2008 bis zum 31. Juli 2013 und einer Freistellungsphase vom 1. August 2013 bis zum 31. Juli 2018. In dem „Änderungsvertrag“ heißt es auszugsweise:

        

㤠2

        

Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses beträgt die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit im Sinne des § 3 Absatz 1 Unterabsatz 2 TV ATZ, was einem künftigen Beschäftigungsumfang von 40 v. H. ergibt.

        

…“    

4

Der Kläger wurde ab Beginn der Arbeitsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses mit 80 vH der Unterrichtszeit einer vollzeitbeschäftigten Lehrkraft eingesetzt. Seine Altersteilzeitvergütung wurde auf dieser Basis ermittelt. Die vom Kläger geleistete Mehrarbeit wurde nicht vergütet, sondern in Freizeit abgegolten.

5

Mit Schreiben vom 24. September 2009, das am 29. Oktober 2009 beim zuständigen Schulamt einging, machte der Kläger unter Bezugnahme auf die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Mai 2009 (- 9 AZR 145/08 -, - 9 AZR 149/08 -) die Neuberechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit in der Altersteilzeit und die sich daraus ergebende höhere Altersteilzeitvergütung geltend. Im Antwortschreiben vom 3. November 2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, in Umsetzung der Urteile des Bundesarbeitsgerichts werde der Beschäftigungsumfang nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 TV ATZ ab dem 29. Oktober 2009 auf 50 vH erhöht. Der Kläger erhält seitdem Altersteilzeitvergütung auf der Basis dieses Beschäftigungsumfangs.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe unter Berücksichtigung der Verfallfrist des § 37 TV-L bereits ab dem 1. April 2009 das höhere Entgelt zu. Ein wörtliches Angebot seiner weiteren Arbeitsleistung sei entbehrlich gewesen. Im Übrigen hätte der Beklagte ihn auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Mai 2009 hinweisen bzw. diese Urteile auch ohne eine Aufforderung umsetzen müssen. Er habe bereits gegenüber dem Mitarbeiter des Schulamts, mit dem im Mai 2008 der Altersteilzeitarbeitsvertrag ausgehandelt worden sei, geäußert, er finde es ungerecht, dass dem Altersteilzeitarbeitsvertrag nicht auch die planmäßige Mehrarbeit zugrunde gelegt werde, habe sich jedoch im Ergebnis damit abgefunden.

7

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass er seit dem 1. April 2009 Anspruch auf Entgelt auf der Basis der erhöhten Altersteilzeit-Wochenstunden von 20/40 hat.

8

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der Kläger hätte seine Arbeitsleistung zumindest wörtlich anbieten müssen. Er habe den Kläger nicht von sich aus auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinweisen müssen. Er habe entschieden, den Beschäftigungsumfang ab dem Zeitpunkt einer entsprechenden Antragstellung zu erhöhen. Einen solchen Antrag habe der Kläger erst am 29. Oktober 2009 gestellt.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert. Die Klage ist jedenfalls unbegründet.

11

I. Die Vorinstanzen haben den Klageantrag zutreffend so ausgelegt, dass streitgegenständlich nur der Zeitraum vom 1. April 2009 bis einschließlich 28. Oktober 2009 ist. Der Klageantrag enthält zwar keine ausdrückliche zeitliche Begrenzung. Es ist zwischen den Parteien jedoch unstreitig, dass der Kläger für die Zeit nach dem 28. Oktober 2009 die begehrte erhöhte Vergütung erhalten hat. Ob der Kläger gehalten war, in Bezug auf diesen bereits bei Klageerhebung abgeschlossenen Zeitraum Leistungsklage zu erheben (vgl. zum fehlenden Feststellungsinteresse bei Möglichkeit der Leistungsklage: BAG 18. März 1997 - 9 AZR 84/96 - zu I 1 der Gründe mwN, BAGE 85, 306), oder ob aufgrund der konkreten Gegebenheiten eine abschließende Klärung der Streitfragen allein auf der Grundlage eines Feststellungsurteils zu erwarten war (vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - Rn. 23 mwN, BAGE 134, 202; 19. Mai 2009 - 9 AZR 145/08 - Rn. 38), kann dahinstehen. Das Feststellungsinteresse ist lediglich für eine stattgebende Entscheidung unverzichtbar (st. Rspr., vgl. BAG 14. November 2012 - 5 AZR 815/11 - Rn. 12; 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 13, BAGE 128, 73; kritisch Schwab/Weth/Zimmerling ArbGG 3. Aufl. § 46 Rn. 71).

12

II. Der Beklagte war nicht verpflichtet, dem Kläger bereits ab dem 1. April 2009 Entgelt auf der Basis eines erhöhten Deputats zu zahlen.

13

1. Nach den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts in Verbindung mit § 614 BGB gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Verlangt ein Arbeitnehmer gemäß § 611 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung, hat er deshalb darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt(BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 26).

14

2. Der Kläger hat im Anspruchszeitraum nur 80 vH der Arbeitsleistung einer vollzeitbeschäftigten Lehrkraft erbracht. Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt (§ 559 ZPO) befand sich der Beklagte auch nicht gemäß § 615 iVm. § 293 ff. BGB im Annahmeverzug. Der Gläubiger kommt nach § 293 BGB in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.

15

a) Der Kläger hat dem Beklagten eine weitere Unterrichtstätigkeit weder tatsächlich (§ 294 BGB) noch wörtlich (§ 295 BGB) angeboten. Ohne Rechtsfehler ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Äußerungen des Klägers gegenüber dem Mitarbeiter des Schulamts vor Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrags kein Angebot in diesem Sinne darstellten. Gegen diese Annahme des Landesarbeitsgerichts richtet sich auch kein Angriff der Revision.

16

b) Entgegen der Ansicht des Klägers war ein wörtliches Angebot der Arbeitsleistung auch nicht entbehrlich.

17

aa) Zwar ist ein Angebot entbehrlich, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die Leistung anzunehmen, beharrt (vgl. BGH 9. Oktober 2000 - II ZR 75/99 - zu 1 der Gründe; Palandt/Grüneberg BGB 72. Aufl. § 295 Rn. 4). Das Landesarbeitsgericht hat jedoch keine Tatsachen festgestellt (§ 559 ZPO), aus denen sich ergibt, dass der Beklagte unter keinen Umständen bereit war, den Kläger mit der erhöhten Stundenzahl zu beschäftigen. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus dem im Altersteilzeitarbeitsvertrag vereinbarten Beschäftigungsumfang nicht die Entbehrlichkeit eines wörtlichen Angebots. Die Angabe der Teilzeitquote erfolgte nur deklaratorisch (vgl. BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 145/08 - Rn. 45).

18

bb) Das Angebot einer weiteren Unterrichtstätigkeit war auch nicht nach § 296 BGB entbehrlich. Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es nach dieser Vorschrift des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Zwar konnte der Kläger weiteren Unterricht erst nach einer entsprechenden Ergänzung des Stundenplans erteilen. Doch war hierfür nicht eine Zeit nach dem Kalender bestimmt. Die Lage der weiteren Unterrichtsstunden konnte jederzeit nach den schulischen Erfordernissen bestimmt werden (vgl. BAG 30. April 2008 - 5 AZR 502/07 - Rn. 21, BAGE 126, 316). Im ungekündigt bestehenden Arbeitsverhältnis ist § 296 BGB regelmäßig unanwendbar(vgl. BAG 25. April 2007 - 5 AZR 504/06 - Rn. 19; 7. Dezember 2005 - 5 AZR 19/05 - zu I 2 der Gründe). Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von der Anwendbarkeit des § 296 BGB aus(BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 28; vgl. auch 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14 mwN; 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - zu II 1 der Gründe, BAGE 90, 329).

19

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    W. Schmid    

        

    Mehnert    

                 

Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat. Dem Angebot der Leistung steht die Aufforderung an den Gläubiger gleich, die erforderliche Handlung vorzunehmen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 12. Januar 2011 - 4 Sa 437/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Annahmeverzugsansprüche.

2

Der Kläger war seit 1998 bei der Beklagten als Diplomingenieur zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 3.579,04 Euro beschäftigt. Der von der Beklagten vorformulierte Anstellungsvertrag vom 6. Oktober 1998 regelt ua.:

        

㤠3

        

…       

        

Das Urlaubsgeld beträgt 50% des Grundgehalts zuzüglich der Leistungszulage nach Beurteilung.

        

Das Weihnachtsgeld ist wie folgt gestaffelt:

        

…       

        

Bei Betriebszugehörigkeit am 1.12. über 35 Monate

50 %   

        

….    

        

Die Wartezeit für Urlaubsgeld beträgt 6 Monate zum 1.7. Die Wartezeit für Weihnachtsgeld jeweils 5 Monate vom 1.7. bzw. 1.12. eines Kalenderjahres.

        

Ein Anspruch auf Bezahlung besteht nicht, wenn der Angestellte bei Fälligkeit (1.7. oder 1.12.) nicht mehr bei der Firma beschäftigt ist oder sich in gekündigtem Arbeitsverhältnis befindet.

        

§ 5

        

Der Hausvertrag ist wesentlicher Bestandteil dieses Anstellungsvertrages.

        

Herr S erklärt, daß ihm der Inhalt des Hausvertrages bekannt ist und daß derselbe mit dem Anstellungsvertrag übergeben wurde.

        

Die Parteien verzichten auf die Unterzeichnung des Hausvertrages als Wirksamkeitsvoraussetzung.“

3

Der Hausvertrag regelt ua.:

        

㤠11

        

Ausschlußfristen

        

…       

        

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen, müssen innerhalb von 4 Wochen nach Fälligkeit gegenüber dem anderen Vertragspartner schriftlich geltend gemacht werden.

        

Lehnt der Vertragspartner den Anspruch ab, oder erklärt er sich nicht innerhalb von 4 Wochen nach Geltendmachung des Anspruches uneingeschränkt zur Erfüllung bereit, so kann der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden, wenn er nicht innerhalb von 4 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“

4

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. Dezember 2002 zum 31. März 2003. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg stellte mit Urteil vom 29. Januar 2008 (-   2 Sa 34/07 -) fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigung nicht aufgelöst wurde. Die Beklagte nahm die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde mit Schriftsatz vom 9. Juni 2006 zurück.

5

Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 21. November 2008 auf, am Montag, dem 24. November 2008, die Arbeit wieder anzutreten, nachdem das Arbeitsverhältnis „unverändert fortbesteht“. Der Kläger reagierte auf diese Aufforderung nicht. Er setzte das zum 1. November 2006 begründete Arbeitsverhältnis bei einem Dritten fort. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 3. Dezember 2008 außerordentlich. Der Kläger erhob gegen diese Kündigung keine Klage.

6

Er hat für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. November 2008 Annahmeverzugsvergütung einschließlich Urlaubs- und Weihnachtsgelder am 20. August und 9. Dezember 2008 schriftlich und mit seiner am 16. Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage gerichtlich geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, der Annahmeverzug habe nicht vor Ablauf des Monats November 2008 geendet.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 40.558,65 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Mit Eintritt der Rechtskraft im Kündigungsrechtsstreit habe der Annahmeverzug geendet, jedenfalls mit der späteren Arbeitsaufforderung. Urlaubs- und Weihnachtsgeld stehe dem Kläger nicht zu, weil er nicht tatsächlich beschäftigt gewesen sei. Alle Ansprüche seien zudem verfallen.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat ist an einer eigenen Sachentscheidung gehindert, weil das Landesarbeitsgericht notwendige Feststellungen zum Zugang des Schreibens vom 21. November 2008 und zur Höhe der dem Kläger bis dahin zustehenden Annahmeverzugsvergütung nicht getroffen hat (§ 563 Abs. 3 ZPO).

11

I. Der Kläger kann gemäß § 615 Satz 1, § 611 Abs. 1 iVm. §§ 293 ff. BGB Vergütung wegen Annahmeverzugs der Beklagten für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zu dem Zeitpunkt beanspruchen, als er durch sein Verhalten nach Zugang der Arbeitsaufforderung vom 21. November 2008 seinen fehlenden Leistungswillen (§ 297 BGB) offenbarte.

12

1. Der Vergütungsanspruch ist entstanden. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand bis zum Wirksamwerden der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 3. Dezember 2008, die vom Kläger nicht angegriffen wurde. Die Beklagte kam durch den Ausspruch der unwirksamen ordentlichen Kündigung vom 20. Dezember 2002 in Annahmeverzug. Da in der Kündigung zugleich die Erklärung der Beklagten lag, sie werde die Leistung nicht annehmen, bedurfte es keines Angebots des Klägers, §§ 295, 296 Satz 1 BGB (vgl. BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe mwN, BAGE 108, 27).

13

2. Der Annahmeverzug endete nicht mit Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde im Kündigungsrechtsstreit.

14

a) Der Annahmeverzug des Arbeitgebers endet nicht von selbst, sondern wenn die Voraussetzungen des Gläubigerverzugs entfallen. Ist der Arbeitgeber nach einer unwirksamen Kündigungserklärung mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug gekommen, muss er deshalb zur Beendigung des Annahmeverzugs die versäumte Arbeitsaufforderung nachholen. Die Beendigung des Streits über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses ändert daran nichts. Auch in diesem Fall kann der Arbeitnehmer regelmäßig eine Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers abwarten (BAG 19. September 1991 - 2 AZR 619/90 - zu B I 1 d der Gründe, RzK I 13b Nr. 18; 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - BAGE 90, 329; 18. Januar 2000 - 9 AZR 932/98 - zu I 1 der Gründe, BAGE 93, 179; 26. September 2007 - 5 AZR 870/06 - Rn. 28, BAGE 124, 141; KR/Spilger 9. Aufl. § 11 KSchG Rn. 24, 24a; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 11 Rn. 22, 24). Einer den Annahmeverzug beendenden Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers bedarf es in jedem Fall, wenn dem Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres erkennbar ist, wann und wo er die Arbeit wieder aufnehmen soll (Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 95 Rn. 63).

15

b) Hiernach bedurfte es einer erneuten Arbeitszuweisung durch die Beklagte, um den Annahmeverzug zu beenden.

16

3. Der Annahmeverzug der Beklagten endete aber, als der Kläger seinen fehlenden Leistungswillen (§ 297 BGB) offenbarte, indem er jede Reaktion auf die Arbeitsaufforderung der Beklagten unterließ.

17

a) Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 21. November 2008 auf, am Montag, dem 24. November 2008, die Arbeit in den Betriebsräumen in N, No, um 8:00 Uhr, wieder aufzunehmen, nachdem das Arbeitsverhältnis „unverändert fortbesteht“. Damit nahm sie die ihr obliegende Mitwirkungshandlung vor (vgl. BAG 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - BAGE 90, 329).

18

b) Die Beklagte musste hinsichtlich der Aufforderung keine „Ankündigungsfrist“ einhalten. Eine solche Ankündigungsfrist findet im Gesetz keine Stütze. Zwar ist der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung gehalten, seine Arbeitskraft anderweitig zu verwerten, § 615 Satz 2 BGB. Deshalb räumt ihm § 12 KSchG ein Wahlrecht ein: Besteht nach einer Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort und ist der Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, kann er binnen einer Woche nach der Rechtskraft die Fortsetzung des (früheren) Arbeitsverhältnisses verweigern. Mit der Erklärung endet das (frühere) Arbeitsverhältnis und es ist ihm nach § 12 Satz 4 KSchG entgangener Verdienst nur für die Zeit zwischen der Entlassung und dem Tag des Eintritts in das neue Arbeitsverhältnis zu gewähren. Lässt der Arbeitnehmer, wie hier der Kläger, die Wochenfrist aber verstreichen, besteht das frühere Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten fort. Der Arbeitnehmer kann und muss deshalb jederzeit damit rechnen, dass der Arbeitgeber ihn zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordert.

19

c) Allein aus der Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses kann nicht das Fehlen jeder Leistungsbereitschaft des gekündigten Arbeitnehmers im alten Arbeitsverhältnis hergeleitet werden (BAG 6. November 1986 - 2 AZR 744/85 - zu III 1 b bb der Gründe, RzK I 13b Nr. 4). Der Arbeitnehmer kann das neue Arbeitsverhältnis auch unter Einhaltung einer Kündigungsfrist beenden. Kommt er der Arbeitsaufforderung aber ohne jegliche Erklärung nicht nach, hüllt er sich quasi in Schweigen, indiziert dies seine fehlende Leistungsbereitschaft (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 21, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34).

20

d) Da der Kläger mit dem Unterlassen jeglicher Reaktion seinen fehlenden Leistungswillen kundtat, endete zu diesem Zeitpunkt der Annahmeverzug der Beklagten. Um diesen Zeitpunkt bestimmen zu können, wird das Landesarbeitsgericht festzustellen haben, wann dem Kläger die Arbeitsaufforderung zugegangen ist.

21

II. Der Kläger hat für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum Ende des Annahmeverzugs Anspruch auf Vergütung. Zu deren Höhe hat das Landesarbeitsgericht noch Feststellungen zu treffen.

22

1. Endete der Annahmeverzug der Beklagten vor dem 30. November 2008, ist zur Ermittlung der für November 2008 geschuldeten Vergütung nicht auf die in diesem Monat anteilig zu leistenden Arbeitstage abzustellen, sondern die anteilige Vergütung ist auf der Grundlage eines Tagessatzes von einem Dreißigstel des Monatsentgelts zu berechnen.

23

a) Das Gesetz regelt nicht, wie die Höhe des Vergütungsanspruchs zu errechnen ist, wenn das vertragliche Entgelt nach Monaten bemessen und ein Kalendermonat lediglich anteilig zu vergüten ist.Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, die entsprechende Regelungen enthalten können, finden im vorliegenden Fall keine Anwendung. Ebenso fehlen vertragliche Absprachen der Parteien.

24

b) Eine konkrete Berechnungsweise, die auf die Zahl der Arbeitstage einschließlich der gesetzlichen Feiertage abstellt (so zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: BAG 14. August 1985 - 5 AZR 384/84 - AP HGB § 63 Nr. 40 = EzA HGB § 63 Nr. 38), bildet zwar den Entgeltausfall im konkreten Monat genau ab, für eine pauschalierende Berechnungsweise auf der Grundlage von 30 Tagen monatlich spricht jedoch, dass diese im Einklang mit dem Prinzip des Monatsgehalts steht. Mit einem Monatsgehalt soll die im Laufe eines Monats vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung unabhängig von der im betreffenden Monat gegebenen Zahl von Arbeits-, Werk- oder Kalendertagen in gleichbleibender Höhe vergütet werden. Beide Vertragsparteien gehen nicht davon aus, dass der jeweilige Tageswert der Arbeitsleistung von Monat zu Monat schwankt. Zudem berücksichtigt diese Berechnungsweise die in § 191 BGB niedergelegte gesetzliche Wertung, ein Monatszeitraum werde zu 30 Tagen gerechnet. Eine vergleichbare gesetzliche Wertung findet sich in § 18 Abs. 1 Satz 2 BBiG. Ein Abstellen auf einen Durchschnittswert von 30 Tagen ist im Übrigen - mit Ausnahme des Monats Februar - die im Jahresdurchschnitt für die Arbeitnehmer günstigere Berechnungsweise, weil das Kalenderjahr mehr als 360 Tage hat (BAG 28. Februar 1975 - 5 AZR 213/74 - AP BGB § 628 Teilvergütung Nr. 1 = EzA BGB § 191 Nr. 2; aA Sächsisches Landesarbeitsgericht 2. September 2011 - 3 Sa 127/11 -). Vor allem dient die Berechnung auf der Basis von monatlich 30 Kalendertagen ihrer Vereinfachung. Dies gilt auch und gerade für die Ermittlung der Annahmeverzugsvergütung, auf die gemäß § 615 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 1 KSchG anderweitig erzielter Verdienst anzurechnen ist. Würde bei einem Anspruch auf Teilvergütung eine konkrete Berechnungsweise anzuwenden sein, gölte diese konsequenterweise auch für die Berechnung des anzurechnenden Verdienstes. Es wäre dann jeweils zu ermitteln, welche Regelungen beim anderen Arbeitgeber Anwendung finden und welche konkrete Teilvergütung dort der jeweiligen Arbeitsleistung entspricht. Dies würde die Berechnung der Vergütung insgesamt erschweren und damit auch verzögern.

25

c) Die dem Kläger zustehende Vergütung umfasst entgegen der Auffassung der Beklagten auch die Urlaubsgelder für 2006, 2007, 2008 und die Weihnachtsgelder für 2006 und 2007 gemäß § 3 des Arbeitsvertrags iHv. jeweils 50 % der monatlichen Vergütung, weil der Kläger länger als 35 Monate bei der Beklagten beschäftigt war. Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt § 3 des Arbeitsvertrags zur Entstehung des Anspruchs keine tatsächliche Beschäftigung voraus. Das folgt bereits aus dem Wortlaut der Regelung. Zum selben Ergebnis führt die Unklarheitenregel, § 305c BGB, denn hiernach gehen etwaige Auslegungszweifel hinsichtlich des Begriffs der „Beschäftigung“ zu Lasten der Beklagten.

26

d) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch ergänzende Feststellungen hinsichtlich des vom Kläger für 2008 beanspruchten Weihnachtsgelds zu treffen.

27

Nach § 3 des Arbeitsvertrags haben die Parteien eine „Wartezeit“ bestimmt, die für Weihnachtsgeld jeweils fünf Monate vom 1. Juli bzw. 1. Dezember eines Kalenderjahres beträgt. Der Begriff der „Wartezeit“ bedarf der Auslegung. Abhängig davon ist zu entscheiden, ob und in welchem Maß das Weihnachtsgeld für 2008 geschuldet ist, wenn der Annahmeverzug der Beklagten vor dem 1. Dezember 2008 geendet haben sollte. Dabei wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass der arbeitsvertraglich in Bezug genommene Hausvertrag in § 8 ausdrücklich neben dem Weihnachtsgeld eine freiwillige Weihnachtsgratifikation kennt.

28

2. Auf die Vergütung ist gemäß § 615 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 1 KSchG das anzurechnen, was der Kläger durch anderweitige Arbeit verdient hat.

29

a) Der anderweitige Verdienst, den der Kläger während des Anrechnungszeitraums erzielt hat, ist nicht pro-rata-temporis, sondern auf die Gesamtvergütung für die Dauer des (beendeten) Annahmeverzugs anzurechnen. Zum Zwecke der dafür erforderlichen Vergleichsberechnung (Gesamtberechnung) ist zunächst die Vergütung für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste zu ermitteln. Dieser Gesamtvergütung ist das gegenüberzustellen, was der Arbeitnehmer in der betreffenden Zeit anderweitig verdient hat (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 33, BAGE 120, 308; 22. November 2005 -  1 AZR 407/04  - Rn. 22 mwN, BAGE 116, 246; 19. Februar 1997 -  5 AZR 379/94  - zu 2 der Gründe). Aufgrund der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime bestimmen die Parteien mit ihren Anträgen und Einwendungen den der Gesamtberechnung zugrunde zu legenden Zeitraum. Als Anfangstermin ist dies unstreitig der 1. Januar 2006. Den Endtermin hat das Landesarbeitsgericht noch festzustellen.

30

b) Öffentlich-rechtliche Leistungen hat der Kläger im Klagezeitraum nicht erhalten. Anderweitigen Arbeitsverdienst hat er seit dem 1. November 2006 erzielt. Die Vorinstanzen haben das sich aus den Abrechnungen des neuen Arbeitgebers ergebende Gesamtbruttoeinkommen des Klägers zutreffend zugrunde gelegt. Sollte der Annahmeverzug der Beklagten vor dem 30. November 2008 geendet haben, ist auch nur bis zu diesem Endtermin anderweitiges Einkommen anzurechnen.

31

3. Der Kläger hat im Hinblick auf den Verzug der Beklagten Anspruch auf Zinsen auf die Differenzvergütung gemäß § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Trotz der Gesamtberechnung entstehen die Annahmeverzugsansprüche nicht erst am Ende des Annahmeverzugs, sondern sukzessive während des Annahmeverzugs und werden mit dem jeweiligen Abrechnungszeitraum fällig. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht gehindert, sie ratierlich geltend zu machen. Der Arbeitnehmer kann Prozess- oder Verzugszinsen fordern. Doch hat der Kläger die von dritter Seite bezogenen Bruttovergütungen taggenau abzusetzen, wie dies für anzurechnende öffentlich-rechtliche Leistungen bereits entschieden ist (vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 16, BAGE 126, 198).

