Landesarbeitsgericht München Beschluss, 11. Aug. 2017 - 9 Ta BV 34/17

bei uns veröffentlicht am11.08.2017
vorgehend
Arbeitsgericht München, 37 BV 237/16, 15.02.2017

Gericht

Landesarbeitsgericht München

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird unter Zurückweisung der Anschlussbeschwerde der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 15.02.2017, Az. 37 BV 237/16, abgeändert.

Die Anträge werden insgesamt abgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird hinsichtlich des Antrags auf Auskunft nach §§ 80 Abs. 2 Satz 1, 75 Abs. 1 BetrVG zugelassen, im Übrigen nicht zugelassen.

Gründe

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über Auskunfts- und Mitbestimmungsrechte hinsichtlich der Mitarbeiterbeteiligung in Form von sog. Restricted Stock Units an der C. Inc., der Konzernmutter in den USA.

Der Antragsteller (im Folgenden: Betriebsrat) ist der Betriebsrat bei der Beteiligten zu 2). Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist das deutsche Unternehmen im C.Konzern. Sie beschäftigt derzeit mindestens etwas unter 150 Arbeitnehmer, wovon 96 zum Bereich Sales & Services gehören, und vertreibt die IT-Produkte des Konzerns.

Ein Teil der bei der Arbeitgeberin beschäftigten Mitarbeiter erhält Aktienoptionen durch die Konzernmutter in den USA. Die Zuteilung erfolgt durch die Konzernmutter. Diese beschränkten Aktien-Erwerbsrechte, die sog. Restricted Stock Units (im Folgenden: RSUs), dürfen erst nach einer bestimmten Zeit (Halte- oder Sperrfrist) ausgeübt werden. Hinsichtlich der RSUs haben die Mitarbeiter vertragliche Vereinbarungen lediglich mit der Konzernmutter, nicht jedoch mit ihrer deutschen Arbeitgeberin. Die Arbeitsverträge enthalten keine Regelungen zu den RSUs. Grundsätze, nach denen die Konzernmutter die RSUs zuteilt, sind im Betrieb nicht bekannt gemacht.

Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin, der in der Matrix-Struktur des Konzerns die Funktion Area Vice President Centrals and Eastern Europe hat, erstellt eine Vorschlagsliste mindestens bezüglich der Mitarbeiter in der Abteilung Sales & Services sowohl aus dem Betrieb A-Stadt als auch aus anderen Standorten der Region Central and Eastern Europe, die eine Aktienanwartschaft erhalten sollen, und gibt diese Liste an die Konzernmutter in den USA weiter. Diese teilt die Aktienanwartschaften zu. Hierzu schließt die Konzernmutter eine vertragliche Vereinbarung mit dem einzelnen Mitarbeiter. Das C. Inc. Compensa-tion Committee entscheidet vorher eigenständig jeweils zweimal im Jahr, an welche Mitarbeiter und in welcher Höhe die RSUs ausgegeben würden.

Die Abrechnung und die Einbehaltung der Lohnsteuer auf die RSUs erfolgen durch die Arbeitgeberin.

Im Jahr 2014 legte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat die Vorschlagsliste zur Zustimmung vor. Dabei wurden Änderungswünsche des Betriebsrats berücksichtigt.

Am 22.10.2015 kam es durch Spruch der Einigungsstelle zu einer Regelung bzgl. der RSUs (Anl. K 1, Bl. 8 f. d. A.). Diese sah vor, dass die Gewährung der RSUs im freien Ermessen erfolge. Diese Betriebsvereinbarung wurde bereits einen Tag später durch den Betriebsrat gekündigt. Hinsichtlich des Regelungsgegenstandes RSUs gab es dann ein weiteres Verfahren zur Bestimmung eines Einigungsstellenvorsitzenden vor dem Arbeitsgericht München (Az. 22 BV 7/16) und dem Landesarbeitsgericht München (Az. 11 TaBV 20/16). Diese Einigungsstelle läuft parallel zum hiesigen Verfahren bzw. ruht derzeit.

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die Gewährung von Aktienoptionen ein Lohnbestandteil sei. Als Lohnbestandteil der Vergütung der Arbeitgeberin für ihre Arbeitnehmer unterliege die Gewährung der Mitarbeiterbeteiligung daher der Mitbestimmung des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei die Gewährung von Aktienoptionen, wie die hier gegenständlichen RSUs, ein Lohnbestandteil. Es handle sich dabei um Arbeitsentgelt in Form einer Sonderzahlung aufgrund des Arbeitsverhältnisses der Mitarbeiter mit der Arbeitgeberin. Dies gelte auch dann, wenn eine Konzernmutter, die nicht selbst Arbeitgeberin sei, diese Optionsrechte einräume.

Dieses Recht werde nur wegen des zwischen einem Tochterunternehmen und dem Arbeitnehmer bestehenden Arbeitsverhältnisses gewährt, um für diese Mitarbeiter Leis-tungs- und Motivationsanreize zu schaffen, die letztendlich auch der Konzernmutter zu Gute kommen würden. Es sei unzutreffend. dass die Zuteilung und Gewährung der Aktienrechte ausschließlich durch die C. Inc., also der Konzernmutter erfolgen würde. Vielmehr erstelle der jeweils dazu berechtigte Vorgesetzte bei der Arbeitgeberin eine Liste der Mitarbeiter, die mit den Aktienrechten begünstigt werden sollen. Diese Liste gebe der Geschäftsführer der Arbeitgeberin dann an die vorgesetzten Stellen im Konzern weiter. Es sei kein Fall bekannt, in dem von der vom Vorgesetzten bei der Arbeitgeberin aufgestellten Liste der begünstigten Mitarbeiter im Rahmen der nachfolgenden konkreten Zuteilung abgewichen worden sei. Die Arbeitgeberin sei allein für die Auswahl der begünstigten Mitarbeiter verantwortlich. Die Zuwendungen würden ausschließlich aufgrund des Arbeitsverhältnisses des einzelnen Mitarbeiters mit der Arbeitgeberin und zur Unterstützung dieses Arbeitsverhältnisses, nicht irgendeines nicht bestehenden Vertrages mit einer dritten Gesellschaft, erfolgen.

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich beantragt,

  • 1.Es wird festgestellt, dass die Gewährung von Mitarbeiterbeteiligungen der sog. Restricted Stock Units (RSUs) an der C. Inc. im ersten Kalenderquartal 2016 als Lohnbestandteil der Vergütung der Arbeitnehmer der Beteiligten zu 2) dem Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1) unterliegt.

  • 2.Die Beteiligte zu 2) ist verpflichtet, dem Beteiligten zu 1) Auskunft zu erteilen, nach welchen allgemeinen Grundsätzen die Mitarbeiterbeteiligungen von Arbeitnehmern der Beteiligten zu 2) an der C. Inc. im ersten Kalenderquartal 2016 zugeteilt worden sind.

  • 3.Die Beteiligte zu 2) ist verpflichtet, dem Beteiligten zu 1) mitzuteilen, welche Leistungen und Beiträge der begünstigten Arbeitnehmer der Beteiligten zu 2) im Rahmen der jährlichen Mitarbeiterbeteiligung im Rahmen der Aktiengewährung im ersten Kalenderquartal 2016 anerkannt worden sind.

  • 4.Die Beteiligte zu 2) ist verpflichtet, dem Beteiligten zu 1) mitzuteilen, welche außerordentlichen Leistungen von Arbeitnehmern der Beteiligten zu 2) im Rahmen der Gewährung von Mitarbeiterbeteiligungen im ersten Kalenderquartal 2016 anerkannt worden sind.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die C. Inc. biete als Konzernobergesellschaft der C.-Gruppe und Muttergesellschaft der Arbeitgeberin aus Anlass der Arbeitsverhältnisse zwischen deutschen Arbeitnehmern und der deutschen Arbeitgeberin den Arbeitnehmern die Teilnahme an Programmen an, u. a. an den RSUs. Die C. Inc. beabsichtige mit diesem Programm zukunftsgerichtet eine stärkere Mitarbeiterbindung und -motivation sowie eine stärkere Ausrichtung der Unternehmensführung auf den Unternehmenswert. Die RSUs würden durch die C. Inc. jeweils zum 01.04. und 01.10. eines Jahres an die Mitarbeiter zugeteilt. Die Teilnahme am RSU-Programm oder auch etwaige gewährte Leistungen würden nicht Bestandteil des Arbeitsverhältnisses mit der Arbeitgeberin als Tochtergesellschaft dieses Konzernunternehmens. Der Vertrag über die Gewährung von RSUs zwischen der Konzernmutter und dem Mitarbeiter stehe rechtlich selbstständig neben dem Vertrag des Arbeitnehmers mit der Tochtergesellschaft, der hiesigen Arbeitgeberin. Es bestehe bereits keine Identität der Vertragsparteien. Der Arbeitsvertrag zwischen dem Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin sei insofern nur Motiv für die Kon zernmutter, einen Anwartschaftsvertrag mit dem Mitarbeiter abzuschließen. Es gebe weder eine verbindliche Vorschlagsliste der Arbeitgeberin für die Zuteilung der RSUs noch irgendein Paket von Beteiligungen der Arbeitgeberin, das nach einer vermeintlichen Vorschlagsliste der Konzernmutter ausgestaltet werde. Tatsächlich habe die Arbeitgeberin keine Einflussmöglichkeit auf die Ausgestaltung des RSU-Programms oder die Zuteilung an ihre Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberin habe keinen individual-rechtlichen Gestaltungsspielraum.

Der Antrag zu 1 sei unzulässig, weil zu unbestimmt. Die Bezeichnung „Gewährung“ sei nicht spezifisch genug. Zudem fehle das Rechtsschutzinteresse, da es sich um einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt handle. Die Auskunftsansprüche seien zudem unbegründet. Die Informationen seien erteilt worden. Am 15.02.2016 habe die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die Arbeitnehmer informiert, die im 1. Quartal 2016 ihre Anwartschaftsrechte an RSUs ausgeübt hätten. Am 24.03.2016 habe sie den Betriebsrat über die Arbeitnehmer informiert, denen die C. Inc. RSUs im 1. Quartal 2016 zugeteilt habe. Die Erfüllung des Informationsanspruchs wäre für sie unmöglich. Selbst wenn ein Informationsanspruch des Betriebsrats bejaht werde, wäre es der Arbeitgeberin unmöglich, Auskunft über Vorgänge zu erteilen, die sich allein im Verhältnis zwischen der C. Inc. und den Mitarbeitern abspielen würden. Ein entsprechender Auskunftsversuch der Arbeitgeberin sei bei der Muttergesellschaft in der Vergangenheit gescheitert. Ein solcher Auskunftsanspruch sei daher nicht durchsetzbar.

Die Arbeitgeberin macht geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe der Betriebsrat allenfalls einen Anspruch auf Auskunft über die Namen der Mitarbeiter, denen die Konzernmutter RSUs zugeteilt habe und dazu in welcher Höhe eine solche Zuteilung erfolgt sei. Diesen Auskunftsanspruch habe die Arbeitgeberin erfüllt. Weitergehende Auskünfte seien der Arbeitgeberin auch unmöglich.

Es sei zwar zutreffend, dass es dem Betriebsrat möglich sein müsse zu überprüfen, ob die Arbeitgeberin ihrer Pflicht nachkomme, alle Arbeitnehmer nach Recht und Billigkeit zu behandeln. Hierfür sei es jedoch ausreichend, wenn der Betriebsrat Auskunft über die Namen der Mitarbeiter und den Umfang der zugeteilten RSUs erhalte. Eine Ungleichbe handlung äußere sich ausschließlich im Ergebnis der Zuteilungsentscheidung. Der Weg, auf dem dieses Ergebnis erzielt werde, sei irrelevant.

Den bestehenden Auskunftsanspruch habe die Arbeitgeberin mit der E-Mail vom 24.03.2016 erfüllt. Mit dieser habe der Betriebsrat bereits alle erforderlichen Informationen erhalten.

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Zuteilung der RSUs bestehe nicht. Sie lägen als „Leistungen Dritter“ außerhalb der betrieblichen Lohngestaltung. Das RSU-Programm sei ein Mitarbeiterbindungsangebot der C. Inc. Die Teilnahme an diesem Programm oder auch etwaig gewährte Leistungen würden nicht Bestandteil des Arbeitsverhältnisses. Würde ein Arbeitnehmer seinen Vertragsarbeitgeber innerhalb des C.Konzerns wechseln, blieben die zwischen der C. Inc. und diesem Arbeitnehmer abgeschlossenen Verträge zum Bezug von RSUs davon unberührt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Arbeitgeberin den Geldwert der RSUs abrechne und hiervon Lohnsteuer einbehalte. Die steuerrechtliche Behandlung lasse keinen Aufschluss über die vertraglichen Beziehungen zu.

Die Bestimmung und Verteilung der Leistungen aus dem RSU-Programm erfolge allein durch die C. Inc. ohne Einflussnahme der Vertragsarbeitgeberinnen. Die Arbeitgeberin habe keine bestimmende Einflussnahmemöglichkeit auf die Ausgestaltung des RSU-Programms oder auf die Zuteilung an ihre Arbeitnehmer.

Ein unverbindliches Vorschlagsrecht stehe jeweils dem Leiter der verschiedenen überregionalen Bereiche „Sales & Services“, „Partner“, „Human Resources“, „Legal“ etc. der C.Gruppe zu. Dem aktuellen Geschäftsführer der Arbeitgeberin stehe in seiner Rolle als „Area Vice President Central and Eastern Europe“ ein Vorschlagsrecht für alle Arbeitnehmer, die in dem ihm zugeordneten, überregionalen Bereich „Sales & Services“ in Zentral-und Osteuropa tätig sind zu. Er übe sein Vorschlagsrecht also nicht nur für die 90 Mitarbeiter seines Bereichs, die bei der Antragsgegnerin angestellt seien aus, sondern auch für die etwa 130 Mitarbeiter seines Bereichs „Sales & Services“ in der von ihm verantworteten Region. Es sei in der Vergangenheit von Vorschlägen der Vorschlagsberechtigten abgewichen worden.

Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sei nicht gegeben. Die betriebliche Lohngestaltung sei nur dann berührt, wenn die Zahlungen Bestandteile des lokalen Arbeitsverhältnisses wären. Das sei vorliegend nicht der Fall.

Auch habe die Arbeitgeberin weder rechtlich noch tatsächlich einen Spielraum bei der Ausgestaltung der Einzelheiten des Optionsvertrages oder gar des Equity Incentive Plans. Habe aber der Arbeitgeber bereits keinen individualrechtlichen Gestaltungsspielraum, könne auch der Betriebsrat nicht mitbestimmen.

Es bestehe auch kein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung der unverbindlichen Vorschlagslisten. Zum einen handele es sich bei den RSUs nicht um Lohnbestandteile, zum anderen könne die Entscheidung über die Vorschlagslisten keinen Einfluss auf die Entscheidung des Mutterkonzerns haben, da dieser die alleinige Entscheidungsgewalt über die Zuteilung der RSUs habe. Soweit der Geschäftsführer der Arbeitgeberin Mitarbeiter aus dem Bereich „Sales & Services“ vorschlage, handele er lediglich als „Erfüllungsgehilfe“ im Interesse und Auftrag der C. Inc. für einen überregionalen Personenkreis. Gleichermaßen handle ein in Italien angestellter Bereichsleiter für den Bereich „Partner“ als „Erfüllungsgehilfe“ der C. Inc. für den Bereich „Partner“. Die C. Inc. bediene sich in ihrem internationalen Matrixgefüge regional verantwortlicher Bereichsmanager. Bei welcher Gesellschaft diese angestellt seien, sei reiner Zufall.

Ein Auskunftsanspruch des Betriebsrats bestehe nicht. Die für die Überwachung der Grundsätze des § 75 Abs. 1 BetrVG erforderlichen Informationen habe der Betriebsrat bereits erhalten. Die geforderten Informationen seien für den Antragsteller nicht erforderlich, um zu prüfen, ob eine Ungleichbehandlung vorliege. Dies gelte umso mehr, als die Vorschlagsliste nicht durch die Antragsgegnerin erstellt werde, sondern durch den Area Vice President Central and Eastern Europe. Dessen Vorschlagsrecht betreffe lediglich einen Teil der Mitarbeiter der Arbeitgeberin. Die Arbeitgeberin wäre somit auch nicht in der Lage, die begehrten Informationen für alle Mitarbeiter zu erteilen.

Die Arbeitgeberin könne auch nicht feststellen, welche außerordentlichen Leistungen bzw. welche Leistungen und Beiträge bei der Zuteilung durch die Konzernmutter berücksichtigt worden seien. Es stehe auch nicht fest, ob überhaupt irgendetwas anerkannt worden sei.

Die Arbeitgeberin beantragt,

auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 15.02.2017, Az. 37 BV 237/16, abzuändern und die Anträge abzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

  • 1.Die Beschwerde der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin gegen den Be-schluss des Arbeitsgerichts München vom 15.02.2017, Az. 37 BV 237/16, wird zurückgewiesen.

  • 2.Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 15.02.2017, Az. 37 BV 237/16, wird abgeändert.

  • 3.Es wird festgestellt, dass die Gewährung von Mitarbeiterbeteiligungen der sog. Restricted Stock Units (RSUs) an der C. Inc. im ersten Kalenderquartal 2016 als Lohnbestandteil der Vergütung der Arbeitnehmer der Antragsgegnerin dem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers unterliegt.

Hilfsweise wird festgestellt, dass die Erstellung von Vorschlagslisten bei der Antragsgegnerin für Arbeitnehmer der Antragsgegnerin zur Zuteilung von Mitarbeiterbeteiligungen der sog. Restricted Stock Units (RSUs) an der C. Inc. im ersten Kalenderquartal 2016 dem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers unterliegt.

4. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft zu erteilen, nach welchen allgemeinen Grundsätzen die Mitarbeiterbeteiligungen an der C. Inc. an die Arbeitnehmer im ersten Kalenderquartal 2016 zugeteilt worden sind.

Hilfsweise ist die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft zu erteilen, nach welchen allgemeinen Grundsätzen die Vorschlagslisten zu den Mitarbeiterbeteiligungen an der C. Inc. an die Arbeitnehmer im ersten Kalenderquartal 2016 erstellt worden sind.

5. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, dem Antragsteller mitzuteilen, welche Leistungen und Beiträge zum Unternehmensergebnis der begünstigten Arbeitnehmer der Antragsgegnerin im Rahmen der jährlichen Mitarbeiterbeteiligung im Rahmen der Aktiengewährung im ersten Kalenderquartal 2016 anerkannt worden sind.

Hilfsweise ist die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft zu erteilen, welche Leistungen und Beiträge zum Unternehmensergebnis der nach der Vorschlagsliste der Antragsgegnerin begünstigten Arbeitnehmer der Antragsgegnerin im Rahmen der jährlichen Mitarbeiterbeteiligung im Rahmen der Aktiengewährung im ersten Kalenderquartal 2016 anerkannt worden sind.

6. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, dem Antragsteller mitzuteilen, welche außerordentlichen Leistungen im Unternehmen von Arbeitnehmern der Antragsgegnerin im Rahmen der Gewährung von Mitarbeiterbeteiligungen im ersten Kalenderquartal 2016 anerkannt worden sind.

Hilfsweise ist die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft zu erteilen, welche außerordentlichen Leistungen im Unternehmen von Arbeitnehmern der Antragsgegnerin nach der Vorschlagsliste der Antragsgegnerin im Rahmen der Gewährung von Mitarbeiterbeteiligungen im ersten Kalenderquartal 2016 anerkannt worden sind.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.

Der Betriebsrat macht geltend, es bestehe ein hinreichendes Rechtschutzinteresse hinsichtlich des Feststellungsantrags bzgl. des Bestehens eines Mitbestimmungsrechtes, da die Zuteilung der sog. RSUs jährlich erfolge. Die Feststellung habe deshalb eine unmittelbare Auswirkung auf die Lohngestaltung. Der Feststellungsantrag sei auch begründet, da die Arbeitgeberin im Hinblick auf die Zuteilung der RSUs eine eigene Entscheidung treffe und umsetze. Im Verfahren über die Einsetzung der Einigungsstelle sei auch anerkannt worden, dass die RSUs zumindest teilweise auch als Teil der jährlichen Lohnerhöhung für die Arbeitnehmer der Antragsgegnerin verwendet würden.

Ein Mitbestimmungsrecht ergebe sich auch daraus, dass im Betrieb nicht alle Mitarbeiter begünstigt würden und auch die begünstigten Mitarbeiter nicht gleichmäßig begünstigt würden.

Ausweislich ihrer Textvorschläge im Verfahren vor der Einigungsstelle verfolge die Arbeitgeberin mit der Zuteilung und Gewährung der RSUs mindestens zwei Zwecke, die ein Mitbestimmungsrecht begründeten. Es würde die Bindung der begünstigten Mitarbeiter an den Betrieb verfolgt sowie die Belohnung besonderer Leistungen der Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsverhältnisses.

Die Zuteilung, Gewährung und Abwicklung dieser als RSUs bezeichneten Aktien erfolge ausschließlich über die Antragsgegnerin, angefangen von der Berechnung der entsprechenden geldwerten Vorteile bis zur Abrechnung und Abführung der auch arbeitnehmer-seitig darauf anfallenden Steuern und Sozialabgaben.

Die Arbeitgeberin nutze die Zuteilung von RSUs als Teil der jährlichen Lohnerhöhung. Die jährlich üblichen Lohnerhöhungen würden aus einer Mischung/Zusammensetzung aus einer prozentualen Lohnerhöhung sowie zusätzlich der Gewährung der RSUs bestehen.

Es sei unrichtig, dass die Gesamtheit der die Verteilung der RSUs betreffenden Entscheidungen bei der C. Inc. getroffen würden. Vielmehr bestimmten die Vorgesetzten der Mitarbeiter der Antragsgegnerin in Deutschland selbst und uneingeschränkt, wer warum auf welcher Basis wie viele Anteile erhalten solle. Die genannten Mitarbeiterbeteiligungen würden in der Weise ausgegeben, dass ein „Paket“ von Beteiligungen der Antragsgegnerinnen nach deren Vorschlagsliste von der C. Inc. in den USA zur Verfügung gestellt werde.

Bei den gewährten Aktienoptionen handele es sich um Lohnbestandteile in Form einer Sonderzuweisung. Dies gelte auch dann, wenn eine Konzernmutter, die nicht selbst Arbeitgeber sei, diese Optionsrechte einräume.

Die Einhaltung des Mitbestimmungsrechtes habe über Jahre hinweg ohne Probleme funktioniert. In den Jahren 2013, 2014 und 2015 seien die Vorschlagslisten dem Betriebsrat zur Zustimmung vorgelegt worden. Hier seien in Einzelfällen auf Wunsch des Betriebsrats Änderungen vorgenommen worden. Jedenfalls habe der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung der Vorschlagslisten.

Auch die Anträge Ziff. 5 und 6 seien zulässig und begründet. Die Information über die konkreten anerkannten Leistungen der begünstigten Arbeitnehmer sei erforderlich, damit der Betriebsrat der Aufgabe der Überwachung der Lohngerechtigkeit nachkommen könne. Nur wenn der Antragsteller wisse, welche konkreten Leistungen entgolten werden, könne er überprüfen, ob hier die Antragsgegnerin lohngerechte Grundsätze anwende und fehlerfrei umsetze. Unzutreffend sei dabei die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, die Antragsgegnerin würde gar nichts zuwenden, sondern allein die C. Inc.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 02.06.2017 (Bl. 228 - 232 d. A.), 07.06.2017 (Bl. 251 - 258 d. A.) und vom 25.07.2017 (Bl. 279 - 294 d. A.) samt ihren Anlagen verwiesen.

II.

1. Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde und der Anschlussbeschwerde bestehen keine Bedenken. Sie sind nach § 87, 64 Abs. 2, ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 89 Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO bzw. §§ 89, 87 Abs. 2 ArbGG, § 524 ZPO).

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Dem Betriebsrat steht ein Auskunftsanspruch bezüglich der Grundsätze der Zuteilung der Mitarbeiterbeteiligungen nicht zu. Die Anschlussbeschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Anträge zu Recht abgewiesen.

2.1. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf Auskunft hinsichtlich der allgemeinen Grundsätze nach denen im ersten Kalenderquartal 2016 die Zuteilung von Mitarbeiterbeteiligungen (RSUs) an der C. Inc. an die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin erfolgte.

2.1.1. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf Auskunft hinsichtlich der Grundsätze der Zuteilung der Mitarbeiterbeteiligungen aus §§ 80 Abs. 2 S. 1, 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und nach Satz 2 auf Verlangen die zur Durchführung der Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Verpflichtung geht ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats einher, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist (BAG, 15. März 2011 - 1 ABR 112/09 - Rn. 23). Dafür genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben. Die Grenzen des Auskunftsanspruchs liegen dort, wo ein Beteiligungsrecht oder eine sonstige Aufgabe offensichtlich nicht in Betracht kommt. Erst dann kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass die begehrte Auskunft zur Durchführung von Aufgaben des Betriebsrats erforderlich sei. Hieraus folgt eine zweistufige Prüfung darauf hin, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben und ob im Einzelfall die begehrte Information zu ihrer Wahrnehmung erforderlich ist (vgl. BAG, 7. Feb ruar 2012 - 1 ABR 46/10, Rn. 7; BAG, 19. Februar 2008 - 1 ABR 84/06 - Rn. 15). Die Voraussetzungen des Informationsrechts hat der Betriebsrat darzulegen (BAG, 16.08.2011 1 ABR 22/10, Rn. 34).

Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf Auskunft bezüglich der Verteilungsgrundsätze bzgl. der Mitarbeiterbeteiligungen an der amerikanischen Muttergesellschaft, damit er prüfen kann, ob infolge einer Verteilung von Entgeltbestandteilen nach kollektiven Maßstäben ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht. Selbst wenn vorliegend Entgeltbestandteile nach kollektiven Grundsätzen verteilt werden, besteht offensichtlich kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, da keine gestaltende Entscheidung der Arbeitgeberin gegeben ist. Eine gestaltende Entscheidung trifft allein die amerikanische Muttergesellschaft.

2.1.1.1. Die Mitbestimmungsrechte des § 87 BetrVG setzen voraus, dass der Arbeitgeber einen Gestaltungsspielraum hat, der im Rahmen des Mitbestimmungsverfahrens durch den Betriebsrat mit ausgefüllt wird. Dies kommt in § 87 Abs. 1 S. 1 BetrVG zum Ausdruck. Hiernach bestehen Mitbestimmungsrechte nach dieser Bestimmung nur, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht. Der Eingangshalbsatz in § 87 Abs. 1 BetrVG beruht dabei auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr verbleibt, wenn eine den Arbeitgeber bindende und abschließende gesetzliche Vorschrift vorliegt. Wird der Mitbestimmungsgegenstand durch diese inhaltlich und abschließend geregelt, fehlt es an einer Ausgestaltungsmöglichkeit durch die Betriebsparteien (LAG Bremen, 27.07.2016 - 3 TaBV 2/16, Rn. 35). Hat der Arbeitgeber selbst keine Gestaltungsmöglichkeit, fehlt es generell auch an einem Ansatz für eine eigenständige Regelung durch die Betriebspartner. Mitbestimmung und Regelungsmöglichkeit sind nicht voneinander zu trennen (BAG, Beschluss vom 25. Januar 2000 - 1 ABR 3/99 -, BAGE 93, 276-288, Rn. 33, m.w.N.). Verbleibt dem Arbeitgeber dagegen trotz der gesetzlichen Regelung ein Gestaltungsspielraum, ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats insoweit eröffnet (BAG, 7. Februar 2012 - 1 ABR 63/10 -, BAGE 140, 343-349, Rn. 22; 22. Juli 2008 - 1 ABR 40/07 - Rn. 72, BAGE 127, 146). Die Abhängigkeit des Mitbestimmungsrechts vom Bestehen eine Gestaltungsspielraums gilt nicht nur, wenn ein Gestaltungsspielraum infolge abschließender rechtlicher Regelungen ausscheidet, sondern auch dann, wenn er schlicht faktisch, ggf. auch infolge einer be stimmten unternehmerischen Entscheidung nicht gegeben ist, wie z.B. die Rechtsprechung zur Anrechnung von Tariferhöhungen zeigt (vgl. BAG, 24.01.2017 - 1 ABR 6/15, Rn. 16; BAG, Urteil vom 10. März 2009 - 1 AZR 55/08 -, BAGE 129, 371-378, Rn. 17).

Es kann hier dahinstehen, ob ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bereits deshalb ausscheidet, weil bei einer Aktienoption, über deren Zuteilung allein die Konzernmutter entscheidet, eine betriebliche Lohngestaltung nicht gegeben ist (so LAG Baden-Württemberg, 17.01.2017 - 19 TaBV 3/16, Rn. 34; Annuß/Lembke, BB 2003, 2230, 2231; GK/Wiese, BetrVG, § 87, Rn. 823) oder ob in Fällen, in denen der Vertrags-arbeitgeberin Vorschlagsrechte mit eigenem Gestaltungsspielraum eröffnet werden, in der Wahrnehmung derartiger Vorschlagsrechte nicht auch ein Form betrieblicher Lohngestaltung liegt. Auch wenn man letzteres bejaht, hängt das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Zuteilung von Mitarbeiterbeteiligungen an einer ausländischen Muttergesellschaft davon ab, ob hierbei ein Gestaltungsspielraum der Arbeitgeberin geben ist, der unter Mitbestimmung des Betriebsrats aufgefüllt werden kann (MAH ArbR, Teil E. Entgelt im Arbeitsverhältnis § 23 Mitbestimmung beim Entgelt Rn. 96; Lingemann, Diller, Mengel, NZA 2000, 1191, 1200). Soweit vertreten wird, ein Mitbestimmungsrecht bestehe hier durchgängig, da die Voraussetzungen des Eingangssatzes nicht gegeben seien (vgl. Däubler/Küttner/Klebe, BetrVG, § 87, RN. 328), wird übersehen, dass das Mitbestimmungsrecht nicht nur dann ausscheidet, wenn aufgrund abschließender rechtlicher Regelungen kein Gestaltungsspielraum vorhanden ist, sondern das Mitbestimmungsrecht überhaupt nur gegeben ist, wenn ein von den Betriebspartnern auszufüllender Gestaltungsspielraum vorhanden ist (s.o.).

Die Arbeitgeberin hat im vorliegenden Fall keinen Gestaltungsspielraum bei der Zuteilung der Mitarbeiterbeteiligungen. In einem solchen Fall scheidet ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus (vgl. auch LAG Baden-Württemberg, 17.01.2017 - 19 TaBV 3/16, Rn. 34; LAG Bremen, 27.07.2016 - 3 TaBV 2/16, Rn. 35). Die Zuteilung der Mitarbeiterbeteiligungen an der amerikanischen Muttergesellschaft erfolgt durch diese und nicht durch die Arbeitgeberin. Allein die Muttergesellschaft schließt mit den einzelnen Arbeitnehmern, die Mitarbeiterbeteiligungen an ihr erhalten, Verträge hierüber ab und überträgt sodann die Mitarbeiterbeteiligungen. An diesem Vorgang ist die Arbeitgeberin auch nach dem Vortrag des Betriebsrats nicht beteiligt. Die Mitarbeiterbeteiligungen sind nicht Ge genstand der arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern und der Arbeitgeberin. Die Arbeitsverträge enthalten keine die Mitarbeiterbeteiligungen betreffenden Regelungen. Soweit die Arbeitgeberin den sich für den jeweiligen Arbeitnehmer aus der Zuteilung von Mitarbeiterbeteiligungen ergebenden wirtschaftlichen Vorteil abrechnet und Einkommenssteuer abführt, vollzieht sie lediglich die Rechtsfolgen aus der bereits erfolgten Zuteilung. Die Arbeitgeberin hat hier keinerlei Gestaltungsmöglichkeiten.

