Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 06. Juni 2014 - 18 Sa 335/14
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 04.02.2014 - 3 Ca 2134/13 - unter Zurückweisung der Berufung des Klägers dahin abgeändert, dass die Klage vollen Umfangs abgewiesen wird.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
3Der am 04.03.1965 geborene Kläger ist ledig. Seit dem 01.08.1982 war er im Dienste der Bundesrepublik Deutschland als Beamter bei der Deutschen B tätig. Mit der Privatisierung der Deutschen B nimmt E AG die Dienstherreneigenschaft aufgrund des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen B wahr. E AG beurlaubte den Kläger nach § 13 Abs. 1 der Sonderurlaubsverordnung unter Wegfall der Besoldung für eine Tätigkeit bei der W GmbH. Zum 01.01.2008 erwarb die Beklagte den Geschäftsbetrieb der W GmbH. Sämtliche bei der W GmbH bestehende Arbeitsverhältnisse, darunter auch das Arbeitsverhältnis des Klägers, gingen auf die Beklagte über. Die Beklagte erbrachte mit zuletzt rund 950 Mitarbeitern, darunter rund 190 beurlaubte Beamte der E2 AG, an 16 Standorten in Deutschland Dienstleistungen auf dem Telekommunikationssektor. Der Kläger bezog zuletzt ein monatliches Entgelt von 2.010,58 € brutto.
4In den Jahren 2010 bis 2012 erstritten einige Arbeitnehmer der Beklagten, die nicht zu den beurlaubten Beamten gehörten, rechtskräftig obsiegende Urteile gegen E AG, wonach die Arbeitsverhältnisse mit der E2 AG mangels rechtswirksamer Beendigung fortbestanden haben. Später ergingen entsprechende Anerkenntnisurteile zugunsten weiterer Arbeitnehmer.
5Am 05.12.2012 wurden die Beschäftigten der Beklagten im Rahmen einer Betriebsversammlung über eine beabsichtigte Schließung des Geschäftsbetriebs der Beklagten informiert. Unter dem 29.04.2013 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat einen Interessenausgleich zur Betriebsschließung und einen Sozialplan ab. Der Sozialplan lautet auszugsweise:
6„Präambel
7(1) Infolge der Betriebsstilllegung, die im Interessenausgleich vom 29.04.2013 beschrieben ist, entsteht die Notwendigkeit, die wirtschaftlichen und sozialen Nachteile auszugleichen bzw. abzumildern, die den Mitarbeitern entstehen.
8(2) Die Betriebsparteien möchten durch diesen Sozialplan insbesondere die Bedingungen dafür schaffen, dass die von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeiter der NSN S bei ihrer notwendigen beruflichen Neuorientierung unterstützt werden. Zu diesem Zweck soll den Mitarbeitern nach Maßgabe dieses Sozialplans neben der Zahlung von Abfindungen auch der Abschluss von Transferarbeitsverhältnissen angeboten werden.
9(3) Das zur Verfügung stehende Sozialplanvolumen ist knapp bemessen und reicht nicht annähernd für den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile aller Mitarbeiter aus. Vor diesem Hintergrund haben die Betriebsparteien das ihnen zustehende Ermessen so ausgeübt, dass die aus ihrer Sicht gravierendsten wirtschaftlichen Nachteile gemildert werden, die im Hinblick auf die zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplans in erster Linie durch Arbeitslosigkeit entstehen. Sie verkennen dabei nicht, dass auch beurlaubten Beamten bei Rückkehr zur E2 AG Nachteile entstehen können, z. B. durch ein geringeres Entgelt oder einen Ortswechsel. Beurlaubte Beamte erleiden jedoch typischerweise wesentlich geringere wirtschaftliche Nachteile als diejenigen ohne Beamtenstatus, da sie normalerweise weder von Arbeitslosigkeit bedroht sind noch ihr Rückkehranspruch zur E2 AG bzw. ihr erworbener Besitzstand bestritten wird.
10- 1.11
Geltungsbereich
1.1 Dieser Sozialplan gilt für alle Mitarbeiter der NSN S an allen Standorten in der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie von personellen Maßnahmen infolge der Betriebsstilllegung gemäß des Interessenausgleichs betroffen sind oder betroffen sein werden.
131.2 Dieser Sozialplan gilt nicht für
14[…]- …- beurlaubte Beamte.
15- …“
16Außerdem schlossen die Beklagte und der Betriebsrat am 29.04.2013 eine „Betriebsvereinbarung Sonderprämie“ ab. In dieser Betriebsvereinbarung ist u. a. Folgendes geregelt:
17„Präambel
18Der gesamte Betrieb der NSN S wird stillgelegt. Über diese Maßnahme existiert ein Interessenausgleich sowie ein Sozialplan. Dabei liegt es im vorrangigen Interesse der Betriebsparteien, die Arbeitslosigkeit der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (zukünftig gemeinsam: „Mitarbeiter“) zu vermeiden und ihnen neue berufliche Perspektiven zu eröffnen, weshalb der Wechsel in eine Transfergesellschaft besonders incentiviert werden soll. Soweit Mitarbeiter trotz des Angebots den Wechsel in eine Transfergesellschaft ablehnen oder kein Angebot auf einen Wechsel in die Transfergesellschaft erhalten, obwohl sie durch betriebsbedingte Kündigung von Arbeitslosigkeit bedroht sind und dem Geltungsbereich des Sozialplans unterfallen (weil sie sich z. B. in Elternzeit befinden), soll honoriert werden, wenn sie das Bedürfnis der NSN S nach Planungssicherheit dennoch berücksichtigen, indem sie keine Klage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erhoben oder innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist einen Abwicklungsvertrag mit NSN S schließen. Außerdem soll honoriert werden, wenn die Mitarbeiter alle überlassenen Arbeitsmittel vor Austritt bei der NSN S nachweisbar an NSN S zurückgeben. Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Parteien Folgendes:
19- 20
1. GeltungsbereichDiese Betriebsvereinbarung findet Anwendung auf diejenigen Mitarbeiter der NSN S, die- dem Geltungsbereich des Sozialplans vom 29.04.2013 unterfallen;- nicht vom Erhalt einer Abfindung gem. Ziff. 3 des Sozialplans vom 29.04.13 ausgeschlossen sind;- einen dreiseitigen Vertrag mit NSN S innerhalb der Angebotsfrist abschlie- ßen und keine Klage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erhe- benoderdas Angebot auf Abschluss eines dreiseitigen Vertrages ablehnen (bzw. trotz Bedrohung durch Arbeitslosigkeit durch eine arbeitgeberseitige Kündigung kein Angebot erhalten) und entweder (1) keine Klage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erhoben oder (2) innerhalb von drei Wochen nach Zugang der arbeitgeberseitigen Kündigung einen Abwicklungsvertrag schließen, wobei kein Anspruch auf Abschluss eines Abwicklungsvertrages besteht.
- 2.21
Anspruch auf Sonderprämie
2.1 Mitarbeiter, die unter den Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung gemäß Ziff. 1 fallen, haben Anspruch auf eine Sonderprämie von EUR 4.346,00 brutto.
23[…]“
24Mit Schreiben vom 06.05.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.12.2013 wegen Schließung des Geschäftsbetriebes. Der Kläger erhob gegen diese Kündigung keine Kündigungsschutzklage. Er gab die ihm überlassenen Arbeitsmittel beanstandungsfrei zurück.
25Mit seiner Klage hat der Kläger gegen die Beklagte die Zahlung einer Sozialplanabfindung nach dem Sozialplan vom 29.04.2013 sowie Ansprüche nach der „Betriebsvereinbarung Sonderprämie“ geltend gemacht.
26Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der vollständige Ausschluss von beurlaubten Beamten aus dem Geltungsbereich des Sozialplans sei nicht gerechtfertigt. Bereits in der Präambel des Sozialplans hätten die Betriebsparteien anerkannt, dass auch beurlaubte Beamte bei einer Rückkehr zur E2 AG dem Risiko wirtschaftlicher Nachteile ausgesetzt seien. Die beurlaubten Beamten müssten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, das mit der Beklagten bestanden habe, eine Entgeltminderung hinnehmen; das gezahlte höhere Entgelt beruhe auf der beruflichen Weiterqualifizierung, die die Beamten bei der Beklagten erfuhren und die sie nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht adäquat einsetzen könnten. Die vorgeblich typischerweise wesentlich geringeren wirtschaftlichen Nachteile könnten allenfalls als Begründung für eine Reduzierung des Anspruchs, nicht aber für dessen ersatzlosen Wegfall angeführt werden. Darüber hinaus hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte beschäftigte ehemalige Tarifangestellte der E2 AG, die entweder ein ausdrückliches Rückkehrrecht zur E2 AG hätten oder deren Arbeitsverhältnis zur E2 AG mangels einer ausdrücklichen Aufhebung fortbestehe, woraus auch für diese Beschäftigten ein Rückkehrrecht abgeleitet werden könne. Obwohl diese Arbeitnehmer wie die beurlaubten Beamten ebenfalls ein gesichertes und vor allem unbefristetes Beschäftigungsverhältnis zukünftig zur E2 AG haben würden, seien sie im Gegensatz zu den beurlaubten Beamten nicht von den Leistungen des Sozialplans ausgenommen worden. Diese Ungleichbehandlung lasse sich allein durch den Beamtenstatus nicht rechtfertigen. Die Gruppe jener Arbeitnehmer, denen ein „Rückkehrrecht“ zur E2 AG zustehe, sei auch für die Beklagte identifizierbar gewesen. Bereits vor dem Übergang des Betriebes der W GmbH auf die Beklagte habe E AG versucht, durch den Abschluss dreiseitiger Verträge etwaige bestehende Arbeitsverhältnisse endgültig auf die W GmbH zu übertragen. Durch einen Blick in die jeweilige Personalakte sei feststellbar gewesen, ob ein unterschriebener dreiseitiger Vertrag vorliege. Des Weiteren habe es bereits seit Anfang 2012 bei der Beklagten eine Excel-Tabelle gegeben, in der die Arbeitnehmer gelistet worden seien, die keinen dreiseitigen Vertrag abgeschlossen hätten. Unabhängig davon habe die Geschäftsführung der Beklagten schon seit 2009 gewusst, dass Rückkehransprüche von Beschäftigten der E2 AG bestünden. Seit dieser Zeit habe der Betriebsrat die Thematik in fast allen Betriebsversammlungen bei Anwesenheit der Geschäftsführung angesprochen und die Arbeitnehmer der Beklagten aufgefordert, ihre Ansprüche gegenüber der T geltend zu machen.
27Der Kläger hat zudem die Ansicht vertreten, es stelle eine ungerechtfertigte Benachteiligung dar, die beurlaubten Beamten auch von der „Betriebsvereinbarung Sonderprämie“ auszuschließen. Die Betriebsparteien hätten ausweislich der Präambel dieser Betriebsvereinbarung Rechtssicherheit für die Beklagte schaffen wollen, indem diejenigen durch die Sonderprämie belohnt werden, die keine Kündigungsschutzklage erheben. Diese Rechtssicherheit erhalte die Beklagte auch bei beurlaubten Beamten, die auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichteten.
28Der Kläger hat beantragt,
29- 30
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Sozialplanabfindung in Höhe von 30.912,67 € brutto sowie eine Sonderzahlung in Höhe von 4.346 € brutto zu zahlen;
- 32
2. hilfsweise festzustellen, dass seine Herausnahme als bei der T beurlaubtem Beamten aus dem Sozialplan vom 29.04.2013 sowie aus der Betriebsvereinbarung Sonderprämie vom 29.04.2013 rechtswidrig ist und ihm Leistungen aus den genannten Betriebsvereinbarungen zustehen, um die Nachteile, die aus dem Verlust des Arbeitsplatzes entstehen, auszugleichen, zumindest aber abzumildern.
Die Beklagte hat beantragt,
34die Klage abzuweisen,
35hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die vorläufige Vollstreckbarkeit des arbeitsgerichtlichen Urteils gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG auszusetzen.
36Sie hat die Auffassung vertreten, der Ausschluss der beurlaubten Beamten aus dem Geltungsbereich des Sozialplans sei gerechtfertigt. Die bei ihr beschäftigten beurlaubten Beamten seien nach wie vor Beamte der E2 AG, die nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses nahtlos zur E2 AG zurückkehren könnten. Das Dienstverhältnis lebe wieder auf, die Beamten erhielten unter Berücksichtigung ihres Wohnortes einen freien Dauerarbeitsplatz und erhielten die ihnen zustehende Besoldung. Die Beurlaubung habe keinen Einfluss auf den Stand des Beamtenverhältnisses und den auch während der Beschäftigung bei ihr weiter erworbenen Besitzstand des Beamten. Lediglich Art und Ort der Tätigkeit, die der Beamte nach seiner Rückkehr bei der E2 AG ausüben werde, sei bei seiner Rückkehr nicht von vornherein klar. Angesichts ihrer finanziellen Situation und der von der Muttergesellschaft zur Verfügung gestellten eingeschränkten Mittel für einen Sozialplan hätten die Betriebsparteien eine Abwägung treffen müssen, welche Nachteile sie ausgleichen könnten und welche nicht. Sie hätten dabei die bei dem beurlaubten Beamten verbleibenden Nachteile hinsichtlich Vergütung, Art und Dauer der Tätigkeit im Vergleich zu den wirtschaftlichen Nachteilen der anderen Arbeitnehmer als deutlich geringer eingeschätzt. Die sichere Aussicht der beurlaubten Beamten auf einen nahtlosen B-Platz bei der E2 AG unter Wahrung ihres gesamten Besitzstandes als Beamter rechtfertige trotz verbleibender Nachteile aus ihrer Sicht die Herausnahme der Beamten aus dem Sozialplan. Bei den Mitarbeitern ohne Beamtenstatus, die mit einer durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit von 26 Jahren und einem durchschnittlichen Lebensalter von 50 Jahren von Arbeitslosigkeit bedroht seien, hätten die Betriebsparteien gefürchtet, dass diese aufgrund des reinen „T-Lebenslaufes“ und ihres Lebensalters nur schwer und nur nach einer langen Überbrückungszeit ein Anschlussbeschäftigungsverhältnis zu wesentlich schlechteren Konditionen erhalten würden. Arbeitnehmern, die keine beurlaubten Beamten seien, stünde kein Rückkehranspruch zur E2 AG zu. Wiedereinstellungszusagen der E2 AG habe es nicht gegeben. Der Beklagten sei lediglich bekannt, dass vier Arbeitnehmer sich ihre Beschäftigung bei der E2 AG nach ihrem Ausscheiden bei in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten erstritten hätten. Für die Betriebsparteien sei nicht erkennbar gewesen, welche Arbeitnehmer eine sichere Anschlussbeschäftigung bei der E2 erhalten würden. Eine Abgrenzung dieser Arbeitnehmergruppe sei nicht möglich gewesen. Die Betriebsparteien seien typisierend und pauschalierend davon ausgegangen, dass alle Arbeitnehmer bis auf die beurlaubten Beamten gleichermaßen von Arbeitslosigkeit bedroht seien. Es habe lediglich die Chance für einzelne Arbeitnehmer bestanden, die eigene Situation zu verbessern, indem sie z. B. aufgrund eigener Bemühungen unmittelbar eine Anschlussbeschäftigung finden oder erfolgreich Rechtsansprüche gegen frühere Arbeitgeber geltend machen. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit der E2 AG sei die Beklagte davon ausgegangen, dass E AG freiwillig keine Mitarbeiter einstellen würde, sondern jeden Einzelfall gerichtlich überprüfen lassen würde.
37Die Beklagte ist zudem der Ansicht gewesen, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Zahlung einer Sonderprämie zu. Durch die Betriebsvereinbarung Sonderprämie hätten die Betriebsparteien besonders honorieren wollen, wenn die von Arbeitslosigkeit betroffenen Mitarbeiter das Interesse der Beklagten an Rechtsfrieden respektierten und auf Kündigungsschutzklagen verzichteten. Bei beurlaubten Beamten seien die Betriebsparteien davon ausgegangen, dass an der Erhebung einer Kündigungsschutzklage aufgrund der gesicherten Rückkehrmöglichkeit zur E2 AG kaum Interesse bestünde und deshalb ein Verzicht auf Erhebung der Kündigungsschutzklage keine besondere Honorierung verdiene.
38Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit sie auf Zahlung der Sozialplanabfindung gerichtet war, abgewiesen und angenommen, der Ausschluss der beurlaubten Beamten aus dem Geltungsbereich des Sozialplans verstoße nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Das Arbeitsgericht hat der Klage im Hinblick auf die Zahlung der Sonderprämie stattgegeben; der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei verletzt worden, indem die beurlaubten Beamten aus dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Sonderprämie herausgenommen worden seien. Im Übrigen wird - auch zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes - auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.
39Beide Parteien haben gegen das Urteil rechtzeitig Berufung eingelegt und die Berufung form- und fristgerecht begründet.
40Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung dagegen, dass das Arbeitsgericht die auf Zahlung der Sozialplanabfindung gerichtete Klage abgewiesen hat. Die Beklagte begehrt mit ihrer Berufung die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, soweit das Arbeitsgericht dem Kläger einen Anspruch auf Zahlung der Sonderprämie zugesprochen hat.
41Der Kläger ist der Auffassung, er werde, wenn man ihm die Sozialplanabfindung versage, ungerechtfertigterweise benachteiligt. Hierzu trägt der Kläger vor, auch er als beurlaubter Beamter habe infolge der Betriebsstilllegung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses konkrete Nachteile hinzunehmen. Er habe einen nicht unerheblichen Entgeltverlust zu verkraften. Er befürchte, eine Beförderung bei der T werde verhindert oder gebremst, da die bei der Beklagten erlangten Qualifikationen nicht nachgewiesen seien oder nicht anerkannt würden. Der Kläger meint, er werde gegenüber den Arbeitnehmern, die die Rückkehr zur E2 AG beanspruchen könnten und denen ein Anspruch auf Zahlung einer Sozialplanabfindung zustehe, unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz schlechter gestellt. Es gebe eine Gruppe von 75 Arbeitnehmern, denen ein solcher Rückkehranspruch zustehe. Diese Gruppe besitze die besten Aussichten, in einem gerichtlichen Verfahren den Rückkehranspruch durchzusetzen, da es an einem Beendigungstatbestand, der dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB entspreche, für das mit der E2 AG begründete Arbeitsverhältnis fehle. Es habe eine historische Phase gegeben, in der E AG keine dreiseitigen Verträge mit den ausgeschiedenen Arbeitnehmern abgeschlossen habe. Ernst zu nehmende Bedenken gegen einen Rückkehranspruch dieser Gruppe von Mitarbeiter seien nicht erkennbar gewesen. Die Ansprüche seien nicht verwirkt. Soweit in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung eine Verwirkung des Beschäftigungsanspruchs bei freiwilliger Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses zur Beklagten angenommen worden sei, sei das mit dem hier vorliegenden vollständigen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit nicht vergleichbar. Es sei nicht vorhersehbar gewesen und schikanös, dass E diese Arbeitnehmergruppe in Prozesse treibe. Die Gruppe dieser 75 Arbeitnehmer weiche von der Liste, die im Jahr 2011 erstellt worden sei, nicht ab. Es gebe lediglich einige Arbeitnehmer, die seinerzeit die Erinnerung getrogen habe, und die nunmehr ebenfalls einen Rückkehranspruch geltend machten. Vertreter der E2 AG hätten die Personalakten bei der Beklagten eingesehen, danach sei bei einer Gruppe von 75 der 90 klagenden Arbeitnehmer der Sachverhalt sofort klar gewesen. E AG habe den Anspruch bei 75 Arbeitnehmern anerkannt; bei den Mitgliedern dieser Vergleichsgruppe seien die arbeitsgerichtlichen Verfahren durch Anerkenntnisurteil beendet worden. Die namentliche Identifizierbarkeit dieser Arbeitnehmer sei im Zusammenhang mit den Sozialplanverhandlungen unwichtig gewesen; maßgeblich sei vielmehr, dass es eine zahlenmäßig nicht unerhebliche Gruppe von Arbeitnehmern gegeben habe, die ebenso wenig wie die Beamten von einem existenzbedrohenden Verlust ihres Arbeitsplatzes betroffen gewesen seien. Der Betriebsrat habe sich seinerzeit per E-Mail an alle Beschäftigten der Beklagten gewandt, um die Arbeitnehmer, denen ein Rückkehranspruch zur E2 AG zustehe, zu ermitteln. Aufgrund der Rückmeldung der betroffenen Arbeitnehmer sei eine Liste von rund 90 Mitarbeitern erstellt worden, die auch heute noch Bestand habe. Die Beklagte habe im Jahr 2010, spätestens aber Anfang 2011 von der Existenz dieser Arbeitnehmergruppe gewusst.
42Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit das Arbeitsgericht dem Feststellungsantrag stattgegeben hat. Er meint, ihm stehe ein Anspruch auf Zahlung der Sonderprämie nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung vom 29.04.2013 zu. Nach der Betriebsvereinbarung Sonderprämie stehe allen Arbeitnehmern die dort vorgesehene Zahlung zu, die keine Kündigungsschutzklage erhoben hätten. Soweit als Zusatzbedingung für die Zahlung vorgesehen sei, dass eine Bedrohung von Arbeitslosigkeit gegeben sein müsse, liege in dieser Beschränkung eine Umgehung des Grundsatzes, wonach Sozialplanleistungen nicht vom Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden dürften. Zweck der Betriebsvereinbarung sei es, alle Verhaltensweisen zu belohnen, die verhinderten, dass die Beklagte sich Kündigungsschutzklagen ausgesetzt sehe. Dieser Leistungszweck erfasse auch Arbeitnehmer, die beurlaubte Beamte seien. Der Kläger hätte als beurlaubter Beamter ebenso wie andere betroffene Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erheben können. Bei den beurlaubten Beamten und bei sonstigen Arbeitnehmern sei gleichermaßen die Erfolgsaussicht einer Kündigungsschutzklage letztlich durch die vollständige Betriebsstilllegung limitiert. Die Einbeziehung der Beamten führe auch nicht zu einer unzumutbaren Erhöhung des Gesamtvolumens der Betriebsvereinbarung Sonderprämie. Das Volumen des Sozialplans und der Betriebsvereinbarung Sonderzahlung müssten insgesamt bewertet werden, da beide Betriebsvereinbarungen die Kosten abbildeten, die dem Arbeitgeber infolge der Betriebsänderung entstünden.
43Der Kläger beantragt,
44das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 04.02.2014 - 3 Ca 2134/13 - abzuändern und den Tenor insgesamt wie folgt zu fassen:
45- 46
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu zahlen
a) eine Sozialplanabfindung in Höhe von 30.912,67 € (brutto);
48b) eine Sonderzahlung in Höhe von 4.346,00 € (brutto);
49- 50
2. Zinsen aus den Beträgen zu 1. a) und b) in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 31.12.2013;
- 52
3. hilfsweise festzustellen, dass seine Herausnahme als bei der T beurlaubtem Beamten aus dem Sozialplan vom 29.04.2013 sowie aus der Betriebsvereinbarung Sonderprämie vom 29.04.2013 rechtswidrig ist und ihm Leistungen aus den genannten Betriebsvereinbarungen zustehen, um die Nachteile, die aus dem Verlust des Arbeitsplatzes entstehen, auszugleichen, zumindest aber abzumildern.
Die Beklagte beantragt,
54das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 04.02.2014 - 3 Ca 2134/13 - abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen;
55hilfsweise für den Fall des Unterliegens:
56festzustellen, dass der Sozialplan vom 29.04.2013 nichtig ist,
57festzustellen, dass die Betriebsvereinbarung Sonderprämie vom 29.04.2013 nichtig ist,
58die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils des Landesarbeitsgerichts Hamm gemäß §§ 62 Abs. 1 Satz 2, 64 Abs. 7 ArbGG auszusetzen.
59Beide Parteien beantragen jeweils, die Berufung der Gegenseite zurückzuweisen.
60Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend, soweit das Arbeitsgericht die Klage auf Zahlung einer Sozialplanabfindung abgewiesen hat. Die Beklagte vertritt die Auffassung, es sei gerechtfertigt gewesen, den beurlaubten Beamten keine Sozialplanabfindung zukommen zu lassen. Im Gegensatz zum Kläger, der als beurlaubter Beamter unproblematisch zur E2 AG habe zurückkehren können, hätten alle Arbeitnehmer, die sich darauf beriefen, das zuvor bestehende Arbeitsverhältnis zur E2 AG sei nicht rechtswirksam beendet worden, einen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang führen müssen. Für die Betriebsparteien sei nicht erkennbar gewesen, welche Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung bei der E2 AG würden durchsetzen können. Zwar seien ca. 150 Mitarbeiter herausgefiltert worden, bei denen sich ein Aufhebungsvertrag mit der E2 AG oder ein dreiseitiger Vertrag nicht in der Personalakte befunden habe. Daraus sei jedoch nicht zu schlussfolgern, dass das Arbeitsverhältnis, das zwischen diesen Mitarbeitern und der E2 AG bestanden habe, nicht ordnungsgemäß beendet worden sei. Der Aufhebungsvertrag bzw. der dreiseitige Vertrag hätte sich auch bei der E2 AG befinden können. Bei vielen Mitarbeitern sei ein Übergang des Arbeitsverhältnisses infolge eines Betriebsübergangs vollzogen worden. Das Fehlen eines Aufhebungsvertrages oder dreiseitigen Vertrages in den Personalakten jener Mitarbeiter besage nichts darüber, ob möglicherweise ein ruhendes Arbeitsverhältnis zur E2 AG bestehe. Nachdem über 500 Arbeitnehmer Ansprüche geltend gemacht hätten, habe die Beklagte etwa 200 Personalakten gesichtet; 80 Fälle seien als „aussichtsreich“ im Hinblick auf eine mögliche Rückkehr zur E2 AG eingestuft worden. Eine Entscheidung über die Weiterbeschäftigung jener Mitarbeiter habe E AG allerdings erst für den 30.09.2013 angekündigt. - Die Beklagte meint, der Sozialplan könne keinen Bestand haben, falls auch die beurlaubten Beamten Ansprüche auf Abfindungszahlung geltend machen könnten. Hierzu trägt die Beklagte vor, dies führe zu einer Ausdehnung des Sozialplanvolumens in Höhe von 20 % über den ursprünglichen Dotierungsrahmen hinaus. Die Beklagte habe zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans etwa 190 beurlaubte Beamte der E2 AG beschäftigt. 121 beurlaubte Beamte hätten ihre vermeintlichen Ansprüche auf Zahlung einer Sozialplanabfindung außergerichtlich oder gerichtlich geltend gemacht. Bei Ausweitung des Sozialplanvolumens müsse die Beklagte Insolvenz anmelden.
61Die Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger stünden keine Ansprüche aus der Betriebsvereinbarung Sonderprämie zu. Vorrangiger Regelungszweck der Betriebsvereinbarung Sonderprämie sei gewesen, möglichst viele Mitarbeiter zum Wechsel in die Transfergesellschaft zu bewegen und sie so zumindest vorübergehend vor der Arbeitslosigkeit zu bewahren und ihnen neue berufliche Perspektiven zu eröffnen. Der erste Entwurf der Betriebsvereinbarung Sonderprämie habe deshalb lediglich vorgesehen, die Sonderprämie an Mitarbeiter zu zahlen, die einen dreiseitigen Vertrag zum Übertritt in die Transfergesellschaft angenommen hatten. Da beurlaubte Beamte nicht von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen seien, hätten sie kein Angebot auf einen Wechsel in die Transfergesellschaft erhalten können. Denn Bedingung für ein solches Angebot sei gewesen, dass die Voraussetzungen für den Bezug von Transferkurzarbeitergeld gemäß § 111 SGB III vorlagen, was bei den beurlaubten Beamte gewesen seien, nicht der Fall gewesen sei. Nach der Regelungsabsicht der Betriebsparteien habe an die zu erwartende Arbeitslosigkeit der Arbeitnehmer angeknüpft werden sollen; die Arbeitnehmergruppe habe besonders belohnt werden sollen, die trotz Bedrohung mit Arbeitslosigkeit das Interesse der Beklagten an Rechtsfrieden respektierten und keine Kündigungsschutzklage erheben würde. Die Betriebsparteien seien davon ausgegangen, dass beurlaubte Beamte wegen der gesicherten Rückkehrmöglichkeit zur E2 AG nicht in gleicher Weise eines finanziellen Anreizes bedurften. Im Hinblick auf die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit die beurlaubten Beamten Kündigungsschutzklagen erheben würden, habe ein Beurteilungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative der Betriebsparteien bestanden. - Zwischen den Parteien blieb unstreitig, dass mindestens 110 beurlaubte Beamte mittlerweile Zahlungsansprüche aus der Betriebsvereinbarung Sonderprämie gegen die Beklagte geltend machten. Nach Auffassung der Beklagten käme es zu einer unzulässigen Erhöhung des Dotierungsrahmens der Betriebsvereinbarung Sonderprämie vom 29.04.2013, wenn beurlaubte Beamte in den Anwendungsbereich dieser Betriebsvereinbarung aufgenommen würden; dies führe zur Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung. Der Dotierungsrahmen der Betriebsvereinbarung Sonderprämie betrage für 760 Mitarbeiter, die keine beurlaubten Beamten seien, ca. 3,3 Millionen Euro. Der Dotierungsrahmen würde sich bei Einbeziehung der beurlaubten Beamten um ca. 25% erhöhen.
62Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
63Entscheidungsgründe
64I.
65Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
66Das Arbeitsgericht hat die Klage mit dem Antrag zu 1) zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Zahlung einer Sozialplanabfindung verlangen.
671. Ein Zahlungsanspruch für den Kläger ergibt sich nicht aus dem Sozialplan vom 29.04.2013.
68Der Kläger gehört nicht zum Kreis der anspruchsberechtigten Arbeitnehmer. Nach Ziffer 1.2 des Sozialplans gilt dieser nicht für beurlaubte Beamte.
692. Die Regelung unter Ziffer 1.2 des Sozialplans, die beurlaubte Beamte von Abfindungsansprüchen ausschließt, ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG.
70a) Die Betriebsparteien haben beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten (BAG, Urteil v. 17.06.2014 - 3 AZR 491/12, Beschluss v. 10.12.2013 - 1 ABR 40/12).
71aa) § 75 Abs. 1 BetrVG zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicher zu stellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der Zweck, der mit der Regelung verfolgt wird (BAG, Urteil v. 18.05.2010 - 1 AZR 187/09, Urteil v. 19.02.2008 - 1 AZR 1004/06).
72bb) Im Hinblick auf Sozialpläne gilt insoweit Folgendes:
73(1) Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen gem. § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die dem Arbeitnehmer durch die Betriebsänderung entstehen können, die Sozialplanleistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar (BAG, Urteil v. 26.03.2013 - 1 AZR 813/11, Urteil v. 07.06.2011 - 1 AZR 34/10, Urteil v. 18.05.2010 - 1 AZR 187/09, Urteil v. 26.05.2009 - 1 AZR 198/08).
74(2) Die zukunftsbezogene Ausgleichsfunktion von Sozialplänen eröffnet den Betriebsparteien Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume (BAG, Urteil vom 26.03.2013 - 1 AZR 813/11, Urteil vom 07.06.2011 - 1 AZR 34/10, Urteil vom 11.11.2008 - 1 AZR 475/07, Urteil vom 06.11.2007 - 1 AZR 960/06).
75Ein Beurteilungsspielraum besteht hinsichtlich der den Arbeitnehmer durch die Betriebsänderung voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Nachteile. Ein Gestaltungsspielraum besteht beim Ausgleich oder der Abmilderung der von ihnen prognostizierten Nachteile.
76Der Beurteilungsspielraum betrifft die tatsächliche Einschätzung der mit der Betriebsänderung für die Arbeitnehmer verbundenen wirtschaftlichen Folgen. Da Sozialpläne nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes schon vor der Betriebsänderung geschlossen werden sollen, ist es unumgänglich, den Betriebsparteien bei der Einschätzung der wirtschaftlichen Nachteile einen erheblichen Beurteilungsspielraum einzuräumen. Dieser gestattet eine pauschalisierende und typisierende Betrachtung (BAG, Urteil v. 26.03.2013 - 1 AZR 813/11, Urteil v. 07.06.2011 - 1 AZR 34/10, Urteil v. 11.11.2008 - 1 AZR 475/07, Beschluss v. 24.08.2004 – 1 ABR 23/03). Für die Ermittlung der Nachteile ist der Zeitpunkt zugrunde zu legen, zu dem der Sozialplan abgeschlossen werden soll (BAG, Beschluss v. 24.08.2004 - 1 ABR 23/03, Beschluss v. 23.04.1985 - 1 ABR 3/81
77b) Nach diesen Grundsätzen lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger im Hinblick auf die Gewährung von Sozialplanleistungen gegenüber anderen Arbeitnehmern grundlos benachteiligt wurde oder im Sozialplan eine sachlich nicht gerechtfertigte Gruppenbildung erfolgte.
78aa) Soweit der Sozialplan Arbeitnehmern nur dann Ansprüche auf Zahlung einer Abfindung zubilligt, wenn es sich nicht um beurlaubte Beamte handelt, liegt keine unzulässige Ungleichbehandlung vor.
79Vergleicht man beide Gruppen, so ist festzustellen, dass die Nachteile, die den beurlaubten Beamten infolge der Betriebsstilllegung entstehen, jedenfalls geringer sind, als die Nachteile, die den anderen Arbeitnehmern entstehen. Während bei den beurlaubten Beamten das Beamtenverhältnis wieder auflebt, aus dem sie Einnahmen erzielen können, sind die anderen Arbeitnehmer bei typisierender Betrachtung von Arbeitslosigkeit bedroht. Das rechtfertigt es, die Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion der Abfindung nur den Arbeitnehmern zukommen zu lassen, bei denen es sich nicht um beurlaubte Beamte handelt.
80Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass er, wenn er infolge der Betriebsstilllegung nicht mehr weiter zur Beklagten abgeordnet wird, ebenfalls Nachteile hinzunehmen hat. Die vom Kläger angeführten Nachteile sind bei typisierender Betrachtung weitaus geringer als die Nachteile, die anderen Arbeitnehmern drohen, die infolge der Betriebsstilllegung entlassen wurden und danach arbeitslos sind.
81bb) Auch eine sachlich nicht begründete Ungleichbehandlung zwischen beurlaubten Beamten und Arbeitnehmern, die - nach der Diktion des Klägers - einen „Rückkehranspruch“ zur E2 AG haben, liegt nicht vor.
82Zwar differenziert der Sozialplan nicht zwischen denjenigen, die als ehemalige Arbeitnehmer der E2 AG einen Beschäftigungs- oder Wiedereinstellungsanspruch gegen jenes Unternehmen geltend machen können, und anderen Arbeitnehmern, denen derartige Ansprüche nicht zustehen. Beide Arbeitnehmergruppen erhalten - anders als die beurlaubten Beamte - unterschiedslos eine Sozialplanabfindung. Das ist jedoch im Ergebnis nicht zu beanstanden.
83Dabei kann offen bleiben, ob die Gruppe der „Arbeitnehmer mit Rückkehranspruch“ bei Abschluss des Sozialplans hinreichend identifizierbar war (was zwischen den Parteien streitig ist), und ob die fehlende Abgrenzbarkeit dieser Arbeitnehmergruppe Ansprüche des Klägers unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung zu Fall bringen würde. Die Ungleichbehandlung ist jedenfalls sachlich gerechtfertigt.
84Bei typisierender Betrachtung ist davon auszugehen, dass auch die Arbeitnehmer „mit Rückkehranspruch“ größere Nachteile durch die infolge der Betriebsstilllegung ausgesprochene Kündigung erleiden als die Arbeitnehmer, bei denen es sich um beurlaubte Beamte handelt. Den Beamten steht nach Beendigung der Abordnung und des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten unproblematisch ein Anspruch auf weitere Beschäftigung und Vergütungszahlung gegen E AG zu, da das ruhende Beamtenverhältnis wieder auflebt. Die Durchsetzung dieser Ansprüche begegnet weder rechtlichen noch tatsächlichen Problemen. E AG weigert sich nicht, diese Ansprüche zu erfüllen. Dass beurlaubte Beamte ihr „Rückkehrecht“ gegenüber der E2 AG gerichtlich durchsetzen mussten, hat keine Partei vorgetragen.
85Demgegenüber sind etwaige Ansprüche von Arbeitnehmern, die keine beurlaubten Beamten sind und E AG auf Beschäftigung oder Wiedereinstellung in Anspruch nehmen wollen, erheblichen rechtlichen und faktischen Schwierigkeiten ausgesetzt.
86Es ist nicht ersichtlich, dass es Arbeitnehmer gibt, die einen vertraglichen Anspruch auf Beschäftigung oder Wiedereinstellung gegen E AG (oder gegen sonstige Arbeitgeber) aufgrund einer ausdrücklichen Vereinbarung haben. Dies haben die Parteien weder vorgetragen noch bestehen andere Anhaltspunkte für den Abschluss derartiger Vereinbarungen. Ein „Rückkehrrecht“ von Arbeitnehmern ließe sich gegenüber der E2 AG nur daraus herleiten, dass das zuvor zwischen diesen Arbeitnehmern und der E2 AG bestehende Arbeitsverhältnis nicht wirksam beendet wurde, weil es entweder an einem Beendigungstatbestand im Sinne des § 623 BGB fehlt oder weil die Arbeitsverhältnisse jener Arbeitnehmer im Wege des Betriebsübergangs von der E2 AG auf andere Arbeitgeber übergingen und ein Widerspruch gegen diesen Betriebsübergang aufgrund einer fehlerhaften Belehrung nach § 613 a Abs. 5 BGB noch möglich ist.
87Insoweit war aber bei Abschluss des Sozialplanes davon auszugehen, dass zur Durchsetzung von Beschäftigungsansprüchen gegen E AG die Erhebung einer Klage erforderlich sein wird. Freiwillig hatte E AG bis zu diesem Zeitpunkt keinen Arbeitnehmer der Beklagten weiterbeschäftigt. Vielmehr mussten die Arbeitnehmer Prozesse gegen E AG führen. Ihre Rückkehransprüche waren dadurch im Vergleich zu den beurlaubten Beamten faktisch erheblich erschwert. Während der Prozessdauer stehen die klagenden Arbeitnehmer ebenso wie andere entlassene Arbeitnehmer, die sich keines „Rückkehrrechts“ berühmen: Sie sind nämlich, falls sie nicht eine Anschlussbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber finden, arbeitslos.
88Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang der Vorwurf des Klägers, E AG verhalte sich schikanös, wenn sie die Arbeitnehmer, die zur E2 AG zurückkehren möchten und keine beurlaubten Beamten sind, zur Klageerhebung und zur Führung eines arbeitsgerichtlichen Prozesses veranlasst. Der Kläger macht den Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nicht gegen E AG, sondern gegen die Beklagte geltend. Es liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte das (Prozess-) Verhalten der E2 AG steuert, verursacht hat oder sich sonst zurechnen lassen müsste. Im Übrigen ist es nicht als schikanös zu bewerten, wenn E AG vermeintliche Beschäftigungsansprüche von Arbeitnehmern, die langjährig für dritte Unternehmen tätig waren, gerichtlich überprüfen lässt. Selbst dann, wenn es an einem formwirksamen Beendigungstatbestand für das zuvor bestehende Arbeitsverhältnis zur E2 AG im Sinne des § 623 BGB fehlt oder die Belehrung über einen erfolgten Betriebsübergang fehlerhaft war, kann der Anspruch, den die klagenden Arbeitnehmer erheben, dem Verwirkungseinwand ausgesetzt sein. Das Recht, sich auf die Formnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts gemäß §§ 623, 125 BGB zu berufen, unterliegt auch dann der Verwirkung, wenn der Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses im Streit steht (vgl. BAG, Urteil v. 16.09.2004 - 2 AZR 659/03, Urteil v. 28.05.1998 - 2 AZR 615/97, Urteil v. 04.12.1997 - 2 AZR 799/96; Preis/Gotthardt, NZA 200, 348, 352 ff.; Henssen, DB 2006, 613, 614 ff.). Dies gilt auch im Hinblick auf das Recht, einem Betriebsübergang zu widersprechen (vgl. BAG, Urteil v. 22.06.2011 - 8 AZR 752/09, Urteil v. 24.02.2011 - 8 AZR 699/09, Urteil v. 11.11.2010 - 8 AZR185/09). Vor dem Hintergrund, dass der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte bereits im Januar 2008 erfolgte, ist es jedenfalls nicht fernliegend zu problematisieren, ob etwaige Ansprüche auf Beschäftigung gegenüber der E2 AG verwirkt sind.
89II.
90Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
91Dem Kläger stehen keine Ansprüche auf Zahlung einer Sonderprämie nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung Sonderprämie vom 29.04.2013 zu.
921. Der Kläger hat keinen Anspruch aus der „Betriebsvereinbarung Sonderprämie“ vom 29.04.2013.
93Nach Ziff. 1 der „Betriebsvereinbarung Sonderprämie“ ist der Anwendungsbereich der Betriebsvereinbarung beschränkt auf diejenigen Mitarbeiter, die dem Geltungsbereich des Sozialplans vom 29.04.2013 unterfallen. Nach Ziff. 1.2 des Sozialplanes vom 29.04.2013 gilt der Sozialplan jedoch nicht für beurlaubte Beamte.
942. Die Regelung unter Ziff. 1 der Betriebsvereinbarung Sonderprämie vom 29.04.2013, die beurlaubten Beamten Ansprüche auf Zahlung der Sonderprämie versagt, ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG.
95a) Die Betriebsparteien haben beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten (s.o. unter I 2 a aa der Entscheidungsgründe).
96Dies gilt auch, wenn in Betriebsvereinbarungen freiwillige Leistungen vorgesehen werden (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 6.09.2009 - 9 Sa 170/09, Urteil v. 24.08.2012 - 9 Sa 167/12; LAG Hamburg, Urteil v. 16.01.2003 - 1 Sa 27/02), insbesondere Zahlungen bei einvernehmlichen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis (BAG, Urteil v. 18.09.2001 - 3 AZR 656/00, Urteil v. 31.05.2005 - 1 AZR 254/04, Urteil vom 18.05.2010 - 1 AZR 187/09). Die Sonderprämie nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung vom 29.04.2013 stellt eine solche freiwillige Leistung dar. Bei der Betriebsvereinbarung handelt es sich nicht um eine Sozialplanregelung, die die wirtschaftlichen Nachteile der Betriebsstilllegung ausgleichen soll. Vielmehr bezweckt die Betriebsvereinbarung Sonderprämie - unabhängig von wirtschaftlichen Nachteilen, die einzelne Arbeitnehmer erlitten haben - denjenigen eine Sonderzahlung zukommen zu lassen, die keine Kündigungsschutzklage erheben und die ihnen überlassenen Arbeitsmittel zurückgeben.
97b) Die Ungleichbehandlung zwischen den Arbeitnehmern, die beurlaubte Beamte sind und keine Ansprüche aus der Betriebsvereinbarung Sonderprämie haben, und anderen Arbeitnehmern, denen derartige Ansprüche zustehen, ist sachlich gerechtfertigt und daher mit § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar.
98aa) Für die Frage, ob eine ungerechtfertigte Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen vorliegt, wenn diese von freiwilligen Leistungen ausgeschlossen werden, ist der verfolgte Leistungszweck maßgeblich.