32

III. Die Ansprüche des Klägers sind, soweit sie entstanden sind, nicht gemäß § 5 des Arbeitsvertrags iVm. § 11 des Hausvertrags verfallen.

33

1. Nach § 5 des Arbeitsvertrags ist der Hausvertrag wesentlicher Bestandteil des Anstellungsvertrags. Die Bezugnahme auf den Hausvertrag als anderweitiges Regelungswerk ist wirksam. Verweist eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Vorschriften eines anderen Regelwerks, führt dies für sich genommen nicht zur Intransparenz ( BAG 14. März 2007 - 5 AZR 630/06  - BAGE 122, 12 ). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Erst in der Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster Allgemeiner Geschäftsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB vor. Umstände, die allein im Hinblick auf die Bezugnahmeklausel eine solche Gefahr begründen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen; im Übrigen sind sie nicht ersichtlich. Die Bezugnahmeklausel ist nach dem äußeren Erscheinungsbild des Arbeitsvertrags auch nicht ungewöhnlich und überraschend.

34

2. Bei den Regelungen des Hausvertrags handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB standhalten müssen. Dieser Prüfungsmaßstab führt zur Unwirksamkeit der in § 11 des Hausvertrags normierten zweistufigen Ausschlussfrist.

35

a) Nach § 11 Abs. 1 des Hausvertrags müssen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit gegenüber dem anderen Vertragspartner schriftlich geltend gemacht werden (erste Stufe). Diese Ausschlussfrist ist angesichts der Unterschreitung der Dauer von drei Monaten unwirksam, weil sie den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 34 ff., BAGE 116, 66 ; 25. Mai 2005 -  5 AZR 572/04  - zu IV 7 der Gründe, BAGE 115, 19 ). Die Unwirksamkeit der ersten Stufe der Ausschlussklausel führt zu ihrem ersatzlosen Wegfall bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags im Übrigen ( § 306 Abs. 1 und Abs. 2 BGB ).

36

b) Die Unwirksamkeit der ersten Stufe führt im Streitfall auch zur Unwirksamkeit der zweiten Stufe der Ausschlussfrist.

37

aa) Gegenstand einer Inhaltskontrolle sind jeweils verschiedene, nur formal verbundene AGB-Bestimmungen. Deshalb können inhaltlich zu trennende Bestimmungen einer Ausschlussfristenregelung nach Anwendung des sog. Blue-Pencil-Tests wirksam sein (BAG 12. März 2008 - 10 AZR 152/07 - Rn. 26 ff., AP BGB § 305 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 33; 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04  - BAGE 115, 19 ). Die Regelungen müssen allerdings nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich zu trennen sein. Maßgeblich ist, ob sie mehrere sachliche Regelungen enthalten. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen ( BGH 7. Oktober 1981 - VIII ZR 214/80 - zu II 3 e der Gründe, NJW 1982, 178; 25. Juni 2003 - VIII ZR 344/02 - zu II 2 der Gründe, NJW 2003, 2899; BAG 21. April 2005 - 8 AZR 425/04 - zu II 3 e der Gründe, AP BGB § 307 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 3; 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 26 ff., EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54; Uffmann RdA 2012, 113, 118; Preis RdA 2012, 101, 106).

38

bb) § 11 Abs. 2 des Hausvertrags enthält keine eigenständige sachliche Regelung. Zwar sind die Stufen der Ausschlussfrist in getrennten Sätzen geregelt. Doch ist die verbleibende Regelung der zweiten Stufe allein nicht vollziehbar. Wegen der Unwirksamkeit der ersten Stufe gibt es keinen Zeitpunkt mehr, an den der Fristenlauf der zweiten Stufe anknüpfen könnte.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    S. Röth-Ehrmann    

        

    A. Christen    

                 

(1) Soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über.

(2) Der Übergang wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann.

(3) An Stelle der Ansprüche des Arbeitnehmers auf Sachbezüge tritt im Fall des Absatzes 1 der Anspruch auf Geld; die Höhe bestimmt sich nach den nach § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Vierten Buches festgelegten Werten der Sachbezüge.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. März 2011 - 18 Sa 1170/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

2

Der 1960 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit Januar 2006 als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags vom 15. Dezember 2006 gelten für das Arbeitsverhältnis die tariflichen Bestimmungen der Industrie der Steine und Erden im Lande Hessen. § 8 des Rahmentarifvertrags für die Arbeitnehmer der Industrie der Steine und Erden im Lande Hessen vom 27. April 2005 (im Folgenden: RTV) lautet:

        

„1.     

Ansprüche aus Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit, auf Zahlung von Zuschlägen jeder Art verfallen, wenn sie nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit bei dem Arbeitgeber geltend gemacht werden.

        

2.    

Alle sonstigen beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich erhoben werden.

        

3.    

Werden die Ansprüche abgelehnt, so verfallen sie, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden.“

3

Das Arbeitsverhältnis der Parteien war bis zum 31. Januar 2008 befristet.

4

Am 27. Februar 2008 unterzeichnete der Kläger ein mit „Empfangsbestätigung - Ausgleichsquittung“ überschriebenes Dokument, welches auszugsweise folgenden Inhalt hat:

        

„Anläßlich Ihres Austrittes zum 31.01.2008 übersenden wir Ihnen die nachfolgend aufgeführten Arbeitspapiere:

        

1.    

Lohnsteuerbescheinigung 2007 und 2008 und Lohnsteuerkarte 2008

        

2.    

Meldebescheinigung zur Sozialversicherung - Abmeldung

        

3.    

Lohnabrechnung Januar/Februar 2008

        

Bitte bestätigen Sie durch Ihre Unterschrift die Richtigkeit der letzten Gehaltsabrechnung, den Empfang der o.g. Arbeitspapiere und, dass aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung keinerlei weitere Ansprüche gegen das Unternehmen bestehen.“

5

Im Zeitraum 6. Februar bis 12. April 2008 bezog der Kläger Arbeitslosengeld iHv. 2.660,46 Euro.

6

Der Kläger erhob Befristungskontrollklage. Mit Schreiben vom 11. März 2008 bot die Beklagte den Prozessbevollmächtigen des Klägers dessen Prozessbeschäftigung an. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 17. März 2008 nahm der Kläger dieses Angebot an. In der Zeit vom 25. März bis zum 11. April 2008 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Am 13. April 2008 nahm der Kläger die Arbeit wieder auf. Die Beklagte vergütete im Rahmen der Prozessbeschäftigung nur die vom Kläger geleisteten Arbeitsstunden mit einem Stundenlohn von 10,78 Euro brutto ohne Zuschläge und Sonderzahlungen. Entgeltfortzahlung an Feiertagen und Urlaubsentgelt erhielt der Kläger nicht. Insgesamt zahlte die Beklagte für die Zeit bis zum 30. September 2008 10.780,00 Euro brutto.

7

Das Arbeitsgericht Hagen stellte mit Urteil vom 12. August 2008 fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung beendet wurde. Das den Parteien am 29. August 2008 zugestellte Urteil wurde rechtskräftig. Ab 1. Oktober 2008 wickelten die Parteien das Arbeitsverhältnis wieder vertragsgemäß ab.

8

Mit der am 9. Oktober 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 1. Februar bis zum 30. September 2008 geltend gemacht. Für die Monate Februar bis April 2008 hat er den sich aus der Abrechnung für Januar 2008 ergebenden Gesamtbruttobetrag von 2.086,68 Euro zugrunde gelegt, wobei in diesem Betrag auch ein „Ausgleich Urlaub“ enthalten war. Für die Zeit vom 13. April bis zum 30. September 2008 hat er Vergütung für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden sowie Zuschläge für Sonntags-Nachtarbeit iHv. 75 % und für Schicht-Nachtarbeit iHv. 15 % beansprucht. Auf die Gesamtsumme hat der Kläger die bezogene Bruttovergütung und das Netto-Arbeitslosengeld angerechnet.

9

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.231,89 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 28. Juli 2009 abzüglich 2.660,46 Euro netto zu zahlen.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Alle Ansprüche seien verfallen. Den Ansprüchen des Klägers stehe zudem die unterzeichnete Ausgleichsquittung entgegen. Die verspätete Arbeitsaufnahme im Rahmen des Prozessbeschäftigungsverhältnisses gehe zulasten des Klägers. Das Gehalt für April mache der Kläger doppelt geltend. Auch lege der Kläger einen unzutreffenden Monatslohn zugrunde und berechne die Zuschläge falsch.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist begründet. Die Vergütungsansprüche des Klägers sind nicht verfallen. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. In welcher Höhe dem Kläger noch Ansprüche zustehen, kann der Senat nicht entscheiden. Es bedarf hierzu weiterer tatsächlicher Feststellungen. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung (§ 563 Abs. 1 ZPO).

13

I. Die Vergütungsansprüche des Klägers sind nicht gemäß § 8 Ziff. 3 RTV verfallen. Vielmehr ist § 8 Ziff. 3 RTV verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die davon abhängigen Ansprüche wegen Annahmeverzugs im Sinne der tariflichen Ausschlussfrist gerichtlich geltend gemacht sind.

14

1. Mit einer Bestandsschutzklage wahrt der Arbeitnehmer, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf, die erste Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist für alle vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche. Mit einer solchen Klage erstrebt der Arbeitnehmer nicht nur die Erhaltung seines Arbeitsplatzes, sondern bezweckt darüber hinaus, sich die Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs zu erhalten. Die Ansprüche müssen weder ausdrücklich bezeichnet noch beziffert werden(für die Kündigungsschutzklage ständige Rechtsprechung seit BAG 10. April 1963 - 4 AZR 95/62 - BAGE 14, 156).

15

2. Zugleich macht der Arbeitnehmer mit einer Bestandsschutzklage die vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche im Sinne der zweiten Stufe einer tarifvertraglich geregelten Ausschlussfrist „gerichtlich geltend“.

16

a) Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war für die Wahrung der zweiten Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist regelmäßig die Erhebung einer bezifferten Klage erforderlich (BAG 3. November 1961 - 1 AZR 302/60 - SAE 1962, 155; 26. April 2006 - 5 AZR 403/05 - Rn. 20, BAGE 118, 60; 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 -). Die Frist für diese Klage wurde mit Zugang des Klageabweisungsantrags beim Arbeitnehmer in Gang gesetzt, ohne dass es einer ausdrücklichen Ablehnungserklärung bedurfte (BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 36; 26. April 2006 - 5 AZR 403/05 - Rn. 18, aaO).

17

b) An dieser Rechtsprechung kann nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2010 (- 1 BvR 1682/07 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 196 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 197)nicht festgehalten werden. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Arbeitnehmer in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt werde, wenn das tarifliche Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen, die vom Ausgang einer Bestandsstreitigkeit abhängen, nach den bisherigen Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts ausgelegt und angewandt werde. Dem Arbeitnehmer werde insoweit eine übersteigerte Obliegenheit zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche wegen Annahmeverzugs auferlegt. Die Art der Geltendmachung der Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs müsse dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar sein. Das sei nicht der Fall, wenn er gezwungen werde, Ansprüche wegen Annahmeverzugs einzuklagen, bevor die Bestandsstreitigkeit rechtskräftig abgeschlossen sei. Damit erhöhe sich sein Kostenrisiko im Rechtsstreit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses.

18

c) Tarifvertragliche Ausschlussfristen, die eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung vorsehen, sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die vom Erfolg einer Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche bereits mit der Klage in der Bestandsstreitigkeit gerichtlich geltend gemacht sind.

19

aa) Die verfassungskonforme Auslegung von Rechtsnormen gebietet, die Wertentscheidungen der Verfassung zu beachten und die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung zu bringen (BVerfG 21. Dezember 2010 - 1 BvR 2760/08 - Rn. 16, GRUR 2011, 223; 15. Oktober 1996 - 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92 - BVerfGE 95, 64; 30. März 1993 - 1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90 - BVerfGE 88, 145; BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 27 f., AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77; Voßkuhle AöR 125, 177). Ist eine Norm verfassungskonform auslegbar, ist für die Annahme ihrer Unwirksamkeit mit ggf. nachfolgender ergänzender Tarifauslegung kein Raum mehr.

20

bb) Die durch eine undifferenzierte tarifliche Regelung veranlasste verfassungswidrige Obliegenheit zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche wegen Annahmeverzugs wird vermieden, wenn in der Erhebung der Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage die gerichtliche Geltendmachung der vom Ausgang dieser Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche liegt.

21

cc) Der Wortlaut des Tarifvertrags steht dieser verfassungskonformen Auslegung nicht entgegen. Bereits zur Auslegung der zweiten Stufe einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelten Ausschlussfrist (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 31, AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 22, BAGE 126, 198) hat der Senat entschieden, dass der Wortsinn eines „Einklagens“ bzw. einer „gerichtlichen Geltendmachung“ der vom Ausgang der Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche nicht zwingend verlange, dass gerade der Streitgegenstand „Vergütung“ zum Inhalt des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gemacht werden müsse (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 31, aaO; 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 22, aaO). Eine an einen engen prozessualen Begriff des Streitgegenstands anknüpfende weitere Klage verlange eine solche Klausel nicht. Hinzu kommt, dass bei der verfassungskonformen Auslegung dem Wortsinn nur eine eingrenzende Funktion zukommt. Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien die Formulierung in Kenntnis der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verwandt haben, steht der nunmehr verfassungsrechtlich gebotenen Neuinterpretation nicht entgegen.

22

dd) Die verfassungskonforme Auslegung des Merkmals „gerichtliche Geltendmachung“ berücksichtigt in angemessener Weise den Zweck einer zweistufigen Ausschlussfrist. Ausschlussfristen bezwecken, dem Schuldner zeitnah Gewissheit darüber zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er noch zu rechnen hat. Zulasten des Arbeitnehmers wirkende Ausschlussfristen sollen den Arbeitgeber vor der Verfolgung unzumutbarer Ansprüche bewahren, das sind regelmäßig solche, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und auch nicht zu rechnen braucht (so schon RG 27. Februar 1940 - RAG 162/39 - ARS Bd. 38 S. 355). Erhebt der Arbeitnehmer Bestandsschutzklage, kann der Arbeitgeber an der Ernstlichkeit der Geltendmachung der hiervon abhängigen Vergütungsansprüche nicht wirklich zweifeln. Schon mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage kann sich der Arbeitgeber auf die vom Ausgang dieser Streitigkeit abhängigen Forderungen einstellen, Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden. Ihm muss bewusst sein, dass ggf. auch über die Höhe der zu zahlenden Vergütung noch Streit entstehen kann und nicht selten auch entsteht. Dass die Ansprüche nicht in einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechenden Bestimmtheit geltend gemacht werden, ist - wie bei der Wahrung der ersten Stufe der Ausschlussfrist für Ansprüche, die vom Ausgang der Bestandsschutzstreitigkeit abhängen - aus verfassungsrechtlichen Gründen hinzunehmen. Überdies ist zu berücksichtigen, dass durch den Zwang zur vorzeitigen Erhebung der Klage auch der Arbeitgeber unnötigen Kostenrisiken ausgesetzt würde.

23

ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist, um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechen, nicht auf eine Kostenbelastung des Arbeitnehmers im Einzelfall abzustellen. Maßgeblich ist nicht der Umfang der wirtschaftlichen Belastung, die den Arbeitnehmer durch den Rechtsstreit trifft, sondern der Gesichtspunkt der Risikoerweiterung. Kann der Arbeitnehmer nicht das Obsiegen in der Bestandsschutzstreitigkeit abwarten, wird ihm ein prozessuales Risiko aufgebürdet, das die Durchsetzung des gesetzlichen Bestandschutzes beeinträchtigen kann. Die Frage der Wirksamkeit und der Einhaltung der tariflichen Ausschlussfrist von einer einzelfallbezogenen Prüfung der Kostenbelastung abhängig zu machen, führte zudem zu größter Rechtsunsicherheit. Es kann deshalb nicht darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer rechtsschutzversichert ist, Prozesskostenhilfe beanspruchen kann, ob er die - im Misserfolgsfall - unnötigen Kosten der Zahlungsklage aus eigenen Mitteln unproblematisch aufbringen oder sie durch eine strategisch günstige Antragstellung vermeiden könnte. Das Kostenrecht gilt für alle Parteien gleichermaßen, seine gesetzlichen Wertungen sind zwingend. Das erfordert zugunsten des durchschnittlich kundigen Arbeitnehmers als Tarifnormunterworfenen, der mit den Möglichkeiten einer kostengünstigen Prozessführung nicht vertraut ist, eine einheitliche Auslegung des Tarifvertrags.

24

ff) Durch die verfassungskonforme Auslegung bleibt das tarifliche Erfordernis der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen, die nicht vom Ausgang einer Bestandsschutzstreitigkeit abhängig sind, erhalten. Im Übrigen wird die Entstehung einer Regelungslücke vermieden, die erst zu einer ergänzenden Auslegung berechtigen würde. Denn Voraussetzung einer ergänzenden Auslegung ist, dass entweder eine unbewusste Regelungslücke vorliegt oder nachträglich eine Regelung lückenhaft geworden ist. Hieran fehlt es bei verfassungskonformer Auslegung des Tarifvertrags.

25

II. Einer Anrufung des Großen Senats gemäß § 45 ArbGG bedarf es nicht, denn alle Senate des Bundesarbeitsgerichts sind gehindert, die frühere Auslegung zweistufiger tariflicher Ausschlussfristen aufrechtzuerhalten. Die Rechtsfrage, welche Anforderungen an die Wahrung der zweiten Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist für Ansprüche, die vom Ausgang einer Bestandschutzstreitigkeit abhängen, zu stellen sind, ist wegen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2010 (- 1 BvR 1682/07 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 196 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 197) neu zu beantworten. Schon im Hinblick auf § 31 BVerfGG entfällt die Vorlagepflicht, wenn das Bundesverfassungsgericht die entscheidungserhebliche Rechtsfrage abweichend von der bisherigen Rechtsprechung selbst entschieden hat(vgl. BGH 21. März 2000 - 4 StR 287/99 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHSt 46, 17; 26. Januar 1977 - 3 StR 527/76 - NJW 1977, 686; 17. März 2011 - IX ZR 63/10 - Rn. 30, BGHZ 189, 1). Nichts anderes gilt, wenn es den Fachgerichten aufgegeben hat, einen bestimmten rechtlichen Komplex insgesamt anhand der von ihm entwickelten Maßstäbe neu zu gestalten (BGH 21. März 2000 - 4 StR 287/99 - zu II 2 b aa der Gründe, aaO; 5. August 1998 - 5 AR (VS) 1/97 - BGHSt 44, 171). Die rechtliche Grundlage der früheren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ist durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2010 (- 1 BvR 1682/07 - aaO) entfallen. Deshalb fehlt es an der für eine Anrufung des Großen Senats erforderlichen Identität der Rechtslage (vgl. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 81, NZA 2012, 1029).

26

III. Das Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.

27

1. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs iSd. §§ 615, 293 ff. BGB lagen spätestens seit Erhebung der Befristungskontrollklage vor.

28

a) Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Streiten die Parteien über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, genügt gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers, weil der Arbeitgeber mit der Berufung auf das Ende des Arbeitsverhältnisses erklärt, er werde keine weitere Arbeitsleistung mehr annehmen. Dieses wörtliche Angebot kann darin liegen, dass der Arbeitnehmer gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses protestiert und/oder eine Bestandsschutzklage einreicht (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 13, AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10 ; BGH 28. Oktober 1996 - II ZR 14/96 - zu II der Gründe, NJW-RR 1997, 537; 9. Oktober 2000 - II ZR 75/99 - zu 1 der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 88 = EzA BGB § 615 Nr. 100). Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von der Anwendbarkeit des § 296 BGB aus(zuletzt BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 36).

29

Wann im Streitfall ein wörtliches Angebot in diesem weit verstandenen Sinn vorlag, muss das Landesarbeitsgericht noch feststellen. Dabei wird es zu beachten haben, dass der Protest bereits vor Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses bekundet worden sein könnte. Spätestens mit Zustellung der Befristungskontrollklage war das wörtliche Angebot jedenfalls gegeben.

30

b) Das Angebot der Prozessbeschäftigung beendete den Annahmeverzug nicht. Zur Beendigung des Annahmeverzugs muss der Arbeitgeber die Arbeitsleistung als Erfüllung des mit dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrags annehmen. Nicht ausreichend ist hingegen, dass er dem Arbeitnehmer vorsorglich einen für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits befristeten neuen Arbeitsvertrag zu den bisherigen Bedingungen oder eine durch die rechtskräftige Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung auflösend bedingte Fortsetzung des Vertrags anbietet. Der Arbeitgeber muss vielmehr bei der Annahme unmissverständlich klarstellen, dass er zu Unrecht gekündigt bzw. zu Unrecht auf der Wirksamkeit der Befristung beharrt habe (vgl. BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe, BAGE 108, 27; 14. November 1985 - 2 AZR 98/84 - BAGE 50, 164). Die Beklagte beschäftigte den Kläger erst wieder ab dem 1. Oktober 2008 zu den vertragsgemäßen Bedingungen.

31

c) Zweifel an der Leistungsfähigkeit und -willigkeit (§ 297 BGB) des Klägers bestehen nicht. Zwar war der Kläger vom 25. März bis zum 11. April 2008 arbeitsunfähig krank und somit nicht leistungsfähig. Dies führt indes nur dazu, dass dem Kläger für diesen Zeitraum die Ansprüche nicht als Vergütung wegen Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 BGB, sondern gemäß § 3 Abs. 1 EFZG als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zustehen.

32

d) Der Kläger muss sich für die Zeit vom 11. bis zum 25. März 2008 nicht gemäß § 615 Satz 2 BGB den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er in dieser Zeit bereits im Rahmen einer Prozessbeschäftigung bei der Beklagten hätte verdienen können. Geht es um eine Arbeitsmöglichkeit beim bisherigen Arbeitgeber, darf der Arbeitnehmer regelmäßig abwarten, ob ihm eine zumutbare Arbeit angeboten wird. Einer eigenen Initiative bedarf es nicht (BAG 11. Januar 2006 - 5 AZR 98/05 - Rn. 20, BAGE 116, 359; 22. Februar 2000 - 9 AZR 194/99 - zu II 2 bis 4 der Gründe, AP KSchG 1969 § 11 Nr. 2 = EzA BGB § 615 Nr. 97). Fordert der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf, eine konkrete Tätigkeit zu verrichten, begründen kurzfristige Verzögerungen, die auf der Einschaltung eines Prozessbevollmächtigten und der Überprüfung der Zumutbarkeit der angebotenen Prozessbeschäftigung in angemessener Zeit beruhen, noch kein Indiz für eine Böswilligkeit hinsichtlich des unterlassenen Zwischenerwerbs.

33

2. Die „Empfangsbestätigung - Ausgleichsquittung“ vom 27. Februar 2008 steht den Ansprüchen des Klägers nicht entgegen. Die im Präsens abgefasste Erklärung bezieht sich nur auf etwaige Ansprüche aus der Zeit bis zum Ablauf der Befristung am 31. Januar 2008 und nicht auf die streitgegenständlichen Ansprüche, die nach dem 31. Januar 2008 entstanden sind.

34

IV. Die Höhe der Ansprüche kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht selbst berechnen. Das Landesarbeitsgericht wird insoweit Folgendes zu beachten haben:

35

1. Für die Zeit vom 1. Februar bis zum 12. April 2008 steht dem Kläger zunächst die vertragliche bzw. tarifliche Vergütung zu. Wie hoch diese ist und für welche Arbeitsleistung die monatliche Vergütung geschuldet wird, bedarf der Aufklärung. Jedenfalls sind die für Januar 2008 abgerechneten Urlaubsabgeltungsansprüche insoweit nicht zu berücksichtigen. Soweit der Kläger für die Zeit bis zum 12. April 2008 Überstundenvergütung begehrt, ist § 4 Abs. 1a EFZG zu beachten.

36

2. Nicht zu beanstanden ist, dass der Kläger seine Ansprüche für die Zeit ab dem 13. April 2008 auf der Grundlage der im Rahmen des Prozessbeschäftigungsverhältnisses tatsächlich geleisteten Stunden berechnet.