2.1.1.2. Eine das Mitbestimmungsrecht der Arbeitgeberin eröffnende Gestaltungsmöglichkeit der Arbeitgeberin ergibt sich auch nicht daraus, dass deren Geschäftsführer bezüglich eines Teils der Mitarbeiter eine Vorschlagsliste erstellt. Dieser ist hierbei nicht in seiner Funktion als Geschäftsführer der Arbeitgeberin für diese, sondern in seiner Funktion als Area Vice President Central and Eastern Europe (CEE) für den Bereich Services tätig. Soweit der Betriebsrat geltend macht, „die Vorgesetzten“ würden Vorschläge für die Verteilung eines der Arbeitgeberin zugeteilten Paketes an der Mitarbeiterbeteiligung erstellen, ist dieser Vortrag gänzlich unsubstanziiert und erfolgte völlig ins Blaue hinein. Er wurde demzufolge in der Anhörung auch auf ausdrücklichen Hinweis hin nicht konkretisiert. Er wird auch von den vom Betriebsrat vorgelegten Anlagen nicht getragen. Aus der der Anlage K2 (Bl. 129 d.A.) beigefügten Liste mag sich ergeben, dass auch Arbeitnehmer außerhalb des Bereichs Sales & Services Mitarbeiterbeteiligungen erhalten haben. Dies lässt aber keine Rückschlüsse darauf zu, von wem diese Mitarbeiter der Konzernmutter vorgeschlagen wurden. Aus der als K17 (Bl. 146 d.A.) vorgelegten Liste wiederum ergibt sich, dass lediglich Mitarbeiter aus Sales & Services benannt wurden.

Bei der Benennung von Mitarbeitern für die Zuteilung von Mitarbeiterbeteiligungen füllt nicht die Beklagte vertreten durch ihren Geschäftsführer eine ihr zustehende Gestaltungsmöglichkeit aus, sondern der Area Vice President CEE vollzieht in der ihm im Rahmen der Matrixstruktur des Konzerns zugewiesenen Rolle das Aktienoptionsprogramm der Konzernmutter. Das Vorschlagsrecht steht nicht der Vertragsarbeitgeberin für die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter zu. Das wird insbesondere deutlich dadurch, dass der Area Vice President CEE kein Vorschlagsrecht für alle Mitarbeiter im Betrieb hat, sondern lediglich für die Mitarbeiter im Bereich Sales & Services. Für diese aber ist das Vorschlagsrecht nicht beschränkt auf den Betrieb, in dem er auch Geschäftsführer ist, sondern das Vorschlagsrecht besteht auch für Arbeitnehmer in anderen Unternehmen und in anderen Ländern der Region Central und Eastern Europe. Hiermit korrespondiert, dass die Vorschläge bezüglich der Mitarbeiter, die nicht zum Bereich Sales & Services gehören, von den Leitern der jeweils anderen Bereiche aus anderen Gesellschaften und anderen Ländern gemacht werden. Dabei ist unerheblich, ob im hiesigen Betrieb neben den 96 Mitarbeitern im Bereich Sales & Services insgesamt 174 oder nur weniger als 150 Mitarbeiter beschäftigt sind. Entscheidend ist, dass das Vorschlagsrecht für das Aktienoptionsprogramm nicht an einer Funktion bei der hiesigen Vertragsarbeitgeberin anknüpft und deren Gestaltungsrechte ausgeübt werden, sondern das Vorschlagsrecht ist gebunden an die Funktion der Vorschlagenden in der Matrixstruktur des Konzerns unabhängig davon, bei welcher Konzerngesellschaft und in welchem Land diese rechtlich verankert sind.

2.1.1.3. Dass vorliegend ein Gestaltungsspielraum und damit ein Mitbestimmungsrecht des örtlichen Betriebsrats nicht bestehen, wird bestätigt durch folgende sich bei Betrachtung der Zuständigkeitsverteilung zwischen Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat ergebende Kontrollüberlegung. Vorliegend wird ein Aktienoptionsprogramm der Konzernmutter umgesetzt, das die Zuteilung von Mitarbeiterbeteiligungen an Arbeitnehmer verschiedener konzernangehöriger Unternehmensbereiche nach von Betrieb und Unternehmen unabhängigen Kriterien vorsieht. Hätte die Konzernmutter ihren Sitz in Deutschland, könnte ein Konzernbetriebsrat (§ 54 BetrVG) gebildet werden, in dessen Zuständigkeit die diesbezügliche Mitbestimmung fiele (vgl. Richardi, BetrVG, 15. Aufl., § 87, Rn. 867; Bauer/Herzberg, NZA 2011, 713, 718). Wäre kein Konzernbetriebsrat gebildet, würde dies nicht zu einer Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats oder der örtlichen Betriebsräte führen. Vielmehr würde eine Mitbestimmung mangels Konzernbetriebsrat entfallen. Nichts anderes gilt, wenn ein Konzernbetriebsrat nicht vorhanden ist, weil die Konzernmutter keinen Sitz in Deutschland hat.

2.1.2. Dem Betriebsrat steht ein Auskunftsanspruch bzgl. der Zuteilungsgrundsätze auch aus §§ 80 Abs. 2 S. 1, 75 Abs. 1 BetrVG nicht zu, weil diese Auskunft für die Wahrnehmung der Aufgabe aus § 75 Abs. 1 BetrVG nicht erforderlich ist.

Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und nach Satz 2 auf Verlangen die zur Durchführung der Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Verpflichtung geht ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats einher, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist (BAG, 15. März 2011 - 1 ABR 112/09 - Rn. 23). Hieraus folgt eine zweistufige Prüfung darauf hin, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben und ob im Einzelfall die begehrte Information zu ihrer Wahrnehmung erforderlich ist (BAG, 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10, Rn. 7).

2.1.2.1. Eine Aufgabe des Betriebsrats ergibt sich aus § 75 BetrVG. Nach § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden und eine Benachteiligung insbesondere wegen der in § 75 Abs. 1 BetrVG genannten Merkmale unterbleibt. Der Aufgabe und dem damit korrespondierenden Auskunftsanspruch nach §§ 80 Abs. 2 S. 1, 75 Abs. 1 BetrVG steht nicht entgegen, dass die Zuteilung durch die Konzernmutter erfolgt und diese hierfür mit den einzelnen Arbeitnehmern gesonderte Verträge abschließt. § 75 Abs. 1 BetrVG dient dem Schutz der im Betrieb tätigen Personen in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer (Fitting, BetrVG, 27. Aufl., § 75 Rn. 21). Es kommt auf das Ergebnis einer Maßnahme für die betroffene Belegschaft an. Maßgeblich ist nicht wer „behandelt“, solange ein Bezug zum Arbeitsverhältnis besteht (vgl. ausführlich LAG Baden-Württemberg, 17.01.2017, Rn. 37 ff., LAG Bremen, 27.07.2016 -3 TaBV 2/16, Rn. 46; LAG Baden-Württemberg, 09.04.2014 - 19 TaBV 7/13, Rn. 39).

Die in § 75 Abs. 1 BetrVG in Bezug genommenen Grundsätze des Rechts beschreiben das Gesamtbild einer Rechtsordnung, d.h. neben den völkerrechtlichen Bestimmungen, nationalen Gesetzen und Rechtsverordnungen kollektive Rechtsinstrumente sowie Richterrecht und Gewohnheitsrecht (Düwell/Lorenz, 4. Aufl., BetrVG, § 75 Rn. 11). Hiervon umfasst sind auch die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sowie sonstige Arbeitsbedingungen und die betriebliche Ordnung (ErfKomm/Kania, 17. Aufl., § 75 Rn. 4). Die Grundsätze der Billigkeit sollen eine gerechte Entscheidung im Einzelfall gewährleisten (Düwell/Lorenz, 4. Aufl., BetrVG, § 75 Rn. 12; ErfKomm/Kania, 17. Aufl., § 75 Rn. 5). Auch zu den Grundsätzen von Recht und Billigkeit gehören insb. der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehand-lungsgrundsatz, dem wiederum der allg. Gleichheitssatz des Art. 3 I GG zu Grunde liegt, (ErfKomm/Kania, 17. Aufl., § 75 Rn. 5) und der allgemeine individualarbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (Düwell/Lorenz, 4. Aufl., BetrVG, § 75 Rn. 13).

Die Grundsätze, nach denen die amerikanische Muttergesellschaft der Arbeitgeberin die Mitarbeiterbeteiligungen zuteilt, gehören nicht zu den Grundsätzen von Recht und Billigkeit i.S.d. § 75 Abs. 1 BetrVG (a.A. LAG Bremen, 27.07.2016 - 3 TaBV 2/16, Rn. 41). Sie sind nicht Bestandteil der im Betrieb geltenden Rechtsordnung. Die Grundsätze haben keinerlei für die Arbeitnehmer im Betrieb wirkenden normativen Charakter. Die Zuteilung von Mitarbeiterbeteiligungen an der amerikanischen Konzernmutter ist nicht im Arbeitsvertrag geregelt. Es wurden im Betrieb, anders als im insoweit nicht vergleichbaren vom LAG Baden-Württemberg entschiedenen Fall (LAG Baden-Württemberg, 09.04.2014 - 19 TaBV 7/13), keine Verteilungsgrundsätze im Betrieb bekannt gegeben, so dass die Verteilungsgrundsätze der Konzernmutter auch nicht als Gesamtzusage oder im Wege des Vertrauensschutzes zum Inhalt der arbeitsvertraglichen Pflichten und damit Teil der im Betrieb geltenden Rechtsordnung geworden sein können. Es handelt sich lediglich um eine sich auf die Arbeitnehmer im Betrieb auswirkende unternehmerische Entscheidung der Muttergesellschaft. Der Betriebsrat hat deshalb nach § 75 Abs. 1 BetrVG nicht die Aufgabe zu überwachen, ob die Zuteilungsgrundsätze für die Mitarbeiterbeteiligungen von der amerikanischen Muttergesellschaft eingehalten werden. Zu kontrollieren, ob die Muttergesellschaft unternehmerische Entscheidungen trifft, die Recht und Billigkeit entsprechen, und ob sie diese konsequent umsetzt, fällt nicht in die Zuständigkeit des antragstellenden Betriebsrats.

Nicht zu der im Betrieb geltenden Rechtsordnung und damit zu den Grundsätzen von Recht und Billigkeit i.S.d. § 75 Abs. 1 BetrVG gehören die vom Prozessvertreter des Betriebsrats im Anhörungstermin abstrakt geltend gemachten „Grundsätze der Lohngerechtigkeit“. Es kann nicht nachvollzogen und konnte auch nicht aufgeklärt werden, welche Grundsätze der Lohngerechtigkeit der Prozessvertreter des Betriebsrats damit meint. Eine betriebliche Entgeltordnung, die die Zuteilung von Mitarbeiterbeteiligungen an der amerikanischen Konzernmutter durch diese regelt, gibt es nicht, weder auf Basis einer Be triebsvereinbarung, eines Tarifvertrages oder auf sonstiger Grundlage. Allgemeine von vertraglichen und normativen Grundlagen losgelöste Grundsätze der Lohngerechtigkeit kennt die Rechtsordnung nicht. Der Gesetzgeber hat dem Betriebsrat im Geltungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG die Möglichkeit eröffnet, Lohngerechtigkeit im Betrieb herzustellen und mitzugestalten. Damit werden aber Grundsätze der Lohngerechtigkeit erst geschaffen. Außerhalb derartiger kollektivvertraglicher Regelungen und betrieblicher Entgeltordnungen gilt oberhalb des Mindestlohns der Grundsatz der Vertragsfreiheit, der seinerseits zu den Grundsätzen von Recht und Billigkeit i.S.d. § 75 Abs. 1 BetrVG gehört (Richardi/Maschmann, BetrVG, 15. Aufl., § 75 Rn. 14). Die Vertragsfreiheit findet ihre Grenze erst in den Benachteiligungsverboten z.B. des AGG oder des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.

Aufgabe des antragsstellenden Betriebsrats nach § 75 Abs. 1 BetrVG ist es vor diesem Hintergrund zu überwachen, ob das Ergebnis des Handelns der Muttergesellschaft im Betrieb zu Verstößen gegen die dort geltende Rechtsordnung, z.B. das AGG, im Betrieb geltende Betriebsvereinbarungen usw. führt. Die im Betrieb geltende Rechtsordnung und damit die Grundsätze, deren Einhaltung er zu überwachen hat, sind dem Betriebsrat bekannt. Erforderlich für die Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe nach § 75 Abs. 1 BetrVG ist deshalb nicht die Kenntnis der Grundsätze, nach denen die Muttergesellschaft die Zuteilung vornimmt, sondern das Ergebnis der Zuteilung der Muttergesellschaft für die Arbeitnehmer im Betrieb. Wenn der Betriebsrat weiß, welche Mitarbeiter für welchen Zeitraum wie viele Mitarbeiterbeteiligungen zugeteilt erhielten, kann er prüfen, ob die Grundsätze von Recht und Billigkeit verletzt wurden, z.B. bestehende Betriebsvereinbarungen nicht beachtet, einzelvertragliche Ansprüche nicht erfüllt wurden oder bestimmte Arbeitnehmergruppen benachteiligt werden (so auch LAG Baden-Württemberg, 17.07.2017 -19 TaBV 3/16, Rn. 47). Die Kenntnis der Grundsätze, nach denen die Konzernmutter die Mitarbeiterbeteiligungen verteilt, ist zur Beantwortung dieser Fragen nicht erforderlich. Von Bedeutung ist nur die Kenntnis der im Betrieb geltenden Rechtsnormen und vertraglichen Pflichten sowie der tatsächlichen Verteilung der Zuteilungen.

Erst wenn sich bei der Betrachtung der Verteilung der Mitarbeiterbeteiligungen herausstellen sollte, dass eine bestimmte Arbeitnehmergruppe benachteiligt wird, und sich die Frage stellt, gibt es hierfür einen rechtfertigenden sachlichen Grund, bzw. verletzt die Arbeitge berin ihre Pflichten aus § 75 Abs. 1 BetrVG, indem sie einer derartigen Ungleichbehandlung nicht entgegen wirkt, können die Verteilungsgrundsätze der Konzernmutter Relevanz erhalten. Sie wären von der Arbeitgeberin darzulegen, wenn sie sich auf diese Grundsätze zur Rechtfertigung ihrer Untätigkeit trotz einer möglichen Handlungspflicht aus § 75 Abs. 1 BetrVG und § 12 Abs. 4 AGG berufen möchte.

Allein die Kenntnis der Daten dazu, welche Mitarbeiter in welchem Zeitraum Mitarbeiterbeteiligungen erhalten haben, ermöglichen es dem Betriebsrat, die Aufgabe nach § 75 Abs. 1 BetrVG wahrzunehmen. Ob es für diese Zuteilung Grundsätze der amerikanischen Muttergesellschaft gibt, welchen Inhalt diese haben und ob diese Grundsätze von der amerikanischen Muttergesellschaft eingehalten werden, ist nicht Bestandteil der im Betrieb geltenden Rechtsordnung und deshalb nicht Inhalt der Überwachungsaufgabe des § 75 Abs. 1 BetrVG. Erst wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bei der Zuteilung eine unzulässige Benachteiligung erfolgt, können Verteilungsgrundsätze der amerikanischen Konzernmutter relevant werden für die Frage, ob es einen rechtfertigenden Grund für eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer im Betrieb bzw. die Untätigkeit der Arbeitgeberin in Anbetracht der unterschiedlichen Behandlung gibt.

2.1.2.2. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Auskunft bezüglich der Verteilungsgrundsätze der Muttergesellschaft aus §§ 80 Abs. 2 S. 1, 75 Abs. 1 BetrVG sich auch nicht daraus ergibt, dass der Betriebsrat die Aufgabe hätte, die konzernbezogene Gleichbehandlung der Arbeitnehmer zu überwachen.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist unternehmens- und nur ausnahmsweise konzernbezogen. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Konzern besteht allenfalls dann, wenn vom herrschenden Unternehmen ausgehend bestimmte Leistungen üblicherweise konzernweit erbracht werden und auf den Fortbestand dieser Übung ein schützenswertes Vertrauen für die Arbeitnehmer der Konzernunternehmen entstanden ist (BAG, 17.06.2009 - 7 AZR 112/08 (A), Rn. 78, m.w.N.). Dafür gibt es vorliegend keinerlei Anhaltspunkte.

2.2. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Zuteilung von Mitarbeiterbeteiligungen an der Konzernmutter dem Mitbestimmungsrecht des Betriebs rats unterliegt.

2.2.1. Das für die Zulässigkeit des Antrags erforderliche Feststellunginteresse ist gegeben.

Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO ist für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens ein besonderes rechtliches Interesse daran erforderlich, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Für eine nur auf die Vergangenheit gerichtete Feststellung, aus der sich keinerlei Rechtsfolgen für die Zukunft mehr ergeben, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig nicht. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, einem Beteiligten zu bescheinigen, dass er im Recht war, oder eine die Verfahrensbeteiligten interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu klären. Allerdings kann ein in der Vergangenheit liegender Streitfall Anlass sein, das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts für die Zukunft feststellen zu lassen. Der Inhalt oder der Umfang von Beteiligungsrechten können im Beschlussverfahren losgelöst von einem konkreten Ausgangsfall geklärt werden, wenn die Maßnahme, für die ein Beteiligungsrecht in Anspruch genommen wird, häufiger im Betrieb auftritt und sich auch künftig jederzeit wiederholen kann (BAG, 09.11.2010 - 1 ABR 76/09, Rn. 18).

Vorliegend bezieht sich der Antrag auf einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt. Würde jedoch festgestellt, dass die Zuteilung der Mitarbeiterbeteiligungen im Jahr 2016 mitbestimmungspflichtig gewesen wäre, könnte der Betriebsrat die Nachholung einer mitbestimmten Verteilung verlangen. Darüber hinaus handelt es sich um einen Sachverhalt, der sich im Betrieb regelmäßig wiederholt und weiterhin zwischen den Betriebspartnern streitig ist.

2.2.2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Die Zuteilung der Mitarbeiterbeteiligungen an der amerikanischen Muttergesellschaft unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats, da die Arbeitgeberin hier keine Gestaltungsspielräume hat. Insofern wird auf die Ausführungen unter Ziffer. 2.1 verwiesen.

2.2.3. Auch der Hilfsantrag auf Feststellung, dass die Erstellung von Vorschlagslisten zur Zuteilung von Mitarbeiterbeteiligungen an der amerikanischen Muttergesellschaft der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, ist zwar zulässig, aber unbegründet. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.1, insbesondere 2.1.1.2 verwiesen.

2.3. Der in der Anschlussberufung erneut geltend gemachte Antrag auf Auskunft bezüglich der Grundsätze für die Zuteilung der Mitarbeiterbeteiligungen an der amerikanischen Muttergesellschaft ist bereits unzulässig, da er mit dem Antrag, der Gegenstand der Beschwerde ist, identisch ist. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.1 verwiesen.

2.4. Auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Auskunft bezüglich der Grundsätze, nach denen die Vorschlagslisten für die Zuteilung der Mitarbeiterbeteiligungen aufgestellt wurden, ist unbegründet. Auch insoweit steht dem Auskunftsanspruch entgegen, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht in Betracht kommt, da die Arbeitgeberin hier keinen Gestaltungsspielraum hat, sondern lediglich ein Konzept der Muttergesellschaft umgesetzt wird (vgl. die Ausführungen unter Ziffer 2.1) und diese Information für die Überwachungsaufgaben nach § 75 Abs. 1 BetrVG nicht erforderlich ist (vgl. die Ausführungen unter Ziffer 2.1.2).

2.5. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf Auskunft, welche Leistungen und Beiträge zum Unternehmenserfolg bei der Zuteilung der Mitarbeiterbeteiligungen anerkannt wurden.

Ein Auskunftsanspruch ergibt sich nicht aus §§ 80 Abs. 2 S. 1, 75 Abs. 1 BetrVG, da es nicht Aufgabe des Betriebsrats ist, die Einhaltung der Grundsätze der Zuteilung der Konzernmutter zu überwachen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.1.2 verwiesen.

Ein Anspruch folgt auch nicht aus § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 BetrVG. Eine Überwachungsaufgabe bezüglich der gekündigten Betriebsvereinbarung vom 22.10.2015 über Restricted Stock Units besteht nicht. Da ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht gegeben ist (s. oben unter Ziffer 2.1.1), kann diese Regelung keine Nachwirkung entfalten (§ 76 Abs. 6 BetrVG).

2.6. Auch der Hilfsantrag auf Auskunft bezüglich der bei der Erstellung der Vorschlagslisten anerkannten Leistungen und Beiträge zum Unternehmensergebnis ist unbegründet. Insofern kann auf die Ausführungen unter Ziffer 2.5 verwiesen werden.

2.7. Auch der Antrag auf Auskunft bezüglich der Anerkennung außerordentlicher Leistungen bei der Zuteilung der Mitarbeiterbeteiligungen und der Hilfsantrag auf Auskunft bezüglich der Anerkennung außerordentlicher Leistungen bei der Erstellung von Vorschlagslisten sind unbegründet. Diesbezüglich wird ebenfalls auf die Ausführungen unter Ziffer. 2.5 verwiesen.

III.

Soweit diese Entscheidung von Urteil des LAG Bremen (27.07.2016 - 3 TaBV 2/16) abweicht, war nach § 92 Abs. 2 Ziff. 2 ArbGG die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde im Übrigen sind nicht gegeben.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Betriebsverfassungsgesetz


§ 21a idF d. Art. 1 Nr. 51 G v. 23.7.2001 I 1852 dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 87 Mitbestimmungsrechte


(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: 1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;2. Beginn und Ende der täglichen A

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 75 Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen


(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihr

Zivilprozessordnung - ZPO | § 524 Anschlussberufung


(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht. (2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 87 Grundsatz


(1) Gegen die das Verfahren beendenden Beschlüsse der Arbeitsgerichte findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht statt. (2) Für das Beschwerdeverfahren gelten die für das Berufungsverfahren maßgebenden Vorschriften sowie die Vorschrift des

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 80 Allgemeine Aufgaben


(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben: 1. darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;2. Maßnahmen,

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 76 Einigungsstelle


(1) Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Durch Betriebsvereinbarung kann eine ständige Einigungsstelle errichtet wer

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 89 Einlegung


(1) Für die Einlegung und Begründung der Beschwerde gilt § 11 Abs. 4 und 5 entsprechend. (2) Die Beschwerdeschrift muß den Beschluß bezeichnen, gegen den die Beschwerde gerichtet ist, und die Erklärung enthalten, daß gegen diesen Beschluß die Beschw

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 12 Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers


(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen. (2) Der Arbeitgeber soll in geeigneter Art und

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 54 Errichtung des Konzernbetriebsrats


(1) Für einen Konzern (§ 18 Abs. 1 des Aktiengesetzes) kann durch Beschlüsse der einzelnen Gesamtbetriebsräte ein Konzernbetriebsrat errichtet werden. Die Errichtung erfordert die Zustimmung der Gesamtbetriebsräte der Konzernunternehmen, in denen ins

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Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Dezember 2008 - 3 TaBV 1131/08 - aufgehoben, soweit das Lande

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(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:

1.
darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
2.
Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;
2a.
die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg, zu fördern;
2b.
die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern;
3.
Anregungen von Arbeitnehmern und der Jugend- und Auszubildendenvertretung entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinzuwirken; er hat die betreffenden Arbeitnehmer über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen zu unterrichten;
4.
die Eingliederung schwerbehinderter Menschen einschließlich der Förderung des Abschlusses von Inklusionsvereinbarungen nach § 166 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und sonstiger besonders schutzbedürftiger Personen zu fördern;
5.
die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung vorzubereiten und durchzuführen und mit dieser zur Förderung der Belange der in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer eng zusammenzuarbeiten; er kann von der Jugend- und Auszubildendenvertretung Vorschläge und Stellungnahmen anfordern;
6.
die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern;
7.
die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern, sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb zu beantragen;
8.
die Beschäftigung im Betrieb zu fördern und zu sichern;
9.
Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.

(2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten; die Unterrichtung erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, und umfasst insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen. Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Zu den erforderlichen Unterlagen gehören auch die Verträge, die der Beschäftigung der in Satz 1 genannten Personen zugrunde liegen. Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen.

(3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Muss der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz beurteilen, gilt insoweit die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich. Gleiches gilt, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf einen ständigen Sachverständigen in Angelegenheiten nach Satz 2 einigen.

(4) Für die Geheimhaltungspflicht der Auskunftspersonen und der Sachverständigen gilt § 79 entsprechend.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.

(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.

(1) Für die Einlegung und Begründung der Beschwerde gilt § 11 Abs. 4 und 5 entsprechend.

(2) Die Beschwerdeschrift muß den Beschluß bezeichnen, gegen den die Beschwerde gerichtet ist, und die Erklärung enthalten, daß gegen diesen Beschluß die Beschwerde eingelegt wird. Die Beschwerdebegründung muß angeben, auf welche im einzelnen anzuführenden Beschwerdegründe sowie auf welche neuen Tatsachen die Beschwerde gestützt wird.

(3) Ist die Beschwerde nicht in der gesetzlichen Form oder Frist eingelegt oder begründet, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Der Beschluss kann ohne vorherige mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden ergehen; er ist unanfechtbar. Er ist dem Beschwerdeführer zuzustellen. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung ist nicht anwendbar.

(4) Die Beschwerde kann jederzeit in der für ihre Einlegung vorgeschriebenen Form zurückgenommen werden. Im Falle der Zurücknahme stellt der Vorsitzende das Verfahren ein. Er gibt hiervon den Beteiligten Kenntnis, soweit ihnen die Beschwerde zugestellt worden ist.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Für die Einlegung und Begründung der Beschwerde gilt § 11 Abs. 4 und 5 entsprechend.

(2) Die Beschwerdeschrift muß den Beschluß bezeichnen, gegen den die Beschwerde gerichtet ist, und die Erklärung enthalten, daß gegen diesen Beschluß die Beschwerde eingelegt wird. Die Beschwerdebegründung muß angeben, auf welche im einzelnen anzuführenden Beschwerdegründe sowie auf welche neuen Tatsachen die Beschwerde gestützt wird.

(3) Ist die Beschwerde nicht in der gesetzlichen Form oder Frist eingelegt oder begründet, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Der Beschluss kann ohne vorherige mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden ergehen; er ist unanfechtbar. Er ist dem Beschwerdeführer zuzustellen. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung ist nicht anwendbar.

(4) Die Beschwerde kann jederzeit in der für ihre Einlegung vorgeschriebenen Form zurückgenommen werden. Im Falle der Zurücknahme stellt der Vorsitzende das Verfahren ein. Er gibt hiervon den Beteiligten Kenntnis, soweit ihnen die Beschwerde zugestellt worden ist.

(1) Gegen die das Verfahren beendenden Beschlüsse der Arbeitsgerichte findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht statt.

(2) Für das Beschwerdeverfahren gelten die für das Berufungsverfahren maßgebenden Vorschriften sowie die Vorschrift des § 85 über die Zwangsvollstreckung entsprechend, soweit sich aus den §§ 88 bis 91 nichts anderes ergibt. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Abs. 1 bis 3 und 5 entsprechend. Der Antrag kann jederzeit mit Zustimmung der anderen Beteiligten zurückgenommen werden; § 81 Abs. 2 Satz 2 und 3 und Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) In erster Instanz zu Recht zurückgewiesenes Vorbringen bleibt ausgeschlossen. Neues Vorbringen, das im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür nach § 83 Abs. 1a gesetzten Frist nicht vorgebracht wurde, kann zurückgewiesen werden, wenn seine Zulassung nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verzögerung nicht genügend entschuldigt. Soweit neues Vorbringen nach Satz 2 zulässig ist, muss es der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung, der Beschwerdegegner in der Beschwerdebeantwortung vortragen. Wird es später vorgebracht, kann es zurückgewiesen werden, wenn die Möglichkeit es vorzutragen vor der Beschwerdebegründung oder der Beschwerdebeantwortung entstanden ist und das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und auf dem Verschulden des Beteiligten beruht.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung; § 85 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.

(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.

(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.

(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.

(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:

1.
darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
2.
Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;
2a.
die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg, zu fördern;
2b.
die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern;
3.
Anregungen von Arbeitnehmern und der Jugend- und Auszubildendenvertretung entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinzuwirken; er hat die betreffenden Arbeitnehmer über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen zu unterrichten;
4.
die Eingliederung schwerbehinderter Menschen einschließlich der Förderung des Abschlusses von Inklusionsvereinbarungen nach § 166 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und sonstiger besonders schutzbedürftiger Personen zu fördern;
5.
die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung vorzubereiten und durchzuführen und mit dieser zur Förderung der Belange der in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer eng zusammenzuarbeiten; er kann von der Jugend- und Auszubildendenvertretung Vorschläge und Stellungnahmen anfordern;
6.
die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern;
7.
die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern, sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb zu beantragen;
8.
die Beschäftigung im Betrieb zu fördern und zu sichern;
9.
Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.

(2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten; die Unterrichtung erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, und umfasst insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen. Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Zu den erforderlichen Unterlagen gehören auch die Verträge, die der Beschäftigung der in Satz 1 genannten Personen zugrunde liegen. Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen.

(3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Muss der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz beurteilen, gilt insoweit die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich. Gleiches gilt, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf einen ständigen Sachverständigen in Angelegenheiten nach Satz 2 einigen.

(4) Für die Geheimhaltungspflicht der Auskunftspersonen und der Sachverständigen gilt § 79 entsprechend.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. März 2009 - 20 TaBV 1022/08 - aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. April 2008 - 42 BV 19681/07 - wird unter Abweisung der in der Anhörung vom 19. März 2009 gestellten Hilfsanträge zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über einen Online-Zugriff des Betriebsrats auf Leistungsdaten von Arbeitnehmern.

2

Arbeitgeberin ist die Deutsche Post AG; Antragsteller ist der in ihrem Geschäftsbereich Vertrieb BRIEF - Öffentlicher Sektor - in Berlin gebildete Betriebsrat. In dem bei der Arbeitgeberin geltenden Tarifvertrag Vertrieb Nr. 64 vom 11. Juni 1999 in der Fassung vom 1. Januar 2007 (TV 64) ist die Zahlung eines variablen, erfolgsabhängigen Entgelts auf der Grundlage von Zielvereinbarungen geregelt. Darin heißt es ua.:

        

„§ 7   

        

Zielvereinbarung

        

(1) Die Ziele sind in einem Zielvereinbarungsgespräch zwischen direktem Vorgesetzten und Arbeitnehmer zu vereinbaren. Der Arbeitnehmer kann für das Zielvereinbarungsgespräch ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen.

        

…       

        

§ 11   

        

Monitoringverfahren

        

(1) Während der Zielvereinbarungsperiode hat der Vorgesetzte mit dem Arbeitnehmer bis zum Ende des zweiten Quartals ein Gespräch über den Grad der Erfüllung der Ziele zu führen. Bei Bedarf (z.B. bei unzureichender Zielerreichung) ist ein weiteres Gespräch bis zum Ende des dritten Quartals zu führen. Auf Wunsch des Arbeitnehmers ist danach ein weiteres Gespräch zu führen. Gesprächsinhalt sollen ggf. auch Maßnahmen sein, die zu einer Verbesserung der Zielerreichungsgrade führen können. ...

        

§ 15   

        

Datenverarbeitung

        

(1) Die Verarbeitung von unmittelbaren Leistungsdaten des einzelnen Arbeitnehmers im IT-System ist ausschließlich für die Berechnung der Höhe des in diesem Tarifvertrag geregelten variablen Entgelts zulässig.

        

(2) Auf die Daten haben nur der für die Zielvereinbarung zuständige Vorgesetzte, der Leiter der regionalen Vertriebssteuerung oder ein von ihm Beauftragter der regionalen Vertriebssteuerung, der im Personalbereich für die Entgeltabrechnung Zuständige, der einzelne Arbeitnehmer und der Betriebsrat Zugang.“

3

Bei dem von der Arbeitgeberin verwandten Datenverarbeitungssystem handelt es sich um ein Vertriebs- und Marketing-System, in dem Leistungsdaten der Arbeitnehmer sowie Produkt- und Kundendaten verarbeitet und gespeichert werden. Die Arbeitgeberin teilt dem Betriebsrat jeweils am Ende der Zielvereinbarungsperiode die Leistungsdaten der Arbeitnehmer durch Übermittlung eines EDV-Ausdrucks mit.

4

Darüber hinaus verlangte der Betriebsrat ohne Erfolg, ihm während der jeweiligen Zielvereinbarungsperioden einen Online-Zugriff auf die unmittelbaren Leistungsdaten der einzelnen Arbeitnehmer zu eröffnen oder hilfsweise ihm diese Daten in Papierform zu überlassen.

5

Der Betriebsrat hat gemeint, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, ihm einen lesenden Zugriff auf die unmittelbaren Leistungsdaten der Arbeitnehmer zu gewähren. Dieser Anspruch ergebe sich aus § 15 Abs. 2 TV 64 sowie aus § 80 Abs. 2 iVm. § 2 Abs. 1 BetrVG.