99Arbeitnehmer werden nicht sachfremd benachteiligt, wenn nach dem Zweck der Leistung Gründe vorliegen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, ihnen die Leistungen vorzuenthalten, die anderen Arbeitnehmern gewährt werden (BAG, Urteil v. 19.03.2003 - 10 AZR 365/02, Urteil v. 12.10.2011 - 10 AZR 510/10). Die Zweckbestimmung einer Sonderzahlung ergibt sich vorrangig aus ihren tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen (BAG, Urteil v. 12.10.2011 - 10 AZR 510/10). Sowohl bei der Ausgestaltung von Sozialplänen als auch bei freiwilligen Zusatzleistungen besteht ein von den Gerichten zu respektierender Beurteilungsspielraum der Betriebsparteien: Sie sind bei der Bestimmung des Leistungszwecks sind Arbeitgeber und Betriebsrat frei und können die Voraussetzungen der freiwilligen Leistung so bestimmen, dass diese zum gewünschten und mit der Leistung verfolgten Erfolg führen (BAG, Urteil v. 18.09.2001 - 3 AZR 656/00, Urteil v. 18.05.2010 - 1 AZR 187/09; LAG Hamburg, Urteil v. 16.01.2003 - 1 Sa 27/02). Die Möglichkeit, nach § 77 BetrVG freiwillige Betriebsvereinbarungen abzuschließen, setzt die Anerkennung eines solchen Regelungsspielraums der Betriebsparteien voraus. Eine Differenzierung zwischen Arbeitnehmergruppen ist erst dann sachfremd, wenn es für sie keine billigenswerten Gründe gibt. Billigenswert sind Gründe, die auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und gegen keine verfassungsrechtlichen oder sonstigen übergeordneten Wertentscheidungen verstoßen; ob die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gewählt wurde, ist nicht zu überprüfen (BAG, Urteil v. 18.09.2001 - 3 AZR 656/00).
100bb) Die „Betriebsvereinbarung Sonderprämie“ vom 29.04.2013 verfolgt, wie sich insbesondere aus ihrer Präambel ergibt, drei unterschiedliche Zwecke.
101Regelungszweck ist zunächst, einen Anreiz für Arbeitnehmer zum Wechsel in eine Transfergesellschaft zu schaffen Satz 3 der Präambel). Der zweite Regelungszweck besteht darin, diejenigen Arbeitnehmer zu begünstigen, die ein Angebot auf Wechsel in eine Transfergesellschaft ablehnen oder kein Angebot auf Wechsel in eine Transfergesellschaft erhalten, obgleich sie durch betriebsbedingte Kündigung von Arbeitslosigkeit bedroht sind, sofern sie keine Klage erheben oder einen Abwicklungsvertrag mit der Beklagten schließen; insoweit wird das Interesse der Beklagten berücksichtigt, individualrechtliche Risiken durch eine Kündigungsschutzklage zu vermeiden, (Satz 4 der Präambel). Dritter Regelungszweck ist es, zu gewährleisten, dass die entlassenen Mitarbeiter ihre Arbeitsmittel an die Beklagte zurückgeben (Satz 5 der Präambel).
102cc) Diese Regelungszwecke kommen bei Arbeitnehmern, die beurlaubte Beamte sind, überwiegend nicht zum Tragen.
103Die beabsichtigte Incentivierung des Übertritts in eine Transfergesellschaft, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden, scheidet bei beurlaubten Beamten aus. Sie sind nicht vor Arbeitslosigkeit bedroht, da das Beamtenverhältnis wieder auflebt. Daher fehlt es bei beurlaubten Beamten auch an den persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld gemäß § 111 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III.
104Der zweite Regelungszweck (Berücksichtigung der Planungssicherheit der Beklagten und Vermeidung individualrechtlicher Risiken bei Erhebung von Kündigungsschutzklagen) greift bei beurlaubten Beamten ebenfalls nicht ein. Zwar können auch beurlaubte Beamte sich durch die Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegen die beabsichtigte Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zur Wehr setzen. Nach Satz 4 der Präambel der Betriebsvereinbarung Sonderprämie ist der Leistungszweck insoweit allerdings beschränkt: Nur solche Arbeitnehmer sollen durch die Gewährung der Sonderprämie honoriert werden, die infolge der betriebsbedingte Kündigung von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Die Betriebsparteien wollten erkennbar nur denjenigen Arbeitnehmern eine Vergünstigung in Gestalt der Sonderprämie zukommen lassen, die bei Nichterhebung der Kündigungsschutzklage oder beim Abschluss eines Abwicklungsvertrages auch das wirtschaftliche Risiko der Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen müssten. Dieses Risiko haben beurlaubte Beamte nicht zu tragen.
105Lediglich der dritte Teilzweck der Sonderprämie, die Rückgabe überlassener Arbeitsmittel sicherzustellen, spricht auch bei beurlaubten Beamten für die Gewährung dieser Leistung.
106dd) Da zugunsten des Klägers nur ein Teilzweck der Leistungsgewährung nach der Betriebsvereinbarung Sonderprämie zum Tragen kommt, ist es bei Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt, ihm als beurlaubten Beamten die Sonderprämie vorzuenthalten.
107(1) Der erfüllte Teilzweck (Sicherung der Rückgabe der Arbeitsmittel) ist ein Zweck, der nicht entscheidend für die Gewährung der Prämie an beurlaubte Beamte spricht.
108Es handelt sich lediglich um einen nachrangigen Zweck. Das ergibt sich daraus, dass dieser Zweck in der Präambel als letzter Leistungszweck genannt ist. Dass es sich bei dem Leistungszweck, die Rückgabe der Arbeitsmittel zu sichern, um einen nachrangigen Zweck handelt, folgt auch daraus, dass die Sicherung dieses Leistungszwecks nicht als Anspruchsvoraussetzung, sondern als auflösende Bedingung ausgestaltet ist (Ziffer 2.3 der Betriebsvereinbarung Sonderprämie).
109(2) Der Hauptzweck der Prämie, einen Anreiz zum Wechsel in eine Transfergesellschaft zu schaffen, greift demgegenüber bei beurlaubten Beamten gerade nicht ein.
110Nach dem Wortlaut der Präambel ist der Leistungszweck, den Wechsel in eine Transfergesellschaft zu belohnen, um den betroffenen Mitarbeitern neue berufliche Perspektiven zu eröffnen, der vorrangige Hauptzweck der Leistung. Dieser Zweck wird daher auch an erster Stelle genannt. Da Beamte nicht von Arbeitslosigkeit bedroht sind und kein Transferkurzarbeitergeld erhalten, ist dieser vorrangige Leistungszweck nicht erfüllt.
111(3) Soweit der weitere Teilzweck der Sonderprämie sich darauf beschränkt, nicht allgemein den Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage zu belohnen, sondern nur dann, wenn der verzichtende Arbeitnehmer von Arbeitslosigkeit bedroht wird (was bei beurlaubten Beamten nicht der Fall ist), begegnet dies keinen Bedenken.
112(a) Die Entscheidung, Beamte durch diese einschränkende Voraussetzung aus dem Kreise der Arbeitnehmer auszuschließen, denen ein Anspruch auf die Sonderprämie zusteht, beruht jedenfalls auf vernünftigen und einleuchtenden Erwägungen.
113(aa) Die Einschränkung korrespondiert mit dem Hauptzweck der Leistung, einen Anreiz zum Wechsel in die Transfergesellschaft zu schaffen.
114(bb) Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn die Betriebsparteien davon ausgingen, dass das Bedürfnis nach Planungssicherheit im Hinblick auf einen etwaigen Kündigungsschutzprozess bei beurlaubten Beamten geringer ist.
115Da zugunsten der beurlaubten Beamten das ruhende Beamtenverhältnis auflebt, sobald das Arbeitsverhältnis zur Beklagten beendet ist, durften die Betriebsparteien annehmen, dass die Wahrscheinlichkeit, der betroffene Mitarbeiter werde Kündigungsschutzklage erheben, bei beurlaubten Beamten geringer ist als bei Arbeitnehmern. Arbeitnehmer, die keine beurlaubten Beamten sind, haben bei Erhebung der Kündigungsschutzklage mehr zu gewinnen und bei einem Verzicht auf die Kündigungsschutzklage mehr zu verlieren als beurlaubte Beamte. Der Arbeitnehmer hätte bei Erfolg der Kündigungsschutzklage seinen Arbeitsplatz und damit die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung und Entgeltzahlung zurückgewonnen. Diese Möglichkeit steht den Beamten ohnehin in Gestalt des wiederauflebenden Beamtenverhältnisses zu. Falls Arbeitnehmer, die keine beurlaubten Beamten sind, auf eine Kündigungsschutzklage verzichten und durch eigene Anstrengungen keine Anschlussbeschäftigung finden, müssen sie damit rechnen, gegebenenfalls für längere Zeit arbeitslos zu sein. Dieses Risiko haben die beurlaubten Beamten nicht zu tragen. Die Einschätzung der Betriebsparteien, Kündigungsschutzklagen seien bei beurlaubten Beamten unwahrscheinlicher, hat sich auch bestätigt. Tatsächlich hat die Mehrheit der Beamten (nämlich mindestens 110 von 190 beurlaubten Beamten) keine Kündigungsschutzklage erhoben, sondern Ansprüche auf Zahlung der Prämie nach der Betriebsvereinbarung vom 29.04.2013 geltend gemacht.
116(cc) Es kommt hinzu, dass die Beklagte dann, wenn ein beurlaubter Beamter Kündigungsschutzklage erhebt, ein geringeres Risiko bei der Durchführung des Prozesses hat. Der klagende beurlaubte Beamte müsste sich nach § 615 Satz 2 BGB die beamtenmäßige Besoldung, die er nach Ablauf der Kündigungsfrist während des Kündigungsschutzprozesses erhält, anrechnen lassen, so dass das Annahmeverzugsrisiko der Beklagten gemindert ist.
117(b) Der Kläger kann hiergegen nicht einwenden, die Bedrohung von Arbeitslosigkeit als einschränkender Leistungszweck stelle eine Umgehung des Grundsatzes dar, wonach Sozialplanleistungen nicht vom Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden dürfen.
118(aa) Dem Kläger ist zwar darin Recht zu geben, dass eine Sozialplanregelung, die die Zahlung von Abfindungen vom Verzicht auf die Kündigungsschutzklage abhängig macht, unwirksam ist (BAG, Urteil v. 31.05.2005 - 1 AZR 254/04).
119Der Kläger kann sich aber schon deshalb nicht auf eine Umgehung dieses Grundsatzes berufen, weil er gar nicht zum Kreis der Arbeitnehmer zählt, denen Ansprüche aus dem Sozialplan zustehen. Die Beschränkung des persönlichen Geltungsbereichs des Sozialplans ist insoweit zulässig (s. o. unter I 2 b der Entscheidungsgründe).
120(bb) Jedenfalls haben die Betriebsparteien den Regelungsspielraum, der ihnen bei der Ausgestaltung freiwilliger, über den Sozialplan hinausgehender Leistungen zusteht, im Streitfall nicht überschritten.
121Den Betriebsparteien steht im Hinblick auf Betriebsvereinbarungen, die finanzielle Anreize für die Arbeitnehmer zum Abschluss von Aufhebungsverträgen enthalten, eine Typisierungsbefugnis und Einschätzungsprärogative zu (BAG, Urteil v. 18.09.2001 - 3 AZR 656/00, Urteil v. 18.05.2010 - 1 AZR 187/09). Die Betriebsvereinbarung Sonderprämie stellt keine Sozialplanregelung dar, vielmehr handelt es sich um eine Betriebsvereinbarung über eine freiwillige Leistung, die finanzielle Anreize für die Arbeitnehmer schafft, Aufhebungsverträge abzuschließen und dadurch individualrechtliche Risiken des Arbeitgebers bei der Durchführung von Betriebsänderungen zu reduzieren. Dieser Leistungszweck ist zulässig, sofern ein gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG abzuschließender Sozialplan auskömmlich dotiert ist und ihm durch die Zahlung von „Turboprämien“ für den Abschluss freiwilliger Aufhebungsvereinbarungen keine Mittel entzogen werden (BAG, Urteil v. 31.05.2005 - 1 AZR 254/04, Urteil v. 18.05.2010 - 1 AZR 187/09). Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor.
122Die wirtschaftlichen Nachteile, die den durch die geplante Betriebsstilllegung betroffenen Arbeitnehmern entstehen können, werden durch den Sozialplan vom 29.04.2013 ausgeglichen. Der Sozialplan ist auskömmlich dotiert. Er enthält unter Ziffer 2 Regelungen zum Übertritt in eine Transfergesellschaft sowie unter Ziffer 3 eine angemessene Abfindungsregelung. Im Übrigen stellt die Sonderprämie nur einen Bruchteil der Abfindungszahlung dar, die den Arbeitnehmern, legt man eine durchschnittliche Betriebszugehörigkeit von 26 Jahren zugrunde, aus dem Sozialplan zustehen.
123ee) Das Berufungsgericht hat auch in Erwägung gezogen, ob die beurlaubten Beamten durch die Versagung von Ansprüchen auf Zahlung einer Sonderprämie gegenüber den Arbeitnehmern ungerechtfertigt benachteiligt werden, denen gegenüber der E2 AG ein „Rückkehrrecht“ zusteht. Im Ergebnis ist das zu verneinen.
124Die Arbeitnehmer, die sich darauf berufen könnten, ihr vormals zur E2 AG bestehendes Arbeitsverhältnis sei nicht rechtswirksam beendet worden, erfüllen alle drei Teilzwecke der Betriebsvereinbarung Sonderprämie. Dies gilt für den Anreiz, in eine Transfergesellschaft zu wechseln, ebenso wie für die beabsichtigte Sicherung der Rückgabe von Arbeitsmitteln. Aber auch der Teilzweck „Schaffung von Rechtssicherheit durch Verzicht auf die Kündigungsschutzklage trotz Bedrohung durch Arbeitslosigkeit“ kommt bei jenen Arbeitnehmern zum Tragen. Sie sind nämlich in der Tat von Arbeitslosigkeit bedroht, weil E AG ein Rückkehrrecht nicht anerkennt und die Arbeitnehmer, die sich eines solchen Rechts berühmen, daher den Rechtsweg beschreiten müssen. Während sie den Rechtsstreit gegen E AG führen, stehen sie ebenso wie andere Arbeitnehmer, die keine beurlaubten Beamten sind und denen kein „Rückkehrrecht“ zur E2 AG zusteht; insbesondere müssen die ihr „Rückkehrrecht“ einklagenden Arbeitnehmer mit einer längeren Arbeitslosigkeit rechnen. Aus diesem Grund ist bei jenen Arbeitnehmern die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte erheben, größer als bei den beurlaubten Beamten.
125III.
126Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
127Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG zugelassen worden. Die Frage, inwieweit beurlaubte Beamte bei der Gewährung von Sozialplanabfindungen mit anderen Arbeitnehmern gleich zu behandeln sind, hat grundsätzliche Bedeutung. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ist bei der Beurteilung der Frage, ob den beurlaubten Beamten ein Anspruch auf Zahlung der Sonderprämie nach der Betriebsvereinbarung vom 29.04.2013 zusteht, zu einem anderen Ergebnis gelangt (LAG Düsseldorf, Urteil vom 02.07.2014 - 4 Sa 321/14) als das erkennende Gericht.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 06. Juni 2014 - 18 Sa 335/14
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 06. Juni 2014 - 18 Sa 335/14
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenLandesarbeitsgericht Hamm Urteil, 06. Juni 2014 - 18 Sa 335/14 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Sonderzahlung in Höhe von 4.346,00 € brutto zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 88 % und der Beklagten zu 12 % auferlegt.
3. Der Streitwert wird auf 37.758,67 € festgesetzt.
4. Der Antrag auf Ausschließung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wird zurückgewiesen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über Zahlung einer Sozialplanabfindung sowie einer Sonderprämie.
3Der 1965 geborene, ledige Kläger war seit dem 01.08.1982 im Dienste der Bundesrepublik Deutschland als Beamter bei der Deutschen C tätig. Seit der Privatisierung der Deutschen C nimmt die Deutsche U AG die Dienstherreneigenschaft aufgrund des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen C (Postpersonalrechtsgesetz – PostPersRG) wahr. Die Deutsche U AG beurlaubte den Kläger nach § 13 Abs. 1 der Sonderurlaubsverordnung unter Wegfall der Besoldung für eine Tätigkeit bei der W Technical Services GmbH. Zum 01.01.2008 erwarb die Beklagte den Geschäftsbetrieb der W Technical Services GmbH von der Deutschen U AG. Sämtliche bei der W Technical Services GmbH bestehenden Arbeitsverhältnisse, darunter auch das Arbeitsverhältnis des Klägers, gingen auf die Beklagte über. Die Beklagte erbrachte mit zuletzt rund 950 Mitarbeitern, darunter rund 190 beurlaubte Beamte der Deutschen U AG, an 16 Standorten in Deutschland Dienstleistungen auf dem Telekommunikationssektor, insbesondere die Wartung und Installation von Netzwerkinfrastruktur. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet der Manteltarifvertrag für die W Technical Services GmbH Anwendung. Der Kläger bezog zuletzt ein Bruttomonatsentgelt von 2.010,58 €.
4Am 29.04.2013 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat einen Interessenausgleich zur Betriebsschließung (Bl. 5 ff d. A.) sowie einen Sozialplan zur Betriebsschließung (Bl. 8 ff. d.A.). ab. In diesem Sozialplan heißt es u. a. wörtlich:
5„Präambel
6(1) Infolge der Betriebsstilllegung, die im Interessenausgleich vom 29.04.2013 beschrieben ist, entsteht die Notwendigkeit, die wirtschaftlichen und sozialen Nachteile auszugleichen bzw. abzumildern, die den Mitarbeitern entstehen.
7(2) Die Betriebsparteien möchten durch diesen Sozialplan insbesondere die Bedingungen dafür schaffen, dass die von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeiter der NSN S bei ihrer notwendigen beruflichen Neuorientierung unterstützt werden. Zu diesem Zweck soll den Mitarbeitern nach Maßgabe dieses Sozialplans neben der Zahlung von Abfindungen auch der Abschluss von Transferarbeitsverhältnissen angeboten werden.
8(3) Das zur Verfügung stehende Sozialplanvolumen ist knapp bemessen und reicht nicht annähernd für den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile aller Mitarbeiter aus. Vor diesem Hintergrund haben die Betriebsparteien das ihnen zustehende Ermessen so ausgeübt, dass die aus ihrer Sicht gravierendsten wirtschaftlichen Nachteile gemildert werden, die im Hinblick auf die zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplans in erster Linie durch Arbeitslosigkeit entstehen. Sie verkennen dabei nicht, dass auch beurlaubten Beamten bei Rückkehr zur Deutschen U AG Nachteile entstehen können, z. B. durch ein geringeres Entgelt oder einen Ortswechsel. Beurlaubte Beamte erleiden jedoch typischerweise wesentlich geringere wirtschaftliche Nachteile als diejenigen ohne Beamtenstatus, da sie normalerweise weder von Arbeitslosigkeit bedroht sind noch ihr Rückkehranspruch zur Deutschen U AG bzw. ihr erworbener Besitzstand bestritten wird.
9- 1.10
Geltungsbereich
1.1 Dieser Sozialplan gilt für alle Mitarbeiter der NSN S an allen Standorten in der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie von personellen Maßnahmen infolge der Betriebsstilllegung gemäß des Interessenausgleichs betroffen sind oder betroffen sein werden.
121.2 Dieser Sozialplan gilt nicht für
13[…]- …- beurlaubte Beamte.
14- …“
15Ebenfalls am 29.04.2013 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung Sonderprämie (Bl. 18 ff. d.A.) ab. In dieser Betriebsvereinbarung heißt es u.a. wörtlich:
16Präambel
17Der gesamte Betrieb der NSN S wird stillgelegt. Über diese Maßnahme existiert ein Interessenausgleich sowie ein Sozialplan. Dabei liegt es im vorrangigen Interesse der Betriebsparteien, die Arbeitslosigkeit der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (zukünftig gemeinsam: „Mitarbeiter“) zu vermeiden und ihnen neue berufliche Perspektiven zu eröffnen, weshalb der Wechsel in eine Transfergesellschaft besonders incentiviert werden soll. Soweit Mitarbeiter trotz des Angebots den Wechsel in eine Transfergesellschaft ablehnen oder kein Angebot auf einen Wechsel in die Transfergesellschaft erhalten, obwohl sie durch betriebsbedingte Kündigung von Arbeitslosigkeit bedroht sind und dem Geltungsbereich des Sozialplans unterfallen (weil sie sich z. B. in Elternzeit befinden), soll honoriert werden, wenn sie das Bedürfnis der NSN S nach Planungssicherheit dennoch berücksichtigen, indem sie keine Klage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erhoben oder innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist einen Abwicklungsvertrag mit NSN S schließen. Außerdem soll honoriert werden, wenn die Mitarbeiter alle überlassenen Arbeitsmittel vor Austritt bei der NSN S nachweisbar an NSN S zurückgeben. Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Parteien Folgendes:
18- 19
1. GeltungsbereichDiese Betriebsvereinbarung findet Anwendung auf diejenigen Mitarbeiter der NSN S, die- dem Geltungsbereich des Sozialplans vom 29.04.2013 unterfallen;- nicht vom Erhalt einer Abfindung gem. Ziff. 3 des Sozialplans vom 29.04.13 ausgeschlossen sind;- einen dreiseitigen Vertrag mit NSN S innerhalb der Angebotsfrist abschlie ßen und keine Klage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erhe benoderdas Angebot auf Abschluss eines dreiseitigen Vertrages ablehnen (bzw. trotz Bedrohung durch Arbeitslosigkeit durch eine arbeitgeberseitige Kündigung kein Angebot erhalten) und entweder (1) keine Klage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erhoben oder (2) innerhalb von drei Wochen nach Zugang der arbeitgeberseitigen Kündigung einen Abwicklungsvertrag schließen, wobei kein Anspruch auf Abschluss eines Abwicklungsvertrages besteht.
Mit Schreiben vom 06.05.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2013, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin aus betriebsbedingten Gründen wegen Schließung des Geschäftsbetriebs von O Services GmbH & Co. KG. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger keine Kündigungsschutzklage.
21Mit seiner am 16.07.2013 bei dem Arbeitsgericht Bonn eingegangenen und später verwiesenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung einer Sozialplanabfindung sowie einer Sonderprämie.
22Der Kläger ist der Ansicht, dass er durch die Bereichsausnahme im Sozialplan und der Betriebsvereinbarung Sonderprämie diskriminiert werde.
23Der Sozialplangeber könne sich nicht darauf berufen, dass die Beamten weder eine Abfindung noch eine sonstige Leistung aus dem Sozialplan und der Betriebsvereinbarung benötigen, weil diese dauerhaft einer Erwerbstätigkeit als Beamte ausüben könnten. In der Präambel zum Sozialplan hätten die Sozialplanparteien ausdrücklich anerkannt, dass auch Beamte Nachteile erleiden könnten. Wären die Sozialplangeber konsequent gewesen, so hätten sie allenfalls über eine Minderung der Leistung an Beamte nachdenken können, nicht jedoch die Beamten vollständig ausschließen dürfen. Eine ganz wesentliche Diskriminierung liege darin, dass die getroffenen Vereinbarungen, die die Beamten wegen eines Rückkehrrechts von Leistungen ausschließen, bei Arbeitnehmern in keiner Weise danach differenziere, ob diese einen Rückkehranspruch zur Deutschen U AG hätten oder nicht. Arbeitnehmer, bei denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Deutschen U AG vor der Überlassung an Tochtergesellschaft und letztlich an die Beklagte nicht dargelegt werden könne, hätten ebenfalls, wie die Beamten, ein gesichertes, insbesondere unbefristetes Beschäftigungsverhältnis. Im Gegensatz zu den Beamten erhielten die Arbeitnehmer jedoch die Leistungen aus den getroffenen betrieblichen Vereinbarungen uneingeschränkt in voller Höhe. Im Rahmen der Sozialplanverhandlungen hätte den Betriebsparteien eine namentliche Liste vorgelegen, in der die Arbeitsnehmer mit Rückkehrrecht einzeln aufgeführt gewesen seien. Diese Liste habe mit wenigen Ausnahmen dem Ergebnis der Erörterungen zwischen ver.di und der Deutschen U AG entsprochen. Besonders deutlich zeige sich der diskriminierende Charakter der Bereichsausnahme, wenn die Beamten auch von der Betriebsvereinbarung Sonderprämie ausgeschlossen würden. Die Sozialplanparteien hätten ausweislich der Präambel Rechtssicherheit für die Beklagte schaffen wollen, indem sie diejenigen belohnten, die keine Kündigungsschutzklage erheben. Diese Rechtssicherheit erhielten sie bei Beamten, die nicht klagen würden, ebenfalls. Er habe die Arbeitsmittel inzwischen vollständig zurückgegeben, wie sich aus den Übergabeprotokollen (Anlage K 2) ergebe. Die Beklagte habe keine Beanstandungen erhoben.
24Der Kläger beantragt,
25- 26
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Sozialplanabfindung in Höhe von 30.912,67 € brutto sowie eine Sonderzahlung in Höhe von 4.346,- € brutto zu zahlen,
- 28
2. hilfsweise festzustellen, dass seine Herausnahme als bei der U beurlaubtem Beamten aus dem Sozialplan vom 29.04.2013 sowie aus der Betriebsvereinbarung Sonderprämie vom 29.04.2013 rechtswidrig ist und ihm Leistungen aus den genannten Betriebsvereinbarungen zustehen um die Nachteile, die aus dem Verlust des Arbeitsplatzes entstehen, auszugleichen, zumindest aber abzumildern.
Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31hilfsweise, für den Fall des Unterliegens die vorläufige Vollstreckbarkeit des arbeitsgerichtlichen Urteils gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG auszusetzen.
32Sie ist der Ansicht, dass der Ausschluss der beurlaubten Beamten aus dem Geltungsbereich des Sozialplans gerechtfertigt sei. Hierzu behauptet sie, die bei ihr beschäftigten beurlaubten Beamten seien nach wie vor Beamte der Deutschen U AG. Sie würden nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses nahtlos zur Deutschen U AG zurückkehren, das Dienstverhältnis lebe wieder auf, die Beamten erhielten unter Berücksichtigung ihres Wohnortes einen freien Dauerarbeitsplatz und erhielten dort sofort die ihnen als aktiver Beamter zustehende Besoldung. Die Beurlaubung habe keinerlei Einfluss auf den Stand des Beamtenverhältnisses und den auch während der Beschäftigung bei ihr weiter erworbenen Besitzstand des Beamten. Lediglich Art und Ort der Tätigkeit, die der Beamte nach seiner Rückkehr bei der Deutschen U AG ausüben werde, sei bei seiner Rückkehr nicht immer klar. Angesichts ihrer finanziellen Situation und der von der Muttergesellschaft zur Verfügung gestellten eingeschränkten Mittel für einen Sozialplan hätten die Betriebsparteien eine Abwägung treffen müssen, welche Nachteile sie ausgleichen könnten und welche nicht. Sie hätten dabei die bei dem beurlaubten Beamten verbleibenden Nachteile hinsichtlich Vergütung, Art und Dauer der Tätigkeit im Vergleich zu den wirtschaftlichen Nachteilen der anderen Arbeitnehmer als deutlich geringer eingeschätzt. Die sichere Aussicht der beurlaubten Beamten auf einen nahtlosen Anschlussarbeitsplatz bei der Deutschen U AG unter Wahrung ihres gesamten Besitzstandes als Beamter rechtfertige trotz verbleibender Nachteile aus ihrer Sicht die Herausnahme der Beamten aus dem Sozialplan. Bei den Mitarbeitern ohne Beamtenstatus, die mit einer durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit von 26 Jahren und einem durchschnittlichen Lebensalter von 50 Jahren von Arbeitslosigkeit bedroht seien, hätten die Betriebsparteien gefürchtet, dass sie aufgrund des reinen „U-Lebenslaufes“ und ihres Lebensalters nur schwer und nur nach einer langen Überbrückungszeit ein Anschlussbeschäftigungsverhältnis zu wesentlich schlechteren Konditionen erhalten würden. Einen Rückkehranspruch sonstiger Arbeitnehmer zur Deutschen U AG gebe es hingegen nicht. Sie wisse lediglich, dass es vier Arbeitnehmer gebe, die sich ihre Beschäftigung bei der Deutschen U AG nach ihrem Ausscheiden bei ihr vor einigen Jahren in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten erstritten hätten. Welche Arbeitsverhältnisse bei der Deutschen U AG ordnungsgemäß beendet worden seien, welche aufgrund von Betriebsübergängen bzw. Verschmelzungen/Umwandlung von verschiedenen Gesellschaften des U-Konzerns kraft Gesetzes auf die W Technical Services GmbH bzw. ihre Vorgängergesellschaften übergegangen seien und welche Arbeitsverhältnisse vor diesem Hintergrund mit der Deutschen U AG möglicherweise als ruhendes Arbeitsverhältnis fortbestünden, entziehe sich ihrer Kenntnis. Die Betriebsparteien seien typisierend und pauschalierend davon ausgegangen, dass alle Arbeitnehmer bis auf die beurlaubten Beamten gleichermaßen von Arbeitslosigkeit bedroht seien. Es habe lediglich die Chance für einzelne Arbeitnehmer bestanden, die eigene Situation zu verbessern, indem sie z. B. aufgrund eigener Bemühungen unmittelbar eine Anschlussbeschäftigung finden oder erfolgreich Rechtsansprüche gegen frühere Arbeitgeber geltend machen. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Deutschen U AG sei sie davon ausgegangen, dass die Deutsche U AG freiwillig keine Mitarbeiter einstellen würde, sondern jeden Einzelfall gerichtlich überprüfen lassen würde.
33Durch die Betriebsvereinbarung Sonderprämie hätten die Betriebspartner besonders belohnen wollen, wenn die von Arbeitslosigkeit betroffenen Mitarbeiter ihr Interesse am Betriebsfrieden respektieren würden. Bei beurlaubten Beamten seien die Betriebsparteien davon ausgegangen, dass an der Erhebung einer Kündigungsschutzklage aufgrund der gesicherten Rückkehrmöglichkeit zur Deutschen U AG kaum Interesse bestünde und deshalb ein Verzicht auf eine Erhebung der Kündigungsschutzklage keine besondere Honorierung verdiene.
34Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils sei auszuschließen, da sie bei ihr zu einem nicht zu ersetzenden Nachteil führe. Sie benötige nach wie vor freiwillige Kapitaleinzahlungen ihrer Muttergesellschaft zur Deckung ihrer Kosten. Bei einer Zwangsvollstreckung der Urteile müsse sie voraussichtlich Insolvenz anmelden.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
36E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
37I.
38Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf eine Sonderzahlung in Höhe von 4.346,- € brutto. Im Übrigen war die Klage abzuweisen. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Sozialplanabfindung besteht nicht. Auch der insoweit zur Entscheidung angefallene Hilfsantrag war abzuweisen.
391. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung einer Sonderprämie in Höhe von 4.346,00 € brutto aus Ziff. 2.1 Betriebsvereinbarung Sonderprämie vom 29.04.2013 i.V.m. dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 S. BetrVG.
40Zwar ist die Betriebsvereinbarung Sonderprämie nach Ziff. 1 nicht auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbar, da nach Ziff. 1, erster Spiegelpunkt nur die unter den Geltungsbereich des Sozialplans vom 29.04.2013 fallenden Arbeitsverhältnisse auch unter den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Sonderprämie fallen. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf hier jedoch die Frage, ob die nach Ziff. 1.2 des Sozialplans erfolgte Ausnahme der beurlaubten Beamten – zu denen auch der Kläger gehört – aus dem Geltungsbereich des Sozialplans wirksam ist. Denn jedenfalls im Hinblick auf die Betriebsvereinbarung Sonderprämie verstößt die Ausschlussklausel gegen Recht und Billigkeit und ist deshalb unwirksam.
41a) Die Betriebsparteien haben bei Betriebsvereinbarungen, in denen sie die Verteilung von Leistungen regeln, gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG die Grundsätze von Recht und Billigkeit zu beachten. Dazu gehört insbesondere der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Dieser ist Ausdruck des Gerechtigkeitsgedanken im Grundgesetz und fundamentales Rechtsprinzip (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.05.1988 – 1 BvL 22/85 – NJW 1988, 3258). Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicher zu stellen und eine gleichheitswidrige Regelung auszuschließen (vgl. BAG, Urteil vom 27.05.2004, 6 AZR 129/03, EZA Art. 3 GG Nr. 101). Er kommt insbesondere zur Anwendung, wenn die Betriebsparteien bei einer Regelung unterschiedliche Gruppen bilden. Eine Gruppenbildung kann nicht nur dadurch erfolgen, dass für vermeintliche Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Rechtsfolgen vorgesehen werden oder eine bestimmte Gruppe von einer Regelung ausdrücklich ausgenommen wird. Vielmehr werden unterschiedliche Gruppen auch dann gebildet, wenn eine Regelung nur für eine Arbeitnehmergruppe getroffen wird und für eine andere unterbleibt (BAG, Urteil vom 22.03.2005, 1 AZR 49/04, EZA § 75 BetrVG 2001 Nr. 2).
42Sind für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Rechtsfolgen – insbesondere unterschiedliche Leistungen – vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Unterschiedlichkeit sachlich gerechtfertigt ist. Dabei verstößt eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung erst dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger Grund für die Differenzierung nicht finden lässt. Dagegen ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen kein Unterschied von solcher Art und solchem Gewicht besteht, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BAG, Urteil vom 22.03.2005, 1 AZR 49/04, a.a.O; Urteil vom 27.05.2004, 6 AZR 129/03, a.a.O.). Die Übergänge zwischen sachverhaltsbezogenen und personenbezogenen Differenzierungen sind bisweilen fließend. Insbesondere kann eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten unmittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirken (BAG, Urteil vom 22.03.2005, 1 AZR 49/04, a.a.O.).
43Maßgeblich für das Vorliegen eines hinreichenden Sachgrunds ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG, Urteil vom 07.06.2011, 1 AZR 34/10, EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 45; Urteil vom 19.03.2002, 2 AZR 229/01, juris). Unter dessen Berücksichtigung müssen die Merkmale, an welche die Gruppenbildung anknüpft, die Differenzierung bei den Rechtsfolgen rechtfertigen. Die Betriebsparteien haben ebenso wie andere Normgeber einen Beurteilungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen und Folgen der von ihnen gesetzten Regelungen.
44b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Ausnahme der sogenannten beurlaubten Beamten aus dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Sonderprämie sachwidrig und deshalb unwirksam.
45Ausweislich der Präambel der Betriebsvereinbarung sollte durch die dort aufgeführten Leistungen honoriert werden, dass Arbeitnehmer das Bedürfnis der Beklagten nach Planungssicherheit berücksichtigen, indem sie keine Klagen gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erheben oder innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist einen Abwicklungsvertrag mit der Beklagten abschließen. Zudem soll honoriert werden, wenn die Mitarbeiter alle überlassenen Arbeitsmittel vor Austritt bei der Beklagten nachweisbar an diese zurückgeben. Der Regelungszweck ist mithin nicht auf die Interessen der Beschäftigten, sondern auf die Interessen der Beklagten ausgerichtet. Die Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten soll durch die Sonderprämie honoriert werden.
46Gemessen an diesem Regelungszweck ist die Differenzierung zwischen beurlaubten Beamten und sonstigen Arbeitnehmern sachlich nicht gerechtfertigt. Auch die beurlaubten Beamten stehen zur Beklagten in einem „normalen“ Arbeitsverhältnis. Auch für sie gelten die kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften. Wie auch alle übrigen Beschäftigten können die beurlaubten Beamten die Rechtmäßigkeit einer ihnen gegenüber ausgesprochenen Kündigung durch die Arbeitsgerichte überprüfen lassen. Auch sie können, wie alle übrigen Arbeitnehmer auch, überlassene Arbeitsmittel beim Austritt faktisch zurückhalten und somit eine Abwicklung des Arbeitsverhältnisses verzögern. Soweit die Beklagte meint, beurlaubte Beamte hätten aufgrund ihrer sozialen Absicherung durch das Beamtenverhältnis kaum ein Interesse an einer Kündigungsschutzklage, verfängt dieses Argument nicht. Die Betriebsparteien haben in der Präambel des Sozialplans vom 29.04.2013 ausdrücklich anerkannt, dass auch beurlaubten Beamten wirtschaftliche Nachteile durch die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses drohen. Daraus folgt zwangsläufig, dass auch beurlaubte Beamte nicht nur ein ideelles, sondern auch ein wirtschaftliches Interesse an einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Kündigung haben. Unter Berücksichtigung des Regelungszweckes der Betriebsvereinbarung Sonderprämie ist ein beurlaubter Beamter mithin in der gleichen Situation wie ein normaler Arbeitnehmer der Beklagten, der von Kündigung betroffen ist. Die Differenzierung zwischen beurlaubten Beamten und übrigen Arbeitnehmern ist deshalb bereits ungeeignet, dem Regelungszweck der Betriebsvereinbarung Geltung zu verschaffen. Gerichtsbekannt haben eine Reihe der beurlaubten Beamten der Beklagten gegen die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses Klage vor den Arbeitsgerichten erhoben. Sie haben damit in gleicher Weise wie „normale“ Arbeitnehmer zur Rechtsunsicherheit bei der Beklagten beigetragen.
47c) Da der Kläger nach alledem nicht wirksam aus dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Sonderprämie herausgenommen ist, hat er Anspruch auf Zahlung der Sonderprämie gemäß Ziffer 2. der Betriebsvereinbarung. Er hat gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2013 - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - keine Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat des weiteren vorgetragen, dass er die Arbeitsmittel inzwischen vollständig zurückgegeben haben. Diesen Vortrag hat die Beklagte nicht bestritten und daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden.
482. Die weitergehende Zahlungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Sozialplanabfindung in Höhe von 30.912,67 € brutto aus § 611 BGB i.V.m. Ziff. 3 des Sozialplans vom 29.04.2013.
49a) Der Kläger fällt als beurlaubter Beamter nicht in den in Ziff. 1 des Sozialplans geregelten Geltungsbereich des Sozialplans. Nach Ziff. 1.1 des Sozialplans gilt dieser für alle Mitarbeiter der Beklagten an allen Standorten in der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie von den personalen Maßnahmen infolge der Betriebsstilllegung gemäß des Interessenausgleichs vom 29.04.2013 betroffen sind oder betroffen sein werden. Gleichzeitig sind jedoch nach Ziff. 1.2 des Sozialplans sogenannte beurlaubte Beamte von dem Geltungsbereich ausdrücklich ausgenommen.
50Unstreitig ist der Kläger von den personellen Maßnahmen infolge der Betriebsstilllegung betroffen. Ebenso unstreitig ist der Kläger jedoch Beamter der Bundesrepublik Deutschland, der für die Beschäftigung bei der Beklagten nach § 13 Abs. 1 SUrlV beurlaubt ist.
51b) Der von dem Kläger verfolgte Abfindungsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG.
52aa) Die Betriebsparteien haben bei dem Abschluss von Betriebsvereinbarungen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Er zielt darauf ab, die Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicher zu stellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung erfolgte Zweck (BAG, Urteil vom 07.06.2011 – 1 AZR 34/10 – EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 45; Urteil vom 14.12.2010 – 1 AZR 279/09 – EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 39; Urteil vom 18.05.2010 – 1 AZR 187/09 – EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 38).
53Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen gem. § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die dem Arbeitnehmer durch die Betriebsänderung entstehen können (BAG, Urteil vom 07.06.2011 – 1 AZR 34/10 – a.a.O., Urteil vom 18.05.2010 – 1 AZR 187/09 – a.a.O.). Die Sozialplanleistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar (BAG, Urteil vom 26.05.2009 – 1 AZR 198/08 – EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 31). Hiervon ausgehend sind nicht alle Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung verloren haben, bereits aus diesem Grunde in einer vergleichbaren Situation. Die Vergleichbarkeit bestimmt sich vielmehr nach der zukunftsbezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplans. Dementsprechend kommt es darauf an, ob sich der Kläger und die vom Sozialplan begünstigten Arbeitnehmer in Bezug auf ihre durch die Betriebsstilllegung verursachten wirtschaftlichen Nachteile in einer vergleichbaren Situation befinden (vgl. BAG, Urteil vom 07.06.2011 – 1 AZR 34/10 – a.a.O.).
54Die zukunftsbezogene Ausgleichsfunktion von Sozialplänen eröffnet den Betriebsparteien Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume (BAG, Urteil vom 11.11.2008 – 1 AZR 475/07 – EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 30; Urteil vom 06.11.2007 – 1 AZR 960/06 – EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 25). Ein Beurteilungsspielraum besteht hinsichtlich der den Arbeitnehmer durch die Betriebsänderung voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Nachteile. Ein Gestaltungsspielraum besteht beim Ausgleich oder der Abmilderung der von ihnen prognostizierten Nachteile.
55Der Beurteilungsspielraum betrifft die tatsächliche Einschätzung der mit der Betriebsänderung für die Arbeitnehmer verbundenen wirtschaftlichen Folgen. Diese lassen sich regelmäßig nicht in allen Einzelheiten sicher vorhersagen, sondern können nur Gegenstand einer Prognose sein. Bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen hängen die Chancen der einzelnen Arbeitnehmer überhaupt oder in absehbarer Zeit einen gleichwertigen neuen Arbeitsplatz zu finden, von einer Vielzahl subjektiver und objektiver Umstände ab und lassen sich nicht qualifizieren. Da Sozialpläne in der Regel schon vor der Betriebsänderung geschlossen werden sollen, ist es unumgänglich, den Betriebsparteien bei der Einschätzung der wirtschaftlichen Nachteile einen erheblichen Beurteilungsspielraum einzuräumen. Dieser gestattet eine pauschalisierende und typisierende Betrachtung (BAG, Urteil vom 11.11.2008 – 1 AZR 475/07 – a.a.O.; Beschluss vom 24.08.2004 – 1 ABR 23/03 – EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 12). Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und die gesetzlichen Diskriminierungsverbote sind bei der Einschätzung der dem Arbeitnehmer entstehenden wirtschaftlichen Nachteile unbeachtlich. Es handelt sich insoweit um eine tatsächliche Beurteilung, nicht um normative Gestaltung. Die Betriebsparteien dürfen deshalb bei der Abschätzung der dem Arbeitnehmer aus der Betriebsänderung entstehenden Nachteile auch berücksichtigen, ob diese bei bestimmten Personengruppen schon durch anderweitige, z. B. sozialversicherungsrechtliche Ansprüche abgemildert werden. Die Betriebsparteien schaffen diese Privilegierung nicht, sondern finden sie vor und können sie nach der gesetzlichen Konzeption des § 112 BetrVG in der Sozialplangestaltung auch zugrunde legen (vgl. BAG, Urteil vom 11.11.2008 – 1 AZR 475/07 – a.a.O.).
56bb) Die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Herne hat in ihrer Entscheidung vom 09.10.2013, Az. 5 Ca 1435/13 dazu ausgeführt, dass die Herausnahme der beurlaubten Beamten aus dem Geltungsbereich des Sozialplans vom 29.04.2013 gemessen an diesen Grundsätzen nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Bei der gebotenen typisierten Betrachtung hätten die Betriebsparteien davon ausgehen dürfen, dass Arbeitnehmer, die zeitgleich in einem ruhenden Beamtenverhältnis zu Bundesrepublik Deutschland stehen, durch die geplante Betriebsstilllegung keine oder sehr viel geringere wirtschaftlichen Nachteile drohten als anderen Arbeitnehmern, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Bei den sogenannten beurlaubten Beamten lebe das Beamtenverhältnis unmittelbar mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten wieder auf. Die wirtschaftliche Zukunft der beurlaubten Beamten sei durch das Beamtenverhältnis sicher gestellt. Gerade dies ist auch nach Auffassung der erkennenden Kammer – die sich im Übrigen den Erwägungen der 5. Kammer vollumfänglich anschließt - der entscheidende Aspekt. Durch den Beamtenstatus ist die wirtschaftliche Zukunft der Betroffenen um ein vielfach höheres Maß abgesichert als bei angestellten Mitarbeitern.