37

3. Hinsichtlich der Zuschläge für Schicht-, Sonntags- und Nachtarbeit wird der Kläger die einzelnen Zeiträume, für die er Zuschläge verlangt, zu konkretisieren haben. Der Darlegungslast genügen weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber durch die bloße Bezugnahme auf die den Schriftsätzen als Anlagen beigefügten Stundenaufstellungen oder sonstigen Aufzeichnungen. Anlagen können lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - NZA 2012, 939; BGH 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - Rn. 25 mwN, NJW 2008, 69; vgl. auch BVerfG 30. Juni 1994 - 1 BvR 2112/93 - zu III 2 a der Gründe, NJW 1994, 2683). Die Darlegung der einzelnen Zeiträume, für die Zuschläge verlangt werden, hat vielmehr entsprechend § 130 Nr. 3 und Nr. 4 ZPO schriftsätzlich zu erfolgen. Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Arbeitszeiten aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen. Dies gilt im Streitfall gerade auch deshalb, weil die Schlüssigkeit der geltend gemachten Ansprüche davon abhängt, an welchen Wochentagen und zu welchen konkreten Uhrzeiten die Arbeit geleistet wurde. Die Höhe der Zuschläge richtet sich sodann nach § 3 Ziff. IV RTV. Hiernach ist für Arbeiten an Sonntagen in der Nacht ein Zuschlag von 75 % zu zahlen. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten gilt dies auch, wenn die Nachtarbeit am Sonntag zugleich Schichtarbeit ist. Während § 3 Ziff. IV Buchst. c und Buchst. d RTV für Werktage ausdrücklich zwischen Nachtschichtarbeit und Nachtarbeit unterscheiden, findet sich eine solche Unterscheidung in § 3 Ziff. IV Buchst. e RTV für Sonntags-Nachtarbeit gerade nicht.

38

4. Das Landesarbeitsgericht wird ferner aufzuklären haben, auf welcher Grundlage dem Kläger eine Jahressondervergütung für 2008 zustehen könnte.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Mandrossa    

        

    Dirk Pollert    

                 

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

Tenor

Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Oktober 2012 - 5 Sa 389/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Anfechtung und einer ordentlichen Kündigung ihres Arbeitsvertrags.

2

Der im Mai 1982 geborene, verheiratete Kläger bewarb sich Mitte Januar 2010 um eine Stelle im allgemeinen Vollzugsdienst des beklagten Landes. Zu den angeforderten Bewerbungsunterlagen gehörte die formularmäßige „Erklärung über Straftaten“. Der Kläger gab an, er sei nicht vorbestraft; gegen ihn sei auch kein gerichtliches Strafverfahren und kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig oder innerhalb der letzten drei Jahre anhängig gewesen.

3

Im Rahmen eines Verfahrens zur Eignungsfeststellung wurde er erneut um Auskunft über gerichtliche Bestrafungen und gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren gebeten. Der Kläger äußerte sich wie zuvor. Unter dem 28. April 2010 wurde auf seinen Namen ein Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde ausgestellt. Es enthielt keinen Eintrag.

4

Am 1. Juni 2010 wurde dem Kläger eine „Erklärung über Vorstrafen und anhängige Strafverfahren bei Einstellungen durch eine Justizvollzugsbehörde“ vorgelegt. Er versicherte mit seiner Unterschrift, dass er „nicht gerichtlich bestraft“ und gegen ihn „ein gerichtliches Strafverfahren oder ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft nicht anhängig“ sei. Er bestätigte außerdem, darüber belehrt worden zu sein, dass er alle noch nicht getilgten oder nicht tilgungsreifen strafgerichtlichen Verurteilungen anzugeben und nach § 53 Abs. 2 iVm. § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG auch über diejenigen Verurteilungen Auskunft zu geben habe, die nicht in ein Führungszeugnis oder nur in ein solches für Behörden aufzunehmen seien. Laut des Protokolls über ein Gespräch vom gleichen Tage erklärte bzw. bestätigte der Kläger außerdem: „Gegen mich ist weder ein Strafverfahren noch ein Ermittlungsverfahren anhängig oder in den letzten drei Jahren anhängig gewesen. Auf die möglichen Folgen, die sich aus dem Verschweigen solcher Verfahren ergeben könnten, bin ich hingewiesen worden“.

5

Noch am 1. Juni 2010 unterzeichneten die Parteien einen Arbeitsvertrag. Seitdem ist der Kläger beim beklagten Land als Justizvollzugsbediensteter tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft vertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für das beklagte Land geltenden Fassung Anwendung.

6

Im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung nach § 9 SÜG NRW erfuhr das beklagte Land, dass der Kläger im Juli 2003 zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten wegen Körperverletzung und Betrugs verurteilt worden war. Die Vollstreckung der Strafe war zur Bewährung ausgesetzt worden. Zudem wurde bekannt, dass gegen ihn in den Jahren 2007 bis 2009 - teils aufgrund einer Selbstanzeige - acht Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Körperverletzung, Diebstahl, Hausfriedensbruch, Betrug, Beleidigung und gefährliche Körperverletzung geführt worden waren. Sechs Verfahren waren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. In zwei Verfahren war eine Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO erfolgt; die Geschädigten waren auf den Privatklageweg verwiesen worden. Die letzte Einstellungsverfügung datiert vom 24. August 2009.

7

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2010 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Parteien - nach Beteiligung des Personalrats - ordentlich zum 31. Januar 2011. Mit Schreiben vom 19. Januar 2011 focht es den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Im Termin der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 20. Januar 2011 erklärte es - mündlich - die Anfechtung des Vertrags ein weiteres Mal.

8

Der Kläger hat sich gegen die Anfechtung und - fristgerecht - gegen die Kündigung gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, ein Anfechtungsgrund liege nicht vor. Er sei nicht verpflichtet gewesen, das beklagte Land über seine Vorstrafe und die Ermittlungsverfahren zu unterrichten. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und auch deshalb unwirksam, weil es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats fehle.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 17. Dezember 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die am 20. Januar 2011 erklärte Anfechtung, noch durch die schriftliche Anfechtungserklärung vom 19. Januar 2011 aufgelöst worden ist;

        

3.    

für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1. und 2. das beklagte Land zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als JVA-Bediensteter zu im Übrigen unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen;

        

4.    

für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1. oder 2. das beklagte Land zu verurteilen, ihm ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

10

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat geltend gemacht, es habe den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten. Der Kläger habe bewusst falsche Angaben zu Vorstrafen und gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren gemacht. Bei wahrheitsgemäßer Erklärung wäre er nicht eingestellt worden. Vorschriften des Bundeszentralregistergesetzes einschließlich dort bestimmter Tilgungsfristen für strafgerichtliche Verurteilungen hätten ihrem Auskunftsverlangen nicht entgegengestanden. Die Kündigung sei wirksam. Der Kläger habe Fragen zu seiner Person in einem für seine Beschäftigung elementaren Bereich falsch beantwortet. Das habe dem Arbeitsverhältnis die Vertrauensgrundlage entzogen. Zugleich habe er sich damit für eine Tätigkeit im allgemeinen Justizvollzugsdienst als ungeeignet erwiesen. In diesem Bereich sei es unerlässlich, dass Arbeitnehmer in Offenheit und Ehrlichkeit Beispiele gäben und bereit seien, eigene Fehler und Schwächen einzugestehen. Abgesehen davon seien die gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahren in Anbetracht ihrer Anzahl und der ihnen zugrundeliegenden Tatvorwürfe Beleg für seine charakterliche Ungeeignetheit. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden und habe der Kündigung zugestimmt.

11

Die Vorinstanzen haben den Klageanträgen zu 1. bis 3. stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land weiterhin, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klageanträge zu 1. und 2. - in der gebotenen Auslegung - zu Recht als zulässig und begründet angesehen. Die Hilfsanträge sind dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen.

13

I. Die Feststellungsbegehren des Klägers sind zulässig. Sie sind als einheitlicher Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG anzusehen.

14

1. Der Antrag zu 2. ist dem Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG nachgebildet und hat zwei punktuelle Streitgegenstände. Ein solcher Antrag ist grundsätzlich nur bei einer Kündigungsschutzklage im Anwendungsbereich des § 4 bzw. § 13 Abs. 1 KSchG zulässig(BAG 10. November 2011 - 6 AZR 357/10 - Rn. 13 mwN, BAGE 139, 376; vgl. ferner 21. November 2013 - 2 AZR 474/12 - Rn. 29).

15

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Antrag enthalte bei sachgerechtem Verständnis eine allgemeine Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Er sei auf die - unbedingte - Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz gerichtet.

16

3. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts lässt außer Acht, dass die Frage, ob die Anfechtung berechtigt war und zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat, vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage mit umfasst ist. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, der Kläger habe neben dem Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG zusätzlich eine eigenständige allgemeine Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO erheben wollen. Dafür bestand kein Bedürfnis (ähnlich BAG 27. September 2012 - 2 AZR 838/11 - Rn. 11).

17

a) Gegenstand einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG ist das Begehren festzustellen, dass „das Arbeitsverhältnis“ durch die konkrete, mit der Klage angegriffene Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist. Die betreffende Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb regelmäßig zugleich fest, dass jedenfalls bei Zugang der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat, das nicht schon zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden ist (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 18; 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 13 mwN). Von dem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist auch die Frage umfasst, ob das Arbeitsverhältnis am vorgesehenen Auflösungstermin noch bestanden hat und nicht durch einen während der Kündigungsfrist eingetretenen Umstand aufgelöst worden ist(BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 18; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111).

18

b) Demgegenüber ist Gegenstand der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO die Frage, ob das Arbeitsverhältnis über den durch die Kündigung bestimmten Auflösungstermin hinaus bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz fortbestanden hat(im Einzelnen BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 31; 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 85, 262). Die Klage soll, soweit sie neben der Klage gemäß § 4 Satz 1 KSchG erhoben wird, klären, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund von Beendigungstatbeständen aufgelöst worden ist, die vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage nicht erfasst sind(vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - aaO; 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - zu B I 2 der Gründe).

19

c) Hat der Arbeitgeber neben einer ordentlichen Kündigung die Anfechtung des Arbeitsvertrags erklärt, hängt der Erfolg der Kündigungsschutzklage auch von der Wirksamkeit der Anfechtung ab, wenn diese - ihre Berechtigung unterstellt - auf einen Zeitpunkt wirkt, der vor dem Auflösungstermin der Kündigung liegt. Ob die Anfechtung durchgreift ist deshalb in aller Regel schon im Rahmen des Kündigungsschutzantrags zu überprüfen (vgl. BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 19).

20

d) So liegt der vorliegende Fall. Das Kündigungsschutzbegehren des Klägers kann nur Erfolg haben, wenn die Anfechtung des Arbeitsvertrags nicht durchgreift. Andernfalls hätte diese das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Kündigungsfrist aufgelöst.

21

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zwar nicht ausdrücklich festgestellt, wann dem Kläger die Anfechtungserklärung vom 19. Januar 2011 zugegangen ist. Darauf kommt es angesichts der am 20. Januar 2011 erneut verlautbarten Erklärung aber nicht an. Spätestens an diesem Tag ist die Anfechtung iSv. § 143 BGB „erfolgt“. Wäre sie berechtigt, wäre die Kündigungsschutzklage schon deshalb abzuweisen, weil am 31. Januar 2011 - dem maßgebenden Kündigungstermin - zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden hätte. Das gilt unabhängig davon, ob der Anfechtung Wirkung „ex nunc“ beizulegen wäre oder ob diese auf den Zeitpunkt einer Anfang Dezember 2010 erfolgten Freistellung des Klägers und einer damit einhergehenden „Außerfunktionsetzung“ des Arbeitsverhältnisses zurückwirken würde (vgl. dazu BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 19; 20. Mai 1999 - 2 AZR 320/98 - BAGE 91, 349).

22

bb) Der Erklärung im Schreiben vom 19. Januar 2011, der Arbeitsvertrag werde „zusätzlich und höchst vorsorglich“ angefochten, kann nicht entnommen werden, das beklagte Land habe von seinem Gestaltungsrecht nur für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung Gebrauch machen und/oder seiner Erklärung Wirkung lediglich für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist beilegen wollen. Einer solchen Bewertung steht die am 20. Januar 2011 erneut und - soweit ersichtlich - vorbehaltslos verlautbarte Anfechtungserklärung entgegen. Dies konnte der Kläger nur so verstehen, dass es dem beklagten Land darum ging, sobald als möglich eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen.

23

e) Danach ist das Feststellungsbegehren als einheitlicher Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG zu verstehen. Selbst wenn der Kläger hinsichtlich der Anfechtung eine allgemeine Feststellungsklage hätte erheben wollen, wäre diese unter die - zulässige - Rechtsbedingung gestellt, dass über die Berechtigung der Anfechtung nicht bereits im Rahmen des Kündigungsschutzantrags zu entscheiden ist.

24

II. Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Das beklagte Land hat den Arbeitsvertrag nicht wirksam angefochten (1.). Die ordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2010 ist unwirksam (2.). Soweit das Arbeitsgericht und - ihm folgend - das Landesarbeitsgericht festgestellt haben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Anfechtungserklärungen nicht aufgelöst worden ist, kommt ihren Entscheidungen keine eigenständige Wirkung zu.

25

1. Die Kündigungsschutzklage war nicht deshalb abzuweisen, weil zwischen den Parteien am 31. Januar 2011 kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden hätte. Das beklagte Land war nicht zur Anfechtung des Arbeitsvertrags berechtigt.

26

a) Die Anfechtung war trotz der Kündigungserklärung nicht ausgeschlossen (BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 40; 16. Dezember 2004 - 2 AZR 148/04 - zu B II 1 a der Gründe). Beide Gestaltungsrechte bestehen grundsätzlich nebeneinander (vgl. BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 46 mwN).

27

b) Eine arglistige Täuschung iSv. § 123 Abs. 1 BGB liegt nicht vor.

28

aa) Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber nach § 123 Abs. 1 BGB dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn die Täuschung für dessen Abschluss ursächlich war(BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 24; 7. Juli 2011 - 2 AZR 396/10 - Rn. 16).

29

bb) Der Arbeitgeber darf beim Arbeitnehmer bei der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses Informationen zu Vorstrafen einholen, wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies „erfordert“, dh. bei objektiver Betrachtung berechtigt erscheinen lässt. Auch die Frage nach noch laufenden Straf- oder Ermittlungsverfahren kann - je nach den Umständen - zulässig sein (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 24; 27. Juli 2005 - 7 AZR 508/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 115, 296; 20. Mai 1999 - 2 AZR 320/98 - zu B I 1 b cc der Gründe, BAGE 91, 349). Eine Einschränkung des Fragerechts kann sich insbesondere aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Bewerbers, speziellen datenschutzrechtlichen Bestimmungen und den dabei zu berücksichtigenden Wertentscheidungen des BZRG ergeben (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - aaO; 21. Februar 1991 - 2 AZR 449/90 - zu II 1 b der Gründe; zur Frage nach eingestellten Ermittlungsverfahren vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 14 ff., BAGE 143, 343). Entsprechendes gilt, soweit dem Arbeitnehmer bei der Einstellung vom künftigen Arbeitgeber vorformulierte Erklärungen abverlangt werden, die sich auf Vorstrafen und/oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren beziehen (für Erklärungen zur „Verfassungstreue“ eines Bewerbers vgl. BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 45).

30

cc) Das Verschweigen von Tatsachen, nach denen nicht gefragt wurde, stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich dieser Tatsachen eine Offenbarungspflicht besteht. Eine solche Pflicht ist an die Voraussetzung gebunden, dass die betreffenden Umstände entweder dem Bewerber die Erfüllung seiner vorgesehenen arbeitsvertraglichen Leistungspflicht von vornherein unmöglich machen oder doch seine Eignung für den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz entscheidend berühren (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 25; 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 41; jeweils mwN).

31

dd) Arglistig ist die Täuschung, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen und deshalb oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim (künftigen) Arbeitgeber entstehen oder aufrechterhalten werden. Fahrlässigkeit - auch grobe Fahrlässigkeit - genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Arbeitgeber. Dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 26; 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 43; jeweils mwN).

32

ee) Danach hat der Kläger das beklagte Land nicht arglistig getäuscht, weil er angegeben hat, er sei nicht vorbestraft und nicht „gerichtlich bestraft“. Die Verurteilung aus dem Jahr 2003 war im Bundeszentralregister getilgt, als er sich beim beklagten Land bewarb. Der Kläger musste die an ihn gerichteten Fragen und erbetenen Erklärungen nicht so verstehen, dass er Auskunft auch über tilgungsreife oder getilgte Vorstrafen geben sollte. Unabhängig davon hatte das beklagte Land kein berechtigtes Interesse an der Offenbarung entsprechender Verurteilungen.

33

(1) Nach § 53 Abs. 1 BZRG darf sich der Verurteilte gegenüber Behörden und Privatpersonen als unbestraft bezeichnen und braucht den der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht zu offenbaren, wenn die Verurteilung nicht in das Führungszeugnis oder nur in ein Führungszeugnis für Behörden nach § 32 Abs. 3, Abs. 4 BZRG aufzunehmen(§ 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG)oder wenn sie zu tilgen ist (§ 53 Abs. 1 Nr. 2 BZRG).

34

(2) Gemäß § 53 Abs. 2 BZRG kann sich der Verurteilte zwar - falls er hierüber belehrt wurde - gegenüber Gerichten oder Behörden nicht auf seine Rechte aus § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG berufen, soweit diese einen Anspruch auf unbeschränkte Auskunft haben. Die Ausnahme vom sog. Verschweigerecht bezieht sich nach der klaren gesetzlichen Vorgabe aber nur auf die von Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift erfassten Sachverhalte, nicht auf Verurteilungen iSv. § 53 Abs. 1 Nr. 2 BZRG, dh. auf tilgungsreife oder bereits getilgte Vorstrafen. Um eine solche Verurteilung handelt es sich hier. Das Amtsgericht Köln hatte gegen den Kläger am 29. Juli 2003 eine Jugendstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verhängt. Die Verurteilung unterlag gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BZRG einer Tilgungsfrist von fünf Jahren. Diese Frist war zu Beginn des Bewerbungsverfahrens verstrichen. Die Vorstrafe war überdies bereits aus dem Register entfernt (§ 45 Abs. 2 BZRG). Sie unterlag damit auch nicht mehr einer unbeschränkten Auskunft iSv. § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG, die Justizvollzugsbehörden für Zwecke des Strafvollzugs einschließlich der Überprüfung aller im Strafvollzug tätigen Personen beanspruchen können(vgl. Hase BZRG § 41 Rn. 1).

35

(3) Demnach hat der Kläger hinsichtlich der fraglichen Verurteilung selbst dann keine falsche Auskunft erteilt, wenn man die in einigen Fragen des beklagten Landes vorgenommene zeitliche Einschränkung auf die „letzten drei Jahre“ unberücksichtigt lässt. Ein Bewerber, der allgemein nach „Vorstrafen“ oder „gerichtlichen Bestrafungen“ befragt wird, darf regelmäßig davon ausgehen, dass der zukünftige Arbeitgeber das Verschweigerecht achten will und sich die Frage/erbetene Erklärung auf den Umfang der Auskunftspflicht beschränkt. Bezüglich der Bewerbung des Klägers ist davon umso mehr auszugehen, als das beklagte Land ihn im Rahmen der erbetenen Erklärung vom 1. Juni 2010 ausdrücklich auf die Regelungen des BZRG, einschließlich des reklamierten „erweiterten Auskunftsrechts“, hingewiesen hat.

36

(4) Im Übrigen ist ein schutzwürdiges berechtigtes Interesse des beklagten Landes, Auskunft über getilgte oder tilgungsreife Verurteilungen zu erhalten, nicht zu erkennen.

37

(a) Das sich aus der Vertrags- und Abschlussfreiheit ableitende Fragerecht des Arbeitgebers ist zivilrechtlich durch den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers begrenzt. Der Ausgleich der widerstreitenden Interessen erfolgt im Rahmen der sich aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 und § 242 BGB ergebenden vorvertraglichen Pflichten(vgl. Riesenhuber NZA 2012, 771, 772 f.).

38

(b) Datenschutzrechtliche Bestimmungen, wie sie in §§ 179 ff. StVollzG, im BDSG und im DSG NRW normiert sind, konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Sie regeln, in welchem Umfang im jeweiligen Anwendungsbereich der Gesetze Eingriffe in diese Rechtspositionen zulässig sind (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343). Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nur zulässig, wenn eine ihrerseits verfassungsgemäße Rechtsvorschrift sie erlaubt. Fehlt es an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Das gilt für Datenerhebungen nach dem BDSG und DSG NRW ebenso wie für Erhebungen im Bereich des Strafvollzugs (zu Letzterem vgl. Calliess/Müller-Dietz StVollzG 11. Aufl. § 179 Rn. 2). Für Beschäftigte, zu denen nach § 3 Abs. 11 Nr. 1, Nr. 7 BDSG und § 29 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW neben Arbeitnehmern auch Bewerber zählen, enthalten § 32 Abs. 1 BDSG und § 29 Abs. 1 DSG NRW einen solchen Erlaubnistatbestand. Danach dürfen personenbezogene Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Die Regelungen schließen nicht automatisierte Datenerhebungen ein (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 24; 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - aaO). Nach § 179 Abs. 1 StVollzG darf die Vollzugsbehörde personenbezogene Daten erheben, soweit deren Kenntnis für den ihr nach dem Gesetz aufgegebenen Vollzug der Freiheitsstrafe erforderlich ist. Gemäß § 179 Abs. 2 Satz 1 StVollzG sind personenbezogene Daten bei dem Betroffenen zu erheben. Daten über Personen, die nicht Gefangene sind, dürfen ohne ihre Mitwirkung bei Personen oder Stellen außerhalb der Vollzugsbehörde nur erhoben werden, wenn sie ua. für die Sicherheit der Anstalt unerlässlich sind und die Art der Erhebung schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht beeinträchtigt.

39

(c) Es kann dahinstehen, ob die bereichsspezifischen Regelungen in §§ 179 ff. StVollzG auch den Beschäftigtendatenschutz umfassen und in ihrem Anwendungsbereich die allgemeinen Regelungen im BDSG und DSG NRW verdrängen. „Erforderlich“ iSv. § 179 Abs. 1 StVollzG und § 32 Abs. 1 BDSG bzw. § 29 Abs. 1 DSG NRW ist die Informationsgewinnung nur, wenn ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Beantwortung seiner Fragen bzw. der sonstigen Informationsbeschaffung besteht und das Interesse des Arbeitnehmers an der Geheimhaltung der Daten das Interesse des Arbeitgebers an ihrer Erhebung nicht überwiegt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 22, BAGE 143, 343). Davon ist auf der Grundlage sämtlicher hier in Betracht zu ziehenden Ermächtigungsgrundlagen nur dann auszugehen, wenn die nachgefragten Umstände für die Bewertung der Eignung des Beschäftigten von maßgebender Bedeutung sind (vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 28, aaO). Deshalb darf der Arbeitgeber bei der Einstellung in der Regel nur nach „einschlägigen“, dh. hinsichtlich der Eignung für einen ins Auge gefassten künftigen Aufgabenbereich relevanten Vorstrafen fragen (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 28).

40

(d) Handelt es sich um Bewerbungen für Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, sind bei der vorzunehmenden Abwägung die Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG zu berücksichtigen. Geeignet im Sinne der Bestimmung ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist. Zur Eignung gehören die Fähigkeit und innere Bereitschaft, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 22, BAGE 143, 343; 27. Juli 2005 - 7 AZR 508/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 115, 296).

41

(e) In Anbetracht dessen erscheint es erwägenswert, den öffentlichen Arbeitgeber als berechtigt anzusehen, Bewerber für eine Tätigkeit im Justizvollzugsdienst ohne gegenständliche Einschränkung nach Vorstrafen zu fragen. Strafrechtliche Verurteilungen sind unabhängig von dem ihnen zugrunde liegenden Delikt geeignet, Zweifel an der Rechtstreue und damit der Eignung des Bewerbers zu begründen. Das gilt allerdings nur für Verurteilungen, die nicht bereits der Tilgung unterliegen. Ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse des beklagten Landes, vom Kläger auch Auskunft über getilgte und zu tilgende Vorstrafen zu erlangen, ist nicht zu erkennen.