6

Der Betriebsrat hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung - beantragt,

        

1.    

der Arbeitgeberin aufzugeben, dem Betriebsrat durch Einrichtung eines eigenen EDV-technischen Zugangs auf einem im Büro des Betriebsrats befindlichen und mit dem internen Computernetzwerk der Arbeitgeberin verbundenen PC lesenden Zugriff auf die unmittelbaren Leistungsdaten gem. TV Vertrieb 64 der im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer zu gewähren,

        

hilfsweise,

        

2.    

die Arbeitgeberin zu verurteilen, dem Betriebsrat im Rahmen der Datenverarbeitung gem. § 15 TV Vertrieb 64 unmittelbaren EDV-technischen lesenden Zugang zu den mittels Datenverarbeitung verarbeiteten unmittelbaren Leistungsdaten iSd. des § 15 Abs. 1 TV Vertrieb 64, hinsichtlich der im Betrieb der Arbeitgeberin von der tarifvertraglichen Regelung betroffenen Arbeitnehmer zu gewähren,

        

hilfsweise,

        

3.    

die Arbeitgeberin zu verurteilen, die unmittelbaren Leistungsdaten gem. TV Vertrieb 64 der im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer in Textform jeweils am Ende des 5. und 8. Kalendermonats der jeweils laufenden Zielvereinbarungsperiode sowie zum Ende der Zielvereinbarungsperiode zu übergeben. Fordert ein Arbeitnehmer ein weiteres Monitoringgespräch gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 TV Vertrieb 64, sind dem Betriebsrat vor diesem Gespräch die unmittelbaren Leistungsdaten dieses Beschäftigten ebenfalls zu übergeben.

7

Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Anträge beantragt.

8

Das Arbeitsgericht hat den dort allein erhobenen Hauptantrag abgewiesen. Dagegen hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt und in der Anhörung vom 19. März 2009 sein Begehren um die Hilfsanträge erweitert. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde hinsichtlich des Hauptantrags zurückgewiesen und dem ersten Hilfsantrag entsprochen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter.

9

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet und führt unter Aufhebung der zweitinstanzlichen Entscheidung zur vollständigen Abweisung der Anträge.

10

I. Das Landesarbeitsgericht hat den zuletzt gestellten Hauptantrag des Betriebsrats rechtskräftig abgewiesen und seinem ersten Hilfsantrag entsprochen. Dieser Antrag bedarf allerdings der Auslegung. Der Betriebsrat begehrt einen lesenden Zugriff auf die Leistungsdaten derjenigen Arbeitnehmer, auf die der TV 64 Anwendung findet, um dessen Durchführung überwachen zu können. Der Zugriff soll ihm jederzeit möglich sein, denn weder der Antrag noch die Antragsbegründung enthalten eine zeitliche Begrenzung. Der vom Betriebsrat geforderte lesende Zugriff ist dabei auf alle IT-Systeme gerichtet, die Leistungsdaten der Arbeitnehmer enthalten. Der verlangte Zugriff bezieht sich nach seinem Vorbringen allerdings nicht auf die im IT-System neben den Leistungsdaten vorhandenen Kundendaten, die der Arbeitgeber nach Auffassung des Betriebsrats ohne Weiteres von den Leistungsdaten der Arbeitnehmer trennen kann.

11

II. Der so verstandene Antrag ist unzulässig. Er genügt nicht den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO).

12

1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss ein Antrag auch im Beschlussverfahren so bestimmt sein, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Im Falle einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung muss für den in Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennbar sein, was von ihm verlangt wird. Die Prüfung, welche Maßnahmen der Schuldner vorzunehmen oder zu unterlassen hat, darf grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG 27. Juli 2010 - 1 ABR 74/09 - Rn. 11).

13

2. Diesen Anforderungen wird der Antrag des Betriebsrats nicht gerecht.

14

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Antrag nicht schon deshalb hinreichend bestimmt, weil die dort enthaltenen Begriffe den Beteiligten geläufig sind und über die Reichweite des Antrags zwischen ihnen kein Streit besteht. Das Landesarbeitsgericht konnte den in den Vorinstanzen gehaltenen Vortrag der Arbeitgeberin nicht dahingehend würdigen, dass diese im Falle einer stattgebenden Entscheidung zweifelsfrei hätte erkennen können, welche Handlungen von ihr verlangt werden. Die Beteiligten haben sich in ihrem Vorbringen inhaltlich weder mit dem im Antrag enthaltenen Begriff der „unmittelbaren Leistungsdaten“ auseinandergesetzt noch ist dessen Inhalt eindeutig bestimmbar (vgl. BAG 27. Juli 2010 - 1 ABR 74/09 - Rn. 13). Das Beschwerdegericht wäre daher verpflichtet gewesen, das vom Betriebsrat verfolgte Antragsverständnis insoweit aufzuklären und in seinen Gründen so genau zu beschreiben, dass eine dem Antrag stattgebende Entscheidung eine ausreichende Grundlage für eine gerichtliche Entscheidung über Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bilden kann.

15

III. Einer hierauf gestützten Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 ZPO) bedarf es indes nicht, da der Senat eine eigene Sachentscheidung treffen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Betriebsrat hat im Schriftsatz vom 7. März 2011 erstmals die Daten bezeichnet, die er von dem Begriff der unmittelbaren Leistungsdaten als erfasst ansieht. Dazu zählt der Betriebsrat etwa den Nettoumsatz des Vorjahres, die geplanten und erreichten Nettoumsätze des laufenden Jahres, die absoluten und prozentualen Planabweichungen im laufenden Jahr und die Veränderungen gegenüber dem Vorjahr. Zwar hat dieses Vorbringen bei der Entscheidung unberücksichtigt zu bleiben, da es sich um neues Tatsachenvorbringen handelt, das in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich unzulässig ist. Doch kann zugunsten des Betriebsrats unterstellt werden, dass dessen Antrag aufgrund seines nunmehr präzisierten Vortrags als hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO anzusehen ist. Selbst in diesem Fall unterliegt der Antrag der Abweisung.

16

1. Nach § 15 Abs. 2 TV 64 kann der Betriebsrat nicht die Einrichtung eines Online-Zugriffs auf Leistungsdaten der Arbeitnehmer iSd. § 15 Abs. 1 TV 64 verlangen. Dies folgt aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Zweck der Tarifnorm.

17

a) Der Wortlaut von § 15 Abs. 2 TV 64 spricht gegen das vom Betriebsrat vertretene Normverständnis. Die sprachliche Fassung der Vorschrift „Auf die Daten haben … Zugang“ ist grammatikalisch gesehen nicht regelgerecht. Vielmehr müsste es heißen „Auf die Daten haben … Zugriff“ oder „Zu den Daten haben … Zugang“. Unabhängig davon, ob dabei von einem Zugriff oder Zugang auf Daten ausgegangen wird, kann dies sowohl Daten in elektronischer als auch in nicht elektronischer Form betreffen. Darüber hinaus enthält der Wortlaut keine Aussage über den Zeitraum, der dem Betriebsrat für einen Zugriff auf die in den IT-Systemen der Arbeitgeberin gespeicherten Daten zur Verfügung steht.

18

b) Auch die Systematik der Tarifnorm führt zu keinem eindeutigen Ergebnis.

19

§ 15 TV 64 befindet sich am Ende des Teils III, in dem die Voraussetzungen über die Zahlung eines variablen Entgelts bestimmt werden. § 15 Abs. 1 TV 64 beschränkt gegenständlich die Nutzung der für die Berechnung des variablen Entgelts erhobenen unmittelbaren Leistungsdaten der Arbeitnehmer. Abs. 2 bestimmt den Personenkreis, dem ein Zugangsrecht auf diese Daten eingeräumt wird. Dies sind auf Seiten des Unternehmens diejenigen Mitarbeiter, die entsprechend ihrer funktionalen Zuständigkeiten für die Vereinbarung und die Berechnung des variablen Entgelts zuständig sind. Die Zugangsmöglichkeit für den Arbeitnehmer soll es diesem ermöglichen, seinen Leistungsstand im Hinblick auf das zu zahlende variable Entgelt nachzuvollziehen, während der Betriebsrat wegen seiner gesetzlichen Überwachungsaufgabe in den Kreis der Zugangsberechtigten einbezogen worden ist. Die so gewählte Festlegung des Personenkreises, der zu den unmittelbaren Leistungsdaten Zugang hat, lässt aber weder Rückschlüsse auf die Art und Weise noch den zeitlichen Umfang der durch § 15 Abs. 2 TV 64 eröffneten Zugangsmöglichkeit zu.

20

c) Der Normzweck von § 15 TV 64 gebietet es nicht, dem Betriebsrat einen zeitlich unbeschränkten lesenden Zugriff auf die von ihm begehrten Daten einzuräumen.

21

Bei § 15 TV 64 handelt es sich um eine datenschutzrechtliche Bestimmung. Dies verdeutlicht bereits die Überschrift „Datenverarbeitung“. In § 15 Abs. 1 TV 64 ist der Zweck der Datenverarbeitung festgelegt. Die Verarbeitung der unmittelbaren Leistungsdaten dient ausschließlich der Berechnung der Höhe des variablen Entgelts. Diese Zweckbestimmung ist im Hinblick auf § 32 Abs. 1 BDSG ebenso erforderlich wie die in § 15 Abs. 2 TV 64 enthaltene Festlegung des zugangsberechtigten Personenkreises. Sie erfordert es aber nicht, dass der Betriebsrat jederzeit auf die von der Arbeitgeberin in elektronischer Form gespeicherten Daten zugreifen kann.

22

2. Der Anspruch auf einen in zeitlicher Hinsicht uneingeschränkten lesenden Zugriff auf die in den IT-Systemen der Arbeitgeberin gespeicherten Daten zur Berechnung des variablen Entgelts iSv. § 13 TV 64 und zu dem dabei einzuhaltenden Verfahren folgt auch nicht aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Der Betriebsrat hat die Erforderlichkeit der geforderten Unterrichtung nicht dargelegt.

23

a) Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat zur Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Mit dieser Verpflichtung geht ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats einher, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist (BAG 23. März 2010 - 1 ABR 81/08 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 72 = EzA BetrVG 2001 § 80 Nr. 12).

24

b) Zu den Aufgaben des Betriebsrats iSv. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gehören auch diejenigen aus dem Katalog des § 80 Abs. 1 BetrVG, die vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte unabhängig sind. Hierzu zählt die in § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG normierte Pflicht darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge durchgeführt werden.

25

c) Der vom Betriebsrat beanspruchte Zugriff auf die unmittelbaren Leistungsdaten ist zur Sicherung seines gesetzlichen Überwachungsrechts aber nicht erforderlich.

26

Dies gilt zunächst für die Überwachungsaufgabe hinsichtlich der Höhe des von den Arbeitnehmern zu beanspruchenden variablen Entgelts. Diese beschränkt sich auf ein Nachrechnen bzw. Nachvollziehen der von der Arbeitgeberin berücksichtigten Einzelparameter. Diese Aufgabe fällt lediglich stichtagsbezogen zum Ende des Abrechnungszeitraums an und kann vom Betriebsrat auf der Grundlage des ihm von der Arbeitgeberin überlassenen schriftlichen Ausdrucks durchgeführt werden. Gegenteiliges hat der Betriebsrat auch nicht geltend gemacht. Die Notwendigkeit des beanspruchten Zugangs folgt auch nicht aus der in § 11 Abs. 1 TV 64 bestimmten Pflicht der Arbeitgeberin zur Durchführung von Monitoringgesprächen. Die Zielerreichung ist für das zwischen dem Arbeitnehmer und dem Vorgesetzten bis zum Ablauf des zweiten Quartals nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TV 64 zu führende Gespräch ohne Bedeutung. Ein weiteres Gespräch bis zum Ende des dritten Quartals sieht § 11 Abs. 1 Satz 2 TV 64 lediglich bei Bedarf vor, wobei die Tarifvertragsparteien hierfür exemplarisch eine unzureichende Zielerfüllung angeführt haben. Allerdings ist die Notwendigkeit eines solchen Gesprächs allein von der Einschätzung der Arbeitsvertragsparteien abhängig, die sich einer darauf gerichteten Überprüfung durch den Betriebsrat entzieht.

27

d) Auf die in den Vorinstanzen von den Beteiligten nicht weiter vertiefte Frage, ob der vom Betriebsrat beanspruchte Online-Zugriff überhaupt Gegenstand eines Auskunftsrechts aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sein kann, kommt es daher vorliegend nicht an.

28

IV. Danach fällt der vom Landesarbeitsgericht nicht beschiedene zweite Hilfsantrag des Betriebsrats dem Senat zur Entscheidung an. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist jedoch auch insoweit begründet. Der erst in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht erhobene Antrag stellt eine unzulässige Antragsänderung dar.

29

1. Nach § 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2, § 81 Abs. 3 ArbGG ist eine Antragsänderung im Beschwerdeverfahren nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten zustimmen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

30

2. Bei dem zweiten Hilfsantrag handelt es sich gegenüber den bisher erhobenen Anträgen um eine Antragsänderung (§ 81 Abs. 3 ArbGG) in Form der Antragserweiterung. Die auf Einrichtung eines lesenden Zugangs zu den unmittelbaren Leistungsdaten der Arbeitnehmer gerichteten Anträge haben einen anderen Gegenstand als derjenige, mit dem der Betriebsrat die Übergabe der unmittelbaren Leistungsdaten in Textform jeweils am Ende des 5. und 8. Kalendermonats der jeweils laufenden Zielvereinbarungsperiode sowie zum Ende der Zielvereinbarungsperiode fordert.

31

3. Die Arbeitgeberin hat der Antragsänderung widersprochen. Danach war die Zulässigkeit der Antragsänderung von der Sachdienlichkeit des mit ihr verfolgten Begehrens abhängig, an der es vorliegend fehlt.

32

Über die Sachdienlichkeit einer Antragsänderung kann das Rechtsbeschwerdegericht selbst befinden, wenn das Beschwerdegericht nach dem von ihm gewählten Lösungsweg über den geänderten Antrag nicht entscheiden musste, dieser aber in der Rechtsbeschwerde zur Entscheidung anfällt (vgl. BAG 12. September 2006 - 9 AZR 271/06 - Rn. 17, BAGE 119, 238). Die geänderte Antragstellung ist nicht mehr als sachdienlich anzusehen, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (BGH 15. Juni 2005 - VIII ZR 74/04 - zu II 5 a der Gründe, WM 2005, 2057). Dies ist hier der Fall. Die Beteiligten haben in den Vorinstanzen ihr Vorbringen ausschließlich auf die Einrichtung eines in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkten Online-Zugriffs auf die „unmittelbaren Leistungsdaten“ ausgerichtet, das für die Entscheidung über den zweiten Hilfsantrag ohne Bedeutung ist.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Wisskirchen    

        

    Olaf Kunz    

                 

Tenor

Die Sprungrechtsbeschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 16. Juni 2010 - 5 BV 20/10 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über Auskunftsansprüche.

2

Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten am 10. Januar 2008 eine „Betriebsvereinbarung über die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX“. Nach deren § 4 Abs. 1 erhält der Betriebsrat quartalsmäßig ein Verzeichnis der Mitarbeiter, die die Voraussetzungen für ein betriebliches Eingliederungsmanagement(bEM) erfüllen. In der Folgezeit verweigerte der Arbeitgeber die Erfüllung dieser Verpflichtung und berief sich zur Begründung auf datenschutzrechtliche Belange.

3

Der Betriebsrat hat beantragt,

        

den Arbeitgeber zu verpflichten, dem Betriebsrat quartalsmäßig ein Verzeichnis der Mitarbeiter, die die Voraussetzungen für ein betriebliches Eingliederungsmanagement erfüllen, zu übergeben.

4

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Eine Pflicht zur Übergabe des Mitarbeiterverzeichnisses an den Betriebsrat bestehe nur bei einem zuvor erklärten Einverständnis der betroffenen Arbeitnehmer. Der Betriebsrat könne über die Erfüllung der Pflichten aus § 84 Abs. 2 SGB IX auch dann wachen, wenn der Arbeitgeber ihm zunächst nur anonymisiert die Anzahl der Mitarbeiter mitteile, deren Arbeitsunfähigkeitszeiten länger als sechs Wochen betragen haben.

5

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag entsprochen. Mit der zugelassenen Sprungrechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitgeber seinen Abweisungsantrag weiter.

6

B. Die Sprungrechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag zu Recht entsprochen. Der Betriebsrat kann nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG iVm. § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX unabhängig von einer Zustimmung der Arbeitnehmer beanspruchen, dass ihm der Arbeitgeber quartalsweise ein Verzeichnis mit Namen der Arbeitnehmer aushändigt, die im zurückliegenden Jahreszeitraum länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren. Einem solchen Verlangen stehen datenschutzrechtliche Belange oder Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer nicht entgegen. Es kann daher dahinstehen, ob sich ein solcher Auskunftsanspruch auch aus der zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Betriebsvereinbarung ergibt.

7

I. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und nach Satz 2 Halbs. 1 auf Verlangen die zur Durchführung der Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Verpflichtung geht ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats einher, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist (BAG 15. März 2011 - 1 ABR 112/09 - Rn. 23, EzA BetrVG 2001 § 80 Nr. 13). Zu den Aufgaben des Betriebsrats iSv. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gehört es auch, nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Diese Überwachungsaufgabe ist weder von einer zu besorgenden Rechtsverletzung des Arbeitgebers beim Normvollzug noch vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte abhängig (BAG 24. Januar 2006 - 1 ABR 60/04 - Rn. 23, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 65 = EzA BetrVG 2001 § 80 Nr. 5). Hieraus folgt eine zweistufige Prüfung darauf hin, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben und ob im Einzelfall die begehrte Information zu ihrer Wahrnehmung erforderlich ist (BAG 30. September 2008 - 1 ABR 54/07 - Rn. 28, BAGE 128, 92).

8

II. Der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG erforderliche Aufgabenbezug liegt vor.

9

Nach § 84 Abs. 2 SGB IX hat der Arbeitgeber gegenüber Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkranken, ein bEM durchzuführen. In diesem sollen unter Beteiligung der zuständigen Arbeitnehmervertretungen sowie mit Zustimmung und Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers die Möglichkeiten geklärt werden, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Die Pflicht zur Durchführung des bEM ist nicht auf Beschäftigte mit einer Behinderung beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle Arbeitnehmer mit einer krankheitsbedingten Fehlzeit von mehr als sechs Wochen innerhalb eines Jahreszeitraums (BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234). Sie besteht unabhängig von einem Antrag der betroffenen Arbeitnehmer oder einer der am Verfahren beteiligten Stellen. Vielmehr obliegt dem Arbeitgeber die Pflicht, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein bEM einzuleiten (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23, EzA SGB IX § 84 Nr. 8). Nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX hat ua. der Betriebsrat darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber die ihm nach § 84 SGB IX obliegenden Verpflichtungen erfüllt. Die Vorschrift wiederholt für den Bereich der Privatwirtschaft die sich bereits aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ergebende Überwachungsaufgabe des Betriebsrats.

10

III. Die Übergabe des begehrten Verzeichnisses ist zur Durchführung der sich aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX ergebenden Überwachungsaufgabe erforderlich.

11

1. Der Anspruch auf Information und Überlassung der erforderlichen Unterlagen nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG richtet sich danach, in welchem Umfang der Betriebsrat bereits über Kenntnisse verfügt, deren er zur Erfüllung seiner Überwachungsaufgabe bedarf (BAG 19. Oktober 1999 - 1 ABR 75/98 - zu B I 2 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 58 = EzA BetrVG 1972 § 80 Nr. 45).

12

2. Der Betriebsrat verfügt über keine anderweitigen Kenntnisse über den Kreis der Arbeitnehmer, denen der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM anbieten muss. Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers reicht die anonymisierte Unterrichtung für die Überwachung seiner sich aus § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ergebenden Pflichten nicht aus. Ein anonymisiertes Mitarbeiterverzeichnis lässt nur die bloße Anzahl der Arbeitnehmer erkennen, welche die Voraussetzungen für ein bEM erfüllen. Für die Überwachung, ob der Arbeitgeber das Verfahren entsprechend seiner gesetzlichen Initiativlast auch einleitet, ist die bloße Kenntnis der Anzahl der für ein bEM in Frage kommenden Arbeitnehmer unzureichend (vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 43, BVerwGE 137, 148). Auch die Übergabe einer Mitarbeiterliste, in der nur diejenigen Mitarbeiter aufgeführt sind, welche nicht nur die Voraussetzungen für ein bEM erfüllen, sondern darüber hinaus der Weitergabe der Daten an den Betriebsrat zustimmen, wäre nicht in gleicher Weise geeignet, den Arbeitgeber bei der Einhaltung seiner Initiativlast zu überwachen. Mangels Kenntnis des konkreten Arbeitnehmers könnte der Betriebsrat nicht durch Nachfrage überprüfen, ob der Arbeitgeber überhaupt die Durchführung eines bEM angeboten und den Arbeitnehmer ordnungsgemäß belehrt hat.

13

3. Auch die quartalsweise Überlassung einer Aufstellung mit den Namen der betroffenen Arbeitnehmer ist erforderlich.

14

Zwar verhält sich § 80 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG nicht darüber, in welcher Form der Arbeitgeber die benötigte Auskunft zu erteilen hat. Darin ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei. Jedoch ist er bei umfangreichen und komplexen Angaben allerdings nach § 2 Abs. 1 BetrVG regelmäßig gehalten, die Auskunft schriftlich zu erteilen(BAG 30. September 2008 - 1 ABR 54/07 - Rn. 29, BAGE 128, 92). Dass auch eine mündliche Information über den Kreis der betroffenen Arbeitnehmer ausreichend ist, wird von dem Arbeitgeber selbst nicht geltend gemacht. Die vom Betriebsrat geforderte quartalsweise Überlassung der Unterlagen hält sich daher im Rahmen des § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG.

15

4. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind die für Bruttolohn- und Gehaltslisten geltenden Beschränkungen des § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG nicht auf die Übermittlung von personenbezogenen Daten übertragbar. Nach der Senatsrechtsprechung unterscheiden sich der Auskunftsanspruch gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG und das Einblicksrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG sowohl nach ihrem Inhalt als auch nach ihren Voraussetzungen und kommen nebeneinander in Betracht (30. September 2008 - 1 ABR 54/07 - Rn. 24, 30, BAGE 128, 92). Demzufolge gelten die einschränkenden Voraussetzungen, unter denen der Arbeitgeber einem vom Betriebsrat gebildeten Ausschuss Einblick in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter gewähren muss, für die Vorlage von Unterlagen nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG nicht.

16

IV. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Namen der Arbeitnehmer mit Arbeitsunfähigkeitszeiten von mehr als sechs Wochen im Jahreszeitraum auch dann mitteilen, wenn diese der Weitergabe nicht zugestimmt haben.

17

1. Die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist nicht von einer vorherigen Einwilligung der von der Vorschrift begünstigten Arbeitnehmer abhängig. Der Gesetzeswortlaut enthält eine entsprechende Einschränkung nicht. Das Beteiligungsrecht aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dient der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Normvollzugs durch den Arbeitgeber. Seine Wahrnehmung steht nach der Konzeption des BetrVG nicht zur Disposition der Arbeitnehmer.

18

2. Eine solche Einschränkung der Überwachungsaufgabe folgt auch nicht aus § 84 Abs. 2 SGB IX.

19

a) Nach dieser Vorschrift muss der Arbeitgeber in einer ersten Phase allen Arbeitnehmern mit den erforderlichen Krankheitszeiten im Jahreszeitraum ein bEM anbieten. Vor dessen Durchführung ist er nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX gehalten, den Arbeitnehmer ordnungsgemäß auf die Ziele des bEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Erst danach ist in einer zweiten Phase zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Das Gesetz zwingt den betroffenen Arbeitnehmer nicht, ein bEM durchzuführen, sondern verpflichtet lediglich den Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer unter den gesetzlich normierten Voraussetzungen ein bEM anzubieten. Die nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX erforderliche Zustimmung der betroffenen Person bezieht sich nur auf den Klärungsprozess, nicht aber auf die vorhergehende Phase, die mit dem Zugang des Angebots über die Durchführung des bEM beim Arbeitnehmer endet(vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 38 f., BVerwGE 137, 148). Für diesen Teil des bEM hat der Gesetzgeber kein Zustimmungserfordernis normiert.

20

b) Weder Sinn und Zweck des bEM noch das Zustimmungserfordernis in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX stehen der Überlassung einer Aufstellung mit den Namen der für die Durchführung des bEM in Betracht kommenden Arbeitnehmer an den Betriebsrat entgegen.

21

aa) Mit der Durchführung eines bEM soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers zu einem möglichst frühen Zeitpunkt einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines kranken Menschen begegnet und die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht werden. Ziel des bEM ist die Klärung, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen damit letztlich der Vermeidung der Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter Menschen(vgl. BT-Drucks. 15/1783 S. 16; BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 40, BAGE 123, 234; BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 62, BVerwGE 137, 148). Daneben kann die Klärung von möglichen Maßnahmen nicht nur zur Verringerung der Arbeitsunfähigkeitszeiten und den mit dem krankheitsbedingten Ausfall verbundenen betrieblichen und finanziellen Belastungen des Arbeitgebers führen, sondern auch die Mehrbelastungen reduzieren, die der Belegschaft durch die vorübergehende Abwesenheit des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers entstehen.

22

bb) Das in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX bestimmte Zustimmungserfordernis der von der Durchführung eines bEM betroffenen Arbeitnehmer soll gewährleisten, dass die Klärung ihres Gesundheitszustands nur freiwillig erfolgt. Ein bEM kann ohne Einwilligung des betroffenen Beschäftigten schon deshalb nicht sinnvoll durchgeführt werden, weil der Arbeitnehmer regelmäßig nicht zur Mitteilung der Gründe für seine krankheitsbedingten Fehlzeiten verpflichtet ist und die vom Gesetzgeber angestrebte Klärung der möglichen Maßnahmen zu deren Reduzierung ohne die dafür erforderlichen Angaben des Arbeitnehmers nicht möglich ist. Daneben ist auch ein bEM, an dem der betroffene Arbeitnehmer nicht aktiv mitwirkt, wenig erfolgversprechend.

23

cc) Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck des bEM wird durch die Mitteilung der Namen der für ein solches Verfahren in Betracht kommenden Arbeitnehmer an den Betriebsrat nicht in Frage gestellt. Diesem wird nur der Personenkreis benannt, der die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines bEM erfüllt. Eine Information über die der Arbeitsunfähigkeit zugrunde liegenden Krankheiten oder deren Ursachen ist damit nicht verbunden. Ebenso wird die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers über die Teilnahme an einem bEM nicht beeinträchtigt, da er sich über sein Einverständnis erst nach dem Angebot des Arbeitgebers und der damit verbundenen Belehrung über die Chancen und Risiken des bEM erklären muss.

24

V. Datenschutzrechtliche Gründe stehen der Übermittlung der Namen der Arbeitnehmer, denen der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM anbieten muss, nicht entgegen. Das Erheben von Daten über die krankheitsbedingten Fehlzeiten durch den Arbeitgeber und ihre Übermittlung an den Betriebsrat ist auch bei fehlender Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG zulässig.

25

1. Die vom Antrag erfasste Aufstellung über die Arbeitsunfähigkeitszeiten von mehr als sechs Wochen fällt in den Geltungsbereich des BDSG. Es handelt sich nicht um automatisierte Dateien iSd. § 1 Abs. 2 Nr. 3 iVm. § 3 Abs. 2 Satz 2 BDSG.

26

2. Bei den vom Antrag umfassten Angaben handelt es sich um besondere Arten personenbezogener Daten über die Gesundheit iSd. § 3 Abs. 9 BDSG(sensitive Daten). Aufgrund der Angaben ist ersichtlich, dass der benannte Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit innerhalb eines Jahreszeitraums mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig abwesend war.

27

3. Die Übermittlung der Namen der Arbeitnehmer an den Betriebsrat ist nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG auch dann zulässig, wenn diese der Weitergabe nicht zugestimmt haben.

28

a) Nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG ist das Erheben, Verarbeiten und Nutzen besonderer Arten personenbezogener Daten iSd. § 3 Abs. 9 BDSG für eigene Geschäftszwecke auch ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig, wenn dies zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Nicht einschlägig ist hingegen § 32 BDSG, auch wenn diese Vorschrift eine Regelung über den Datenschutz im Beschäftigungsverhältnis trifft. Ihr Regelungsgegenstand beschränkt sich auf personenbezogene Daten iSd. § 3 Abs. 1 BDSG und erfasst nicht die Verarbeitung sensitiver Daten iSd. § 3 Abs. 9 BDSG.

29

b) Die Ausübung rechtlicher Ansprüche iSv. § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG umfasst auch eine Nutzung sensitiver Daten durch den Arbeitgeber, die dieser zur Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten vornehmen muss. Ein solches Verständnis gibt das Unionsrecht vor.

30

aa) Die Erhebung und Nutzung sensitiver Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG fällt in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 vom 23. November 1995 S. 31) gilt diese für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einer Datei gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Als eine solche Datei mit personenbezogenen Daten gilt jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, gleichgültig ob diese Sammlung zentral, dezentralisiert oder nach funktionalen oder geographischen Gesichtspunkten aufgeteilt geführt wird (Art. 2 Buchst. c RL 95/46/EG). Nach Art. 8 Abs. 1 RL 95/46/EG untersagen die Mitgliedstaaten ua. die Verarbeitung personenbezogener Daten über die Gesundheit. Von diesem Verbot besteht nach Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG eine Ausnahme, wenn die Verarbeitung erforderlich ist, um den Rechten und Pflichten des für die Verarbeitung Verantwortlichen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts Rechnung zu tragen, sofern dies aufgrund von einzelstaatlichem Recht, das angemessene Garantien vorsieht, zulässig ist. Daher wird die Erhebung und Nutzung von Angaben über krankheitsbedingte Fehlzeiten innerhalb eines bestimmten Zeitraums vom Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46/EG erfasst.

31

bb) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Anwendung der Richtlinie 95/46/EG nicht davon abhängig, ob in dem zu entscheidenden Sachverhalt ein hinreichender Zusammenhang mit der Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten oder tatsächlich ein Zusammenhang mit dem freien Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten besteht. Zur Begründung hat der Gerichtshof auf den Wortlaut von Art. 3 RL 95/46/EG verwiesen, der mit Ausnahme des in Abs. 2 bestimmten Bereichs die Verarbeitung personenbezogener Daten dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterwirft(EuGH 20. Mai 2003 - C-465/00 - [Österreichischer Rundfunk ua.] Rn. 39 ff., 44, Slg. 2003, I-4989). Von einem solchen Verständnis ist auch der deutsche Gesetzgeber ausgegangen, der mit den Regelungen in § 28 Abs. 6 bis Abs. 9 BDSG die Vorgaben aus Art. 8 RL 95/46/EG in nationales Recht umsetzen wollte (BT-Drucks. 14/4329 S. 43). Die Vorschrift ist danach unionsrechtskonform in einer Weise auszulegen, die den Vorgaben in Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 RL 95/46/EG Rechnung trägt.

32

cc) Bei einer solchen Auslegung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu berücksichtigen, dass die Harmonisierung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in der Richtlinie 95/46/EG nicht auf eine Mindestharmonisierung beschränkt ist, sondern zu einer grundsätzlich umfassenden Harmonisierung führt. Nach dem Verständnis des Gerichtshofs stellen die in der Richtlinie enthaltenen Regelungen eine erschöpfende und abschließende Liste der Fälle dar, in denen eine Verarbeitung personenbezogener Daten als rechtmäßig angesehen werden kann. Nach dem Erwägungsgrund 22 zur RL 95/46/EG können die Mitgliedstaaten in ihren Rechtsvorschriften die allgemeinen Bedingungen präzisieren, unter denen die Verarbeitungen rechtmäßig sind. Sie dürfen aber weder neue Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten einführen noch zusätzliche Bedingungen stellen, die die Tragweite der in der Richtlinie vorgesehenen Grundsätze verändern würden (vgl. zu Art. 7 RL 95/46/EG: EuGH 24. November 2011 - C-468/10 - [Asociación Nacional de Establecimientos Financieros de Crédito] Rn. 28 - 32, Eza EG-Vertrag 1999 Richtlinie 95/46 Nr. 1). Insoweit stellt die RL 95/46/EG zugleich eine Konkretisierung der in den Art. 7 und Art. 8 GRC verbürgten Rechte der von einer Datenverarbeitung betroffenen Person dar(EuGH 24. November 2011 - C-468/10 - [Asociación Nacional de Establecimientos Financieros de Crédito] Rn. 41 f., 44 f., aaO).