57Eine sachwidrige Ungleichbehandlung liegt auch nicht im Verhältnis zu den Beschäftigten der Beklagten vor, die zeitlich in einem ruhenden Arbeitsverhältnis zur Deutschen U AG stehen. Denn auch diese sind mit den Beamten bei einer zukunftsbezogenen Betrachtung nicht vergleichbar. Das Rückkehrrecht der Beamten ist nach der Sonderurlaubsverordnung und dem Postpersonalrechtsgesetz klar geregelt und wird von der Deutschen U AG naturgemäß nicht in Zweifel gezogen. Demgegenüber ist bei den übrigen Angestellten der Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses zur Deutschen U AG von individuellen und im Einzelfall unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig. So wie insbesondere die zitierte Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte zeige, hängt ein mögliches Rückkehrrecht der Angestellten nicht allein davon ab, ob vormals ein dreiseitiger Vertrag zwischen den Angestellten, der Deutschen U AG und der W Technical Service GmbH zustande gekommen ist, sondern insbesondere auch davon, ob der jeweilige Angestellte mögliche Ansprüche gegen die Deutsche U AG zwischenzeitlich verwirkt hat oder nicht. Zumindest mussten die Betriebsparteien jedenfalls bei Abschluss des Sozialplans am 29.04.2013 noch davon ausgehen, dass Angestellte mögliche Ansprüche gegenüber der Deutschen U AG gerichtlich geltend machen müssen. Auch wenn man unterstellen würde, dass eine solche gerichtliche Geltendmachung stets erfolgreich wäre, würde allein ein solches Verfahren eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Belastung für den Arbeitnehmer darstellen. Auch insofern war es nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht sachwidrig bzw. hielt sich noch in den Grenzen des Beurteilungsspielraums der Betriebsparteien, dass die Angestellten mit einem möglichen arbeitsvertraglichen Rückkehrrecht zur Deutschen U AG nicht von dem Sozialplan ausgenommen wurden.
58Die Herausnahme der Beamten aus dem Geltungsbereich des Sozialplans ist nach alledem nicht sachwidrig.
593. Das – wie soeben unter Ziffer 2. dargelegt - die Herausnahme der Beamten aus dem Sozialplan vom 29.04.2013 nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht rechtswidrig war, hat auch der hilfsweise gestellte und nur in Bezug auf die Herausnahme aus dem Sozialplan zur Entscheidung durch die Kammer angefallene Feststellungsantrag (Klageantrag zu 2)) keinen Erfolg.
60II.
61Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Die Kosten des Rechtsstreits waren den Parteien nach dem Verhältnis ihres jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens aufzuerlegen.
62Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ff. ZPO. Zugrunde gelegt wurde der Wert der bezifferten Zahlungsanträge; für den Feststellungsantrag [Klageantrag zu 2)] wurde ein Wert von 2.500,00 € angenommen.
63Der Antrag auf Ausschließung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils war zurückzuweisen. Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift hat das Arbeitsgericht auf Antrag der beklagte Partei die vorläufige Vollstreckbarkeit im Urteil auszuschließen, wenn diese glaubhaft macht, dass die Vollstreckung des Titels ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Ein nicht zu ersetzender Nachteil liegt dann vor, wenn der die Vollstreckung betreibende Gläubiger nicht in der Lage ist, den Schaden mit Geld oder auf andere Weise bei späterem Wegfall des Vollstreckungstitels auszugleichen, dem Schuldner also ein erheblicher Schaden droht. Dies ist bei Zahlungstitel etwa dann der Fall, wenn Vermögenslosigkeit des Vollstreckungsgläubigers gegeben ist (vgl. dazu im einzelnen: Germelmann, in: Germelmann/Mathhes/Prütting, ArbGG, 8. Aufl. 2013, § 62 ArbGG Rz. 18 ff. m.w.N.). Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrags keinerlei Gründe dargelegt, die auf entsprechende Umstände bei dem Kläger hindeuten könnten. Sie hat lediglich vorgetragen, dass sie zur Kostendeckung freiwillige Kapitaleinlagen ihrer Muttergesellschaft benötige und sie bei einer Vollstreckung der Urteile ggfs. Insolvenz anmelden müsse. Darin liegt aber gerade kein nicht zu ersetzender Nachteil im Sinne des § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG.
Bis zu zwei Jahre Sonderurlaub unter Wegfall der Besoldung sind zu gewähren, wenn eine Beamtin oder ein Beamter
- 1.
ein freiwilliges soziales Jahr nach § 3 oder § 6 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes, - 2.
ein freiwilliges ökologisches Jahr nach § 4 oder § 6 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes oder - 3.
einen Bundesfreiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz
(1) Urteile der Arbeitsgerichte, gegen die Einspruch oder Berufung zulässig ist, sind vorläufig vollstreckbar. Macht der Beklagte glaubhaft, daß die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, so hat das Arbeitsgericht auf seinen Antrag die vorläufige Vollstreckbarkeit im Urteil auszuschließen. In den Fällen des § 707 Abs. 1 und des § 719 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung kann die Zwangsvollstreckung nur unter derselben Voraussetzung eingestellt werden. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach Satz 3 erfolgt ohne Sicherheitsleistung. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss.
(2) Im übrigen finden auf die Zwangsvollstreckung einschließlich des Arrests und der einstweiligen Verfügung die Vorschriften des Achten Buchs der Zivilprozeßordnung Anwendung. Die Entscheidung über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung kann in dringenden Fällen, auch dann, wenn der Antrag zurückzuweisen ist, ohne mündliche Verhandlung ergehen. Eine in das Schutzschriftenregister nach § 945a Absatz 1 der Zivilprozessordnung eingestellte Schutzschrift gilt auch als bei allen Arbeitsgerichten der Länder eingereicht.
Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Sonderzahlung in Höhe von 4.346,00 € brutto zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 88 % und der Beklagten zu 12 % auferlegt.
3. Der Streitwert wird auf 37.758,67 € festgesetzt.
4. Der Antrag auf Ausschließung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wird zurückgewiesen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über Zahlung einer Sozialplanabfindung sowie einer Sonderprämie.
3Der 1965 geborene, ledige Kläger war seit dem 01.08.1982 im Dienste der Bundesrepublik Deutschland als Beamter bei der Deutschen C tätig. Seit der Privatisierung der Deutschen C nimmt die Deutsche U AG die Dienstherreneigenschaft aufgrund des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen C (Postpersonalrechtsgesetz – PostPersRG) wahr. Die Deutsche U AG beurlaubte den Kläger nach § 13 Abs. 1 der Sonderurlaubsverordnung unter Wegfall der Besoldung für eine Tätigkeit bei der W Technical Services GmbH. Zum 01.01.2008 erwarb die Beklagte den Geschäftsbetrieb der W Technical Services GmbH von der Deutschen U AG. Sämtliche bei der W Technical Services GmbH bestehenden Arbeitsverhältnisse, darunter auch das Arbeitsverhältnis des Klägers, gingen auf die Beklagte über. Die Beklagte erbrachte mit zuletzt rund 950 Mitarbeitern, darunter rund 190 beurlaubte Beamte der Deutschen U AG, an 16 Standorten in Deutschland Dienstleistungen auf dem Telekommunikationssektor, insbesondere die Wartung und Installation von Netzwerkinfrastruktur. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet der Manteltarifvertrag für die W Technical Services GmbH Anwendung. Der Kläger bezog zuletzt ein Bruttomonatsentgelt von 2.010,58 €.
4Am 29.04.2013 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat einen Interessenausgleich zur Betriebsschließung (Bl. 5 ff d. A.) sowie einen Sozialplan zur Betriebsschließung (Bl. 8 ff. d.A.). ab. In diesem Sozialplan heißt es u. a. wörtlich:
5„Präambel
6(1) Infolge der Betriebsstilllegung, die im Interessenausgleich vom 29.04.2013 beschrieben ist, entsteht die Notwendigkeit, die wirtschaftlichen und sozialen Nachteile auszugleichen bzw. abzumildern, die den Mitarbeitern entstehen.
7(2) Die Betriebsparteien möchten durch diesen Sozialplan insbesondere die Bedingungen dafür schaffen, dass die von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeiter der NSN S bei ihrer notwendigen beruflichen Neuorientierung unterstützt werden. Zu diesem Zweck soll den Mitarbeitern nach Maßgabe dieses Sozialplans neben der Zahlung von Abfindungen auch der Abschluss von Transferarbeitsverhältnissen angeboten werden.
8(3) Das zur Verfügung stehende Sozialplanvolumen ist knapp bemessen und reicht nicht annähernd für den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile aller Mitarbeiter aus. Vor diesem Hintergrund haben die Betriebsparteien das ihnen zustehende Ermessen so ausgeübt, dass die aus ihrer Sicht gravierendsten wirtschaftlichen Nachteile gemildert werden, die im Hinblick auf die zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplans in erster Linie durch Arbeitslosigkeit entstehen. Sie verkennen dabei nicht, dass auch beurlaubten Beamten bei Rückkehr zur Deutschen U AG Nachteile entstehen können, z. B. durch ein geringeres Entgelt oder einen Ortswechsel. Beurlaubte Beamte erleiden jedoch typischerweise wesentlich geringere wirtschaftliche Nachteile als diejenigen ohne Beamtenstatus, da sie normalerweise weder von Arbeitslosigkeit bedroht sind noch ihr Rückkehranspruch zur Deutschen U AG bzw. ihr erworbener Besitzstand bestritten wird.
9- 1.10
Geltungsbereich
1.1 Dieser Sozialplan gilt für alle Mitarbeiter der NSN S an allen Standorten in der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie von personellen Maßnahmen infolge der Betriebsstilllegung gemäß des Interessenausgleichs betroffen sind oder betroffen sein werden.
121.2 Dieser Sozialplan gilt nicht für
13[…]- …- beurlaubte Beamte.
14- …“
15Ebenfalls am 29.04.2013 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung Sonderprämie (Bl. 18 ff. d.A.) ab. In dieser Betriebsvereinbarung heißt es u.a. wörtlich:
16Präambel
17Der gesamte Betrieb der NSN S wird stillgelegt. Über diese Maßnahme existiert ein Interessenausgleich sowie ein Sozialplan. Dabei liegt es im vorrangigen Interesse der Betriebsparteien, die Arbeitslosigkeit der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (zukünftig gemeinsam: „Mitarbeiter“) zu vermeiden und ihnen neue berufliche Perspektiven zu eröffnen, weshalb der Wechsel in eine Transfergesellschaft besonders incentiviert werden soll. Soweit Mitarbeiter trotz des Angebots den Wechsel in eine Transfergesellschaft ablehnen oder kein Angebot auf einen Wechsel in die Transfergesellschaft erhalten, obwohl sie durch betriebsbedingte Kündigung von Arbeitslosigkeit bedroht sind und dem Geltungsbereich des Sozialplans unterfallen (weil sie sich z. B. in Elternzeit befinden), soll honoriert werden, wenn sie das Bedürfnis der NSN S nach Planungssicherheit dennoch berücksichtigen, indem sie keine Klage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erhoben oder innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist einen Abwicklungsvertrag mit NSN S schließen. Außerdem soll honoriert werden, wenn die Mitarbeiter alle überlassenen Arbeitsmittel vor Austritt bei der NSN S nachweisbar an NSN S zurückgeben. Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Parteien Folgendes:
18- 19
1. GeltungsbereichDiese Betriebsvereinbarung findet Anwendung auf diejenigen Mitarbeiter der NSN S, die- dem Geltungsbereich des Sozialplans vom 29.04.2013 unterfallen;- nicht vom Erhalt einer Abfindung gem. Ziff. 3 des Sozialplans vom 29.04.13 ausgeschlossen sind;- einen dreiseitigen Vertrag mit NSN S innerhalb der Angebotsfrist abschlie ßen und keine Klage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erhe benoderdas Angebot auf Abschluss eines dreiseitigen Vertrages ablehnen (bzw. trotz Bedrohung durch Arbeitslosigkeit durch eine arbeitgeberseitige Kündigung kein Angebot erhalten) und entweder (1) keine Klage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erhoben oder (2) innerhalb von drei Wochen nach Zugang der arbeitgeberseitigen Kündigung einen Abwicklungsvertrag schließen, wobei kein Anspruch auf Abschluss eines Abwicklungsvertrages besteht.
Mit Schreiben vom 06.05.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2013, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin aus betriebsbedingten Gründen wegen Schließung des Geschäftsbetriebs von O Services GmbH & Co. KG. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger keine Kündigungsschutzklage.
21Mit seiner am 16.07.2013 bei dem Arbeitsgericht Bonn eingegangenen und später verwiesenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung einer Sozialplanabfindung sowie einer Sonderprämie.
22Der Kläger ist der Ansicht, dass er durch die Bereichsausnahme im Sozialplan und der Betriebsvereinbarung Sonderprämie diskriminiert werde.
23Der Sozialplangeber könne sich nicht darauf berufen, dass die Beamten weder eine Abfindung noch eine sonstige Leistung aus dem Sozialplan und der Betriebsvereinbarung benötigen, weil diese dauerhaft einer Erwerbstätigkeit als Beamte ausüben könnten. In der Präambel zum Sozialplan hätten die Sozialplanparteien ausdrücklich anerkannt, dass auch Beamte Nachteile erleiden könnten. Wären die Sozialplangeber konsequent gewesen, so hätten sie allenfalls über eine Minderung der Leistung an Beamte nachdenken können, nicht jedoch die Beamten vollständig ausschließen dürfen. Eine ganz wesentliche Diskriminierung liege darin, dass die getroffenen Vereinbarungen, die die Beamten wegen eines Rückkehrrechts von Leistungen ausschließen, bei Arbeitnehmern in keiner Weise danach differenziere, ob diese einen Rückkehranspruch zur Deutschen U AG hätten oder nicht. Arbeitnehmer, bei denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Deutschen U AG vor der Überlassung an Tochtergesellschaft und letztlich an die Beklagte nicht dargelegt werden könne, hätten ebenfalls, wie die Beamten, ein gesichertes, insbesondere unbefristetes Beschäftigungsverhältnis. Im Gegensatz zu den Beamten erhielten die Arbeitnehmer jedoch die Leistungen aus den getroffenen betrieblichen Vereinbarungen uneingeschränkt in voller Höhe. Im Rahmen der Sozialplanverhandlungen hätte den Betriebsparteien eine namentliche Liste vorgelegen, in der die Arbeitsnehmer mit Rückkehrrecht einzeln aufgeführt gewesen seien. Diese Liste habe mit wenigen Ausnahmen dem Ergebnis der Erörterungen zwischen ver.di und der Deutschen U AG entsprochen. Besonders deutlich zeige sich der diskriminierende Charakter der Bereichsausnahme, wenn die Beamten auch von der Betriebsvereinbarung Sonderprämie ausgeschlossen würden. Die Sozialplanparteien hätten ausweislich der Präambel Rechtssicherheit für die Beklagte schaffen wollen, indem sie diejenigen belohnten, die keine Kündigungsschutzklage erheben. Diese Rechtssicherheit erhielten sie bei Beamten, die nicht klagen würden, ebenfalls. Er habe die Arbeitsmittel inzwischen vollständig zurückgegeben, wie sich aus den Übergabeprotokollen (Anlage K 2) ergebe. Die Beklagte habe keine Beanstandungen erhoben.
24Der Kläger beantragt,
25- 26
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Sozialplanabfindung in Höhe von 30.912,67 € brutto sowie eine Sonderzahlung in Höhe von 4.346,- € brutto zu zahlen,
- 28
2. hilfsweise festzustellen, dass seine Herausnahme als bei der U beurlaubtem Beamten aus dem Sozialplan vom 29.04.2013 sowie aus der Betriebsvereinbarung Sonderprämie vom 29.04.2013 rechtswidrig ist und ihm Leistungen aus den genannten Betriebsvereinbarungen zustehen um die Nachteile, die aus dem Verlust des Arbeitsplatzes entstehen, auszugleichen, zumindest aber abzumildern.
Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31hilfsweise, für den Fall des Unterliegens die vorläufige Vollstreckbarkeit des arbeitsgerichtlichen Urteils gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG auszusetzen.
32Sie ist der Ansicht, dass der Ausschluss der beurlaubten Beamten aus dem Geltungsbereich des Sozialplans gerechtfertigt sei. Hierzu behauptet sie, die bei ihr beschäftigten beurlaubten Beamten seien nach wie vor Beamte der Deutschen U AG. Sie würden nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses nahtlos zur Deutschen U AG zurückkehren, das Dienstverhältnis lebe wieder auf, die Beamten erhielten unter Berücksichtigung ihres Wohnortes einen freien Dauerarbeitsplatz und erhielten dort sofort die ihnen als aktiver Beamter zustehende Besoldung. Die Beurlaubung habe keinerlei Einfluss auf den Stand des Beamtenverhältnisses und den auch während der Beschäftigung bei ihr weiter erworbenen Besitzstand des Beamten. Lediglich Art und Ort der Tätigkeit, die der Beamte nach seiner Rückkehr bei der Deutschen U AG ausüben werde, sei bei seiner Rückkehr nicht immer klar. Angesichts ihrer finanziellen Situation und der von der Muttergesellschaft zur Verfügung gestellten eingeschränkten Mittel für einen Sozialplan hätten die Betriebsparteien eine Abwägung treffen müssen, welche Nachteile sie ausgleichen könnten und welche nicht. Sie hätten dabei die bei dem beurlaubten Beamten verbleibenden Nachteile hinsichtlich Vergütung, Art und Dauer der Tätigkeit im Vergleich zu den wirtschaftlichen Nachteilen der anderen Arbeitnehmer als deutlich geringer eingeschätzt. Die sichere Aussicht der beurlaubten Beamten auf einen nahtlosen Anschlussarbeitsplatz bei der Deutschen U AG unter Wahrung ihres gesamten Besitzstandes als Beamter rechtfertige trotz verbleibender Nachteile aus ihrer Sicht die Herausnahme der Beamten aus dem Sozialplan. Bei den Mitarbeitern ohne Beamtenstatus, die mit einer durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit von 26 Jahren und einem durchschnittlichen Lebensalter von 50 Jahren von Arbeitslosigkeit bedroht seien, hätten die Betriebsparteien gefürchtet, dass sie aufgrund des reinen „U-Lebenslaufes“ und ihres Lebensalters nur schwer und nur nach einer langen Überbrückungszeit ein Anschlussbeschäftigungsverhältnis zu wesentlich schlechteren Konditionen erhalten würden. Einen Rückkehranspruch sonstiger Arbeitnehmer zur Deutschen U AG gebe es hingegen nicht. Sie wisse lediglich, dass es vier Arbeitnehmer gebe, die sich ihre Beschäftigung bei der Deutschen U AG nach ihrem Ausscheiden bei ihr vor einigen Jahren in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten erstritten hätten. Welche Arbeitsverhältnisse bei der Deutschen U AG ordnungsgemäß beendet worden seien, welche aufgrund von Betriebsübergängen bzw. Verschmelzungen/Umwandlung von verschiedenen Gesellschaften des U-Konzerns kraft Gesetzes auf die W Technical Services GmbH bzw. ihre Vorgängergesellschaften übergegangen seien und welche Arbeitsverhältnisse vor diesem Hintergrund mit der Deutschen U AG möglicherweise als ruhendes Arbeitsverhältnis fortbestünden, entziehe sich ihrer Kenntnis. Die Betriebsparteien seien typisierend und pauschalierend davon ausgegangen, dass alle Arbeitnehmer bis auf die beurlaubten Beamten gleichermaßen von Arbeitslosigkeit bedroht seien. Es habe lediglich die Chance für einzelne Arbeitnehmer bestanden, die eigene Situation zu verbessern, indem sie z. B. aufgrund eigener Bemühungen unmittelbar eine Anschlussbeschäftigung finden oder erfolgreich Rechtsansprüche gegen frühere Arbeitgeber geltend machen. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Deutschen U AG sei sie davon ausgegangen, dass die Deutsche U AG freiwillig keine Mitarbeiter einstellen würde, sondern jeden Einzelfall gerichtlich überprüfen lassen würde.
33Durch die Betriebsvereinbarung Sonderprämie hätten die Betriebspartner besonders belohnen wollen, wenn die von Arbeitslosigkeit betroffenen Mitarbeiter ihr Interesse am Betriebsfrieden respektieren würden. Bei beurlaubten Beamten seien die Betriebsparteien davon ausgegangen, dass an der Erhebung einer Kündigungsschutzklage aufgrund der gesicherten Rückkehrmöglichkeit zur Deutschen U AG kaum Interesse bestünde und deshalb ein Verzicht auf eine Erhebung der Kündigungsschutzklage keine besondere Honorierung verdiene.
34Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils sei auszuschließen, da sie bei ihr zu einem nicht zu ersetzenden Nachteil führe. Sie benötige nach wie vor freiwillige Kapitaleinzahlungen ihrer Muttergesellschaft zur Deckung ihrer Kosten. Bei einer Zwangsvollstreckung der Urteile müsse sie voraussichtlich Insolvenz anmelden.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
36E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
37I.
38Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf eine Sonderzahlung in Höhe von 4.346,- € brutto. Im Übrigen war die Klage abzuweisen. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Sozialplanabfindung besteht nicht. Auch der insoweit zur Entscheidung angefallene Hilfsantrag war abzuweisen.
391. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung einer Sonderprämie in Höhe von 4.346,00 € brutto aus Ziff. 2.1 Betriebsvereinbarung Sonderprämie vom 29.04.2013 i.V.m. dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 S. BetrVG.
40Zwar ist die Betriebsvereinbarung Sonderprämie nach Ziff. 1 nicht auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbar, da nach Ziff. 1, erster Spiegelpunkt nur die unter den Geltungsbereich des Sozialplans vom 29.04.2013 fallenden Arbeitsverhältnisse auch unter den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Sonderprämie fallen. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf hier jedoch die Frage, ob die nach Ziff. 1.2 des Sozialplans erfolgte Ausnahme der beurlaubten Beamten – zu denen auch der Kläger gehört – aus dem Geltungsbereich des Sozialplans wirksam ist. Denn jedenfalls im Hinblick auf die Betriebsvereinbarung Sonderprämie verstößt die Ausschlussklausel gegen Recht und Billigkeit und ist deshalb unwirksam.
41a) Die Betriebsparteien haben bei Betriebsvereinbarungen, in denen sie die Verteilung von Leistungen regeln, gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG die Grundsätze von Recht und Billigkeit zu beachten. Dazu gehört insbesondere der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Dieser ist Ausdruck des Gerechtigkeitsgedanken im Grundgesetz und fundamentales Rechtsprinzip (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.05.1988 – 1 BvL 22/85 – NJW 1988, 3258). Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicher zu stellen und eine gleichheitswidrige Regelung auszuschließen (vgl. BAG, Urteil vom 27.05.2004, 6 AZR 129/03, EZA Art. 3 GG Nr. 101). Er kommt insbesondere zur Anwendung, wenn die Betriebsparteien bei einer Regelung unterschiedliche Gruppen bilden. Eine Gruppenbildung kann nicht nur dadurch erfolgen, dass für vermeintliche Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Rechtsfolgen vorgesehen werden oder eine bestimmte Gruppe von einer Regelung ausdrücklich ausgenommen wird. Vielmehr werden unterschiedliche Gruppen auch dann gebildet, wenn eine Regelung nur für eine Arbeitnehmergruppe getroffen wird und für eine andere unterbleibt (BAG, Urteil vom 22.03.2005, 1 AZR 49/04, EZA § 75 BetrVG 2001 Nr. 2).
42Sind für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Rechtsfolgen – insbesondere unterschiedliche Leistungen – vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Unterschiedlichkeit sachlich gerechtfertigt ist. Dabei verstößt eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung erst dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger Grund für die Differenzierung nicht finden lässt. Dagegen ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen kein Unterschied von solcher Art und solchem Gewicht besteht, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BAG, Urteil vom 22.03.2005, 1 AZR 49/04, a.a.O; Urteil vom 27.05.2004, 6 AZR 129/03, a.a.O.). Die Übergänge zwischen sachverhaltsbezogenen und personenbezogenen Differenzierungen sind bisweilen fließend. Insbesondere kann eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten unmittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirken (BAG, Urteil vom 22.03.2005, 1 AZR 49/04, a.a.O.).
43Maßgeblich für das Vorliegen eines hinreichenden Sachgrunds ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG, Urteil vom 07.06.2011, 1 AZR 34/10, EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 45; Urteil vom 19.03.2002, 2 AZR 229/01, juris). Unter dessen Berücksichtigung müssen die Merkmale, an welche die Gruppenbildung anknüpft, die Differenzierung bei den Rechtsfolgen rechtfertigen. Die Betriebsparteien haben ebenso wie andere Normgeber einen Beurteilungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen und Folgen der von ihnen gesetzten Regelungen.
44b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Ausnahme der sogenannten beurlaubten Beamten aus dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Sonderprämie sachwidrig und deshalb unwirksam.
45Ausweislich der Präambel der Betriebsvereinbarung sollte durch die dort aufgeführten Leistungen honoriert werden, dass Arbeitnehmer das Bedürfnis der Beklagten nach Planungssicherheit berücksichtigen, indem sie keine Klagen gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erheben oder innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist einen Abwicklungsvertrag mit der Beklagten abschließen. Zudem soll honoriert werden, wenn die Mitarbeiter alle überlassenen Arbeitsmittel vor Austritt bei der Beklagten nachweisbar an diese zurückgeben. Der Regelungszweck ist mithin nicht auf die Interessen der Beschäftigten, sondern auf die Interessen der Beklagten ausgerichtet. Die Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten soll durch die Sonderprämie honoriert werden.
46Gemessen an diesem Regelungszweck ist die Differenzierung zwischen beurlaubten Beamten und sonstigen Arbeitnehmern sachlich nicht gerechtfertigt. Auch die beurlaubten Beamten stehen zur Beklagten in einem „normalen“ Arbeitsverhältnis. Auch für sie gelten die kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften. Wie auch alle übrigen Beschäftigten können die beurlaubten Beamten die Rechtmäßigkeit einer ihnen gegenüber ausgesprochenen Kündigung durch die Arbeitsgerichte überprüfen lassen. Auch sie können, wie alle übrigen Arbeitnehmer auch, überlassene Arbeitsmittel beim Austritt faktisch zurückhalten und somit eine Abwicklung des Arbeitsverhältnisses verzögern. Soweit die Beklagte meint, beurlaubte Beamte hätten aufgrund ihrer sozialen Absicherung durch das Beamtenverhältnis kaum ein Interesse an einer Kündigungsschutzklage, verfängt dieses Argument nicht. Die Betriebsparteien haben in der Präambel des Sozialplans vom 29.04.2013 ausdrücklich anerkannt, dass auch beurlaubten Beamten wirtschaftliche Nachteile durch die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses drohen. Daraus folgt zwangsläufig, dass auch beurlaubte Beamte nicht nur ein ideelles, sondern auch ein wirtschaftliches Interesse an einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Kündigung haben. Unter Berücksichtigung des Regelungszweckes der Betriebsvereinbarung Sonderprämie ist ein beurlaubter Beamter mithin in der gleichen Situation wie ein normaler Arbeitnehmer der Beklagten, der von Kündigung betroffen ist. Die Differenzierung zwischen beurlaubten Beamten und übrigen Arbeitnehmern ist deshalb bereits ungeeignet, dem Regelungszweck der Betriebsvereinbarung Geltung zu verschaffen. Gerichtsbekannt haben eine Reihe der beurlaubten Beamten der Beklagten gegen die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses Klage vor den Arbeitsgerichten erhoben. Sie haben damit in gleicher Weise wie „normale“ Arbeitnehmer zur Rechtsunsicherheit bei der Beklagten beigetragen.
47c) Da der Kläger nach alledem nicht wirksam aus dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Sonderprämie herausgenommen ist, hat er Anspruch auf Zahlung der Sonderprämie gemäß Ziffer 2. der Betriebsvereinbarung. Er hat gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2013 - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - keine Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat des weiteren vorgetragen, dass er die Arbeitsmittel inzwischen vollständig zurückgegeben haben. Diesen Vortrag hat die Beklagte nicht bestritten und daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden.
482. Die weitergehende Zahlungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Sozialplanabfindung in Höhe von 30.912,67 € brutto aus § 611 BGB i.V.m. Ziff. 3 des Sozialplans vom 29.04.2013.
49a) Der Kläger fällt als beurlaubter Beamter nicht in den in Ziff. 1 des Sozialplans geregelten Geltungsbereich des Sozialplans. Nach Ziff. 1.1 des Sozialplans gilt dieser für alle Mitarbeiter der Beklagten an allen Standorten in der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie von den personalen Maßnahmen infolge der Betriebsstilllegung gemäß des Interessenausgleichs vom 29.04.2013 betroffen sind oder betroffen sein werden. Gleichzeitig sind jedoch nach Ziff. 1.2 des Sozialplans sogenannte beurlaubte Beamte von dem Geltungsbereich ausdrücklich ausgenommen.
50Unstreitig ist der Kläger von den personellen Maßnahmen infolge der Betriebsstilllegung betroffen. Ebenso unstreitig ist der Kläger jedoch Beamter der Bundesrepublik Deutschland, der für die Beschäftigung bei der Beklagten nach § 13 Abs. 1 SUrlV beurlaubt ist.
51b) Der von dem Kläger verfolgte Abfindungsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG.
52aa) Die Betriebsparteien haben bei dem Abschluss von Betriebsvereinbarungen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Er zielt darauf ab, die Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicher zu stellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung erfolgte Zweck (BAG, Urteil vom 07.06.2011 – 1 AZR 34/10 – EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 45; Urteil vom 14.12.2010 – 1 AZR 279/09 – EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 39; Urteil vom 18.05.2010 – 1 AZR 187/09 – EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 38).
53Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen gem. § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die dem Arbeitnehmer durch die Betriebsänderung entstehen können (BAG, Urteil vom 07.06.2011 – 1 AZR 34/10 – a.a.O., Urteil vom 18.05.2010 – 1 AZR 187/09 – a.a.O.). Die Sozialplanleistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar (BAG, Urteil vom 26.05.2009 – 1 AZR 198/08 – EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 31). Hiervon ausgehend sind nicht alle Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung verloren haben, bereits aus diesem Grunde in einer vergleichbaren Situation. Die Vergleichbarkeit bestimmt sich vielmehr nach der zukunftsbezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplans. Dementsprechend kommt es darauf an, ob sich der Kläger und die vom Sozialplan begünstigten Arbeitnehmer in Bezug auf ihre durch die Betriebsstilllegung verursachten wirtschaftlichen Nachteile in einer vergleichbaren Situation befinden (vgl. BAG, Urteil vom 07.06.2011 – 1 AZR 34/10 – a.a.O.).
54Die zukunftsbezogene Ausgleichsfunktion von Sozialplänen eröffnet den Betriebsparteien Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume (BAG, Urteil vom 11.11.2008 – 1 AZR 475/07 – EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 30; Urteil vom 06.11.2007 – 1 AZR 960/06 – EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 25). Ein Beurteilungsspielraum besteht hinsichtlich der den Arbeitnehmer durch die Betriebsänderung voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Nachteile. Ein Gestaltungsspielraum besteht beim Ausgleich oder der Abmilderung der von ihnen prognostizierten Nachteile.
55Der Beurteilungsspielraum betrifft die tatsächliche Einschätzung der mit der Betriebsänderung für die Arbeitnehmer verbundenen wirtschaftlichen Folgen. Diese lassen sich regelmäßig nicht in allen Einzelheiten sicher vorhersagen, sondern können nur Gegenstand einer Prognose sein. Bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen hängen die Chancen der einzelnen Arbeitnehmer überhaupt oder in absehbarer Zeit einen gleichwertigen neuen Arbeitsplatz zu finden, von einer Vielzahl subjektiver und objektiver Umstände ab und lassen sich nicht qualifizieren. Da Sozialpläne in der Regel schon vor der Betriebsänderung geschlossen werden sollen, ist es unumgänglich, den Betriebsparteien bei der Einschätzung der wirtschaftlichen Nachteile einen erheblichen Beurteilungsspielraum einzuräumen. Dieser gestattet eine pauschalisierende und typisierende Betrachtung (BAG, Urteil vom 11.11.2008 – 1 AZR 475/07 – a.a.O.; Beschluss vom 24.08.2004 – 1 ABR 23/03 – EZA § 112 BetrVG 2001 Nr. 12). Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und die gesetzlichen Diskriminierungsverbote sind bei der Einschätzung der dem Arbeitnehmer entstehenden wirtschaftlichen Nachteile unbeachtlich. Es handelt sich insoweit um eine tatsächliche Beurteilung, nicht um normative Gestaltung. Die Betriebsparteien dürfen deshalb bei der Abschätzung der dem Arbeitnehmer aus der Betriebsänderung entstehenden Nachteile auch berücksichtigen, ob diese bei bestimmten Personengruppen schon durch anderweitige, z. B. sozialversicherungsrechtliche Ansprüche abgemildert werden. Die Betriebsparteien schaffen diese Privilegierung nicht, sondern finden sie vor und können sie nach der gesetzlichen Konzeption des § 112 BetrVG in der Sozialplangestaltung auch zugrunde legen (vgl. BAG, Urteil vom 11.11.2008 – 1 AZR 475/07 – a.a.O.).
56bb) Die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Herne hat in ihrer Entscheidung vom 09.10.2013, Az. 5 Ca 1435/13 dazu ausgeführt, dass die Herausnahme der beurlaubten Beamten aus dem Geltungsbereich des Sozialplans vom 29.04.2013 gemessen an diesen Grundsätzen nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Bei der gebotenen typisierten Betrachtung hätten die Betriebsparteien davon ausgehen dürfen, dass Arbeitnehmer, die zeitgleich in einem ruhenden Beamtenverhältnis zu Bundesrepublik Deutschland stehen, durch die geplante Betriebsstilllegung keine oder sehr viel geringere wirtschaftlichen Nachteile drohten als anderen Arbeitnehmern, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Bei den sogenannten beurlaubten Beamten lebe das Beamtenverhältnis unmittelbar mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten wieder auf. Die wirtschaftliche Zukunft der beurlaubten Beamten sei durch das Beamtenverhältnis sicher gestellt. Gerade dies ist auch nach Auffassung der erkennenden Kammer – die sich im Übrigen den Erwägungen der 5. Kammer vollumfänglich anschließt - der entscheidende Aspekt. Durch den Beamtenstatus ist die wirtschaftliche Zukunft der Betroffenen um ein vielfach höheres Maß abgesichert als bei angestellten Mitarbeitern.
57Eine sachwidrige Ungleichbehandlung liegt auch nicht im Verhältnis zu den Beschäftigten der Beklagten vor, die zeitlich in einem ruhenden Arbeitsverhältnis zur Deutschen U AG stehen. Denn auch diese sind mit den Beamten bei einer zukunftsbezogenen Betrachtung nicht vergleichbar. Das Rückkehrrecht der Beamten ist nach der Sonderurlaubsverordnung und dem Postpersonalrechtsgesetz klar geregelt und wird von der Deutschen U AG naturgemäß nicht in Zweifel gezogen. Demgegenüber ist bei den übrigen Angestellten der Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses zur Deutschen U AG von individuellen und im Einzelfall unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig. So wie insbesondere die zitierte Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte zeige, hängt ein mögliches Rückkehrrecht der Angestellten nicht allein davon ab, ob vormals ein dreiseitiger Vertrag zwischen den Angestellten, der Deutschen U AG und der W Technical Service GmbH zustande gekommen ist, sondern insbesondere auch davon, ob der jeweilige Angestellte mögliche Ansprüche gegen die Deutsche U AG zwischenzeitlich verwirkt hat oder nicht. Zumindest mussten die Betriebsparteien jedenfalls bei Abschluss des Sozialplans am 29.04.2013 noch davon ausgehen, dass Angestellte mögliche Ansprüche gegenüber der Deutschen U AG gerichtlich geltend machen müssen. Auch wenn man unterstellen würde, dass eine solche gerichtliche Geltendmachung stets erfolgreich wäre, würde allein ein solches Verfahren eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Belastung für den Arbeitnehmer darstellen. Auch insofern war es nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht sachwidrig bzw. hielt sich noch in den Grenzen des Beurteilungsspielraums der Betriebsparteien, dass die Angestellten mit einem möglichen arbeitsvertraglichen Rückkehrrecht zur Deutschen U AG nicht von dem Sozialplan ausgenommen wurden.
58Die Herausnahme der Beamten aus dem Geltungsbereich des Sozialplans ist nach alledem nicht sachwidrig.
593. Das – wie soeben unter Ziffer 2. dargelegt - die Herausnahme der Beamten aus dem Sozialplan vom 29.04.2013 nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht rechtswidrig war, hat auch der hilfsweise gestellte und nur in Bezug auf die Herausnahme aus dem Sozialplan zur Entscheidung durch die Kammer angefallene Feststellungsantrag (Klageantrag zu 2)) keinen Erfolg.
60II.
61Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Die Kosten des Rechtsstreits waren den Parteien nach dem Verhältnis ihres jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens aufzuerlegen.
62Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ff. ZPO. Zugrunde gelegt wurde der Wert der bezifferten Zahlungsanträge; für den Feststellungsantrag [Klageantrag zu 2)] wurde ein Wert von 2.500,00 € angenommen.
63Der Antrag auf Ausschließung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils war zurückzuweisen. Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift hat das Arbeitsgericht auf Antrag der beklagte Partei die vorläufige Vollstreckbarkeit im Urteil auszuschließen, wenn diese glaubhaft macht, dass die Vollstreckung des Titels ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Ein nicht zu ersetzender Nachteil liegt dann vor, wenn der die Vollstreckung betreibende Gläubiger nicht in der Lage ist, den Schaden mit Geld oder auf andere Weise bei späterem Wegfall des Vollstreckungstitels auszugleichen, dem Schuldner also ein erheblicher Schaden droht. Dies ist bei Zahlungstitel etwa dann der Fall, wenn Vermögenslosigkeit des Vollstreckungsgläubigers gegeben ist (vgl. dazu im einzelnen: Germelmann, in: Germelmann/Mathhes/Prütting, ArbGG, 8. Aufl. 2013, § 62 ArbGG Rz. 18 ff. m.w.N.). Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrags keinerlei Gründe dargelegt, die auf entsprechende Umstände bei dem Kläger hindeuten könnten. Sie hat lediglich vorgetragen, dass sie zur Kostendeckung freiwillige Kapitaleinlagen ihrer Muttergesellschaft benötige und sie bei einer Vollstreckung der Urteile ggfs. Insolvenz anmelden müsse. Darin liegt aber gerade kein nicht zu ersetzender Nachteil im Sinne des § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG.
(1) Urteile der Arbeitsgerichte, gegen die Einspruch oder Berufung zulässig ist, sind vorläufig vollstreckbar. Macht der Beklagte glaubhaft, daß die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, so hat das Arbeitsgericht auf seinen Antrag die vorläufige Vollstreckbarkeit im Urteil auszuschließen. In den Fällen des § 707 Abs. 1 und des § 719 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung kann die Zwangsvollstreckung nur unter derselben Voraussetzung eingestellt werden. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach Satz 3 erfolgt ohne Sicherheitsleistung. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss.
(2) Im übrigen finden auf die Zwangsvollstreckung einschließlich des Arrests und der einstweiligen Verfügung die Vorschriften des Achten Buchs der Zivilprozeßordnung Anwendung. Die Entscheidung über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung kann in dringenden Fällen, auch dann, wenn der Antrag zurückzuweisen ist, ohne mündliche Verhandlung ergehen. Eine in das Schutzschriftenregister nach § 945a Absatz 1 der Zivilprozessordnung eingestellte Schutzschrift gilt auch als bei allen Arbeitsgerichten der Länder eingereicht.
(1) Um Entlassungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu vermeiden und ihre Vermittlungsaussichten zu verbessern, haben diese Anspruch auf Kurzarbeitergeld zur Förderung der Eingliederung bei betrieblichen Restrukturierungen (Transferkurzarbeitergeld), wenn
- 1.
und solange sie von einem dauerhaften nicht vermeidbaren Arbeitsausfall mit Entgeltausfall betroffen sind, - 2.
die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind, - 3.
die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind, - 4.
sich die Betriebsparteien im Vorfeld der Entscheidung über die Inanspruchnahme von Transferkurzarbeitergeld, insbesondere im Rahmen ihrer Verhandlungen über einen die Integration der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fördernden Interessenausgleich oder Sozialplan nach § 112 des Betriebsverfassungsgesetzes, von der Agentur für Arbeit beraten lassen haben und - 5.
der dauerhafte Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist.
(2) Ein dauerhafter Arbeitsausfall liegt vor, wenn auf Grund einer Betriebsänderung im Sinne des § 110 Absatz 1 Satz 3 die Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend entfallen. Der Entgeltausfall kann auch jeweils 100 Prozent des monatlichen Bruttoentgelts betragen.
(3) Die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld sind erfüllt, wenn
- 1.
in einem Betrieb Personalanpassungsmaßnahmen auf Grund einer Betriebsänderung durchgeführt werden, - 2.
die von Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst werden, um Entlassungen zu vermeiden und ihre Eingliederungschancen zu verbessern, - 3.
die Organisation und Mittelausstattung der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit den angestrebten Integrationserfolg erwarten lassen und - 4.
ein System zur Sicherung der Qualität angewendet wird.
(4) Die persönlichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
- 1.
von Arbeitslosigkeit bedroht ist, - 2.
nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzt oder im Anschluss an die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses aufnimmt, - 3.
nicht vom Kurzarbeitergeldbezug ausgeschlossen ist und - 4.
vor der Überleitung in die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit aus Anlass der Betriebsänderung - a)
sich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend meldet und - b)
an einer arbeitsmarktlich zweckmäßigen Maßnahme zur Feststellung der Eingliederungsaussichten teilgenommen hat; können in berechtigten Ausnahmefällen trotz Mithilfe der Agentur für Arbeit die notwendigen Feststellungsmaßnahmen nicht rechtzeitig durchgeführt werden, sind diese im unmittelbaren Anschluss an die Überleitung innerhalb eines Monats nachzuholen.
(5) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus, denen Anpassungsgeld nach § 5 des Steinkohlefinanzierungsgesetzes gezahlt werden kann, haben vor der Inanspruchnahme des Anpassungsgeldes Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld.
(6) Für die Anzeige des Arbeitsausfalls gilt § 99 Absatz 1, 2 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend. Der Arbeitsausfall ist bei der Agentur für Arbeit anzuzeigen, in deren Bezirk der personalabgebende Betrieb seinen Sitz hat.
(7) Während des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld hat der Arbeitgeber den geförderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten. Stellt der Arbeitgeber oder die Agentur für Arbeit fest, dass Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer Qualifizierungsdefizite aufweisen, soll der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten anbieten. Als geeignet gelten insbesondere
- 1.
Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung, für die und für deren Träger eine Zulassung nach dem Fünften Kapitel vorliegt, oder - 2.
eine zeitlich begrenzte, längstens sechs Monate dauernde Beschäftigung zum Zwecke der Qualifizierung bei einem anderen Arbeitgeber.
(8) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur vorübergehend in der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst werden, um anschließend einen anderen Arbeitsplatz in dem gleichen oder einem anderen Betrieb des Unternehmens zu besetzen, oder, falls das Unternehmen einem Konzern angehört, einen Arbeitsplatz in einem Betrieb eines anderen Konzernunternehmens des Konzerns zu besetzen. § 110 Absatz 3 Satz 3 gilt entsprechend.
(9) Soweit nichts Abweichendes geregelt ist, sind die für das Kurzarbeitergeld geltenden Vorschriften des Ersten Unterabschnitts anzuwenden, mit Ausnahme der ersten beiden Titel und des § 109.
(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.
(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.
Tenor
-
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgericht Köln vom 12. Januar 2012 - 7 Sa 723/11 - wird zurückgewiesen.
-
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Höhe der Betriebsrente des Klägers und in diesem Zusammenhang insbesondere über die Folgen der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003.