42

(aa) Hinsichtlich getilgter oder tilgungsreifer Verurteilungen steht dem Betroffenen nicht nur das „Verschweigerecht“ aus § 53 Abs. 1 Nr. 2 BZRG zu. Er kann sich außerdem auf § 51 Abs. 1 BZRG berufen. Danach darf dem Betroffenen die Tat und die Verurteilung im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn die Eintragung über die Verurteilung im Strafregister getilgt worden oder zu tilgen ist. Auf diese Weise soll der Verurteilte vom Strafmakel befreit und seine Resozialisierung gefördert oder manifestiert werden (Kuhn JA 2011, 855, 856). Das Verbot erfasst alle Bereiche des Rechtslebens (Hase BZRG § 51 Rn. 2). Es ist auch im privatrechtlichen Bereich zu achten.

43

(bb) Zwar sieht das Gesetz in § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG eine Ausnahme vom Vorhalte- und Verwertungsverbot vor, wenn die Einstellung des Betroffenen in den öffentlichen Dienst sonst zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde. Das erweitert aber nicht dessen Auskunftspflicht. Dem öffentlichen Arbeitgeber wird vielmehr nur die Möglichkeit eingeräumt, die Verurteilung in Fällen zu berücksichtigen, in denen ihm getilgte oder tilgungsreife Verurteilungen auf andere Weise als durch eine Registerauskunft bekannt geworden sind, und auch dies nur wenn schwerwiegende Gründe vorliegen. Die Begrenzung der Offenbarungspflichten des Betroffenen durch das „Verschweigerecht“ gemäß § 53 BZRG wird hierdurch nicht berührt(BeckOK StPO/Bücherl BZRG § 52 Rn. 7; Hase BZRG § 52 Rn. 2).

44

(cc) Eine Verpflichtung, Angaben zu getilgten Strafen zu machen, ergibt sich nicht aus dem Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Landes Nordrhein-Westfalen (SÜG NRW). Im Rahmen einer einfachen Sicherheitsüberprüfung gemäß § 9 SÜG NRW, wie sie beim Kläger offenbar durchgeführt wurde, hat der Beschäftigte lediglich anhängige Straf- und Disziplinarverfahren anzugeben(§ 14 Abs. 1 Nr. 16 SÜG NRW). Das sieht das beklagte Land offenbar selbst nicht anders. Es beruft sich für das reklamierte - weitergehende - Auskunftsrecht nicht auf die fragliche Vorschrift.

45

(dd) Es spricht einiges dafür, angesichts der in §§ 51 bis 53 BZRG getroffenen Wertentscheidungen des Gesetzgebers ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse auch des öffentlichen Arbeitgebers, beim Stellenbewerber Informationen über getilgte oder tilgungsreife Vorstrafen einzuholen, generell zu verneinen(zur Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, ein Strafurteil aus den Personalakten zu entfernen, soweit die Verurteilung im BZRG gelöscht ist vgl. BAG 9. Februar 1977 - 5 AZR 2/76 -). Selbst unterstellt, in den Fällen des § 51 Abs. 1 Nr. 4 BZRG käme ein Fragerecht in Betracht, ist zu berücksichtigen, dass eine Gefährdung der Allgemeinheit nicht allein auf das Vorliegen einer Verurteilung als solche gestützt werden kann(BeckOK StPO/Bücherl BZRG § 52 Rn. 7; Hase BZRG § 52 Rn. 5). Daraus folgt zumindest das Erfordernis, eine Frage oder erbetene Erklärung sachlich auf Taten oder Deliktsbereiche zu begrenzen, die potentiell geeignet erscheinen, eine Ausnahme vom Verbot des § 51 Abs. 1 BZRG zu rechtfertigen. Dem genügt das Ersuchen des beklagten Landes nicht. Es hat seine Frage gegenständlich nicht eingeschränkt. Im Übrigen erscheint es ausgeschlossen, aus einer gegen den Kläger verhängten Jugendstrafe auf eine Gefährdung der Allgemeinheit iSv. § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG zu schließen.

46

ff) Eine Verpflichtung des Klägers, die Verurteilung von sich aus zu offenbaren, bestand nicht. Das folgt aus seinem Verschweigerecht und dem zu seinen Gunsten bestehenden Verbot des § 51 Abs. 1 BZRG.

47

gg) Der Kläger hat das beklagte Land nicht dadurch iSv. § 123 Abs. 1 BGB arglistig getäuscht, dass er die gegen ihn geführten, im Zeitpunkt der Bewerbung bereits eingestellten Ermittlungsverfahren verschwieg.

48

(1) Soweit dem Arbeitgeber - je nach den Umständen - das Recht zugebilligt wird, Stellenbewerber nach laufenden Ermittlungsverfahren zu fragen, beruht dies auf der Erwägung, dass die Verfahren Zweifel an der Eignung und Zuverlässigkeit des Bewerbers für den konkreten Arbeitsplatz und die Besorgnis begründen können, er werde die in Aussicht genommene Stelle womöglich nicht antreten können, zumindest in seiner Verfügbarkeit eingeschränkt sein (vgl. BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 28; 20. Mai 1999 - 2 AZR 320/98 - zu B I 1 b cc der Gründe, BAGE 91, 349; ErfK/Preis 14. Aufl. § 611 Rn. 281; Joussen NZA 2012, 776, 777; Linnenkohl AuR 1983, 129).

49

(2) Dagegen hat auch der öffentliche Arbeitgeber grundsätzlich kein berechtigtes Interesse, den Bewerber unspezifiziert nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu fragen (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 17 ff., BAGE 143, 343). Dies folgt aus der in § 53 BZRG iVm. § 41 Abs. 1 BZRG getroffenen Wertentscheidung des Gesetzgebers. Dass die Bestimmungen auf Ermittlungsverfahren nicht unmittelbar anwendbar sind, steht dieser Bewertung nicht entgegen.

50

(a) Eingestellte Ermittlungsverfahren sind nicht in das Zentralregister einzutragen. Sie zählen demnach nicht zu den Verfahren, über die Gerichte und Behörden nach § 41 Abs. 1 BZRG uneingeschränkt Auskunft verlangen können. Ohne Schuldnachweis ist es nicht vertretbar, den Betroffenen mit den möglichen nachteiligen Folgen einer Eintragung zu belasten (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 25 mwN, BAGE 143, 343). Besteht ein Verschweigerecht bereits in den von § 53 BZRG ausdrücklich geregelten Fällen, gilt dies umso mehr, wenn nach Vorgängen gefragt wird, die von vornherein nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen sind und über die auch den in § 53 Abs. 2, § 41 Abs. 1 BZRG genannten Stellen keine Auskunft erteilt wird(BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - aaO; Schaub/Linck 15. Aufl. § 26 Rn. 35).

51

(b) Dabei ist unerheblich, welcher Sachverhalt den Ermittlungen zugrunde lag. Endet ein Strafverfahren durch Einstellung nach §§ 153 ff. StPO, steht der Betroffene weiter unter dem Schutz der Unschuldsvermutung (für eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO vgl. BVerfG 19. Dezember 1983 - 2 BvR 1731/82 - zu II 3 b (2) der Gründe; Moldenhauer in Karlsruher Kommentar zur StPO 7. Aufl. § 170 Rn. 18). Diese gilt zwar auch während noch laufender Ermittlungsverfahren. Doch steht für deren Dauer nicht fest, ob dem Arbeitnehmer das Verschweigerecht aus § 53 BZRG auch künftig noch zukommt(BAG 15. Dezember 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 26, BAGE 143, 343; 27. Juli 2005 - 7 AZR 508/04 - zu I 1 b bb (2) der Gründe, BAGE 115, 296).

52

(c) Dem Recht, über eingestellte Ermittlungsverfahren zu schweigen, steht nicht entgegen, dass bei Einstellungen nach §§ 153 ff. StPO der Straftatverdacht nicht zwingend ausgeräumt sein muss und deshalb Nachteile durch ein solches Verfahren nicht schlechthin zu unterbleiben haben. Bei Einstellungen nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO tritt ein Strafklageverbrauch sogar überhaupt nicht ein - das Verfahren kann jederzeit auch bei gleicher Sach- und Rechtslage wieder aufgenommen werden(BAG 29. September 2011 - 2 AZR 674/10 - Rn. 35; 5. April 2001 - 2 AZR 217/00 - zu II 2 c der Gründe; Moldenhauer in Karlsruher Kommentar zur StPO 7. Aufl. § 170 Rn. 23 mwN). Dennoch überwiegt auch in diesem Fall das Recht des Betroffenen, sich nicht offenbaren zu müssen, das Informationsinteresse des Arbeitgebers. Es kommt hinzu, dass Ermittlungsverfahren, die mangels hinreichenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage eingestellt wurden, typischerweise keine geeignete Grundlage für eine Beurteilung der Eignung des Bewerbers bieten. Entsprechendes gilt, wenn die Verfahren auf den Privatklageweg verwiesen wurden. Der Arbeitgeber hat kein schützenswertes Interesse, den Bewerber nach Ermittlungsverfahren zu befragen, in deren Verlauf die Ermittlungsbehörden einen hinreichenden Tatverdacht oder angesichts geringer Schuld ein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung nicht erkannt haben. Für sicherheitsempfindliche Tätigkeiten gilt, wie die Wertungen in § 9 SÜG NRW zeigen, nichts anderes.

53

c) Das beklagte Land war zur Anfechtung des Arbeitsvertrags nicht wegen des Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Klägers nach § 119 Abs. 2 Alt. 1 BGB berechtigt. Zwar kann eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung die Anfechtung wegen Irrtums in sich schließen. Dem Anfechtenden ist es dann grundsätzlich nicht verwehrt, sich nachträglich auf diesen Grund zu berufen (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 38 mwN). Voraussetzung ist aber, dass auch die Frist des § 121 Abs. 1 BGB gewahrt ist. Die Anfechtung muss in den Fällen des § 119 BGB ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, sobald der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Das ist hier nicht geschehen. Das beklagte Land hat das Arbeitsverhältnis der Parteien am 17. Dezember 2010 wegen des Verschweigens einer Vorstrafe und mehrerer Ermittlungsverfahren ordentlich gekündigt. Die auf die nämlichen Gründe gestützte Anfechtung des Arbeitsvertrags hat es erst einen Monat später erklärt. Dies war - auch mit Blick auf eine ihm einzuräumende Überlegungsfrist - nicht mehr unverzüglich, ohne dass geklärt werden müsste, zu welchem genauen, allemal aber vor der Kündigung liegenden Zeitpunkt ihm die maßgebenden Tatsachen bekannt geworden waren. Darauf, ob die behauptete Unzuverlässigkeit des Klägers und eine ihm zugeschriebene „Gewalttätigkeit“ verkehrswesentliche Eigenschaften einer Person sein können, kommt es nicht an.

54

2. Die Kündigung vom 17. Dezember 2010 ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG und deshalb unwirksam.

55

a) Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Dieses bestand bei Zugang der Kündigung schon länger als sechs Monate iSv. § 1 Abs. 1 KSchG; der betriebliche Geltungsbereich des Gesetzes nach § 23 Abs. 1 KSchG ist eröffnet.

56

b) Die Kündigung ist nicht durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt. Dieser hat seine vorvertraglichen Aufklärungspflichten nicht verletzt.

57

c) Die Kündigung ist ebenso wenig durch Gründe in der Person des Klägers bedingt.

58

aa) Hat sich der Arbeitnehmer außerdienstlich strafbar gemacht, kann dies Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit begründen. Das außerdienstliche Verhalten kann - abhängig von seiner Funktion - dazu führen, dass dem Arbeitnehmer künftig die Eignung für die Erledigung seiner Aufgaben fehlt. Ob daraus ein in der Person liegender Kündigungsgrund folgt, hängt von der Art des Delikts und der konkreten Aufgabenstellung des Arbeitnehmers ab. So können außerdienstlich begangene Straftaten eines mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Arbeitnehmers auch dann zu einem Eignungsmangel führen, wenn es an einem unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis fehlt (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 583/12 - Rn. 14; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 24, BAGE 132, 72). Das gilt grundsätzlich auch für ein Verhalten vor Begründung des Arbeitsverhältnisses, wenn es die Eignung des Arbeitnehmers tatsächlich (noch) berührt.

59

bb) Das beklagte Land hat sich für einen Eignungsmangel des Klägers nicht auf die gegen ihn verhängte Jugendstrafe berufen. Sie wäre in der Tat ungeeignet, einen solchen Mangel zu begründen.

60

cc) Das beklagte Land stützt die Kündigung auf den Gegenstand der gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahren. Sein Vorbringen rechtfertigt die Kündigung nicht. Das gilt auch angesichts seiner Behauptung, der Kläger habe sich in einem Fall selbst angezeigt und dabei angegeben, er habe seine Ehefrau wiederholt körperlich verletzt und sie in der gemeinsamen Wohnung eingesperrt.

61

(1) Das beklagte Land durfte diese Erkenntnisse zwar verwerten. Sein Vortrag ist aber nicht hinreichend substantiiert. Um darzulegen, der Kläger sei wegen dieses Verhaltens für eine Tätigkeit im Strafvollzugsdienst ungeeignet, reicht es nicht aus, auf einzelne nicht weiter aufgeklärte Umstände zu verweisen und das Verhalten pauschal, ohne konkrete Angaben zur Tatzeit und zum Tathergang zu umschreiben.

62

(2) Das beklagte Land hat zudem den fraglichen Sachverhalt dem Personalrat nicht unterbreitet. Es hat diesem im Rahmen der schriftlichen Unterrichtung nach § 74 Abs. 1 PersVG NRW lediglich mitgeteilt, der Kläger habe im Verlauf des Bewerbungsverfahrens falsche Angaben gemacht; der Verstoß gegen die Wahrheitspflicht stelle einen schweren Vertrauensbruch dar und sei als arglistige Täuschung zu werten. Zum Gegenstand der Ermittlungsverfahren hat es - so sein Vorbringen - „in Ergänzung“ des Unterrichtungsschreibens „dem Personalrat weitere Einzelheiten (…) mitgeteilt“. Um welche „Einzelheiten“ es sich dabei handelte, hat es nicht vorgetragen. Dies bedeutet zwar nicht notwendig, dass die Beteiligung des Personalrats fehlerhaft war. Die Mängel in der Unterrichtung verwehren es dem beklagten Land jedoch, sich auf das den Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Verhalten des Klägers eigenständig zu berufen (vgl. dazu BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 41 mwN).

63

III. Der Antrag des Klägers auf Weiterbeschäftigung für die Dauer des Verfahrens ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Der Kündigungsrechtsstreit ist rechtskräftig abgeschlossen.

64

IV. Ebenso wenig war über den Antrag auf Erteilung eines Endzeugnisses zu entscheiden. Er ist zwar in die Revision gelangt (vgl. BAG 16. März 2010 - 3 AZR 594/09 - Rn. 75 mwN, BAGE 133, 289). Er wurde aber nur für den Fall des Unterliegens mit dem Feststellungsbegehren gestellt.

65

V. Als unterlegene Partei hat das beklagte Land gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

   Perreng    

        

    Wolf    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. August 2011 - 18 Sa 96/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, auf welcher Grundlage tarifliche Zeitzuschläge zu berechnen sind.

2

Die Beklagte betreibt ein Beförderungsunternehmen und war im Streitzeitraum November 2007 bis August 2009 Mitglied des Landesverbands Hessischer Omnibusunternehmer e. V. (LHO). Der Kläger ist für die Beklagte als Omnibusfahrer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft vertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen in Hessen Anwendung.

3

Die für die Beklagte geltende betriebsbezogene Anlage 4 zu § 3 des Lohntarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen in Hessen vom 14. Juli 2003 idF vom 1. Januar 2005 (nachfolgend: LTV) regelt den Stundenlohn auszugsweise wie folgt:

Definition der Lohngruppen Sippel, gültig ab 01. Januar 2005***

Lohn-
gruppe

Bezeichnung

Stunden-
lohn

Zulage Betriebs-
zugehörigkeit

Zulage Ballungs-
raum

Zulage betriebs-
intern

Stunden-
lohn gesamt

im Monat
(s. unten stehende Erklärung)

L 1 A *
(Klasse D, D1, DE, D1E)

Innerstädtische Verkehre
nach § 42 PBefG in
hess. Städten
> 100.000 Einw.

                                                     

…       

                                                              

Stufe 4

nach vollendetem 5. Jahr
der Betriebszugehörigkeit

9,66 €

0,38 €

0,40 €

0,80 €

11,23 €

1.965,90 €

...

Erklärung zur Berechnung des Bruttomonatslohnes:

Bruttomonatslohn = 200 Dienststunden (abzüglich der Pausenzeiten), entspricht 175 Arbeitsstunden.

Ändert sich der Pausenabzug gem. § 7 Abschnitt A Ziffer 1, Punkt 4 Manteltarifvertrag LHO vom 01. März 1999, so sind die Bruttomonatslöhne entsprechend neu auszuweisen.“

4

Der Kläger wurde im Streitzeitraum nach der Lohngruppe L1A Stufe 4 vergütet.

5

Zum 1. Oktober 2007 trat die „Tarifvertragliche Vereinbarung Nr. 12 vom 25. Oktober 2007“ in Kraft. Diese regelt ua.:

        

„2.     

Die betriebsbezogenen Anlagen Nr. 1 bis 5 gemäß § 3 Lohntarifvertrag vom 14. Juli 2003 idF vom 1. Januar 2005 für die Unternehmen

                 

…       

        
                 

4.)     

A S GmbH …

                 

…       

                 

werden einvernehmlich zum 1. Oktober 2007 … aufgehoben.

        

…       

        
        

4.    

Für die am 30. Dezember 2007 unter eine der in Ziffer 2 genannten Anlagen fallenden Beschäftigten wird in Bezug auf das jeweils individuell erreichte ‚Stundenentgelt gesamt’ Besitzstandswahrung … vereinbart. Eine Minderung des jeweils individuell erreichten ‚Stundenentgelt gesamt’ ist unzulässig.“

6

Der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen in Hessen vom 10. März 1999 (nachfolgend: MTV) enthält folgende Regelungen:

        

„§ 11 

        

Zeitzuschläge

        

1.    

Die Zeitzuschläge betragen:

                 

für Mehrarbeit

25 %   

        
                 

für Arbeit an Sonntagen

50 %   

        
                 

für Arbeit an gesetzlichen Wochen-
feiertagen

100 % 

        
                 

für Nachtarbeit von 22:00 Uhr
bis 6:00 Uhr

25 %   

        
                 

des Stundenlohnes.

                 
                 

…       

        

2.    

Beim Zusammentreffen mehrerer Zeitzuschläge für eine Arbeitsleistung wird nur der jeweils höchste Zeitzuschlag gezahlt.

        

...     

        

§ 21   

        

Ausschlussfristen

        

...     

        

2.    

Ansprüche aus Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit, auf Zahlung von Spesen und von Zulagen aller Art sowie auf Rückzahlung von Barauslagen sind spätestens 8 Wochen nach Fälligkeit schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend zu machen.

        

3.    

Alle übrigen Ansprüche aus dem Tarifvertrag oder dem Einzelarbeitsvertrag sind binnen 3 Monaten nach ihrer Entstehung, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens einen Monat nach Arbeitsvertragsende, schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend zu machen.

        

4.    

Nach Ablauf der angeführten Fristen ist beiderseits die Geltendmachung dieser Ansprüche ausgeschlossen, es sei denn, dass sie vorher schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend gemacht worden sind.

        

5.    

Ausgenommen von den vorstehenden Bestimmungen sind beiderseits Ansprüche aus unerlaubten Handlungen.“

7

Die im Streitzeitraum geleisteten Mehrarbeits-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtstunden sind jeweils in den Lohnabrechnungen ausgewiesen. Die Beklagte hat die Zeitzuschläge ausschließlich auf der Grundlage des in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV für die Lohngruppe des Klägers ausgewiesenen „Stundenlohns“ iHv. 9,66 Euro berechnet.

8

Im Frühjahr und Herbst 2007 gab es Gespräche zwischen der Beklagten, dem Betriebsrat und der Gewerkschaft ver.di über die Berechnung der Vergütung der Mitarbeiter. Geltend gemacht wurde in diesem Zusammenhang auch, dass die tariflichen Zeitzuschläge auf einer falschen Grundlage berechnet würden.

9

Ende Januar 2008 überreichte der Kläger der Beklagten zusammen mit ca. 80 Kollegen ein vom Betriebsrat formuliertes Schreiben vom 18. Januar 2008 mit folgendem Wortlaut:

        

„Geltendmachung

        

Ich, B, geboren 1965 und als Busfahrer/S bei der Firma A S GmbH beschäftigt, mache hiermit meine Ansprüche auf ordnungsgemäße Bezahlung nach meinem Arbeitsvertrag, dem geltenden Tarifvertrag LHO und den gesetzlichen Bestimmungen geltend. Ich mache im Einzelnen meine Ansprüche auf Bezahlung des mir nach Tarifvertrag zustehenden Stundenlohnes geltend, ich mache meine Ansprüche auf Bezahlung aller von mir geleisteten Arbeitsstunden geltend, ich mache meinen Anspruch auf Bezahlung der von mir geleisteten Arbeitszeiten ohne Abzug von 1/6 bzw. 1/8 der von mir gearbeiteten Arbeitszeit geltend. Ich mache meine Ansprüche auf Bezahlung von Überstundenzuschlägen und sonstigen Zuschlägen (Feiertag, Nacht usw.) geltend. Dabei mache ich meinen Stundenlohn in Höhe von 11,23 Euro geltend und mache geltend, dass die jeweiligen Zuschläge (von 25 % bis 100 %) auf diesen Stundenlohn in Höhe von 11,23 Euro zu zahlen sind. Ich mache geltend, dass die Zahlung von Überstunden/Wochenstunden, Feiertagsstunden und Nachtstunden ohne jegliche Abzüge erfolgt. Ich mache geltend, dass mein Krankenlohn bzw. Urlaubsentgelt ebenfalls auf der Basis der ordnungsgemäßen Vergütung nach dieser Geltendmachung zu erfolgen hat.“

10

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Zeitzuschläge seien nicht auf der Grundlage des in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV für die Lohngruppe des Klägers ausgewiesenen „Stundenlohns“ iHv. 9,66 Euro, sondern nach dem „Stundenlohn gesamt“ iHv. 11,23 Euro zu berechnen. Er hat mit der im Januar 2010 erhobenen Klage die Differenzbeträge für die in den Lohnabrechnungen ausgewiesenen Mehrarbeits-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtstunden für den Zeitraum November 2007 bis August 2009 geltend gemacht.

11

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 927,23 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer monatlicher Staffelung zu zahlen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, Grundlage der Berechnung der Zeitzuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV sei der „Stundenlohn“ iHv. 9,66 Euro. Etwaige Ansprüche seien auch nach § 21 MTV verfallen.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Zuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV für Mehr-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind aus dem in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesenen „Stundenlohn gesamt“ und nicht aus dem „Stundenlohn“ zu berechnen(unter I). Die Ansprüche sind nicht nach § 21 MTV verfallen(unter II).

15

I. Grundlage der Berechnung der Zeitzuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV ist der in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV in der Lohngruppe L1A ausgewiesene „Stundenlohn gesamt“.

16

1. Bereits der Wortlaut der Tarifnorm legt dies nahe. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist „Stundenlohn“ die Vergütung, die ein Arbeitnehmer für die in einer Stunde geleistete Arbeit erhält (Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. Stichwort „Stundenlohn“). Mitarbeiter mit einer Vergütung nach der Lohngruppe L1A Stufe 4 erhalten für eine Stunde Arbeit den „Stundenlohn gesamt“ iHv. 11,23 Euro und nicht lediglich den „Stundenlohn“ iHv. 9,66 Euro. Der Stundenlohn setzt sich zusammen aus dem in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesenen „Stundenlohn“ sowie den für jede Stunde zu zahlenden Zulagen. Diese sind feste stundenbezogene Lohnbestandteile und damit Teil des tariflichen Stundenlohns.