33

dd) Das Gebot der unionsrechtskonformen Auslegung erfordert daher eine Auslegung von § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG, die dem Arbeitgeber unter den dort bestimmten Voraussetzungen die Erfüllung seiner ihm obliegenden gesetzlichen Pflichtenstellung ermöglicht.

34

(1) Eine Ausübung rechtlicher Ansprüche als Voraussetzung einer Datenerhebung und -nutzung nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG ist unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig, wenn die Datenverarbeitung durch den Arbeitgeber aufgrund einer gesetzlich vorgesehenen Pflicht im Bereich des Arbeitsrechts erfolgt. Ein Wille des Gesetzgebers, durch die Formulierung der Voraussetzungen in § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung sensitiver Daten durch den Arbeitgeber im Bereich des Arbeitsrechts engere Grenzen als durch Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG vorgesehen zu setzen, ist nicht ersichtlich (vgl. Gola RDV 2001, 125, 127).

35

(2) Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG die unionsrechtlichen Vorgaben beachtet. Diese erlauben die Verarbeitung von Daten über die Gesundheit iSv. Art. 8 Abs. 1 RL 95/46/EG, wenn dies nach nationalem Recht zulässig ist und dieses insoweit angemessene Garantien vorsieht. Solche Garantien, die den Betroffenen vor einer unangemessenen Beeinträchtigung der Grundfreiheiten und seiner Privatsphäre schützen, sieht das BDSG bei der Verarbeitung sensitiver Daten durch den Arbeitgeber vor.

36

Die Verarbeitung von sensitiven Daten iSd. § 3 Abs. 9 BDSG ist nur bei Bestehen einer besonderen Rechtsgrundlage zulässig. Diese unterliegt den Beschränkungen in § 4 Abs. 1 BDSG, wonach die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten ohne Einwilligung des Betroffenen nur zulässig ist, soweit das BDSG selbst oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt(Gola RDV 2001, 125, 126). Nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG darf grundsätzlich nur eine Verarbeitung von Gesundheitsdaten erfolgen, wenn eine Einwilligung des betroffenen Arbeitnehmers vorliegt. Ohne dessen Einverständnis ist dem Arbeitgeber deren Verarbeitung nur gestattet, wenn nach einer am Zweck der RL 95/46/EG orientierten Interessenabwägung ein entgegenstehendes Interesse des betroffenen Arbeitnehmers nicht überwiegt. Überdies wird die Verarbeitung von sensitiven Daten durch den Arbeitgeber von einem betrieblichen Datenschutzbeauftragten kontrolliert, der auf die Einhaltung des BDSG hinwirkt und dabei dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht unterliegt (§ 4f Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, § 4 g Abs. 1 Satz 1 BDSG).

37

c) Die Erhebung und Nutzung der Angaben über die krankheitsbedingten Fehlzeiten durch den Arbeitgeber ist auch bei fehlender Einwilligung der Arbeitnehmer nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG zulässig.

38

aa) Die Durchführung eines bEM gehört zu den gesetzlichen Pflichten des Arbeitgebers auf dem Gebiet des Arbeitsrechts.

39

bb) Die Erhebung dieser Daten ist erforderlich, damit der Arbeitgeber die ihm nach § 84 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 SGB IX obliegenden Pflichten erfüllen kann. Ein bEM kann nur eingeleitet werden, wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer in dem maßgeblichen Bemessungszeitraum länger als sechs Wochen arbeitsunfähig war.

40

cc) Ein Grund zu der Annahme, dass das schutzwürdige Interesse des jeweils betroffenen Arbeitnehmers das Interesse des Arbeitgebers an der Datenerhebung überwiegt, besteht nicht.

41

Die Erhebung der Arbeitsunfähigkeitszeiten im Jahreszeitraum ist Voraussetzung für die Entscheidung des Arbeitgebers, den betroffenen Beschäftigten die Durchführung eines bEM anzubieten. Dieses Verfahren dient der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes und damit ihrer wirtschaftlichen Existenz (BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 42, BVerwGE 137, 148). Inhaltlich betrifft die Datenerhebung lediglich die Namen der Arbeitnehmer und die Feststellung, dass deren Fehlzeiten im maßgeblichen Jahreszeitraum sechs Wochen überschritten haben. Besondere Angaben über die Art und Dauer der Krankheit werden vom Arbeitgeber in der ersten Phase des bEM nicht erhoben. Überdies sind die Angaben über die Dauer der Arbeitsunfähigkeitszeiten ohnehin vorhanden, weil sie die Grundlage für die Berechnung der in diesem Zeitraum zu zahlenden Vergütung bilden (§ 3 EFZG). Ein Interesse der jeweils betroffenen Arbeitnehmer an dem Unterbleiben der Datenerhebung ist demgegenüber nicht ersichtlich. Auf das Recht des Arbeitnehmers, die Durchführung eines bEM abzulehnen, hat diese Datenerhebung keinen Einfluss.

42

d) Datenschutzrechtliche Gründe stehen der Übermittlung der vom Arbeitgeber erhobenen Daten über die Fehlzeiten der arbeitsunfähigen Arbeitnehmer an den Betriebsrat nicht entgegen.

43

aa) Die Zusammenstellung der die einzelnen Arbeitnehmer betreffenden Arbeitsunfähigkeitszeiten zu einer schriftlichen Aufstellung und deren Weitergabe an den Betriebsrat ist keine Datenübermittlung an einen Dritten, die von dem Erlaubnistatbestand in § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG nicht erfasst wird. Der Betriebsrat ist nicht als „Dritter“ iSd. § 3 Abs. 4 Nr. 3 BDSG anzusehen, der außerhalb der verantwortlichen Stelle iSd. § 3 Abs. 7 BDSG, also des Unternehmens steht. Vielmehr ist er selbst Teil dieser Stelle (zu § 3 BDSG aF: BAG 3. Juni 2003 - 1 ABR 19/02 - zu B II 2 a bb [3] [a] der Gründe, BAGE 106, 188) und hat die betrieblichen und gesetzlichen Datenschutzbestimmungen einzuhalten (vgl. BAG 12. August 2009 - 7 ABR 15/08 - Rn. 27, BAGE 131, 316), zu denen insbesondere die Wahrung des Datengeheimnisses (§ 5 Satz 1 BDSG) gehört.

44

bb) Überwiegende schutzwürdige Interessen iSd. § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG der betroffenen Arbeitnehmer stehen der Bekanntgabe ihrer Namen gegenüber dem Betriebsrat nicht entgegen.

45

(1) Zwar handelt es nicht um betriebsöffentliche Daten, die allen Arbeitnehmern und damit auch dem Betriebsrat bekannt sind. Dennoch ist der auf Krankheit beruhende Arbeitsausfall wegen der dadurch ausgelösten Notwendigkeit einer Vertretung regelmäßig im Betrieb bekannt.

46

(2) Weiterhin verstärkt die Überwachung der dem Arbeitgeber durch § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX auferlegten Verpflichtung die mit der Einführung des bEM verbundene Erwartung des Gesetzgebers, den betroffenen Arbeitnehmern durch das Angebot eines besonderen Präventionsverfahrens möglichst ihren Arbeitsplatz zu erhalten. Der Gesetzgeber konnte auch davon ausgehen, dass der Betriebsrat als Vertreter der Belegschaft die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber in geeigneter Weise wahrnimmt. Das durch Art. 8 Abs. 1 GRC gewährleistete Recht auf Schutz der eine Person betreffenden personenbezogenen Daten wird ausreichend dadurch gewahrt, dass der Betriebsrat in Bezug auf Gesundheitsdaten der Arbeitnehmer nicht nur dem Datengeheimnis, sondern auch einer strafbewehrten Verschwiegenheitspflicht unterliegt(§ 79 Abs. 1, § 120 Abs. 2 BetrVG) und die eigentliche Durchführung des bEM mit der damit verbundenen Erörterung der besonders sensiblen Krankheitsdaten von einer weiteren Belehrung des Arbeitgebers und der Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer abhängig ist. Ebenso wie ein Arbeitnehmer aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht beanspruchen kann, dass bestimmte Mitarbeiter im Rahmen ihrer Arbeitsaufgabe mit der Verarbeitung seiner persönlichen Daten nicht befasst werden, kann er auch nicht verlangen, dass eine ebensolche Übermittlung an den Betriebsrat unterbleibt.

47

e) Eines Vorabentscheidungsersuchens zur Auslegung der RL 95/46/EG an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es nicht (vgl. zur Vorlagepflicht der nationalen Gerichte BVerfG 2. Senat 2. Kammer 21. November 2011 - 2 BvR 516/09, 2 BvR 52 BvR 535/09 - Rn. 23 ff., NJW 2012, 598; 1. Senat 2. Kammer 24. Oktober 2011 - 1 BvR 1103/11 - Rn. 11 f., NZA 2012, 202). Die hier entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs hinreichend geklärt. Dies gilt für den Geltungsbereich der Richtlinie, ihren Normzweck und die für die nationalen Gerichte bei der einzelfallbezogenen Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände.

48

aa) Die RL 95/46/EG eröffnet dem nationalen Gesetzgeber durch Art. 5 Handlungsspielräume, aufgrund derer er die in Art. 6 bis Art. 8 RL 95/46/EG festgelegten Grundsätze näher bestimmen kann. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind die Mechanismen, die eine Abwägung der verschiedenen Rechte und Interessen ermöglichen, zum einen in der RL 95/46/EG selbst festgelegt, soweit diese Vorschriften enthält, die bestimmen, in welchen Situationen und in welchem Umfang die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist und welche Schutzvorkehrungen vorzusehen sind. Zum anderen eröffnen viele der in der RL 95/46/EG verhältnismäßig allgemein gehaltenen Bestimmungen den Mitgliedstaaten einen Handlungsspielraum bei der Umsetzung in nationales Recht oder eine Auswahl zwischen den in der Richtlinie festgelegten Optionen (EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 82 f., Slg. 2003, I-12971). Dieses Zusammenspiel zwischen den zwingenden Richtlinienvorgaben und dem nationalen Recht überlässt den nationalen Gerichten den erforderlichen Spielraum, um bei der hier in Rede stehenden einzelfallbezogenen Anwendung der die RL 95/46/EG umsetzenden nationalen Regelung einen angemessenen Ausgleich zwischen den mit der Richtlinie verfolgten Zwecken herzustellen (EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 85, aaO). Dem entsprechend hat der Senat bei der Interessenabwägung im Rahmen des § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG berücksichtigt, dass es nach den Erwägungsgründen Nr. 33, 34 der RL 95/46/EG deren Ziel ist, bei der Verarbeitung von besonders sensiblen Datenkategorien einen möglichst weitgehenden Schutz der Beeinträchtigung der Grundfreiheiten und der Privatsphäre zu gewährleisten, andererseits es aber auch dem Arbeitgeber zu ermöglichen, eine gesetzliche Pflichtenstellung zu erfüllen, die ihm im Wesentlichen zugunsten des betroffenen Beschäftigten auferlegt worden ist.

49

bb) Ob der Arbeitgeber nach Unionsrecht überhaupt berechtigt ist, sich unter Berufung auf die Grundrechtspositionen der betroffenen Arbeitnehmer einer Weitergabe der für die Überwachungsaufgabe erforderlichen Daten an den Betriebsrat zu entziehen, bedarf angesichts der fehlenden Entscheidungserheblichkeit dieser Frage keiner Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.

50

VI. Es bedarf keiner Entscheidung, ob das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Übermittlung der Namen von Arbeitnehmern mit krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen im vorangegangenen Jahreszeitraum an den Betriebsrat entgegensteht. Der Arbeitgeber ist nicht befugt, sich gegenüber dem Überwachungsrecht des Betriebsrats auf Grundrechte von Arbeitnehmern zu berufen (vgl. BAG 20. Dezember 1995 - 7 ABR 8/95 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 82, 36).

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Hayen    

        

    Hann    

                 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 2. Dezember 2009 - 4 TaBV 61/07 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über einen Online-Zugriff auf Dateien mit personenbezogenen Arbeitnehmerdaten.

2

Die Arbeitgeberin ist ein Versicherungsunternehmen. Antragsteller ist der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat. Die Beteiligten schlossen im Jahr 1999 eine EDV-Rahmenbetriebsvereinbarung (EDV-RahmenBV). Nach § 10 Nr. I Abs. 1 EDV-RahmenBV ist zur Gewährleistung der Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter jegliche automatisierte Verarbeitung von mitarbeiterbezogenen oder -beziehbaren Daten sowie deren Weitergabe an Dritte nur im Rahmen einer datenschutzrechtlich vorgesehenen Zweckbestimmung zulässig. Ohne Wissen der Mitarbeiter dürfen keine Vorrichtungen zur quantitativen und qualitativen Leistungskontrolle verwendet werden (§ 10 Nr. I Abs. 3 EDV-RahmenBV). §§ 11, 14 EDV-RahmenBV lauten:

        

§ 11 

        

Kontrollrechte

        

(1)     

Der GBR ist jederzeit berechtigt, die Einhaltung dieser Betriebsvereinbarung und ggf. ergänzender anwendungsbezogener Vereinbarungen zu überprüfen. Zu diesem Zweck hat er auch ein Zutrittsrecht zu den EDV-Abteilungen und -räumen. Zur Wahrnehmung dieses Zutrittsrechts erfolgt durch den GBR eine zeitnahe Information an die zuständigen Fachabteilungen. Dem GBR werden zur Wahrnehmung seiner Kontrollrechte Ansprechpartner aus diesen Fachabteilungen benannt. Der GBR hat das Recht, einen Informationsaustausch mit den DV-Abteilungen vorzunehmen.

        

(2)     

Der GBR kann, wenn er dies für die Wahrnehmung seiner Kontrollrechte für notwendig erachtet, den Datenschutzbeauftragten oder die für die DV-Revision zuständigen Mitarbeiter/innen hinzuziehen. ...

        

(3)     

Der GBR kann jederzeit in die nach § 37 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vorgesehenen Übersichten (Dateien) Einsicht nehmen.

        

(4)     

Der GBR hat das Recht

                 

-       

alle Systemunterlagen einzusehen und sich erläutern zu lassen,

                 

-       

die für die Abrechnung der Rechnerleistung erstellten Listen einzusehen,

                 

-       

die vergebenen Benutzer- und Terminalberechtigungen im System einzusehen.

        

(5)     

Soweit in den Entwicklungssystemen Referenzen der Entwicklungsobjekte (z. B. Programme, Copy-Books, Dateiaufbauten, Datenfelder) hinterlegt sind, können sie abgerufen werden.

                 

Der GBR kann sich jederzeit an die zuständige Fachabteilung, die das entsprechende Anwendungssystem kennt, wenden, um sich die Nutzung der Objekte untereinander aufzeichnen und erläutern zu lassen.

        

§ 14   

        

Gemeinsame Kommission

        

Zur Begleitung der Umsetzung dieser Betriebsvereinbarung und zur Regelung von Streitigkeiten wird eine paritätisch besetzte Kommission gebildet. Sie setzt sich aus je drei Vertretern des Arbeitgebers und drei Vertretern des GBR zusammen. Bei Bedarf können sachverständige Personen beigezogen werden. Die Vertreter des GBR haben das Recht, Rücksprache mit dem jeweils betroffenen BR-Gremium zu halten.

        

Auf Verlagen einer der beiden Vertragsparteien tritt die Kommission sobald als möglich zusammen. Die Kommission ist bestrebt, eine Klärung innerhalb eines Zeitraums von einem Monat herbeizuführen.

        

Kommt in der gemeinsamen Kommission eine Einigung nicht zustande, richtet sich das weitere Verfahren nach § 76 BetrVG.“

3

In einer Sitzung des vom Gesamtbetriebsrat gebildeten Kontrollausschusses im März 2004 wurde berichtet, dass ein Gruppenleiter den Inhalt eines im MS-Excel-Format erstellten Dokuments mit leistungsbezogenen Daten seiner Mitarbeiter vor diesen kommuniziert haben soll. Diesen Vorfall nahm der Kontrollausschuss zum Anlass, die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 9. Dezember 2005 aufzufordern, ihm alle auf MS-Excel basierenden Dateien aus den Betrieben der Region Nord mit personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen. In der Region Nord waren zu diesem Zeitpunkt etwa 764 Mitarbeiter beschäftigt, davon 88 Führungskräfte. Weiterhin forderte der Gesamtbetriebsrat von der Arbeitgeberin, ihm Einsicht in drei persönliche Laufwerke von Mitarbeitern der Personalabteilung zu gewähren sowie mitzuteilen, wie und wo Zugriffe auf dem Exchange-Server protokolliert und gespeichert werden. Das lehnte die Arbeitgeberin ab.

4

Der Gesamtbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, das von ihm beanspruchte Kontrollrecht ergebe sich aus § 11 EDV-RahmenBV sowie aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Bei den in § 11 EDV-RahmenBV normierten Kontrollrechten handele es sich nicht um eine abschließende Aufzählung. Mit dem Zugriff auf die persönlichen Laufwerke von Mitarbeitern der Personalabteilung wolle er erforschen, welche mitarbeiterbezogenen Daten sich dort befinden. Einer Einwilligung der hiervon betroffenen Arbeitnehmer bedürfe es nicht.

5

Der Gesamtbetriebsrat hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihm auf Dateien im Format *.xls oder anderen, mit MS-Excel verarbeitbaren Formaten lesenden Zugriff zu gewähren,

                 

-       

die sich in Unterverzeichnissen befinden, die solchen Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern organisatorisch zugeordnet sind, die regelmäßig in Betrieben der Region Nord der Arbeitgeberin (KBC Hamburg einschließlich sogenannter Satelliten, KBC Berlin, AS 10, 12, 13, 25, 29, 40 und 41) tätig sind, und

                 

-       

in denen die personenbezogenen Daten Name, Geburtsdatum, Personalnummer und/oder Orga-Nummer einzeln oder gemeinsam mit weiteren numerischen Daten erfasst, gespeichert oder verarbeitet werden,

                 

-       

einschließlich aller seit dem 30. November 2005 gelöschten, aber unter Einsatz technischer Mittel wieder herstellbarer Dateien mit einem derartigen Anforderungsprofil,

        

2.    

die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihm lesenden Zugriff auf jeweils drei von der Arbeitgeberin zu benennende persönliche Laufwerke der Gruppen aus den Bereichen PA 20 und PA 30 über den Systemadministrator oder in Gegenwart des betreffenden Mitarbeiters zu gewähren.

6

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Ihnen fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil das in § 14 EDV-RahmenBV vorgesehene Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden sei und der Gesamtbetriebsrat sich nicht genügend um eine außergerichtliche Verständigung bemüht habe. Für den von ihm beanspruchten Online-Zugriff fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Die Durchführung der Suche nach Dateien mit personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer sei mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden. Außerdem stehe einem Online-Zugriff des Gesamtbetriebsrats auf die Dateien von Mitarbeitern der Personalabteilung das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer entgegen.

7

Das Arbeitsgericht hat den in der Rechtsbeschwerdeinstanz angefallenen Anträgen des Gesamtbetriebsrats weitgehend entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Beschwerde der Arbeitgeberin abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Gesamtbetriebsrat seine zuletzt gestellten Anträge weiter.

8

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat beide Anträge des Gesamtbetriebsrats zu Recht abgewiesen.

9

I. Die Anträge sind zulässig.

10

1. Die Anträge bedürfen der Auslegung.

11

a) Mit dem Antrag zu 1 möchte der Gesamtbetriebsrat erreichen, dass die Arbeitgeberin zu einem von ihr zu bestimmenden Stichtag die in den Betrieben der Region Nord im Format MS-Excel oder mit diesem Programm verarbeitbaren Formaten erstellten Dateien durch einen maschinellen Suchprozess ermittelt und dem Gesamtbetriebsrat ohne weitere Vorprüfung zum einmaligen Öffnen und Lesen an einem Datenlesegerät zur Verfügung stellt. Der Antrag zu 1 ist beschränkt auf Dateien, die von Arbeitnehmern erstellt worden sind, die den Betrieben der Region Nord zu dem gewählten Stichtag organisatorisch zugeordnet sind. Der Suchlauf soll sich auf sämtliche in diesen Betrieben vorhandenen Laufwerke beziehen. Werden die aufgefundenen Dateien nach dem Stichtag verändert, soll sich die Einsichtnahmemöglichkeit auf den geänderten Dateiinhalt erstrecken. Die im Antrag zu 1 bezeichneten personenbezogenen Daten stehen dabei in einem Alternativverhältnis zueinander. Der Gesamtbetriebsrat begehrt einen lesenden Zugriff auf solche im Format MS-Excel erstellten oder verarbeitbaren Dateien, in denen bereits eine der aufgeführten Angaben (Name, Geburtsdatum, Personalnummer, Orga-Nummer) enthalten ist. Eine Ausnahme für Dateien, die sowohl Kundendaten wie auch personenbezogene Arbeitnehmerdaten enthalten, ist nicht vom Antragsverständnis des Gesamtbetriebsrats umfasst. Sein Auskunftsverlangen ist in zeitlicher Hinsicht beschränkt auf die am Stichtag vorhandenen Dateien einschließlich aller seit dem 30. November 2005 gelöschter Dateien, sofern deren Inhalt physisch wiederhergestellt werden kann. Die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Gewährung eines lesenden Zugriffs soll entfallen, wenn die Dateien tatsächlich nicht mehr oder nur durch unverhältnismäßigen technischen Aufwand wiederherstellbar sind.

12

b) Mit dem Antrag zu 2 möchte der Gesamtbetriebsrat über einen von der Arbeitgeberin benannten Mitarbeiter einen Online-Zugriff auf die persönlichen Laufwerke von drei in der Personalabteilung tätigen Arbeitnehmern erhalten. Auf diesen will er selbst nach Dateien suchen, die leistungsbezogene Arbeitnehmerdaten enthalten. Der Gesamtbetriebsrat hat in der Anhörung vor dem Senat klargestellt, dass es ihm entgegen seinen Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung nicht nur darum geht, die erfolgten Zugriffe auf die persönlichen Laufwerke zu kontrollieren, sondern weitergehend zu erforschen, welche mitarbeiterbezogenen oder -beziehbaren Daten sich in den dort gespeicherten Dateien befinden. Nach dem Antragsverständnis des Gesamtbetriebsrats soll ihm der Zugriff unabhängig von dem Einverständnis der betroffenen Arbeitnehmer ermöglicht werden.

13

2. Mit diesem Inhalt sind die Anträge hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

14

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss ein Antrag auch im Beschlussverfahren so bestimmt sein, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Im Falle einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung muss für den in Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennbar sein, was von ihm verlangt wird. Die Prüfung, welche Maßnahmen der Schuldner vorzunehmen oder zu unterlassen hat, darf grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG 15. März 2011 - 1 ABR 112/09 - Rn. 12, NZA-RR 2011, 462).

15

b) Beide Anträge genügen diesen Anforderungen. Der Antrag zu 1 lässt den Umfang der Dateien erkennen, nach denen die Arbeitgeberin suchen soll. Die Art der Dateien ist durch die Einschränkung auf MS-Excel-Dateien, in denen die im Antrag zu 1 aufgeführten personenbezogenen Daten enthalten sind, hinreichend bestimmt. Die Arbeitgeberin kann erkennen, welche Dateien sie durch einen Suchprozess finden und dem Gesamtbetriebsrat für einen Online-Zugriff zur Verfügung stellen soll. Mit dem Antrag zu 2 verlangt der Gesamtbetriebsrat in hinreichend bestimmter Weise über eine berechtigte Person die Einräumung einer elektronischen Leseberechtigung für die Dateien auf den persönlichen Laufwerken.

16

3. Der Zulässigkeit der Anträge steht § 14 EDV-RahmenBV nicht entgegen.

17

a) Ein Antrag im Beschlussverfahren zur Klärung einer betriebsverfassungsrechtlichen Meinungsverschiedenheit ist unzulässig, wenn sich die Betriebsparteien verpflichtet haben, in einem solchen Konfliktfall zunächst über ein förmliches Verfahren eine innerbetriebliche Einigung zu versuchen. Ein solches Vorverfahren ist keine nach § 4 ArbGG unzulässige Schiedsvereinbarung, sondern eine den Betriebsparteien durch § 76 Abs. 6 BetrVG eröffnete Möglichkeit, eine innerbetriebliche Streitigkeit ohne Anrufung der Arbeitsgerichte beizulegen(BAG 20. November 1990 - 1 ABR 45/89 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 66, 243).

18

b) Es kann dahinstehen, ob auch ein auf § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gestütztes Auskunftsverlangen von der Einhaltung eines solchen Vorverfahrens abhängig gemacht werden kann. Die in § 14 EDV-RahmenBV bestimmten Voraussetzungen für den Zusammentritt der Gemeinsamen Kommission liegen nicht vor. Deren Tätigkeit ist von einem Verlangen einer der Betriebsparteien abhängig, an dem es vorliegend fehlt. Weder der Gesamtbetriebsrat noch die Arbeitgeberin haben den Zusammentritt der Gemeinsamen Kommission beantragt. Überdies erstreckt sich deren Zuständigkeit nicht auf die Entscheidung über den Umfang eines Auskunftsanspruchs, sondern nur auf Regelungsfragen, was aus der Verweisung auf das Einigungsstellenverfahren in § 14 Unterabs. 3 EDV-RahmenBV folgt.

19

4. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin sind die Anträge nicht wegen des von ihr behaupteten Verstoßes gegen die Einlassungs- und Erörterungspflicht des § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG unzulässig. Eine Verletzung dieser Pflicht löst diese Rechtsfolge nicht aus.

20

II. Die Anträge des Gesamtbetriebsrats sind unbegründet.

21

1. Der Gesamtbetriebsrat kann nicht die Einrichtung eines Online-Zugriffs auf die im Antrag zu 1 bezeichneten Dateien verlangen, die sich auf den Laufwerken der den Betrieben der Region Nord zugeordneten Arbeitnehmer befinden.

22

a) Der Anspruch folgt nicht aus § 11 EDV-RahmenBV.

23

aa) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EDV-RahmenBV ist der Gesamtbetriebsrat jederzeit berechtigt, die Einhaltung dieser Betriebsvereinbarung und ggf. ergänzender anwendungsbezogener Vereinbarungen zu überprüfen. Zu diesem Zweck hat er auch ein Zutrittsrecht zu den EDV-Abteilungen und -räumen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 EDV-RahmenBV). Darüber hinaus werden ihm in § 11 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 bis 5 EDV-RahmenBV weitere besondere Kontrollbefugnisse eingeräumt. Dazu gehören der Informationsaustausch mit Mitarbeitern der DV-Abteilungen sowie der zuständigen Fachabteilungen (§ 11 Abs. 1 Satz 5, Abs. 5 Unterabs. 2), die Hinzuziehung des Datenschutzbeauftragten und von Mitarbeitern der DV-Revision (§ 11 Abs. 2 Satz 1), besondere Einsichtnahmerechte (§ 11 Abs. 3 und Abs. 4) sowie der Abruf von Referenzen der Entwicklungsobjekte (§ 11 Abs. 5 Unterabs. 1).

24

bb) Allerdings ist der Wortlaut von § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 EDV-RahmenBV nicht eindeutig. Er kann im Sinne einer umfassenden Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Kontrolle der im Geltungsbereich der EDV-RahmenBV vorgenommenen Datenverarbeitung verstanden werden, von der auch ein Online-Zugriff auf bestimmte Dateien umfasst wäre. Für diese Sichtweise spricht insbesondere die Verwendung des anknüpfenden Partikels „auch“ in § 11 Abs. 1 Satz 2 EDV-RahmenBV. Die weiteren in § 11 EDV-RahmenBV aufgeführten Durchführungswege für die Kontrolle wären dann im Sinne einer beispielhaften Aufzählung ohne abschließenden Charakter zu verstehen. Der Wortlaut lässt aber ebenso ein Verständnis zu, wonach der Gesamtbetriebsrat bei seiner Kontrolle auf die in § 11 EDV-RahmenBV aufgeführten Durchführungswege beschränkt ist, zu denen ein Online-Zugriff nicht gehört.

25

cc) Für eine abschließende Aufzählung der dem Gesamtbetriebsrat zur Verfügung stehenden Kontrollrechte spricht die Entstehungsgeschichte von § 11 EDV-RahmenBV.

26

Nach der vom Gesamtbetriebsrat vorgelegten Synopse über das Zustandekommen der EDV-RahmenBV hat dieser die in § 11 EDV-RahmenBV angeführten Kontrollmöglichkeiten selbst nicht als nur generalklauselartige Aufzählung seiner Kontrollrechte verstanden. Er hat ursprünglich neben den später in § 11 Abs. 2 bis Abs. 5 EDV-RahmenBV normierten Rechten ein „uneingeschränktes Zutrittsrecht zu allen Geräten der Informations- und Kommunikationstechniken“ gefordert. Daneben sollten alle Mitarbeiter, die an oder mit Informations- und Kommunikationstechniken arbeiten, ihm gegenüber auskunftsberechtigt und auskunftspflichtig sein. Mit diesem Vorschlag, der ihm ein umfassendes Kontrollrecht eingeräumt hätte, hat sich der Gesamtbetriebsrat im weiteren Verhandlungsverlauf nicht durchsetzen können. Das in § 11 Abs. 1 Satz 2 EDV-RahmenBV vereinbarte Zutrittsrecht beschränkt sich räumlich und gegenständlich auf die EDV-Abteilungen und -räume. Daher kann die Verwendung des Partikels „auch“ nur dahingehend verstanden werden, dass dieses Zutrittsrecht neben die in § 11 Abs. 2 bis Abs. 5 EDV-RahmenBV aufgeführten Kontrollmöglichkeiten tritt, die ihrerseits aber eine abschließende Aufzählung darstellen. Auf § 11 Abs. 1 EDV-RahmenBV hat der Gesamtbetriebsrat sein Auskunftsverlangen auch zuletzt selbst nicht mehr gestützt.

27

b) Der Gesamtbetriebsrat kann die Einrichtung eines Online-Zugriffs nicht zur Wahrnehmung eines gesetzlichen Überwachungsrechts verlangen.

28

aa) Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und nach Satz 2 auf Verlangen die zur Durchführung der Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Verpflichtung geht ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats einher, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist (BAG 15. März 2011 - 1 ABR 112/09 - Rn. 23, NZA-RR 2011, 462).

29

bb) Der Gesamtbetriebsrat ist nicht Träger des allein in Betracht kommenden Überwachungsrechts aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Für dessen Wahrnehmung ist allein der Betriebsrat zuständig.

30

(1) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen den auf der Betriebs- und Unternehmensebene errichteten Arbeitnehmervertretungen richtet sich nach § 50 BetrVG. Dem Gesamtbetriebsrat ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur die Behandlung von Angelegenheiten zugewiesen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Die Zuständigkeitsverteilung nach dieser Vorschrift betrifft aber nur die im Betriebsverfassungsgesetz geregelten Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte, bei denen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Regelungsbefugnis eröffnet ist. Bei Beteiligungssachverhalten, die einer weiteren Ausgestaltung durch die Betriebsparteien nicht zugänglich sind oder einer solchen nicht bedürfen, findet § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG keine Anwendung, so dass es bei der Zuständigkeit des Betriebsrats verbleibt. Dies betrifft etwa die Geltendmachung von Rechtsansprüchen, die allein vom Vorliegen der im Gesetz bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig sind (vgl. für die Pflicht zur Ausschreibung von Arbeitsplätzen nach § 93 BetrVG: BAG 1. Februar 2011 - 1 ABR 79/09 - Rn. 26, EzA BetrVG 2001 § 93 Nr. 1).

31

(2) Zu diesen Beteiligungssachverhalten gehört auch die Wahrnehmung des Überwachungsrechts nach § 80 Abs. 1 BetrVG. Dessen Ausübung ist nicht von einer Vereinbarung oder einem Einvernehmen mit dem Arbeitgeber, sondern ausschließlich von dem Vorliegen zumindest eines der dort aufgeführten Katalogtatbestände des § 80 Abs. 1 BetrVG abhängig. Zu diesen zählt die in § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG normierte Pflicht, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Das Überwachungsrecht ist nicht vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte abhängig. Der Betriebsrat entscheidet allein, ob und auf welche Weise er seine Überwachungsaufgabe wahrnimmt. Die gesetzliche Aufgabenzuweisung an den Betriebsrat bleibt bestehen, wenn der Gesamtbetriebsrat im Rahmen seiner Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit eine Betriebsvereinbarung abschließt(BAG 20. Dezember 1988 - 1 ABR 63/87 - zu B II 1 c der Gründe, BAGE 60, 311). Für dieses Verständnis spricht, dass der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht nur über die Einhaltung seiner eigenen Regelungen zu wachen hat, sondern auch über die anderer Normgeber.