- 2
-
Der im Juli 1948 geborene, schwerbehinderte Kläger war vom 1. Juli 1970 bis zum 31. Dezember 2003 bei verschiedenen Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, zuletzt bei der A S AG, als Firmenberater beschäftigt. Die A S AG wurde im Jahr 2010 auf die jetzige Beklagte, die A K AG, verschmolzen.
- 3
-
Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers fand die „Regelung der betrieblichen Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung der Mitarbeiter, deren Arbeits- oder Ausbildungsvertrag bis zum 31.12.83 begonnen hat und für die die Ruhegeldordnung (RGO) nicht maßgebend ist“ (Versorgungswerk der C Versicherung AG und der C Lebensversicherung AG, im Folgenden: C Versorgungswerk - CVW), Anwendung. Diese Betriebsvereinbarung bestimmt auszugsweise:
-
„2.
Arten der Leistungen
2.1
Altersruhegeld
…
3.
Leistungsvoraussetzungen, anrechnungsfähige Dienstzeiten und Beendigung des Arbeitsverhältnisses
…
3.2
Als anrechnungsfähige Dienstzeit für die Berechnung der Leistungen gilt die Zeit, die der Ruhegeldberechtigte nach Vollendung des 20. Lebensjahres ununterbrochen bei der Gesellschaft verbracht hat.
…
3.3
Endet das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles, so entfallen Ansprüche auf Leistungen nach Ziffer 2, soweit sie nicht nach dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) unverfallbar sind. …
4.
Ruhegeldfähiges Einkommen
4.1
Als ruhegeldfähiges Einkommen gilt der zwölfte Teil der Bruttogehälter einschließlich tariflich vereinbarter Sonderzahlungen, die der Ruhegeldberechtigte in den letzten zwölf Monaten vor Eintritt des Versorgungsfalles bezogen hat.
…
4.5
Als ruhegeldfähiges Einkommen gilt höchstens das 1,5-fache der jeweils gültigen Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für Angestellte.
5.
Höhe des Ruhegeldes
5.1
Nach zehnjähriger Wartezeit beträgt das Ruhegeld für alle Ruhegeldberechtigten 10% des ruhegeldfähigen Einkommens. Für jedes weitere nach der Wartezeit vollendete Dienstjahr, höchstens für weitere 25 Dienstjahre, steigert sich das Ruhegeld um 0,4% des ruhegeldfähigen Einkommens. Liegt das ruhegeldfähige Einkommen bei Eintritt des Versorgungsfalles über der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für Angestellte, so erhöht sich der Steigerungssatz für den Teil des Einkommens, der über dieser Grenze liegt, auf 1,6%.
…
6.
Beginn und Dauer der Leistungen nach Ziffer 2.1 und 2.2
6.1
Der Ruhegeldanspruch entsteht mit dem Versorgungsfall. Die Zahlung des Ruhegeldes wird monatlich nachträglich von dem Monat an gewährt, der auf den Eintritt des Versorgungsfalles folgt, letztmals für den Sterbemonat.
…
7.
Altersruhegeld
7.1
Altersruhegeld wird dem Ruhegeldberechtigten gezahlt, der das 65. Lebensjahr vollendet hat.
7.2
Bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Altersruhegeld, das sind Pensionierungen vor Vollendung des 65. Lebensjahres, wird der bis dahin erreichte Ruhegeldanspruch wegen der damit verbundenen längeren Zahlungsdauer wie folgt gekürzt:
Die Abzinsung je Monat der vorzeitigen Pensionierung wegen Alters beträgt 0,30% bis zu 25 anrechnungsfähigen Dienstjahren. Ab dem 26. Dienstjahr bis zur Vollendung des 35. Dienstjahres verringert sich dieser Satz jährlich um 0,01%, ab dem 36. Dienstjahr um 0,02% für jedes weitere Dienstjahr bis zur Vollendung des 39. Dienstjahres, so daß ab dem 40. Dienstjahr eine Kürzung von 0,10% verbleibt.
…
Für Schwerbehinderte im Sinne des Schwerbehindertengesetzes werden die halben Abzinsungssätze angewendet, jedoch mindestens 0,10% pro Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme des Altersruhegeldes.“
- 4
-
Am 18. Dezember 2001 schlossen der Vorstand der A K AG, zugleich ua. für die A S AG, und der Konzernbetriebsrat der A K AG, ua. zugleich für den Gesamtbetriebsrat der A S AG, einen Rahmensozialplan. Dieser enthält ua. folgende Regelungen:
-
„II.
Maßnahmen zur Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen
…
7.1.
Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses für ältere Mitarbeiter (55er-Modell).
7.2.
Die Arbeitgeber können Mitarbeitern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, nach Maßgabe der nachfolgenden Regelungen eine Ausscheidensregelung anbieten. Ein Rechtsanspruch auf Abschluß einer derartigen Vereinbarung besteht nur, wenn dafür die unter II.9. genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Für das 55er-Modell gilt folgende Regelung:
7.2.1.
Der Mitarbeiter erhält mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für jeden Monat vom Ende des Arbeitsverhältnisses bis zum Beginn des frühestmöglichen gesetzlichen Rentenanspruchs (Überbrückungszeitraum) die folgenden Leistungen als Abfindung, die sich wie folgt zusammensetzt:
-
Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld, auf das der Mitarbeiter bei Beginn der Arbeitslosmeldung Anspruch hätte und 90% des Netto-Bezugs des letzten Monats,
-
Beiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Anteile) zur Kranken- und Pflegeversicherung für Zeiten innerhalb des Überbrückungszeitraums, in dem kein gesetzlicher Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz besteht,
-
Beiträge (AG- und AN-Anteile) zur gesetzlichen Rentenversicherung auf der Basis von 90% des Bruttomonatsbezuges, bei Gehältern über der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) auf der Basis von maximal 90% der BBG für Zeiten innerhalb des Überbrückungszeitraumes, in denen keine Anrechnungs- und/oder Beitragszeit vorliegt, sofern es sich nicht um Zeiten handelt, für die eine Arbeitslosenhilfe abgelehnt wurde. Für Zeiten, in denen Arbeitslosenhilfe beantragt und wegen fehlender Voraussetzungen abgelehnt wurde, werden die Rentenversicherungsbeiträge auf Basis von 80% des vorgenannten Brutto-Monatsbezuges vergütet.
…
7.12.1.
Mitarbeiter mit Anwartschaft auf eine Betriebsrente
Die Netto-Differenz zwischen der gesetzlichen Rente ohne Abschlag und der gesetzlichen Rente mit Abschlag einschließlich des jeweiligen betrieblichen Versorgungsbezuges nach IV.17. dieser Vereinbarung wird zu 50% als zusätzlicher monatlicher betrieblicher Versorgungsbezug gezahlt.
…
IV.
Allgemeine Regeln für Aufhebungsverträge und betriebsbedingte Kündigungen
…
17.
Betriebliche Altersversorgung
17.1.
Betriebliche Altersversorgung für ausscheidende Mitarbeiter mit 55er Regelung
17.1.1.
Mitarbeiter mit Anwartschaft auf eine Betriebsrente
Soweit Mitarbeiter die jeweils maßgebende Wartezeit erfüllt haben, behalten ausscheidende Mitarbeiter die zum Zeitpunkt des Ausscheidens erreichte Anwartschaft auf Betriebsrente, die in ihrer Höhe der Erwerbsminderungsrente im Zeitpunkt des Ausscheidens ohne Zurechnungszeiten gemäß der jeweiligen Versorgungsregelung entspricht. Bei Eintritt des Versorgungsfalles wird eine Betriebsrente in dieser Höhe gezahlt. Eine Kürzung wegen vorzeitiger Inanspruchnahme vor dem 65. Lebensjahr entfällt.
Für die Berechnung der Betriebsrentenleistungen werden die Monate vom Ausscheiden bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn (maximal 60 Monate) als versorgungsfähige Dienstjahre berücksichtigt. Diese Monate werden für die Erfüllung der Wartezeit nach vorstehendem Absatz berücksichtigt.“
- 5
-
Im Jahr 2002 führte der Kläger mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten Gespräche über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses auf der Grundlage des Rahmensozialplans. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten erstellte in diesem Zusammenhang am 13. Dezember 2002 eine Berechnung der Versorgungsbezüge im Versorgungsfall „Alter“ bei Vollendung des 65. Lebensjahrs. Diese weist einen Betrag von 1.199,50 Euro monatlich als Ruhegeld aus.
- 6
-
Nach der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung um 500,00 Euro monatlich von 4.600,00 Euro auf 5.100,00 Euro nach § 275c SGB VI zum 1. Januar 2003 erstellte die Rechtsvorgängerin der Beklagten am 7. Februar 2003 eine neue Berechnung der Versorgungsbezüge, die einen monatlichen Betrag von 1.019,80 Euro ausweist.
- 7
-
Unter dem 7./24. März 2003 schlossen der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Aufhebungsvertrag. Dieser bestimmt auszugsweise:
-
„…
wir vereinbaren mit diesem Vertrag, dass das bestehende Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen zum 31.12.2003 endet.
Die Vertragsaufhebung wurde von uns aus betriebsbedingten Gründen veranlaßt. Für diese Aufhebungsvereinbarung gilt der Rahmensozialplan vom 19.12.2001.
…
Das betriebliche Ruhegeld beträgt gemäß Ihrer Versorgungsregelung zuzüglich Ausgleich Rentenabschlag entsprechend Sozialplan brutto 1.178,90 Euro monatl. und wird bei Eintritt des Versorgungsfalles gezahlt.
Der Versorgungsbezug und der Ausgleich für den Rentenabschlag ist mit den heute gültigen Bemessungsgrundlagen berechnet worden. Ändern sich diese bis zum Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses, wird der Versorgungsbezug neu berechnet.“
- 8
-
Der Betrag von 1.178,90 Euro setzt sich zusammen aus dem betrieblichen Ruhegeld iHv. 1.019,80 Euro und dem Ausgleich Rentenabschlag nach II. Nr. 7.12.1. Rahmensozialplan iHv. 159,10 Euro. Das letzte ruhegeldfähige Einkommen des Klägers im Dezember 2003, dem Monat vor seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, belief sich auf gerundet 5.099,00 Euro.
- 9
-
Am 5. Februar 2004 verständigten sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten und der bei ihr bestehende Gesamtbetriebsrat auf eine Regelung zum „Ausgleich bzw. Milderung von Nachteilen, die aus der Erhöhung der BBG von 4500€ auf 5100€ zum 1.1.2003 bei Betriebsrenten nach dem CVW oder der NO AV eingetreten sind“ (im Folgenden: Regelungsabrede). Diese Regelungsabrede bestimmt auszugsweise:
-
„1.
Sonderregelung für Mitarbeiter, die im Rahmen des Sozialplanes in 2002 oder früher einen Aufhebungsvertrag unterschrieben haben und in 2003 oder später ausgeschieden sind bzw. ausscheiden und deren ruhegeldfähiges Einkommen zum 1.1.2003 höher als 4600€ war:
Ausgleich: Es werden zwei Vergleichsberechnungen mit einer BBG von 4600€ und von 5100€ durchgeführt. Der hieraus resultierende Differenzbetrag wird zu 100% der tatsächlichen Betriebsrente hinzugerechnet.
2.
Mitarbeiter, Altersteilzeitler, die in 2003, 2004 oder in 2005 ausgeschieden sind bzw. ausscheiden und unmittelbar nach Austritt in Rente gegangen sind bzw. gehen und deren ruhegeldfähiges Einkommen zum 1.1.2003 höher als 4600€ war:
Ausgleich: Es werden zwei Vergleichsberechnungen mit einer BBG von 4600€ und von 5100€ durchgeführt. Der hieraus resultierende Differenzbetrag wird:
-
bei Austritt in 2003 zu
100%
-
bei Austritt in 2004 zu
75%
-
bei Austritt in 2005 zu
50%
ausgeglichen und der tatsächlichen Betriebsrente hinzugerechnet.
3.
Mitarbeiter, Altersteilzeitler, die nach dem 31.12.2005 ausscheiden, erhalten keinen Ausgleich.
…“
- 10
-
Der Kläger nimmt seit dem 1. August 2008 vorgezogene Altersrente für schwerbehinderte Menschen aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch. Seit diesem Zeitpunkt bezieht er betriebliche Leistungen iHv. zunächst 1.178,90 Euro (1.019,80 Euro Ruhegeld zzgl. 159,10 Euro Rentenausgleich) brutto monatlich, die später angepasst wurden.
- 11
-
Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung einer Ausgangsrente iHv. 1.199,50 Euro brutto monatlich (ohne den Ausgleich für Rentenabschläge iHv. 159,10 Euro) verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, seine Versorgungsregelung sei infolge der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 lückenhaft geworden. Seine Rente sei so zu berechnen, als sei die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 nicht erfolgt. Bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags am 24. März 2003 seien ihm die Auswirkungen der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze auf seine betriebliche Altersversorgung nicht bekannt gewesen. Die zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat getroffene Regelung vom 5. Februar 2004 sei ihrerseits lückenhaft. Sie verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da sie Arbeitnehmer, die Anfang des Jahres 2003 einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben, ohne sachlichen Grund nicht berücksichtige.
- 12
-
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.069,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.385,61 Euro seit dem 20. Juni 2010 und aus weiteren 1.684,26 Euro seit Zustellung der Klageerweiterung zu zahlen.
- 13
-
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
- 14
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
- 15
-
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist nicht begründet. Dem Kläger stehen ab dem 1. August 2008 keine höheren als die von der Beklagten gezahlten Versorgungsleistungen iHv. 1.178,90 Euro monatlich zu.
- 16
-
I. Die Beklagte hat die Versorgungsleistungen des Klägers nach den Bestimmungen des C Versorgungswerks und den im Aufhebungsvertrag und im Rahmensozialplan getroffenen Vereinbarungen - unstreitig - zutreffend berechnet. Für eine davon abweichende Berechnung besteht keine Rechtsgrundlage.
- 17
-
1. Die Regelungen des C Versorgungswerks sind nicht ergänzend dahin auszulegen, dass die Versorgungsleistungen des Klägers so berechnet werden, als wäre die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 nicht erfolgt. Es kann dahinstehen, ob das C Versorgungswerk infolge der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze lückenhaft geworden ist. Eine ergänzende Auslegung scheidet jedenfalls deshalb aus, weil die Betriebsparteien am 5. Februar 2004 eine eigenständige Lückenschließung vorgenommen haben.
- 18
-
a) Zwar hat der Senat in den Urteilen vom 21. April 2009 (- 3 AZR 695/08 - BAGE 130, 214 und - 3 AZR 471/07 -; zur Kritik an diesen Entscheidungen vgl. etwa Böhm/Ulbrich BB 2010, 1341, 1342; Bormann BetrAV 2011, 596, 597 ff.; Cisch/Bleeck BB 2010, 1215, 1219 f.; Diller NZA 2012, 22, 23 ff.; Höfer BetrAVG Stand Oktober 2013 Bd. I ART Rn. 816.4 f.; Hölscher/Janker BetrAV 2010, 141, 142 f.; Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto BetrAVG 5. Aufl. Anh § 1 Rn. 224 a ff.; Weber DB 2010, 1642, 1643 f.) angenommen, Versorgungsordnungen, die für den Teil des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung höhere Versorgungsleistungen vorsehen als für den darunter liegenden Teil (sog. gespaltene Rentenformel), seien durch die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung um 500,00 Euro monatlich nach § 275c SGB VI zum 1. Januar 2003 regelmäßig lückenhaft geworden. Die Regelungslücke sei im Wege ergänzender Auslegung entsprechend dem ursprünglichen Regelungsplan dahin zu schließen, dass die Betriebsrente ohne Berücksichtigung der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze berechnet werde und von dem so errechneten Betrag die Beträge in Abzug zu bringen seien, um die sich die gesetzliche Rente infolge höherer Beitragszahlungen erhöht hat.
- 19
-
Diese Rechtsprechung hat der Senat jedoch mit den Urteilen vom 23. April 2013 (vgl. etwa - 3 AZR 23/11 - und - 3 AZR 475/11 -) zu Versorgungsregelungen in Gesamtzusagen und Tarifverträgen ausdrücklich aufgegeben mit der Begründung, es bestünden mehrere gleichwertige Möglichkeiten zur Schließung einer eventuellen Regelungslücke; unter Anlegung eines objektiv-generalisierenden Maßstabs lasse sich nicht feststellen, für welche Möglichkeit die Parteien bzw. Tarifvertragsparteien sich entschieden hätten, wenn sie die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze vorhergesehen hätten. Dies gilt auch für entsprechende Versorgungsregelungen in Betriebsvereinbarungen (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 952/11 - Rn. 35).
- 20
-
b) Eine ergänzende Auslegung des C Versorgungswerks kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Betriebsparteien eine möglicherweise entstandene Regelungslücke mit der Regelungsabrede vom 5. Februar 2004 zum Ausgleich bzw. zur Abmilderung von Nachteilen, die aus der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze entstanden sind, selbst geschlossen haben. Der Kläger hat danach zwar keinen Ausgleichsanspruch, weil er seinen Aufhebungsvertrag nicht bereits im Jahr 2002 geschlossen hat (vgl. Nr. 1 der Regelungsabrede) und er nicht unmittelbar im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ende des Jahres 2003 in den Ruhestand getreten ist (Nr. 2 der Regelungsabrede). Dies führt aber entgegen seiner Auffassung nicht zu einer Lückenhaftigkeit der Regelungsabrede. Die Betriebsparteien hatten bei der Regelungsabrede alle Arbeitnehmer der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Blick, denn sie haben für Mitarbeiter, die auf der Grundlage des Rahmensozialplans ausgeschieden sind, ebenso eine Regelung getroffen wie für alle sonstigen Mitarbeiter und in Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmer. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Betriebsparteien die Arbeitnehmer, die aufgrund der sog. 55er-Regelung einen Aufhebungsvertrag im Jahr 2003 geschlossen haben, übersehen haben. Sie haben für diesen Personenkreis lediglich kein Bedürfnis für einen Ausgleich der Folgen der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze erkannt.
- 21
-
c) Die Regelungsabrede ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG.
- 22
-
aa) Nach § 75 Abs. 1 BetrVG haben die Betriebsparteien darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Zu diesen Grundsätzen gehört der Gleichbehandlungsgrundsatz, dem der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrunds ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (vgl. etwa BAG 12. November 2013 - 3 AZR 501/12 - Rn. 75; 12. April 2011 - 1 AZR 505/09 - Rn. 15; 18. Mai 2010 - 3 AZR 97/08 - Rn. 27 ff., BAGE 134, 254).
- 23
-
bb) Danach ist der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegend nicht verletzt. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die von den Betriebsparteien in der Regelungsabrede vorgenommene Begünstigung derjenigen Arbeitnehmer, die ihren Aufhebungsvertrag nach der sog. 55er-Regelung bereits im Jahr 2002 abgeschlossen haben, sowie der rentennahen Jahrgänge, die in den Jahren 2003 bis 2005 in den Ruhestand treten und deshalb aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, sachlich gerechtfertigt ist.
- 24
-
(1) Nr. 1 der Regelungsabrede gewährt Vertrauensschutz für Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 2003 auf der Grundlage des Rahmensozialplans nach der sog. 55er-Regelung einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen haben und nach dem 31. Dezember 2002 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, indem ein Ausgleich für die Nachteile der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze geschaffen wurde. Diese Arbeitnehmer hatten den Aufhebungsvertrag im Vertrauen auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Rechtslage abgeschlossen. Sie konnten die spätere „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze zum 1. Januar 2003 nicht vorhersehen und deshalb bei ihrer Entscheidung, ob sie den Aufhebungsvertrag abschließen, nicht berücksichtigen. Sie befinden sich daher nicht in einer vergleichbaren Lage wie diejenigen Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - einen Aufhebungsvertrag auf der Grundlage des Rahmensozialplans erst im Jahr 2003 oder später abgeschlossen haben. Im Jahr 2003 hatte sich die Rechtslage bereits geändert und die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze zum 1. Januar 2003 konnte bei der Entscheidung über den Abschluss des Aufhebungsvertrags berücksichtigt werden. Es bestand daher kein Anlass, für diese Arbeitnehmer aus Gründen des Vertrauensschutzes einen Ausgleich zu schaffen.
- 25
-
(2) Der Kläger kann auch nicht verlangen, mit den durch Nr. 2 der Regelungsabrede begünstigten Arbeitnehmern gleichbehandelt zu werden. Von dieser Regelung werden Arbeitnehmer erfasst, die in den Jahren 2003 bis 2005 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und unmittelbar in den Ruhestand getreten sind. Es handelt sich daher nicht um Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis nach dem Rahmensozialplan aufgrund der sog. 55er-Regelung vorzeitig beendet haben, sondern um Arbeitnehmer, die bis zum Eintritt des Versorgungsfalls betriebstreu geblieben sind. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet es nicht, eine besonders günstige Berechnung der Versorgungsleistungen für Arbeitnehmer, die die Versorgungsleistungen in Anspruch nehmen, nachdem sie bis zum Rentenbeginn betriebstreu gewesen sind, auch Arbeitnehmern zu gewähren, die vorzeitig ausgeschieden sind (vgl. BAG 23. Januar 2001 - 3 AZR 562/99 - zu IV 2 der Gründe). Zudem handelt es sich bei den von Nr. 2 der Regelungsabrede begünstigten Arbeitnehmern um sog. „rentennahe“ Jahrgänge, da sie die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente in den Jahren 2003 bis 2005 erfüllen. Sonderregelungen für rentennahe Jahrgänge sind grundsätzlich zulässig (vgl. etwa BVerfG 17. Dezember 2012 - 1 BvR 488/10, 1 BvR 1047/10 -; 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01, 1 BvL 10/04 - BVerfGE 116, 96; BGH 25. September 2013 - IV ZR 207/11 -; BAG 21. April 2009 - 3 AZR 674/07 - Rn. 40 ff.). Im Hinblick auf den Zweck der Regelung, die Folgen der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze bei solchen Arbeitnehmern abzumildern, die aufgrund der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für den Bereich des Einkommens zwischen 4.600,00 Euro und 5.100,00 Euro in der gesetzlichen Rentenversicherung keine nennenswerten Entgeltpunkte mehr erwerben konnten, weil sie zeitnah in Ruhestand getreten sind, ist es nicht zu beanstanden, dass die Betriebsparteien eine Ausgleichsregelung für drei Jahre geschaffen und spätere Renteneintritte von einem Ausgleich ausgenommen haben. Arbeitnehmer, die erst mehrere Jahre nach der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze Altersrente beziehen, können bei typisierender Betrachtung durch die angehobene Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung weitere Entgeltpunkte erwerben und im Übrigen auf das zu erwartende geringere betriebliche Ruhegeld eher durch Eigenvorsorge reagieren als Arbeitnehmer, die alsbald nach der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in den Ruhestand getreten sind. Zwar mag es auch für Arbeitnehmer, die im Rahmen der sog. 55er-Regelung im Jahr 2003 ausgeschieden sind, aufgrund der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten wenig wahrscheinlich gewesen sein für den von der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze betroffenen Einkommensbereich weitere Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben zu können. Allerdings erhalten sie nach Nr. II. 7.2.1. Rahmensozialplan mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für jeden Monat vom Ende des Arbeitsverhältnisses bis zum frühestmöglichen gesetzlichen Rentenbeginn eine Abfindungsleistung, die ua. die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auf der Basis von 90 vH des Bruttomonatsbezugs umfasst. Dieser Teil der Abfindungsleistung, der dem Arbeitnehmer bereits mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zufließt, soll die fehlenden Rentenversicherungsjahre in der Zeit von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum frühestmöglichen gesetzlichen Rentenbeginn ausgleichen. Mit diesem Betrag konnte noch Eigenvorsorge betrieben werden.
- 26
-
2. Der Kläger kann die von ihm geforderte Berechnung der Versorgungsleistungen auch nicht auf den Aufhebungsvertrag vom 7./24. März 2003 stützen. Der Aufhebungsvertrag ist nicht lückenhaft geworden. Nach dem Aufhebungsvertrag beträgt das betriebliche Ruhegeld zuzüglich des Ausgleichs für den Rentenabschlag 1.178,90 Euro. Dieser Berechnung liegen die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags im März 2003 maßgeblichen Berechnungsgrundlagen zugrunde. Zu diesem Zeitpunkt belief sich die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung auf 5.100,00 Euro monatlich. Da die Parteien in dem Aufhebungsvertrag ausdrücklich auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehende Rechtslage Bezug genommen und sie den Gesamtbetrag der Versorgungsleistungen beziffert haben, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger von der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 und deren Auswirkungen auf die Berechnung seiner Versorgungsleistungen Kenntnis hatte.
- 27
-
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
-
Gräfl
Schlewing
Spinner
Heuser
Busch
Tenor
-
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts München vom 27. März 2012 - 6 TaBV 101/11 - wird zurückgewiesen.
Gründe
- 1
-
A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer betrieblichen Arbeitszeitregelung.
- 2
-
Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen im Bereich der Entwicklung und Herstellung von Luft- und Raumfahrttechnik. Sie ist Mitglied im Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Antragsteller ist der Betriebsrat eines von der beteiligten Arbeitgeberin und den weiteren Beteiligten geführten Gemeinschaftsbetriebs in O.
- 3
-
Nach § 2 Nr. 1 (I) des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie(MTV) beträgt die wöchentliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer grundsätzlich 35 Stunden. Gemäß § 4 Nr. 1 (I) MTV gilt als Mehrarbeit auch die über zehn Stunden täglich hinaus geleistete Arbeitszeit. Mehrarbeit ist nach § 4 Nr. 1 (III) MTV zu vergüten, soweit sie angeordnet oder vom Arbeitgeber gebilligt wurde.
- 4
-
Am 13. Mai 2009 schloss die Arbeitgeberin gemeinsam mit den weiteren Beteiligten und dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit (BV-Arbeitszeit). Nach Nr. 2.2 BV-Arbeitszeit können die Arbeitnehmer Beginn und Ende der Arbeitszeit von Montag bis Freitag innerhalb eines Arbeitszeitrahmens von jeweils 6:30 Uhr bis 21:00 Uhr selbst bestimmen. Die werktägliche Arbeitszeit von zehn Stunden darf nach Nr. 2.3 BV-Arbeitszeit grundsätzlich nicht überschritten werden. Die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer werden auf Gleitzeitkonten erfasst. Dazu ist in Nr. 2.4.1 BV-Arbeitszeit bestimmt:
-
„Bei Über- oder Unterschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit pro Monat wird die Differenz auf die Folgemonate übertragen. Der Gleitzeitrahmen beträgt bis zu +/- 150 Stunden. Trifft der Vorgesetzte keine Anordnung nach 2.4.3, Satz 2, so werden für AT-Mitarbeiter auch Zeitguthaben über + 150 Stunden dem Gleitzeitkonto gutgeschrieben, für tarifliche Mitarbeiter, werden die über 150 Stunden hinausgehenden Stunden entspr. Ziff. 4 dem Freizeitkonto zugeführt. Verbleibt bei AT-Mitarbeitern am 31.12. ein positiver Saldo von mehr als 300 Stunden, so verfällt dieser. Wiedereinsetzen verfallener Gleitzeit ist ausgeschlossen. Der Betriebsrat wird über die verfallene Gleitzeit informiert.“
- 5
-
Für den Ausgleich des Gleitzeitkontos ist nach Nr. 2.4.2 BV-Arbeitszeit jeder Arbeitnehmer selbst verantwortlich. Weiter ist hierzu in Nr. 2.4.3 BV-Arbeitszeit Folgendes geregelt:
-
„Bei einem Stand des Gleitzeitkontos zum Monatsende ab +/- 80 Stunden sollen Führungskraft und Mitarbeiter Maßnahmen vereinbaren, die die Einhaltung der Grenzen von +/- 150 Stunden sicherstellen, wobei Zeit nur durch Zeit ausgeglichen werden kann. Zur Sicherstellung der Gleitzeitgrenzen von -/+ 150 Stunden kann die Führungskraft bei einem Gleitzeitstand von -/+ 100 Stunden Arbeitszeit bei negativem Guthaben oder die Entnahme von Gleitzeit bei positivem Guthaben anordnen.“
- 6
-
Für Mitarbeiter mit tariflichem Arbeitsvertrag wird nach Nr. 4.1 BV-Arbeitszeit zusätzlich zum Gleitzeitkonto ein persönliches Freizeitkonto geführt, auf dem genehmigte und geleistete Mehrarbeitsstunden gutgeschrieben werden.
- 7
-
Am 13. Oktober 2009 unterzeichneten der Betriebsrat und die Personalleitung des Gemeinschaftsbetriebes eine Protokollnotiz zu Nr. 2.3 BV-Arbeitszeit (PN). Darin ist vereinbart:
-
„Die tägliche Arbeitszeit darf gemäß dem Arbeitszeitgesetz 10 Stunden nicht überschreiten. Darüber hinaus geleistete Zeiten, sowie Zeiten außerhalb der Rahmenarbeitszeit sind im Zeiterfassungssystem zu protokollieren, werden aber dort systemseitig gekappt. In Fällen, die als Ausnahmen/Notfälle im Sinne des Gesetzes zu betrachten sind, kann der Mitarbeiter mit schriftlicher Zustimmung seiner Führungskraft sowie Personalbereich und Betriebsrat diese Zeiten seinem Gleitzeitkonto gutschreiben lassen.
Dieses Verfahren gewährleistet einerseits die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes und stellt andererseits sicher, dass dem Mitarbeiter in den o.g. Ausnahmen/Notfällen keine Nachteile entstehen. Die Beteiligung des Betriebsrates ist bei diesem Verfahren sichergestellt.“
- 8
-
In der Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 7. Dezember 2010 wurden auf der Grundlage der PN insgesamt 2.747,51 Arbeitsstunden systemseitig gekappt.
- 9
-
Der Betriebsrat kündigte mit Schreiben vom 1. Februar 2011 die Protokollnotiz sowie in Nr. 2.4.1 BV-Arbeitszeit die Sätze 4 ff. Er hat geltend gemacht, die Kappungsregelungen seien unwirksam. Hierdurch werde unzulässig in vergütungsrechtlich geschützte Positionen der betroffenen Arbeitnehmer eingegriffen.
- 10
-
Der Betriebsrat hat beantragt
-
1.
festzustellen, dass die Regelung von Satz 2 in der Protokollnotiz vom 13. Oktober 2009 zu Ziff. 2.3 der zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin abgeschlossenen Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit vom 13. Mai 2009 mit folgendem Inhalt
„Darüber hinaus geleistete Zeiten, sowie Zeiten außerhalb der Rahmenarbeitszeit sind im Zeiterfassungssystem zu protokollieren, werden aber dort systemseitig gekappt.“
unwirksam ist;
hilfsweise
festzustellen, dass diese Regelung für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, auf die der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie zur Anwendung kommt, unwirksam ist;
hilfsweise
festzustellen, dass diese Regelung durch die Kündigung des Antragstellers vom 1. Februar 2011 ohne Nachwirkung beendet worden ist;
2.
festzustellen, dass die Regelung der Ziff. 2.4.1 Sätze 4, 5 und 6 der zwischen dem Betriebsrat und den weiteren Beteiligten abgeschlossenen Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit vom 13. Mai 2009 mit folgendem Inhalt
„Verbleibt bei AT-Mitarbeitern ein positiver Saldo von mehr als 300 Stunden, so verfällt dieser. Wiedereinsetzen verfallener Gleitzeit ist ausgeschlossen. Der Betriebsrat wird über die verfallene Gleitzeit informiert.“
unwirksam ist;
hilfsweise
festzustellen, dass diese Regelung durch die Kündigung des Antragstellers vom 1. Februar 2011 ohne Nachwirkung beendet worden ist.
- 11
-
Die beteiligten Arbeitgeberinnen haben Antragsabweisung beantragt.
- 12
-
Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt dieser seine Anträge weiter.
- 13
-
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf die begehrten Feststellungen.
- 14
-
I. Das Landesarbeitsgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, neben der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin die weiteren am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgeberinnen E R E GmbH und E I R M GmbH, die ebenso wie die Beteiligte zu 2. auf Arbeitgeberseite die BV-Arbeitszeit abgeschlossen haben, anzuhören.
- 15
-
1. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG sind in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen anzuhören, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen sind. Die ordnungsgemäße Anhörung der Verfahrensbeteiligten ist von Amts wegen noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu prüfen (BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 17/12 - Rn. 11).
- 16
-
2. Die vom Betriebsrat begehrte Entscheidung betrifft auch die weiteren Beteiligten in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung. Sind die Anträge des Betriebsrats begründet, stünde zugleich fest, dass auch die Gleitzeitkonten der unter den Geltungsbereich der BV-Arbeitszeit fallenden Arbeitnehmer der E R E GmbH und E I R M GmbH nicht nach Maßgabe der angegriffenen Regelungen der BV-Arbeitszeit und der Protokollnotiz gekappt werden dürften. Die Einbeziehung dieser Arbeitgeber in das Verfahren ist daher geboten. Einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht bedarf es indes nicht. Der Senat hat die unterbliebene Beteiligung nachgeholt und den betroffenen Arbeitgeberinnen Gelegenheit gegeben, sich zu äußern (vgl. BAG 25. September 2012 - 1 ABR 45/11 - Rn. 18).
- 17
-
II. Die Anträge des Betriebsrats sind unbegründet. Die angegriffenen Vorschriften der BV-Arbeitszeit und der Protokollnotiz sind wirksam. Sie regeln die Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG und nicht deren Vergütung.
- 18
-
1. Der Hauptantrag zu 1. ist in der gebotenen Auslegung zulässig.
- 19
-
a) Nach seinem Wortlaut begehrt der Betriebsrat die Feststellung der Unwirksamkeit der Regelung in Satz 2 PN, wonach unter den dort beschriebenen Voraussetzungen Arbeitsstunden zwar im Zeiterfassungssystem protokolliert, aber systemseitig gekappt werden. Ein solcher Entscheidungsausspruch würde dem Antragsbegehren des Betriebsrats jedoch nicht gerecht. Dieser wendet sich nach seinem gesamten Vorbringen nicht gegen die Protokollierung dieser Arbeitszeiten im Zeiterfassungssystem, sondern allein gegen deren Kappung. Ein am Wortlaut haftendes Antragsverständnis ließe des Weiteren unberücksichtigt, dass in Not- und Ausnahmefällen geleistete Arbeitszeiten nach Satz 3 PN von der Kappungsregelung ausgenommen sind. Nach der Antragsbegründung geht es dem Betriebsrat mit dem Hauptantrag zu 1. jedoch um die Feststellung, dass auch die zehn Stunden werktäglich übersteigende Arbeitszeit sowie die Arbeitszeit außerhalb der Rahmenarbeitszeit auf den Gleitzeitkonten der unter den Geltungsbereich der BV-Arbeitszeit fallenden Arbeitnehmer unabhängig davon gutzuschreiben und zu vergüten ist, ob ein Not- oder Ausnahmetatbestand iSv. Satz 3 PN vorliegt. Für ein solches Antragsverständnis spricht auch, dass Anlass des Rechtsstreits die von der Beteiligten zu 2. nach Satz 2 PN vorgenommene Kappung von insgesamt 2.747,51 in der Zeit vom 1. Januar 2010 bis 7. Dezember 2010 geleisteten Arbeitsstunden war. Dies hält der Betriebsrat wegen des wirtschaftlichen Werts der in dieser Zeit geleisteten Arbeit für unwirksam.
- 20
-
b) Der so ausgelegte Antrag des Betriebsrats ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Er ist auf die Feststellung eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses der Beteiligten gerichtet. Es geht um die Feststellung, dass die Regelung in Satz 2 PN unwirksam ist und die Arbeitgeberinnen deshalb nicht zur Kappung von Arbeitsstunden berechtigt sind. Für diesen Antrag besitzt der Betriebsrat das erforderliche rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung. Diese ist geeignet, einen betriebsverfassungsrechtlichen Konflikt der Beteiligten endgültig beizulegen und weitere Verfahren zwischen ihnen zu vermeiden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Arbeitgeberinnen einem gegen sie ergehenden Feststellungsausspruch nicht nachkommen werden (vgl. auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 13).
- 21
-
2. Der Hauptantrag zu 1. ist unbegründet. Nr. 2.3 BV-Arbeitszeit regelt die Arbeitszeit im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn und nicht die vergütungspflichtige Arbeitszeit. Für die hierauf bezogene PN gilt nichts anderes. Die Kappung von Arbeitsstunden führt dazu, dass die hiervon erfasste Arbeitszeit nicht als nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 iVm. Nr. 3 BetrVG zu verteilende Arbeitszeit behandelt wird. Damit haben die Betriebsparteien berücksichtigt, dass sie die Lage der Arbeitszeit nur innerhalb der gesetzlichen und tarifvertraglichen Grenzen festlegen können. Durch die Kappung wird jedoch nicht in vergütungsrechtlich geschützte Positionen der betroffenen Arbeitnehmer eingegriffen.
- 22
-
a) Die Protokollnotiz ist eine eigenständige normative Regelung iSv. § 77 Abs. 2 BetrVG. Sie ist schriftlich niedergelegt, von den Betriebsparteien unterschrieben und enthält nicht lediglich Hinweise auf deren Motive bei Abschluss der BV-Arbeitszeit. Die Betriebsparteien haben hierin für den Fall des Überschreitens der täglichen Höchstarbeitszeit als Rechtsfolge die Kappung dieser Arbeitszeit vorgesehen. Der Inhalt der PN geht insofern über den Regelungsgehalt von Nr. 2.3 BV-Arbeitszeit hinaus, der sich zusammenfassend in der deklaratorischen Wiedergabe der aus § 3 ArbZG folgenden zulässigen täglichen Höchstarbeitszeit erschöpft. Dieses Verständnis der PN entspricht auch dem der Beteiligten.
- 23
-
b) Wortlaut, Systematik und Zweck der BV-Arbeitszeit sowie der Protokollnotiz machen deutlich, dass die Betriebsparteien mit Satz 2 PN eine Arbeitszeitregelung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG getroffen haben. Die Pflicht zur Vergütung geleisteter Arbeit bleibt hiervon unberührt.
- 24
-
aa) In Nr. 2.2 BV-Arbeitszeit haben die Betriebsparteien den zeitlichen Rahmen der Arbeitszeit festgelegt. Danach ist für die Wochentage Montag bis Freitag der frühestmögliche Arbeitsbeginn 6:30 Uhr und das spätmöglichste Arbeitsende 21:00 Uhr. Innerhalb dieser Zeitspanne können die Arbeitnehmer nach Nr. 2.1 BV-Arbeitszeit Beginn und Ende der Arbeitszeit selbst bestimmen sowie Gleitzeit in Anspruch nehmen. Nach Nr. 2.3 BV-Arbeitszeit darf die werktägliche Arbeitszeit allerdings zehn Stunden nicht überschreiten. Auf diese Regelung nimmt Satz 2 PN Bezug und sieht ergänzend vor, dass darüber hinaus geleistete Arbeitszeiten zwar zu protokollieren sind, jedoch systemseitig gekappt und damit nicht dem Gleitzeitkonto zugeführt werden. Hiermit haben die Betriebsparteien erkennbar ein Arbeitszeitregime schaffen wollen, das den Arbeitnehmern ein hohes Maß an Zeitsouveränität gewährt und zugleich sicherstellt, dass die gesetzlichen Höchstgrenzen des Arbeitszeitrechts beachtet werden. Das entspricht dem Regelungsauftrag des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Dieses Mitbestimmungsrecht bezweckt, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien und für die Gestaltung ihres Privatlebens nutzbaren Zeit zur Geltung zu bringen (BAG 10. November 2009 - 1 ABR 54/08 - Rn. 14). Da die Betriebsparteien dabei die gesetzlichen Höchstgrenzen der Arbeitszeit beachten müssen (Fitting 26. Aufl. § 87 Rn. 98), haben sie bestimmt, dass die über zehn Stunden hinaus geleistete werktägliche Arbeitszeit gekappt und grundsätzlich nicht als nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu verteilende Arbeitszeit behandelt wird. Dass sie mit Nr. 2.4 BV-Arbeitszeit und Satz 2 PN die arbeitszeitrechtlichen Höchstgrenzen nur unvollständig in den Blick genommen haben, weil diese Bestimmungen die Ausgleichszeiträume des § 3 Satz 2 ArbZG unberücksichtigt lassen, ist für diesen Rechtsstreit unerheblich.
- 25
-
bb) Der Annahme des Betriebsrats, die Kappungsregelung in Satz 2 PN betreffe vergütungspflichtige Arbeitszeit, steht entgegen, dass hiermit den Betriebsparteien eine gesetzwidrige Regelungsabsicht unterstellt wird, da eine derartige Regelung für die in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer bereits nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG unwirksam wäre. Der in dem Betrieb anwendbare Manteltarifvertrag sieht in § 4 Nr. 1 MTV vor, dass als vergütungspflichtige Mehrarbeit auch die arbeitgeberseitig angeordnete oder gebilligte Arbeitszeit gilt, die über zehn Stunden täglich hinaus geleistet wird. Damit haben die Tarifvertragsparteien die vergütungsrechtliche Behandlung von außerhalb der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes geleisteter Arbeit abschließend tariflich geregelt. Ein durch die Betriebsparteien auszufüllender Gestaltungsspielraum verbleibt in vergütungsrechtlicher Hinsicht nicht. Aus Wortlaut, Systematik und Zweck der Protokollnotiz ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Betriebsparteien diesen Tarifvorbehalt bewusst missachten wollten. Es ist darüber hinaus auch nicht ersichtlich, dass die Betriebsparteien für die AT-Mitarbeiter eine abweichende Regelung treffen wollten, da Satz 2 PN nicht zwischen tariflichen und AT-Mitarbeitern unterscheidet. Eine gesetzeskonforme Auslegung der BV-Arbeitszeit und der Protokollnotiz spricht daher gegen die Auffassung, die Kappung von Arbeitsstunden beseitige Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer.
- 26
-
cc) Auch bei einem arbeitszeitrechtlichen Verständnis von Satz 2 PN bleibt diese Bestimmung für Individualansprüche der Arbeitnehmer bedeutsam. Hiernach werden die Arbeitszeiten, die innerhalb der vorgesehenen Rahmenarbeitszeit bis zu zehn Stunden werktäglich erbracht werden, durch Gutschrift auf dem Gleitzeitkonto vom Arbeitgeber im Verhältnis zum Arbeitnehmer streitlos gestellt (vgl. hierzu BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 19, BAGE 135, 197). Nur wenn ein Arbeitnehmer länger als zehn Stunden werktäglich arbeitet, haben sich die Arbeitgeberinnen ein besonderes Prüfungsrecht vorbehalten. Solche Zeiten werden nach Satz 2 PN im Zeiterfassungssystem protokolliert und nach Satz 3 PN nur in Ausnahme- und Notfällen mit Zustimmung von Arbeitgeber und Betriebsrat dem Gleitzeitkonto gutgeschrieben.
- 27
-
3. Der vom Betriebsrat in der Rechtsbeschwerdeinstanz im Wege der Antragserweiterung eingeführte weitere Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist erkennbar nur für den Fall gestellt, dass der Hauptantrag zu 1. als Globalantrag allein deswegen keinen Erfolg hat, weil die Kappungsregelung in Satz 2 PN nur insoweit rechtsunwirksam ist, als tarifliche Arbeitnehmer hiervon betroffen sind.
- 28
-
4. Der Hilfsantrag zu 2. ist zulässig, aber unbegründet.
- 29
-
a) Der Antrag ist zulässig. In zeitlicher Hinsicht ist er einschränkend dahingehend auszulegen, dass die begehrte Feststellung den Zeitraum ab dem 2. Juni 2011 betrifft. Nachdem die Beteiligten nichts anderes vereinbart haben, hat die Kündigung der Protokollnotiz vom 1. Februar 2011 unter Berücksichtigung der dreimonatigen Frist des § 77 Abs. 5 BetrVG erst mit Ablauf des 1. Juni 2011 Wirkung entfaltet.