17

2. Der tarifliche Gesamtzusammenhang bestätigt diese Auslegung. Bezugsgröße für tarifliche Ansprüche der nach der Lohngruppe L1A vergüteten Mitarbeiter ist nicht der „Stundenlohn“, sondern der „Stundenlohn gesamt“. Die in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesenen Bruttomonatslöhne für die verschiedenen Stufen der Lohngruppe L1A werden auf der Grundlage des „Stundenlohns gesamt“ errechnet; gleiches gilt für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 12 Nr. 1 Abs. 2 MTV, die Urlaubsvergütung nach § 15 Nr. 11 MTV und das Sterbegeld nach § 14 Nr. 1 MTV. Auch die in Nr. 4 der „Tarifvertraglichen Vereinbarung Nr. 12 vom 25. Oktober 2007“ vereinbarte Besitzstandswahrung ist ausdrücklich auf das individuell erreichte „Stundenentgelt gesamt“ bezogen. Vor diesem Hintergrund hätte es besonderer Anhaltspunkte bedurft, wenn für die Berechnung der Zuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV ausnahmsweise der in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesene „Stundenlohn“ hätte maßgeblich sein sollen. Daran fehlt es. Dass der Arbeitgeber nach § 10 Nr. 5 MTV zur getrennten Ausweisung des „Lohnsatzes“, der „Lohnzuschläge“ und der „Lohnzulagen“ in der Lohnabrechnung verpflichtet wird, spricht entgegen der Auffassung der Revision nicht dafür, dass „Lohnsatz“ iSv. § 10 Nr. 5 MTV und „Stundenlohn“ iSv. § 11 Nr. 1 MTV gleichbedeutend sind. Hätten die Tarifvertragsparteien in beiden Normen auf eine einheitliche Bezugsgröße Bezug nehmen wollen, hätte es nahegelegen, denselben Begriff zu verwenden.

18

3. Sinn und Zweck der Zulagen gemäß der genannten betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV bestehen erkennbar nur darin, die geschuldete (Stunden-)Vergütung entsprechend der Eingruppierung des Arbeitnehmers festzulegen. Den Zulagen kommt keine besondere, neben einem Stundenlohn bestehende Funktion zu. Die Aufschlüsselung dient lediglich der Erläuterung des Stundenlohns, wie der Zusammenhang mit den übrigen Lohngruppen zeigt.

19

4. Auch die Tarifgeschichte spricht dagegen, dass der Begriff des „Stundenlohns“ - in Abgrenzung zu dem ebenfalls verwendeten Ausdruck „Stundenlohn gesamt“ - für § 11 Nr. 1 MTV maßgeblich sein soll. Der LTV nebst seinen betriebsbezogenen Anlagen wurde am 14. Juli 2003 vereinbart. Bei Abschluss des MTV am 10. März 1999 galt noch der Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen vom 12. Juli 1996. Dieser Lohntarifvertrag differenzierte nicht zwischen „Stundenlohn“ und „Stundenlohn gesamt“, sondern wies in der Anlage zu § 3 einheitliche Stundenlöhne aus. Die Bezugnahme auf den „Stundenlohn“ in § 11 Nr. 1 MTV zeigt vor diesem Hintergrund, dass der Berechnung der Zuschläge die Vergütung zugrunde zu legen ist, die ein Arbeitnehmer nach dem Lohntarifvertrag für die in einer Stunde geleistete Arbeit verlangen kann. Dies ist bei Beschäftigten der Lohngruppe L1A der „Stundenlohn gesamt“.

20

5. Die Höhe der Differenzbeträge steht nicht im Streit.

21

II. Die Ansprüche sind nicht nach § 21 Nr. 4 MTV verfallen.

22

1. Nach § 21 Nr. 2 MTV müssen Ansprüche aus Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit spätestens acht Wochen nach Fälligkeit und nach § 21 Nr. 3 MTV alle übrigen Ansprüche aus dem Tarifvertrag oder dem Einzelarbeitsvertrag binnen drei Monaten nach ihrer Entstehung, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens einen Monat nach Arbeitsvertragsende, schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend gemacht werden. Nach Ablauf der Fristen ist die Geltendmachung dieser Ansprüche nach § 21 Nr. 4 MTV ausgeschlossen.

23

2. Ob die Geltendmachung aller im Streit stehenden Zuschläge sich nach § 21 Nr. 2 MTV richtet oder ob Zuschläge für die dort nicht ausdrücklich aufgeführte Nachtarbeit als „übrige Ansprüche“ nach § 21 Nr. 3 MTV geltend gemacht werden müssen, kann dahinstehen; die schriftliche Geltendmachung vom 18. Januar 2008 hat beide Ausschlussfristen gewahrt.

24

a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird; die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (BAG 22. April 2004 8 AZR 652/02 - zu II 1 a der Gründe, AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 28). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne Weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (BAG 22. Juni 2005 - 10 AZR 459/04 - zu II 2 b aa der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfrist Nr. 183 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 179 ). Dies ist besonders bei Lohnklagen regelmäßig der Fall; hier ist der Arbeitgeber aufgrund seiner besonderen Sachkenntnis zur genauen Bezifferung regelmäßig eher in der Lage als der Arbeitnehmer (BAG 26. Februar 2003 5 AZR 223/02 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 105, 181).

25

b) Der Kläger hat mit Schreiben vom 18. Januar 2008 die Zahlung von Zeitzuschlägen auf der Grundlage eines Stundenlohns von 11,23 Euro verlangt und damit die Abrechnung und Zahlung der Zuschläge auf einer anderen Berechnungsgrundlage als von der Beklagten bisher durchgeführt geltend gemacht. Die Geltendmachung ist nicht auf eine bestimmte Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich; über Art und Anzahl der zuschlagspflichtigen Stunden streiten die Parteien nicht, die Höhe der Ansprüche war für die Beklagte ohne Weiteres errechenbar.

26

c) Unerheblich ist, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Geltendmachung zum Teil noch nicht fällig waren. § 21 Nr. 2 MTV bestimmt lediglich den Zeitpunkt, zu dem ein Anspruch „spätestens“ geltend gemacht werden muss, nicht aber den frühestmöglichen Zeitpunkt. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen. Behauptet der Anspruchsteller vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich der Anspruchsgegner auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen. Die rasche Klärung des Anspruchs wird bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht (BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu I 4 b der Gründe, BAGE 109, 100).

27

d) Der wirksamen Geltendmachung steht nicht entgegen, dass die Ansprüche bei Geltendmachung zum Teil noch nicht entstanden waren.

28

aa) Nach § 21 Nr. 2 MTV ist allerdings grundsätzlich erforderlich, dass der Anspruch bereits entstanden ist.

29

(1) Die Norm regelt die Geltendmachung von „Ansprüchen“. Das setzt voraus, dass die rechtserzeugenden Anspruchsvoraussetzungen bei der Geltendmachung erfüllt sind. Fehlt es daran, liegt regelmäßig kein Anspruch vor, der geltend gemacht werden könnte (vgl. BAG 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 a der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 3 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168).

30

(2) Eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs widerspricht regelmäßig auch dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Der Anspruchsgegner soll vor der Verfolgung unzumutbarer Ansprüche bewahrt werden, das sind regelmäßig solche, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und auch nicht zu rechnen braucht(BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 22, NZA 2013, 101). Er soll sich auf offene Forderungen einstellen, Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden können (BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu I 4 b aa der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 3 c der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168). Sind die rechtserzeugenden Tatsachen noch nicht eingetreten, können diese Ziele regelmäßig nicht erreicht werden. Es bleibt ungewiss, ob und in welchem Umfang Ansprüche entstehen; die rasche Klärung von Ansprüchen wird nicht erreicht (BAG 16. Juni 2010 - 4 AZR 924/08 - Rn. 35, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 79; 22. Januar 2009 - 6 AZR 5/08 - Rn. 14, AP BAT § 70 Nr. 39; 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 a der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - aaO).

31

bb) Eine Besonderheit liegt vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann (vgl. BAG 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168; 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - zu II 3 c der Gründe, AP BAT-O § 70 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 136). Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Durch einmalige ordnungsgemäße Geltendmachung kann die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein (vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - aaO; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - aaO; 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - aaO). Einzelne Tarifverträge erlauben ausdrücklich eine solche Konzentration der Obliegenheit zur Geltendmachung (zB § 37 Abs. 1 Satz 2 TVöD). In Betracht kommt aber auch eine entsprechende Auslegung ohne ausdrückliche Regelung (vgl. BAG 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, aaO); denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Die einschränkende Auslegung ist insbesondere dann geboten, wenn lediglich über die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten wird; hier reicht im Zweifel die einmalige Geltendmachung der richtigen Berechnungsmethode auch für später entstehende Zahlungsansprüche aus. Der Wortlaut des § 21 MTV schließt die Geltendmachung künftiger Ansprüche nicht von vornherein aus.

32

Dasselbe Verständnis von tariflichen Ausschlussfristen liegt der ständigen Rechtsprechung zugrunde, wonach künftig entstehende Entgeltansprüche bereits mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage wirksam geltend gemacht werden. Eine derartige Geltendmachung vor Entstehen der Ansprüche ist zugleich auf die Sicherung der Ansprüche gerichtet, die durch den Verlust des Arbeitsverhältnisses verloren gehen. Damit ist der Arbeitgeber ausreichend von dem Ziel des Arbeitnehmers unterrichtet, die Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 14 ff. mwN, NZA 2013, 101; 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 a der Gründe mwN, aaO). Eine weitere Geltendmachung kann nach dem Sinn und Zweck der tariflichen Ausschlussfristen regelmäßig nicht verlangt werden.

33

cc) Ansprüche aus ständig gleichem Grundtatbestand sind regelmäßig solche auf eine dauerhafte Zulage oder aus einer bestimmten Eingruppierung (BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168; 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - zu II 3 c der Gründe, AP BAT-O § 70 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 136). Unständige Bezüge, deren Entstehung von verschiedenen Faktoren abhängt, müssen vor der Geltendmachung hingegen regelmäßig entstanden sein (zur Überstundenvergütung: vgl. BAG 9März 2005 -  5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - zu IV der Gründe, ZTR 1990, 155; zur Vergütung von Nachtdiensten: vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, aaO; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, aaO). Steht allein ein bestimmtes Element einer bestimmten Art von Ansprüchen in Streit, erfüllt die Aufforderung, dieses zukünftig in konkreter Art und Weise zu beachten, die Funktion einer Inanspruchnahme. Für den Schuldner kann kein Zweifel bestehen, was von ihm verlangt wird, und der Gläubiger darf ohne Weiteres davon ausgehen, dass er seiner Obliegenheit zur Geltendmachung Genüge getan hat.

34

dd) Die Parteien streiten über die Berechnungsgrundlage der Zeitzuschläge nach § 11 MTV und damit über einen für die Vergütung aller zuschlagpflichtigen Stunden gleichen Grundtatbestand. Anzahl und Art der zuschlagpflichtigen Stunden sind in den Lohnabrechnungen ausgewiesen und damit streitlos gestellt; sie mussten nicht geltend gemacht werden (vgl. BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 18 f., BAGE 135, 197). Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Abrechnung der Zeitzuschläge auf der Grundlage des „Stundenlohns gesamt“ ausreichend. Das Schreiben vom 18. Januar 2008 wahrt sowohl die zu diesem Zeitpunkt entstandenen als auch die künftigen Differenzansprüche unter Zugrundelegung der jeweils abgerechneten Stunden. Die Beklagte musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Zahlung ganz bestimmter höherer Zeitzuschläge verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen, etwaige Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden; ein monatlich wiederholter Hinweis des Klägers hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, der Kläger habe zwischenzeitlich von seiner Forderung Abstand genommen.

35

e) Die vorstehende Auslegung von § 21 MTV steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung anderer Senate des Bundesarbeitsgerichts. Soweit bei unständigen Bezügen verschiedentlich nur die Geltendmachung bereits entstandener Ansprüche für ausreichend erachtet worden ist (für Ansprüche auf Überstundenvergütung: vgl. BAG 9März 2005 -  5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - zu IV der Gründe, ZTR 1990, 155; für Ansprüche auf Vergütung von Nachtdiensten: vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168), wurde auch darauf abgestellt, dass die Arbeitnehmer in den einzelnen Monaten in unterschiedlichem Umfang Arbeitsleistungen zu erbringen hatten (BAG 9März 2005 -  5 AZR 385/02 - aaO; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - aaO; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - aaO; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - aaO). Diese können nicht im Voraus geltend gemacht werden. Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass Umfang und Art der zuschlagpflichtigen Stunden streitlos sind und nur über die Berechnungsgrundlage gestritten wird. Der Grund, weshalb bei unständigen Bezügen regelmäßig nur die Geltendmachung bereits entstandener Ansprüche eine Ausschlussfrist wahren kann, ist mit Aufnahme der geleisteten Stunden in eine Lohnabrechnung entfallen. Für die richtige Berechnung der Zeitzuschläge gemäß § 11 MTV reichte deshalb die einmalige Geltendmachung aus.

36

3. Jedenfalls ist die Berufung der Beklagten auf den Verfall der Ansprüche rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB).

37

a) § 242 BGB kann zum Verlust eines Rechts im Hinblick auf ein missbilligtes Verhalten, das mit der Rechtsposition in sachlichem Zusammenhang steht, führen(BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - Rn. 19, BAGE 136, 54).Eine unzulässige Rechtsausübung liegt etwa vor, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit durch ein Verhalten der Gegenpartei veranlasst worden ist (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 222/07 - Rn. 32 mwN, BAGE 125, 216) oder wenn der Schuldner es pflichtwidrig unterlassen hat, dem Gläubiger die Umstände mitzuteilen, die diesen zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätten (BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - aaO).

38

b) Die Beklagte führte mit Betriebsrat und Gewerkschaft seit 2007 Verhandlungen über eine andere Berechnung der Zeitzuschläge; spätestens seit der gemeinsamen Geltendmachung im Januar 2008 war ihr bewusst, dass die Arbeitnehmer auf einer Berechnung der Zeitzuschläge auf der Grundlage des „Stundenlohns gesamt“ bestehen. Der faire Umgang mit dem Vertragspartner hätte vor diesem Hintergrund geboten, auf eine im Sinne des Tarifvertrags gegebenenfalls nicht ausreichende, aber offenbar von den Arbeitnehmern als ausreichend angesehene Geltendmachung zu reagieren, um die - auch für sich selbst reklamierte - Klarheit zu schaffen. Dies ist unterblieben. Die Beklagte hat erkennbar darauf gesetzt, dass ein Teil der Mitarbeiter zunächst vor weiteren Geltendmachungen und (gerichtlichen) Auseinandersetzungen zurückschreckt und Ansprüche sukzessive verfallen. Dies ist rechtsmissbräuchlich.

39

III. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 10 Nr. 4 MTV, die Kostenentscheidung aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Thiel    

        

    Stefan Fluri    

                 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. März 2012 - 5 Sa 830/11 - insoweit aufgehoben, als es das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 30. März 2011 - 3 Ca 2345/10 - auf die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 1) und des Zahlungsantrags zu 4) abgeändert und die Klage abgewiesen hat, sowie insoweit es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen hat.

1. Hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 1) und des Zahlungsantrags zu 4) wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 30. März 2011 - 3 Ca 2345/10 - zurückgewiesen.

2. Hinsichtlich des Zahlungsantrags zu 5) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 30. März 2011 - 3 Ca 2345/10 - auf die Berufung des Klägers abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 424,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16. November 2010 zu zahlen.

3. Hinsichtlich der Zahlungsanträge zu 2) und 3) wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsstreits - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Vergütungsanspruch des Klägers.

2

Der Kläger ist seit 1995 bei der Beklagten in deren Werk in S als Ziegeleiarbeiter beschäftigt. Der schriftliche Arbeitsvertrag lautet ua. wie folgt:

        

§ 2   

Stundenlohn/Arbeitszeit

        

Der Arbeitgeber zahlt an den Arbeitnehmer einen Stundenlohn von brutto TL 3 = 18,96 DM.

        

Setzt sich der Stundenlohn aus einem Tariflohn gemäß § 10 dieses Vertrages und freiwilligen übertariflichen Zulagen zusammen, so können diese übertariflichen Zulagen jederzeit nach billigem Ermessen widerrufen werden. Auch durch die wiederholte Gewährung entsteht für die Zukunft kein Rechtsanspruch. Die übertariflichen Zulagen können auf tarifliche Veränderungen und tarifliche Umgruppierungen angerechnet werden.

        

Tarifliche Zulagen werden nur für die Dauer der tariflichen Voraussetzungen der Zulagen gewährt.

        

…       

        

§ 10   

Ergänzende Vereinbarungen

        

Im übrigen gelten für das Arbeitsverhältnis ergänzend die Vorschriften des Tarifvertrages BRTV gewerbl. AN der Ziegelindustrie/der Arbeitsordnung vom 06.11.1990 in seiner/ihrer jeweiligen Fassung.

        

Vereinbarungen außerhalb dieses Vertrages bestehen zwischen den Parteien nicht.“

3

Die Beklagte wendet auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis den „Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in der Ziegelindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgenommen Bayern“ (MTV), den „Entgeltrahmentarifvertrag für die Ziegelindustrie in der Bundesrepublik Deutschland (ausgenommen Bayern)“ (ERTV) und den „Entgelttarifvertrag für die Ziegelindustrie in Nordrhein-Westfalen und südlichem Niedersachsen“ (ETV) in der jeweiligen Fassung an.

4

Im Jahre 1996 beabsichtigte die Beklagte, in dem Werk einen 3-Schichtbetrieb einzuführen. Diese Einführung war ua. Gegenstand eines Beschlussverfahrens vor dem Arbeitsgericht Wesel. Nachdem dort am 17. Dezember 1996 ein Anhörungstermin stattgefunden hatte, kam es am 18. Dezember 1996 im sog. Sozialraum der Beklagten zu einer Mitarbeiterbesprechung, an der auch der Kläger teilnahm. Das Protokoll der Besprechung hat auszugsweise folgenden Inhalt:

        

„Nachdem das Arbeitsgericht Wesel am 17.12.1996 die Rechtmäßigkeit der Einführung des 3-Schichtbetriebs bestätigt hat, wurde in dem Gespräch mit obigen Teilnehmern geklärt, wie nach Einführung des 3-Schichtbetriebs und der Abschaffung der Fegestunden die Entlohnung ausgeführt wird.

        

Dabei wurde folgende Regelung für die Mitarbeiter im 3-Schichtbetrieb getroffen:

        

1. Die Firma N erstattet denjenigen Mitarbeitern, die vom 2- in den 3-Schichtbetrieb umgesetzt werden, eine freiwillige Einmalzahlung, die sich orientiert an der Arbeitsstundenzahl von 1995 im Vergleich zu den Stunden beim 3-Schichtbetrieb.

        

Formel: (Arbeitsstunden 1995 - 2030 Stunden) * 1,- DM = Einmalzahlung. (Anlage)

        

2. Die betroffenen Mitarbeiter werden in eine höhere Lohngruppe eingestuft. (Anlage)

        

3. Es wird eine neue Prämienstaffelung eingeführt. (Anlage)

        

4. Die Fegestunden werden abgeschafft. Als Ausgleich erhalten die Mitarbeiter im Pressenbereich eine einmalige Zahlung von DM 3.600.-. Die Mitarbeiter an der Setzanlage werden einmalig mit DM 5.400.- abgegolten.

        

Die Auszahlung erfolgt im Dezember. Die Vorabzahlung vom 11.7.1996 wird damit verrechnet.

        

Für die Mitarbeiter, die nur gelegentlich (20 bis 35 Stunden) an den obigen Anlagen tätig waren, ergibt sich eine einmalige Zahlung von DM 1.000.-.

        

5. Die oben beschriebene Regelung gilt rückwirkend ab Einführung des 3-Schichtbetriebs am 13.5.1996.“

5

Die Anlage zum Protokoll hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

        

Vorschläge zur Verbesserung der Lohnsituation nach der Umstellung auf 3-Schicht-Betrieb in S

        

A)    

Es wird eine einmalige Zahlung ausgeschüttet, die sich an der Differenz der Jahresarbeitsstunden 1995 zu den möglichen Arbeitsstunden nach Einführung des 3-Schichtbetriebs orientiert.

                          

Bei der geplanten 40 Stunden-Woche können pro Jahr 2080 Arbeitsstunden geleistet werden. Für jede Stunde die 1995 mehr geleistet wurde, zahlt die Firma N einmalig 1,- DM.

        

B)    

Die Mitarbeiter werden in eine höhere Lohngruppe eingestuft.

                 

Der Lohn setzt sich derzeit zusammen aus Tariflohngruppe 3 plus 1,41 DM freiwilliger Zulage und ergibt sich zu 21,58 DM

                          

Es werden 3 betriebliche Bewertungsgruppen eingeführt, die sich wie folgt darstellen:

                          

BWG 1:

Für Pressenfahrer, Bühnenfahrer die Presse fahren können und Springer

                          

Tariflohngruppe 5 plus 1,50 DM freiwillige Zulage ergibt 22,53 DM

                          

BWG 2:

Betrifft alle anderen derzeitigen Mitarbeiter

                          

Tariflohngruppe 4 plus 1,25 DM freiwillige Zulage ergibt 21,00 DM

                          

BWG 3:

Für Kurve, Einhänger, Entlader und Neuzugänge

                          

Tariflohngruppe 3 ergibt 20,17 DM

                 
        

C)    

Es wird eine neue Prämienstaffelung eingeführt.

        

…       

        
        

Stundenlohnfindung:

        

Bewertungsgruppe 1:

(Pressenfahrer, Springer)

Tariflohngruppe 5:

21,03 DM

        
                          

Betriebliche Zulage:

1,50 DM

        
                          

Stundenlohn:

22,53 DM

        
                                                     
        

Bewertungsgruppe 2:

(Übrige Arbeitsplätze)

Tariflohngruppe 4:

20,35 DM

        
                          

Betriebliche Zulage:

1,25 DM

        
                          

Stundenlohn:

21,60 DM

        
                                                     
        

Bewertungsgruppe 3:

(Kurve, Entladung Einhänger und Neuzugänge)

Tariflohngruppe 3:

20,17 DM

        
                          

Betriebliche Zulage:

0,00 DM

        
                          

Stundenlohn:

20,17 DM

        
        

…“    

6

In den nachfolgenden zwölfeinhalb Jahren erhielt der Kläger eine Vergütung nach der Lohngruppe 5 MTV. Zwischenzeitlich vereinbarte Tabellenlohnerhöhungen wurden an ihn weitergegeben. Die Stundenvergütung des Klägers betrug im Jahre 2009 nach Maßgabe der Lohn- und Gehaltstarifverträge vom 30. August 2006 13,94 Euro brutto.

7

Am 5. Juni 2009 wurde ein neuer Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV 2009) vereinbart. Dieser sieht ua. eine neue Vergütungsordnung in Form einer Entgeltgruppeneinteilung mit neuen Tätigkeitsmerkmalen vor. Zugleich vereinbarten die Tarifvertragsparteien ein „Überführungsgitter“, aufgrund dessen die bisher nach dem MTV eingruppierten Arbeitnehmer in die neue Vergütungsordnung „regelüberführt“ werden sollten. Danach entsprachen die bisherigen Lohngruppen 3, 4 und 5 MTV den neuen Entgeltgruppen E 4, E 5 und E 6 ERTV 2009. Eine Besitzstandsregelung sollte die Erhaltung des bisherigen „Tarifentgelts“ sicherstellen.

8

Mit Schreiben vom 15. Juni 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass

        

„nach Ausgang der rechtlichen Auseinandersetzung bezüglich Ihrer Umgruppierung (Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 29.04.2010) die Zustimmung des Betriebsrates zur Umgruppierung in die Lohngruppe 3 als erteilt gilt. Wir werden daher die sich hieraus ergebenden Korrekturabrechnungen für den Zeitraum Oktober 2008 bis Mai 2010 ermitteln und in der nächsten Abrechnung zum Abzug bringen.