32

(3) Entgegen der vom Gesamtbetriebsrat in der Anhörung vertretenen Auffassung folgt seine Zuständigkeit zur Überwachung der von ihm abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarungen nicht aus § 51 Abs. 5 BetrVG. Danach gelten die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats entsprechend für den Gesamtbetriebsrat, soweit dieses Gesetz keine besonderen Vorschriften enthält. § 51 Abs. 5 BetrVG erklärt in Form einer Generalklausel die für den Betriebsrat bestehenden Geschäftsführungsvorschriften für entsprechend anwendbar, soweit diese nicht bereits an anderer Stelle im Betriebsverfassungsgesetz ausgestaltet worden sind. Danach hat der Gesamtbetriebsrat bei seiner Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber etwa den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) ebenso zu beachten wie den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG(Fitting 25. Aufl. § 51 Rn. 62). § 51 Abs. 5 BetrVG regelt nicht die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats, sondern nach der Regelungssystematik der für ihn geltenden Vorschriften nur seine Geschäftsführung. Der Gesamtbetriebsrat wird nur Träger der dem Betriebsrat zustehenden Rechte und Pflichten, wenn er entweder nach § 50 BetrVG oder nach anderen Vorschriften für die Behandlung der Angelegenheit zuständig ist.

33

c) Der vom Gesamtbetriebsrat konkret geltend gemachte Online-Zugriff überschreitet zudem die Grenzen des Informationsrechts aus § 80 Abs. 2 BetrVG.

34

aa) Will der Betriebsrat seiner gesetzlichen Überwachungspflicht nach § 80 Abs. 1 BetrVG nachkommen, verschafft ihm § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG einen Anspruch auf Vorlage solcher Unterlagen, die für die Erledigung dieser Aufgaben erforderlich sind. Die Voraussetzungen dieses Informationsrechts, mit dem eine entsprechende Informationspflicht des Arbeitgebers korrespondiert, hat der Betriebsrat darzulegen. Anhand seiner Angaben kann der Arbeitgeber und im Konfliktfall das Arbeitsgericht prüfen, ob die Voraussetzungen der Vorlagepflicht im Hinblick auf die gewünschten Unterlagen gegeben sind.

35

bb) Nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG erfüllt der Arbeitgeber den Anspruch des Betriebsrats durch die Vorlage von Unterlagen, in der die verlangten Informationen verkörpert sind. Unterlagen haben einen feststehenden Inhalt und sind Veränderungen - auch nachträglicher Art - nicht zugänglich. Das erlaubt dem Arbeitgeber die Prüfung, ob aus der verlangten Unterlage Angaben hervorgehen, die in keinem Zusammenhang mit der geltend gemachten Überwachungsaufgabe oder einer anderen Betriebsratsaufgabe stehen. Solche Angaben kann der Arbeitgeber unkenntlich machen. Insoweit billigt ihm das Betriebsverfassungsgesetz ein Vorprüfungsrecht zu, das allerdings der arbeitsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Das kann zur Folge haben, dass eine Unterlage ggf. nur in Auszügen zur Verfügung zu stellen ist, soweit in ihr Informationen verkörpert sind, auf die sich der Vorlageanspruch des Betriebsrats nicht erstreckt (BAG 17. März 1983 - 6 ABR 33/80 - zu II 2 der Gründe, BAGE 42, 113).

36

cc) Unterlagen iSd. § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG sind die beim Arbeitgeber vorhandenen schriftlichen Aufzeichnungen. Zu diesen gehören auch die bei ihm in Datenverarbeitungsanlagen vorhandenen Dateien, die der vorlageverpflichtete Arbeitgeber auszudrucken und dem Betriebsrat auszuhändigen hat. Verlangt der Betriebsrat die Kenntnis von Angaben aus einer konkreten Datei, kann der Arbeitgeber seiner Vorlagepflicht auch durch das Einräumen einer stichtagsbezogenen Leseberechtigung genügen, wenn er zugleich sicherstellt, dass die betroffene Datei in diesem Zustand dem Betriebsrat für die Ausübung seines Überwachungsrechts zugänglich bleibt. In einem solchen Fall kennt der Arbeitgeber den Inhalt der Datei und kann sein Vorprüfungsrecht ausüben.

37

dd) Danach ist der vom Gesamtbetriebsrat begehrte Online-Zugriff nicht mehr von dem betriebsverfassungsrechtlichen Informationsrecht umfasst. Der geforderte lesende Zugriff nimmt der Arbeitgeberin das Wahlrecht aus § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG, den Anspruch durch den Ausdruck des vorlagepflichtigen Dateiinhalts zu erfüllen. Ebenso lässt er ihr Vorprüfungsrecht unberücksichtigt. Die Arbeitgeberin könnte bei einem Online-Zugriff die Übermittlung nicht auf die vorlagepflichtigen Angaben beschränken, weil sich nach dem Antragsverständnis des Gesamtbetriebsrats seine Leseberechtigung uneingeschränkt auf alle Dateien erstreckt, die allein den von ihm benannten Kennungen entsprechen.

38

d) Auf die zwischen den Beteiligten in den Vorinstanzen erörterten Fragen nach der Erforderlichkeit des begehrten Online-Zugriffs kommt es danach nicht mehr an. Ebenso war nicht zu entscheiden, ob einem solchen Zugriffsrecht Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer entgegengestanden hätten.

39

2. Der Antrag zu 2, mit dem der Gesamtbetriebsrat einen Online-Zugriff auf die persönlichen Laufwerke von drei Mitarbeitern der Personalabteilung beansprucht, unterliegt aus den gleichen Gründen wie der Antrag zu 1 der Abweisung. Für die Wahrnehmung des Überwachungsrechts besteht keine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats. Ebenso fehlt es für einen lesenden Zugriff an einer Anspruchsgrundlage.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Platow    

        

    Benrath    

                 

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12. Mai 2010 - 8 TaBV 4/10 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Nutzung von Parkflächen.

2

Die Arbeitgeberin betreibt den Flughafen K. Sie beschäftigt rund 1.840 Mitarbeiter, die überwiegend im Sicherheitsbereich tätig sind. Antragsteller ist der bei ihr gebildete Betriebsrat.

3

Die Arbeitgeberin stellt für ihre am Unternehmensstandort beschäftigten Mitarbeiter kostenlos Parkplätze zum Abstellen der Privat-Pkw zur Verfügung. Der überwiegende Teil der Parkflächen befindet sich außerhalb des Sicherheitsbereichs des Flughafens. Beschäftigte, die dort geparkt haben, müssen sich zunächst einer Sicherheitskontrolle unterziehen und danach zu Fuß oder per Shuttle den Weg zu ihrem Arbeitsplatz zurücklegen. Der andere Teil der Parkplätze befindet sich innerhalb des Sicherheitsbereichs des Flughafens. Mitarbeiter, die dort ihr Fahrzeug parken, können mit diesem in den Sicherheitsbereich einfahren und ihren Wagen dort abstellen.

4

Die Arbeitgeberin legte im Schreiben vom 6. Februar 2009 fest, dass die im Sicherheitsbereich gelegenen Parkplätze von Mitgliedern der GBL-Runde, Assistent/innen der Geschäftsführung, Abteilungs- und Stabsstellenleitern mit einem Arbeitsplatz im Sicherheitsbereich, schwerbehinderten Arbeitnehmern, deren Ausweis einen bestimmten Vermerk trägt, sowie am Wochenende von Mitgliedern der Werksfeuerwehr genutzt werden dürfen.

5

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die im Schreiben vom 6. Februar 2009 erfolgte Festlegung des Personenkreises, der die im Sicherheitsbereich gelegenen Parkplätze benutzen darf, habe nur mit seiner Zustimmung getroffen werden dürfen.

6

Der Betriebsrat hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung - beantragt,

        

1.    

der Arbeitgeberin aufzugeben, die Festlegung vom 6. Februar 2009 betreffend die Berechtigung zum Parken im Sicherheitsbereich auf dem Betriebsgelände der Arbeitgeberin aufzuheben,

        

2.    

der Arbeitgeberin aufzugeben, es künftig zu unterlassen, einseitig ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats festzulegen, welche Arbeitnehmer/innen berechtigt sind, mit dem Pkw in den Sicherheitsbereich zu fahren und dort zu parken.

7

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts in Abrede gestellt und überdies gemeint, ein etwaiges Beteiligungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG sei wegen des Gesetzesvorbehalts in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen. Der Zugang zu den im Sicherheitsbereich gelegenen Parkflächen werde insbesondere durch die zum Schutz des Luftverkehrs ergangene Verordnung (EU) Nr. 185/2010 vom 4. März 2010 beschränkt. Deren Vorgaben eröffneten ihr keinen Gestaltungsspielraum für eine betriebliche Regelung.

8

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen und den erstinstanzlichen Tenor dahingehend klargestellt, dass vom Antrag zu 1 nicht die Mitglieder der GBL-Runde erfasst werden und sich der Antrag zu 2 nur auf die Parkberechtigung für Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs. 1 BetrVG bezieht. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter.

9

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Anträgen des Betriebsrats zu Recht entsprochen.

10

I. Die Anträge sind zulässig, bedürfen aber der Auslegung.

11

1. Mit dem zu 1 erhobenen Antrag möchte der Betriebsrat die Beseitigung der Folgen des aus seiner Sicht mitbestimmungswidrigen Handelns der Arbeitgeberin erreichen, während der Antrag zu 2 auf die künftige Beachtung seines Beteiligungsrechts gerichtet ist. Aus Sicht des Betriebsrats besteht die mitbestimmungswidrige Maßnahme der Arbeitgeberin darin, nur dem im Schreiben vom 6. Februar 2009 bezeichneten Arbeitnehmerkreis die Benutzung der im Sicherheitsbereich gelegenen Parkflächen zu gestatten. Die Anträge betreffen danach Assistent/innen der Geschäftsführung, Abteilungs- und Stabsstellenleiter, deren Arbeitsplatz im Sicherheitsbereich liegt, schwerbehinderte Arbeitnehmer, deren Ausweis einen gesonderten Vermerk enthält, sowie Mitglieder der Werksfeuerwehr. Hingegen verlangt der Betriebsrat nicht, dass die Arbeitgeberin diesen Arbeitnehmern das Einfahren in den Sicherheitsbereich untersagt. Das Ziel der vom Betriebsrat erhobenen Anträge ist daher entgegen dem ursprünglichen Antragswortlaut darauf gerichtet, dass die Arbeitgeberin die Gestattung der Parkplatznutzung im Sicherheitsbereich für die von den Anträgen erfassten Arbeitnehmergruppen widerruft und eine solche bis zum Zustandekommen einer mitbestimmten Regelung nicht erneut erteilt. Diesem Begehren hat das Landesarbeitsgericht durch die Neufassung des arbeitsgerichtlichen Tenors ausreichend Rechnung getragen. Der Betriebsrat hat in der Anhörung vor dem Senat zudem klargestellt, dass sein Antrag nicht das Abstellen von Fahrzeugen auf den dort gelegenen Parkflächen erfasst, wenn die Fahrzeuge im Rahmen einer Dienstfahrt eingesetzt werden.

12

2. Mit diesem Inhalt sind die Anträge hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Auf der Grundlage eines entsprechenden Titels kann überprüft werden, ob das Abstellen eines Fahrzeugs im Sicherheitsbereich auf einer Gestattung der Arbeitgeberin beruht und diese damit gegen ihre Beseitigungs- und Unterlassungsverpflichtung verstoßen hat oder nicht.

13

II. Die Anträge sind begründet. Die Arbeitgeberin ist verpflichtet, die mit Schreiben vom 6. Februar 2009 erteilte Erlaubnis zur Nutzung der im Sicherheitsbereich gelegenen Parkplätze zu widerrufen und eine solche erst nach einer mitbestimmten Regelung neu zu erteilen. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung des Personenkreises, der diese Parkflächen nutzen darf, nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen. Das Beteiligungsrecht ist nicht nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen.

14

1. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung kann der Betriebsrat nicht nur die Beseitigung eines mitbestimmungswidrigen Zustands verlangen, sondern sich gegen zu erwartende weitere Verstöße des Arbeitgebers gegen ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 BetrVG unabhängig von den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG im Wege eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs wehren(grundlegend 3. Mai 1994 - 1 ABR 24/93 - zu II B III der Gründe, BAGE 76, 364, zuletzt BAG 24. April 2007 - 1 ABR 47/06 - Rn. 13, BAGE 122, 127).

15

2. Die Festlegung der Nutzungsbedingungen von Parkflächen, die Belegschaftsangehörigen von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellt werden, unterliegt nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dem Beteiligungsrecht des Betriebsrats.

16

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der Beschäftigten. Es beruht darauf, dass die Beschäftigten ihre vertraglich geschuldete Leistung innerhalb einer vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation erbringen und deshalb dessen Weisungsrecht unterliegen. Das berechtigt den Arbeitgeber dazu, Regelungen vorzugeben, die das Verhalten der Beschäftigten im Betrieb beeinflussen und koordinieren sollen. Solche Maßnahmen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Dies soll gewährleisten, dass die Beschäftigten gleichberechtigt in die Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens einbezogen werden (BAG 22. Juli 2008 - 1 ABR 40/07 - Rn. 57, BAGE 127, 146). Dazu schränkt das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die auf die betriebliche Ordnung bezogene Regelungsmacht des Arbeitgebers ein(BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 32/01 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 101, 216). Es ermöglicht dem Betriebsrat zum Schutz der betroffenen Arbeitnehmer eine Einflussnahme auf die Anordnungen des Arbeitgebers, die sich auf die Belegschaft oder Teile von ihr konkret nachteilig auswirken können.

17

b) Seinem Wortlaut nach unterwirft § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG jedes Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb der Mitbestimmung. Das würde auch die Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistung selbst erfassen. Nach der Senatsrechtsprechung besteht aber kein Beteiligungsrecht, soweit die Regeln und Weisungen das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer betreffen. Dieses ist berührt, wenn der Arbeitgeber näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll. Danach unterliegen nur solche Weisungen nicht der Mitbestimmung, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert wird (BAG 27. Januar 2004 - 1 ABR 7/03 - zu B II 1 a aa der Gründe mwN, BAGE 109, 235). Hingegen hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen bei Maßnahmen, die das sog. Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen. Dies sind Anordnungen, die dazu dienen, das sonstige Verhalten der Arbeitnehmer zu koordinieren. Hierzu zählen sowohl verbindliche Verhaltensregeln als auch Maßnahmen, die das Verhalten der Arbeitnehmer in Bezug auf die betriebliche Ordnung betreffen und berühren, ohne Normen für das Arbeitsverhalten zum Inhalt zu haben. Ausreichend ist es, wenn eine solche Maßnahme darauf gerichtet ist, die vorgegebene Ordnung des Betriebes zu gewährleisten und aufrechtzuerhalten.

18

c) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Maßnahmen, die das Ordnungsverhalten der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer betreffen, beschränkt sich allerdings auf kollektive Tatbestände. Ein solcher liegt vor, wenn sich eine Regelungsfrage stellt, die über eine ausschließlich einzelfallbezogene Rechtsausübung hinausgeht und kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs berührt (BAG 24. April 2007 - 1 ABR 47/06 - Rn. 19, BAGE 122, 127). Inhalt des Beteiligungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist die Mitwirkung des Betriebsrats an den vom Arbeitgeber vorgegebenen Maßnahmen, die das Verhalten der Beschäftigten im Betrieb beeinflussen und koordinieren, soweit sie nicht auf individuellen Besonderheiten des einzelnen Arbeitsverhältnisses beruhen(BAG 8. November 1994 - 1 ABR 22/94 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 78, 224). Die gleichberechtigte Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens ist daher betroffen, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers das Ordnungsverhalten betrifft und auf einer Regel oder einer über den Einzelfall hinausgehenden Handhabung beruht.

19

d) Danach hat der Betriebsrat bei der Benutzung der von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Parkflächen mitzubestimmen.

20

Die Nutzung der Parkplätze durch die Belegschaft betrifft nicht das mitbestimmungsfreie Arbeits-, sondern das Ordnungsverhalten. Die Art und Weise der Arbeitsleistung wird von der Maßnahme der Arbeitgeberin nicht berührt. Die von den Anträgen erfassten Arbeitnehmer erbringen bis zum Abstellen ihrer Privat-Pkw keine Arbeitsleistung. Das Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Arbeitgeberin nicht zur Überlassung von Parkraum verpflichtet ist und diese Leistung über die vertraglich geschuldete Vergütung hinaus gewährt. Ebenso handelt es sich nicht um eine abstrakte Festlegung des nutzungsberechtigten Personenkreises, die der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls ohne Beteiligung des Betriebsrats treffen kann (vgl. Wiese GK-BetrVG 9. Aufl. § 87 Rn. 219). Die Arbeitgeberin stellt allen Arbeitnehmern Parkmöglichkeiten auf dem Betriebsgelände zur Verfügung. Deren Verteilung hat sie nicht einzelfallbezogen, sondern in einer abstrakten Ordnung geregelt. Diese gestattet nur ausgewählten Arbeitnehmergruppen die Nutzung der im Sicherheitsbereich gelegenen Parkmöglichkeiten. Eine solche Maßnahme unterliegt dem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

21

3. Das Mitbestimmungsrecht wird nicht durch den Gesetzesvorbehalt in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen.

22

a) Nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG bestehen Mitbestimmungsrechte nach dieser Bestimmung nur, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht. Der Eingangshalbsatz in § 87 Abs. 1 BetrVG beruht dabei auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr verbleibt, wenn eine den Arbeitgeber bindende und abschließende gesetzliche Vorschrift vorliegt. Wird der Mitbestimmungsgegenstand durch diese inhaltlich und abschließend geregelt, fehlt es an einer Ausgestaltungsmöglichkeit durch die Betriebsparteien. Verbleibt dem Arbeitgeber dagegen trotz der gesetzlichen Regelung ein Gestaltungsspielraum, ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats insoweit eröffnet (BAG 22. Juli 2008 - 1 ABR 40/07 - Rn. 72, BAGE 127, 146).

23

b) Die Zugangsberechtigung zu den im Sicherheitsbereich gelegenen Parkflächen der Arbeitgeberin wird zwar durch Verordnungen der Europäischen Union beschränkt. Dennoch verbleibt der Arbeitgeberin ein Gestaltungsspielraum für eine betriebliche Nutzungsregelung.

24

aa) Die Europäische Union hat in der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 gemeinsame Grundstandards für den Schutz der Zivilluftfahrt vor unrechtmäßigen Eingriffen festgelegt, die die Sicherheit der Zivilluftfahrt gefährden. Zu diesen gehört die aufgrund der Ermächtigung in Art. 4 Abs. 3 VO Nr. 300/2008 ergangene Festlegung von detaillierten Maßnahmen für die Durchführung der gemeinsamen Grundstandards in der Luftsicherheit in der Verordnung(EU) Nr. 185/2010 der Kommission vom 4. März 2010. Diese regelt in ihrem Anhang ua. die Maßnahmen für die Zugangskontrolle zu den festgelegten Sicherheitsbereichen von Flughäfen. Ein Zugang zu diesen darf Personen und Fahrzeugen nur gestattet werden, wenn legitime Gründe dies erfordern (Anhang 1.2.2.1. VO Nr. 185/2010). Fahrzeuge dürfen in den Sicherheitsbereich nur einfahren, wenn für sie ein Fahrzeugausweis ausgestellt ist (Anhang 1.2.2.3. VO Nr. 185/2010). Ein solcher darf nur erteilt werden, wenn das Bestehen einer betrieblichen Notwendigkeit hierfür festgestellt wurde (Anhang 1.2.6.1. VO Nr. 185/2010).

25

bb) Die im Anhang der VO Nr. 185/2010 enthaltenen Festlegungen beschränken die Arbeitgeberin bei der Ausgestaltung der Regeln für die Berechtigung der Parkplätze im Sicherheitsbereich. Die VO Nr. 185/2010 gilt ab dem 29. April 2010 (Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 185/2010) und ist ohne Umsetzung in das nationale Recht unmittelbar anwendbar (Art. 288 Abs. 2 AEUV). Die Ausstellung eines Fahrzeugausweises ist für die Einfahrt in den Sicherheitsbereich erforderlich und damit zugleich Voraussetzung für das Abstellen des Fahrzeugs auf den dort von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Parkflächen. Über den Kreis der Fahrzeuge, für die ein solcher Fahrzeugausweis erteilt wird, hat die Arbeitgeberin unter Berücksichtigung der Vorgaben der VO Nr. 185/2010 als Flughafenbetreiberin zu entscheiden.

26

cc) Zwar knüpft die Mitbestimmung des Betriebsrats nicht an die Ausstellung der Fahrzeugausweise an, sondern an die Gestattung der Arbeitgeberin, den Parkraum im Sicherheitsbereich zu nutzen. Allerdings begrenzen die unionsrechtlichen Vorgaben auch den Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien. Danach kommen für die Benutzung der im Sicherheitsbereich gelegenen Parkflächen der Arbeitgeberin nur solche Arbeitnehmer in Betracht, für deren Einfahrt in den Sicherheitsbereich eine betriebliche Notwendigkeit iSd. Anhang 1.2.6.1. VO Nr. 185/2010 besteht. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Inhalt der Arbeitgeberin einen rechtlichen Rahmen für ihre Entscheidung vorgibt, welchem Personenkreis sie eine Einfahrt in den Sicherheitsbereich überhaupt gestatten darf. Es ist aber weder ersichtlich noch von der Arbeitgeberin geltend gemacht worden, dass sie ihren Arbeitnehmern für das Abstellen der Privat-Pkw keinen Fahrzeugausweis ausstellen darf und daher ein Gestaltungsspielraum für eine betriebliche Regelung fehlt. Hiergegen spricht schon, dass die Arbeitgeberin dem im Schreiben vom 6. Februar 2009 angeführten Personenkreis auch nach dem Wirksamwerden der VO Nr. 185/2010 das Parken im Sicherheitsbereich erlaubt. Die Bindung der Arbeitgeberin an die VO Nr. 185/2010 führt lediglich dazu, dass die Betriebsparteien und ggf. die Einigungsstelle deren Vorgaben bei einer betrieblichen Regelung berücksichtigen müssen.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Hayen    

        

    Hann    

                 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts München vom 17. Dezember 2014 - 11 TaBV 50/14 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anrechnung einer Tarifentgelterhöhung.

2

Die Arbeitgeberin betreibt einen Fachverlag und ist Mitglied im Arbeitgeberverband der Verlage und Buchhandlungen in Bayern e.V. (AVB). Antragsteller ist der für ihren Betrieb M gebildete Betriebsrat.

3

Die Arbeitgeberin gehört zur Mediengruppe der S GmbH, in deren Unternehmen insgesamt zehn unterschiedliche Entgelttarifverträge Anwendung finden. Die Geschäftsführung der S GmbH entschied vor dem Monat September 2010, die aufgrund bevorstehender oder bereits laufender Tarifverhandlungen zu erwartende Erhöhung der Tarifentgelte in den einzelnen Unternehmen der Mediengruppe auf die übertariflichen Zulagen der Arbeitnehmer anzurechnen.

4

Der AVB schloss am 17. September 2010 den Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen des Buchhandels und der Verlage in Bayern (ETV) ab. Nach § 3 ETV erhöht sich das Tarifentgelt in allen Entgeltgruppen zum 1. Oktober 2010 um 50,00 Euro und zum 1. Juli 2011 um 2 vH.

5

Die Arbeitgeberin zahlt übertarifliche Zulagen in unterschiedlicher Höhe. Sie rechnete die zum 1. Oktober 2010 im ETV vorgesehene Tariferhöhung in voller Höhe auf übertarifliche Zulagen an. Im November 2010 gab die Arbeitgeberin bekannt, die zweite Stufe der Tariferhöhung nach dem ETV zum 1. Juli 2011 nicht auf übertarifliche Zulagen anzurechnen.

6

Eine von den Betriebsparteien errichtete Einigungsstelle zum Gegenstand „Anrechnung der Tarifentgelterhöhung zum 01.10.2010 auf die übertarifliche Zulagen …“ beschloss in der Sitzung vom 17. Juli 2013 ihre Unzuständigkeit und stellte das Verfahren ein.

7

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Anrechnung der Tariferhöhung sei nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Der Arbeitgeberin sei ein Regelungsspielraum bei der Anrechnung verblieben. Die Anrechnung der ersten Stufe und die Nichtanrechnung der zweiten Stufe der Tarifentgelterhöhung beruhten auf einem einheitlichen Gesamtkonzept. Durch die Anrechnung hätten sich die Verteilungsgrundsätze geändert.

8

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,

        

festzustellen, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der durch die Arbeitgeberin vorgenommenen Anrechnung der Tarifgehaltserhöhung um 50,00 Euro zum 1. Oktober 2010 auf die übertariflichen Zulagen der im Betrieb der Arbeitgeberin in M beschäftigten Arbeitnehmern zusteht.

9

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

10

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Begehren weiter.

11

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zu Recht zurückgewiesen. Der zulässige Antrag ist unbegründet.

12

I. Der Antrag bedarf der Auslegung. Nach seinem Wortlaut ist er lediglich auf die Feststellung gerichtet, dem Betriebsrat stehe bei der von der Arbeitgeberin vorgenommenen Anrechnung der Tariferhöhung um 50,00 Euro zum 1. Oktober 2010 auf die übertariflichen Zulagen ein Mitbestimmungsrecht zu. Die Begründung des Betriebsrats zeigt jedoch, dass es dem Betriebsrat nicht um die Klärung geht, allein diese Anrechnung sei mitbestimmungspflichtig. Nach seiner Ansicht besteht ein Mitbestimmungsrecht bei der auf einer einheitlichen Konzeption beruhenden Anrechnung der ersten Stufe der Tarifentgelterhöhung zum 1. Oktober 2010 und der Nichtanrechnung der zweiten Stufe der Tariferhöhung zum 1. Juli 2011. Dieses Antragsverständnis hat der Betriebsrat in der Anhörung vor dem Senat bestätigt.

13

II. Der Antrag ist zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Die Arbeitgeberin stellt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Abrede.

14

III. Der Antrag ist unbegründet. Dem Betriebsrat steht bei der Entscheidung über die Anrechnung der Tariferhöhung kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu.

15

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Anrechnung einer Tarifentgelterhöhung auf übertarifliche Zulagen mitzubestimmen, wenn eine generelle Maßnahme vorliegt, sich durch die Anrechnung die bisher bestehenden Verteilungsrelationen ändern und für die Neuregelung innerhalb des vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmens ein Gestaltungsspielraum besteht. Eine Anrechnung unterliegt daher nicht der Mitbestimmung, wenn sie das Zulagenvolumen völlig aufzehrt. Gleiches gilt, wenn die Tarifentgelterhöhung im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vollständig und gleichmäßig auf die übertarifliche Zulage angerechnet wird. Rechnet der Arbeitgeber dagegen eine Erhöhung des Tarifentgelts nur teilweise auf die freiwilligen übertariflichen Zulagen an, hat er den Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beteiligen, da in diesem Fall Raum für eine andere Verteilungsentscheidung verbleibt(vgl. BAG 10. März 2009 - 1 AZR 55/08 - Rn. 17 f. mwN, BAGE 129, 371).

16

2. Bei Tarifentgelterhöhungen, die zeitlich versetzt in mehreren Abschnitten oder in aufeinander aufbauenden Stufen erfolgen, lässt sich die Frage, ob der Betriebsrat bei der Entscheidung des Arbeitgebers über die Anrechnung mitzubestimmen hat, nicht allein aufgrund einer isolierten Betrachtung des jeweiligen Anrechnungsvorgangs beantworten. Vielmehr kann es auch darauf ankommen, ob mehrere voneinander unabhängige Entscheidungen des Arbeitgebers über eine mögliche Anrechnung vorliegen oder ob den Entscheidungen eine einheitliche Konzeption des Arbeitgebers zugrunde liegt. Da das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG an die Entscheidungen des Arbeitgebers zur betrieblichen Lohngestaltung anknüpft, hängt die Mitbestimmung des Betriebsrats davon ab, ob die Konzeption des Arbeitgebers Raum für eine (Mit-)Gestaltung lässt. Hieran fehlt es, wenn mehrere voneinander unabhängige Entscheidungen des Arbeitgebers über eine mögliche Anrechnung vorliegen, bei denen es jeweils nichts mitzubestimmen gibt, etwa weil eine Anrechnung unterbleibt oder sie im Rahmen des Möglichen vollständig und gleichmäßig vorgenommen wird. Dagegen bestehen Gestaltungsmöglichkeiten, wenn der Arbeitgeber im Rahmen eines Gesamtkonzepts beabsichtigt, auf mehrere Schritte oder Stufen einer Tarifgehaltserhöhung unterschiedlich zu reagieren. Ein konzeptioneller Zusammenhang setzt voraus, dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung über die Anrechnung oder Nichtanrechnung der ersten Stufe oder des zeitlich ersten Schritts einer Tariferhöhung bereits sein Verhalten bei der zweiten Stufe oder dem zweiten Schritt plant. Ob eine einheitliche Konzeption des Arbeitgebers vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (ausf. BAG 10. März 2009 - 1 AZR 55/08 - Rn. 19 ff. mwN, BAGE 129, 371 mwN).

17

3. Danach besteht vorliegend kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

18

a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Anrechnung der Tarifentgelterhöhung zum 1. Oktober 2010 für sich betrachtet ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht bestand. Die Arbeitgeberin hat die sich aus dieser Erhöhung ergebenden Steigerungsbeträge im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen auf die übertariflichen Zulagen der Arbeitnehmer angerechnet. Damit verblieb insoweit kein Spielraum für eine andere Verteilung, die der Betriebsrat hätte mitgestalten können.

19

b) Ein Mitbestimmungsrecht folgt auch nicht daraus, dass die Anrechnung der ersten Stufe der Tarifentgelterhöhung zum 1. Oktober 2010 und die Nichtanrechnung der zweiten Stufe zum 1. Juli 2011 auf einer einheitlichen Konzeption der Arbeitgeberin beruhten. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, es fehle an einem solchen Gesamtkonzept.

20

aa) Nach den nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen und daher nach § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Geschäftsführung der S GmbH noch vor dem Abschluss der zehn unterschiedlichen Tarifverträge in der Mediengruppe - darunter dem ETV - die Entscheidung getroffen, die zu erwartende Tarifentgelterhöhung in den einzelnen Unternehmen ihrer Mediengruppe und damit bei allen dort beschäftigten Mitarbeitern auf bestehende übertarifliche Zulagen anzurechnen. Bereits dieser Umstand legt nahe, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine Planung bestand, wie mit einer etwaigen zweiten Stufe einer im jeweils maßgebenden Entgelttarifvertrag enthaltenen Entgeltsteigerung verfahren werden sollte.

21

bb) Weiterhin war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum Zeitpunkt dieser Anrechnungsentscheidung noch nicht absehbar, dass der ETV eine zweistufige Tarifentgelterhöhung enthalten würde. Es fehlt daher an Anhaltspunkten, dass die für die gesamte Mediengruppe des S getroffene Anrechnungsentscheidung bereits eine Festlegung der Arbeitgeberin zum Umgang mit der damals nicht absehbaren zweiten Stufe der im ETV enthaltenen Tariflohnerhöhung beinhalten sollte. Der Umstand, dass die Arbeitgeberin im November 2010 bekannt gab, die zweite Stufe der Tariferhöhung nicht anrechnen zu wollen, lässt vor diesem Hintergrund keinen gegenteiligen Schluss zu. Diese Mitteilung erfolgte erst, nachdem der ETV bereits abgeschlossen worden war.

22

cc) Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen diese nicht zu beanstandende Würdigung des Landesarbeitsgerichts wendet, setzt sie nur ihre eigene an die Stelle der vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen.

        

    Treber    

        

    Weber    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    D. Wege    

        

    Benrath    

                 

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Für einen Konzern (§ 18 Abs. 1 des Aktiengesetzes) kann durch Beschlüsse der einzelnen Gesamtbetriebsräte ein Konzernbetriebsrat errichtet werden. Die Errichtung erfordert die Zustimmung der Gesamtbetriebsräte der Konzernunternehmen, in denen insgesamt mehr als 50 vom Hundert der Arbeitnehmer der Konzernunternehmen beschäftigt sind.