- 30
-
b) Der Antrag ist unbegründet. Dabei kann dahinstehen, ob Satz 2 PN überhaupt isoliert kündbar war (vgl. hierzu BAG 6. November 2007 - 1 AZR 826/06 - Rn. 26 ff., BAGE 124, 314). Auch wenn man dies unterstellt, wirkt diese Bestimmung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nach. Hiernach gelten in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, die Regelungen einer Betriebsvereinbarung weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Die Regelung in Satz 2 PN ist eine solche Angelegenheit. Sie steht im unmittelbaren Sachzusammenhang mit der BV-Arbeitszeit und bestimmt das Arbeitszeitende bei der Inanspruchnahme von Gleitzeit. Dies unterliegt nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats(vgl. Fitting § 87 Rn. 115). Die Nachwirkung ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht durch den Abschluss einer anderen Abmachung entfallen.
- 31
-
5. Der Hauptantrag zu 2. ist zulässig, aber unbegründet.
- 32
-
a) Der Antrag ist als Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. In der gebotenen Auslegung ist er darauf gerichtet, festzustellen, dass die Gleitzeitkonten der außertariflich vergüteten Arbeitnehmer nicht nach Nr. 2.4.1 Satz 4 BV-Arbeitszeit zum 31. Dezember eines Kalenderjahres bei 300 Plusstunden gekappt, sondern ohne Obergrenze fortgeschrieben werden. Mit diesem Verständnis ist der Antrag gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Er ist auf die Feststellung eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses der Beteiligten gerichtet. Es geht um die Feststellung, dass die BV-Arbeitszeit den behaupteten Inhalt hat. Hierfür besteht das erforderliche rechtliche Interesse des Betriebsrats, da dieser zwischen den Beteiligten streitig ist.
- 33
-
b) Der Antrag ist unbegründet.
- 34
-
aa) Nr. 2.4.1 Satz 4 BV-Arbeitszeit greift ebenso wenig wie die weiteren Regelungstatbestände in dieser Bestimmung in vergütungsrechtlich geschützte Positionen der von der Kappung betroffenen AT-Mitarbeiter ein. Die Norm dient allein dazu, das zum „Gleiten“ verfügbare Arbeitsvolumen dieser Arbeitnehmer zu begrenzen.
- 35
-
bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verstößt Nr. 2.4.1 Satz 4 BV-Arbeitszeit nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 75 Abs. 1 BetrVG. Es fehlt im Hinblick auf den Regelungsgegenstand schon an einer Vergleichbarkeit der Arbeitnehmergruppen. Tarifangestellte und AT-Angestellte befinden sich insoweit nicht in einer vergleichbaren Situation.
- 36
-
(1) Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen(BAG 1. Februar 2011 - 1 AZR 417/09 - Rn. 20 mwN).
- 37
-
(2) Hiernach liegen schon tatbestandlich keine gleichgelagerten Sachverhalte vor, die den Anwendungsbereich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes eröffnen. Für Tarifangestellte beträgt der Gleitzeitrahmen 150 Stunden. Wird dieser für diese Personengruppe überschritten, werden die darüber hinaus geleisteten Stunden dem nach Nr. 4 BV-Arbeitszeit geführten Freizeitkonto zugeführt. Demgegenüber werden für AT-Mitarbeiter die über 150 Stunden geleisteten Arbeitsstunden dem Gleitzeitkonto bis zu einem Positivsaldo von 300 Stunden zugeführt. Für beide Gruppen gilt damit eine gänzlich unterschiedliche Regelungssystematik. Eine im Verhältnis zu tariflichen Arbeitnehmern nachteilige Behandlung der AT-Angestellten könnte allenfalls darin liegen, dass nur zugunsten der tariflich vergüteten Arbeitnehmer Freizeitkonten geführt werden, auf die Zeitguthaben von mehr als 150 Stunden übertragen werden. Diese unterschiedliche Behandlung gegenüber AT-Angestellten ist jedoch nicht Gegenstand des Hauptantrags zu 2.
- 38
-
6. Der Hilfsantrag zum Hauptantrag zu 2. ist unbegründet. Die Regelungen wirken - wie oben dargelegt - jedenfalls gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nach. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die erfolgte Teilkündigung wirksam war.
-
Schmidt
Koch
Linck
Schäferkord
Schwitzer
(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.
(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.
Tenor
-
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 11. Februar 2009 - 11 Sa 598/08 - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.
- 2
-
Die Klägerin war seit dem 1. Januar 1980 bei der A Versicherungs-AG in der Poststelle beschäftigt. Ihr Verdienst betrug bei einer Arbeitszeit von 60 % der regelmäßigen Arbeitszeit ab April 2005 rund 1.600,00 Euro. Zusätzlich erhielt sie bis März 2007 eine monatliche Ausgleichszahlung in Höhe von 50 % der Differenz zu der zuvor bezogenen Vergütung als Vollzeitbeschäftigte.
- 3
-
Ab 2006 wurde das deutsche Versicherungsgeschäft der A unter dem Dach der beklagten A Deutschland AG(ADAG) neu organisiert. Im Zuge dieser Umstrukturierung sollten bis Ende 2008 insgesamt 5.700 Stellen wegfallen. Hiervon waren auch die Mitarbeiter der A Versicherungs-AG betroffen. Die durch die Betriebsänderungen entstehenden wirtschaftlichen Nachteile für die Mitarbeiter sollten durch den von den betroffenen Unternehmen mit den bei ihnen bestehenden Gesamtbetriebsräten vereinbarten „Sozialplan zur Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG“ (SP-Neuordnung) vom 28. April 2006 ausgeglichen werden. Dieser Sozialplan galt auch für die Beklagte und die A Versicherungs-AG. Zur Berechnung der Grundabfindung für Vollzeitbeschäftigte des Innendienstes wurde in dem Sozialplan ein Mindestbruttomonatsverdienst in Höhe von 3.000,00 Euro zugrunde gelegt. Für Teilzeitbeschäftigte bestimmte sich die Höhe des Mindestbruttomonatsverdienstes grundsätzlich anteilig nach der jeweiligen Vertragsarbeitszeit. Eine vorangegangene Vollzeitbeschäftigung war allerdings zu berücksichtigen, wenn die individuelle Arbeitszeitverkürzung aus betriebsbedingten Gründen in den letzten zwei Jahren vor Inkrafttreten des Sozialplans vereinbart wurde, was der Fall sein sollte, wenn der Arbeitnehmer eine Ausgleichszahlung zur bestehenden Gehaltsdifferenz erhielt.
- 4
-
Zeitgleich mit dem Abschluss des Sozialplans schlossen dieselben Parteien am 28. April 2006 die „Gesamtbetriebsvereinbarung zur Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG - Sozialverträgliche Umsetzung der Neuordnung -“(GBV-Neuordnung). Nach deren Präambel sollte mit der Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel der Personalabbau durch einvernehmliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen beschleunigt werden. Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendeten, erhielten neben der Sozialplanabfindung eine nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte zusätzliche Abfindung.
- 5
-
Am 31. Januar 2007 verzichteten die Beklagte sowie die unter ihrem Dach zusammengefassten Unternehmen in einer mit den bei ihnen bestehenden Gesamtbetriebsräten geschlossenen „Vereinbarung zum besonderen Kündigungsschutz im Rahmen der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG“(Vereinbarung besonderer Kündigungsschutz) auf betriebsbedingte Kündigungen bis Ende des Jahres 2009.
- 6
-
Die Klägerin vereinbarte am 20. März 2007 mit der A Versicherungs-AG einen Aufhebungsvertrag, wodurch das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2008 gegen Zahlung einer Abfindung nach dem SP-Neuordnung in Höhe von 109.875,00 Euro brutto beendet wurde. Am 1. Juni 2007 ging ihr Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über.
- 7
-
Am 11. Juli 2007 schloss die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat eine „Gesamtbetriebsvereinbarung über die Bereitstellung von ergänzenden finanziellen Mitteln zur Unterstützung der personalwirtschaftlichen Ziele der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts unter dem Dach der A Deutschland AG“(GBV-Sonderfonds). Diese sollte nach ihrer Präambel besonderen sozialen Härten bei bestimmten Mitarbeitern Rechnung tragen und gewährleisten, dass das arbeitgeberseitige Abbauziel von 5.700 Stellen zeitgerecht sozialverträglich durch einvernehmliche Maßnahmen erreicht wird. Hierzu wurde für einzelne Mitarbeitergruppen, ua. für die Beschäftigten aus dem Post-/Scan- und Verteilbereich, ein Sonderfonds aufgelegt. Diese Mitarbeiter sollten zeitnah ein Angebot zur einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten, in dem bei der Berechnung der Sozialplanabfindung nach dem SP-Neuordnung und der Berechnung der zusätzlichen Abfindung nach der GBV-Neuordnung ein Mindestbruttoverdienst von 5.000,00 Euro zugrunde zu legen war. Nach Nr. 4 GBV-Sonderfonds waren allerdings nur diejenigen Arbeitnehmer anspruchsberechtigt, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung, dh. am 11. Juli 2007, noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses unterzeichnet hatten.
- 8
-
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte die Beklagte die vereinbarte Abfindung in Höhe von 109.875,00 Euro brutto. Diese hält die Klägerin nicht für ausreichend. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der Berechnung der Abfindung sei entsprechend der GBV-Sonderfonds ein Bruttomonatseinkommen in Höhe von 5.000,00 Euro je Beschäftigungsjahr zugrunde zu legen. Hieraus ergebe sich ein Abfindungsanspruch in Höhe von insgesamt 183.125,00 Euro, jedenfalls aber von 174.206,81 Euro bei einer durchschnittlichen Beschäftigungsquote von 0,9513 bezogen auf die gesamte Dauer der Betriebszugehörigkeit. Die Beschränkung des Geltungsbereichs dieser Gesamtbetriebsvereinbarung auf Mitarbeiter, die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch keinen Aufhebungsvertrag unterzeichnet hatten, verstoße gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und sei damit unwirksam.
-
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an sie 73.250,00 Euro brutto, hilfsweise 64.331,81 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Oktober 2008 zu bezahlen.
- 10
-
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags geltend gemacht, mit der GBV-Sonderfonds habe ein besonderer zusätzlicher Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen geschaffen werden sollen. Wegen des vereinbarten Verzichts auf betriebsbedingte Kündigungen sei der angestrebte Personalabbau von 5.700 Stellen nicht anders erreichbar gewesen.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die gemäß § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ordnungsgemäß begründete und damit zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
- 13
-
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus der GBV-Sonderfonds auf Zahlung einer weiteren Abfindung. Eine solche Leistung steht nach Nr. 4 GBV-Sonderfonds nur Mitarbeitern zu, die am 11. Juli 2007 noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses unterschrieben haben. Von diesem persönlichen Geltungsbereich wird die Klägerin nicht erfasst. Sie hat ihren Aufhebungsvertrag am 20. März 2007 unterzeichnet.
- 14
-
II. Die Stichtagsregelung in Nr. 4 GBV-Sonderfonds ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG.
- 15
-
1. Die Betriebsparteien haben beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck(BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 25 mwN, BAGE 125, 366).
- 16
-
Erfolgt die Gruppenbildung durch eine Stichtagsregelung, muss auch diese mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein. Dabei kommt den Betriebsparteien sowohl bei der Gruppenbildung als auch bei der Bestimmung des darauf bezogenen Stichtags ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Die durch eine Stichtagsregelung verursachten Härten müssen hingenommen werden, wenn sich unter Berücksichtigung des Regelungszwecks die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist(vgl. BAG 22. März 2005 - 1 AZR 49/04 - zu 3 a der Gründe, BAGE 114, 179).
- 17
-
2. In der GBV-Sonderfonds haben die Betriebsparteien mehrere Gruppenbildungen vorgenommen. Nach deren Nr. 1 Abs. 2 erstreckt sich der persönliche Geltungsbereich nur auf diejenigen Arbeitnehmer, die von der Neuordnung der Post-/Scan- und Verteilfunktionen innerhalb der ADAG betroffen waren, sowie auf Mitarbeiter von Support- bzw. ehemaliger Organisationseinheiten in Dienstleistungsgebieten. Damit waren Mitarbeiter anderer Bereiche, die ebenfalls von der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der ADAG erfasst waren, von den Begünstigungen der GBV-Sonderfonds ausgenommen. Darüber hinaus erfolgt eine Gruppenbildung nach den Bruttoverdiensten der Arbeitnehmer. Die GBV-Sonderfonds begünstigt gemäß deren Nr. 1 Abs. 4 ausschließlich diejenigen Arbeitnehmer, deren Verdienst bei Vollzeitbeschäftigung den der Abfindungsberechnung zugrunde zu legenden Bruttomonatsverdienst von 5.000,00 Euro nicht erreicht. Arbeitnehmer mit einem höheren Einkommen erlangen durch die GBV-Sonderfonds keinen finanziellen Vorteil. Schließlich haben die Betriebsparteien in Nr. 4 GBV-Sonderfonds eine stichtagsbezogene Gruppenbildung vorgesehen, indem sie deren Leistungen auf diejenigen begünstigten Arbeitnehmer beschränkten, die bis zum 11. Juli 2007 noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses geschlossen hatten. Damit sind Arbeitnehmer unterer Lohngruppen aus den in Nr. 1 Abs. 2 GBV-Sonderfonds genannten Bereichen, die zu einem früheren Zeitpunkt aus Anlass der erfolgten Umstrukturierung einen Aufhebungsvertrag vereinbart hatten, von den Leistungen der GBV-Sonderfonds ausgenommen. Das beanstandet die Klägerin.
- 18
-
3. Die durch die Stichtagsregelung in Nr. 4 GBV-Sonderfonds bewirkte Ungleichbehandlung ist nach dem mit ihr verfolgten einheitlichen Zweck sachlich gerechtfertigt und damit mit § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar.
- 19
-
a) Die GBV-Sonderfonds bezweckt, durch finanzielle Anreize für bestimmte Beschäftigtengruppen die Bereitschaft zum Abschluss von Aufhebungsverträgen zu fördern. Das folgt aus ihrer Präambel. Danach soll die GBV-Sonderfonds gewährleisten, dass das arbeitgeberseitige Ziel eines Personalabbaus von 5.700 Arbeitskapazitäten ohne betriebsbedingte Kündigungen erreicht werden kann. Soweit es in der Präambel weiter heißt, die Vereinbarung sei geschlossen worden, um den besonderen sozialen Härten bestimmter Mitarbeitergruppen im Rahmen der Neuordnung des Versicherungsgeschäfts Rechnung tragen zu können, ergibt sich daraus kein weitergehender Zweck. Die mit den Leistungen der GBV-Sonderfonds angestrebte Förderung einvernehmlicher Vertragsbeendigungen beruht auf der Einschätzung der Betriebsparteien, bei Mitarbeitern der unteren Entgeltgruppen mit typischerweise schlechten beruflichen Perspektiven könne die Bereitschaft zum Abschluss von Aufhebungsverträgen nur durch eine Aufstockung der finanziellen Anreize gesteigert werden. Dazu haben die Betriebsparteien für die Berechnung der Abfindung ein Mindestbruttoentgelt von 5.000,00 Euro zugrunde gelegt. Davon profitieren allein Arbeitnehmer der unteren Entgeltgruppen, deren Bruttomonatsentgelt diese Grenze typischerweise nicht erreicht.
- 20
-
b) Die Schaffung besonderer Anreize zur einvernehmlichen Beendigung von Arbeitsverhältnissen war aus Sicht der Betriebsparteien geboten, nachdem bis Ende Juni 2007 erst 4.060 Stellen von den in Aussicht genommenen 5.700 Arbeitskapazitäten abgebaut waren und der Beklagten der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen wegen des mit den Gesamtbetriebsräten der betroffenen Unternehmen vereinbarten Kündigungsverzichts bis Ende 2009 verwehrt war. Diese Einschätzung sowie die Annahme der Betriebsparteien, Arbeitnehmer der unteren Entgeltgruppen mit typischerweise negativen beruflichen Perspektiven seien nur durch einen zusätzlichen finanziellen Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen zu motivieren, hält sich innerhalb ihrer Typisierungsbefugnis und Einschätzungsprärogative. Soweit die Revision beanstandet, der zu erfolgende Stellenabbau sei innerhalb der verbleibenden Zeit auch ohne weitere Anreize möglich gewesen, weil die Beklagte die Einigungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft habe, setzt sie lediglich ihre Beurteilung der Verhältnisse an Stelle der Einschätzung der Betriebsparteien. Zudem übersieht sie, dass aufgrund des vereinbarten Kündigungsverzichts für die betroffenen Arbeitnehmer bis Ende 2009 keine Veranlassung bestand, auf ein Aufhebungsangebot der Beklagten einzugehen. Letztlich beanstandet die Klägerin auch nicht die auf dieser Einschätzung beruhende und sie begünstigende Gruppenbildung, sondern allein die darauf bezogene Stichtagsregelung.
- 21
-
c) Entsprechend diesem Regelungszweck ist die Stichtagsregelung der Nr. 4 der GBV-Sonderfonds wirksam. Die GBV-Sonderfonds ist eine freiwillige Betriebsvereinbarung iSd. § 88 BetrVG und kein Sozialplan iSd. § 112 Abs. 1 BetrVG.
- 22
-
aa) Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können. Ein Sozialplan dient nicht dazu, die individualrechtlichen Risiken des Arbeitgebers bei der Durchführung der Betriebsänderung zu reduzieren oder zu beseitigen (BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 254/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 68). Derartige Ziele kann der Arbeitgeber allerdings gemeinsam mit dem Betriebsrat in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG verfolgen. Eine solche Betriebsvereinbarung unterliegt nicht den für Sozialpläne aus § 112 Abs. 1 BetrVG folgenden Regelungsbeschränkungen (vgl. BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 31, BAGE 125, 366). In ihr können die Betriebsparteien auch Regelungen treffen, die dazu dienen, das arbeitgeberseitige Interesse an einem zügigen Personalabbau durch einvernehmliche Beendigungsvereinbarungen mit den Arbeitnehmern zu verwirklichen, wenn daneben in einem Sozialplan nach § 112 Abs. 1 BetrVG ein angemessener Ausgleich der den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile vereinbart worden ist.
- 23
-
bb) Die GBV-Sonderfonds bezweckt - wie dargelegt - nicht den Ausgleich oder die Milderung der durch den geplanten Personalabbau entstehenden wirtschaftlichen Nachteile, sondern die Förderung der Bereitschaft von Arbeitnehmern, durch den Abschluss von Aufhebungsverträgen einvernehmlich ihre Arbeitsverhältnisse zu beenden. Die durch die Betriebsänderungen den betroffenen Arbeitnehmern entstandenen Nachteile sind durch den SP-Neuordnung ausgeglichen worden. Unerheblich ist, dass der Anreiz zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags dadurch geschaffen worden ist, dass ein Element der Abfindungsformel des Sozialplans geändert wurde und sich so für den von der GBV-Sonderfonds erfassten Personenkreis ein höherer Abfindungsbetrag ergibt. Die Betriebsparteien sind im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen nach § 88 BetrVG frei, wie sie den Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen ausgestalten.
- 24
-
cc) Durch die GBV-Sonderfonds haben die Betriebsparteien nicht die Regelungsziele des § 112 Abs. 1 BetrVG umgangen. Dem SP-Neuordnung sind nicht Mittel für eine angemessene Dotierung vorenthalten worden, um damit anschließend den Sonderfonds der GBV-Sonderfonds auszustatten. Zwar heißt es in der GBV-Sonderfonds, der Sonderfonds werde aus Sozialplanmitteln aufgelegt. Daraus ergibt sich jedoch nicht ohne Weiteres, dass die Beklagte von vornherein den Dotierungsrahmen des SP-Neuordnung beschränkt und sich eine Aufstockung vorbehalten hat. Dagegen spricht maßgeblich, dass der SP-Neuordnung überaus angemessene Abfindungsregelungen enthält. So beläuft sich die der Klägerin ausgezahlte Abfindung auf rund 68 Monatsgehälter bei einer Betriebszugehörigkeit von 28,75 Jahren. Bereits dies spricht gegen die Annahme, die Beklagte habe den SP-Neuordnung nicht ausreichend dotiert, um spätere Anreizregelungen zu finanzieren. Die Klägerin hat auch nicht behauptet und es ist auch im Übrigen nicht ersichtlich, dass das von der Beklagten ursprünglich verfolgte Personalkonzept nicht verwirklicht werden konnte und der beabsichtigte Stellenabbau von vornherein nur durch höhere Abfindungen hätte erreicht werden können. Auch wenn die in der GBV-Sonderfonds vereinbarten höheren Abfindungen ein beträchtliches finanzielles Volumen haben, ergeben sich allein daraus keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dem Sozialplan Mittel vorenthalten hat.
- 25
-
dd) In Anbetracht der zulässigen Anreizfunktion der GBV-Sonderfonds ist es mit § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar, den Stichtag für den Erhalt einer finanziellen Vergünstigung auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Gesamtbetriebsvereinbarung festzulegen und damit diejenigen Arbeitnehmer auszuschließen, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten und hierfür keines weiteren Anreizes mehr bedurften.
-
4. Der von der Klägerin gestellte „Hilfsantrag“ fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er stellt keinen eigenen Streitgegenstand dar, ihm liegt vielmehr lediglich eine andere Berechnung für die von der Klägerin mit ihrem Hauptantrag erfolglos geltend gemachte weitere Abfindungszahlung zugrunde.
-
Schmidt
Koch
Linck
Federlin
Platow
Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 112 Interessenausgleich über die Betriebsänderung, Sozialplan
(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.
(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.
(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.
(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:
- 1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen. - 2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit. - 2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen. - 3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.
Tenor
-
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 16. September 2011 - 6 Sa 613/11 - aufgehoben soweit es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. April 2011 - 12 Ca 5887/10 - entsprochen hat.
-
Die Berufung des Klägers gegen das vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf wird ingesamt zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.
- 2
-
Der im Juli 1948 geborene Kläger war bis zum 31. März 2011 bei der Beklagten in deren Düsseldorfer Betrieb beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen. Der Kläger hatte zuvor eine Weiterbeschäftigung am Standort in Ulm abgelehnt.
- 3
-
In dem am 16. Juni 2010 zwischen der Beklagten und ihrem Gesamtbetriebsrat vereinbarten Sozialplan (SP 2010) ist bestimmt:
-
„2.4.
Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis
Es werden keine Abfindungen gewährt, wenn ein Beschäftigter in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis weiterbeschäftigt werden kann und die Weiterbeschäftigung ablehnt. …
Beschäftigte, die zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet haben, fallen ausschließlich unter die Regelung der Ziffer 2.5.“
- 4
-
Die Abfindungen nach Nr. 2.4. SP 2010 berechnen sich aus einem einheitlichen Grundbetrag von 2.500,00 Euro sowie einem Steigerungsbetrag, der von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter und dem Bruttomonatsentgelt abhängt. Beschäftigte, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens das 58. Lebensjahr vollendet haben, erhalten nach den Regelungen in Nr. 2.5. SP 2010 bis zum frühestmöglichen Eintritt in die gesetzliche Altersrente 85 % des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Bruttomonatsentgelts unter Anrechnung des voraussichtlichen Arbeitslosengelds für 24 Monate. Die Summe wird mit einem pauschalen Zuschlag von 15 % als Bruttoabfindungssumme gezahlt.
- 5
-
In Nr. 2.4.1.4. SP 2010 ist bestimmt:
-
„Wird das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 25jährigen, 40jährigen oder 50jährigen Dienstjubiläums beendet, erhält der Beschäftigte die Jubiläumszahlung nach den betrieblichen Regelungen, wenn vom Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Erreichen des 25jährigen Dienstjubiläums nicht mehr als zwei Jahre und bis zum Erreichen des 40jährigen oder 50jährigen Dienstjubiläums nicht mehr als fünf Jahre fehlen.“
- 6
-
Nach der im Betrieb Düsseldorf bestehenden Betriebsordnung aus dem Jahr 1993 (BO 1993) beträgt das Jubiläumsgeld bei Erreichen des 40. Dienstjubiläums drei Monatseinkommen. Das Jubiläumsgeld wird auch gezahlt an Ruhegeldempfänger, die innerhalb von zwölf Monaten nach ihrer Pensionierung ein Dienstjubiläum begehen würden (Nr. 6.17 BO 1993).
- 7
-
Die Beklagte zahlte dem Kläger, der ab August 2011 eine vorzeitige Altersrente beanspruchen konnte, entsprechend der Regelung in Nr. 2.5. SP 2010 eine Abfindung in Höhe von 4.974,62 Euro.
- 8
-
Der Kläger hat die Sonderregelung in Nr. 2.5. SP 2010 für unwirksam gehalten. Diese bewirke eine unzulässige Ungleichbehandlung wegen des Alters. Dies gelte auch für den damit verbundenen Ausschluss von der Jubiläumszahlung. Er hätte sein 40-jähriges Dienstjubiläum innerhalb von zwölf Monaten nach Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht.
- 9
-
Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,
-
1.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.500,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Fälligkeit zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 231.746,87 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Fälligkeit zu zahlen;
3.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von weiteren 16.901,07 Euro brutto (Jubiläumszuwendung) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Fälligkeit zu zahlen.
- 10
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
- 11
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr teilweise entsprochen und die Beklagte zu einer weiteren Abfindung iHv. 39.217,95 Euro sowie einer Jubiläumsgeldzahlung iHv. 16.901,07 Euro verurteilt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Klageanträgen zu Unrecht teilweise entsprochen.
- 13
-
I. Dem Kläger steht der geltend gemachte weitere Abfindungsanspruch nicht zu.
- 14
-
1. Die Beklagte hat die sich aus dem Sozialplan vom 16. Juni 2010 ergebenden Ansprüche des Klägers erfüllt. Seine Abfindung beträgt nach Nr. 2.5. SP 2010 4.974,62 Euro. Diesen Betrag hat der Kläger erhalten.
- 15
-
2. Die Revision ist schon deshalb begründet, weil das Landesarbeitsgericht mit der von ihm vorgenommenen Anpassung von Nr. 2.5. SP 2010 gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen hat. Dies hat der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen. Einer hierauf gestützten Verfahrensrüge der Beklagten bedurfte es nicht.
- 16
-
a) Zwar ist das Gericht nach § 308 Abs. 1 ZPO verpflichtet, dem Kläger ein Weniger zuzuerkennen, wenn dieses Begehren im jeweiligen Sachantrag enthalten ist. Die gerichtliche Geltendmachung eines zahlenmäßig teilbaren Anspruchs enthält regelmäßig auch die Geltendmachung eines Anspruchs, der in seiner Höhe unterhalb des bezifferten (Haupt-)Anspruchs liegt. Etwas anderes gilt allerdings, wenn es sich nicht um „Weniger“, sondern um etwas Anderes handelt. Dies ist durch Auslegung des Klageantrags zu ermitteln (BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 15, BAGE 135, 13).
- 17
-
b) Das Landesarbeitsgericht ist über den durch die Klage bestimmten Streitgegenstand hinausgegangen.
- 18
-
Der Kläger hat die Zahlung einer nach Nr. 2.4. SP 2010 berechneten Abfindung begehrt. Er hat sich während des gesamten Rechtsstreits auf die Unwirksamkeit der durch Nr. 2.5. SP 2010 bewirkten unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer berufen, die - wie der Kläger - zum Entlassungszeitpunkt das 58. Lebensjahr bereits vollendet haben. Dies belegt auch die Berechnung der Klageforderung. Der Kläger hat neben dem nach Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Bruttomonatsentgelt berechneten Abfindungsbetrag auch den Grundbetrag von 2.500,00 Euro eingeklagt, den er nur nach Nr. 2.4. SP 2010 beanspruchen kann. Das Landesarbeitsgericht hat zwar die Regelung in Nr. 2.5.1. SP 2010 für unwirksam gehalten, diese aber durch die von ihm vorgenommene Auslegung des Merkmals „frühestmöglich“ angepasst. Es hat dem Kläger einen Nettolohnausgleich als Abfindung zuerkannt, der sich nach den in Nr. 2.5. SP 2010 bestimmten Voraussetzungen bis zu einem möglichen Bezug einer ungekürzten Altersrente ergibt. Auf eine solche Abfindungsberechnung hat der Kläger seinen Anspruch nicht gestützt. Selbst auf den vom Berufungsgericht erteilten Hinweis hat er sein Vorbringen nicht entsprechend erweitert. Bei der sich aus einer Anpassung von Nr. 2.5. SP 2010 ergebenden Verurteilung handelt es sich auch nicht lediglich um die Subsumtion des klägerischen Vorbringens unter eine anderweitige Anspruchsgrundlage. Die Begründung der jeweiligen Ansprüche steht in keinem Zusammenhang zueinander.
- 19
-
3. Einer hierauf gestützten Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) bedarf es indes nicht, da der Senat eine eigene Sachentscheidung treffen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitergehende Abfindung nach dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG). Die unterschiedliche Berechnung der Abfindung für Beschäftigte, die zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet haben, und jüngeren Arbeitnehmern ist wirksam. Die unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung dieser Arbeitnehmergruppe ist nach § 10 Satz 3 Nr. 6, Satz 2 AGG zulässig.
- 20
-
a) Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Diese sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht, wie insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, vereinbar sind.
- 21
-
aa) Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig. Sind diese erfüllt, ist auch der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt.
- 22
-
bb) Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung kann aber nach § 10 AGG unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig sein. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gestatten die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
- 23
-
cc) Nach § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG können die Betriebsparteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen, in der sie die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigen, oder auch Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausschließen, weil diese, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld I, rentenberechtigt sind. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber den Betriebsparteien einen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum eröffnet, der es ihnen unter den in der Vorschrift bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, das Lebensalter als Bemessungskriterium für die Sozialplanabfindung heranzuziehen.
- 24
-
(1) Mit der Regelung in § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG wollte der Gesetzgeber den Betriebsparteien entsprechend dem zukunftsgerichteten Entschädigungscharakter von Sozialplanleistungen ermöglichen, diese bei „rentennahen“ Arbeitnehmern stärker an den tatsächlich eintretenden wirtschaftlichen Nachteilen zu orientieren, die ihnen durch den bevorstehenden Arbeitsplatzverlust und eine darauf zurückgehende Arbeitslosigkeit drohen. Durch diese Gestaltungsmöglichkeit kann das Anwachsen der Abfindungshöhe, das mit der Verwendung der Parameter Betriebszugehörigkeit und/oder Lebensalter bei der Bemessung der Abfindung zwangsläufig verbunden ist, bei abnehmender Schutzbedürftigkeit im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit zu Gunsten der jüngeren Arbeitnehmer begrenzt werden (BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 17).
- 25
-
(2) § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG erfasst nach seinem Wortlaut nur den Ausschluss von älteren Arbeitnehmern, die entweder unmittelbar nach dem Ausscheiden oder im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld I durch den Bezug einer Altersrente wirtschaftlich abgesichert sind. Die Vorschrift ist gleichermaßen anwendbar, wenn die betroffenen Arbeitnehmer zwar nicht unmittelbar nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I rentenberechtigt sind, die Abfindung aber ausreichend bemessen ist, um die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen, die sie in der Zeit nach der Erfüllung ihres Arbeitslosengeldanspruchs bis zum frühestmöglichen Bezug einer Altersrente erleiden. Dies ist stets der Fall, wenn die Abfindungshöhe für diesen Zeitraum den Betrag der zuletzt bezogenen Arbeitsvergütung erreicht. Die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer sind dann wirtschaftlich so gestellt, als wäre das Arbeitsverhältnis bis zu dem Zeitpunkt fortgesetzt worden, in dem sie nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I nahtlos eine Altersrente beziehen können (BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 19).
- 26
-
(3) Die Ausgestaltung des durch § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG eröffneten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraums unterliegt allerdings noch einer weiteren Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 10 Satz 2 AGG. Die von den Betriebsparteien gewählte Sozialplangestaltung muss geeignet sein, das mit § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG verfolgte Ziel tatsächlich zu fördern und darf die Interessen der benachteiligten (Alters-)Gruppe nicht unverhältnismäßig stark vernachlässigen.
- 27
-
b) Die an das Lebensalter anknüpfende Abfindungsberechnung im Sozialplan vom 16. Juni 2010 verstößt nicht gegen das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG.
- 28
-
aa) Die Regelungen des Sozialplans vom 16. Juni 2010 sind nach dem am 18. August 2006 in Kraft getretenen AGG idF des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2742) und nach § 75 Abs. 1 BetrVG in der seit dem 18. August 2006 geltenden Fassung zu beurteilen.
- 29
-
bb) Die Betriebsparteien haben bei der Gewährung der Sozialplanleistungen nach dem Lebensalter unterschieden. Nach Nr. 2.4. SP 2010 können die dort vorgesehenen Abfindungen nur Arbeitnehmer beanspruchen, die zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Zahlungen an ältere Beschäftigte richten sich ausschließlich nach Nr. 2.5. SP 2010. Die unterschiedliche Behandlung der beiden Arbeitnehmergruppen ist allein vom Lebensalter abhängig. Hierin liegt eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung.
- 31
-
(1) Von den Ausschlussregelungen in Nr. 2.5. SP 2010 sind Arbeitnehmer erfasst, die bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis das 58. Lebensjahr vollendet haben. Diese waren nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und einer sich daran anschließenden Arbeitslosigkeit für die Dauer von 24 Monaten durch den Bezug von Arbeitslosengeld I abgesichert (§ 127 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 SGB III idF des Siebten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 8. April 2008 [BGBI. I S. 681]). Die Arbeitnehmer, die nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I nicht unmittelbar eine vorzeitige Altersrente beanspruchen konnten, erhielten nach Nr. 2.5.2. SP 2010 einen pauschalierten Ausgleich für das bis zum frühestmöglichen Renteneintritt entfallende Arbeitsentgelt. Die Betriebsparteien konnten daher davon ausgehen, dass die den über 58-jährigen Arbeitnehmern gewährten Abfindungsbeträge ausreichend bemessen waren, um die wirtschaftlichen Nachteile, die diese nach dem Bezug des Arbeitslosengeldes I bis zur vorzeitigen Inanspruchnahmemöglichkeit einer Altersrente erleiden würden, nahezu vollständig auszugleichen.
- 32
-
(2) Die Begrenzung der den über 58-jährigen Arbeitnehmern gewährten Sozialplanleistungen ist angemessen und erforderlich iSd. § 10 Satz 2 AGG.
- 33
-
(a) Nach der Senatsrechtsprechung haben Sozialpläne eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Geldleistungen in Form einer Abfindung stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar, sondern sollen die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlustes ausgleichen oder zumindest abmildern. Die Betriebsparteien können diese Nachteile aufgrund ihres Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums in typisierter und pauschalierter Form ausgleichen (vgl. BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 31, BAGE 138, 107). Dazu können sie die übermäßige Begünstigung, die ältere Beschäftigte mit langjähriger Betriebszugehörigkeit bei einer am Lebensalter und an der Betriebszugehörigkeit orientierten Abfindungsberechnung erfahren, durch eine Kürzung für rentennahe Jahrgänge zurückführen, um eine aus ihrer Sicht verteilungsgerechte Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Betriebsänderung zu Gunsten der jüngeren Arbeitnehmer zu ermöglichen (BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 29).
- 34
-
(b) Die Erstreckung der Berechnungsregel in Nr. 2.4. SP 2010 auch auf Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet haben oder älter sind, hätte Beschäftigte mit längeren Beschäftigungszeiten überproportional begünstigt. Die Betriebsparteien konnten bei diesen Jahrgängen davon ausgehen, dass diese selbst bei fortbestehender Arbeitslosigkeit nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I wegen des gewährten Nettolohnausgleichs durch die Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente weitgehend wirtschaftlich abgesichert sind. Eine vergleichbare Absicherung konnten die Betriebsparteien bei den rentenfernen Jahrgängen nicht prognostizieren. Selbst wenn diese eine Anschlussbeschäftigung finden, verlieren die entlassenen Arbeitnehmer ihre bisherige kündigungsschutzrechtliche Stellung und gehören bei künftigen Personalreduzierungen regelmäßig zu den Beschäftigten, denen wegen ihrer kurzen Betriebszugehörigkeit vorrangig gekündigt wird. Überdies können sie regelmäßig bei der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses nicht ihr bisheriges Arbeitsentgelt erzielen, was, ebenso wie die vorangehenden Zeiten einer Arbeitslosigkeit, zu Nachteilen in ihrer Rentenbiografie führt.
- 35
-
(c) Die Interessen der über 58-jährigen Arbeitnehmer sind im Sozialplan vom 16. Juni 2010 bei der Ausgestaltung der sie betreffenden Ausgleichsregelungen genügend beachtet worden. Die Betriebsparteien haben diese Beschäftigtengruppe nicht von Sozialplanleistungen ausgeschlossen, sondern ihnen einen Nettolohnausgleich für das nach der Entlassung entfallende Arbeitsentgelt bis zum frühestmöglichen Bezug einer gesetzlichen Altersrente gewährt. Darin liegt zwar gegenüber der in Nr. 2.4. SP 2010 vorgesehenen Berechnungsregel für Abfindungsleistungen ein Systemwechsel. Dieser ist jedoch nicht unangemessen, da durch den pauschalierten Nettolohnausgleich bis zur Inanspruchnahmemöglichkeit einer gesetzlichen Altersrente keine nennenswerten wirtschaftlichen Nachteile entstehen. Einen darüber hinausgehenden Ausgleich der Abschläge für die vorzeitige Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente mussten die Betriebsparteien angesichts der begrenzt zur Verfügung stehenden Sozialplanmittel und der den anderen Arbeitnehmern voraussichtlich entstehenden Nachteile nicht vorsehen.
- 36
-
4. Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht.
- 37
-
a) Der Senat hat bereits in seinen Entscheidungen vom 23. März 2010 (- 1 AZR 832/08 - Rn. 18) und vom 26. Mai 2009 (- 1 AZR 198/08 - Rn. 41, BAGE 131, 61) eingehend begründet, dass die zum Verständnis und zur Anwendung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) heranzuziehenden Grundsätze offenkundig, jedenfalls aber durch die jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Slg. 2009, I-1569; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Slg. 2007, I-8531; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Slg. 2005, I-9981) als geklärt anzusehen sind, so dass ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Zulässigkeit einer auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlung bei Sozialplanabfindungen nicht geboten ist.
- 38
-
b) Die Vereinbarkeit der Senatsrechtsprechung mit Unionsrecht wird überdies durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Dezember 2012 (- C-152/11 - [Odar]) vollumfänglich bestätigt. In diesem hat der Gerichtshof über die Vereinbarkeit einer Sozialplanregelung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG entschieden. Auch der Gerichtshof geht davon aus, dass eine Ungleichbehandlung von älteren Arbeitnehmern bei der Berechnung der Sozialplanabfindung durch ein legitimes Ziel iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt sein kann, wenn der Sozialplan die Gewährung eines Ausgleichs für die Zukunft, den Schutz der jüngeren Arbeitnehmer sowie die Unterstützung bei ihrer beruflichen Wiedereingliederung und eine gerechte Verteilung der begrenzten finanziellen Mittel bezweckt (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar], Rn. 42 f., 45). Eine in Abhängigkeit von Lebensalter und Betriebszugehörigkeit berechnete Abfindung könne bei Arbeitnehmern, die im Zeitpunkt der Entlassung durch den möglichen Bezug einer vorgezogenen gesetzlichen Altersrente wirtschaftlich abgesichert sind, gemindert werden (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar], Rn. 48). Diese Grundsätze entsprechen der Senatsrechtsprechung.
- 39
-
c) Entgegen der Auffassung des Klägers ist es unionsrechtlich nicht geboten, dass er als Abfindung zumindest einen Betrag in Höhe der Hälfte der nach Nr. 2.4. SP 2010 berechneten Abfindung erhält. Die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Odar lassen ein solches Verständnis von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nicht zu.
- 40
-
aa) Das Arbeitsgericht München hat den Gerichtshof im Verfahren nach Art. 267 AEUV ua. nach der Vereinbarkeit der im Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Regelung einer als „Vorsorglicher Sozialplan“ bezeichneten Vereinbarung mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG gefragt (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar], Rn. 30). Nach dieser berechnet sich die Abfindung nach den Faktoren Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Bruttomonatsentgelt (Standardformel). Für Mitarbeiter nach Vollendung des 55. Lebensjahres sieht der „Vorsorgliche Sozialplan“ eine geänderte Berechnung vor, die von der Zeit bis zum frühestmöglichen Renteneintritt abhängig ist (Sonderformel). Sollte die nach der Standardformel berechnete Abfindung größer sein als diejenige nach der Sonderformel, kommt die geringere Summe zur Auszahlung. Diese darf jedoch die Hälfte der Standardformelabfindung nicht unterschreiten.
- 41
-
bb) Der Gerichtshof hat zwar die im „Vorsorglichen Sozialplan“ vorgenommene Berechnung der Abfindung auf der Grundlage des frühestmöglichen Rentenbeginns als mit Unionsrecht für vereinbar gehalten (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar], Rn. 54). Hierauf kann der Kläger seinen Anspruch jedoch nicht stützen. Der Gerichtshof hat nicht verlangt, dass die Abfindung von rentennahen Arbeitnehmern stets die Hälfte der für andere Arbeitnehmer geltenden Abfindungsformel betragen muss. Eine solche Aussage enthält die Entscheidung nicht. Die vorgenannten Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs sind einzelfallbezogen und beschränken sich auf die Vereinbarkeit einer bestimmten nationalen Sozialplanregelung mit Unionsrecht. Sie enthalten lediglich einen Hinweis des Gerichtshofs an das vorlegende Gericht, mit dem diesem eine sachdienliche Antwort auf seine Vorlagefrage gegeben werden sollte (vgl. EuGH 15. April 2010 - C-433/05 - [Sandström], Rn. 35, Slg. 2010, I-2885).
- 42
-
d) Der Durchführung eines zur Klärung der vom Kläger angesprochenen Frage gerichteten Vorabentscheidungsverfahrens bedarf es nicht. Es ist offensichtlich, dass die von ihm vertretene Sichtweise durch das Unionsrecht nicht vorgegeben wird. Sie würde zu inkohärenten und systemwidrigen Ergebnissen führen. Der Europäische Gerichtshof hat die Minderung der nach der Standardformel berechneten Abfindung bei rentennahen Arbeitnehmern als legitimes Ziel anerkannt. Könnten diese unabhängig von der Zeit bis zu einer vorzeitigen Bezugsmöglichkeit einer vorzeitigen Altersrente stets die Hälfte der nach der Standardformel zu berechnenden Abfindung beanspruchen, erhielten Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - bei ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nur noch kurze Zeit vor dem Erreichen der vorzeitigen Altersgrenze stehen, die gleiche Abfindung wie solche Arbeitnehmer, die diesen Zeitpunkt erst nach Ablauf von mehreren Jahren erreichen. Eine solche pauschale Abfindungsberechnung widerspräche der Überbrückungsfunktion von Sozialplänen.
- 43
-
5. Da sich die in Abhängigkeit vom Lebensalter vorgenommene Abfindungsberechnung im Sozialplan vom 16. Juni 2010 als zulässig erweist, bedarf es keiner Entscheidung, ob der nach Nr. 2.4. SP 2010 berechnete Abfindungsanspruch deshalb entfallen wäre, weil der Kläger die ihm von der Beklagten angebotene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an einem anderen Standort abgelehnt hat.