        

…       

        

Soweit sich aus der individuellen Rückrechnung der Monate Abzugsbeträge ergeben, nach denen das Nettoeinkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze fallen würde, werden wir in den einzelnen monatlichen Abrechnungen ab Juni 2010 jeweils nur bis zur Pfändungsfreigrenze verrechnen und die verbleibenden Differenzen auf die nächsten Monate vortragen …“

9

Der Kläger widersprach den Rückforderungsabsichten mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 30. Juni 2010, das ua. wie folgt lautet:

        

„Wir können nur anraten, zwingend darauf zu verzichten, etwaige Verrechnungen vor allen Dingen rückwirkend seit Oktober 2008 umzusetzen. Ein entsprechendes Umgruppierungsverlangen unseres Mandanten ist erstmals mit Ihrem Schreiben vom 15.06.2010 erfolgt, so dass Korrekturabrechnungen rückwirkend für den Zeitraum Oktober 2008 bis Mai 2010 schlicht auch aufgrund der bestehenden Verfallklausel in § 20 des Manteltarifvertrages für die Ziegeleiindustrie vom 30.08.2006 unzulässig sind. Würden Sie eine entsprechende Verrechnung vornehmen, würden wir unverzüglich im Rahmen einer einstweiligen Verfügung die dahingehenden Zahlungsansprüche geltend machen.“

10

Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 8. Juli 2010 mit, dass insgesamt ein Betrag in Höhe von 1.716,76 Euro netto überzahlt worden sei. Sie behielt in der Folgezeit - wie angekündigt - vom Lohn des Klägers Nettobeträge ein, und zwar 404,01 Euro im Monat Juni 2010, 295,01 Euro im Monat August 2010, 315,01 Euro im Monat September 2010 und 424,72 Euro im Monat Oktober 2010.

11

Mit seiner beim Arbeitsgericht am 17. September 2010 eingegangenen und der Beklagten am 25. September 2010 zugestellten Klage hat der Kläger ua. die Feststellung begehrt, dass er in die Entgeltgruppe E 6 ERTV 2009 einzugruppieren sei, und die Nachzahlung der einbehaltenen Vergütungsbeträge für den Monat Juni 2010 verlangt. Mit Klageerweiterungen, die am 18. November 2010 und am 11. Januar 2011 beim Arbeitsgericht eingegangen und der Beklagten am 23. November 2010 bzw. am 12. Januar 2011 zugestellt worden sind, hat er ferner die weiteren einbehaltenen Beträge für die Monate August 2010 und September 2010 sowie für Oktober 2010 eingeklagt. Er hat unter Hinweis auf das Besprechungsprotokoll vom 18. Dezember 1996 die Auffassung vertreten, er habe einen vertraglichen Anspruch auf eine Vergütung nach der Lohngruppe 5 MTV gehabt. Die langjährige Weiterzahlung einer Vergütung nach der Lohngruppe 5 MTV belege die individuell vereinbarte Höhergruppierung. In der Folge sei er nunmehr entsprechend dem „Überführungsgitter“ nach der Entgeltgruppe E 6 ERTV 2009 zu vergüten. Im Übrigen habe die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 15. Juni 2010 die Ansprüche verspätet geltend gemacht und zu Unrecht von seiner Vergütung abgezogen.

12

Der Kläger hat zuletzt, soweit für die Revision noch von Bedeutung, beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass er nach der Tarifgruppe West Entgeltgruppe E 6 des Entgeltrahmentarifvertrags für die Ziegeleiindustrie in der Bundesrepublik Deutschland vom 5. Juni 2009 zu vergüten ist,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 404,01 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1. Juli 2010 zu zahlen (verrechneter Restlohn 6/2010),

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 295,01 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15. September 2010 zu zahlen (verrechneter Restlohn 8/2010),

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 315,01 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15. Oktober 2010 zu zahlen (verrechneter Restlohn 9/2010),

        

5.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 424,72 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11. November 2010 zu zahlen (verrechneter Restlohn 10/2010).

13

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dem Kläger stehe weder ein einzelvertraglicher noch ein tariflicher Anspruch auf die begehrte Eingruppierung zu. Es habe keine einzelvertragliche Zusage für ein übertarifliches Gehalt gegeben. Diese sei nur für den Zeitraum erfolgt, in dem tatsächlich im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet worden sei. Soweit der Kläger noch später nach der höheren Lohngruppe 5 MTV entlohnt worden sei, habe dem ein Irrtum zugrunde gelegen. Diesen habe die Beklagte mit der Umgruppierung korrigieren können. Die Vereinbarung des neuen Entgeltsystems und die Überführung aller Arbeitnehmer sei ein von den Tarifvertragsparteien gewollter Anlass, Ungerechtigkeiten und Ungleichbehandlungen zu beseitigen. Im Übrigen seien die Ansprüche des Klägers zumindest teilweise verfallen, weil er die tarifliche Ausschlussfrist nicht gewahrt habe.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der Anträge zu 1) und 4) stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die hiergegen gerichteten Berufungen der Parteien hat das Landesarbeitsgericht nach Einholung einer „Tarifauskunft“ die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft der Berufung der Beklagten stattgegeben und diejenige des Klägers zurückgewiesen. Der Feststellungsantrag zu 1) ist begründet. Ebenfalls begründet sind die Zahlungsanträge zu 4) und 5). Die weiteren Zahlungsanträge zu 2) und 3) konnten mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht zurückgewiesen werden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils ( § 562 Abs. 1 ZPO ) und wegen fehlender ausreichender Feststellungen insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht ( § 563 Abs. 1 ZPO ).

16

I. Der als ein nach allgemeinen Grundsätzen auch in der Privatwirtschaft zulässiger (vgl. zB BAG 30. November 1994 - 4 AZR 901/93 -) Eingruppierungsfeststellungsantrag auszulegende Antrag zu 1) des Klägers ist begründet. Die Beklagte ist auf der Grundlage vertraglicher Regelungen verpflichtet, den Kläger nach der Entgeltgruppe E 6 ERTV 2009 zu vergüten.

17

1. Allerdings folgt diese Vergütungspflicht nicht unmittelbar aus dem ERTV 2009. Dieser regelt allein die Zuordnung einer Tätigkeit zu einem Tätigkeitsmerkmal der Entgeltordnung und weist dieses einer bestimmten Entgeltgruppe zu. Die Tätigkeit des Klägers erfüllt jedoch kein Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe E 6 ERTV 2009. Das ist inzwischen zwischen den Parteien nicht mehr streitig.

18

2. Die Verpflichtung der Beklagten ergibt sich aber aus den vertraglichen Abreden der Parteien. Die Beklagte hat dem Kläger am 18. Dezember 1996 individualvertraglich eine übertarifliche Vergütung zugesagt, an die sie nach wie vor gebunden ist. Die Auslegung dieser vertraglichen Zusage (zu den Maßstäben vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 22 mwN) ergibt, dass sie den Kläger nach der Entgeltgruppe E 6 ERTV 2009 zu vergüten hat.

19

a) Die Vorinstanzen sind rechtsfehlerfrei von einem Antrag der Beklagten und einer nachfolgenden Annahme des Klägers ausgegangen, ihm solle aufgrund des Besprechungstermins vom 18. Dezember 1996 ein einzelvertraglicher Anspruch auf Vergütung nach der Lohngruppe 5 MTV zustehen, der nicht auf die tatsächliche Zeitdauer eines Drei-Schicht-Betriebs begrenzt ist.

20

aa) Bis zum 18. Dezember 1996 richtete sich die Vergütung des Klägers aufgrund vertraglicher Bezugnahme der Tarifverträge der Ziegelindustrie nach den tariflichen Regelungen. Die Parteien waren sich insoweit darüber einig, dass die Tätigkeit des Klägers die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der Lohngruppe 3 MTV erfüllt und er entsprechend vergütet wird.

21

bb) Diese Vergütungsvereinbarung haben die Parteien für die Zeit nach dem 18. Dezember 1996 geändert. Nach zutreffender Auffassung der Vorinstanzen ist dem Kläger - wie anderen Mitarbeitern auch - im Zusammenhang mit der Einführung eines Drei-Schicht-Betriebs individualvertraglich die Vergütung nach einer höheren Lohngruppe, nämlich der Lohngruppe 5 MTV angeboten wurden. Der Kläger gehörte als „Springer“ zu der in der Anlage zum Besprechungsprotokoll vom 18. Dezember 1996 aufgeführten „Bewertungsgruppe 1“, die ein Entgelt nach der Lohngruppe 5 MTV erhalten sollten. Diesen Antrag hat er durch Erbringung seiner Arbeitsleistung nach der von der Beklagten vorgenommen Schichteinteilung ab dem weiteren Monat Dezember 1996 konkludent angenommen. Er wurde dementsprechend in den folgenden mehr als zwölfeinhalb Jahren nach dieser Lohngruppe - einschließlich der tariflichen Lohnerhöhungen - vergütet.

22

cc) Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht sind weiterhin zutreffend davon ausgegangen, dass diese vertragliche Abrede nicht für den Zeitraum der tatsächlichen Beschäftigung im Drei-Schicht-Betrieb befristet war. Hierfür fehlt es an Anhaltspunkten.

23

(1) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass eine Befristung oder auflösende Bedingung jedenfalls nicht ausdrücklich vereinbart worden ist.

24

(2) Eine konkludente Vereinbarung kann dem Sachvortrag der dafür darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht entnommen werden. Der Verweis auf ein dahingehendes Interesse der Beklagten an einer solchen Einschränkung genügt nicht für die Annahme einer tatsächlichen Vereinbarung. Entscheidend gegen eine konkludente Vereinbarung einer befristeten Vergütungsabrede spricht, dass die Einstellung des Drei-Schicht-Betriebs durch die Beklagte bereits im Jahre 1998 erfolgte und sie gleichwohl bis zum Jahre 2009 weiterhin die übertarifliche Vergütung an den Kläger leistete. Dieses konkrete Verhalten der Vertragspartner nach dem Vertragsschluss lässt zugleich Rückschlüsse darauf zu, wie die Parteien die Vereinbarung im Zeitpunkt ihres Abschlusses verstanden haben. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die tatsächliche Umsetzung des Drei-Schicht-Betriebs keine Anspruchsvoraussetzung war, sondern dass die vertragliche Zusage die Einholung des Einverständnisses mit einem solchen - auch nur möglichen - Arbeitszeitregime bezweckte. Hierauf hätte die Beklagte auch jederzeit zurückgreifen können und sie hat dies nach ihrem eigenen Vortrag in den Fällen, in denen auch nach dem Jahr 1998 vereinzelt wieder im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet wurde, tatsächlich getan. Mit der Vereinbarung, die Regelung gelte rückwirkend ab Einführung des Drei-Schicht-Betriebs, ist lediglich der Beginn der betreffenden Änderung festgelegt worden.

25

b) Seit dem 1. August 2009 kann der Kläger auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung infolge des neuen ERTV 2009 ein Entgelt nach der dort geregelten Entgeltgruppe E 6 beanspruchen.

26

aa) Die vertragliche Abrede erfasst nach ihrem Inhalt eine (übertarifliche) Vergütung nach der Lohngruppe 5 MTV. Der Kläger sollte so vergütet werden, als erfülle seine Tätigkeit die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals dieser Lohngruppe.

27

bb) Infolge der Neuregelung der Vergütungsordnung durch den ERTV 2009 ist zwar diese Lohngruppe weggefallen. Die von den Parteien vorgesehene und durchgeführte dynamische Anwendung der jeweiligen tariflichen Regelungen zur Lohngruppe 5 MTV führt vorliegend allerdings dazu, dass ab Inkrafttreten des ERTV 2009 nach den Maßgaben des tariflichen „Überführungsgitters“ dessen Entgeltgruppe E 6 jedenfalls im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ( ausf. zu den Voraussetzungen und Maßstäben BAG 18. April 2012 - 4 AZR 392/10  - Rn. 20 , BAGE 141, 150 ; 6. Juli 2011 -  4 AZR 706/09  - Rn. 27 , 31 ff., BAGE 138, 269 ; 19. Mai 2010 -  4 AZR 796/08  - Rn. 23 , 31 ff., BAGE 134, 283 ) maßgebend ist.

28

(1) Aufgrund der übertariflichen Vergütungsabrede ist die tatsächliche Erfüllung der konkreten Tätigkeitsmerkmale der neuen Entgeltordnung durch den Kläger ebenso ohne Bedeutung, wie sie dies bereits für die vorherige Entgeltordnung war. Die Parteien haben die Vergütung gerade unabhängig von den in ihr formulierten Anforderungen festlegen wollen.

29

(2) Für den vorliegenden Fall einer Neugestaltung der Vergütungsordnung hätten die Parteien redlicherweise diejenige Entgeltgruppe des ERTV 2009 vereinbart, die der bisherigen Lohngruppe 5 MTV in der neuen Entgeltordnung entspricht. Ein Arbeitnehmer, dessen Tätigkeit die Anforderungen der Lohngruppe 5 MTV erfüllte, wurde ab dem 1. August 2009 in Anwendung des „Überführungsgitters“ der Entgeltgruppe E 6 ERTV 2009 zugeordnet.

30

3. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten stehen dem die Überleitungsvorschriften des ERTV 2009 nicht entgegen.

31

a) § 7 und § 8 ERTV 2009 haben folgenden Wortlaut:

        

§ 7   

        

Tarifüberführung

        

Die unter den persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallenden Beschäftigten, die vor dem Zeitpunkt der Einführung des Entgelttarifvertrages in die bis dahin geltenden Lohn- und Gehaltsgruppenbestimmungen eingruppiert waren, werden gemäß dem Überleitungsraster (siehe Anlage 2 zum Entgeltrahmentarifvertrag) regelüberführt.

        

Sollten zwischen den Betriebsparteien bei der Regelüberführung Unstimmigkeiten oder Streitigkeiten auftreten, die nicht betrieblich zu bereinigen sind, so sind vor Einleitung von gerichtlichen Auseinandersetzungen die Tarifvertragsparteien einzuschalten.

        

§ 8     

        

Besitzstandswahrung

        

a.)     

Arbeitnehmern, deren neues Tarifentgelt unter dem Tarifentgelt der Lohn- bzw. Gehaltsgruppe liegt, in die sie vor dem Inkrafttreten des Entgelttarifvertrages eingruppiert waren, wird der Unterschiedsbetrag zwischen dem neuen Tarifentgelt und ihrem bisherigen Tarifentgelt als persönliche Überführungszulage gewährt.

                 

Stichtag für die Gewährung der Überführungszulage sind die am 31. Juli 2009 geltenden Arbeitsverhältnisse.

                 

Die Überführungszulage bleibt auf Dauer erhalten, wird als normaler Entgeltbestandteil behandelt und nimmt daher an zukünftigen Tariferhöhungen teil.

                 

Voraussetzung für die Gewährung der Überführungszulage in der Zukunft ist gleiche Tätigkeit und gleiche Leistung.

        

b.)     

Anrechnungen sonstiger übertariflicher Zulagen bleiben von diesen Regelungen unberührt.“

32

b) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, die Beklagte sei aus Anlass des neuen Tarifvertrags berechtigt gewesen, die „objektiv nicht (mehr) richtige Eingruppierung“ des Klägers - womit erkennbar die Erfüllung der entsprechenden Tätigkeitsmerkmale gemeint ist - „zurückzufahren und den aktuellen Vorgaben des ERTV neu anzupassen“. Entscheidendes Kriterium für die Eingruppierung solle die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit sein. Aus der „Tarifauskunft“ des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes ergebe sich, dass die im „Überführungsgitter“ zum Ausdruck gebrachte Regelüberführung nur dann erfolgen solle, wenn auch die bisherige Eingruppierung nach den Lohngruppen des MTV zutreffend gewesen sei. Diese Tarifauslegung führe auch zu einer vernünftigen, sachgerechten und praktisch brauchbaren Regelung, weil mögliche Ungleichbehandlungen beseitigt, dem Grundsatz: gleicher Lohn für gleiche Arbeit Rechnung getragen werden könne und die Auswirkungen für den Kläger aufgrund der Überführungszulage zumutbar seien.

33

c) Dies ist unzutreffend und verkennt das Verhältnis von individualvertraglichen und tariflichen Regelungen. Den Tarifvertragsparteien ist es verwehrt, durch tarifliche Regelungen auf günstigere individualvertragliche Rechte zuzugreifen. Tarifverträge regeln Mindestarbeitsbedingungen, denen gegenüber einzelvertragliche günstigere Arbeitsbedingungen jederzeit Vorrang haben (§ 4 Abs. 3 TVG). Selbst wenn - wie das Landesarbeitsgericht zu mutmaßen scheint - von den Tarifvertragsparteien ein Eingriff in vertragliche Rechte beabsichtigt gewesen wäre, scheiterte ein solches Vorhaben an den Grenzen tariflicher Regelungsbefugnis. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Abwägung zur „Zumutbarkeit“ der neuen tariflich geregelten Arbeitsbedingungen für den Kläger obliegt dabei im Grundsatz allein dem Arbeitnehmer selbst und lediglich im Falle einer entsprechenden Änderungskündigung den über deren Sozialwidrigkeit anhand der Maßstäbe des § 2 iVm. § 1 KSchG ggf. entscheidenden Gerichten für Arbeitssachen.

34

4. Ebenso wenig ist das von der Beklagten angeführte Umgruppierungsverfahren nach § 99 BetrVG und die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats von Bedeutung. Der Kläger stützt seinen Anspruch nicht auf die Erfüllung der Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals einer betrieblichen Vergütungsordnung, sondern allein auf die vertragliche Abrede der Parteien.

35

II. Die Revision des Klägers ist auch hinsichtlich der als Nettolohnklage zulässigen (BAG 26. Februar 2003 - 5 AZR 223/02 - mwN, BAGE 105, 181) Zahlungsanträge begründet. Auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen kann der Senat jedoch nur hinsichtlich der Zahlungsanträge zu 4) und 5) für die Monate September und Oktober 2010 abschließend entscheiden. Für die Entscheidung über die Anträge zu 2) und 3) für die Monate Juni und August 2010 bedarf es weiterer Tatsachenfeststellungen.

36

1. Der Zahlungsantrag zu 4) - Entgelt für den Monat September 2010 - ist begründet.

37

a) Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger für diesen Zeitraum eine weitere Vergütung in Höhe von 315,01 Euro netto zu zahlen. Der Kläger war aufgrund einzelvertraglicher Abrede nach der Lohngruppe 5 MTV bzw. Entgeltgruppe E 6 ERTV 2009 zu vergüten. Deshalb kann sich die Beklagte für den Einbehalt nicht auf einen aufrechnungsfähigen Gegenanspruch berufen. Da der Kläger sich darauf beschränkt hat, die von der Beklagten selbst vorgenommene Lohnabrechnung mit Ausnahme der Aufrechnungsbeträge zur Grundlage seiner Klageforderung zu machen, bedarf es einer weiteren Darlegung der Begründetheit der Forderung nicht.

38

b)  Der Anspruch des Klägers auf den ungekürzten Lohn für den Monat September 2010 ist nicht verfallen. Die tarifliche Ausschlussfrist ist gewahrt worden.

39

aa) Aufgrund einzelvertraglicher Verweisung ist auf das Arbeitsverhältnis der MTV einschließlich der in § 20 geregelten Ausschlussfristen anzuwenden. Dieser lautet:

        

§ 20 

        

Ausschlussfristen

        

1.    

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach Fälligkeit, spätestens aber innerhalb von 5 Wochen nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb, geltend gemacht werden.

        

2.    

Lehnt die Gegenpartei die Ansprüche ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung der Ansprüche, so verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht werden.“

40

bb) Die Ausschlussfrist gilt entgegen der Auffassung des Klägers auch für noch offene Lohnansprüche für den Monat September 2010. Dies gilt unabhängig davon, ob die eigene Gegenforderung der Beklagten ihrerseits wegen der Nichteinhaltung der auch für sie geltenden Ausschlussfristen verfallen war.

41

Auch wenn die Beklagte zur Aufrechnung mit angeblichen Gegenansprüchen gegen den vertraglichen Entgeltanspruch nicht berechtigt war, führt dies nicht dazu, dass der Kläger seinerseits die tariflichen Ausschlussfristen nicht einhalten muss. Diese gelten für alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis, also auch für die zu Unrecht einbehaltenen Lohnanteile. Die Obliegenheit zur Einhaltung der tariflichen Ausschlussfristen besteht unabhängig davon, aus welchen Gründen ein berechtigter Anspruch nicht erfüllt worden ist.

42

cc) Der Kläger hat die tarifliche Ausschlussfrist gewahrt.

43

(1) Das gilt zunächst für die erste Stufe der außergerichtlichen Geltendmachung. § 20 Abs. 1 MTV fordert die schriftliche Geltendmachung innerhalb von zwei Monaten ab Fälligkeit der Forderung. Diese Frist hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 30. Juni 2010 eingehalten. Zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch auf das Entgelt für den Monat September 2010 zwar weder entstanden noch fällig. Aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles war es dem Kläger jedoch möglich, diesen Anspruch auch schon vor seiner Entstehung und seiner Fälligkeit gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

44

(a) Die Geltendmachung eines Anspruchs nach § 20 Abs. 1 MTV setzt regelmäßig dessen Bestehen voraus. Andernfalls liegt kein Anspruch vor, der geltend gemacht werden könnte (so zB BAG 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 a der Gründe; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 100 ). Eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs widerspricht grundsätzlich auch dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Der Anspruchsgegner soll vor der Verfolgung von Ansprüchen bewahrt werden, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und auch nicht zu rechnen braucht (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 22 ). Er soll sich auf offene Forderungen einstellen, Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden können (BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu I 4 b aa der Gründe, aaO). Sind die rechtserzeugenden Tatsachen noch nicht eingetreten, können diese Ziele regelmäßig nicht erreicht werden. Es bleibt ungewiss, ob und in welchem Umfang Ansprüche entstehen. Auch wird die rasche Klärung von Ansprüchen nicht erreicht (BAG 16. Juni 2010 - 4 AZR 924/08 - Rn. 35 ).

45

In Ausnahmefällen können Sinn und Zweck der Ausschlussfrist aber die Möglichkeit der Geltendmachung eines Anspruchs auch schon vor dessen Entstehen gebieten. Wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht, kann der Zweck der tariflichen Ausschlussfrist, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, auch durch eine einmalige Geltendmachung erreicht werden. Eine solche einschränkende Auslegung ist insbesondere dann geboten, wenn lediglich über die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten wird; hier reicht im Zweifel die einmalige Geltendmachung der richtigen Berechnungsmethode auch für später entstehende Zahlungsansprüche aus (grundlegend dazu BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 863/11 - Rn. 31 f. mwN). Dies gilt insbesondere dann, wenn allein ein bestimmtes Element einer bestimmten Art von Ansprüchen im Streit steht; in einem solchen Fall besteht für den Schuldner kein Zweifel darüber, was von ihm verlangt wird und der Gläubiger darf ohne Weiteres davon ausgehen, dass er seiner Obliegenheit zur Geltendmachung Genüge getan hat.

46

(b) Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 30. Juni 2010 bereits durch eine einmalige Geltendmachung der monatlichen Entgeltdifferenzen auch für die Zukunft die erste Stufe der tariflichen Ausschlussfrist eingehalten.

47

(aa) Zwischen den Parteien ist weder die absolute Höhe der monatlichen Vergütung noch deren Berechnung im Übrigen im Streit. Der Kläger hat hinsichtlich der streitigen Monatsbeträge - darunter auch bezüglich des Monats September 2010 - die von der Beklagten in der monatlichen Entgeltabrechnung zugrunde gelegten Beträge akzeptiert. Hiervon ausgenommen ist einzig der Berechnungsfaktor, der sich in allen hier streitigen Entgeltabrechnungen auswirkt, nämlich der von der Beklagten - jeweils anteilig - geltend gemachte Gegenanspruch wegen angeblicher Überzahlung in der Vergangenheit, den sie im Wege der Aufrechnung in mehreren aufeinanderfolgenden Lohnzahlungszeiträumen monatlich durchsetzen wollte.

48

(bb) Dieser dem Kläger gegenüber erklärten Absicht konnte dieser mit einer Ankündigung dahingehend begegnen, dass er die den verschiedenen Einbehaltungsbeträgen zugrunde liegende Gegenforderung nicht akzeptieren und sich hiergegen ggf. auch gerichtlich wehren würde. Damit hat er die durch die tarifliche Ausschlussfrist geschützten Interessen des Schuldners, hier der Beklagten gewahrt. Dieser war damit bekannt, welche Beträge von ihr für den Fall des Einbehalts verlangt würden. Einer jeweils auf die einzelnen monatlich einbehaltenen Beträge bezogenen außergerichtlichen Geltendmachung bedurfte es deshalb nicht.

49

(cc) Das Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 30. Juni 2010 wahrte damit die tarifliche Geltendmachungsfrist aus § 20 Abs. 1 MTV bezüglich aller Einzelansprüche, die aufgrund der Umsetzung der von der Beklagten erklärten Absicht eines Einbehalts von Vergütungsteilen entstanden waren oder in Zukunft entstehen würden. Hiervon sind alle später gerichtlich geltend gemachten Zahlungsansprüche der Anträge zu 2) bis 5) für die Monate Juni, August, September und Oktober 2010 erfasst.