(2) Besteht in einem Konzernunternehmen nur ein Betriebsrat, so nimmt dieser die Aufgaben eines Gesamtbetriebsrats nach den Vorschriften dieses Abschnitts wahr.

(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:

1.
darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
2.
Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;
2a.
die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg, zu fördern;
2b.
die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern;
3.
Anregungen von Arbeitnehmern und der Jugend- und Auszubildendenvertretung entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinzuwirken; er hat die betreffenden Arbeitnehmer über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen zu unterrichten;
4.
die Eingliederung schwerbehinderter Menschen einschließlich der Förderung des Abschlusses von Inklusionsvereinbarungen nach § 166 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und sonstiger besonders schutzbedürftiger Personen zu fördern;
5.
die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung vorzubereiten und durchzuführen und mit dieser zur Förderung der Belange der in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer eng zusammenzuarbeiten; er kann von der Jugend- und Auszubildendenvertretung Vorschläge und Stellungnahmen anfordern;
6.
die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern;
7.
die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern, sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb zu beantragen;
8.
die Beschäftigung im Betrieb zu fördern und zu sichern;
9.
Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.

(2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten; die Unterrichtung erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, und umfasst insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen. Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Zu den erforderlichen Unterlagen gehören auch die Verträge, die der Beschäftigung der in Satz 1 genannten Personen zugrunde liegen. Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen.

(3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Muss der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz beurteilen, gilt insoweit die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich. Gleiches gilt, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf einen ständigen Sachverständigen in Angelegenheiten nach Satz 2 einigen.

(4) Für die Geheimhaltungspflicht der Auskunftspersonen und der Sachverständigen gilt § 79 entsprechend.

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.

(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.

(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:

1.
darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
2.
Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;
2a.
die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg, zu fördern;
2b.
die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern;
3.
Anregungen von Arbeitnehmern und der Jugend- und Auszubildendenvertretung entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinzuwirken; er hat die betreffenden Arbeitnehmer über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen zu unterrichten;
4.
die Eingliederung schwerbehinderter Menschen einschließlich der Förderung des Abschlusses von Inklusionsvereinbarungen nach § 166 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und sonstiger besonders schutzbedürftiger Personen zu fördern;
5.
die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung vorzubereiten und durchzuführen und mit dieser zur Förderung der Belange der in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer eng zusammenzuarbeiten; er kann von der Jugend- und Auszubildendenvertretung Vorschläge und Stellungnahmen anfordern;
6.
die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern;
7.
die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern, sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb zu beantragen;
8.
die Beschäftigung im Betrieb zu fördern und zu sichern;
9.
Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.

(2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten; die Unterrichtung erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, und umfasst insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen. Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Zu den erforderlichen Unterlagen gehören auch die Verträge, die der Beschäftigung der in Satz 1 genannten Personen zugrunde liegen. Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen.

(3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Muss der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz beurteilen, gilt insoweit die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich. Gleiches gilt, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf einen ständigen Sachverständigen in Angelegenheiten nach Satz 2 einigen.

(4) Für die Geheimhaltungspflicht der Auskunftspersonen und der Sachverständigen gilt § 79 entsprechend.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. März 2009 - 20 TaBV 1022/08 - aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. April 2008 - 42 BV 19681/07 - wird unter Abweisung der in der Anhörung vom 19. März 2009 gestellten Hilfsanträge zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über einen Online-Zugriff des Betriebsrats auf Leistungsdaten von Arbeitnehmern.

2

Arbeitgeberin ist die Deutsche Post AG; Antragsteller ist der in ihrem Geschäftsbereich Vertrieb BRIEF - Öffentlicher Sektor - in Berlin gebildete Betriebsrat. In dem bei der Arbeitgeberin geltenden Tarifvertrag Vertrieb Nr. 64 vom 11. Juni 1999 in der Fassung vom 1. Januar 2007 (TV 64) ist die Zahlung eines variablen, erfolgsabhängigen Entgelts auf der Grundlage von Zielvereinbarungen geregelt. Darin heißt es ua.:

        

„§ 7   

        

Zielvereinbarung

        

(1) Die Ziele sind in einem Zielvereinbarungsgespräch zwischen direktem Vorgesetzten und Arbeitnehmer zu vereinbaren. Der Arbeitnehmer kann für das Zielvereinbarungsgespräch ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen.

        

…       

        

§ 11   

        

Monitoringverfahren

        

(1) Während der Zielvereinbarungsperiode hat der Vorgesetzte mit dem Arbeitnehmer bis zum Ende des zweiten Quartals ein Gespräch über den Grad der Erfüllung der Ziele zu führen. Bei Bedarf (z.B. bei unzureichender Zielerreichung) ist ein weiteres Gespräch bis zum Ende des dritten Quartals zu führen. Auf Wunsch des Arbeitnehmers ist danach ein weiteres Gespräch zu führen. Gesprächsinhalt sollen ggf. auch Maßnahmen sein, die zu einer Verbesserung der Zielerreichungsgrade führen können. ...

        

§ 15   

        

Datenverarbeitung

        

(1) Die Verarbeitung von unmittelbaren Leistungsdaten des einzelnen Arbeitnehmers im IT-System ist ausschließlich für die Berechnung der Höhe des in diesem Tarifvertrag geregelten variablen Entgelts zulässig.

        

(2) Auf die Daten haben nur der für die Zielvereinbarung zuständige Vorgesetzte, der Leiter der regionalen Vertriebssteuerung oder ein von ihm Beauftragter der regionalen Vertriebssteuerung, der im Personalbereich für die Entgeltabrechnung Zuständige, der einzelne Arbeitnehmer und der Betriebsrat Zugang.“

3

Bei dem von der Arbeitgeberin verwandten Datenverarbeitungssystem handelt es sich um ein Vertriebs- und Marketing-System, in dem Leistungsdaten der Arbeitnehmer sowie Produkt- und Kundendaten verarbeitet und gespeichert werden. Die Arbeitgeberin teilt dem Betriebsrat jeweils am Ende der Zielvereinbarungsperiode die Leistungsdaten der Arbeitnehmer durch Übermittlung eines EDV-Ausdrucks mit.

4

Darüber hinaus verlangte der Betriebsrat ohne Erfolg, ihm während der jeweiligen Zielvereinbarungsperioden einen Online-Zugriff auf die unmittelbaren Leistungsdaten der einzelnen Arbeitnehmer zu eröffnen oder hilfsweise ihm diese Daten in Papierform zu überlassen.

5

Der Betriebsrat hat gemeint, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, ihm einen lesenden Zugriff auf die unmittelbaren Leistungsdaten der Arbeitnehmer zu gewähren. Dieser Anspruch ergebe sich aus § 15 Abs. 2 TV 64 sowie aus § 80 Abs. 2 iVm. § 2 Abs. 1 BetrVG.

6

Der Betriebsrat hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung - beantragt,

        

1.    

der Arbeitgeberin aufzugeben, dem Betriebsrat durch Einrichtung eines eigenen EDV-technischen Zugangs auf einem im Büro des Betriebsrats befindlichen und mit dem internen Computernetzwerk der Arbeitgeberin verbundenen PC lesenden Zugriff auf die unmittelbaren Leistungsdaten gem. TV Vertrieb 64 der im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer zu gewähren,

        

hilfsweise,

        

2.    

die Arbeitgeberin zu verurteilen, dem Betriebsrat im Rahmen der Datenverarbeitung gem. § 15 TV Vertrieb 64 unmittelbaren EDV-technischen lesenden Zugang zu den mittels Datenverarbeitung verarbeiteten unmittelbaren Leistungsdaten iSd. des § 15 Abs. 1 TV Vertrieb 64, hinsichtlich der im Betrieb der Arbeitgeberin von der tarifvertraglichen Regelung betroffenen Arbeitnehmer zu gewähren,

        

hilfsweise,

        

3.    

die Arbeitgeberin zu verurteilen, die unmittelbaren Leistungsdaten gem. TV Vertrieb 64 der im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer in Textform jeweils am Ende des 5. und 8. Kalendermonats der jeweils laufenden Zielvereinbarungsperiode sowie zum Ende der Zielvereinbarungsperiode zu übergeben. Fordert ein Arbeitnehmer ein weiteres Monitoringgespräch gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 TV Vertrieb 64, sind dem Betriebsrat vor diesem Gespräch die unmittelbaren Leistungsdaten dieses Beschäftigten ebenfalls zu übergeben.

7

Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Anträge beantragt.

8

Das Arbeitsgericht hat den dort allein erhobenen Hauptantrag abgewiesen. Dagegen hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt und in der Anhörung vom 19. März 2009 sein Begehren um die Hilfsanträge erweitert. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde hinsichtlich des Hauptantrags zurückgewiesen und dem ersten Hilfsantrag entsprochen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter.

9

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet und führt unter Aufhebung der zweitinstanzlichen Entscheidung zur vollständigen Abweisung der Anträge.

10

I. Das Landesarbeitsgericht hat den zuletzt gestellten Hauptantrag des Betriebsrats rechtskräftig abgewiesen und seinem ersten Hilfsantrag entsprochen. Dieser Antrag bedarf allerdings der Auslegung. Der Betriebsrat begehrt einen lesenden Zugriff auf die Leistungsdaten derjenigen Arbeitnehmer, auf die der TV 64 Anwendung findet, um dessen Durchführung überwachen zu können. Der Zugriff soll ihm jederzeit möglich sein, denn weder der Antrag noch die Antragsbegründung enthalten eine zeitliche Begrenzung. Der vom Betriebsrat geforderte lesende Zugriff ist dabei auf alle IT-Systeme gerichtet, die Leistungsdaten der Arbeitnehmer enthalten. Der verlangte Zugriff bezieht sich nach seinem Vorbringen allerdings nicht auf die im IT-System neben den Leistungsdaten vorhandenen Kundendaten, die der Arbeitgeber nach Auffassung des Betriebsrats ohne Weiteres von den Leistungsdaten der Arbeitnehmer trennen kann.

11

II. Der so verstandene Antrag ist unzulässig. Er genügt nicht den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO).

12

1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss ein Antrag auch im Beschlussverfahren so bestimmt sein, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Im Falle einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung muss für den in Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennbar sein, was von ihm verlangt wird. Die Prüfung, welche Maßnahmen der Schuldner vorzunehmen oder zu unterlassen hat, darf grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG 27. Juli 2010 - 1 ABR 74/09 - Rn. 11).

13

2. Diesen Anforderungen wird der Antrag des Betriebsrats nicht gerecht.

14

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Antrag nicht schon deshalb hinreichend bestimmt, weil die dort enthaltenen Begriffe den Beteiligten geläufig sind und über die Reichweite des Antrags zwischen ihnen kein Streit besteht. Das Landesarbeitsgericht konnte den in den Vorinstanzen gehaltenen Vortrag der Arbeitgeberin nicht dahingehend würdigen, dass diese im Falle einer stattgebenden Entscheidung zweifelsfrei hätte erkennen können, welche Handlungen von ihr verlangt werden. Die Beteiligten haben sich in ihrem Vorbringen inhaltlich weder mit dem im Antrag enthaltenen Begriff der „unmittelbaren Leistungsdaten“ auseinandergesetzt noch ist dessen Inhalt eindeutig bestimmbar (vgl. BAG 27. Juli 2010 - 1 ABR 74/09 - Rn. 13). Das Beschwerdegericht wäre daher verpflichtet gewesen, das vom Betriebsrat verfolgte Antragsverständnis insoweit aufzuklären und in seinen Gründen so genau zu beschreiben, dass eine dem Antrag stattgebende Entscheidung eine ausreichende Grundlage für eine gerichtliche Entscheidung über Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bilden kann.

15

III. Einer hierauf gestützten Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 ZPO) bedarf es indes nicht, da der Senat eine eigene Sachentscheidung treffen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Betriebsrat hat im Schriftsatz vom 7. März 2011 erstmals die Daten bezeichnet, die er von dem Begriff der unmittelbaren Leistungsdaten als erfasst ansieht. Dazu zählt der Betriebsrat etwa den Nettoumsatz des Vorjahres, die geplanten und erreichten Nettoumsätze des laufenden Jahres, die absoluten und prozentualen Planabweichungen im laufenden Jahr und die Veränderungen gegenüber dem Vorjahr. Zwar hat dieses Vorbringen bei der Entscheidung unberücksichtigt zu bleiben, da es sich um neues Tatsachenvorbringen handelt, das in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich unzulässig ist. Doch kann zugunsten des Betriebsrats unterstellt werden, dass dessen Antrag aufgrund seines nunmehr präzisierten Vortrags als hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO anzusehen ist. Selbst in diesem Fall unterliegt der Antrag der Abweisung.

16

1. Nach § 15 Abs. 2 TV 64 kann der Betriebsrat nicht die Einrichtung eines Online-Zugriffs auf Leistungsdaten der Arbeitnehmer iSd. § 15 Abs. 1 TV 64 verlangen. Dies folgt aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Zweck der Tarifnorm.

17

a) Der Wortlaut von § 15 Abs. 2 TV 64 spricht gegen das vom Betriebsrat vertretene Normverständnis. Die sprachliche Fassung der Vorschrift „Auf die Daten haben … Zugang“ ist grammatikalisch gesehen nicht regelgerecht. Vielmehr müsste es heißen „Auf die Daten haben … Zugriff“ oder „Zu den Daten haben … Zugang“. Unabhängig davon, ob dabei von einem Zugriff oder Zugang auf Daten ausgegangen wird, kann dies sowohl Daten in elektronischer als auch in nicht elektronischer Form betreffen. Darüber hinaus enthält der Wortlaut keine Aussage über den Zeitraum, der dem Betriebsrat für einen Zugriff auf die in den IT-Systemen der Arbeitgeberin gespeicherten Daten zur Verfügung steht.

18

b) Auch die Systematik der Tarifnorm führt zu keinem eindeutigen Ergebnis.

19

§ 15 TV 64 befindet sich am Ende des Teils III, in dem die Voraussetzungen über die Zahlung eines variablen Entgelts bestimmt werden. § 15 Abs. 1 TV 64 beschränkt gegenständlich die Nutzung der für die Berechnung des variablen Entgelts erhobenen unmittelbaren Leistungsdaten der Arbeitnehmer. Abs. 2 bestimmt den Personenkreis, dem ein Zugangsrecht auf diese Daten eingeräumt wird. Dies sind auf Seiten des Unternehmens diejenigen Mitarbeiter, die entsprechend ihrer funktionalen Zuständigkeiten für die Vereinbarung und die Berechnung des variablen Entgelts zuständig sind. Die Zugangsmöglichkeit für den Arbeitnehmer soll es diesem ermöglichen, seinen Leistungsstand im Hinblick auf das zu zahlende variable Entgelt nachzuvollziehen, während der Betriebsrat wegen seiner gesetzlichen Überwachungsaufgabe in den Kreis der Zugangsberechtigten einbezogen worden ist. Die so gewählte Festlegung des Personenkreises, der zu den unmittelbaren Leistungsdaten Zugang hat, lässt aber weder Rückschlüsse auf die Art und Weise noch den zeitlichen Umfang der durch § 15 Abs. 2 TV 64 eröffneten Zugangsmöglichkeit zu.

20

c) Der Normzweck von § 15 TV 64 gebietet es nicht, dem Betriebsrat einen zeitlich unbeschränkten lesenden Zugriff auf die von ihm begehrten Daten einzuräumen.

21

Bei § 15 TV 64 handelt es sich um eine datenschutzrechtliche Bestimmung. Dies verdeutlicht bereits die Überschrift „Datenverarbeitung“. In § 15 Abs. 1 TV 64 ist der Zweck der Datenverarbeitung festgelegt. Die Verarbeitung der unmittelbaren Leistungsdaten dient ausschließlich der Berechnung der Höhe des variablen Entgelts. Diese Zweckbestimmung ist im Hinblick auf § 32 Abs. 1 BDSG ebenso erforderlich wie die in § 15 Abs. 2 TV 64 enthaltene Festlegung des zugangsberechtigten Personenkreises. Sie erfordert es aber nicht, dass der Betriebsrat jederzeit auf die von der Arbeitgeberin in elektronischer Form gespeicherten Daten zugreifen kann.

22

2. Der Anspruch auf einen in zeitlicher Hinsicht uneingeschränkten lesenden Zugriff auf die in den IT-Systemen der Arbeitgeberin gespeicherten Daten zur Berechnung des variablen Entgelts iSv. § 13 TV 64 und zu dem dabei einzuhaltenden Verfahren folgt auch nicht aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Der Betriebsrat hat die Erforderlichkeit der geforderten Unterrichtung nicht dargelegt.

23

a) Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat zur Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Mit dieser Verpflichtung geht ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats einher, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist (BAG 23. März 2010 - 1 ABR 81/08 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 72 = EzA BetrVG 2001 § 80 Nr. 12).

24

b) Zu den Aufgaben des Betriebsrats iSv. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gehören auch diejenigen aus dem Katalog des § 80 Abs. 1 BetrVG, die vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte unabhängig sind. Hierzu zählt die in § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG normierte Pflicht darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge durchgeführt werden.

25

c) Der vom Betriebsrat beanspruchte Zugriff auf die unmittelbaren Leistungsdaten ist zur Sicherung seines gesetzlichen Überwachungsrechts aber nicht erforderlich.

26

Dies gilt zunächst für die Überwachungsaufgabe hinsichtlich der Höhe des von den Arbeitnehmern zu beanspruchenden variablen Entgelts. Diese beschränkt sich auf ein Nachrechnen bzw. Nachvollziehen der von der Arbeitgeberin berücksichtigten Einzelparameter. Diese Aufgabe fällt lediglich stichtagsbezogen zum Ende des Abrechnungszeitraums an und kann vom Betriebsrat auf der Grundlage des ihm von der Arbeitgeberin überlassenen schriftlichen Ausdrucks durchgeführt werden. Gegenteiliges hat der Betriebsrat auch nicht geltend gemacht. Die Notwendigkeit des beanspruchten Zugangs folgt auch nicht aus der in § 11 Abs. 1 TV 64 bestimmten Pflicht der Arbeitgeberin zur Durchführung von Monitoringgesprächen. Die Zielerreichung ist für das zwischen dem Arbeitnehmer und dem Vorgesetzten bis zum Ablauf des zweiten Quartals nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TV 64 zu führende Gespräch ohne Bedeutung. Ein weiteres Gespräch bis zum Ende des dritten Quartals sieht § 11 Abs. 1 Satz 2 TV 64 lediglich bei Bedarf vor, wobei die Tarifvertragsparteien hierfür exemplarisch eine unzureichende Zielerfüllung angeführt haben. Allerdings ist die Notwendigkeit eines solchen Gesprächs allein von der Einschätzung der Arbeitsvertragsparteien abhängig, die sich einer darauf gerichteten Überprüfung durch den Betriebsrat entzieht.

27

d) Auf die in den Vorinstanzen von den Beteiligten nicht weiter vertiefte Frage, ob der vom Betriebsrat beanspruchte Online-Zugriff überhaupt Gegenstand eines Auskunftsrechts aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sein kann, kommt es daher vorliegend nicht an.

28

IV. Danach fällt der vom Landesarbeitsgericht nicht beschiedene zweite Hilfsantrag des Betriebsrats dem Senat zur Entscheidung an. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist jedoch auch insoweit begründet. Der erst in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht erhobene Antrag stellt eine unzulässige Antragsänderung dar.

29

1. Nach § 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2, § 81 Abs. 3 ArbGG ist eine Antragsänderung im Beschwerdeverfahren nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten zustimmen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

30

2. Bei dem zweiten Hilfsantrag handelt es sich gegenüber den bisher erhobenen Anträgen um eine Antragsänderung (§ 81 Abs. 3 ArbGG) in Form der Antragserweiterung. Die auf Einrichtung eines lesenden Zugangs zu den unmittelbaren Leistungsdaten der Arbeitnehmer gerichteten Anträge haben einen anderen Gegenstand als derjenige, mit dem der Betriebsrat die Übergabe der unmittelbaren Leistungsdaten in Textform jeweils am Ende des 5. und 8. Kalendermonats der jeweils laufenden Zielvereinbarungsperiode sowie zum Ende der Zielvereinbarungsperiode fordert.

31

3. Die Arbeitgeberin hat der Antragsänderung widersprochen. Danach war die Zulässigkeit der Antragsänderung von der Sachdienlichkeit des mit ihr verfolgten Begehrens abhängig, an der es vorliegend fehlt.

32

Über die Sachdienlichkeit einer Antragsänderung kann das Rechtsbeschwerdegericht selbst befinden, wenn das Beschwerdegericht nach dem von ihm gewählten Lösungsweg über den geänderten Antrag nicht entscheiden musste, dieser aber in der Rechtsbeschwerde zur Entscheidung anfällt (vgl. BAG 12. September 2006 - 9 AZR 271/06 - Rn. 17, BAGE 119, 238). Die geänderte Antragstellung ist nicht mehr als sachdienlich anzusehen, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (BGH 15. Juni 2005 - VIII ZR 74/04 - zu II 5 a der Gründe, WM 2005, 2057). Dies ist hier der Fall. Die Beteiligten haben in den Vorinstanzen ihr Vorbringen ausschließlich auf die Einrichtung eines in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkten Online-Zugriffs auf die „unmittelbaren Leistungsdaten“ ausgerichtet, das für die Entscheidung über den zweiten Hilfsantrag ohne Bedeutung ist.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Wisskirchen    

        

    Olaf Kunz    

                 

Tenor

Die Sprungrechtsbeschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 16. Juni 2010 - 5 BV 20/10 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über Auskunftsansprüche.

2

Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten am 10. Januar 2008 eine „Betriebsvereinbarung über die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX“. Nach deren § 4 Abs. 1 erhält der Betriebsrat quartalsmäßig ein Verzeichnis der Mitarbeiter, die die Voraussetzungen für ein betriebliches Eingliederungsmanagement(bEM) erfüllen. In der Folgezeit verweigerte der Arbeitgeber die Erfüllung dieser Verpflichtung und berief sich zur Begründung auf datenschutzrechtliche Belange.

3

Der Betriebsrat hat beantragt,

        

den Arbeitgeber zu verpflichten, dem Betriebsrat quartalsmäßig ein Verzeichnis der Mitarbeiter, die die Voraussetzungen für ein betriebliches Eingliederungsmanagement erfüllen, zu übergeben.

4

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Eine Pflicht zur Übergabe des Mitarbeiterverzeichnisses an den Betriebsrat bestehe nur bei einem zuvor erklärten Einverständnis der betroffenen Arbeitnehmer. Der Betriebsrat könne über die Erfüllung der Pflichten aus § 84 Abs. 2 SGB IX auch dann wachen, wenn der Arbeitgeber ihm zunächst nur anonymisiert die Anzahl der Mitarbeiter mitteile, deren Arbeitsunfähigkeitszeiten länger als sechs Wochen betragen haben.

5

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag entsprochen. Mit der zugelassenen Sprungrechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitgeber seinen Abweisungsantrag weiter.

6

B. Die Sprungrechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag zu Recht entsprochen. Der Betriebsrat kann nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG iVm. § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX unabhängig von einer Zustimmung der Arbeitnehmer beanspruchen, dass ihm der Arbeitgeber quartalsweise ein Verzeichnis mit Namen der Arbeitnehmer aushändigt, die im zurückliegenden Jahreszeitraum länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren. Einem solchen Verlangen stehen datenschutzrechtliche Belange oder Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer nicht entgegen. Es kann daher dahinstehen, ob sich ein solcher Auskunftsanspruch auch aus der zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Betriebsvereinbarung ergibt.

7

I. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und nach Satz 2 Halbs. 1 auf Verlangen die zur Durchführung der Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Verpflichtung geht ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats einher, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist (BAG 15. März 2011 - 1 ABR 112/09 - Rn. 23, EzA BetrVG 2001 § 80 Nr. 13). Zu den Aufgaben des Betriebsrats iSv. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gehört es auch, nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Diese Überwachungsaufgabe ist weder von einer zu besorgenden Rechtsverletzung des Arbeitgebers beim Normvollzug noch vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte abhängig (BAG 24. Januar 2006 - 1 ABR 60/04 - Rn. 23, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 65 = EzA BetrVG 2001 § 80 Nr. 5). Hieraus folgt eine zweistufige Prüfung darauf hin, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben und ob im Einzelfall die begehrte Information zu ihrer Wahrnehmung erforderlich ist (BAG 30. September 2008 - 1 ABR 54/07 - Rn. 28, BAGE 128, 92).

8

II. Der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG erforderliche Aufgabenbezug liegt vor.

9

Nach § 84 Abs. 2 SGB IX hat der Arbeitgeber gegenüber Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkranken, ein bEM durchzuführen. In diesem sollen unter Beteiligung der zuständigen Arbeitnehmervertretungen sowie mit Zustimmung und Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers die Möglichkeiten geklärt werden, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Die Pflicht zur Durchführung des bEM ist nicht auf Beschäftigte mit einer Behinderung beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle Arbeitnehmer mit einer krankheitsbedingten Fehlzeit von mehr als sechs Wochen innerhalb eines Jahreszeitraums (BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234). Sie besteht unabhängig von einem Antrag der betroffenen Arbeitnehmer oder einer der am Verfahren beteiligten Stellen. Vielmehr obliegt dem Arbeitgeber die Pflicht, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein bEM einzuleiten (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23, EzA SGB IX § 84 Nr. 8). Nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX hat ua. der Betriebsrat darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber die ihm nach § 84 SGB IX obliegenden Verpflichtungen erfüllt. Die Vorschrift wiederholt für den Bereich der Privatwirtschaft die sich bereits aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ergebende Überwachungsaufgabe des Betriebsrats.

10

III. Die Übergabe des begehrten Verzeichnisses ist zur Durchführung der sich aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX ergebenden Überwachungsaufgabe erforderlich.

11

1. Der Anspruch auf Information und Überlassung der erforderlichen Unterlagen nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG richtet sich danach, in welchem Umfang der Betriebsrat bereits über Kenntnisse verfügt, deren er zur Erfüllung seiner Überwachungsaufgabe bedarf (BAG 19. Oktober 1999 - 1 ABR 75/98 - zu B I 2 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 58 = EzA BetrVG 1972 § 80 Nr. 45).

12

2. Der Betriebsrat verfügt über keine anderweitigen Kenntnisse über den Kreis der Arbeitnehmer, denen der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM anbieten muss. Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers reicht die anonymisierte Unterrichtung für die Überwachung seiner sich aus § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ergebenden Pflichten nicht aus. Ein anonymisiertes Mitarbeiterverzeichnis lässt nur die bloße Anzahl der Arbeitnehmer erkennen, welche die Voraussetzungen für ein bEM erfüllen. Für die Überwachung, ob der Arbeitgeber das Verfahren entsprechend seiner gesetzlichen Initiativlast auch einleitet, ist die bloße Kenntnis der Anzahl der für ein bEM in Frage kommenden Arbeitnehmer unzureichend (vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 43, BVerwGE 137, 148). Auch die Übergabe einer Mitarbeiterliste, in der nur diejenigen Mitarbeiter aufgeführt sind, welche nicht nur die Voraussetzungen für ein bEM erfüllen, sondern darüber hinaus der Weitergabe der Daten an den Betriebsrat zustimmen, wäre nicht in gleicher Weise geeignet, den Arbeitgeber bei der Einhaltung seiner Initiativlast zu überwachen. Mangels Kenntnis des konkreten Arbeitnehmers könnte der Betriebsrat nicht durch Nachfrage überprüfen, ob der Arbeitgeber überhaupt die Durchführung eines bEM angeboten und den Arbeitnehmer ordnungsgemäß belehrt hat.

13

3. Auch die quartalsweise Überlassung einer Aufstellung mit den Namen der betroffenen Arbeitnehmer ist erforderlich.

14

Zwar verhält sich § 80 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG nicht darüber, in welcher Form der Arbeitgeber die benötigte Auskunft zu erteilen hat. Darin ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei. Jedoch ist er bei umfangreichen und komplexen Angaben allerdings nach § 2 Abs. 1 BetrVG regelmäßig gehalten, die Auskunft schriftlich zu erteilen(BAG 30. September 2008 - 1 ABR 54/07 - Rn. 29, BAGE 128, 92). Dass auch eine mündliche Information über den Kreis der betroffenen Arbeitnehmer ausreichend ist, wird von dem Arbeitgeber selbst nicht geltend gemacht. Die vom Betriebsrat geforderte quartalsweise Überlassung der Unterlagen hält sich daher im Rahmen des § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG.

15

4. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind die für Bruttolohn- und Gehaltslisten geltenden Beschränkungen des § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG nicht auf die Übermittlung von personenbezogenen Daten übertragbar. Nach der Senatsrechtsprechung unterscheiden sich der Auskunftsanspruch gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG und das Einblicksrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG sowohl nach ihrem Inhalt als auch nach ihren Voraussetzungen und kommen nebeneinander in Betracht (30. September 2008 - 1 ABR 54/07 - Rn. 24, 30, BAGE 128, 92). Demzufolge gelten die einschränkenden Voraussetzungen, unter denen der Arbeitgeber einem vom Betriebsrat gebildeten Ausschuss Einblick in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter gewähren muss, für die Vorlage von Unterlagen nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG nicht.

16

IV. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Namen der Arbeitnehmer mit Arbeitsunfähigkeitszeiten von mehr als sechs Wochen im Jahreszeitraum auch dann mitteilen, wenn diese der Weitergabe nicht zugestimmt haben.

17

1. Die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist nicht von einer vorherigen Einwilligung der von der Vorschrift begünstigten Arbeitnehmer abhängig. Der Gesetzeswortlaut enthält eine entsprechende Einschränkung nicht. Das Beteiligungsrecht aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dient der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Normvollzugs durch den Arbeitgeber. Seine Wahrnehmung steht nach der Konzeption des BetrVG nicht zur Disposition der Arbeitnehmer.

18

2. Eine solche Einschränkung der Überwachungsaufgabe folgt auch nicht aus § 84 Abs. 2 SGB IX.

19

a) Nach dieser Vorschrift muss der Arbeitgeber in einer ersten Phase allen Arbeitnehmern mit den erforderlichen Krankheitszeiten im Jahreszeitraum ein bEM anbieten. Vor dessen Durchführung ist er nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX gehalten, den Arbeitnehmer ordnungsgemäß auf die Ziele des bEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Erst danach ist in einer zweiten Phase zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Das Gesetz zwingt den betroffenen Arbeitnehmer nicht, ein bEM durchzuführen, sondern verpflichtet lediglich den Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer unter den gesetzlich normierten Voraussetzungen ein bEM anzubieten. Die nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX erforderliche Zustimmung der betroffenen Person bezieht sich nur auf den Klärungsprozess, nicht aber auf die vorhergehende Phase, die mit dem Zugang des Angebots über die Durchführung des bEM beim Arbeitnehmer endet(vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 38 f., BVerwGE 137, 148). Für diesen Teil des bEM hat der Gesetzgeber kein Zustimmungserfordernis normiert.

20

b) Weder Sinn und Zweck des bEM noch das Zustimmungserfordernis in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX stehen der Überlassung einer Aufstellung mit den Namen der für die Durchführung des bEM in Betracht kommenden Arbeitnehmer an den Betriebsrat entgegen.

21

aa) Mit der Durchführung eines bEM soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers zu einem möglichst frühen Zeitpunkt einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines kranken Menschen begegnet und die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht werden. Ziel des bEM ist die Klärung, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen damit letztlich der Vermeidung der Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter Menschen(vgl. BT-Drucks. 15/1783 S. 16; BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 40, BAGE 123, 234; BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 62, BVerwGE 137, 148). Daneben kann die Klärung von möglichen Maßnahmen nicht nur zur Verringerung der Arbeitsunfähigkeitszeiten und den mit dem krankheitsbedingten Ausfall verbundenen betrieblichen und finanziellen Belastungen des Arbeitgebers führen, sondern auch die Mehrbelastungen reduzieren, die der Belegschaft durch die vorübergehende Abwesenheit des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers entstehen.

22

bb) Das in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX bestimmte Zustimmungserfordernis der von der Durchführung eines bEM betroffenen Arbeitnehmer soll gewährleisten, dass die Klärung ihres Gesundheitszustands nur freiwillig erfolgt. Ein bEM kann ohne Einwilligung des betroffenen Beschäftigten schon deshalb nicht sinnvoll durchgeführt werden, weil der Arbeitnehmer regelmäßig nicht zur Mitteilung der Gründe für seine krankheitsbedingten Fehlzeiten verpflichtet ist und die vom Gesetzgeber angestrebte Klärung der möglichen Maßnahmen zu deren Reduzierung ohne die dafür erforderlichen Angaben des Arbeitnehmers nicht möglich ist. Daneben ist auch ein bEM, an dem der betroffene Arbeitnehmer nicht aktiv mitwirkt, wenig erfolgversprechend.