- 44
-
II. Die Revision ist auch hinsichtlich der Jubiläumszahlung begründet.
- 45
-
Nach Nr. 2.4.1.4. SP 2010 erhält der Beschäftigte ua. eine Jubiläumszahlung nach den betrieblichen Regelungen, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von fünf Jahren vor Erreichen des 40-jährigen Dienstjubiläums beendet wird. Es kann dahinstehen, ob auch die von Nr. 2.5. SP 2010 erfassten Arbeitnehmer aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz Anspruch auf eine solche Jubiläumszahlung haben. Der Kläger erfüllt die in Nr. 2.4.1.4. SP 2010 bestimmten Voraussetzungen nicht. Sein Arbeitsverhältnis wäre bei einer Weiterarbeit bis zum Erreichen des Regelrentenalters vor Erreichen des 40-jährigen Dienstjubiläums beendet worden. Auf die Regelung in Nr. 6.17 BO 1993 vermag der Kläger seinen Anspruch nicht zu stützen. Nr. 2.4.1.4. SP 2010 stellt für die Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - unter den persönlichen Geltungsbereich des Sozialplans vom 16. Juni 2010 fallen, eine abschließende Regelung über die entfallende Jubiläumszahlung dar. Im Übrigen erfüllt er auch die Nr. 6.17 BO 1993 genannten Voraussetzungen nicht. Die Vorschrift setzt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch das Erreichen einer gesetzlichen Altersgrenze („Pensionierung“) voraus.
-
Schmidt
Linck
Koch
Platow
Rath
Tenor
-
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. Dezember 2009 - 16 Sa 577/09 - wird zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Sozialplanabfindung.
- 2
-
Der 1951 geborene und mit einem Grad von 50 behinderte Kläger war seit 1989 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen in D als Schichtelektriker beschäftigt. Er bezog zuletzt ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.231,85 Euro zuzüglich einer Prämie und Schichtzuschlägen. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Papierindustrie der Bundesrepublik Deutschland Anwendung.
- 3
-
Der Kläger war aufgrund eines Wegeunfalls seit Dezember 2001 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 1. April 2003 bezog er eine zunächst bis zum 30. Juni 2007 befristete gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung, die im Juni 2007 bis zum 30. Juni 2009 verlängert wurde. Seit dem 1. Juli 2009 ist der Rentenbezug unbefristet.
- 4
-
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten legte den Betrieb in D aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom Oktober 2006 zum 31. Dezember 2007 vollständig still. Zuvor hatte sie mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat am 13. März 2007 einen Interessenausgleich und einen Sozialplan vereinbart. Nach Nr. 1.1 dieses Sozialplans sind alle Arbeitnehmer anspruchsberechtigt, die am 4. Oktober 2006 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen und deren Arbeitsverhältnis durch eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung, eine Eigenkündigung oder durch Aufhebungsvertrag endet. Leistungen aus diesem Sozialplan erhalten auch Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis ruht. Als Beispiele hierfür sind Elternzeit, Mutterschutz, Wehr- und Zivildienst genannt. Die Höhe der Abfindung richtet sich grundsätzlich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit und dem Lebensalter. Die Geburtsjahrgänge 1951 und 1952 erhalten 67 % und die Geburtsjahrgänge 1950 und älter 70 % des letzten Nettoentgelts multipliziert mit der Anzahl der Monate vom Austritt bis zum Ende des Monats, in dem der Beschäftigte das 63. Lebensjahr vollendet. Der so ermittelte Nettobetrag ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften auf eine einmalige Bruttoabfindung hochzurechnen und wird mit der letzten Abrechnung zur Auszahlung gebracht.
- 5
-
Nach Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans beendete die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Arbeitsverhältnisse der insgesamt 358 Arbeitnehmer durch betriebsbedingte Kündigungen oder auf andere Weise. Davon ausgenommen waren zunächst nur der Kläger und drei weitere Arbeitnehmer, die zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bezogen.
-
Am 10. Oktober 2007 schlossen die Betriebsparteien eine „Betriebsvereinbarung zur Ergänzung des Sozialplanes“ vom 13. März 2007 (BV-Ergänzung). Darin ist bestimmt:
-
„Präambel
…
Die Betriebsparteien sind bei Abschluss des Sozialplanes übereinstimmend davon ausgegangen, dass Mitarbeiter, die aufgrund des Bezuges befristeter voller Erwerbsminderungsrente zum Stichtag 04.10.2006 nicht mehr beschäftigt sind und deren Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar ist, Leistungen aus dem Sozialplan nicht erhalten sollen.
Vorsorglich und zur Vermeidung von Streitfällen setzen die Betriebspartner diesen Willen mit der nachfolgenden Ergänzung zum Sozialplan nochmals um:
§ 1 - Ergänzung der Ausschlussgründe zur Anspruchsberechtigung
Ziff. 1.2 des Sozialplanes vom 13.03.2007 wird wie folgt ergänzt:
Nicht anspruchsberechtigt sind des Weiteren Arbeitnehmer, die am 04.10.2006 unter Bezug einer befristeten vollen Erwerbsminderungsrente nicht beschäftigt sind und
-
die nach Ablauf der befristeten Erwerbsminderungsrente berechtigt sind, die gesetzliche Regelaltersrente - auch vorgezogen unter Hinnahme von Abschlägen - zu beanspruchen;
-
deren Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit unbefristet geleistet werden oder unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI);
-
bei denen aus anderen Gründen damit zu rechnen ist, dass die mit der Erwerbsminderung einhergehende Arbeitsunfähigkeit auf Dauer fortbesteht oder zumindest in absehbarer Zeit nicht behoben werden kann und damit einen Grund zur personenbedingten, da krankheitsbedingten, Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG vorliegt. Die Betriebsparteien gehen davon aus, dass dies bei einer die Rente wegen voller Erwerbsminderung begleitenden Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Jahren oder einer entsprechenden Bewilligung von voller Erwerbsminderungsrente für mehr als drei Jahre gegeben sind.
§ 2 - Besonderer Härtefonds
Zum Ausgleich besonderer sozialer Härten stellt S einen Härtefonds in Höhe von 40.000,-- € für die in § 1 benannten Mitarbeiter zur Verfügung. Mit diesem Härtefonds sollen zusätzliche soziale Härten der ausscheidenden Mitarbeiter abgemildert werden. …“
- 7
-
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2007 kündigte die Beklagte „aufgrund der Betriebsschließung“ das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Juli 2008. Der Kläger hat hiergegen keine Kündigungsschutzklage erhoben. Aus dem „Besonderen Härtefonds“ erhielt er eine Abfindung von 10.000,00 Euro.
- 8
-
Der Kläger hat geltend gemacht, er habe einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aus dem Sozialplan vom 13. März 2007. Der in der BV-Ergänzung vereinbarte Anspruchsausschluss sei unwirksam. Er benachteilige behinderte Menschen und verletze den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, da er nicht für alle ruhenden Arbeitsverhältnisse gelte.
-
Der Kläger hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 222.700,60 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. August 2008 zu zahlen.
- 10
-
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, es sei von Anfang an übereinstimmender Wille der Betriebsparteien gewesen, Arbeitnehmer, die aufgrund des Bezugs einer vollen Erwerbsminderungsrente zum Stichtag nicht beschäftigt worden seien und bei denen die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar gewesen sei, von den Sozialplanleistungen auszuschließen. Dies sei in der BV-Ergänzung nur bestätigt worden. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen einer Behinderung liege nicht vor, weil die BV-Ergänzung nicht an eine Behinderung als Differenzierungskriterium anknüpfe, sondern an den Bezug einer vollen Erwerbsminderungsrente.
-
Das Arbeitsgericht hat der zunächst auf die Zahlung einer Sozialplanabfindung in Höhe von 133.463,44 Euro brutto gerichteten und nachfolgend auf 222.700,60 Euro brutto erhöhten Klage in Höhe von 123.463,44 Euro brutto stattgegeben und sie im Übrigen wegen Verfalls der Ansprüche und der von der Beklagten in Höhe von 10.000,00 Euro erklärten Aufrechnung abgewiesen. Dagegen haben beide Parteien im Umfang ihres Unterliegens Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in voller Höhe weiter.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
- 13
-
I. Die Ansprüche des Klägers auf Zahlung einer Sozialplanabfindung richten sich nach dem Sozialplan vom 13. März 2007 idF der BV-Ergänzung vom 10. Oktober 2007.
- 14
-
1. Die Betriebsparteien haben den Sozialplan vom 13. März 2007 durch die BV-Ergänzung vom 10. Oktober 2007 geändert und mit deren § 1 den in Nr. 1.2 des Sozialplans vom 13. März 2007 näher bestimmten Kreis der nicht anspruchsberechtigten Beschäftigten erweitert. Diese Regelung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht lediglich deklaratorisch, sondern konstitutiv, weil die dort geregelten „Ausschlussgründe zur Anspruchsberechtigung“ in dem Sozialplan vom 13. März 2007 nicht enthalten waren.
- 15
-
2. Die Änderung des Sozialplans vom 13. März 2007 durch die BV-Ergänzung verstößt nicht gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes.
- 16
-
a) Die Betriebsparteien können die Regelungen einer Betriebsvereinbarung jederzeit für die Zukunft abändern. Die neue Betriebsvereinbarung kann dabei auch Bestimmungen enthalten, die für die Arbeitnehmer ungünstiger sind. Im Verhältnis zweier gleichrangiger Normen gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern die Zeitkollisionsregel. Danach geht die jüngere Norm der älteren vor. Eine spätere Betriebsvereinbarung kann allerdings bereits entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht schmälern. Vielmehr ist die Möglichkeit einer Rückwirkung normativer Regelungen durch das Vertrauensschutz- und das Verhältnismäßigkeitsprinzip beschränkt (BAG 2. Oktober 2007 - 1 AZR 815/06 - Rn. 19, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 20).
- 17
-
b) Die BV-Ergänzung greift nicht in bereits entstandene Rechte des Klägers ein. Die Änderung des Sozialplans vom 13. März 2007 erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger noch keinen Anspruch auf Sozialplanleistungen erworben hatte. Ohne anderslautende Bestimmung entstehen derartige Ansprüche erst mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses (BAG 2. Oktober 2007 - 1 AZR 815/06 - Rn. 21, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 20). Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers erst am 10. Dezember 2007 zum 31. Juli 2008 und damit nach Abschluss der BV-Ergänzung vom 10. Oktober 2007 gekündigt hat, kann offenbleiben, ob der Sozialplan den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung bereits auf den Ausspruch der Kündigung vorverlagert hat. Im Zeitpunkt der Vereinbarung der BV-Ergänzung hatte der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Rechtsposition inne, die ein schutzwürdiges Vertrauen in die Unabänderbarkeit der Regelungen vom 13. März 2007 hätte begründen können.
- 18
-
3. Der Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten - vorbehaltlich der Bestimmungen in § 1 BV-Ergänzung - nach Nr. 1.1 des Sozialplans an sich anspruchsberechtigt. Er stand am 4. Oktober 2006 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis, das durch betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 10. Dezember 2007 beendet wurde. Die Beklagte hat in dem Kündigungsschreiben als Grund für die Kündigung ausdrücklich die Betriebsschließung angegeben. Ob daneben auch ein personenbedingter Kündigungsgrund bestand, ist unerheblich, weil die Beklagte keine derartige Kündigung erklärt hat.
- 19
-
II. Der Kläger hat nach § 1 3. Spiegelstrich Satz 2 BV-Ergänzung keinen Anspruch auf Sozialplanleistungen. Er war an dem maßgeblichen Stichtag, dem 4. Oktober 2006, mehr als drei Jahre, nämlich seit Dezember 2001 arbeitsunfähig und bezog seit dem 1. April 2003 und damit seit mehr als drei Jahren volle Erwerbsminderungsrente. Nach dieser Bestimmung war deshalb damit zu rechnen, dass die mit der Erwerbsminderung einhergehende Arbeitsunfähigkeit auf Dauer fortbesteht oder zumindest in absehbarer Zeit nicht behoben werden würde. Dieser Anspruchsausschluss ist wirksam.
- 20
-
1. Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht, wie insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG), vereinbar sind. Danach haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in dieser Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat darin die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote übernommen(BAG 12. April 2011 - 1 AZR 764/09 - Rn. 10 f.). Dazu gehört auch das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung.
- 21
-
2. Der in § 75 Abs. 1 BetrVG enthaltene Begriff der Benachteiligung und die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung richten sich nach den Vorschriften des AGG(BT-Drucks. 16/1780 S. 56). Eine unmittelbare Benachteiligung liegt dabei gemäß § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Benachteiligungsgrundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Dagegen handelt es sich nach § 3 Abs. 2 AGG um eine mittelbare Benachteiligung, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
- 22
-
3. § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung führt zu einer unmittelbaren Ungleichbehandlung iSd. § 3 Abs. 1 AGG.
- 23
-
a) Eine unmittelbare Ungleichbehandlung liegt nicht nur vor, wenn die weniger günstige Behandlung ausdrücklich wegen eines in § 1 AGG aufgeführten Grundes erfolgt. Von § 3 Abs. 1 AGG wird vielmehr auch eine sog. verdeckte unmittelbare Ungleichbehandlung erfasst, bei der die Differenzierung zwar nicht ausdrücklich wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt, sondern an ein in dieser Vorschrift nicht enthaltenes Merkmal anknüpft, das jedoch in einem untrennbaren Zusammenhang mit einem in dieser Vorschrift genannten Grund steht(BT-Drucks. 16/1780 S. 32; dazu auch BVerfG 28. April 2011 - 1 BvR 1409/10 - Rn. 54, ZTR 2011, 434).
- 24
-
b) Dementsprechend führt § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung zu einer unmittelbaren Ungleichbehandlung iSd. § 3 Abs. 1 AGG. Die zum Ausschluss von Sozialplanleistungen führenden Gründe stehen in einem untrennbaren Zusammenhang mit der nach § 1 AGG verbotenen Differenzierung wegen einer Behinderung.
- 25
-
(1) Nach der Gesetzesbegründung zu § 1 AGG sind entsprechend der in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX enthaltenen Begriffsbestimmung Menschen behindert, wenn ihre körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist(BT-Drucks. 16/1780 S. 31). Das steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, nach der eine Behinderung iSd. Richtlinie 2000/78/EG eine wahrscheinlich längere Zeit andauernde Einschränkung ist, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist und die ein Hindernis für die Teilhabe des Betreffenden am Berufsleben bildet (11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacon Navas] Rn. 43 ff., Slg. 2006, I-6467).
- 26
-
Gem. § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung sind nicht anspruchsberechtigt Arbeitnehmer, die am 4. Oktober 2006 unter Bezug einer befristeten vollen Erwerbsminderungsrente nicht beschäftigt waren und bei denen aus anderen Gründen damit zu rechnen ist, dass die mit der Erwerbsminderung einhergehende Arbeitsunfähigkeit auf Dauer fortbesteht oder zumindest in absehbarer Zeit nicht behoben werden kann und damit einen Grund zur personenbedingten, da krankheitsbedingten Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG vorliegt. Die Betriebsparteien sind dabei davon ausgegangen, dass diese Anforderungen bei einer die Rente wegen voller Erwerbsminderung begleitenden Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Jahren oder einer entsprechenden Bewilligung von voller Erwerbsminderungsrente für mehr als drei Jahre erfüllt sind. Soweit in § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung auf den Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung abgestellt wird, müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI erfüllt sein. Danach sind Versicherte voll erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
- 27
-
(2) Die Gegenüberstellung der Merkmale des Begriffs der Behinderung und der tatbestandlichen Anforderungen des § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung macht deutlich, dass diese in einem untrennbaren Zusammenhang mit der nach § 1 AGG verbotenen Differenzierung wegen einer Behinderung stehen. Ein Arbeitnehmer, der den Tatbestand des § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung erfüllt, ist in der Teilhabe am Berufsleben längere Zeit eingeschränkt. Daher hat die Regelung eine unmittelbare Ungleichbehandlung des Klägers wegen einer Behinderung zur Folge.
- 28
-
4. Diese Ungleichbehandlung stellt jedoch keine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG dar, denn der Kläger wird durch den Ausschlusstatbestand in § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung nicht gegenüber Personen in einer „vergleichbaren Situation“ benachteiligt.
- 29
-
a) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG setzt voraus, dass eine Person eine weniger günstige Behandlung, als eine andere Person in vergleichbarer Situation erfährt. Der deutsche Gesetzgeber hat insoweit die Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG, die ebenfalls eine vergleichbare Situation voraussetzt, unverändert umgesetzt. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine unmittelbare Benachteiligung nur dann vorliegt, wenn sich die betroffenen Personen in einer vergleichbaren Lage befinden (vgl. 10. Mai 2011 - C-147/08 - [Römer] Rn. 41, ZTR 2011, 437; 18. November 2010 - C-356/09 - [Kleist] Rn. 32 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 76/207 Nr. 8; 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 72 f., Slg. 2008, I-1757; 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [Hlozek] Rn. 44 ff., Slg. 2004, I-11491 zu Art. 141 EG sowie 1. März 2011 - C-236/09 - [Test-Achats] Rn. 28 f. zu Art. 5 der Richtlinie 2004/113/EG). Die Situationen müssen nicht identisch, sondern nur vergleichbar sein. Dies ist nicht allgemein und abstrakt, sondern spezifisch und konkret von den nationalen Gerichten im Einzelfall anhand des Zwecks und der Voraussetzungen für die Gewährung der fraglichen Leistungen festzustellen (EuGH 10. Mai 2011 - C-147/08 - [Römer] Rn. 52; 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 73, aaO). Danach ist unionsrechtlich geklärt, dass ein letztentscheidungsbefugtes nationales Gericht unter Zugrundelegung des vom Gerichtshof entwickelten Vergleichsmaßstabs selbst zu prüfen hat, ob sich der Betroffene in einer vergleichbaren Situation mit anderen befindet. Die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV war deshalb nicht geboten.
- 30
-
b) Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen dem Kläger und den nach dem Sozialplan anspruchsberechtigten Arbeitnehmern keine vergleichbare Situation.
- 31
-
aa) Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen gem. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können(18. Mai 2010 - 1 AZR 187/09 - Rn. 22 mwN, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 209 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 38). Die Sozialplanleistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar (BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 23, BAGE 131, 61).
- 32
-
bb) Hiervon ausgehend sind entgegen der Auffassung der Revision nicht alle Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung verloren haben, bereits aus diesem Grund in einer „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG. Die Vergleichbarkeit bestimmt sich vielmehr nach der zukunftsbezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplans. Dementsprechend kommt es darauf an, ob sich der Kläger und die vom Sozialplan begünstigten Arbeitnehmer in Bezug auf ihre durch die Betriebsstilllegung verursachten wirtschaftlichen Nachteile in einer vergleichbaren Situation befinden.
- 33
-
cc) Danach besteht zwischen dem Kläger und den anspruchsberechtigten Arbeitnehmern keine vergleichbare Situation. Während diese infolge der Betriebsschließung und dem damit verbundenen Verlust der Arbeitsplätze ihren Arbeitsverdienst verloren haben, erhielt der Kläger bereits vor der Betriebsschließung kein Arbeitsentgelt mehr, sondern eine Erwerbsminderungsrente. Hieran hat sich durch die Betriebsstilllegung nichts geändert. Der Kläger verkennt, dass die Sozialplanabfindung keine Belohnung für die Dienste in der Vergangenheit ist, sondern eine zukunftsgerichtete Hilfe, die dazu dient, künftige Nachteile auszugleichen oder zu mildern, die als Folge einer Betriebsänderung entstehen. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für die Vergleichbarkeit der Situationen nicht darauf an, ob ein Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglicherweise einen Anspruch auf Auszahlung einer Kapitallebensversicherung hat und hierdurch finanziell abgesichert ist. Diese auf privaten Dispositionen des Einzelnen beruhende wirtschaftliche Absicherung steht in keinem Zusammenhang mit dem Verlust des Arbeitsplatzes infolge einer Betriebsänderung und der damit einhergehenden Verdiensteinbuße. Den nach dem Sozialplan anspruchsberechtigten Arbeitnehmern entstehen deshalb auch dann wirtschaftliche Nachteile, wenn sie Leistungen aus einer privaten Kapitallebensversicherung beziehen können. Derartige Nachteile treten beim Kläger nicht ein.
- 34
-
III. § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG, soweit nach dem Sozialplan auch Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ruht, wie beispielsweise während der Elternzeit, dem Mutterschutz oder dem Wehr- und Zivildienst, anspruchsberechtigt sind.
- 35
-
1. Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG 14. Dezember 2010 - 1 AZR 279/09 - Rn. 15, NZA-RR 2011, 182).
-
2. Danach ist die von den Betriebsparteien vorgenommene Gruppenbildung nicht zu beanstanden. Die Betriebsparteien durften in Bezug auf die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ruht, davon ausgehen, dass sie nach Beendigung des Ruhenstatbestands in den Betrieb zurückkehren und dort wieder arbeiten und entlohnt werden. Dieser Personenkreis hat damit infolge der Betriebsänderung einen wirtschaftlichen Nachteil erlitten. Dagegen konnten die Betriebsparteien davon ausgehen, dass die von § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung erfassten Personen nicht wieder arbeiten werden und damit auch kein Erwerbseinkommen erzielen können. Folglich fehlt es bei diesem Personenkreis an einem ausgleichsfähigen wirtschaftlichen Nachteil.
-
Linck
Koch
Spelge
Für den aus dem Amt
ausgeschiedenen ehrenamtlichen
Richter Dr. Münzer
LinckN. Schuster
Tenor
-
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 11. Februar 2009 - 11 Sa 598/08 - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.
- 2
-
Die Klägerin war seit dem 1. Januar 1980 bei der A Versicherungs-AG in der Poststelle beschäftigt. Ihr Verdienst betrug bei einer Arbeitszeit von 60 % der regelmäßigen Arbeitszeit ab April 2005 rund 1.600,00 Euro. Zusätzlich erhielt sie bis März 2007 eine monatliche Ausgleichszahlung in Höhe von 50 % der Differenz zu der zuvor bezogenen Vergütung als Vollzeitbeschäftigte.
- 3
-
Ab 2006 wurde das deutsche Versicherungsgeschäft der A unter dem Dach der beklagten A Deutschland AG(ADAG) neu organisiert. Im Zuge dieser Umstrukturierung sollten bis Ende 2008 insgesamt 5.700 Stellen wegfallen. Hiervon waren auch die Mitarbeiter der A Versicherungs-AG betroffen. Die durch die Betriebsänderungen entstehenden wirtschaftlichen Nachteile für die Mitarbeiter sollten durch den von den betroffenen Unternehmen mit den bei ihnen bestehenden Gesamtbetriebsräten vereinbarten „Sozialplan zur Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG“ (SP-Neuordnung) vom 28. April 2006 ausgeglichen werden. Dieser Sozialplan galt auch für die Beklagte und die A Versicherungs-AG. Zur Berechnung der Grundabfindung für Vollzeitbeschäftigte des Innendienstes wurde in dem Sozialplan ein Mindestbruttomonatsverdienst in Höhe von 3.000,00 Euro zugrunde gelegt. Für Teilzeitbeschäftigte bestimmte sich die Höhe des Mindestbruttomonatsverdienstes grundsätzlich anteilig nach der jeweiligen Vertragsarbeitszeit. Eine vorangegangene Vollzeitbeschäftigung war allerdings zu berücksichtigen, wenn die individuelle Arbeitszeitverkürzung aus betriebsbedingten Gründen in den letzten zwei Jahren vor Inkrafttreten des Sozialplans vereinbart wurde, was der Fall sein sollte, wenn der Arbeitnehmer eine Ausgleichszahlung zur bestehenden Gehaltsdifferenz erhielt.
- 4
-
Zeitgleich mit dem Abschluss des Sozialplans schlossen dieselben Parteien am 28. April 2006 die „Gesamtbetriebsvereinbarung zur Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG - Sozialverträgliche Umsetzung der Neuordnung -“(GBV-Neuordnung). Nach deren Präambel sollte mit der Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel der Personalabbau durch einvernehmliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen beschleunigt werden. Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendeten, erhielten neben der Sozialplanabfindung eine nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte zusätzliche Abfindung.
- 5
-
Am 31. Januar 2007 verzichteten die Beklagte sowie die unter ihrem Dach zusammengefassten Unternehmen in einer mit den bei ihnen bestehenden Gesamtbetriebsräten geschlossenen „Vereinbarung zum besonderen Kündigungsschutz im Rahmen der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG“(Vereinbarung besonderer Kündigungsschutz) auf betriebsbedingte Kündigungen bis Ende des Jahres 2009.
- 6
-
Die Klägerin vereinbarte am 20. März 2007 mit der A Versicherungs-AG einen Aufhebungsvertrag, wodurch das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2008 gegen Zahlung einer Abfindung nach dem SP-Neuordnung in Höhe von 109.875,00 Euro brutto beendet wurde. Am 1. Juni 2007 ging ihr Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über.
- 7
-
Am 11. Juli 2007 schloss die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat eine „Gesamtbetriebsvereinbarung über die Bereitstellung von ergänzenden finanziellen Mitteln zur Unterstützung der personalwirtschaftlichen Ziele der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts unter dem Dach der A Deutschland AG“(GBV-Sonderfonds). Diese sollte nach ihrer Präambel besonderen sozialen Härten bei bestimmten Mitarbeitern Rechnung tragen und gewährleisten, dass das arbeitgeberseitige Abbauziel von 5.700 Stellen zeitgerecht sozialverträglich durch einvernehmliche Maßnahmen erreicht wird. Hierzu wurde für einzelne Mitarbeitergruppen, ua. für die Beschäftigten aus dem Post-/Scan- und Verteilbereich, ein Sonderfonds aufgelegt. Diese Mitarbeiter sollten zeitnah ein Angebot zur einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten, in dem bei der Berechnung der Sozialplanabfindung nach dem SP-Neuordnung und der Berechnung der zusätzlichen Abfindung nach der GBV-Neuordnung ein Mindestbruttoverdienst von 5.000,00 Euro zugrunde zu legen war. Nach Nr. 4 GBV-Sonderfonds waren allerdings nur diejenigen Arbeitnehmer anspruchsberechtigt, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung, dh. am 11. Juli 2007, noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses unterzeichnet hatten.
- 8
-
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte die Beklagte die vereinbarte Abfindung in Höhe von 109.875,00 Euro brutto. Diese hält die Klägerin nicht für ausreichend. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der Berechnung der Abfindung sei entsprechend der GBV-Sonderfonds ein Bruttomonatseinkommen in Höhe von 5.000,00 Euro je Beschäftigungsjahr zugrunde zu legen. Hieraus ergebe sich ein Abfindungsanspruch in Höhe von insgesamt 183.125,00 Euro, jedenfalls aber von 174.206,81 Euro bei einer durchschnittlichen Beschäftigungsquote von 0,9513 bezogen auf die gesamte Dauer der Betriebszugehörigkeit. Die Beschränkung des Geltungsbereichs dieser Gesamtbetriebsvereinbarung auf Mitarbeiter, die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch keinen Aufhebungsvertrag unterzeichnet hatten, verstoße gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und sei damit unwirksam.
-
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an sie 73.250,00 Euro brutto, hilfsweise 64.331,81 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Oktober 2008 zu bezahlen.
- 10
-
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags geltend gemacht, mit der GBV-Sonderfonds habe ein besonderer zusätzlicher Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen geschaffen werden sollen. Wegen des vereinbarten Verzichts auf betriebsbedingte Kündigungen sei der angestrebte Personalabbau von 5.700 Stellen nicht anders erreichbar gewesen.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die gemäß § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ordnungsgemäß begründete und damit zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
- 13
-
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus der GBV-Sonderfonds auf Zahlung einer weiteren Abfindung. Eine solche Leistung steht nach Nr. 4 GBV-Sonderfonds nur Mitarbeitern zu, die am 11. Juli 2007 noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses unterschrieben haben. Von diesem persönlichen Geltungsbereich wird die Klägerin nicht erfasst. Sie hat ihren Aufhebungsvertrag am 20. März 2007 unterzeichnet.
- 14
-
II. Die Stichtagsregelung in Nr. 4 GBV-Sonderfonds ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG.
- 15
-
1. Die Betriebsparteien haben beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck(BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 25 mwN, BAGE 125, 366).
- 16
-
Erfolgt die Gruppenbildung durch eine Stichtagsregelung, muss auch diese mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein. Dabei kommt den Betriebsparteien sowohl bei der Gruppenbildung als auch bei der Bestimmung des darauf bezogenen Stichtags ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Die durch eine Stichtagsregelung verursachten Härten müssen hingenommen werden, wenn sich unter Berücksichtigung des Regelungszwecks die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist(vgl. BAG 22. März 2005 - 1 AZR 49/04 - zu 3 a der Gründe, BAGE 114, 179).
- 17
-
2. In der GBV-Sonderfonds haben die Betriebsparteien mehrere Gruppenbildungen vorgenommen. Nach deren Nr. 1 Abs. 2 erstreckt sich der persönliche Geltungsbereich nur auf diejenigen Arbeitnehmer, die von der Neuordnung der Post-/Scan- und Verteilfunktionen innerhalb der ADAG betroffen waren, sowie auf Mitarbeiter von Support- bzw. ehemaliger Organisationseinheiten in Dienstleistungsgebieten. Damit waren Mitarbeiter anderer Bereiche, die ebenfalls von der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der ADAG erfasst waren, von den Begünstigungen der GBV-Sonderfonds ausgenommen. Darüber hinaus erfolgt eine Gruppenbildung nach den Bruttoverdiensten der Arbeitnehmer. Die GBV-Sonderfonds begünstigt gemäß deren Nr. 1 Abs. 4 ausschließlich diejenigen Arbeitnehmer, deren Verdienst bei Vollzeitbeschäftigung den der Abfindungsberechnung zugrunde zu legenden Bruttomonatsverdienst von 5.000,00 Euro nicht erreicht. Arbeitnehmer mit einem höheren Einkommen erlangen durch die GBV-Sonderfonds keinen finanziellen Vorteil. Schließlich haben die Betriebsparteien in Nr. 4 GBV-Sonderfonds eine stichtagsbezogene Gruppenbildung vorgesehen, indem sie deren Leistungen auf diejenigen begünstigten Arbeitnehmer beschränkten, die bis zum 11. Juli 2007 noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses geschlossen hatten. Damit sind Arbeitnehmer unterer Lohngruppen aus den in Nr. 1 Abs. 2 GBV-Sonderfonds genannten Bereichen, die zu einem früheren Zeitpunkt aus Anlass der erfolgten Umstrukturierung einen Aufhebungsvertrag vereinbart hatten, von den Leistungen der GBV-Sonderfonds ausgenommen. Das beanstandet die Klägerin.
- 18
-
3. Die durch die Stichtagsregelung in Nr. 4 GBV-Sonderfonds bewirkte Ungleichbehandlung ist nach dem mit ihr verfolgten einheitlichen Zweck sachlich gerechtfertigt und damit mit § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar.
- 19
-
a) Die GBV-Sonderfonds bezweckt, durch finanzielle Anreize für bestimmte Beschäftigtengruppen die Bereitschaft zum Abschluss von Aufhebungsverträgen zu fördern. Das folgt aus ihrer Präambel. Danach soll die GBV-Sonderfonds gewährleisten, dass das arbeitgeberseitige Ziel eines Personalabbaus von 5.700 Arbeitskapazitäten ohne betriebsbedingte Kündigungen erreicht werden kann. Soweit es in der Präambel weiter heißt, die Vereinbarung sei geschlossen worden, um den besonderen sozialen Härten bestimmter Mitarbeitergruppen im Rahmen der Neuordnung des Versicherungsgeschäfts Rechnung tragen zu können, ergibt sich daraus kein weitergehender Zweck. Die mit den Leistungen der GBV-Sonderfonds angestrebte Förderung einvernehmlicher Vertragsbeendigungen beruht auf der Einschätzung der Betriebsparteien, bei Mitarbeitern der unteren Entgeltgruppen mit typischerweise schlechten beruflichen Perspektiven könne die Bereitschaft zum Abschluss von Aufhebungsverträgen nur durch eine Aufstockung der finanziellen Anreize gesteigert werden. Dazu haben die Betriebsparteien für die Berechnung der Abfindung ein Mindestbruttoentgelt von 5.000,00 Euro zugrunde gelegt. Davon profitieren allein Arbeitnehmer der unteren Entgeltgruppen, deren Bruttomonatsentgelt diese Grenze typischerweise nicht erreicht.
- 20
-
b) Die Schaffung besonderer Anreize zur einvernehmlichen Beendigung von Arbeitsverhältnissen war aus Sicht der Betriebsparteien geboten, nachdem bis Ende Juni 2007 erst 4.060 Stellen von den in Aussicht genommenen 5.700 Arbeitskapazitäten abgebaut waren und der Beklagten der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen wegen des mit den Gesamtbetriebsräten der betroffenen Unternehmen vereinbarten Kündigungsverzichts bis Ende 2009 verwehrt war. Diese Einschätzung sowie die Annahme der Betriebsparteien, Arbeitnehmer der unteren Entgeltgruppen mit typischerweise negativen beruflichen Perspektiven seien nur durch einen zusätzlichen finanziellen Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen zu motivieren, hält sich innerhalb ihrer Typisierungsbefugnis und Einschätzungsprärogative. Soweit die Revision beanstandet, der zu erfolgende Stellenabbau sei innerhalb der verbleibenden Zeit auch ohne weitere Anreize möglich gewesen, weil die Beklagte die Einigungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft habe, setzt sie lediglich ihre Beurteilung der Verhältnisse an Stelle der Einschätzung der Betriebsparteien. Zudem übersieht sie, dass aufgrund des vereinbarten Kündigungsverzichts für die betroffenen Arbeitnehmer bis Ende 2009 keine Veranlassung bestand, auf ein Aufhebungsangebot der Beklagten einzugehen. Letztlich beanstandet die Klägerin auch nicht die auf dieser Einschätzung beruhende und sie begünstigende Gruppenbildung, sondern allein die darauf bezogene Stichtagsregelung.
- 21
-
c) Entsprechend diesem Regelungszweck ist die Stichtagsregelung der Nr. 4 der GBV-Sonderfonds wirksam. Die GBV-Sonderfonds ist eine freiwillige Betriebsvereinbarung iSd. § 88 BetrVG und kein Sozialplan iSd. § 112 Abs. 1 BetrVG.
- 22
-
aa) Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können. Ein Sozialplan dient nicht dazu, die individualrechtlichen Risiken des Arbeitgebers bei der Durchführung der Betriebsänderung zu reduzieren oder zu beseitigen (BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 254/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 68). Derartige Ziele kann der Arbeitgeber allerdings gemeinsam mit dem Betriebsrat in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG verfolgen. Eine solche Betriebsvereinbarung unterliegt nicht den für Sozialpläne aus § 112 Abs. 1 BetrVG folgenden Regelungsbeschränkungen (vgl. BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 31, BAGE 125, 366). In ihr können die Betriebsparteien auch Regelungen treffen, die dazu dienen, das arbeitgeberseitige Interesse an einem zügigen Personalabbau durch einvernehmliche Beendigungsvereinbarungen mit den Arbeitnehmern zu verwirklichen, wenn daneben in einem Sozialplan nach § 112 Abs. 1 BetrVG ein angemessener Ausgleich der den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile vereinbart worden ist.
- 23
-
bb) Die GBV-Sonderfonds bezweckt - wie dargelegt - nicht den Ausgleich oder die Milderung der durch den geplanten Personalabbau entstehenden wirtschaftlichen Nachteile, sondern die Förderung der Bereitschaft von Arbeitnehmern, durch den Abschluss von Aufhebungsverträgen einvernehmlich ihre Arbeitsverhältnisse zu beenden. Die durch die Betriebsänderungen den betroffenen Arbeitnehmern entstandenen Nachteile sind durch den SP-Neuordnung ausgeglichen worden. Unerheblich ist, dass der Anreiz zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags dadurch geschaffen worden ist, dass ein Element der Abfindungsformel des Sozialplans geändert wurde und sich so für den von der GBV-Sonderfonds erfassten Personenkreis ein höherer Abfindungsbetrag ergibt. Die Betriebsparteien sind im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen nach § 88 BetrVG frei, wie sie den Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen ausgestalten.
- 24
-
cc) Durch die GBV-Sonderfonds haben die Betriebsparteien nicht die Regelungsziele des § 112 Abs. 1 BetrVG umgangen. Dem SP-Neuordnung sind nicht Mittel für eine angemessene Dotierung vorenthalten worden, um damit anschließend den Sonderfonds der GBV-Sonderfonds auszustatten. Zwar heißt es in der GBV-Sonderfonds, der Sonderfonds werde aus Sozialplanmitteln aufgelegt. Daraus ergibt sich jedoch nicht ohne Weiteres, dass die Beklagte von vornherein den Dotierungsrahmen des SP-Neuordnung beschränkt und sich eine Aufstockung vorbehalten hat. Dagegen spricht maßgeblich, dass der SP-Neuordnung überaus angemessene Abfindungsregelungen enthält. So beläuft sich die der Klägerin ausgezahlte Abfindung auf rund 68 Monatsgehälter bei einer Betriebszugehörigkeit von 28,75 Jahren. Bereits dies spricht gegen die Annahme, die Beklagte habe den SP-Neuordnung nicht ausreichend dotiert, um spätere Anreizregelungen zu finanzieren. Die Klägerin hat auch nicht behauptet und es ist auch im Übrigen nicht ersichtlich, dass das von der Beklagten ursprünglich verfolgte Personalkonzept nicht verwirklicht werden konnte und der beabsichtigte Stellenabbau von vornherein nur durch höhere Abfindungen hätte erreicht werden können. Auch wenn die in der GBV-Sonderfonds vereinbarten höheren Abfindungen ein beträchtliches finanzielles Volumen haben, ergeben sich allein daraus keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dem Sozialplan Mittel vorenthalten hat.
- 25
-
dd) In Anbetracht der zulässigen Anreizfunktion der GBV-Sonderfonds ist es mit § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar, den Stichtag für den Erhalt einer finanziellen Vergünstigung auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Gesamtbetriebsvereinbarung festzulegen und damit diejenigen Arbeitnehmer auszuschließen, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten und hierfür keines weiteren Anreizes mehr bedurften.
-
4. Der von der Klägerin gestellte „Hilfsantrag“ fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er stellt keinen eigenen Streitgegenstand dar, ihm liegt vielmehr lediglich eine andere Berechnung für die von der Klägerin mit ihrem Hauptantrag erfolglos geltend gemachte weitere Abfindungszahlung zugrunde.
-
Schmidt
Koch
Linck
Federlin
Platow
Tenor
-
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 16. September 2011 - 6 Sa 613/11 - aufgehoben soweit es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. April 2011 - 12 Ca 5887/10 - entsprochen hat.
-
Die Berufung des Klägers gegen das vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf wird ingesamt zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.
- 2
-
Der im Juli 1948 geborene Kläger war bis zum 31. März 2011 bei der Beklagten in deren Düsseldorfer Betrieb beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen. Der Kläger hatte zuvor eine Weiterbeschäftigung am Standort in Ulm abgelehnt.
- 3
-
In dem am 16. Juni 2010 zwischen der Beklagten und ihrem Gesamtbetriebsrat vereinbarten Sozialplan (SP 2010) ist bestimmt:
-
„2.4.
Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis
Es werden keine Abfindungen gewährt, wenn ein Beschäftigter in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis weiterbeschäftigt werden kann und die Weiterbeschäftigung ablehnt. …
Beschäftigte, die zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet haben, fallen ausschließlich unter die Regelung der Ziffer 2.5.“
- 4
-
Die Abfindungen nach Nr. 2.4. SP 2010 berechnen sich aus einem einheitlichen Grundbetrag von 2.500,00 Euro sowie einem Steigerungsbetrag, der von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter und dem Bruttomonatsentgelt abhängt. Beschäftigte, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens das 58. Lebensjahr vollendet haben, erhalten nach den Regelungen in Nr. 2.5. SP 2010 bis zum frühestmöglichen Eintritt in die gesetzliche Altersrente 85 % des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Bruttomonatsentgelts unter Anrechnung des voraussichtlichen Arbeitslosengelds für 24 Monate. Die Summe wird mit einem pauschalen Zuschlag von 15 % als Bruttoabfindungssumme gezahlt.
- 5
-
In Nr. 2.4.1.4. SP 2010 ist bestimmt:
-
„Wird das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 25jährigen, 40jährigen oder 50jährigen Dienstjubiläums beendet, erhält der Beschäftigte die Jubiläumszahlung nach den betrieblichen Regelungen, wenn vom Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Erreichen des 25jährigen Dienstjubiläums nicht mehr als zwei Jahre und bis zum Erreichen des 40jährigen oder 50jährigen Dienstjubiläums nicht mehr als fünf Jahre fehlen.“
- 6
-
Nach der im Betrieb Düsseldorf bestehenden Betriebsordnung aus dem Jahr 1993 (BO 1993) beträgt das Jubiläumsgeld bei Erreichen des 40. Dienstjubiläums drei Monatseinkommen. Das Jubiläumsgeld wird auch gezahlt an Ruhegeldempfänger, die innerhalb von zwölf Monaten nach ihrer Pensionierung ein Dienstjubiläum begehen würden (Nr. 6.17 BO 1993).
- 7
-
Die Beklagte zahlte dem Kläger, der ab August 2011 eine vorzeitige Altersrente beanspruchen konnte, entsprechend der Regelung in Nr. 2.5. SP 2010 eine Abfindung in Höhe von 4.974,62 Euro.
- 8
-
Der Kläger hat die Sonderregelung in Nr. 2.5. SP 2010 für unwirksam gehalten. Diese bewirke eine unzulässige Ungleichbehandlung wegen des Alters. Dies gelte auch für den damit verbundenen Ausschluss von der Jubiläumszahlung. Er hätte sein 40-jähriges Dienstjubiläum innerhalb von zwölf Monaten nach Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht.
- 9
-
Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,
-
1.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.500,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Fälligkeit zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 231.746,87 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Fälligkeit zu zahlen;
3.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von weiteren 16.901,07 Euro brutto (Jubiläumszuwendung) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Fälligkeit zu zahlen.
- 10
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
- 11
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr teilweise entsprochen und die Beklagte zu einer weiteren Abfindung iHv. 39.217,95 Euro sowie einer Jubiläumsgeldzahlung iHv. 16.901,07 Euro verurteilt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Klageanträgen zu Unrecht teilweise entsprochen.
- 13
-
I. Dem Kläger steht der geltend gemachte weitere Abfindungsanspruch nicht zu.
- 14
-
1. Die Beklagte hat die sich aus dem Sozialplan vom 16. Juni 2010 ergebenden Ansprüche des Klägers erfüllt. Seine Abfindung beträgt nach Nr. 2.5. SP 2010 4.974,62 Euro. Diesen Betrag hat der Kläger erhalten.
- 15
-
2. Die Revision ist schon deshalb begründet, weil das Landesarbeitsgericht mit der von ihm vorgenommenen Anpassung von Nr. 2.5. SP 2010 gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen hat. Dies hat der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen. Einer hierauf gestützten Verfahrensrüge der Beklagten bedurfte es nicht.
- 16
-
a) Zwar ist das Gericht nach § 308 Abs. 1 ZPO verpflichtet, dem Kläger ein Weniger zuzuerkennen, wenn dieses Begehren im jeweiligen Sachantrag enthalten ist. Die gerichtliche Geltendmachung eines zahlenmäßig teilbaren Anspruchs enthält regelmäßig auch die Geltendmachung eines Anspruchs, der in seiner Höhe unterhalb des bezifferten (Haupt-)Anspruchs liegt. Etwas anderes gilt allerdings, wenn es sich nicht um „Weniger“, sondern um etwas Anderes handelt. Dies ist durch Auslegung des Klageantrags zu ermitteln (BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 15, BAGE 135, 13).
- 17
-
b) Das Landesarbeitsgericht ist über den durch die Klage bestimmten Streitgegenstand hinausgegangen.