50

(2) Der Kläger hat auch die zweite Stufe der tariflichen Ausschlussfrist nach § 20 Abs. 2 MTV eingehalten.

51

(a) Die Frist zur Einhaltung der zweiten Stufe nach § 20 Abs. 2 MTV begann nicht vor dem Entstehen und der Fälligkeit der Forderung.

52

Für den Fristbeginn ist die Besonderheit der Geltendmachung vor Entstehen einer Forderung zu berücksichtigen. Eine gerichtliche Geltendmachung ist dabei immer erst möglich, wenn der Anspruch tatsächlich entstanden ist, auch wenn die erste Stufe der Ausschlussfrist bei zukünftig entstehenden Ansprüchen bereits Monate vor deren Entstehen gewahrt werden kann. Darüber hinaus ist in der Erteilung der Entgeltabrechnung für den jeweiligen Zeitraum unter ausdrücklicher Bezifferung auch desjenigen Betrages, der dem Grunde nach Gegenstand der außergerichtlichen Geltendmachung war, die Ablehnung des vorgerichtlich geltend gemachten Anspruchs iSv. § 20 Abs. 2 MTV zu sehen.

53

(b) Danach ist die Frist des § 20 Abs. 2 MTV vom Kläger vorliegend gewahrt worden. Das Entgelt für September 2010 war am 15. Oktober 2010 fällig; hierüber sind sich die Parteien ausdrücklich einig. Die auf die einbehaltene Vergütungsdifferenz gerichtete Klage ist bei Gericht am 18. November 2010 und damit innerhalb der Frist des § 20 Abs. 2 MTV eingegangen.

54

c) Über die Höhe des Anspruchs und über die Verzinsung nach §§ 288, 286 BGB besteht kein Streit zwischen den Parteien.

55

2. Auch der Zahlungsantrag zu 5) hinsichtlich des Monats Oktober 2010 ist in Höhe des einbehaltenen Betrags von 424,72 Euro netto begründet.

56

Dabei gilt für das Bestehen des Anspruchs und die Einhaltung der tariflichen Ausschlussfristen durch den Kläger das für den Monat September 2010 Ausgeführte (s. oben unter II 1) entsprechend. Hier begann die Zweimonatsfrist für die gerichtliche Geltendmachung nach § 20 Abs. 2 MTV mit der Ablehnung des Anspruchs durch Übermittlung der Entgeltabrechnung für den Monat Oktober 2010. Der Lohnanspruch war am 15. November 2010 fällig. Mit dem Eingang der diesen Betrag erfassenden Klageerweiterung beim Arbeitsgericht am 11. Januar 2011 ist die zweite Stufe der Ausschlussfrist gewahrt.

57

3. Die Revision des Klägers ist zwar auch hinsichtlich der Entgeltansprüche für die Monate Juni und August 2010 begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte sie mit der von ihm gegebenen Begründung nicht verneinen dürfen. Der Senat kann aber aufgrund nicht hinreichender tatsächlicher Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend entscheiden.

58

a) Für die Begründung der Ansprüche des Klägers auch in diesen beiden Bezugsmonaten Juni und August 2010 sowie für die Einhaltung der ersten Stufe der tariflichen Ausschlussfrist durch das hierauf gerichtete Geltendmachungsschreiben vom 30. Juni 2010 wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

59

b) Ob der Kläger auch hinsichtlich dieser beiden Monate die zweite Stufe der Ausschlussfrist gewahrt hat, lässt sich jedoch nicht abschließend beurteilen.

60

Die zweite Stufe der Ausschlussfrist könnte durch die am 17. September 2010 (Monat Juni 2010) und am 18. November 2010 (Monat August 2010) beim Arbeitsgericht eingegangene Klage bzw. Klageerweiterung gewahrt worden sein. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn dem Kläger die Entgeltabrechnungen, in denen der im Schreiben vom 30. Juni 2010 geltend gemachte Anspruch durch Erteilung der entsprechenden Abrechnung jeweils abgelehnt worden ist, für den Monat Juni 2010 frühestens am 17. Juli 2010 und für den Monat August 2010 erst nach dem 18. September 2010 dem Kläger zugegangen wären. Hierzu fehlt es jedoch an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Den Parteien ist unter Berücksichtigung des Anspruchs rechtlichen Gehörs Gelegenheit zu einem ergänzenden Vortrag zu geben.

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Hannig    

        

    H. Klotz    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. August 2011 - 18 Sa 96/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, auf welcher Grundlage tarifliche Zeitzuschläge zu berechnen sind.

2

Die Beklagte betreibt ein Beförderungsunternehmen und war im Streitzeitraum November 2007 bis August 2009 Mitglied des Landesverbands Hessischer Omnibusunternehmer e. V. (LHO). Der Kläger ist für die Beklagte als Omnibusfahrer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft vertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen in Hessen Anwendung.

3

Die für die Beklagte geltende betriebsbezogene Anlage 4 zu § 3 des Lohntarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen in Hessen vom 14. Juli 2003 idF vom 1. Januar 2005 (nachfolgend: LTV) regelt den Stundenlohn auszugsweise wie folgt:

Definition der Lohngruppen Sippel, gültig ab 01. Januar 2005***

Lohn-
gruppe

Bezeichnung

Stunden-
lohn

Zulage Betriebs-
zugehörigkeit

Zulage Ballungs-
raum

Zulage betriebs-
intern

Stunden-
lohn gesamt

im Monat
(s. unten stehende Erklärung)

L 1 A *
(Klasse D, D1, DE, D1E)

Innerstädtische Verkehre
nach § 42 PBefG in
hess. Städten
> 100.000 Einw.

                                                     

…       

                                                              

Stufe 4

nach vollendetem 5. Jahr
der Betriebszugehörigkeit

9,66 €

0,38 €

0,40 €

0,80 €

11,23 €

1.965,90 €

...

Erklärung zur Berechnung des Bruttomonatslohnes:

Bruttomonatslohn = 200 Dienststunden (abzüglich der Pausenzeiten), entspricht 175 Arbeitsstunden.

Ändert sich der Pausenabzug gem. § 7 Abschnitt A Ziffer 1, Punkt 4 Manteltarifvertrag LHO vom 01. März 1999, so sind die Bruttomonatslöhne entsprechend neu auszuweisen.“

4

Der Kläger wurde im Streitzeitraum nach der Lohngruppe L1A Stufe 4 vergütet.

5

Zum 1. Oktober 2007 trat die „Tarifvertragliche Vereinbarung Nr. 12 vom 25. Oktober 2007“ in Kraft. Diese regelt ua.:

        

„2.     

Die betriebsbezogenen Anlagen Nr. 1 bis 5 gemäß § 3 Lohntarifvertrag vom 14. Juli 2003 idF vom 1. Januar 2005 für die Unternehmen

                 

…       

        
                 

4.)     

A S GmbH …

                 

…       

                 

werden einvernehmlich zum 1. Oktober 2007 … aufgehoben.

        

…       

        
        

4.    

Für die am 30. Dezember 2007 unter eine der in Ziffer 2 genannten Anlagen fallenden Beschäftigten wird in Bezug auf das jeweils individuell erreichte ‚Stundenentgelt gesamt’ Besitzstandswahrung … vereinbart. Eine Minderung des jeweils individuell erreichten ‚Stundenentgelt gesamt’ ist unzulässig.“

6

Der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen in Hessen vom 10. März 1999 (nachfolgend: MTV) enthält folgende Regelungen:

        

„§ 11 

        

Zeitzuschläge

        

1.    

Die Zeitzuschläge betragen:

                 

für Mehrarbeit

25 %   

        
                 

für Arbeit an Sonntagen

50 %   

        
                 

für Arbeit an gesetzlichen Wochen-
feiertagen

100 % 

        
                 

für Nachtarbeit von 22:00 Uhr
bis 6:00 Uhr

25 %   

        
                 

des Stundenlohnes.

                 
                 

…       

        

2.    

Beim Zusammentreffen mehrerer Zeitzuschläge für eine Arbeitsleistung wird nur der jeweils höchste Zeitzuschlag gezahlt.

        

...     

        

§ 21   

        

Ausschlussfristen

        

...     

        

2.    

Ansprüche aus Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit, auf Zahlung von Spesen und von Zulagen aller Art sowie auf Rückzahlung von Barauslagen sind spätestens 8 Wochen nach Fälligkeit schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend zu machen.

        

3.    

Alle übrigen Ansprüche aus dem Tarifvertrag oder dem Einzelarbeitsvertrag sind binnen 3 Monaten nach ihrer Entstehung, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens einen Monat nach Arbeitsvertragsende, schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend zu machen.

        

4.    

Nach Ablauf der angeführten Fristen ist beiderseits die Geltendmachung dieser Ansprüche ausgeschlossen, es sei denn, dass sie vorher schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend gemacht worden sind.

        

5.    

Ausgenommen von den vorstehenden Bestimmungen sind beiderseits Ansprüche aus unerlaubten Handlungen.“

7

Die im Streitzeitraum geleisteten Mehrarbeits-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtstunden sind jeweils in den Lohnabrechnungen ausgewiesen. Die Beklagte hat die Zeitzuschläge ausschließlich auf der Grundlage des in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV für die Lohngruppe des Klägers ausgewiesenen „Stundenlohns“ iHv. 9,66 Euro berechnet.

8

Im Frühjahr und Herbst 2007 gab es Gespräche zwischen der Beklagten, dem Betriebsrat und der Gewerkschaft ver.di über die Berechnung der Vergütung der Mitarbeiter. Geltend gemacht wurde in diesem Zusammenhang auch, dass die tariflichen Zeitzuschläge auf einer falschen Grundlage berechnet würden.

9

Ende Januar 2008 überreichte der Kläger der Beklagten zusammen mit ca. 80 Kollegen ein vom Betriebsrat formuliertes Schreiben vom 18. Januar 2008 mit folgendem Wortlaut:

        

„Geltendmachung

        

Ich, B, geboren 1965 und als Busfahrer/S bei der Firma A S GmbH beschäftigt, mache hiermit meine Ansprüche auf ordnungsgemäße Bezahlung nach meinem Arbeitsvertrag, dem geltenden Tarifvertrag LHO und den gesetzlichen Bestimmungen geltend. Ich mache im Einzelnen meine Ansprüche auf Bezahlung des mir nach Tarifvertrag zustehenden Stundenlohnes geltend, ich mache meine Ansprüche auf Bezahlung aller von mir geleisteten Arbeitsstunden geltend, ich mache meinen Anspruch auf Bezahlung der von mir geleisteten Arbeitszeiten ohne Abzug von 1/6 bzw. 1/8 der von mir gearbeiteten Arbeitszeit geltend. Ich mache meine Ansprüche auf Bezahlung von Überstundenzuschlägen und sonstigen Zuschlägen (Feiertag, Nacht usw.) geltend. Dabei mache ich meinen Stundenlohn in Höhe von 11,23 Euro geltend und mache geltend, dass die jeweiligen Zuschläge (von 25 % bis 100 %) auf diesen Stundenlohn in Höhe von 11,23 Euro zu zahlen sind. Ich mache geltend, dass die Zahlung von Überstunden/Wochenstunden, Feiertagsstunden und Nachtstunden ohne jegliche Abzüge erfolgt. Ich mache geltend, dass mein Krankenlohn bzw. Urlaubsentgelt ebenfalls auf der Basis der ordnungsgemäßen Vergütung nach dieser Geltendmachung zu erfolgen hat.“

10

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Zeitzuschläge seien nicht auf der Grundlage des in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV für die Lohngruppe des Klägers ausgewiesenen „Stundenlohns“ iHv. 9,66 Euro, sondern nach dem „Stundenlohn gesamt“ iHv. 11,23 Euro zu berechnen. Er hat mit der im Januar 2010 erhobenen Klage die Differenzbeträge für die in den Lohnabrechnungen ausgewiesenen Mehrarbeits-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtstunden für den Zeitraum November 2007 bis August 2009 geltend gemacht.

11

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 927,23 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer monatlicher Staffelung zu zahlen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, Grundlage der Berechnung der Zeitzuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV sei der „Stundenlohn“ iHv. 9,66 Euro. Etwaige Ansprüche seien auch nach § 21 MTV verfallen.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Zuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV für Mehr-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind aus dem in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesenen „Stundenlohn gesamt“ und nicht aus dem „Stundenlohn“ zu berechnen(unter I). Die Ansprüche sind nicht nach § 21 MTV verfallen(unter II).

15

I. Grundlage der Berechnung der Zeitzuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV ist der in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV in der Lohngruppe L1A ausgewiesene „Stundenlohn gesamt“.

16

1. Bereits der Wortlaut der Tarifnorm legt dies nahe. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist „Stundenlohn“ die Vergütung, die ein Arbeitnehmer für die in einer Stunde geleistete Arbeit erhält (Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. Stichwort „Stundenlohn“). Mitarbeiter mit einer Vergütung nach der Lohngruppe L1A Stufe 4 erhalten für eine Stunde Arbeit den „Stundenlohn gesamt“ iHv. 11,23 Euro und nicht lediglich den „Stundenlohn“ iHv. 9,66 Euro. Der Stundenlohn setzt sich zusammen aus dem in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesenen „Stundenlohn“ sowie den für jede Stunde zu zahlenden Zulagen. Diese sind feste stundenbezogene Lohnbestandteile und damit Teil des tariflichen Stundenlohns.

17

2. Der tarifliche Gesamtzusammenhang bestätigt diese Auslegung. Bezugsgröße für tarifliche Ansprüche der nach der Lohngruppe L1A vergüteten Mitarbeiter ist nicht der „Stundenlohn“, sondern der „Stundenlohn gesamt“. Die in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesenen Bruttomonatslöhne für die verschiedenen Stufen der Lohngruppe L1A werden auf der Grundlage des „Stundenlohns gesamt“ errechnet; gleiches gilt für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 12 Nr. 1 Abs. 2 MTV, die Urlaubsvergütung nach § 15 Nr. 11 MTV und das Sterbegeld nach § 14 Nr. 1 MTV. Auch die in Nr. 4 der „Tarifvertraglichen Vereinbarung Nr. 12 vom 25. Oktober 2007“ vereinbarte Besitzstandswahrung ist ausdrücklich auf das individuell erreichte „Stundenentgelt gesamt“ bezogen. Vor diesem Hintergrund hätte es besonderer Anhaltspunkte bedurft, wenn für die Berechnung der Zuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV ausnahmsweise der in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesene „Stundenlohn“ hätte maßgeblich sein sollen. Daran fehlt es. Dass der Arbeitgeber nach § 10 Nr. 5 MTV zur getrennten Ausweisung des „Lohnsatzes“, der „Lohnzuschläge“ und der „Lohnzulagen“ in der Lohnabrechnung verpflichtet wird, spricht entgegen der Auffassung der Revision nicht dafür, dass „Lohnsatz“ iSv. § 10 Nr. 5 MTV und „Stundenlohn“ iSv. § 11 Nr. 1 MTV gleichbedeutend sind. Hätten die Tarifvertragsparteien in beiden Normen auf eine einheitliche Bezugsgröße Bezug nehmen wollen, hätte es nahegelegen, denselben Begriff zu verwenden.

18

3. Sinn und Zweck der Zulagen gemäß der genannten betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV bestehen erkennbar nur darin, die geschuldete (Stunden-)Vergütung entsprechend der Eingruppierung des Arbeitnehmers festzulegen. Den Zulagen kommt keine besondere, neben einem Stundenlohn bestehende Funktion zu. Die Aufschlüsselung dient lediglich der Erläuterung des Stundenlohns, wie der Zusammenhang mit den übrigen Lohngruppen zeigt.

19

4. Auch die Tarifgeschichte spricht dagegen, dass der Begriff des „Stundenlohns“ - in Abgrenzung zu dem ebenfalls verwendeten Ausdruck „Stundenlohn gesamt“ - für § 11 Nr. 1 MTV maßgeblich sein soll. Der LTV nebst seinen betriebsbezogenen Anlagen wurde am 14. Juli 2003 vereinbart. Bei Abschluss des MTV am 10. März 1999 galt noch der Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen vom 12. Juli 1996. Dieser Lohntarifvertrag differenzierte nicht zwischen „Stundenlohn“ und „Stundenlohn gesamt“, sondern wies in der Anlage zu § 3 einheitliche Stundenlöhne aus. Die Bezugnahme auf den „Stundenlohn“ in § 11 Nr. 1 MTV zeigt vor diesem Hintergrund, dass der Berechnung der Zuschläge die Vergütung zugrunde zu legen ist, die ein Arbeitnehmer nach dem Lohntarifvertrag für die in einer Stunde geleistete Arbeit verlangen kann. Dies ist bei Beschäftigten der Lohngruppe L1A der „Stundenlohn gesamt“.

20

5. Die Höhe der Differenzbeträge steht nicht im Streit.

21

II. Die Ansprüche sind nicht nach § 21 Nr. 4 MTV verfallen.

22

1. Nach § 21 Nr. 2 MTV müssen Ansprüche aus Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit spätestens acht Wochen nach Fälligkeit und nach § 21 Nr. 3 MTV alle übrigen Ansprüche aus dem Tarifvertrag oder dem Einzelarbeitsvertrag binnen drei Monaten nach ihrer Entstehung, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens einen Monat nach Arbeitsvertragsende, schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend gemacht werden. Nach Ablauf der Fristen ist die Geltendmachung dieser Ansprüche nach § 21 Nr. 4 MTV ausgeschlossen.

23

2. Ob die Geltendmachung aller im Streit stehenden Zuschläge sich nach § 21 Nr. 2 MTV richtet oder ob Zuschläge für die dort nicht ausdrücklich aufgeführte Nachtarbeit als „übrige Ansprüche“ nach § 21 Nr. 3 MTV geltend gemacht werden müssen, kann dahinstehen; die schriftliche Geltendmachung vom 18. Januar 2008 hat beide Ausschlussfristen gewahrt.

24

a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird; die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (BAG 22. April 2004 8 AZR 652/02 - zu II 1 a der Gründe, AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 28). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne Weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (BAG 22. Juni 2005 - 10 AZR 459/04 - zu II 2 b aa der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfrist Nr. 183 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 179 ). Dies ist besonders bei Lohnklagen regelmäßig der Fall; hier ist der Arbeitgeber aufgrund seiner besonderen Sachkenntnis zur genauen Bezifferung regelmäßig eher in der Lage als der Arbeitnehmer (BAG 26. Februar 2003 5 AZR 223/02 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 105, 181).

25

b) Der Kläger hat mit Schreiben vom 18. Januar 2008 die Zahlung von Zeitzuschlägen auf der Grundlage eines Stundenlohns von 11,23 Euro verlangt und damit die Abrechnung und Zahlung der Zuschläge auf einer anderen Berechnungsgrundlage als von der Beklagten bisher durchgeführt geltend gemacht. Die Geltendmachung ist nicht auf eine bestimmte Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich; über Art und Anzahl der zuschlagspflichtigen Stunden streiten die Parteien nicht, die Höhe der Ansprüche war für die Beklagte ohne Weiteres errechenbar.

26

c) Unerheblich ist, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Geltendmachung zum Teil noch nicht fällig waren. § 21 Nr. 2 MTV bestimmt lediglich den Zeitpunkt, zu dem ein Anspruch „spätestens“ geltend gemacht werden muss, nicht aber den frühestmöglichen Zeitpunkt. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen. Behauptet der Anspruchsteller vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich der Anspruchsgegner auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen. Die rasche Klärung des Anspruchs wird bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht (BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu I 4 b der Gründe, BAGE 109, 100).

27

d) Der wirksamen Geltendmachung steht nicht entgegen, dass die Ansprüche bei Geltendmachung zum Teil noch nicht entstanden waren.

28

aa) Nach § 21 Nr. 2 MTV ist allerdings grundsätzlich erforderlich, dass der Anspruch bereits entstanden ist.

29

(1) Die Norm regelt die Geltendmachung von „Ansprüchen“. Das setzt voraus, dass die rechtserzeugenden Anspruchsvoraussetzungen bei der Geltendmachung erfüllt sind. Fehlt es daran, liegt regelmäßig kein Anspruch vor, der geltend gemacht werden könnte (vgl. BAG 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 a der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 3 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168).

30

(2) Eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs widerspricht regelmäßig auch dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Der Anspruchsgegner soll vor der Verfolgung unzumutbarer Ansprüche bewahrt werden, das sind regelmäßig solche, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und auch nicht zu rechnen braucht(BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 22, NZA 2013, 101). Er soll sich auf offene Forderungen einstellen, Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden können (BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu I 4 b aa der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 3 c der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168). Sind die rechtserzeugenden Tatsachen noch nicht eingetreten, können diese Ziele regelmäßig nicht erreicht werden. Es bleibt ungewiss, ob und in welchem Umfang Ansprüche entstehen; die rasche Klärung von Ansprüchen wird nicht erreicht (BAG 16. Juni 2010 - 4 AZR 924/08 - Rn. 35, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 79; 22. Januar 2009 - 6 AZR 5/08 - Rn. 14, AP BAT § 70 Nr. 39; 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 a der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - aaO).

31

bb) Eine Besonderheit liegt vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann (vgl. BAG 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168; 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - zu II 3 c der Gründe, AP BAT-O § 70 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 136). Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Durch einmalige ordnungsgemäße Geltendmachung kann die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein (vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - aaO; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - aaO; 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - aaO). Einzelne Tarifverträge erlauben ausdrücklich eine solche Konzentration der Obliegenheit zur Geltendmachung (zB § 37 Abs. 1 Satz 2 TVöD). In Betracht kommt aber auch eine entsprechende Auslegung ohne ausdrückliche Regelung (vgl. BAG 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, aaO); denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Die einschränkende Auslegung ist insbesondere dann geboten, wenn lediglich über die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten wird; hier reicht im Zweifel die einmalige Geltendmachung der richtigen Berechnungsmethode auch für später entstehende Zahlungsansprüche aus. Der Wortlaut des § 21 MTV schließt die Geltendmachung künftiger Ansprüche nicht von vornherein aus.

32

Dasselbe Verständnis von tariflichen Ausschlussfristen liegt der ständigen Rechtsprechung zugrunde, wonach künftig entstehende Entgeltansprüche bereits mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage wirksam geltend gemacht werden. Eine derartige Geltendmachung vor Entstehen der Ansprüche ist zugleich auf die Sicherung der Ansprüche gerichtet, die durch den Verlust des Arbeitsverhältnisses verloren gehen. Damit ist der Arbeitgeber ausreichend von dem Ziel des Arbeitnehmers unterrichtet, die Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 14 ff. mwN, NZA 2013, 101; 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 a der Gründe mwN, aaO). Eine weitere Geltendmachung kann nach dem Sinn und Zweck der tariflichen Ausschlussfristen regelmäßig nicht verlangt werden.

33

cc) Ansprüche aus ständig gleichem Grundtatbestand sind regelmäßig solche auf eine dauerhafte Zulage oder aus einer bestimmten Eingruppierung (BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168; 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - zu II 3 c der Gründe, AP BAT-O § 70 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 136). Unständige Bezüge, deren Entstehung von verschiedenen Faktoren abhängt, müssen vor der Geltendmachung hingegen regelmäßig entstanden sein (zur Überstundenvergütung: vgl. BAG 9März 2005 -  5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - zu IV der Gründe, ZTR 1990, 155; zur Vergütung von Nachtdiensten: vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, aaO; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, aaO). Steht allein ein bestimmtes Element einer bestimmten Art von Ansprüchen in Streit, erfüllt die Aufforderung, dieses zukünftig in konkreter Art und Weise zu beachten, die Funktion einer Inanspruchnahme. Für den Schuldner kann kein Zweifel bestehen, was von ihm verlangt wird, und der Gläubiger darf ohne Weiteres davon ausgehen, dass er seiner Obliegenheit zur Geltendmachung Genüge getan hat.