23

cc) Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck des bEM wird durch die Mitteilung der Namen der für ein solches Verfahren in Betracht kommenden Arbeitnehmer an den Betriebsrat nicht in Frage gestellt. Diesem wird nur der Personenkreis benannt, der die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines bEM erfüllt. Eine Information über die der Arbeitsunfähigkeit zugrunde liegenden Krankheiten oder deren Ursachen ist damit nicht verbunden. Ebenso wird die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers über die Teilnahme an einem bEM nicht beeinträchtigt, da er sich über sein Einverständnis erst nach dem Angebot des Arbeitgebers und der damit verbundenen Belehrung über die Chancen und Risiken des bEM erklären muss.

24

V. Datenschutzrechtliche Gründe stehen der Übermittlung der Namen der Arbeitnehmer, denen der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM anbieten muss, nicht entgegen. Das Erheben von Daten über die krankheitsbedingten Fehlzeiten durch den Arbeitgeber und ihre Übermittlung an den Betriebsrat ist auch bei fehlender Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG zulässig.

25

1. Die vom Antrag erfasste Aufstellung über die Arbeitsunfähigkeitszeiten von mehr als sechs Wochen fällt in den Geltungsbereich des BDSG. Es handelt sich nicht um automatisierte Dateien iSd. § 1 Abs. 2 Nr. 3 iVm. § 3 Abs. 2 Satz 2 BDSG.

26

2. Bei den vom Antrag umfassten Angaben handelt es sich um besondere Arten personenbezogener Daten über die Gesundheit iSd. § 3 Abs. 9 BDSG(sensitive Daten). Aufgrund der Angaben ist ersichtlich, dass der benannte Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit innerhalb eines Jahreszeitraums mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig abwesend war.

27

3. Die Übermittlung der Namen der Arbeitnehmer an den Betriebsrat ist nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG auch dann zulässig, wenn diese der Weitergabe nicht zugestimmt haben.

28

a) Nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG ist das Erheben, Verarbeiten und Nutzen besonderer Arten personenbezogener Daten iSd. § 3 Abs. 9 BDSG für eigene Geschäftszwecke auch ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig, wenn dies zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Nicht einschlägig ist hingegen § 32 BDSG, auch wenn diese Vorschrift eine Regelung über den Datenschutz im Beschäftigungsverhältnis trifft. Ihr Regelungsgegenstand beschränkt sich auf personenbezogene Daten iSd. § 3 Abs. 1 BDSG und erfasst nicht die Verarbeitung sensitiver Daten iSd. § 3 Abs. 9 BDSG.

29

b) Die Ausübung rechtlicher Ansprüche iSv. § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG umfasst auch eine Nutzung sensitiver Daten durch den Arbeitgeber, die dieser zur Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten vornehmen muss. Ein solches Verständnis gibt das Unionsrecht vor.

30

aa) Die Erhebung und Nutzung sensitiver Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG fällt in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 vom 23. November 1995 S. 31) gilt diese für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einer Datei gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Als eine solche Datei mit personenbezogenen Daten gilt jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, gleichgültig ob diese Sammlung zentral, dezentralisiert oder nach funktionalen oder geographischen Gesichtspunkten aufgeteilt geführt wird (Art. 2 Buchst. c RL 95/46/EG). Nach Art. 8 Abs. 1 RL 95/46/EG untersagen die Mitgliedstaaten ua. die Verarbeitung personenbezogener Daten über die Gesundheit. Von diesem Verbot besteht nach Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG eine Ausnahme, wenn die Verarbeitung erforderlich ist, um den Rechten und Pflichten des für die Verarbeitung Verantwortlichen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts Rechnung zu tragen, sofern dies aufgrund von einzelstaatlichem Recht, das angemessene Garantien vorsieht, zulässig ist. Daher wird die Erhebung und Nutzung von Angaben über krankheitsbedingte Fehlzeiten innerhalb eines bestimmten Zeitraums vom Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46/EG erfasst.

31

bb) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Anwendung der Richtlinie 95/46/EG nicht davon abhängig, ob in dem zu entscheidenden Sachverhalt ein hinreichender Zusammenhang mit der Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten oder tatsächlich ein Zusammenhang mit dem freien Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten besteht. Zur Begründung hat der Gerichtshof auf den Wortlaut von Art. 3 RL 95/46/EG verwiesen, der mit Ausnahme des in Abs. 2 bestimmten Bereichs die Verarbeitung personenbezogener Daten dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterwirft(EuGH 20. Mai 2003 - C-465/00 - [Österreichischer Rundfunk ua.] Rn. 39 ff., 44, Slg. 2003, I-4989). Von einem solchen Verständnis ist auch der deutsche Gesetzgeber ausgegangen, der mit den Regelungen in § 28 Abs. 6 bis Abs. 9 BDSG die Vorgaben aus Art. 8 RL 95/46/EG in nationales Recht umsetzen wollte (BT-Drucks. 14/4329 S. 43). Die Vorschrift ist danach unionsrechtskonform in einer Weise auszulegen, die den Vorgaben in Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 RL 95/46/EG Rechnung trägt.

32

cc) Bei einer solchen Auslegung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu berücksichtigen, dass die Harmonisierung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in der Richtlinie 95/46/EG nicht auf eine Mindestharmonisierung beschränkt ist, sondern zu einer grundsätzlich umfassenden Harmonisierung führt. Nach dem Verständnis des Gerichtshofs stellen die in der Richtlinie enthaltenen Regelungen eine erschöpfende und abschließende Liste der Fälle dar, in denen eine Verarbeitung personenbezogener Daten als rechtmäßig angesehen werden kann. Nach dem Erwägungsgrund 22 zur RL 95/46/EG können die Mitgliedstaaten in ihren Rechtsvorschriften die allgemeinen Bedingungen präzisieren, unter denen die Verarbeitungen rechtmäßig sind. Sie dürfen aber weder neue Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten einführen noch zusätzliche Bedingungen stellen, die die Tragweite der in der Richtlinie vorgesehenen Grundsätze verändern würden (vgl. zu Art. 7 RL 95/46/EG: EuGH 24. November 2011 - C-468/10 - [Asociación Nacional de Establecimientos Financieros de Crédito] Rn. 28 - 32, Eza EG-Vertrag 1999 Richtlinie 95/46 Nr. 1). Insoweit stellt die RL 95/46/EG zugleich eine Konkretisierung der in den Art. 7 und Art. 8 GRC verbürgten Rechte der von einer Datenverarbeitung betroffenen Person dar(EuGH 24. November 2011 - C-468/10 - [Asociación Nacional de Establecimientos Financieros de Crédito] Rn. 41 f., 44 f., aaO).

33

dd) Das Gebot der unionsrechtskonformen Auslegung erfordert daher eine Auslegung von § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG, die dem Arbeitgeber unter den dort bestimmten Voraussetzungen die Erfüllung seiner ihm obliegenden gesetzlichen Pflichtenstellung ermöglicht.

34

(1) Eine Ausübung rechtlicher Ansprüche als Voraussetzung einer Datenerhebung und -nutzung nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG ist unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig, wenn die Datenverarbeitung durch den Arbeitgeber aufgrund einer gesetzlich vorgesehenen Pflicht im Bereich des Arbeitsrechts erfolgt. Ein Wille des Gesetzgebers, durch die Formulierung der Voraussetzungen in § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung sensitiver Daten durch den Arbeitgeber im Bereich des Arbeitsrechts engere Grenzen als durch Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG vorgesehen zu setzen, ist nicht ersichtlich (vgl. Gola RDV 2001, 125, 127).

35

(2) Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG die unionsrechtlichen Vorgaben beachtet. Diese erlauben die Verarbeitung von Daten über die Gesundheit iSv. Art. 8 Abs. 1 RL 95/46/EG, wenn dies nach nationalem Recht zulässig ist und dieses insoweit angemessene Garantien vorsieht. Solche Garantien, die den Betroffenen vor einer unangemessenen Beeinträchtigung der Grundfreiheiten und seiner Privatsphäre schützen, sieht das BDSG bei der Verarbeitung sensitiver Daten durch den Arbeitgeber vor.

36

Die Verarbeitung von sensitiven Daten iSd. § 3 Abs. 9 BDSG ist nur bei Bestehen einer besonderen Rechtsgrundlage zulässig. Diese unterliegt den Beschränkungen in § 4 Abs. 1 BDSG, wonach die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten ohne Einwilligung des Betroffenen nur zulässig ist, soweit das BDSG selbst oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt(Gola RDV 2001, 125, 126). Nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG darf grundsätzlich nur eine Verarbeitung von Gesundheitsdaten erfolgen, wenn eine Einwilligung des betroffenen Arbeitnehmers vorliegt. Ohne dessen Einverständnis ist dem Arbeitgeber deren Verarbeitung nur gestattet, wenn nach einer am Zweck der RL 95/46/EG orientierten Interessenabwägung ein entgegenstehendes Interesse des betroffenen Arbeitnehmers nicht überwiegt. Überdies wird die Verarbeitung von sensitiven Daten durch den Arbeitgeber von einem betrieblichen Datenschutzbeauftragten kontrolliert, der auf die Einhaltung des BDSG hinwirkt und dabei dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht unterliegt (§ 4f Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, § 4 g Abs. 1 Satz 1 BDSG).

37

c) Die Erhebung und Nutzung der Angaben über die krankheitsbedingten Fehlzeiten durch den Arbeitgeber ist auch bei fehlender Einwilligung der Arbeitnehmer nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG zulässig.

38

aa) Die Durchführung eines bEM gehört zu den gesetzlichen Pflichten des Arbeitgebers auf dem Gebiet des Arbeitsrechts.

39

bb) Die Erhebung dieser Daten ist erforderlich, damit der Arbeitgeber die ihm nach § 84 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 SGB IX obliegenden Pflichten erfüllen kann. Ein bEM kann nur eingeleitet werden, wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer in dem maßgeblichen Bemessungszeitraum länger als sechs Wochen arbeitsunfähig war.

40

cc) Ein Grund zu der Annahme, dass das schutzwürdige Interesse des jeweils betroffenen Arbeitnehmers das Interesse des Arbeitgebers an der Datenerhebung überwiegt, besteht nicht.

41

Die Erhebung der Arbeitsunfähigkeitszeiten im Jahreszeitraum ist Voraussetzung für die Entscheidung des Arbeitgebers, den betroffenen Beschäftigten die Durchführung eines bEM anzubieten. Dieses Verfahren dient der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes und damit ihrer wirtschaftlichen Existenz (BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 42, BVerwGE 137, 148). Inhaltlich betrifft die Datenerhebung lediglich die Namen der Arbeitnehmer und die Feststellung, dass deren Fehlzeiten im maßgeblichen Jahreszeitraum sechs Wochen überschritten haben. Besondere Angaben über die Art und Dauer der Krankheit werden vom Arbeitgeber in der ersten Phase des bEM nicht erhoben. Überdies sind die Angaben über die Dauer der Arbeitsunfähigkeitszeiten ohnehin vorhanden, weil sie die Grundlage für die Berechnung der in diesem Zeitraum zu zahlenden Vergütung bilden (§ 3 EFZG). Ein Interesse der jeweils betroffenen Arbeitnehmer an dem Unterbleiben der Datenerhebung ist demgegenüber nicht ersichtlich. Auf das Recht des Arbeitnehmers, die Durchführung eines bEM abzulehnen, hat diese Datenerhebung keinen Einfluss.

42

d) Datenschutzrechtliche Gründe stehen der Übermittlung der vom Arbeitgeber erhobenen Daten über die Fehlzeiten der arbeitsunfähigen Arbeitnehmer an den Betriebsrat nicht entgegen.

43

aa) Die Zusammenstellung der die einzelnen Arbeitnehmer betreffenden Arbeitsunfähigkeitszeiten zu einer schriftlichen Aufstellung und deren Weitergabe an den Betriebsrat ist keine Datenübermittlung an einen Dritten, die von dem Erlaubnistatbestand in § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG nicht erfasst wird. Der Betriebsrat ist nicht als „Dritter“ iSd. § 3 Abs. 4 Nr. 3 BDSG anzusehen, der außerhalb der verantwortlichen Stelle iSd. § 3 Abs. 7 BDSG, also des Unternehmens steht. Vielmehr ist er selbst Teil dieser Stelle (zu § 3 BDSG aF: BAG 3. Juni 2003 - 1 ABR 19/02 - zu B II 2 a bb [3] [a] der Gründe, BAGE 106, 188) und hat die betrieblichen und gesetzlichen Datenschutzbestimmungen einzuhalten (vgl. BAG 12. August 2009 - 7 ABR 15/08 - Rn. 27, BAGE 131, 316), zu denen insbesondere die Wahrung des Datengeheimnisses (§ 5 Satz 1 BDSG) gehört.

44

bb) Überwiegende schutzwürdige Interessen iSd. § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG der betroffenen Arbeitnehmer stehen der Bekanntgabe ihrer Namen gegenüber dem Betriebsrat nicht entgegen.

45

(1) Zwar handelt es nicht um betriebsöffentliche Daten, die allen Arbeitnehmern und damit auch dem Betriebsrat bekannt sind. Dennoch ist der auf Krankheit beruhende Arbeitsausfall wegen der dadurch ausgelösten Notwendigkeit einer Vertretung regelmäßig im Betrieb bekannt.

46

(2) Weiterhin verstärkt die Überwachung der dem Arbeitgeber durch § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX auferlegten Verpflichtung die mit der Einführung des bEM verbundene Erwartung des Gesetzgebers, den betroffenen Arbeitnehmern durch das Angebot eines besonderen Präventionsverfahrens möglichst ihren Arbeitsplatz zu erhalten. Der Gesetzgeber konnte auch davon ausgehen, dass der Betriebsrat als Vertreter der Belegschaft die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber in geeigneter Weise wahrnimmt. Das durch Art. 8 Abs. 1 GRC gewährleistete Recht auf Schutz der eine Person betreffenden personenbezogenen Daten wird ausreichend dadurch gewahrt, dass der Betriebsrat in Bezug auf Gesundheitsdaten der Arbeitnehmer nicht nur dem Datengeheimnis, sondern auch einer strafbewehrten Verschwiegenheitspflicht unterliegt(§ 79 Abs. 1, § 120 Abs. 2 BetrVG) und die eigentliche Durchführung des bEM mit der damit verbundenen Erörterung der besonders sensiblen Krankheitsdaten von einer weiteren Belehrung des Arbeitgebers und der Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer abhängig ist. Ebenso wie ein Arbeitnehmer aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht beanspruchen kann, dass bestimmte Mitarbeiter im Rahmen ihrer Arbeitsaufgabe mit der Verarbeitung seiner persönlichen Daten nicht befasst werden, kann er auch nicht verlangen, dass eine ebensolche Übermittlung an den Betriebsrat unterbleibt.

47

e) Eines Vorabentscheidungsersuchens zur Auslegung der RL 95/46/EG an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es nicht (vgl. zur Vorlagepflicht der nationalen Gerichte BVerfG 2. Senat 2. Kammer 21. November 2011 - 2 BvR 516/09, 2 BvR 52 BvR 535/09 - Rn. 23 ff., NJW 2012, 598; 1. Senat 2. Kammer 24. Oktober 2011 - 1 BvR 1103/11 - Rn. 11 f., NZA 2012, 202). Die hier entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs hinreichend geklärt. Dies gilt für den Geltungsbereich der Richtlinie, ihren Normzweck und die für die nationalen Gerichte bei der einzelfallbezogenen Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände.

48

aa) Die RL 95/46/EG eröffnet dem nationalen Gesetzgeber durch Art. 5 Handlungsspielräume, aufgrund derer er die in Art. 6 bis Art. 8 RL 95/46/EG festgelegten Grundsätze näher bestimmen kann. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind die Mechanismen, die eine Abwägung der verschiedenen Rechte und Interessen ermöglichen, zum einen in der RL 95/46/EG selbst festgelegt, soweit diese Vorschriften enthält, die bestimmen, in welchen Situationen und in welchem Umfang die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist und welche Schutzvorkehrungen vorzusehen sind. Zum anderen eröffnen viele der in der RL 95/46/EG verhältnismäßig allgemein gehaltenen Bestimmungen den Mitgliedstaaten einen Handlungsspielraum bei der Umsetzung in nationales Recht oder eine Auswahl zwischen den in der Richtlinie festgelegten Optionen (EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 82 f., Slg. 2003, I-12971). Dieses Zusammenspiel zwischen den zwingenden Richtlinienvorgaben und dem nationalen Recht überlässt den nationalen Gerichten den erforderlichen Spielraum, um bei der hier in Rede stehenden einzelfallbezogenen Anwendung der die RL 95/46/EG umsetzenden nationalen Regelung einen angemessenen Ausgleich zwischen den mit der Richtlinie verfolgten Zwecken herzustellen (EuGH 6. November 2003 - C-101/01 - [Lindqvist] Rn. 85, aaO). Dem entsprechend hat der Senat bei der Interessenabwägung im Rahmen des § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG berücksichtigt, dass es nach den Erwägungsgründen Nr. 33, 34 der RL 95/46/EG deren Ziel ist, bei der Verarbeitung von besonders sensiblen Datenkategorien einen möglichst weitgehenden Schutz der Beeinträchtigung der Grundfreiheiten und der Privatsphäre zu gewährleisten, andererseits es aber auch dem Arbeitgeber zu ermöglichen, eine gesetzliche Pflichtenstellung zu erfüllen, die ihm im Wesentlichen zugunsten des betroffenen Beschäftigten auferlegt worden ist.

49

bb) Ob der Arbeitgeber nach Unionsrecht überhaupt berechtigt ist, sich unter Berufung auf die Grundrechtspositionen der betroffenen Arbeitnehmer einer Weitergabe der für die Überwachungsaufgabe erforderlichen Daten an den Betriebsrat zu entziehen, bedarf angesichts der fehlenden Entscheidungserheblichkeit dieser Frage keiner Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.

50

VI. Es bedarf keiner Entscheidung, ob das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Übermittlung der Namen von Arbeitnehmern mit krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen im vorangegangenen Jahreszeitraum an den Betriebsrat entgegensteht. Der Arbeitgeber ist nicht befugt, sich gegenüber dem Überwachungsrecht des Betriebsrats auf Grundrechte von Arbeitnehmern zu berufen (vgl. BAG 20. Dezember 1995 - 7 ABR 8/95 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 82, 36).

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Hayen    

        

    Hann    

                 

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.

(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.

(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:

1.
darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
2.
Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;
2a.
die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg, zu fördern;
2b.
die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern;
3.
Anregungen von Arbeitnehmern und der Jugend- und Auszubildendenvertretung entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinzuwirken; er hat die betreffenden Arbeitnehmer über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen zu unterrichten;
4.
die Eingliederung schwerbehinderter Menschen einschließlich der Förderung des Abschlusses von Inklusionsvereinbarungen nach § 166 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und sonstiger besonders schutzbedürftiger Personen zu fördern;
5.
die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung vorzubereiten und durchzuführen und mit dieser zur Förderung der Belange der in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer eng zusammenzuarbeiten; er kann von der Jugend- und Auszubildendenvertretung Vorschläge und Stellungnahmen anfordern;
6.
die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern;
7.
die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern, sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb zu beantragen;
8.
die Beschäftigung im Betrieb zu fördern und zu sichern;
9.
Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.

(2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten; die Unterrichtung erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, und umfasst insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen. Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Zu den erforderlichen Unterlagen gehören auch die Verträge, die der Beschäftigung der in Satz 1 genannten Personen zugrunde liegen. Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen.

(3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Muss der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz beurteilen, gilt insoweit die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich. Gleiches gilt, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf einen ständigen Sachverständigen in Angelegenheiten nach Satz 2 einigen.

(4) Für die Geheimhaltungspflicht der Auskunftspersonen und der Sachverständigen gilt § 79 entsprechend.

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.

(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.

(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen.

(2) Der Arbeitgeber soll in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung geschult, gilt dies als Erfüllung seiner Pflichten nach Absatz 1.

(3) Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen.

(4) Werden Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte nach § 7 Abs. 1 benachteiligt, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen.

(5) Dieses Gesetz und § 61b des Arbeitsgerichtsgesetzes sowie Informationen über die für die Behandlung von Beschwerden nach § 13 zuständigen Stellen sind im Betrieb oder in der Dienststelle bekannt zu machen. Die Bekanntmachung kann durch Aushang oder Auslegung an geeigneter Stelle oder den Einsatz der im Betrieb oder der Dienststelle üblichen Informations- und Kommunikationstechnik erfolgen.

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.

(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.

(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:

1.
darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
2.
Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;
2a.
die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg, zu fördern;
2b.
die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern;
3.
Anregungen von Arbeitnehmern und der Jugend- und Auszubildendenvertretung entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinzuwirken; er hat die betreffenden Arbeitnehmer über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen zu unterrichten;
4.
die Eingliederung schwerbehinderter Menschen einschließlich der Förderung des Abschlusses von Inklusionsvereinbarungen nach § 166 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und sonstiger besonders schutzbedürftiger Personen zu fördern;
5.
die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung vorzubereiten und durchzuführen und mit dieser zur Förderung der Belange der in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer eng zusammenzuarbeiten; er kann von der Jugend- und Auszubildendenvertretung Vorschläge und Stellungnahmen anfordern;
6.
die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern;
7.
die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern, sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb zu beantragen;
8.
die Beschäftigung im Betrieb zu fördern und zu sichern;
9.
Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.

(2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten; die Unterrichtung erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, und umfasst insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen. Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Zu den erforderlichen Unterlagen gehören auch die Verträge, die der Beschäftigung der in Satz 1 genannten Personen zugrunde liegen. Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen.

(3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Muss der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz beurteilen, gilt insoweit die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich. Gleiches gilt, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf einen ständigen Sachverständigen in Angelegenheiten nach Satz 2 einigen.

(4) Für die Geheimhaltungspflicht der Auskunftspersonen und der Sachverständigen gilt § 79 entsprechend.

Tenor

I. Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. Oktober 2007 - 17 Sa 809/07 - aufgehoben.

II. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. März 2007 - 6 Ca 7405/06 - abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zu 1. und der Beklagten nicht aufgrund der Befristung in § 19 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal bei Lufthansa idF vom 14. Januar 2005 mit dem 30. November 2006 endete.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des verstorbenen früheren Klägers zu 2. M und der Beklagten nicht aufgrund der Befristung in § 19 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal bei Lufthansa idF vom 14. Januar 2005 mit dem 30. April 2007 endete.

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zu 3. und der Beklagten nicht aufgrund der Befristung in § 19 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal bei Lufthansa idF vom 14. Januar 2005 mit dem 30. Juni 2007 endete.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung der Arbeitsverhältnisse der Kläger zu 1. und 3. sowie des verstorbenen früheren Klägers zu 2. mit der Beklagten aufgrund einer tariflichen Altersgrenze.

2

Der Kläger zu 1. wurde am 10. November 1946, der frühere Kläger zu 2. am 25. April 1947 und der Kläger zu 3. am 29. Juni 1947 geboren. Der ehemalige Kläger zu 2. verstarb am 13. November 2009.

3

Die Kläger wurden von dem beklagten Luftfahrtunternehmen seit vielen Jahren als Flugzeugführer, zuletzt als Flugkapitäne, beschäftigt. Auf die Arbeitsverhältnisse fanden kraft arbeitsvertraglicher Verweisung - bei den Klägern zu 1. und 3. auch kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit - die für das Cockpitpersonal der Beklagten geltenden Tarifverträge Anwendung. § 19 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal bei Lufthansa(MTV Nr. 5a) idF vom 14. Januar 2005 lautet:

        

„Das Arbeitsverhältnis endet - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf des Monats, in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird.“

4

Die fachlichen Voraussetzungen und Prüfungen für den Erwerb von Lizenzen richten sich nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung(LuftVZO) idF der Verordnung zur Änderung luftrechtlicher Vorschriften über Anforderungen an Flugbesatzungen vom 10. Februar 2003 (BGBl. I S. 182). Der Umfang der Lizenzen bestimmt sich nach der Verordnung über Luftfahrtpersonal. Für Privatflugzeugführer, Berufsflugzeugführer und Verkehrsflugzeugführer galt zu dem Zeitpunkt, in dem die Kläger jeweils die tarifliche Altersgrenze erreichten, die vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Bundesanzeiger bekannt gemachte Fassung der Bestimmungen über die Lizenzierung von Piloten von Flugzeugen (JAR-FCL 1 deutsch) vom 15. April 2003 (Bundesanzeiger Nr. 80a vom 29. April 2003; jetzt: JAR-FCL 1 deutsch idF vom 17. November 2008, Bundesanzeiger Nr. 13a vom 27. Januar 2009). Bei den Bestimmungen der JAR-FCL handelt es sich um ein unter deutscher Beteiligung erarbeitetes Regelwerk einer internationalen Institution, der Joint-Aviation-Authorities (JAA). JAR-FCL 1.060 idF vom 15. April 2003 lautet (in Buchst. a wortgleich mit der Fassung vom 17. November 2008):

        

„Beschränkungen für Lizenzinhaber nach Vollendung des 60. Lebensjahres

        

(a)     

60 - 64 Jahre:

        

Der Inhaber einer Lizenz darf nach Vollendung des 60. Lebensjahres nicht mehr als Pilot von Flugzeugen bei der gewerbsmäßigen Beförderung eingesetzt werden, es sei denn:

        

(1)     

er ist Mitglied einer Flugbesatzung, die aus mehreren Piloten besteht, und

        

(2)     

die anderen Piloten haben das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet.

        

(b)     

65 Jahre

        

Der Inhaber einer Lizenz darf nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr als Pilot von Flugzeugen bei der gewerbsmäßigen Beförderung eingesetzt werden.“

5

§ 4 der Ersten Durchführungsverordnung zur Verordnung über Luftfahrtpersonal(1. DV LuftPersV) vom 15. April 2003 (Bundesanzeiger Nr. 82b vom 3. Mai 2003) bestimmt:

        

„Der Inhaber einer in der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Berufs- oder Verkehrspilotenlizenz oder der Inhaber einer Lizenz gemäß § 46 Abs. 5 LuftPersV darf nach Vollendung des 60. Lebensjahres bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Rechte seiner Lizenz auch in Luftfahrzeugen mit einer Mindestbesatzung von einem Piloten bei der gewerbsmäßigen Beförderung von Fluggästen, Post und/oder Fracht, beschränkt auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, ausüben.

        

Der Inhaber einer Pilotenlizenz darf nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr als Flugzeugführer bei der gewerbsmäßigen Beförderung von Fluggästen, Post und/oder Fracht eingesetzt werden.“

6

Mit ihrer am 19. Oktober 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage haben sich die Kläger zu 1. und 3. sowie der verstorbene frühere Kläger zu 2. gegen die Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse aufgrund der tariflichen Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a gewandt. Die Altersgrenze diskriminiere sie wegen ihres Alters und verstoße damit gegen § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Das AGG sei unionsrechtskonform anhand der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16, Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie) auszulegen.

7

Die Kläger zu 1. und 3. sowie der verstorbene frühere Kläger zu 2. haben, soweit für die Revision noch von Interesse, beantragt

         

I.    

festzustellen,

                 

1.    

dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger zu 1. und der Beklagten nicht aufgrund der Befristung in § 19 Abs. 1 des Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal bei Lufthansa idF vom 14. Januar 2005 zum 30. November 2006 endete;

                 

2.    

dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger zu 2. und der Beklagten nicht aufgrund der Befristung in § 19 Abs. 1 des Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal bei Lufthansa idF vom 14. Januar 2005 zum 30. April 2007 endete;

                 

3.    

dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger zu 3. und der Beklagten nicht aufgrund der Befristung in § 19 Abs. 1 des Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal bei Lufthansa idF vom 14. Januar 2005 zum 30. Juni 2007 endete;

        

II.     

die Beklagte zu verurteilen,

                 

1.    

den Kläger zu 1. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu I.1. zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugkapitän sowie als Check- und Trainingskapitän über den Ablauf des 30. November 2006 hinaus weiterzubeschäftigen;

                 

2.    

den Kläger zu 2. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu I.2. zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugkapitän über den Ablauf des 30. April 2007 hinaus weiterzubeschäftigen;

                 

3.    

den Kläger zu 3. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu I.3. zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugkapitän sowie als Check- und Trainingskapitän über den Ablauf des 30. November 2006 hinaus weiterzubeschäftigen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die tarifliche Altersgrenze für wirksam gehalten.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger zu 1. und 3. sowie die Ehefrau des in der Revisionsinstanz verstorbenen früheren Klägers zu 2. die Anträge weiter. Die Ehefrau des früheren Klägers zu 2. ist dessen Alleinerbin und hat das Verfahren aufgenommen. Die Beklagte ist der Aufnahme nicht entgegengetreten.

10

Der Senat hat den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (heute: Gerichtshof der Europäischen Union, im Folgenden Gerichtshof oder EuGH) mit Beschluss vom 17. Juni 2009 (- 7 AZR 112/08 (A) - BAGE 131, 113) um Vorabentscheidung über die Frage ersucht:

        

„Sind Art. 2 Abs. 5, Art. 4 Abs. 1 und/oder Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens zur Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und/oder der allgemeine Grundsatz des Gemeinschaftsrechts über das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters so auszulegen, dass sie Regelungen des nationalen Rechts entgegenstehen, die eine auf Gründen der Gewährleistung der Flugsicherheit beruhende tarifliche Altersgrenzenregelung von 60 Jahren für Piloten anerkennen?“

11

Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 13. September 2011 (- C-447/09 - [Prigge] Rn. 83, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22) erkannt:

        

„Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten über Ermächtigungsvorschriften den Sozialpartnern gestatten können, Maßnahmen im Sinne dieses Art. 2 Abs. 5 auf den in dieser Bestimmung genannten Gebieten, die in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen fallen, zu treffen, vorausgesetzt, diese Ermächtigungsvorschriften sind hinreichend genau, damit gewährleistet wird, dass die genannten Maßnahmen die in Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie genannten Anforderungen beachten. Eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die die Altersgrenze, ab der Piloten ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen dürfen, auf 60 Jahre festlegt, während die nationale und die internationale Regelung dieses Alter auf 65 Jahre festlegen, ist keine Maßnahme, die für die öffentliche Sicherheit und den Schutz der Gesundheit im Sinne dieses Art. 2 Abs. 5 notwendig ist.

        

Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass er einer tarifvertraglichen Klausel entgegensteht, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende die Altersgrenze, ab der Piloten als körperlich nicht mehr fähig zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gelten, auf 60 Jahre festlegt, während die nationale und die internationale Regelung dieses Alter auf 65 Jahre festlegen.

        

Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass die Flugsicherheit kein legitimes Ziel im Sinne dieser Vorschrift ist.“

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Kläger ist begründet. Die Befristungskontrollanträge haben entgegen der Auffassung der Vorinstanzen in der Sache Erfolg. Über die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung hat der Senat nicht zu entscheiden.

13

A. Die Befristungskontrollanträge sind begründet. Das gilt auch für den Befristungskontrollantrag des früheren Klägers zu 2. An seine Stelle ist als Partei dessen Ehefrau getreten. Die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG ist in allen drei Fällen gewahrt. Die drei Arbeitsverhältnisse endeten nicht aufgrund ihrer Befristung am 30. November 2006, 30. April 2007 und 30. Juni 2007.

14

I. Die Ehefrau des am 13. November 2009 während des Revisionsverfahrens verstorbenen Klägers zu 2. ist an seiner Stelle aktivlegitimiert. Sie ist seine Alleinerbin und damit Gesamtrechtsnachfolgerin iSv. § 1922 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Die Erben eines Arbeitnehmers können Befristungskontrollklage erheben oder sie anstelle des Arbeitnehmers fortführen, wenn der Arbeitnehmer nach dem Ende der Befristung stirbt (vgl. zu der parallelen Problematik im Kündigungsschutzrecht bei Versterben des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist oder nach Zugang der außerordentlichen Kündigung KR/Friedrich 9. Aufl. § 4 KSchG Rn. 82; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 4 KSchG Rn. 97; von Hoyningen-Huene/Linck 14. Aufl. § 4 KSchG Rn. 63; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 4 KSchG Rn. 17). Nur auf diese Weise kann die Fiktion der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 17 Satz 2 TzBfG, § 7 Halbs. 1 KSchG abgewandt und eine zB auf Annahmeverzugsentgelt gerichtete Leistungsklage vorbereitet werden. Es handelt sich um einen Fall des gesetzlichen Parteiwechsels durch Aufnahme des Rechtsstreits iSv. § 239 Abs. 1, § 250 ZPO(vgl. Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 239 ZPO Rn. 1).