- 18
-
Der Kläger hat die Zahlung einer nach Nr. 2.4. SP 2010 berechneten Abfindung begehrt. Er hat sich während des gesamten Rechtsstreits auf die Unwirksamkeit der durch Nr. 2.5. SP 2010 bewirkten unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer berufen, die - wie der Kläger - zum Entlassungszeitpunkt das 58. Lebensjahr bereits vollendet haben. Dies belegt auch die Berechnung der Klageforderung. Der Kläger hat neben dem nach Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Bruttomonatsentgelt berechneten Abfindungsbetrag auch den Grundbetrag von 2.500,00 Euro eingeklagt, den er nur nach Nr. 2.4. SP 2010 beanspruchen kann. Das Landesarbeitsgericht hat zwar die Regelung in Nr. 2.5.1. SP 2010 für unwirksam gehalten, diese aber durch die von ihm vorgenommene Auslegung des Merkmals „frühestmöglich“ angepasst. Es hat dem Kläger einen Nettolohnausgleich als Abfindung zuerkannt, der sich nach den in Nr. 2.5. SP 2010 bestimmten Voraussetzungen bis zu einem möglichen Bezug einer ungekürzten Altersrente ergibt. Auf eine solche Abfindungsberechnung hat der Kläger seinen Anspruch nicht gestützt. Selbst auf den vom Berufungsgericht erteilten Hinweis hat er sein Vorbringen nicht entsprechend erweitert. Bei der sich aus einer Anpassung von Nr. 2.5. SP 2010 ergebenden Verurteilung handelt es sich auch nicht lediglich um die Subsumtion des klägerischen Vorbringens unter eine anderweitige Anspruchsgrundlage. Die Begründung der jeweiligen Ansprüche steht in keinem Zusammenhang zueinander.
- 19
-
3. Einer hierauf gestützten Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) bedarf es indes nicht, da der Senat eine eigene Sachentscheidung treffen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitergehende Abfindung nach dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG). Die unterschiedliche Berechnung der Abfindung für Beschäftigte, die zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet haben, und jüngeren Arbeitnehmern ist wirksam. Die unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung dieser Arbeitnehmergruppe ist nach § 10 Satz 3 Nr. 6, Satz 2 AGG zulässig.
- 20
-
a) Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Diese sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht, wie insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, vereinbar sind.
- 21
-
aa) Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig. Sind diese erfüllt, ist auch der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt.
- 22
-
bb) Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung kann aber nach § 10 AGG unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig sein. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gestatten die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
- 23
-
cc) Nach § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG können die Betriebsparteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen, in der sie die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigen, oder auch Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausschließen, weil diese, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld I, rentenberechtigt sind. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber den Betriebsparteien einen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum eröffnet, der es ihnen unter den in der Vorschrift bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, das Lebensalter als Bemessungskriterium für die Sozialplanabfindung heranzuziehen.
- 24
-
(1) Mit der Regelung in § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG wollte der Gesetzgeber den Betriebsparteien entsprechend dem zukunftsgerichteten Entschädigungscharakter von Sozialplanleistungen ermöglichen, diese bei „rentennahen“ Arbeitnehmern stärker an den tatsächlich eintretenden wirtschaftlichen Nachteilen zu orientieren, die ihnen durch den bevorstehenden Arbeitsplatzverlust und eine darauf zurückgehende Arbeitslosigkeit drohen. Durch diese Gestaltungsmöglichkeit kann das Anwachsen der Abfindungshöhe, das mit der Verwendung der Parameter Betriebszugehörigkeit und/oder Lebensalter bei der Bemessung der Abfindung zwangsläufig verbunden ist, bei abnehmender Schutzbedürftigkeit im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit zu Gunsten der jüngeren Arbeitnehmer begrenzt werden (BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 17).
- 25
-
(2) § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG erfasst nach seinem Wortlaut nur den Ausschluss von älteren Arbeitnehmern, die entweder unmittelbar nach dem Ausscheiden oder im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld I durch den Bezug einer Altersrente wirtschaftlich abgesichert sind. Die Vorschrift ist gleichermaßen anwendbar, wenn die betroffenen Arbeitnehmer zwar nicht unmittelbar nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I rentenberechtigt sind, die Abfindung aber ausreichend bemessen ist, um die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen, die sie in der Zeit nach der Erfüllung ihres Arbeitslosengeldanspruchs bis zum frühestmöglichen Bezug einer Altersrente erleiden. Dies ist stets der Fall, wenn die Abfindungshöhe für diesen Zeitraum den Betrag der zuletzt bezogenen Arbeitsvergütung erreicht. Die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer sind dann wirtschaftlich so gestellt, als wäre das Arbeitsverhältnis bis zu dem Zeitpunkt fortgesetzt worden, in dem sie nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I nahtlos eine Altersrente beziehen können (BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 19).
- 26
-
(3) Die Ausgestaltung des durch § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG eröffneten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraums unterliegt allerdings noch einer weiteren Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 10 Satz 2 AGG. Die von den Betriebsparteien gewählte Sozialplangestaltung muss geeignet sein, das mit § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG verfolgte Ziel tatsächlich zu fördern und darf die Interessen der benachteiligten (Alters-)Gruppe nicht unverhältnismäßig stark vernachlässigen.
- 27
-
b) Die an das Lebensalter anknüpfende Abfindungsberechnung im Sozialplan vom 16. Juni 2010 verstößt nicht gegen das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG.
- 28
-
aa) Die Regelungen des Sozialplans vom 16. Juni 2010 sind nach dem am 18. August 2006 in Kraft getretenen AGG idF des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2742) und nach § 75 Abs. 1 BetrVG in der seit dem 18. August 2006 geltenden Fassung zu beurteilen.
- 29
-
bb) Die Betriebsparteien haben bei der Gewährung der Sozialplanleistungen nach dem Lebensalter unterschieden. Nach Nr. 2.4. SP 2010 können die dort vorgesehenen Abfindungen nur Arbeitnehmer beanspruchen, die zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Zahlungen an ältere Beschäftigte richten sich ausschließlich nach Nr. 2.5. SP 2010. Die unterschiedliche Behandlung der beiden Arbeitnehmergruppen ist allein vom Lebensalter abhängig. Hierin liegt eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung.
- 31
-
(1) Von den Ausschlussregelungen in Nr. 2.5. SP 2010 sind Arbeitnehmer erfasst, die bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis das 58. Lebensjahr vollendet haben. Diese waren nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und einer sich daran anschließenden Arbeitslosigkeit für die Dauer von 24 Monaten durch den Bezug von Arbeitslosengeld I abgesichert (§ 127 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 SGB III idF des Siebten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 8. April 2008 [BGBI. I S. 681]). Die Arbeitnehmer, die nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I nicht unmittelbar eine vorzeitige Altersrente beanspruchen konnten, erhielten nach Nr. 2.5.2. SP 2010 einen pauschalierten Ausgleich für das bis zum frühestmöglichen Renteneintritt entfallende Arbeitsentgelt. Die Betriebsparteien konnten daher davon ausgehen, dass die den über 58-jährigen Arbeitnehmern gewährten Abfindungsbeträge ausreichend bemessen waren, um die wirtschaftlichen Nachteile, die diese nach dem Bezug des Arbeitslosengeldes I bis zur vorzeitigen Inanspruchnahmemöglichkeit einer Altersrente erleiden würden, nahezu vollständig auszugleichen.
- 32
-
(2) Die Begrenzung der den über 58-jährigen Arbeitnehmern gewährten Sozialplanleistungen ist angemessen und erforderlich iSd. § 10 Satz 2 AGG.
- 33
-
(a) Nach der Senatsrechtsprechung haben Sozialpläne eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Geldleistungen in Form einer Abfindung stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar, sondern sollen die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlustes ausgleichen oder zumindest abmildern. Die Betriebsparteien können diese Nachteile aufgrund ihres Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums in typisierter und pauschalierter Form ausgleichen (vgl. BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 31, BAGE 138, 107). Dazu können sie die übermäßige Begünstigung, die ältere Beschäftigte mit langjähriger Betriebszugehörigkeit bei einer am Lebensalter und an der Betriebszugehörigkeit orientierten Abfindungsberechnung erfahren, durch eine Kürzung für rentennahe Jahrgänge zurückführen, um eine aus ihrer Sicht verteilungsgerechte Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Betriebsänderung zu Gunsten der jüngeren Arbeitnehmer zu ermöglichen (BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 29).
- 34
-
(b) Die Erstreckung der Berechnungsregel in Nr. 2.4. SP 2010 auch auf Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet haben oder älter sind, hätte Beschäftigte mit längeren Beschäftigungszeiten überproportional begünstigt. Die Betriebsparteien konnten bei diesen Jahrgängen davon ausgehen, dass diese selbst bei fortbestehender Arbeitslosigkeit nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I wegen des gewährten Nettolohnausgleichs durch die Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente weitgehend wirtschaftlich abgesichert sind. Eine vergleichbare Absicherung konnten die Betriebsparteien bei den rentenfernen Jahrgängen nicht prognostizieren. Selbst wenn diese eine Anschlussbeschäftigung finden, verlieren die entlassenen Arbeitnehmer ihre bisherige kündigungsschutzrechtliche Stellung und gehören bei künftigen Personalreduzierungen regelmäßig zu den Beschäftigten, denen wegen ihrer kurzen Betriebszugehörigkeit vorrangig gekündigt wird. Überdies können sie regelmäßig bei der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses nicht ihr bisheriges Arbeitsentgelt erzielen, was, ebenso wie die vorangehenden Zeiten einer Arbeitslosigkeit, zu Nachteilen in ihrer Rentenbiografie führt.
- 35
-
(c) Die Interessen der über 58-jährigen Arbeitnehmer sind im Sozialplan vom 16. Juni 2010 bei der Ausgestaltung der sie betreffenden Ausgleichsregelungen genügend beachtet worden. Die Betriebsparteien haben diese Beschäftigtengruppe nicht von Sozialplanleistungen ausgeschlossen, sondern ihnen einen Nettolohnausgleich für das nach der Entlassung entfallende Arbeitsentgelt bis zum frühestmöglichen Bezug einer gesetzlichen Altersrente gewährt. Darin liegt zwar gegenüber der in Nr. 2.4. SP 2010 vorgesehenen Berechnungsregel für Abfindungsleistungen ein Systemwechsel. Dieser ist jedoch nicht unangemessen, da durch den pauschalierten Nettolohnausgleich bis zur Inanspruchnahmemöglichkeit einer gesetzlichen Altersrente keine nennenswerten wirtschaftlichen Nachteile entstehen. Einen darüber hinausgehenden Ausgleich der Abschläge für die vorzeitige Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente mussten die Betriebsparteien angesichts der begrenzt zur Verfügung stehenden Sozialplanmittel und der den anderen Arbeitnehmern voraussichtlich entstehenden Nachteile nicht vorsehen.
- 36
-
4. Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht.
- 37
-
a) Der Senat hat bereits in seinen Entscheidungen vom 23. März 2010 (- 1 AZR 832/08 - Rn. 18) und vom 26. Mai 2009 (- 1 AZR 198/08 - Rn. 41, BAGE 131, 61) eingehend begründet, dass die zum Verständnis und zur Anwendung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) heranzuziehenden Grundsätze offenkundig, jedenfalls aber durch die jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Slg. 2009, I-1569; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Slg. 2007, I-8531; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Slg. 2005, I-9981) als geklärt anzusehen sind, so dass ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Zulässigkeit einer auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlung bei Sozialplanabfindungen nicht geboten ist.
- 38
-
b) Die Vereinbarkeit der Senatsrechtsprechung mit Unionsrecht wird überdies durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Dezember 2012 (- C-152/11 - [Odar]) vollumfänglich bestätigt. In diesem hat der Gerichtshof über die Vereinbarkeit einer Sozialplanregelung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG entschieden. Auch der Gerichtshof geht davon aus, dass eine Ungleichbehandlung von älteren Arbeitnehmern bei der Berechnung der Sozialplanabfindung durch ein legitimes Ziel iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt sein kann, wenn der Sozialplan die Gewährung eines Ausgleichs für die Zukunft, den Schutz der jüngeren Arbeitnehmer sowie die Unterstützung bei ihrer beruflichen Wiedereingliederung und eine gerechte Verteilung der begrenzten finanziellen Mittel bezweckt (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar], Rn. 42 f., 45). Eine in Abhängigkeit von Lebensalter und Betriebszugehörigkeit berechnete Abfindung könne bei Arbeitnehmern, die im Zeitpunkt der Entlassung durch den möglichen Bezug einer vorgezogenen gesetzlichen Altersrente wirtschaftlich abgesichert sind, gemindert werden (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar], Rn. 48). Diese Grundsätze entsprechen der Senatsrechtsprechung.
- 39
-
c) Entgegen der Auffassung des Klägers ist es unionsrechtlich nicht geboten, dass er als Abfindung zumindest einen Betrag in Höhe der Hälfte der nach Nr. 2.4. SP 2010 berechneten Abfindung erhält. Die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Odar lassen ein solches Verständnis von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nicht zu.
- 40
-
aa) Das Arbeitsgericht München hat den Gerichtshof im Verfahren nach Art. 267 AEUV ua. nach der Vereinbarkeit der im Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Regelung einer als „Vorsorglicher Sozialplan“ bezeichneten Vereinbarung mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG gefragt (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar], Rn. 30). Nach dieser berechnet sich die Abfindung nach den Faktoren Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Bruttomonatsentgelt (Standardformel). Für Mitarbeiter nach Vollendung des 55. Lebensjahres sieht der „Vorsorgliche Sozialplan“ eine geänderte Berechnung vor, die von der Zeit bis zum frühestmöglichen Renteneintritt abhängig ist (Sonderformel). Sollte die nach der Standardformel berechnete Abfindung größer sein als diejenige nach der Sonderformel, kommt die geringere Summe zur Auszahlung. Diese darf jedoch die Hälfte der Standardformelabfindung nicht unterschreiten.
- 41
-
bb) Der Gerichtshof hat zwar die im „Vorsorglichen Sozialplan“ vorgenommene Berechnung der Abfindung auf der Grundlage des frühestmöglichen Rentenbeginns als mit Unionsrecht für vereinbar gehalten (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar], Rn. 54). Hierauf kann der Kläger seinen Anspruch jedoch nicht stützen. Der Gerichtshof hat nicht verlangt, dass die Abfindung von rentennahen Arbeitnehmern stets die Hälfte der für andere Arbeitnehmer geltenden Abfindungsformel betragen muss. Eine solche Aussage enthält die Entscheidung nicht. Die vorgenannten Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs sind einzelfallbezogen und beschränken sich auf die Vereinbarkeit einer bestimmten nationalen Sozialplanregelung mit Unionsrecht. Sie enthalten lediglich einen Hinweis des Gerichtshofs an das vorlegende Gericht, mit dem diesem eine sachdienliche Antwort auf seine Vorlagefrage gegeben werden sollte (vgl. EuGH 15. April 2010 - C-433/05 - [Sandström], Rn. 35, Slg. 2010, I-2885).
- 42
-
d) Der Durchführung eines zur Klärung der vom Kläger angesprochenen Frage gerichteten Vorabentscheidungsverfahrens bedarf es nicht. Es ist offensichtlich, dass die von ihm vertretene Sichtweise durch das Unionsrecht nicht vorgegeben wird. Sie würde zu inkohärenten und systemwidrigen Ergebnissen führen. Der Europäische Gerichtshof hat die Minderung der nach der Standardformel berechneten Abfindung bei rentennahen Arbeitnehmern als legitimes Ziel anerkannt. Könnten diese unabhängig von der Zeit bis zu einer vorzeitigen Bezugsmöglichkeit einer vorzeitigen Altersrente stets die Hälfte der nach der Standardformel zu berechnenden Abfindung beanspruchen, erhielten Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - bei ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nur noch kurze Zeit vor dem Erreichen der vorzeitigen Altersgrenze stehen, die gleiche Abfindung wie solche Arbeitnehmer, die diesen Zeitpunkt erst nach Ablauf von mehreren Jahren erreichen. Eine solche pauschale Abfindungsberechnung widerspräche der Überbrückungsfunktion von Sozialplänen.
- 43
-
5. Da sich die in Abhängigkeit vom Lebensalter vorgenommene Abfindungsberechnung im Sozialplan vom 16. Juni 2010 als zulässig erweist, bedarf es keiner Entscheidung, ob der nach Nr. 2.4. SP 2010 berechnete Abfindungsanspruch deshalb entfallen wäre, weil der Kläger die ihm von der Beklagten angebotene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an einem anderen Standort abgelehnt hat.
- 44
-
II. Die Revision ist auch hinsichtlich der Jubiläumszahlung begründet.
- 45
-
Nach Nr. 2.4.1.4. SP 2010 erhält der Beschäftigte ua. eine Jubiläumszahlung nach den betrieblichen Regelungen, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von fünf Jahren vor Erreichen des 40-jährigen Dienstjubiläums beendet wird. Es kann dahinstehen, ob auch die von Nr. 2.5. SP 2010 erfassten Arbeitnehmer aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz Anspruch auf eine solche Jubiläumszahlung haben. Der Kläger erfüllt die in Nr. 2.4.1.4. SP 2010 bestimmten Voraussetzungen nicht. Sein Arbeitsverhältnis wäre bei einer Weiterarbeit bis zum Erreichen des Regelrentenalters vor Erreichen des 40-jährigen Dienstjubiläums beendet worden. Auf die Regelung in Nr. 6.17 BO 1993 vermag der Kläger seinen Anspruch nicht zu stützen. Nr. 2.4.1.4. SP 2010 stellt für die Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - unter den persönlichen Geltungsbereich des Sozialplans vom 16. Juni 2010 fallen, eine abschließende Regelung über die entfallende Jubiläumszahlung dar. Im Übrigen erfüllt er auch die Nr. 6.17 BO 1993 genannten Voraussetzungen nicht. Die Vorschrift setzt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch das Erreichen einer gesetzlichen Altersgrenze („Pensionierung“) voraus.
-
Schmidt
Linck
Koch
Platow
Rath
Tenor
-
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. Dezember 2009 - 16 Sa 577/09 - wird zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Sozialplanabfindung.
- 2
-
Der 1951 geborene und mit einem Grad von 50 behinderte Kläger war seit 1989 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen in D als Schichtelektriker beschäftigt. Er bezog zuletzt ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.231,85 Euro zuzüglich einer Prämie und Schichtzuschlägen. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Papierindustrie der Bundesrepublik Deutschland Anwendung.
- 3
-
Der Kläger war aufgrund eines Wegeunfalls seit Dezember 2001 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 1. April 2003 bezog er eine zunächst bis zum 30. Juni 2007 befristete gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung, die im Juni 2007 bis zum 30. Juni 2009 verlängert wurde. Seit dem 1. Juli 2009 ist der Rentenbezug unbefristet.
- 4
-
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten legte den Betrieb in D aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom Oktober 2006 zum 31. Dezember 2007 vollständig still. Zuvor hatte sie mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat am 13. März 2007 einen Interessenausgleich und einen Sozialplan vereinbart. Nach Nr. 1.1 dieses Sozialplans sind alle Arbeitnehmer anspruchsberechtigt, die am 4. Oktober 2006 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen und deren Arbeitsverhältnis durch eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung, eine Eigenkündigung oder durch Aufhebungsvertrag endet. Leistungen aus diesem Sozialplan erhalten auch Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis ruht. Als Beispiele hierfür sind Elternzeit, Mutterschutz, Wehr- und Zivildienst genannt. Die Höhe der Abfindung richtet sich grundsätzlich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit und dem Lebensalter. Die Geburtsjahrgänge 1951 und 1952 erhalten 67 % und die Geburtsjahrgänge 1950 und älter 70 % des letzten Nettoentgelts multipliziert mit der Anzahl der Monate vom Austritt bis zum Ende des Monats, in dem der Beschäftigte das 63. Lebensjahr vollendet. Der so ermittelte Nettobetrag ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften auf eine einmalige Bruttoabfindung hochzurechnen und wird mit der letzten Abrechnung zur Auszahlung gebracht.
- 5
-
Nach Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans beendete die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Arbeitsverhältnisse der insgesamt 358 Arbeitnehmer durch betriebsbedingte Kündigungen oder auf andere Weise. Davon ausgenommen waren zunächst nur der Kläger und drei weitere Arbeitnehmer, die zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bezogen.
-
Am 10. Oktober 2007 schlossen die Betriebsparteien eine „Betriebsvereinbarung zur Ergänzung des Sozialplanes“ vom 13. März 2007 (BV-Ergänzung). Darin ist bestimmt:
-
„Präambel
…
Die Betriebsparteien sind bei Abschluss des Sozialplanes übereinstimmend davon ausgegangen, dass Mitarbeiter, die aufgrund des Bezuges befristeter voller Erwerbsminderungsrente zum Stichtag 04.10.2006 nicht mehr beschäftigt sind und deren Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar ist, Leistungen aus dem Sozialplan nicht erhalten sollen.
Vorsorglich und zur Vermeidung von Streitfällen setzen die Betriebspartner diesen Willen mit der nachfolgenden Ergänzung zum Sozialplan nochmals um:
§ 1 - Ergänzung der Ausschlussgründe zur Anspruchsberechtigung
Ziff. 1.2 des Sozialplanes vom 13.03.2007 wird wie folgt ergänzt:
Nicht anspruchsberechtigt sind des Weiteren Arbeitnehmer, die am 04.10.2006 unter Bezug einer befristeten vollen Erwerbsminderungsrente nicht beschäftigt sind und
-
die nach Ablauf der befristeten Erwerbsminderungsrente berechtigt sind, die gesetzliche Regelaltersrente - auch vorgezogen unter Hinnahme von Abschlägen - zu beanspruchen;
-
deren Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit unbefristet geleistet werden oder unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI);
-
bei denen aus anderen Gründen damit zu rechnen ist, dass die mit der Erwerbsminderung einhergehende Arbeitsunfähigkeit auf Dauer fortbesteht oder zumindest in absehbarer Zeit nicht behoben werden kann und damit einen Grund zur personenbedingten, da krankheitsbedingten, Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG vorliegt. Die Betriebsparteien gehen davon aus, dass dies bei einer die Rente wegen voller Erwerbsminderung begleitenden Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Jahren oder einer entsprechenden Bewilligung von voller Erwerbsminderungsrente für mehr als drei Jahre gegeben sind.
§ 2 - Besonderer Härtefonds
Zum Ausgleich besonderer sozialer Härten stellt S einen Härtefonds in Höhe von 40.000,-- € für die in § 1 benannten Mitarbeiter zur Verfügung. Mit diesem Härtefonds sollen zusätzliche soziale Härten der ausscheidenden Mitarbeiter abgemildert werden. …“
- 7
-
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2007 kündigte die Beklagte „aufgrund der Betriebsschließung“ das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Juli 2008. Der Kläger hat hiergegen keine Kündigungsschutzklage erhoben. Aus dem „Besonderen Härtefonds“ erhielt er eine Abfindung von 10.000,00 Euro.
- 8
-
Der Kläger hat geltend gemacht, er habe einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aus dem Sozialplan vom 13. März 2007. Der in der BV-Ergänzung vereinbarte Anspruchsausschluss sei unwirksam. Er benachteilige behinderte Menschen und verletze den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, da er nicht für alle ruhenden Arbeitsverhältnisse gelte.
-
Der Kläger hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 222.700,60 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. August 2008 zu zahlen.
- 10
-
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, es sei von Anfang an übereinstimmender Wille der Betriebsparteien gewesen, Arbeitnehmer, die aufgrund des Bezugs einer vollen Erwerbsminderungsrente zum Stichtag nicht beschäftigt worden seien und bei denen die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar gewesen sei, von den Sozialplanleistungen auszuschließen. Dies sei in der BV-Ergänzung nur bestätigt worden. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen einer Behinderung liege nicht vor, weil die BV-Ergänzung nicht an eine Behinderung als Differenzierungskriterium anknüpfe, sondern an den Bezug einer vollen Erwerbsminderungsrente.
-
Das Arbeitsgericht hat der zunächst auf die Zahlung einer Sozialplanabfindung in Höhe von 133.463,44 Euro brutto gerichteten und nachfolgend auf 222.700,60 Euro brutto erhöhten Klage in Höhe von 123.463,44 Euro brutto stattgegeben und sie im Übrigen wegen Verfalls der Ansprüche und der von der Beklagten in Höhe von 10.000,00 Euro erklärten Aufrechnung abgewiesen. Dagegen haben beide Parteien im Umfang ihres Unterliegens Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in voller Höhe weiter.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
- 13
-
I. Die Ansprüche des Klägers auf Zahlung einer Sozialplanabfindung richten sich nach dem Sozialplan vom 13. März 2007 idF der BV-Ergänzung vom 10. Oktober 2007.
- 14
-
1. Die Betriebsparteien haben den Sozialplan vom 13. März 2007 durch die BV-Ergänzung vom 10. Oktober 2007 geändert und mit deren § 1 den in Nr. 1.2 des Sozialplans vom 13. März 2007 näher bestimmten Kreis der nicht anspruchsberechtigten Beschäftigten erweitert. Diese Regelung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht lediglich deklaratorisch, sondern konstitutiv, weil die dort geregelten „Ausschlussgründe zur Anspruchsberechtigung“ in dem Sozialplan vom 13. März 2007 nicht enthalten waren.
- 15
-
2. Die Änderung des Sozialplans vom 13. März 2007 durch die BV-Ergänzung verstößt nicht gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes.
- 16
-
a) Die Betriebsparteien können die Regelungen einer Betriebsvereinbarung jederzeit für die Zukunft abändern. Die neue Betriebsvereinbarung kann dabei auch Bestimmungen enthalten, die für die Arbeitnehmer ungünstiger sind. Im Verhältnis zweier gleichrangiger Normen gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern die Zeitkollisionsregel. Danach geht die jüngere Norm der älteren vor. Eine spätere Betriebsvereinbarung kann allerdings bereits entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht schmälern. Vielmehr ist die Möglichkeit einer Rückwirkung normativer Regelungen durch das Vertrauensschutz- und das Verhältnismäßigkeitsprinzip beschränkt (BAG 2. Oktober 2007 - 1 AZR 815/06 - Rn. 19, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 20).
- 17
-
b) Die BV-Ergänzung greift nicht in bereits entstandene Rechte des Klägers ein. Die Änderung des Sozialplans vom 13. März 2007 erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger noch keinen Anspruch auf Sozialplanleistungen erworben hatte. Ohne anderslautende Bestimmung entstehen derartige Ansprüche erst mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses (BAG 2. Oktober 2007 - 1 AZR 815/06 - Rn. 21, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 20). Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers erst am 10. Dezember 2007 zum 31. Juli 2008 und damit nach Abschluss der BV-Ergänzung vom 10. Oktober 2007 gekündigt hat, kann offenbleiben, ob der Sozialplan den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung bereits auf den Ausspruch der Kündigung vorverlagert hat. Im Zeitpunkt der Vereinbarung der BV-Ergänzung hatte der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Rechtsposition inne, die ein schutzwürdiges Vertrauen in die Unabänderbarkeit der Regelungen vom 13. März 2007 hätte begründen können.
- 18
-
3. Der Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten - vorbehaltlich der Bestimmungen in § 1 BV-Ergänzung - nach Nr. 1.1 des Sozialplans an sich anspruchsberechtigt. Er stand am 4. Oktober 2006 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis, das durch betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 10. Dezember 2007 beendet wurde. Die Beklagte hat in dem Kündigungsschreiben als Grund für die Kündigung ausdrücklich die Betriebsschließung angegeben. Ob daneben auch ein personenbedingter Kündigungsgrund bestand, ist unerheblich, weil die Beklagte keine derartige Kündigung erklärt hat.
- 19
-
II. Der Kläger hat nach § 1 3. Spiegelstrich Satz 2 BV-Ergänzung keinen Anspruch auf Sozialplanleistungen. Er war an dem maßgeblichen Stichtag, dem 4. Oktober 2006, mehr als drei Jahre, nämlich seit Dezember 2001 arbeitsunfähig und bezog seit dem 1. April 2003 und damit seit mehr als drei Jahren volle Erwerbsminderungsrente. Nach dieser Bestimmung war deshalb damit zu rechnen, dass die mit der Erwerbsminderung einhergehende Arbeitsunfähigkeit auf Dauer fortbesteht oder zumindest in absehbarer Zeit nicht behoben werden würde. Dieser Anspruchsausschluss ist wirksam.
- 20
-
1. Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht, wie insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG), vereinbar sind. Danach haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in dieser Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat darin die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote übernommen(BAG 12. April 2011 - 1 AZR 764/09 - Rn. 10 f.). Dazu gehört auch das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung.
- 21
-
2. Der in § 75 Abs. 1 BetrVG enthaltene Begriff der Benachteiligung und die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung richten sich nach den Vorschriften des AGG(BT-Drucks. 16/1780 S. 56). Eine unmittelbare Benachteiligung liegt dabei gemäß § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Benachteiligungsgrundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Dagegen handelt es sich nach § 3 Abs. 2 AGG um eine mittelbare Benachteiligung, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
- 22
-
3. § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung führt zu einer unmittelbaren Ungleichbehandlung iSd. § 3 Abs. 1 AGG.
- 23
-
a) Eine unmittelbare Ungleichbehandlung liegt nicht nur vor, wenn die weniger günstige Behandlung ausdrücklich wegen eines in § 1 AGG aufgeführten Grundes erfolgt. Von § 3 Abs. 1 AGG wird vielmehr auch eine sog. verdeckte unmittelbare Ungleichbehandlung erfasst, bei der die Differenzierung zwar nicht ausdrücklich wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt, sondern an ein in dieser Vorschrift nicht enthaltenes Merkmal anknüpft, das jedoch in einem untrennbaren Zusammenhang mit einem in dieser Vorschrift genannten Grund steht(BT-Drucks. 16/1780 S. 32; dazu auch BVerfG 28. April 2011 - 1 BvR 1409/10 - Rn. 54, ZTR 2011, 434).
- 24
-
b) Dementsprechend führt § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung zu einer unmittelbaren Ungleichbehandlung iSd. § 3 Abs. 1 AGG. Die zum Ausschluss von Sozialplanleistungen führenden Gründe stehen in einem untrennbaren Zusammenhang mit der nach § 1 AGG verbotenen Differenzierung wegen einer Behinderung.
- 25
-
(1) Nach der Gesetzesbegründung zu § 1 AGG sind entsprechend der in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX enthaltenen Begriffsbestimmung Menschen behindert, wenn ihre körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist(BT-Drucks. 16/1780 S. 31). Das steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, nach der eine Behinderung iSd. Richtlinie 2000/78/EG eine wahrscheinlich längere Zeit andauernde Einschränkung ist, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist und die ein Hindernis für die Teilhabe des Betreffenden am Berufsleben bildet (11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacon Navas] Rn. 43 ff., Slg. 2006, I-6467).
- 26
-
Gem. § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung sind nicht anspruchsberechtigt Arbeitnehmer, die am 4. Oktober 2006 unter Bezug einer befristeten vollen Erwerbsminderungsrente nicht beschäftigt waren und bei denen aus anderen Gründen damit zu rechnen ist, dass die mit der Erwerbsminderung einhergehende Arbeitsunfähigkeit auf Dauer fortbesteht oder zumindest in absehbarer Zeit nicht behoben werden kann und damit einen Grund zur personenbedingten, da krankheitsbedingten Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG vorliegt. Die Betriebsparteien sind dabei davon ausgegangen, dass diese Anforderungen bei einer die Rente wegen voller Erwerbsminderung begleitenden Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Jahren oder einer entsprechenden Bewilligung von voller Erwerbsminderungsrente für mehr als drei Jahre erfüllt sind. Soweit in § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung auf den Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung abgestellt wird, müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI erfüllt sein. Danach sind Versicherte voll erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
- 27
-
(2) Die Gegenüberstellung der Merkmale des Begriffs der Behinderung und der tatbestandlichen Anforderungen des § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung macht deutlich, dass diese in einem untrennbaren Zusammenhang mit der nach § 1 AGG verbotenen Differenzierung wegen einer Behinderung stehen. Ein Arbeitnehmer, der den Tatbestand des § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung erfüllt, ist in der Teilhabe am Berufsleben längere Zeit eingeschränkt. Daher hat die Regelung eine unmittelbare Ungleichbehandlung des Klägers wegen einer Behinderung zur Folge.
- 28
-
4. Diese Ungleichbehandlung stellt jedoch keine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG dar, denn der Kläger wird durch den Ausschlusstatbestand in § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung nicht gegenüber Personen in einer „vergleichbaren Situation“ benachteiligt.
- 29
-
a) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG setzt voraus, dass eine Person eine weniger günstige Behandlung, als eine andere Person in vergleichbarer Situation erfährt. Der deutsche Gesetzgeber hat insoweit die Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG, die ebenfalls eine vergleichbare Situation voraussetzt, unverändert umgesetzt. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine unmittelbare Benachteiligung nur dann vorliegt, wenn sich die betroffenen Personen in einer vergleichbaren Lage befinden (vgl. 10. Mai 2011 - C-147/08 - [Römer] Rn. 41, ZTR 2011, 437; 18. November 2010 - C-356/09 - [Kleist] Rn. 32 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 76/207 Nr. 8; 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 72 f., Slg. 2008, I-1757; 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [Hlozek] Rn. 44 ff., Slg. 2004, I-11491 zu Art. 141 EG sowie 1. März 2011 - C-236/09 - [Test-Achats] Rn. 28 f. zu Art. 5 der Richtlinie 2004/113/EG). Die Situationen müssen nicht identisch, sondern nur vergleichbar sein. Dies ist nicht allgemein und abstrakt, sondern spezifisch und konkret von den nationalen Gerichten im Einzelfall anhand des Zwecks und der Voraussetzungen für die Gewährung der fraglichen Leistungen festzustellen (EuGH 10. Mai 2011 - C-147/08 - [Römer] Rn. 52; 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 73, aaO). Danach ist unionsrechtlich geklärt, dass ein letztentscheidungsbefugtes nationales Gericht unter Zugrundelegung des vom Gerichtshof entwickelten Vergleichsmaßstabs selbst zu prüfen hat, ob sich der Betroffene in einer vergleichbaren Situation mit anderen befindet. Die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV war deshalb nicht geboten.
- 30
-
b) Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen dem Kläger und den nach dem Sozialplan anspruchsberechtigten Arbeitnehmern keine vergleichbare Situation.
- 31
-
aa) Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen gem. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können(18. Mai 2010 - 1 AZR 187/09 - Rn. 22 mwN, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 209 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 38). Die Sozialplanleistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar (BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 23, BAGE 131, 61).
- 32
-
bb) Hiervon ausgehend sind entgegen der Auffassung der Revision nicht alle Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung verloren haben, bereits aus diesem Grund in einer „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG. Die Vergleichbarkeit bestimmt sich vielmehr nach der zukunftsbezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplans. Dementsprechend kommt es darauf an, ob sich der Kläger und die vom Sozialplan begünstigten Arbeitnehmer in Bezug auf ihre durch die Betriebsstilllegung verursachten wirtschaftlichen Nachteile in einer vergleichbaren Situation befinden.
- 33
-
cc) Danach besteht zwischen dem Kläger und den anspruchsberechtigten Arbeitnehmern keine vergleichbare Situation. Während diese infolge der Betriebsschließung und dem damit verbundenen Verlust der Arbeitsplätze ihren Arbeitsverdienst verloren haben, erhielt der Kläger bereits vor der Betriebsschließung kein Arbeitsentgelt mehr, sondern eine Erwerbsminderungsrente. Hieran hat sich durch die Betriebsstilllegung nichts geändert. Der Kläger verkennt, dass die Sozialplanabfindung keine Belohnung für die Dienste in der Vergangenheit ist, sondern eine zukunftsgerichtete Hilfe, die dazu dient, künftige Nachteile auszugleichen oder zu mildern, die als Folge einer Betriebsänderung entstehen. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für die Vergleichbarkeit der Situationen nicht darauf an, ob ein Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglicherweise einen Anspruch auf Auszahlung einer Kapitallebensversicherung hat und hierdurch finanziell abgesichert ist. Diese auf privaten Dispositionen des Einzelnen beruhende wirtschaftliche Absicherung steht in keinem Zusammenhang mit dem Verlust des Arbeitsplatzes infolge einer Betriebsänderung und der damit einhergehenden Verdiensteinbuße. Den nach dem Sozialplan anspruchsberechtigten Arbeitnehmern entstehen deshalb auch dann wirtschaftliche Nachteile, wenn sie Leistungen aus einer privaten Kapitallebensversicherung beziehen können. Derartige Nachteile treten beim Kläger nicht ein.
- 34
-
III. § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG, soweit nach dem Sozialplan auch Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ruht, wie beispielsweise während der Elternzeit, dem Mutterschutz oder dem Wehr- und Zivildienst, anspruchsberechtigt sind.
- 35
-
1. Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG 14. Dezember 2010 - 1 AZR 279/09 - Rn. 15, NZA-RR 2011, 182).
-
2. Danach ist die von den Betriebsparteien vorgenommene Gruppenbildung nicht zu beanstanden. Die Betriebsparteien durften in Bezug auf die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ruht, davon ausgehen, dass sie nach Beendigung des Ruhenstatbestands in den Betrieb zurückkehren und dort wieder arbeiten und entlohnt werden. Dieser Personenkreis hat damit infolge der Betriebsänderung einen wirtschaftlichen Nachteil erlitten. Dagegen konnten die Betriebsparteien davon ausgehen, dass die von § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung erfassten Personen nicht wieder arbeiten werden und damit auch kein Erwerbseinkommen erzielen können. Folglich fehlt es bei diesem Personenkreis an einem ausgleichsfähigen wirtschaftlichen Nachteil.
-
Linck
Koch
Spelge
Für den aus dem Amt
ausgeschiedenen ehrenamtlichen
Richter Dr. Münzer
LinckN. Schuster
Tenor
-
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 16. September 2011 - 6 Sa 613/11 - aufgehoben soweit es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. April 2011 - 12 Ca 5887/10 - entsprochen hat.
-
Die Berufung des Klägers gegen das vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf wird ingesamt zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.
- 2
-
Der im Juli 1948 geborene Kläger war bis zum 31. März 2011 bei der Beklagten in deren Düsseldorfer Betrieb beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen. Der Kläger hatte zuvor eine Weiterbeschäftigung am Standort in Ulm abgelehnt.
- 3
-
In dem am 16. Juni 2010 zwischen der Beklagten und ihrem Gesamtbetriebsrat vereinbarten Sozialplan (SP 2010) ist bestimmt:
-
„2.4.
Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis
Es werden keine Abfindungen gewährt, wenn ein Beschäftigter in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis weiterbeschäftigt werden kann und die Weiterbeschäftigung ablehnt. …
Beschäftigte, die zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet haben, fallen ausschließlich unter die Regelung der Ziffer 2.5.“
- 4
-
Die Abfindungen nach Nr. 2.4. SP 2010 berechnen sich aus einem einheitlichen Grundbetrag von 2.500,00 Euro sowie einem Steigerungsbetrag, der von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter und dem Bruttomonatsentgelt abhängt. Beschäftigte, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens das 58. Lebensjahr vollendet haben, erhalten nach den Regelungen in Nr. 2.5. SP 2010 bis zum frühestmöglichen Eintritt in die gesetzliche Altersrente 85 % des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Bruttomonatsentgelts unter Anrechnung des voraussichtlichen Arbeitslosengelds für 24 Monate. Die Summe wird mit einem pauschalen Zuschlag von 15 % als Bruttoabfindungssumme gezahlt.
- 5
-
In Nr. 2.4.1.4. SP 2010 ist bestimmt:
-
„Wird das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 25jährigen, 40jährigen oder 50jährigen Dienstjubiläums beendet, erhält der Beschäftigte die Jubiläumszahlung nach den betrieblichen Regelungen, wenn vom Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Erreichen des 25jährigen Dienstjubiläums nicht mehr als zwei Jahre und bis zum Erreichen des 40jährigen oder 50jährigen Dienstjubiläums nicht mehr als fünf Jahre fehlen.“
- 6
-
Nach der im Betrieb Düsseldorf bestehenden Betriebsordnung aus dem Jahr 1993 (BO 1993) beträgt das Jubiläumsgeld bei Erreichen des 40. Dienstjubiläums drei Monatseinkommen. Das Jubiläumsgeld wird auch gezahlt an Ruhegeldempfänger, die innerhalb von zwölf Monaten nach ihrer Pensionierung ein Dienstjubiläum begehen würden (Nr. 6.17 BO 1993).
- 7
-
Die Beklagte zahlte dem Kläger, der ab August 2011 eine vorzeitige Altersrente beanspruchen konnte, entsprechend der Regelung in Nr. 2.5. SP 2010 eine Abfindung in Höhe von 4.974,62 Euro.
- 8
-
Der Kläger hat die Sonderregelung in Nr. 2.5. SP 2010 für unwirksam gehalten. Diese bewirke eine unzulässige Ungleichbehandlung wegen des Alters. Dies gelte auch für den damit verbundenen Ausschluss von der Jubiläumszahlung. Er hätte sein 40-jähriges Dienstjubiläum innerhalb von zwölf Monaten nach Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht.
- 9
-
Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,
-
1.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.500,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Fälligkeit zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 231.746,87 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Fälligkeit zu zahlen;
3.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von weiteren 16.901,07 Euro brutto (Jubiläumszuwendung) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Fälligkeit zu zahlen.
- 10
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
- 11
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr teilweise entsprochen und die Beklagte zu einer weiteren Abfindung iHv. 39.217,95 Euro sowie einer Jubiläumsgeldzahlung iHv. 16.901,07 Euro verurteilt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Klageanträgen zu Unrecht teilweise entsprochen.
- 13
-
I. Dem Kläger steht der geltend gemachte weitere Abfindungsanspruch nicht zu.
- 14
-
1. Die Beklagte hat die sich aus dem Sozialplan vom 16. Juni 2010 ergebenden Ansprüche des Klägers erfüllt. Seine Abfindung beträgt nach Nr. 2.5. SP 2010 4.974,62 Euro. Diesen Betrag hat der Kläger erhalten.
- 15
-
2. Die Revision ist schon deshalb begründet, weil das Landesarbeitsgericht mit der von ihm vorgenommenen Anpassung von Nr. 2.5. SP 2010 gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen hat. Dies hat der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen. Einer hierauf gestützten Verfahrensrüge der Beklagten bedurfte es nicht.
- 16
-
a) Zwar ist das Gericht nach § 308 Abs. 1 ZPO verpflichtet, dem Kläger ein Weniger zuzuerkennen, wenn dieses Begehren im jeweiligen Sachantrag enthalten ist. Die gerichtliche Geltendmachung eines zahlenmäßig teilbaren Anspruchs enthält regelmäßig auch die Geltendmachung eines Anspruchs, der in seiner Höhe unterhalb des bezifferten (Haupt-)Anspruchs liegt. Etwas anderes gilt allerdings, wenn es sich nicht um „Weniger“, sondern um etwas Anderes handelt. Dies ist durch Auslegung des Klageantrags zu ermitteln (BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 15, BAGE 135, 13).
- 17
-
b) Das Landesarbeitsgericht ist über den durch die Klage bestimmten Streitgegenstand hinausgegangen.
- 18
-
Der Kläger hat die Zahlung einer nach Nr. 2.4. SP 2010 berechneten Abfindung begehrt. Er hat sich während des gesamten Rechtsstreits auf die Unwirksamkeit der durch Nr. 2.5. SP 2010 bewirkten unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer berufen, die - wie der Kläger - zum Entlassungszeitpunkt das 58. Lebensjahr bereits vollendet haben. Dies belegt auch die Berechnung der Klageforderung. Der Kläger hat neben dem nach Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Bruttomonatsentgelt berechneten Abfindungsbetrag auch den Grundbetrag von 2.500,00 Euro eingeklagt, den er nur nach Nr. 2.4. SP 2010 beanspruchen kann. Das Landesarbeitsgericht hat zwar die Regelung in Nr. 2.5.1. SP 2010 für unwirksam gehalten, diese aber durch die von ihm vorgenommene Auslegung des Merkmals „frühestmöglich“ angepasst. Es hat dem Kläger einen Nettolohnausgleich als Abfindung zuerkannt, der sich nach den in Nr. 2.5. SP 2010 bestimmten Voraussetzungen bis zu einem möglichen Bezug einer ungekürzten Altersrente ergibt. Auf eine solche Abfindungsberechnung hat der Kläger seinen Anspruch nicht gestützt. Selbst auf den vom Berufungsgericht erteilten Hinweis hat er sein Vorbringen nicht entsprechend erweitert. Bei der sich aus einer Anpassung von Nr. 2.5. SP 2010 ergebenden Verurteilung handelt es sich auch nicht lediglich um die Subsumtion des klägerischen Vorbringens unter eine anderweitige Anspruchsgrundlage. Die Begründung der jeweiligen Ansprüche steht in keinem Zusammenhang zueinander.