34

dd) Die Parteien streiten über die Berechnungsgrundlage der Zeitzuschläge nach § 11 MTV und damit über einen für die Vergütung aller zuschlagpflichtigen Stunden gleichen Grundtatbestand. Anzahl und Art der zuschlagpflichtigen Stunden sind in den Lohnabrechnungen ausgewiesen und damit streitlos gestellt; sie mussten nicht geltend gemacht werden (vgl. BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 18 f., BAGE 135, 197). Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Abrechnung der Zeitzuschläge auf der Grundlage des „Stundenlohns gesamt“ ausreichend. Das Schreiben vom 18. Januar 2008 wahrt sowohl die zu diesem Zeitpunkt entstandenen als auch die künftigen Differenzansprüche unter Zugrundelegung der jeweils abgerechneten Stunden. Die Beklagte musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Zahlung ganz bestimmter höherer Zeitzuschläge verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen, etwaige Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden; ein monatlich wiederholter Hinweis des Klägers hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, der Kläger habe zwischenzeitlich von seiner Forderung Abstand genommen.

35

e) Die vorstehende Auslegung von § 21 MTV steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung anderer Senate des Bundesarbeitsgerichts. Soweit bei unständigen Bezügen verschiedentlich nur die Geltendmachung bereits entstandener Ansprüche für ausreichend erachtet worden ist (für Ansprüche auf Überstundenvergütung: vgl. BAG 9März 2005 -  5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - zu IV der Gründe, ZTR 1990, 155; für Ansprüche auf Vergütung von Nachtdiensten: vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168), wurde auch darauf abgestellt, dass die Arbeitnehmer in den einzelnen Monaten in unterschiedlichem Umfang Arbeitsleistungen zu erbringen hatten (BAG 9März 2005 -  5 AZR 385/02 - aaO; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - aaO; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - aaO; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - aaO). Diese können nicht im Voraus geltend gemacht werden. Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass Umfang und Art der zuschlagpflichtigen Stunden streitlos sind und nur über die Berechnungsgrundlage gestritten wird. Der Grund, weshalb bei unständigen Bezügen regelmäßig nur die Geltendmachung bereits entstandener Ansprüche eine Ausschlussfrist wahren kann, ist mit Aufnahme der geleisteten Stunden in eine Lohnabrechnung entfallen. Für die richtige Berechnung der Zeitzuschläge gemäß § 11 MTV reichte deshalb die einmalige Geltendmachung aus.

36

3. Jedenfalls ist die Berufung der Beklagten auf den Verfall der Ansprüche rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB).

37

a) § 242 BGB kann zum Verlust eines Rechts im Hinblick auf ein missbilligtes Verhalten, das mit der Rechtsposition in sachlichem Zusammenhang steht, führen(BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - Rn. 19, BAGE 136, 54).Eine unzulässige Rechtsausübung liegt etwa vor, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit durch ein Verhalten der Gegenpartei veranlasst worden ist (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 222/07 - Rn. 32 mwN, BAGE 125, 216) oder wenn der Schuldner es pflichtwidrig unterlassen hat, dem Gläubiger die Umstände mitzuteilen, die diesen zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätten (BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - aaO).

38

b) Die Beklagte führte mit Betriebsrat und Gewerkschaft seit 2007 Verhandlungen über eine andere Berechnung der Zeitzuschläge; spätestens seit der gemeinsamen Geltendmachung im Januar 2008 war ihr bewusst, dass die Arbeitnehmer auf einer Berechnung der Zeitzuschläge auf der Grundlage des „Stundenlohns gesamt“ bestehen. Der faire Umgang mit dem Vertragspartner hätte vor diesem Hintergrund geboten, auf eine im Sinne des Tarifvertrags gegebenenfalls nicht ausreichende, aber offenbar von den Arbeitnehmern als ausreichend angesehene Geltendmachung zu reagieren, um die - auch für sich selbst reklamierte - Klarheit zu schaffen. Dies ist unterblieben. Die Beklagte hat erkennbar darauf gesetzt, dass ein Teil der Mitarbeiter zunächst vor weiteren Geltendmachungen und (gerichtlichen) Auseinandersetzungen zurückschreckt und Ansprüche sukzessive verfallen. Dies ist rechtsmissbräuchlich.

39

III. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 10 Nr. 4 MTV, die Kostenentscheidung aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Thiel    

        

    Stefan Fluri    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 12. Januar 2011 - 4 Sa 437/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Annahmeverzugsansprüche.

2

Der Kläger war seit 1998 bei der Beklagten als Diplomingenieur zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 3.579,04 Euro beschäftigt. Der von der Beklagten vorformulierte Anstellungsvertrag vom 6. Oktober 1998 regelt ua.:

        

㤠3

        

…       

        

Das Urlaubsgeld beträgt 50% des Grundgehalts zuzüglich der Leistungszulage nach Beurteilung.

        

Das Weihnachtsgeld ist wie folgt gestaffelt:

        

…       

        

Bei Betriebszugehörigkeit am 1.12. über 35 Monate

50 %   

        

….    

        

Die Wartezeit für Urlaubsgeld beträgt 6 Monate zum 1.7. Die Wartezeit für Weihnachtsgeld jeweils 5 Monate vom 1.7. bzw. 1.12. eines Kalenderjahres.

        

Ein Anspruch auf Bezahlung besteht nicht, wenn der Angestellte bei Fälligkeit (1.7. oder 1.12.) nicht mehr bei der Firma beschäftigt ist oder sich in gekündigtem Arbeitsverhältnis befindet.

        

§ 5

        

Der Hausvertrag ist wesentlicher Bestandteil dieses Anstellungsvertrages.

        

Herr S erklärt, daß ihm der Inhalt des Hausvertrages bekannt ist und daß derselbe mit dem Anstellungsvertrag übergeben wurde.

        

Die Parteien verzichten auf die Unterzeichnung des Hausvertrages als Wirksamkeitsvoraussetzung.“

3

Der Hausvertrag regelt ua.:

        

㤠11

        

Ausschlußfristen

        

…       

        

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen, müssen innerhalb von 4 Wochen nach Fälligkeit gegenüber dem anderen Vertragspartner schriftlich geltend gemacht werden.

        

Lehnt der Vertragspartner den Anspruch ab, oder erklärt er sich nicht innerhalb von 4 Wochen nach Geltendmachung des Anspruches uneingeschränkt zur Erfüllung bereit, so kann der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden, wenn er nicht innerhalb von 4 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“

4

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. Dezember 2002 zum 31. März 2003. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg stellte mit Urteil vom 29. Januar 2008 (-   2 Sa 34/07 -) fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigung nicht aufgelöst wurde. Die Beklagte nahm die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde mit Schriftsatz vom 9. Juni 2006 zurück.

5

Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 21. November 2008 auf, am Montag, dem 24. November 2008, die Arbeit wieder anzutreten, nachdem das Arbeitsverhältnis „unverändert fortbesteht“. Der Kläger reagierte auf diese Aufforderung nicht. Er setzte das zum 1. November 2006 begründete Arbeitsverhältnis bei einem Dritten fort. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 3. Dezember 2008 außerordentlich. Der Kläger erhob gegen diese Kündigung keine Klage.

6

Er hat für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. November 2008 Annahmeverzugsvergütung einschließlich Urlaubs- und Weihnachtsgelder am 20. August und 9. Dezember 2008 schriftlich und mit seiner am 16. Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage gerichtlich geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, der Annahmeverzug habe nicht vor Ablauf des Monats November 2008 geendet.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 40.558,65 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Mit Eintritt der Rechtskraft im Kündigungsrechtsstreit habe der Annahmeverzug geendet, jedenfalls mit der späteren Arbeitsaufforderung. Urlaubs- und Weihnachtsgeld stehe dem Kläger nicht zu, weil er nicht tatsächlich beschäftigt gewesen sei. Alle Ansprüche seien zudem verfallen.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat ist an einer eigenen Sachentscheidung gehindert, weil das Landesarbeitsgericht notwendige Feststellungen zum Zugang des Schreibens vom 21. November 2008 und zur Höhe der dem Kläger bis dahin zustehenden Annahmeverzugsvergütung nicht getroffen hat (§ 563 Abs. 3 ZPO).

11

I. Der Kläger kann gemäß § 615 Satz 1, § 611 Abs. 1 iVm. §§ 293 ff. BGB Vergütung wegen Annahmeverzugs der Beklagten für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zu dem Zeitpunkt beanspruchen, als er durch sein Verhalten nach Zugang der Arbeitsaufforderung vom 21. November 2008 seinen fehlenden Leistungswillen (§ 297 BGB) offenbarte.

12

1. Der Vergütungsanspruch ist entstanden. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand bis zum Wirksamwerden der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 3. Dezember 2008, die vom Kläger nicht angegriffen wurde. Die Beklagte kam durch den Ausspruch der unwirksamen ordentlichen Kündigung vom 20. Dezember 2002 in Annahmeverzug. Da in der Kündigung zugleich die Erklärung der Beklagten lag, sie werde die Leistung nicht annehmen, bedurfte es keines Angebots des Klägers, §§ 295, 296 Satz 1 BGB (vgl. BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe mwN, BAGE 108, 27).

13

2. Der Annahmeverzug endete nicht mit Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde im Kündigungsrechtsstreit.

14

a) Der Annahmeverzug des Arbeitgebers endet nicht von selbst, sondern wenn die Voraussetzungen des Gläubigerverzugs entfallen. Ist der Arbeitgeber nach einer unwirksamen Kündigungserklärung mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug gekommen, muss er deshalb zur Beendigung des Annahmeverzugs die versäumte Arbeitsaufforderung nachholen. Die Beendigung des Streits über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses ändert daran nichts. Auch in diesem Fall kann der Arbeitnehmer regelmäßig eine Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers abwarten (BAG 19. September 1991 - 2 AZR 619/90 - zu B I 1 d der Gründe, RzK I 13b Nr. 18; 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - BAGE 90, 329; 18. Januar 2000 - 9 AZR 932/98 - zu I 1 der Gründe, BAGE 93, 179; 26. September 2007 - 5 AZR 870/06 - Rn. 28, BAGE 124, 141; KR/Spilger 9. Aufl. § 11 KSchG Rn. 24, 24a; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 11 Rn. 22, 24). Einer den Annahmeverzug beendenden Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers bedarf es in jedem Fall, wenn dem Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres erkennbar ist, wann und wo er die Arbeit wieder aufnehmen soll (Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 95 Rn. 63).

15

b) Hiernach bedurfte es einer erneuten Arbeitszuweisung durch die Beklagte, um den Annahmeverzug zu beenden.

16

3. Der Annahmeverzug der Beklagten endete aber, als der Kläger seinen fehlenden Leistungswillen (§ 297 BGB) offenbarte, indem er jede Reaktion auf die Arbeitsaufforderung der Beklagten unterließ.

17

a) Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 21. November 2008 auf, am Montag, dem 24. November 2008, die Arbeit in den Betriebsräumen in N, No, um 8:00 Uhr, wieder aufzunehmen, nachdem das Arbeitsverhältnis „unverändert fortbesteht“. Damit nahm sie die ihr obliegende Mitwirkungshandlung vor (vgl. BAG 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - BAGE 90, 329).

18

b) Die Beklagte musste hinsichtlich der Aufforderung keine „Ankündigungsfrist“ einhalten. Eine solche Ankündigungsfrist findet im Gesetz keine Stütze. Zwar ist der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung gehalten, seine Arbeitskraft anderweitig zu verwerten, § 615 Satz 2 BGB. Deshalb räumt ihm § 12 KSchG ein Wahlrecht ein: Besteht nach einer Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort und ist der Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, kann er binnen einer Woche nach der Rechtskraft die Fortsetzung des (früheren) Arbeitsverhältnisses verweigern. Mit der Erklärung endet das (frühere) Arbeitsverhältnis und es ist ihm nach § 12 Satz 4 KSchG entgangener Verdienst nur für die Zeit zwischen der Entlassung und dem Tag des Eintritts in das neue Arbeitsverhältnis zu gewähren. Lässt der Arbeitnehmer, wie hier der Kläger, die Wochenfrist aber verstreichen, besteht das frühere Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten fort. Der Arbeitnehmer kann und muss deshalb jederzeit damit rechnen, dass der Arbeitgeber ihn zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordert.

19

c) Allein aus der Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses kann nicht das Fehlen jeder Leistungsbereitschaft des gekündigten Arbeitnehmers im alten Arbeitsverhältnis hergeleitet werden (BAG 6. November 1986 - 2 AZR 744/85 - zu III 1 b bb der Gründe, RzK I 13b Nr. 4). Der Arbeitnehmer kann das neue Arbeitsverhältnis auch unter Einhaltung einer Kündigungsfrist beenden. Kommt er der Arbeitsaufforderung aber ohne jegliche Erklärung nicht nach, hüllt er sich quasi in Schweigen, indiziert dies seine fehlende Leistungsbereitschaft (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 21, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34).

20

d) Da der Kläger mit dem Unterlassen jeglicher Reaktion seinen fehlenden Leistungswillen kundtat, endete zu diesem Zeitpunkt der Annahmeverzug der Beklagten. Um diesen Zeitpunkt bestimmen zu können, wird das Landesarbeitsgericht festzustellen haben, wann dem Kläger die Arbeitsaufforderung zugegangen ist.

21

II. Der Kläger hat für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum Ende des Annahmeverzugs Anspruch auf Vergütung. Zu deren Höhe hat das Landesarbeitsgericht noch Feststellungen zu treffen.

22

1. Endete der Annahmeverzug der Beklagten vor dem 30. November 2008, ist zur Ermittlung der für November 2008 geschuldeten Vergütung nicht auf die in diesem Monat anteilig zu leistenden Arbeitstage abzustellen, sondern die anteilige Vergütung ist auf der Grundlage eines Tagessatzes von einem Dreißigstel des Monatsentgelts zu berechnen.

23

a) Das Gesetz regelt nicht, wie die Höhe des Vergütungsanspruchs zu errechnen ist, wenn das vertragliche Entgelt nach Monaten bemessen und ein Kalendermonat lediglich anteilig zu vergüten ist.Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, die entsprechende Regelungen enthalten können, finden im vorliegenden Fall keine Anwendung. Ebenso fehlen vertragliche Absprachen der Parteien.

24

b) Eine konkrete Berechnungsweise, die auf die Zahl der Arbeitstage einschließlich der gesetzlichen Feiertage abstellt (so zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: BAG 14. August 1985 - 5 AZR 384/84 - AP HGB § 63 Nr. 40 = EzA HGB § 63 Nr. 38), bildet zwar den Entgeltausfall im konkreten Monat genau ab, für eine pauschalierende Berechnungsweise auf der Grundlage von 30 Tagen monatlich spricht jedoch, dass diese im Einklang mit dem Prinzip des Monatsgehalts steht. Mit einem Monatsgehalt soll die im Laufe eines Monats vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung unabhängig von der im betreffenden Monat gegebenen Zahl von Arbeits-, Werk- oder Kalendertagen in gleichbleibender Höhe vergütet werden. Beide Vertragsparteien gehen nicht davon aus, dass der jeweilige Tageswert der Arbeitsleistung von Monat zu Monat schwankt. Zudem berücksichtigt diese Berechnungsweise die in § 191 BGB niedergelegte gesetzliche Wertung, ein Monatszeitraum werde zu 30 Tagen gerechnet. Eine vergleichbare gesetzliche Wertung findet sich in § 18 Abs. 1 Satz 2 BBiG. Ein Abstellen auf einen Durchschnittswert von 30 Tagen ist im Übrigen - mit Ausnahme des Monats Februar - die im Jahresdurchschnitt für die Arbeitnehmer günstigere Berechnungsweise, weil das Kalenderjahr mehr als 360 Tage hat (BAG 28. Februar 1975 - 5 AZR 213/74 - AP BGB § 628 Teilvergütung Nr. 1 = EzA BGB § 191 Nr. 2; aA Sächsisches Landesarbeitsgericht 2. September 2011 - 3 Sa 127/11 -). Vor allem dient die Berechnung auf der Basis von monatlich 30 Kalendertagen ihrer Vereinfachung. Dies gilt auch und gerade für die Ermittlung der Annahmeverzugsvergütung, auf die gemäß § 615 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 1 KSchG anderweitig erzielter Verdienst anzurechnen ist. Würde bei einem Anspruch auf Teilvergütung eine konkrete Berechnungsweise anzuwenden sein, gölte diese konsequenterweise auch für die Berechnung des anzurechnenden Verdienstes. Es wäre dann jeweils zu ermitteln, welche Regelungen beim anderen Arbeitgeber Anwendung finden und welche konkrete Teilvergütung dort der jeweiligen Arbeitsleistung entspricht. Dies würde die Berechnung der Vergütung insgesamt erschweren und damit auch verzögern.

25

c) Die dem Kläger zustehende Vergütung umfasst entgegen der Auffassung der Beklagten auch die Urlaubsgelder für 2006, 2007, 2008 und die Weihnachtsgelder für 2006 und 2007 gemäß § 3 des Arbeitsvertrags iHv. jeweils 50 % der monatlichen Vergütung, weil der Kläger länger als 35 Monate bei der Beklagten beschäftigt war. Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt § 3 des Arbeitsvertrags zur Entstehung des Anspruchs keine tatsächliche Beschäftigung voraus. Das folgt bereits aus dem Wortlaut der Regelung. Zum selben Ergebnis führt die Unklarheitenregel, § 305c BGB, denn hiernach gehen etwaige Auslegungszweifel hinsichtlich des Begriffs der „Beschäftigung“ zu Lasten der Beklagten.

26

d) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch ergänzende Feststellungen hinsichtlich des vom Kläger für 2008 beanspruchten Weihnachtsgelds zu treffen.

27

Nach § 3 des Arbeitsvertrags haben die Parteien eine „Wartezeit“ bestimmt, die für Weihnachtsgeld jeweils fünf Monate vom 1. Juli bzw. 1. Dezember eines Kalenderjahres beträgt. Der Begriff der „Wartezeit“ bedarf der Auslegung. Abhängig davon ist zu entscheiden, ob und in welchem Maß das Weihnachtsgeld für 2008 geschuldet ist, wenn der Annahmeverzug der Beklagten vor dem 1. Dezember 2008 geendet haben sollte. Dabei wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass der arbeitsvertraglich in Bezug genommene Hausvertrag in § 8 ausdrücklich neben dem Weihnachtsgeld eine freiwillige Weihnachtsgratifikation kennt.

28

2. Auf die Vergütung ist gemäß § 615 Satz 2 BGB, § 11 Nr. 1 KSchG das anzurechnen, was der Kläger durch anderweitige Arbeit verdient hat.

29

a) Der anderweitige Verdienst, den der Kläger während des Anrechnungszeitraums erzielt hat, ist nicht pro-rata-temporis, sondern auf die Gesamtvergütung für die Dauer des (beendeten) Annahmeverzugs anzurechnen. Zum Zwecke der dafür erforderlichen Vergleichsberechnung (Gesamtberechnung) ist zunächst die Vergütung für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste zu ermitteln. Dieser Gesamtvergütung ist das gegenüberzustellen, was der Arbeitnehmer in der betreffenden Zeit anderweitig verdient hat (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 33, BAGE 120, 308; 22. November 2005 -  1 AZR 407/04  - Rn. 22 mwN, BAGE 116, 246; 19. Februar 1997 -  5 AZR 379/94  - zu 2 der Gründe). Aufgrund der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime bestimmen die Parteien mit ihren Anträgen und Einwendungen den der Gesamtberechnung zugrunde zu legenden Zeitraum. Als Anfangstermin ist dies unstreitig der 1. Januar 2006. Den Endtermin hat das Landesarbeitsgericht noch festzustellen.

30

b) Öffentlich-rechtliche Leistungen hat der Kläger im Klagezeitraum nicht erhalten. Anderweitigen Arbeitsverdienst hat er seit dem 1. November 2006 erzielt. Die Vorinstanzen haben das sich aus den Abrechnungen des neuen Arbeitgebers ergebende Gesamtbruttoeinkommen des Klägers zutreffend zugrunde gelegt. Sollte der Annahmeverzug der Beklagten vor dem 30. November 2008 geendet haben, ist auch nur bis zu diesem Endtermin anderweitiges Einkommen anzurechnen.

31

3. Der Kläger hat im Hinblick auf den Verzug der Beklagten Anspruch auf Zinsen auf die Differenzvergütung gemäß § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Trotz der Gesamtberechnung entstehen die Annahmeverzugsansprüche nicht erst am Ende des Annahmeverzugs, sondern sukzessive während des Annahmeverzugs und werden mit dem jeweiligen Abrechnungszeitraum fällig. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht gehindert, sie ratierlich geltend zu machen. Der Arbeitnehmer kann Prozess- oder Verzugszinsen fordern. Doch hat der Kläger die von dritter Seite bezogenen Bruttovergütungen taggenau abzusetzen, wie dies für anzurechnende öffentlich-rechtliche Leistungen bereits entschieden ist (vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 16, BAGE 126, 198).

32

III. Die Ansprüche des Klägers sind, soweit sie entstanden sind, nicht gemäß § 5 des Arbeitsvertrags iVm. § 11 des Hausvertrags verfallen.

33

1. Nach § 5 des Arbeitsvertrags ist der Hausvertrag wesentlicher Bestandteil des Anstellungsvertrags. Die Bezugnahme auf den Hausvertrag als anderweitiges Regelungswerk ist wirksam. Verweist eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Vorschriften eines anderen Regelwerks, führt dies für sich genommen nicht zur Intransparenz ( BAG 14. März 2007 - 5 AZR 630/06  - BAGE 122, 12 ). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Erst in der Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster Allgemeiner Geschäftsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB vor. Umstände, die allein im Hinblick auf die Bezugnahmeklausel eine solche Gefahr begründen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen; im Übrigen sind sie nicht ersichtlich. Die Bezugnahmeklausel ist nach dem äußeren Erscheinungsbild des Arbeitsvertrags auch nicht ungewöhnlich und überraschend.

34

2. Bei den Regelungen des Hausvertrags handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB standhalten müssen. Dieser Prüfungsmaßstab führt zur Unwirksamkeit der in § 11 des Hausvertrags normierten zweistufigen Ausschlussfrist.

35

a) Nach § 11 Abs. 1 des Hausvertrags müssen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit gegenüber dem anderen Vertragspartner schriftlich geltend gemacht werden (erste Stufe). Diese Ausschlussfrist ist angesichts der Unterschreitung der Dauer von drei Monaten unwirksam, weil sie den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 34 ff., BAGE 116, 66 ; 25. Mai 2005 -  5 AZR 572/04  - zu IV 7 der Gründe, BAGE 115, 19 ). Die Unwirksamkeit der ersten Stufe der Ausschlussklausel führt zu ihrem ersatzlosen Wegfall bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags im Übrigen ( § 306 Abs. 1 und Abs. 2 BGB ).

36

b) Die Unwirksamkeit der ersten Stufe führt im Streitfall auch zur Unwirksamkeit der zweiten Stufe der Ausschlussfrist.

37

aa) Gegenstand einer Inhaltskontrolle sind jeweils verschiedene, nur formal verbundene AGB-Bestimmungen. Deshalb können inhaltlich zu trennende Bestimmungen einer Ausschlussfristenregelung nach Anwendung des sog. Blue-Pencil-Tests wirksam sein (BAG 12. März 2008 - 10 AZR 152/07 - Rn. 26 ff., AP BGB § 305 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 33; 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04  - BAGE 115, 19 ). Die Regelungen müssen allerdings nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich zu trennen sein. Maßgeblich ist, ob sie mehrere sachliche Regelungen enthalten. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen ( BGH 7. Oktober 1981 - VIII ZR 214/80 - zu II 3 e der Gründe, NJW 1982, 178; 25. Juni 2003 - VIII ZR 344/02 - zu II 2 der Gründe, NJW 2003, 2899; BAG 21. April 2005 - 8 AZR 425/04 - zu II 3 e der Gründe, AP BGB § 307 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 3; 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 26 ff., EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54; Uffmann RdA 2012, 113, 118; Preis RdA 2012, 101, 106).

38

bb) § 11 Abs. 2 des Hausvertrags enthält keine eigenständige sachliche Regelung. Zwar sind die Stufen der Ausschlussfrist in getrennten Sätzen geregelt. Doch ist die verbleibende Regelung der zweiten Stufe allein nicht vollziehbar. Wegen der Unwirksamkeit der ersten Stufe gibt es keinen Zeitpunkt mehr, an den der Fristenlauf der zweiten Stufe anknüpfen könnte.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    S. Röth-Ehrmann    

        

    A. Christen    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.