15

II. Die Befristungen der Arbeitsverträge aufgrund der tariflichen Altersgrenze gelten nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Die Kläger zu 1. und 3. sowie der frühere Kläger zu 2. haben die Rechtsunwirksamkeit der Befristungen mit der am 19. Oktober 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht. Die Klage konnte nach der ständigen Rechtsprechung des Senats vor dem Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit erhoben werden (vgl. nur BAG 21. September 2011 - 7 AZR 134/10 - Rn. 15 mwN).

16

III. Die Arbeitsverhältnisse der Kläger zu 1. und 3. sowie des früheren Klägers zu 2. endeten nicht aufgrund ihrer Befristung mit dem Ende des Monats der Vollendung des 60. Lebensjahres. Die auf die drei Arbeitsverhältnisse anzuwendende tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a verstößt gegen das Benachteiligungsverbot wegen des Alters in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam(vgl. zu der abweichenden früheren Rspr., die Altersgrenzen von 60 Jahren für Piloten vor Inkrafttreten des AGG für sachlich gerechtfertigt iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG hielt, zuletzt BAG 21. Juli 2004 - 7 AZR 589/03 - zu II der Gründe mwN, EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 5; verfassungsrechtlich gebilligt von BVerfG 25. November 2004 -  1 BvR 2459/04 - zu B II 3 c aa der Gründe, BVerfGK 4, 219).

17

1. Die Vorschriften des AGG sind auf den Streitfall anzuwenden.

18

a) Dem steht nicht entgegen, dass die tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a von den Tarifvertragsparteien am 14. Januar 2005 und damit vor Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 vereinbart wurde. Die Regelungen des AGG sind auch auf Altersgrenzen anzuwenden, die vor Inkrafttreten des AGG einzelvertraglich oder tarifvertraglich vereinbart wurden, wenn die Altersgrenze im Einzelfall erst mit oder nach Inkrafttreten des AGG erreicht wird. Nur wenn die Altersgrenze bereits vor dem 18. August 2006 erreicht wurde, gilt nach § 33 Abs. 1 AGG altes Recht(vgl. ausführlich BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 36 ff. mwN, BAGE 131, 113).

19

b) Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger zu 1. vollendete sein 60. Lebensjahr am 10. November 2006 und erreichte die tarifliche Altersgrenze am 30. November 2006. Der verstorbene frühere Kläger zu 2. vollendete sein 60. Lebensjahr am 25. April 2007 und erreichte die tarifliche Altersgrenze am 30. April 2007. Der Kläger zu 3. vollendete sein 60. Lebensjahr am 29. Juni 2007 und erreichte die tarifliche Altersgrenze am 30. Juni 2007.

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2. Die tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Mit der Altersgrenze ist eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters verbunden. Die Altersgrenze des § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a ist nicht nach Art. 2 Abs. 5 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie von deren Geltungsbereich ausgenommen. Die Benachteiligung ist weder durch § 8 Abs. 1 AGG noch durch § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt. Da das AGG ua. der Umsetzung der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie dient, ist es grundsätzlich unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie auszulegen (vgl. BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 43, BAGE 131, 113; 14. Januar 2009 - 3 AZR 20/07  - Rn. 17, BAGE 129, 105). Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verlangt, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der danach anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der betreffenden Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel übereinstimmt (vgl. für die st. Rspr. EuGH 10. März 2011 - C-109/09 - [Deutsche Lufthansa] Rn. 55 mwN, EzA TzBfG § 14 Nr. 69).

21

a) Die tarifliche Altersgrenzenregelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a enthält eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, gegenüber jüngeren Arbeitnehmern.

22

aa) Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

23

bb) Wird eine tarifliche Altersgrenze wie die des § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a erreicht, wird der Arbeitsvertrag automatisch beendet. Arbeitnehmer, die dieses Alter erreicht haben, erfahren eine weniger günstige Behandlung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG als vergleichbare jüngere Arbeitnehmer.

24

(1) Eine solche Regelung führt unmittelbar zu einer auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlung bei den Entlassungsbedingungen (vgl. BAG 21. September 2011 - 7 AZR 134/10 - Rn. 27; 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 39 mwN, AP TzBfG § 14 Nr. 77 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 10; 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 44 f., BAGE 131, 113 ). Wie der Gerichtshof in der Vorabentscheidung Prigge ausdrücklich erkannt hat, erfährt ein Pilot, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund von § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a mit dem Monat automatisch endet, in dem er das 60. Lebensjahr vollendet, eine weniger günstige Behandlung als ein Pilot, der jünger ist und für dieselbe Luftfahrtgesellschaft die gleiche Tätigkeit ausübt und/oder demselben Tarifvertrag unterliegt. Die Altersgrenze begründet eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung iSv. Art. 1 iVm. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 42 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22 mit erläuternder Anm. Thüsing/Pötters ZIP 2011, 1886; siehe auch 21. Juli 2011 - C-159/10 und C-160/10  - [Fuchs] Rn. 33, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20; 18. November 2010 - C-250/09 - [Georgiev] Rn. 32, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 18; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 37, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9; 12. Januar 2010 - C-229/08 - [Wolf] Rn. 28, Slg. 2010, I-1; 12. Januar 2010 - C-341/08 - [Petersen] Rn. 34, Slg. 2010, I-47; 18. Juni 2009 - C-88/08 - [Hütter] Rn. 37, Slg. 2009, I-5325; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 33, Slg. 2009, I-1569; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 51, Slg. 2007, I-8531; zu der Altersgrenzenrechtsprechung des Gerichtshofs Preis NZA 2010, 1323).

25

(2) Eine nationale Regelung - hier § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG - kann es aus einem sachlichen Grund zulassen, dass ein Tarifvertrag Arbeitsverträge automatisch enden lässt, wenn ein bestimmtes Alter erreicht wird. Das ändert nichts daran, dass dieser Tarifvertrag dem Unionsrecht und insbesondere der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG zu entsprechen hat (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 46, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 53, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9 ). Das in Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union proklamierte Recht auf Kollektivverhandlungen muss im Geltungsbereich des Unionsrechts im Einklang mit ihm ausgeübt werden(vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 47, aaO; 18. Dezember 2007 - C-341/05 - [Laval un Partneri] Rn. 91, Slg. 2007, I-11767; 11. Dezember 2007 - C-438/05 - [Viking Line] Rn. 44, Slg. 2007, I-10779). Wenn die Sozialpartner Maßnahmen treffen, die in den Geltungsbereich der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie fallen, die für Beschäftigung und Beruf das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters konkretisiert, müssen sie daher unter Beachtung dieser Richtlinie vorgehen (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 48, aaO).

26

b) Die Altersgrenze des § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a ist nicht nach Art. 2 Abs. 5 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie von deren Geltungsbereich ausgenommen.

27

aa) Nach ihrem Art. 2 Abs. 5 berührt die Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen, die in einer demokratischen Gesellschaft für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die Verteidigung der Ordnung und die Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind.

28

bb) Die Sozialpartner sind keine öffentlich-rechtlich verfassten Einrichtungen. Das hindert die Mitgliedstaaten aber nicht, es den Sozialpartnern zu gestatten, Maßnahmen iSv. Art. 2 Abs. 5 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie auf den in dieser Bestimmung genannten Gebieten, die in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen fallen, zu treffen. Diese Ermächtigungsvorschriften müssen hinreichend genau sein, damit gewährleistet wird, dass die genannten Maßnahmen die in Art. 2 Abs. 5 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie genannten Anforderungen beachten(vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 60 f., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22).

29

cc) Die Tarifvertragsparteien sind mit Blick auf § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a der Ansicht, dass für die Ausübung der Tätigkeit der Piloten wegen der Sicherheit der Passagiere und der Bewohner der überflogenen Gebiete, aber auch aus Gründen, die die Gesundheit und die Sicherheit der Piloten selbst betreffen, eine Altersgrenze von 60 Jahren festzulegen ist. Diese Maßnahme verfolgt Ziele, die mit der öffentlichen Sicherheit und dem Schutz der Gesundheit in Zusammenhang stehen. Sie fällt in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen. Es ist nach der nationalen und der internationalen Lizenzregelung jedoch nicht erforderlich, den Piloten die Ausübung ihrer Tätigkeit nach Vollendung des 60. Lebensjahres zu untersagen. Es genügt nach JAR-FCL 1.060 Buchst. a, diese Ausübung dahin zu beschränken, dass ein weiterer Pilot, der das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Mitglied der Flugbesatzung ist. Das in der tariflichen Altersgrenze enthaltene Verbot, mit dem Ende des Monats, in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird, ein Flugzeug zu führen, ist nicht notwendig iSv. Art. 2 Abs. 5 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie, um das verfolgte Ziel zu erreichen(vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 62 bis 64, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22; zu der vom Gerichtshof vorgenommenen strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Altersgrenzen für bestimmte Beschäftigtengruppen unterhalb der gesetzlichen Regelaltersgrenze Preis NZA 2010, 1323, 1327; Thüsing/Pötters ZIP 2011, 1886, 1888).

30

c) Die unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters durch die Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a ist nicht nach § 8 Abs. 1 AGG oder § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt.

31

aa) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines der in § 1 genannten Merkmale ist nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig, wenn dieses Merkmal wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Eine besondere Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters enthält § 10 AGG. Nach § 10 Satz 1 AGG ist - ungeachtet des § 8 AGG - eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein( vgl. BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 42, BAGE 131, 113 ).

32

bb) Mit § 8 Abs. 1 sowie § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG hat der Gesetzgeber die Regelungen in Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie in nationales Recht umgesetzt (vgl. zu § 8 Abs. 1 AGG den besonderen Teil der Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/1780 S. 35 f.; zum Umsetzungswillen für die gesamte Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie auch den allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/1780 S. 1 bis 3 und S. 20 bis 27). Dabei hat er den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen (BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 43, BAGE 131, 113 ). Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie auszulegen (vgl. BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - aaO; 14. Januar 2009 - 3 AZR 20/07  - Rn. 17, BAGE 129, 105).

33

cc) Die unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters durch die Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a ist nicht durch § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt.

34

(1) Nach § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines der in § 1 genannten Merkmale zulässig, wenn dieses Merkmal wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Das entspricht weitgehend dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das in Zusammenhang mit einem der in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.

35

(2) Für Verkehrspiloten ist es wesentlich, dass sie über besondere körperliche Fähigkeiten verfügen, weil körperliche Schwächen in diesem Beruf erhebliche Konsequenzen haben können. Die körperlichen Fähigkeiten nehmen aus Sicht des Gerichtshofs ab einem bestimmten Lebensalter ab (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 67, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22 mit Bezug auf 12. Januar 2010 - C-229/08 - [Wolf] Rn. 41, Slg. 2010, I-1; vgl. auch BVerfG 25. November 2004 - 1 BvR 2459/04 - zu B II 3 c aa der Gründe mwN, BVerfGK 4, 219). Für die Ausübung des Berufs eines Verkehrspiloten kann das Vorhandensein besonderer körperlicher - altersabhängiger - Fähigkeiten deswegen als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSv. Art. 4 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie angesehen werden(vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] aaO).

36

(3) Rechtmäßiger Zweck der tariflichen Altersgrenze ist es, die Sicherheit des Flugverkehrs zu gewährleisten (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 68 f., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22).

37

(4) Die Tarifvertragsparteien haben Verkehrspiloten, die unter § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a fallen, aber eine unverhältnismäßige Anforderung iSv. Art. 4 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie auferlegt, indem sie die Altersgrenze, von der an die Piloten als körperlich nicht mehr fähig zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gelten, auf das Ende des Monats der Vollendung des 60. Lebensjahres festgelegt haben. Die nationalen und die internationalen Lizenzregelungen lassen die Ausübung dieser Tätigkeit im doppelt besetzten (Co-)Pilotencockpit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu, wenn der Besatzung ein (Co-)Pilot angehört, der das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 73, 75, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22). Es gibt keine hinreichend belastbaren Erkenntnisse dafür, dass die derzeit geltenden öffentlich-rechtlichen Beschränkungen für die Sicherheit des Luftverkehrs nicht ausreichend und deshalb weiter gehende tarifliche Beschränkungen erforderlich sind (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 74, aaO).

38

(5) Für den mit Art. 4 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie fast textgleichen § 8 Abs. 1 AGG gilt nach richtlinienkonformer Auslegung nichts anderes. Die tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a begründet eine unangemessene Anforderung iSv. § 8 Abs. 1 AGG.

39

dd) Die unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters durch die Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a ist nicht nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt.

40

(1) Nach § 10 Satz 1 AGG ist - ungeachtet des § 8 AGG - eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Diese Vorschriften setzen Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie um. Dort ist bestimmt, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

41

(2) Das Ziel der Flugsicherheit unterfällt nicht dem Begriff des Ziels iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG. Diese Vorschriften sind richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Flugsicherheit kein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG ist. Ziele, die als „legitim“ iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie und damit als geeignet angesehen werden können, eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters zu rechtfertigen, sind sozialpolitische Ziele wie solche aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 81, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22; 18. Juni 2009 - C-88/08 - [Hütter] Rn. 41, Slg. 2009, I-5325; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569 ). Ein Ziel wie das der Flugsicherheit gehört nicht zu den in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie genannten Zielen (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 82, aaO).

42

d) Die tarifliche Altersgrenze in § 19 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 5a, die schon eintritt, bevor das gesetzliche Rentenalter erreicht ist, verstößt damit gegen das Benachteiligungsverbot wegen des Alters in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Die Unwirksamkeitsfolge gilt auch für tarifliche Regelungen (vgl. zB BAG 15. Februar 2011 - 9 AZR 584/09 - Rn. 54, AP TVG § 1 Vorruhestand Nr. 34; 8. Dezember 2010 - 7 ABR 98/09 - Rn. 63, EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 5). Die Altersgrenze entfällt, ohne dass die Lücke gefüllt werden könnte (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 6).

43

B. Die auf vorläufige Weiterbeschäftigung gerichteten Anträge fallen nicht zur Entscheidung des Senats an. Mit diesen Anträgen machen die Kläger den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch für die Dauer des Rechtsstreits geltend (vgl. BAG 27. Februar 1985 - GS 1/84 - zu C der Gründe, BAGE 48, 122). Der Rechtsstreit ist mit Verkündung der Entscheidung des Senats über die Befristungskontrollanträge rechtskräftig abgeschlossen (vgl. für die st. Rspr. BAG 23. Juni 2010 - 7 AZR 1021/08 - Rn. 25, AP TzBfG § 14 Nr. 76 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 8).

44

C. Die Beklagte hat nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Gallner    

        

        

        

    R. Gmoser    

        

    Gerschermann    

                 

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Dezember 2008 - 3 TaBV 1131/08 - aufgehoben, soweit das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag des Betriebsrats entsprochen hat.

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. April 2008 - 38 BV 18755/07 - wird zurückgewiesen.

Der in der Beschwerdeinstanz erhobene Feststellungsantrag und der auf die Aufhebung der Einstellung der Arbeitnehmerin D B zum 26. Juni 2008 bezogene Aufhebungsantrag werden abgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Tendenzträgereigenschaft von pädagogischen Mitarbeitern.

2

Die Arbeitgeberin, die ca. 600 Arbeitnehmer in 25 Betriebsstätten beschäftigt, ist nach einem rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. August 2005 (- 36 BV 11795/05 -) ein Tendenzunternehmen iSv. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG, welches unmittelbar und überwiegend karitativen und erzieherischen Zwecken dient. Gegenstand ihres Unternehmens ist ua. die Einrichtung und der Betrieb von Kindertagesstätten, Tagesförderstätten und Wohnheimen für behinderte Menschen. Ziel der Arbeitgeberin ist die Integration der von ihr betreuten behinderten Menschen in die Gesellschaft. Ihre Tätigkeit ist am Normalisierungsprinzip ausgerichtet. Danach soll den behinderten Menschen ein möglichst normales, selbstbestimmtes Leben sowie die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft ermöglicht werden.

3

Die im Stadtgebiet von Berlin gelegenen Wohnheime der Arbeitgeberin sind in drei Wohnheimbereiche gegliedert, die jeweils von einem Abteilungsleiter geführt werden. Dieser ist für die Umsetzung der unternehmerischen Ziele und für die konzeptionelle Fortentwicklung des Leistungsangebots verantwortlich. Die Betreuung der behinderten Menschen erfolgt in Wohnheimen durch pädagogische Mitarbeiter, die über unterschiedliche Ausbildungen verfügen. In fast allen Wohnheimen ist daneben ein Gruppenleiter für die Aufsicht über mehrere Wohngruppen zuständig.

4

Für jeden Heimbewohner wird auf der Grundlage seines individuellen Hilfebedarfs nach der von der Arbeitgeberin erstellten Prozessbeschreibung „Hilfeplanung Wohnheime“ eine Hilfeplanung entwickelt. Zuständig für die Erstellung der Hilfepläne ist ein interdisziplinäres Team, dem neben pädagogischen Mitarbeitern Ärzte, Psychologen, Krankengymnasten sowie Handwerker angehören. Die Hilfepläne werden von dem jeweiligen pädagogischen Mitarbeiter als Bezugsbetreuer, dem Gruppenleiter sowie dem Abteilungsleiter unterzeichnet. Auf der Grundlage der Hilfebedarfspläne werden für den Leistungsträger Entwicklungsberichte erstellt.

5

Nach einer unter dem 5. September 2002 erstellten Stellenbeschreibung gehört zu den Aufgaben der in den Wohnheimen eingesetzten pädagogischen Mitarbeiter ua. die Erstellung, Umsetzung und Dokumentation der Hilfeplanung entsprechend des individuellen Hilfebedarfs, die Wahrnehmung der Aufgaben eines Bezugsbetreuers, Beschaffung von Wirtschafts- und Lebensmittelbedarf unter Berücksichtigung der Nutzeranforderungen und der Wirtschaftlichkeit, die Einarbeitung neuer Mitarbeiter sowie die Zusammenarbeit mit den gesetzlichen Vertretern der behinderten Menschen und deren Angehörigen. Diese Stellenbeschreibung ist in der Folgezeit durch eine unter dem 15. Dezember 2006 erstellte Stellenbeschreibung abgelöst worden.

6

Die Arbeitgeberin hat für die Tätigkeit der in den Wohnheimen beschäftigten Gruppenleiter eine Stellenbeschreibung vom 5. September 2002 erstellt. Danach gehören zu den Aufgaben der Gruppenleiter zusätzlich zu ihren Aufgaben als pädagogischer Mitarbeiter die Regelung der Kommunikation und Entwicklung von Methoden der Zusammenarbeit im Arbeitsteam, das Erstellen von Zeugnisentwürfen und Dienstplänen für die pädagogischen Mitarbeiter sowie deren Urlaubsplanung und die Ermittlung des Fortbildungs- und Supervisionsbedarfs der ihnen unterstellten Mitarbeiter. Daneben sind den Gruppenleitern administrative Tätigkeiten übertragen.

7

Zwischen der Arbeitgeberin und ihrem Betriebsrat kam es in der Vergangenheit zu Meinungsverschiedenheiten über die Beteiligungsrechte bei der Einstellung und Versetzung von pädagogischen Mitarbeitern und Gruppenleitern, die in den Wohnheimen der Arbeitgeberin eingesetzt werden. Die Arbeitgeberin sieht diese als Tendenzträger an, bei denen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eingeschränkt ist. Sie hat daher den Betriebsrat über die Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses der pädagogischen Mitarbeiterin D B vom 26. Juni 2008 bis zum 31. Juli 2009 lediglich informiert. Ebenso hat die Arbeitgeberin darauf verzichtet, die Zustimmung des Betriebsrats zu der bis zum 31. Dezember 2008 befristeten Versetzung des als Gruppenleiter Wohnen beschäftigten Arbeitnehmers W I einzuholen.

8

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, er habe bei der Einstellung sowie der Versetzung der in den Wohnheimen eingesetzten pädagogischen Mitarbeiter und Gruppenleiter nach §§ 99 ff. BetrVG mitzubestimmen. Dem stehe die Regelung des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG nicht entgegen; die pädagogischen Mitarbeiter und die Gruppenleiter seien keine Tendenzträger.

9

Der Betriebsrat hat nach einer Antragserweiterung in der Beschwerdeinstanz - soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung - zuletzt beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass dem Betriebsrat bei der Einstellung - auch in Gestalt einer wesentlichen Aufstockung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit - eines Erziehers/einer Erzieherin mit einer Tätigkeit auf der Grundlage der Stellenbeschreibung „pädagogischer Mitarbeiter Wohnen“ oder der Stellenbeschreibung „Gruppenleiter Wohnen“ in einem Wohnheim oder Kleinstheim der Arbeitgeberin und bei einer Versetzung von einem Wohnheim bzw. Kleinstheim ohne oder mit gleichzeitiger Entbindung von der Gruppenleiterfunktion ein Mitbestimmungsrecht nach §§ 99, 100 und 101 BetrVG zusteht,

        

hilfsweise,

        

2.    

der Arbeitgeberin aufzugeben, die Einstellung der Erzieherin D B zum 26. Juni 2008 und die Versetzung des Gruppenleiters/Erziehers W I in das Wohnheim A aufzuheben.

10

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

11

Das Arbeitsgericht hat die ursprünglichen Hauptanträge des Betriebsrats, die auf die Feststellung seines Mitbestimmungsrechts bei einzelnen personellen Maßnahmen und hilfsweise auf deren Aufhebung gerichtet waren, abgewiesen. Dagegen hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt und seine Feststellungsanträge hilfsweise um einen auf die Einstellung und Versetzung von pädagogischen Mitarbeitern in Wohnheimen sowie von Gruppenleitern bezogenen Feststellungsantrag erweitert. Das Landesarbeitsgericht hat diesem Antrag unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde entsprochen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin, mit der diese die vollständige Abweisung der Anträge begehrt.

12

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Der Feststellungsantrag des Betriebsrats ist unzulässig, während sein in der Rechtsbeschwerdeinstanz angefallener Aufhebungsantrag unbegründet ist.

13

I. Der Feststellungsantrag ist unzulässig, weil es an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen rechtlichen Interesse an alsbaldiger gerichtlicher Feststellung fehlt.

14

1. Mit dem Hauptantrag möchte der Betriebsrat das Bestehen seines Mitbestimmungsrechts bei der Einstellung und der Versetzung festgestellt wissen, wenn diese Maßnahmen in Wohnheimen beschäftigte pädagogische Mitarbeiter oder die dort eingesetzten Gruppenleiter betreffen, die auf der Grundlage der Stellenbeschreibungen „Pädagogischer Mitarbeiter Wohnen“ sowie „Gruppenleiter Wohnen“ vom 5. September 2002 beschäftigt werden. Mit diesem Inhalt hat das Landesarbeitsgericht den Antrag auch beschieden.

15

2. Bei diesem Verständnis ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Maßnahme, an welcher der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG festgestellt wissen will, ist im Antrag hinreichend beschrieben. Dabei kann zu Gunsten des Betriebsrats unterstellt werden, dass die im Antrag verwandte Einschränkung „wesentliche Aufstockung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit“ entsprechend der Senatsrechtsprechung (9. Dezember 2008 - 1 ABR 74/07 - Rn. 19, BAGE 128, 351) die Erhöhung der Arbeitszeit über die in § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG genannte Grenze von zehn Wochenstunden hinaus bezeichnet.

16

3. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass er auf einer im Beschwerdeverfahren vorgenommenen Antragsänderung beruht. Der in der ersten Instanz unterlegene Betriebsrat hat den Feststellungsantrag im Wege der Antragserweiterung (§ 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2, § 81 Abs. 3 ArbGG, § 533 ZPO) ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt. Das Landesarbeitsgericht hat ihn als sachdienlich angesehen und zugelassen. Im Übrigen hat sich die Arbeitgeberin auf den geänderten Antrag rügelos eingelassen.

17

4. Dem Antrag fehlt jedoch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

18

a) Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO ist für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens ein besonderes rechtliches Interesse daran erforderlich, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Für eine nur auf die Vergangenheit gerichtete Feststellung, aus der sich keinerlei Rechtsfolgen für die Zukunft mehr ergeben, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig nicht. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, einem Beteiligten zu bescheinigen, dass er im Recht war, oder eine die Verfahrensbeteiligten interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu klären. Allerdings kann ein in der Vergangenheit liegender Streitfall Anlass sein, das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts für die Zukunft feststellen zu lassen. Der Inhalt oder der Umfang von Beteiligungsrechten können im Beschlussverfahren losgelöst von einem konkreten Ausgangsfall geklärt werden, wenn die Maßnahme, für die ein Beteiligungsrecht in Anspruch genommen wird, häufiger im Betrieb auftritt und sich auch künftig jederzeit wiederholen kann (BAG 15. April 2008 - 1 ABR 14/07 - Rn. 17 mwN, AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 54; 13. Februar 2007 - 1 ABR 14/06 - Rn. 10, BAGE 121, 139).

19

b) Hiernach hat der Betriebsrat kein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, da diese in der Vergangenheit liegende Vorgänge betrifft.

20

aa) Das Landesarbeitsgericht hat dem Hauptantrag entsprochen und ein Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung und Versetzung der in den Wohnheimen eingesetzten pädagogischen Mitarbeiter bejaht. Seine Entscheidung hat es auf der Grundlage der Stellenbeschreibung vom 5. September 2002 getroffen, die von der Arbeitgeberin mit ihrem Schriftsatz vom 13. Februar 2008 in das Verfahren eingeführt worden ist. Dem Senat ist jedoch aus dem am 14. September 2010 entschiedenen Verfahren - 1 ABR 29/09 -, in dem die Beteiligten gleichermaßen um die Beteiligung des Betriebsrats bei der Einstellung und der Versetzung von pädagogischen Mitarbeitern in Wohnheimen für behinderte Menschen gestritten haben, bekannt, dass sich deren Tätigkeit nicht mehr nach der Stellenbeschreibung vom 5. September 2002, sondern nach einer unter dem 15. Dezember 2006 erstellten Stellenbeschreibung richtet. Diese hat das Landesarbeitsgericht bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen können, weil weder der Betriebsrat noch die Arbeitgeberin entsprechenden Vortrag gehalten haben. Da die Tätigkeitsbeschreibung vom 5. September 2002 für die Einstellung und die Versetzung der in den Wohnheimen beschäftigten pädagogischen Mitarbeiter nicht mehr von Bedeutung ist, bedarf es keiner zukunftsbezogenen gerichtlichen Entscheidung über die Einstellung und Versetzung der auf ihrer Grundlage beschäftigten pädagogischen Mitarbeiter. Der Betriebsrat benötigt die begehrte Feststellung auch nicht etwa, um künftige Streitigkeiten über seine Mitbestimmung bei gleichartigen personellen Maßnahmen zu vermeiden. Die von den pädagogischen Mitarbeitern nach der Stellenbeschreibung vom 15. Dezember 2006 auszuübenden Tätigkeiten entsprechen nicht den ihnen zuvor übertragenen Aufgaben, so dass sich die Rechtskraftwirkung einer gerichtlichen Entscheidung auf der Grundlage der Stellenbeschreibung vom 5. September 2002 nicht auf die zukünftig von der Arbeitgeberin durchzuführenden Einstellungen und Versetzungen erstrecken würde.

21

bb) Dem Hauptantrag fehlt es gleichermaßen an einem Feststellungsinteresse, soweit er sich auf die in den Wohnheimen eingesetzten Gruppenleiter bezieht. Deren Tätigkeit richtet sich zwar nach wie vor nach der Stellenbeschreibung vom 5. September 2002. In dieser wird jedoch ausdrücklich auf die für pädagogische Mitarbeiter in Wohnheimen geltende Arbeitsplatzbeschreibung Bezug genommen und diese zum Bestandteil der Arbeitsinhalte eines Gruppenleiters gemacht. Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Damit hängt auch das Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung und Versetzung von Gruppenleitern von der rechtlichen Beurteilung der für pädagogische Mitarbeiter in Wohnheimen geltenden Stellenbeschreibung vom 15. Dezember 2006 ab.

22

II. Der danach dem Senat zur Entscheidung angefallene Hilfsantrag ist unbegründet. Bei dem Antrag auf Aufhebung einer personellen Einzelmaßnahme nach § 101 BetrVG handelt es sich um einen Leistungsantrag, für den es zwar der Darlegung eines besonderen Rechtsschutzinteresses nicht bedarf. Der Antrag wird jedoch unbegründet, wenn die im Antrag bezeichnete personelle Einzelmaßnahme durch Zeitablauf geendet hat. Dies ist vorliegend der Fall. Sowohl die bis zum 31. Juli 2009 befristete Einstellung von Frau B wie auch die bis zum 31. Dezember 2008 durchgeführte Versetzung von Herrn I sind beendet.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Manfred Gentz    

        

    Platow    

                 

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.

(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.

(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:

1.
darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
2.
Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;
2a.
die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg, zu fördern;
2b.
die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern;
3.
Anregungen von Arbeitnehmern und der Jugend- und Auszubildendenvertretung entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinzuwirken; er hat die betreffenden Arbeitnehmer über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen zu unterrichten;
4.
die Eingliederung schwerbehinderter Menschen einschließlich der Förderung des Abschlusses von Inklusionsvereinbarungen nach § 166 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und sonstiger besonders schutzbedürftiger Personen zu fördern;
5.
die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung vorzubereiten und durchzuführen und mit dieser zur Förderung der Belange der in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer eng zusammenzuarbeiten; er kann von der Jugend- und Auszubildendenvertretung Vorschläge und Stellungnahmen anfordern;
6.
die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern;
7.
die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern, sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb zu beantragen;
8.
die Beschäftigung im Betrieb zu fördern und zu sichern;
9.
Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.

(2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten; die Unterrichtung erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, und umfasst insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen. Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Zu den erforderlichen Unterlagen gehören auch die Verträge, die der Beschäftigung der in Satz 1 genannten Personen zugrunde liegen. Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen.

(3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Muss der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz beurteilen, gilt insoweit die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich. Gleiches gilt, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf einen ständigen Sachverständigen in Angelegenheiten nach Satz 2 einigen.

(4) Für die Geheimhaltungspflicht der Auskunftspersonen und der Sachverständigen gilt § 79 entsprechend.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Durch Betriebsvereinbarung kann eine ständige Einigungsstelle errichtet werden.

(2) Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so bestellt ihn das Arbeitsgericht. Dieses entscheidet auch, wenn kein Einverständnis über die Zahl der Beisitzer erzielt wird.

(3) Die Einigungsstelle hat unverzüglich tätig zu werden. Sie fasst ihre Beschlüsse nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit. Bei der Beschlussfassung hat sich der Vorsitzende zunächst der Stimme zu enthalten; kommt eine Stimmenmehrheit nicht zustande, so nimmt der Vorsitzende nach weiterer Beratung an der erneuten Beschlussfassung teil. Die Beschlüsse der Einigungsstelle sind schriftlich niederzulegen und vom Vorsitzenden zu unterschreiben oder in elektronischer Form niederzulegen und vom Vorsitzenden mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen sowie Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten.

(4) Durch Betriebsvereinbarung können weitere Einzelheiten des Verfahrens vor der Einigungsstelle geregelt werden.

(5) In den Fällen, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, wird die Einigungsstelle auf Antrag einer Seite tätig. Benennt eine Seite keine Mitglieder oder bleiben die von einer Seite genannten Mitglieder trotz rechtzeitiger Einladung der Sitzung fern, so entscheiden der Vorsitzende und die erschienenen Mitglieder nach Maßgabe des Absatzes 3 allein. Die Einigungsstelle fasst ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen. Die Überschreitung der Grenzen des Ermessens kann durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Zuleitung des Beschlusses an gerechnet, beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden.

(6) Im übrigen wird die Einigungsstelle nur tätig, wenn beide Seiten es beantragen oder mit ihrem Tätigwerden einverstanden sind. In diesen Fällen ersetzt ihr Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nur, wenn beide Seiten sich dem Spruch im voraus unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben.

(7) Soweit nach anderen Vorschriften der Rechtsweg gegeben ist, wird er durch den Spruch der Einigungsstelle nicht ausgeschlossen.

(8) Durch Tarifvertrag kann bestimmt werden, dass an die Stelle der in Absatz 1 bezeichneten Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle tritt.