- 19
-
3. Einer hierauf gestützten Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) bedarf es indes nicht, da der Senat eine eigene Sachentscheidung treffen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitergehende Abfindung nach dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG). Die unterschiedliche Berechnung der Abfindung für Beschäftigte, die zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet haben, und jüngeren Arbeitnehmern ist wirksam. Die unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung dieser Arbeitnehmergruppe ist nach § 10 Satz 3 Nr. 6, Satz 2 AGG zulässig.
- 20
-
a) Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Diese sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht, wie insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, vereinbar sind.
- 21
-
aa) Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig. Sind diese erfüllt, ist auch der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt.
- 22
-
bb) Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung kann aber nach § 10 AGG unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig sein. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gestatten die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
- 23
-
cc) Nach § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG können die Betriebsparteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen, in der sie die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigen, oder auch Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausschließen, weil diese, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld I, rentenberechtigt sind. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber den Betriebsparteien einen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum eröffnet, der es ihnen unter den in der Vorschrift bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, das Lebensalter als Bemessungskriterium für die Sozialplanabfindung heranzuziehen.
- 24
-
(1) Mit der Regelung in § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG wollte der Gesetzgeber den Betriebsparteien entsprechend dem zukunftsgerichteten Entschädigungscharakter von Sozialplanleistungen ermöglichen, diese bei „rentennahen“ Arbeitnehmern stärker an den tatsächlich eintretenden wirtschaftlichen Nachteilen zu orientieren, die ihnen durch den bevorstehenden Arbeitsplatzverlust und eine darauf zurückgehende Arbeitslosigkeit drohen. Durch diese Gestaltungsmöglichkeit kann das Anwachsen der Abfindungshöhe, das mit der Verwendung der Parameter Betriebszugehörigkeit und/oder Lebensalter bei der Bemessung der Abfindung zwangsläufig verbunden ist, bei abnehmender Schutzbedürftigkeit im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit zu Gunsten der jüngeren Arbeitnehmer begrenzt werden (BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 17).
- 25
-
(2) § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG erfasst nach seinem Wortlaut nur den Ausschluss von älteren Arbeitnehmern, die entweder unmittelbar nach dem Ausscheiden oder im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld I durch den Bezug einer Altersrente wirtschaftlich abgesichert sind. Die Vorschrift ist gleichermaßen anwendbar, wenn die betroffenen Arbeitnehmer zwar nicht unmittelbar nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I rentenberechtigt sind, die Abfindung aber ausreichend bemessen ist, um die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen, die sie in der Zeit nach der Erfüllung ihres Arbeitslosengeldanspruchs bis zum frühestmöglichen Bezug einer Altersrente erleiden. Dies ist stets der Fall, wenn die Abfindungshöhe für diesen Zeitraum den Betrag der zuletzt bezogenen Arbeitsvergütung erreicht. Die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer sind dann wirtschaftlich so gestellt, als wäre das Arbeitsverhältnis bis zu dem Zeitpunkt fortgesetzt worden, in dem sie nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I nahtlos eine Altersrente beziehen können (BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 19).
- 26
-
(3) Die Ausgestaltung des durch § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG eröffneten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraums unterliegt allerdings noch einer weiteren Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 10 Satz 2 AGG. Die von den Betriebsparteien gewählte Sozialplangestaltung muss geeignet sein, das mit § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG verfolgte Ziel tatsächlich zu fördern und darf die Interessen der benachteiligten (Alters-)Gruppe nicht unverhältnismäßig stark vernachlässigen.
- 27
-
b) Die an das Lebensalter anknüpfende Abfindungsberechnung im Sozialplan vom 16. Juni 2010 verstößt nicht gegen das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG.
- 28
-
aa) Die Regelungen des Sozialplans vom 16. Juni 2010 sind nach dem am 18. August 2006 in Kraft getretenen AGG idF des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2742) und nach § 75 Abs. 1 BetrVG in der seit dem 18. August 2006 geltenden Fassung zu beurteilen.
- 29
-
bb) Die Betriebsparteien haben bei der Gewährung der Sozialplanleistungen nach dem Lebensalter unterschieden. Nach Nr. 2.4. SP 2010 können die dort vorgesehenen Abfindungen nur Arbeitnehmer beanspruchen, die zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Zahlungen an ältere Beschäftigte richten sich ausschließlich nach Nr. 2.5. SP 2010. Die unterschiedliche Behandlung der beiden Arbeitnehmergruppen ist allein vom Lebensalter abhängig. Hierin liegt eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung.
- 31
-
(1) Von den Ausschlussregelungen in Nr. 2.5. SP 2010 sind Arbeitnehmer erfasst, die bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis das 58. Lebensjahr vollendet haben. Diese waren nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und einer sich daran anschließenden Arbeitslosigkeit für die Dauer von 24 Monaten durch den Bezug von Arbeitslosengeld I abgesichert (§ 127 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 SGB III idF des Siebten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 8. April 2008 [BGBI. I S. 681]). Die Arbeitnehmer, die nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I nicht unmittelbar eine vorzeitige Altersrente beanspruchen konnten, erhielten nach Nr. 2.5.2. SP 2010 einen pauschalierten Ausgleich für das bis zum frühestmöglichen Renteneintritt entfallende Arbeitsentgelt. Die Betriebsparteien konnten daher davon ausgehen, dass die den über 58-jährigen Arbeitnehmern gewährten Abfindungsbeträge ausreichend bemessen waren, um die wirtschaftlichen Nachteile, die diese nach dem Bezug des Arbeitslosengeldes I bis zur vorzeitigen Inanspruchnahmemöglichkeit einer Altersrente erleiden würden, nahezu vollständig auszugleichen.
- 32
-
(2) Die Begrenzung der den über 58-jährigen Arbeitnehmern gewährten Sozialplanleistungen ist angemessen und erforderlich iSd. § 10 Satz 2 AGG.
- 33
-
(a) Nach der Senatsrechtsprechung haben Sozialpläne eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Geldleistungen in Form einer Abfindung stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar, sondern sollen die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlustes ausgleichen oder zumindest abmildern. Die Betriebsparteien können diese Nachteile aufgrund ihres Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums in typisierter und pauschalierter Form ausgleichen (vgl. BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 31, BAGE 138, 107). Dazu können sie die übermäßige Begünstigung, die ältere Beschäftigte mit langjähriger Betriebszugehörigkeit bei einer am Lebensalter und an der Betriebszugehörigkeit orientierten Abfindungsberechnung erfahren, durch eine Kürzung für rentennahe Jahrgänge zurückführen, um eine aus ihrer Sicht verteilungsgerechte Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Betriebsänderung zu Gunsten der jüngeren Arbeitnehmer zu ermöglichen (BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 29).
- 34
-
(b) Die Erstreckung der Berechnungsregel in Nr. 2.4. SP 2010 auch auf Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet haben oder älter sind, hätte Beschäftigte mit längeren Beschäftigungszeiten überproportional begünstigt. Die Betriebsparteien konnten bei diesen Jahrgängen davon ausgehen, dass diese selbst bei fortbestehender Arbeitslosigkeit nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I wegen des gewährten Nettolohnausgleichs durch die Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente weitgehend wirtschaftlich abgesichert sind. Eine vergleichbare Absicherung konnten die Betriebsparteien bei den rentenfernen Jahrgängen nicht prognostizieren. Selbst wenn diese eine Anschlussbeschäftigung finden, verlieren die entlassenen Arbeitnehmer ihre bisherige kündigungsschutzrechtliche Stellung und gehören bei künftigen Personalreduzierungen regelmäßig zu den Beschäftigten, denen wegen ihrer kurzen Betriebszugehörigkeit vorrangig gekündigt wird. Überdies können sie regelmäßig bei der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses nicht ihr bisheriges Arbeitsentgelt erzielen, was, ebenso wie die vorangehenden Zeiten einer Arbeitslosigkeit, zu Nachteilen in ihrer Rentenbiografie führt.
- 35
-
(c) Die Interessen der über 58-jährigen Arbeitnehmer sind im Sozialplan vom 16. Juni 2010 bei der Ausgestaltung der sie betreffenden Ausgleichsregelungen genügend beachtet worden. Die Betriebsparteien haben diese Beschäftigtengruppe nicht von Sozialplanleistungen ausgeschlossen, sondern ihnen einen Nettolohnausgleich für das nach der Entlassung entfallende Arbeitsentgelt bis zum frühestmöglichen Bezug einer gesetzlichen Altersrente gewährt. Darin liegt zwar gegenüber der in Nr. 2.4. SP 2010 vorgesehenen Berechnungsregel für Abfindungsleistungen ein Systemwechsel. Dieser ist jedoch nicht unangemessen, da durch den pauschalierten Nettolohnausgleich bis zur Inanspruchnahmemöglichkeit einer gesetzlichen Altersrente keine nennenswerten wirtschaftlichen Nachteile entstehen. Einen darüber hinausgehenden Ausgleich der Abschläge für die vorzeitige Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente mussten die Betriebsparteien angesichts der begrenzt zur Verfügung stehenden Sozialplanmittel und der den anderen Arbeitnehmern voraussichtlich entstehenden Nachteile nicht vorsehen.
- 36
-
4. Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht.
- 37
-
a) Der Senat hat bereits in seinen Entscheidungen vom 23. März 2010 (- 1 AZR 832/08 - Rn. 18) und vom 26. Mai 2009 (- 1 AZR 198/08 - Rn. 41, BAGE 131, 61) eingehend begründet, dass die zum Verständnis und zur Anwendung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) heranzuziehenden Grundsätze offenkundig, jedenfalls aber durch die jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Slg. 2009, I-1569; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Slg. 2007, I-8531; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Slg. 2005, I-9981) als geklärt anzusehen sind, so dass ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Zulässigkeit einer auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlung bei Sozialplanabfindungen nicht geboten ist.
- 38
-
b) Die Vereinbarkeit der Senatsrechtsprechung mit Unionsrecht wird überdies durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Dezember 2012 (- C-152/11 - [Odar]) vollumfänglich bestätigt. In diesem hat der Gerichtshof über die Vereinbarkeit einer Sozialplanregelung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG entschieden. Auch der Gerichtshof geht davon aus, dass eine Ungleichbehandlung von älteren Arbeitnehmern bei der Berechnung der Sozialplanabfindung durch ein legitimes Ziel iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt sein kann, wenn der Sozialplan die Gewährung eines Ausgleichs für die Zukunft, den Schutz der jüngeren Arbeitnehmer sowie die Unterstützung bei ihrer beruflichen Wiedereingliederung und eine gerechte Verteilung der begrenzten finanziellen Mittel bezweckt (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar], Rn. 42 f., 45). Eine in Abhängigkeit von Lebensalter und Betriebszugehörigkeit berechnete Abfindung könne bei Arbeitnehmern, die im Zeitpunkt der Entlassung durch den möglichen Bezug einer vorgezogenen gesetzlichen Altersrente wirtschaftlich abgesichert sind, gemindert werden (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar], Rn. 48). Diese Grundsätze entsprechen der Senatsrechtsprechung.
- 39
-
c) Entgegen der Auffassung des Klägers ist es unionsrechtlich nicht geboten, dass er als Abfindung zumindest einen Betrag in Höhe der Hälfte der nach Nr. 2.4. SP 2010 berechneten Abfindung erhält. Die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Odar lassen ein solches Verständnis von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nicht zu.
- 40
-
aa) Das Arbeitsgericht München hat den Gerichtshof im Verfahren nach Art. 267 AEUV ua. nach der Vereinbarkeit der im Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Regelung einer als „Vorsorglicher Sozialplan“ bezeichneten Vereinbarung mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG gefragt (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar], Rn. 30). Nach dieser berechnet sich die Abfindung nach den Faktoren Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Bruttomonatsentgelt (Standardformel). Für Mitarbeiter nach Vollendung des 55. Lebensjahres sieht der „Vorsorgliche Sozialplan“ eine geänderte Berechnung vor, die von der Zeit bis zum frühestmöglichen Renteneintritt abhängig ist (Sonderformel). Sollte die nach der Standardformel berechnete Abfindung größer sein als diejenige nach der Sonderformel, kommt die geringere Summe zur Auszahlung. Diese darf jedoch die Hälfte der Standardformelabfindung nicht unterschreiten.
- 41
-
bb) Der Gerichtshof hat zwar die im „Vorsorglichen Sozialplan“ vorgenommene Berechnung der Abfindung auf der Grundlage des frühestmöglichen Rentenbeginns als mit Unionsrecht für vereinbar gehalten (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar], Rn. 54). Hierauf kann der Kläger seinen Anspruch jedoch nicht stützen. Der Gerichtshof hat nicht verlangt, dass die Abfindung von rentennahen Arbeitnehmern stets die Hälfte der für andere Arbeitnehmer geltenden Abfindungsformel betragen muss. Eine solche Aussage enthält die Entscheidung nicht. Die vorgenannten Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs sind einzelfallbezogen und beschränken sich auf die Vereinbarkeit einer bestimmten nationalen Sozialplanregelung mit Unionsrecht. Sie enthalten lediglich einen Hinweis des Gerichtshofs an das vorlegende Gericht, mit dem diesem eine sachdienliche Antwort auf seine Vorlagefrage gegeben werden sollte (vgl. EuGH 15. April 2010 - C-433/05 - [Sandström], Rn. 35, Slg. 2010, I-2885).
- 42
-
d) Der Durchführung eines zur Klärung der vom Kläger angesprochenen Frage gerichteten Vorabentscheidungsverfahrens bedarf es nicht. Es ist offensichtlich, dass die von ihm vertretene Sichtweise durch das Unionsrecht nicht vorgegeben wird. Sie würde zu inkohärenten und systemwidrigen Ergebnissen führen. Der Europäische Gerichtshof hat die Minderung der nach der Standardformel berechneten Abfindung bei rentennahen Arbeitnehmern als legitimes Ziel anerkannt. Könnten diese unabhängig von der Zeit bis zu einer vorzeitigen Bezugsmöglichkeit einer vorzeitigen Altersrente stets die Hälfte der nach der Standardformel zu berechnenden Abfindung beanspruchen, erhielten Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - bei ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nur noch kurze Zeit vor dem Erreichen der vorzeitigen Altersgrenze stehen, die gleiche Abfindung wie solche Arbeitnehmer, die diesen Zeitpunkt erst nach Ablauf von mehreren Jahren erreichen. Eine solche pauschale Abfindungsberechnung widerspräche der Überbrückungsfunktion von Sozialplänen.
- 43
-
5. Da sich die in Abhängigkeit vom Lebensalter vorgenommene Abfindungsberechnung im Sozialplan vom 16. Juni 2010 als zulässig erweist, bedarf es keiner Entscheidung, ob der nach Nr. 2.4. SP 2010 berechnete Abfindungsanspruch deshalb entfallen wäre, weil der Kläger die ihm von der Beklagten angebotene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an einem anderen Standort abgelehnt hat.
- 44
-
II. Die Revision ist auch hinsichtlich der Jubiläumszahlung begründet.
- 45
-
Nach Nr. 2.4.1.4. SP 2010 erhält der Beschäftigte ua. eine Jubiläumszahlung nach den betrieblichen Regelungen, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von fünf Jahren vor Erreichen des 40-jährigen Dienstjubiläums beendet wird. Es kann dahinstehen, ob auch die von Nr. 2.5. SP 2010 erfassten Arbeitnehmer aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz Anspruch auf eine solche Jubiläumszahlung haben. Der Kläger erfüllt die in Nr. 2.4.1.4. SP 2010 bestimmten Voraussetzungen nicht. Sein Arbeitsverhältnis wäre bei einer Weiterarbeit bis zum Erreichen des Regelrentenalters vor Erreichen des 40-jährigen Dienstjubiläums beendet worden. Auf die Regelung in Nr. 6.17 BO 1993 vermag der Kläger seinen Anspruch nicht zu stützen. Nr. 2.4.1.4. SP 2010 stellt für die Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - unter den persönlichen Geltungsbereich des Sozialplans vom 16. Juni 2010 fallen, eine abschließende Regelung über die entfallende Jubiläumszahlung dar. Im Übrigen erfüllt er auch die Nr. 6.17 BO 1993 genannten Voraussetzungen nicht. Die Vorschrift setzt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch das Erreichen einer gesetzlichen Altersgrenze („Pensionierung“) voraus.
-
Schmidt
Linck
Koch
Platow
Rath
Tenor
-
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. Dezember 2009 - 16 Sa 577/09 - wird zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Sozialplanabfindung.
- 2
-
Der 1951 geborene und mit einem Grad von 50 behinderte Kläger war seit 1989 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen in D als Schichtelektriker beschäftigt. Er bezog zuletzt ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.231,85 Euro zuzüglich einer Prämie und Schichtzuschlägen. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Papierindustrie der Bundesrepublik Deutschland Anwendung.
- 3
-
Der Kläger war aufgrund eines Wegeunfalls seit Dezember 2001 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 1. April 2003 bezog er eine zunächst bis zum 30. Juni 2007 befristete gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung, die im Juni 2007 bis zum 30. Juni 2009 verlängert wurde. Seit dem 1. Juli 2009 ist der Rentenbezug unbefristet.
- 4
-
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten legte den Betrieb in D aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom Oktober 2006 zum 31. Dezember 2007 vollständig still. Zuvor hatte sie mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat am 13. März 2007 einen Interessenausgleich und einen Sozialplan vereinbart. Nach Nr. 1.1 dieses Sozialplans sind alle Arbeitnehmer anspruchsberechtigt, die am 4. Oktober 2006 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen und deren Arbeitsverhältnis durch eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung, eine Eigenkündigung oder durch Aufhebungsvertrag endet. Leistungen aus diesem Sozialplan erhalten auch Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis ruht. Als Beispiele hierfür sind Elternzeit, Mutterschutz, Wehr- und Zivildienst genannt. Die Höhe der Abfindung richtet sich grundsätzlich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit und dem Lebensalter. Die Geburtsjahrgänge 1951 und 1952 erhalten 67 % und die Geburtsjahrgänge 1950 und älter 70 % des letzten Nettoentgelts multipliziert mit der Anzahl der Monate vom Austritt bis zum Ende des Monats, in dem der Beschäftigte das 63. Lebensjahr vollendet. Der so ermittelte Nettobetrag ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften auf eine einmalige Bruttoabfindung hochzurechnen und wird mit der letzten Abrechnung zur Auszahlung gebracht.
- 5
-
Nach Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans beendete die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Arbeitsverhältnisse der insgesamt 358 Arbeitnehmer durch betriebsbedingte Kündigungen oder auf andere Weise. Davon ausgenommen waren zunächst nur der Kläger und drei weitere Arbeitnehmer, die zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bezogen.
-
Am 10. Oktober 2007 schlossen die Betriebsparteien eine „Betriebsvereinbarung zur Ergänzung des Sozialplanes“ vom 13. März 2007 (BV-Ergänzung). Darin ist bestimmt:
-
„Präambel
…
Die Betriebsparteien sind bei Abschluss des Sozialplanes übereinstimmend davon ausgegangen, dass Mitarbeiter, die aufgrund des Bezuges befristeter voller Erwerbsminderungsrente zum Stichtag 04.10.2006 nicht mehr beschäftigt sind und deren Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar ist, Leistungen aus dem Sozialplan nicht erhalten sollen.
Vorsorglich und zur Vermeidung von Streitfällen setzen die Betriebspartner diesen Willen mit der nachfolgenden Ergänzung zum Sozialplan nochmals um:
§ 1 - Ergänzung der Ausschlussgründe zur Anspruchsberechtigung
Ziff. 1.2 des Sozialplanes vom 13.03.2007 wird wie folgt ergänzt:
Nicht anspruchsberechtigt sind des Weiteren Arbeitnehmer, die am 04.10.2006 unter Bezug einer befristeten vollen Erwerbsminderungsrente nicht beschäftigt sind und
-
die nach Ablauf der befristeten Erwerbsminderungsrente berechtigt sind, die gesetzliche Regelaltersrente - auch vorgezogen unter Hinnahme von Abschlägen - zu beanspruchen;
-
deren Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit unbefristet geleistet werden oder unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI);
-
bei denen aus anderen Gründen damit zu rechnen ist, dass die mit der Erwerbsminderung einhergehende Arbeitsunfähigkeit auf Dauer fortbesteht oder zumindest in absehbarer Zeit nicht behoben werden kann und damit einen Grund zur personenbedingten, da krankheitsbedingten, Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG vorliegt. Die Betriebsparteien gehen davon aus, dass dies bei einer die Rente wegen voller Erwerbsminderung begleitenden Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Jahren oder einer entsprechenden Bewilligung von voller Erwerbsminderungsrente für mehr als drei Jahre gegeben sind.
§ 2 - Besonderer Härtefonds
Zum Ausgleich besonderer sozialer Härten stellt S einen Härtefonds in Höhe von 40.000,-- € für die in § 1 benannten Mitarbeiter zur Verfügung. Mit diesem Härtefonds sollen zusätzliche soziale Härten der ausscheidenden Mitarbeiter abgemildert werden. …“
- 7
-
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2007 kündigte die Beklagte „aufgrund der Betriebsschließung“ das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Juli 2008. Der Kläger hat hiergegen keine Kündigungsschutzklage erhoben. Aus dem „Besonderen Härtefonds“ erhielt er eine Abfindung von 10.000,00 Euro.
- 8
-
Der Kläger hat geltend gemacht, er habe einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aus dem Sozialplan vom 13. März 2007. Der in der BV-Ergänzung vereinbarte Anspruchsausschluss sei unwirksam. Er benachteilige behinderte Menschen und verletze den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, da er nicht für alle ruhenden Arbeitsverhältnisse gelte.
-
Der Kläger hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 222.700,60 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. August 2008 zu zahlen.
- 10
-
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, es sei von Anfang an übereinstimmender Wille der Betriebsparteien gewesen, Arbeitnehmer, die aufgrund des Bezugs einer vollen Erwerbsminderungsrente zum Stichtag nicht beschäftigt worden seien und bei denen die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar gewesen sei, von den Sozialplanleistungen auszuschließen. Dies sei in der BV-Ergänzung nur bestätigt worden. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen einer Behinderung liege nicht vor, weil die BV-Ergänzung nicht an eine Behinderung als Differenzierungskriterium anknüpfe, sondern an den Bezug einer vollen Erwerbsminderungsrente.
-
Das Arbeitsgericht hat der zunächst auf die Zahlung einer Sozialplanabfindung in Höhe von 133.463,44 Euro brutto gerichteten und nachfolgend auf 222.700,60 Euro brutto erhöhten Klage in Höhe von 123.463,44 Euro brutto stattgegeben und sie im Übrigen wegen Verfalls der Ansprüche und der von der Beklagten in Höhe von 10.000,00 Euro erklärten Aufrechnung abgewiesen. Dagegen haben beide Parteien im Umfang ihres Unterliegens Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in voller Höhe weiter.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
- 13
-
I. Die Ansprüche des Klägers auf Zahlung einer Sozialplanabfindung richten sich nach dem Sozialplan vom 13. März 2007 idF der BV-Ergänzung vom 10. Oktober 2007.
- 14
-
1. Die Betriebsparteien haben den Sozialplan vom 13. März 2007 durch die BV-Ergänzung vom 10. Oktober 2007 geändert und mit deren § 1 den in Nr. 1.2 des Sozialplans vom 13. März 2007 näher bestimmten Kreis der nicht anspruchsberechtigten Beschäftigten erweitert. Diese Regelung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht lediglich deklaratorisch, sondern konstitutiv, weil die dort geregelten „Ausschlussgründe zur Anspruchsberechtigung“ in dem Sozialplan vom 13. März 2007 nicht enthalten waren.
- 15
-
2. Die Änderung des Sozialplans vom 13. März 2007 durch die BV-Ergänzung verstößt nicht gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes.
- 16
-
a) Die Betriebsparteien können die Regelungen einer Betriebsvereinbarung jederzeit für die Zukunft abändern. Die neue Betriebsvereinbarung kann dabei auch Bestimmungen enthalten, die für die Arbeitnehmer ungünstiger sind. Im Verhältnis zweier gleichrangiger Normen gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern die Zeitkollisionsregel. Danach geht die jüngere Norm der älteren vor. Eine spätere Betriebsvereinbarung kann allerdings bereits entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht schmälern. Vielmehr ist die Möglichkeit einer Rückwirkung normativer Regelungen durch das Vertrauensschutz- und das Verhältnismäßigkeitsprinzip beschränkt (BAG 2. Oktober 2007 - 1 AZR 815/06 - Rn. 19, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 20).
- 17
-
b) Die BV-Ergänzung greift nicht in bereits entstandene Rechte des Klägers ein. Die Änderung des Sozialplans vom 13. März 2007 erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger noch keinen Anspruch auf Sozialplanleistungen erworben hatte. Ohne anderslautende Bestimmung entstehen derartige Ansprüche erst mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses (BAG 2. Oktober 2007 - 1 AZR 815/06 - Rn. 21, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 20). Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers erst am 10. Dezember 2007 zum 31. Juli 2008 und damit nach Abschluss der BV-Ergänzung vom 10. Oktober 2007 gekündigt hat, kann offenbleiben, ob der Sozialplan den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung bereits auf den Ausspruch der Kündigung vorverlagert hat. Im Zeitpunkt der Vereinbarung der BV-Ergänzung hatte der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Rechtsposition inne, die ein schutzwürdiges Vertrauen in die Unabänderbarkeit der Regelungen vom 13. März 2007 hätte begründen können.
- 18
-
3. Der Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten - vorbehaltlich der Bestimmungen in § 1 BV-Ergänzung - nach Nr. 1.1 des Sozialplans an sich anspruchsberechtigt. Er stand am 4. Oktober 2006 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis, das durch betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 10. Dezember 2007 beendet wurde. Die Beklagte hat in dem Kündigungsschreiben als Grund für die Kündigung ausdrücklich die Betriebsschließung angegeben. Ob daneben auch ein personenbedingter Kündigungsgrund bestand, ist unerheblich, weil die Beklagte keine derartige Kündigung erklärt hat.
- 19
-
II. Der Kläger hat nach § 1 3. Spiegelstrich Satz 2 BV-Ergänzung keinen Anspruch auf Sozialplanleistungen. Er war an dem maßgeblichen Stichtag, dem 4. Oktober 2006, mehr als drei Jahre, nämlich seit Dezember 2001 arbeitsunfähig und bezog seit dem 1. April 2003 und damit seit mehr als drei Jahren volle Erwerbsminderungsrente. Nach dieser Bestimmung war deshalb damit zu rechnen, dass die mit der Erwerbsminderung einhergehende Arbeitsunfähigkeit auf Dauer fortbesteht oder zumindest in absehbarer Zeit nicht behoben werden würde. Dieser Anspruchsausschluss ist wirksam.
- 20
-
1. Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht, wie insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG), vereinbar sind. Danach haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in dieser Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat darin die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote übernommen(BAG 12. April 2011 - 1 AZR 764/09 - Rn. 10 f.). Dazu gehört auch das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung.
- 21
-
2. Der in § 75 Abs. 1 BetrVG enthaltene Begriff der Benachteiligung und die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung richten sich nach den Vorschriften des AGG(BT-Drucks. 16/1780 S. 56). Eine unmittelbare Benachteiligung liegt dabei gemäß § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Benachteiligungsgrundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Dagegen handelt es sich nach § 3 Abs. 2 AGG um eine mittelbare Benachteiligung, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
- 22
-
3. § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung führt zu einer unmittelbaren Ungleichbehandlung iSd. § 3 Abs. 1 AGG.
- 23
-
a) Eine unmittelbare Ungleichbehandlung liegt nicht nur vor, wenn die weniger günstige Behandlung ausdrücklich wegen eines in § 1 AGG aufgeführten Grundes erfolgt. Von § 3 Abs. 1 AGG wird vielmehr auch eine sog. verdeckte unmittelbare Ungleichbehandlung erfasst, bei der die Differenzierung zwar nicht ausdrücklich wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt, sondern an ein in dieser Vorschrift nicht enthaltenes Merkmal anknüpft, das jedoch in einem untrennbaren Zusammenhang mit einem in dieser Vorschrift genannten Grund steht(BT-Drucks. 16/1780 S. 32; dazu auch BVerfG 28. April 2011 - 1 BvR 1409/10 - Rn. 54, ZTR 2011, 434).
- 24
-
b) Dementsprechend führt § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung zu einer unmittelbaren Ungleichbehandlung iSd. § 3 Abs. 1 AGG. Die zum Ausschluss von Sozialplanleistungen führenden Gründe stehen in einem untrennbaren Zusammenhang mit der nach § 1 AGG verbotenen Differenzierung wegen einer Behinderung.
- 25
-
(1) Nach der Gesetzesbegründung zu § 1 AGG sind entsprechend der in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX enthaltenen Begriffsbestimmung Menschen behindert, wenn ihre körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist(BT-Drucks. 16/1780 S. 31). Das steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, nach der eine Behinderung iSd. Richtlinie 2000/78/EG eine wahrscheinlich längere Zeit andauernde Einschränkung ist, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist und die ein Hindernis für die Teilhabe des Betreffenden am Berufsleben bildet (11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacon Navas] Rn. 43 ff., Slg. 2006, I-6467).
- 26
-
Gem. § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung sind nicht anspruchsberechtigt Arbeitnehmer, die am 4. Oktober 2006 unter Bezug einer befristeten vollen Erwerbsminderungsrente nicht beschäftigt waren und bei denen aus anderen Gründen damit zu rechnen ist, dass die mit der Erwerbsminderung einhergehende Arbeitsunfähigkeit auf Dauer fortbesteht oder zumindest in absehbarer Zeit nicht behoben werden kann und damit einen Grund zur personenbedingten, da krankheitsbedingten Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG vorliegt. Die Betriebsparteien sind dabei davon ausgegangen, dass diese Anforderungen bei einer die Rente wegen voller Erwerbsminderung begleitenden Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Jahren oder einer entsprechenden Bewilligung von voller Erwerbsminderungsrente für mehr als drei Jahre erfüllt sind. Soweit in § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung auf den Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung abgestellt wird, müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI erfüllt sein. Danach sind Versicherte voll erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
- 27
-
(2) Die Gegenüberstellung der Merkmale des Begriffs der Behinderung und der tatbestandlichen Anforderungen des § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung macht deutlich, dass diese in einem untrennbaren Zusammenhang mit der nach § 1 AGG verbotenen Differenzierung wegen einer Behinderung stehen. Ein Arbeitnehmer, der den Tatbestand des § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung erfüllt, ist in der Teilhabe am Berufsleben längere Zeit eingeschränkt. Daher hat die Regelung eine unmittelbare Ungleichbehandlung des Klägers wegen einer Behinderung zur Folge.
- 28
-
4. Diese Ungleichbehandlung stellt jedoch keine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG dar, denn der Kläger wird durch den Ausschlusstatbestand in § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung nicht gegenüber Personen in einer „vergleichbaren Situation“ benachteiligt.
- 29
-
a) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG setzt voraus, dass eine Person eine weniger günstige Behandlung, als eine andere Person in vergleichbarer Situation erfährt. Der deutsche Gesetzgeber hat insoweit die Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG, die ebenfalls eine vergleichbare Situation voraussetzt, unverändert umgesetzt. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine unmittelbare Benachteiligung nur dann vorliegt, wenn sich die betroffenen Personen in einer vergleichbaren Lage befinden (vgl. 10. Mai 2011 - C-147/08 - [Römer] Rn. 41, ZTR 2011, 437; 18. November 2010 - C-356/09 - [Kleist] Rn. 32 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 76/207 Nr. 8; 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 72 f., Slg. 2008, I-1757; 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [Hlozek] Rn. 44 ff., Slg. 2004, I-11491 zu Art. 141 EG sowie 1. März 2011 - C-236/09 - [Test-Achats] Rn. 28 f. zu Art. 5 der Richtlinie 2004/113/EG). Die Situationen müssen nicht identisch, sondern nur vergleichbar sein. Dies ist nicht allgemein und abstrakt, sondern spezifisch und konkret von den nationalen Gerichten im Einzelfall anhand des Zwecks und der Voraussetzungen für die Gewährung der fraglichen Leistungen festzustellen (EuGH 10. Mai 2011 - C-147/08 - [Römer] Rn. 52; 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 73, aaO). Danach ist unionsrechtlich geklärt, dass ein letztentscheidungsbefugtes nationales Gericht unter Zugrundelegung des vom Gerichtshof entwickelten Vergleichsmaßstabs selbst zu prüfen hat, ob sich der Betroffene in einer vergleichbaren Situation mit anderen befindet. Die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV war deshalb nicht geboten.
- 30
-
b) Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen dem Kläger und den nach dem Sozialplan anspruchsberechtigten Arbeitnehmern keine vergleichbare Situation.
- 31
-
aa) Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen gem. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können(18. Mai 2010 - 1 AZR 187/09 - Rn. 22 mwN, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 209 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 38). Die Sozialplanleistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar (BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 23, BAGE 131, 61).
- 32
-
bb) Hiervon ausgehend sind entgegen der Auffassung der Revision nicht alle Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung verloren haben, bereits aus diesem Grund in einer „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG. Die Vergleichbarkeit bestimmt sich vielmehr nach der zukunftsbezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplans. Dementsprechend kommt es darauf an, ob sich der Kläger und die vom Sozialplan begünstigten Arbeitnehmer in Bezug auf ihre durch die Betriebsstilllegung verursachten wirtschaftlichen Nachteile in einer vergleichbaren Situation befinden.
- 33
-
cc) Danach besteht zwischen dem Kläger und den anspruchsberechtigten Arbeitnehmern keine vergleichbare Situation. Während diese infolge der Betriebsschließung und dem damit verbundenen Verlust der Arbeitsplätze ihren Arbeitsverdienst verloren haben, erhielt der Kläger bereits vor der Betriebsschließung kein Arbeitsentgelt mehr, sondern eine Erwerbsminderungsrente. Hieran hat sich durch die Betriebsstilllegung nichts geändert. Der Kläger verkennt, dass die Sozialplanabfindung keine Belohnung für die Dienste in der Vergangenheit ist, sondern eine zukunftsgerichtete Hilfe, die dazu dient, künftige Nachteile auszugleichen oder zu mildern, die als Folge einer Betriebsänderung entstehen. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für die Vergleichbarkeit der Situationen nicht darauf an, ob ein Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglicherweise einen Anspruch auf Auszahlung einer Kapitallebensversicherung hat und hierdurch finanziell abgesichert ist. Diese auf privaten Dispositionen des Einzelnen beruhende wirtschaftliche Absicherung steht in keinem Zusammenhang mit dem Verlust des Arbeitsplatzes infolge einer Betriebsänderung und der damit einhergehenden Verdiensteinbuße. Den nach dem Sozialplan anspruchsberechtigten Arbeitnehmern entstehen deshalb auch dann wirtschaftliche Nachteile, wenn sie Leistungen aus einer privaten Kapitallebensversicherung beziehen können. Derartige Nachteile treten beim Kläger nicht ein.
- 34
-
III. § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG, soweit nach dem Sozialplan auch Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ruht, wie beispielsweise während der Elternzeit, dem Mutterschutz oder dem Wehr- und Zivildienst, anspruchsberechtigt sind.
- 35
-
1. Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG 14. Dezember 2010 - 1 AZR 279/09 - Rn. 15, NZA-RR 2011, 182).
-
2. Danach ist die von den Betriebsparteien vorgenommene Gruppenbildung nicht zu beanstanden. Die Betriebsparteien durften in Bezug auf die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ruht, davon ausgehen, dass sie nach Beendigung des Ruhenstatbestands in den Betrieb zurückkehren und dort wieder arbeiten und entlohnt werden. Dieser Personenkreis hat damit infolge der Betriebsänderung einen wirtschaftlichen Nachteil erlitten. Dagegen konnten die Betriebsparteien davon ausgehen, dass die von § 1 3. Spiegelstrich BV-Ergänzung erfassten Personen nicht wieder arbeiten werden und damit auch kein Erwerbseinkommen erzielen können. Folglich fehlt es bei diesem Personenkreis an einem ausgleichsfähigen wirtschaftlichen Nachteil.
-
Linck
Koch
Spelge
Für den aus dem Amt
ausgeschiedenen ehrenamtlichen
Richter Dr. Münzer
LinckN. Schuster
Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.
Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.
Tenor
-
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 15. September 2009 - 2 Sa 136/09 - wird zurückgewiesen.
-
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 2005 hinaus.
- 2
-
Die Klägerin war seit April 2000 bei dem Beklagten als Sozialberaterin für ausländische Arbeitnehmer im Bereich „Zuwanderung“ beschäftigt.
- 3
-
Mit Schreiben vom 30. September 2005 teilte der Beklagte sämtlichen Mitarbeitern mit, dass beabsichtigt sei, mit Wirkung ab 1. Januar 2006 den Bereich „Zuwanderung“ herauszulösen und auf einen eigenständigen Rechtsträger zu übertragen. Eine Information nach § 613a Abs. 5 BGB sollte zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
-
Mit einer schriftlichen Unterrichtung vom 9. November 2005 informierte der Beklagte die Klägerin über die zum Januar 2006 beabsichtigte Übertragung des Bereichs „Zuwanderung“ auf die gGmbH A (im Folgenden: A gGmbH). Auszugsweise lautet dieses Schreiben:
-
„Die Übertragung des Bereichs Zuwanderung hat rechtlich zur Folge, dass das zwischen Ihnen und der A bestehende Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes, nämlich gemäß § 613 a BGB auf die gGmbH A übergeht, ohne dass es einer zusätzlichen Vereinbarung zwischen Ihnen und der gGmbH A bedarf. Es findet also ein gesetzlicher Wechsel des Arbeitgebers in Bezug auf ihr Arbeitsverhältnis statt.
§ 613 a Abs. 5 BGB sieht vor, die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer über folgende Punkte zu unterrichten:
1.
Zeitpunkt des Übergangs:
1.1.2006
2.
Grund für den Übergang:
Die Aufgabenstellung und Finanzierung des Bereiches ‚Zuwanderung‘ hat aufgrund des neuen Zuwanderungsgesetzes eine neue Struktur erfahren. Der Bund und das Land Hamburg finanzieren zukünftig jeder für sich Dienstleistungen, die klar voneinander abgrenzbar sind. Insbesondere die Dienstleistungen für die Freie und Hansestadt Hamburg wird im Rahmen einer Leistungsvereinbarung mit Hilfe von Kennzahlen gesteuert. Die Behörde für Soziales und Familie hat darüber hinaus angekündigt, die von ihr finanzierten Leistungen in 2006 für das Jahr 2007 öffentlich auszuschreiben. Angesichts des starken Wettbewerbs im Bereich der pädagogischen, beratenden und in den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelnden Dienstleistungen in der Hansestadt, die u.a. auf die Einführung des Bildungsgutscheines seitens der Bundesagentur für Arbeit, in Zusammenhang mit Hartz IV und der Bildung der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) in Hamburg zurückzuführen sind, wird die A ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern müssen, um auch die Existenz des Bereiches ‚Dienstleistungen im Zuwanderungsbereich’ unter dem A-Dach sicher zu stellen und nach Möglichkeit darüber hinaus auch im Wettbewerb mit anderen Anbietern auszubauen.
3.
Rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen des Übergangs:
Der Eintritt der gGmbH A als neuer Arbeitgeber in das jetzt noch mit Ihnen und der A Landesverband H bestehende Arbeitsverhältnis erfolgt, ohne dass sich die geschlossenen Arbeitsverträge inhaltlich verändern. Ihre bisherigen arbeitsvertraglichen Regelungen einschließlich Betriebszugehörigkeit bleiben voll inhaltlich in Kraft. Da die gGmbH A nicht tarifgebunden ist, gelten die bisher bei der A Landesverband H kollektiv angewendeten Tarifverträge als Bestandteil ihres Arbeitsverhältnisses weiter. Sollte die gGmbH A später eine Tarifbindung eingehen, treten die ab dem Betriebsübergang individualrechtlich gültigen Tarifregelungen wieder außer Kraft und werden durch die neuen Tarifregelungen ersetzt.
Bestehende Betriebsvereinbarungen werden ebenfalls so lange Bestandteil Ihres Arbeitsverhältnisses, bis sie durch neue Betriebsvereinbarungen im neu entstehenden Betrieb abgelöst werden.
Durch die Übertragung wird der Bereich Zuwanderung zu einem eigenständigen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Der bisher für Sie zuständige Betriebsrat bleibt zunächst zuständig, ist jedoch rechtlich verpflichtet, einen Wahlvorstand zu bestellen, um die Bildung eines neuen Betriebsrates in die Wege zu leiten.
4.
Hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommene Maßnahmen:
Es sind keine Änderungen geplant.
Ihnen steht gemäß § 613 a Abs. 6 BGB das Recht zu, dem automatischen Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die gGmbH A zu widersprechen. Sollten Sie Widerspruch gegen den Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses erklären wollen, bitten wir darum, diesen innerhalb einer Frist von einem Monat seit Erhalt dieses Schreibens zu tun.“
-
Am 30. November 2005 teilte die Klägerin dem Beklagten über ihre frühere Bevollmächtigte schriftlich mit, dass die Unterrichtung über den Betriebsübergang nicht ausreichend erfolgt sei und die Widerspruchsfrist daher noch nicht laufe. Der Beklagte reagierte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts darauf mit Schreiben vom 30. Januar 2006 (richtig wohl „30. Dezember 2005“). Dort heißt es ua.:
-
„Wir haben bezüglich der Informationspflicht des § 613a BGB eine andere Sicht und können Ihre Ausführungen nicht nachvollziehen.“
- 6
-
Am 15. Dezember 2005 wurde der Gesellschaftsvertrag zur Gründung der A gGmbH notariell beurkundet. Die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister erfolgte eine Woche später. Zum Geschäftsführer der neu gegründeten Gesellschaft wurde der Geschäftsführer des Beklagten bestellt.
- 7
-
Zum 1. Januar 2006 übertrug der Beklagte den Bereich „Zuwanderung“ auf den neuen Rechtsträger A gGmbH.
- 8
-
Am 22. Februar 2006 fand im Betrieb der A gGmbH eine Betriebsratswahl statt, bei der die Klägerin zum Ersatzmitglied des Betriebsrats gewählt wurde.
-
Mit Schreiben vom 27. Juni 2008 teilte die Geschäftsführung der A gGmbH sämtlichen Mitarbeitern die beabsichtigte Stilllegung und Einstellung des Geschäftsbetriebs zum 31. Dezember 2008 mit. Auszugsweise ist ausgeführt:
-
„Wir möchten Sie darüber informieren, dass der Vorstand der A, Landesverband H, auf der Sitzung des Landesvorstandes am 23.06.2008 beschlossen hat, die Geschäftsführung der AG anzuweisen, unter Beachtung von Beteiligungsrechten nach dem Betriebsverfassungsrecht, die AG zum 31.12.2008 komplett stillzulegen. Die AG stellt somit zum 31.12.2008 ihren Geschäftsbetrieb ein.
Ausgenommen von der Einstellung des Geschäftsbetriebes zum 31.12.2008 sind die Projekte Hi II und Hi III, die am 30.06.2009 auslaufen werden.
Die A wird alle Mitarbeiter, die für die prekäre Situation der AG nicht verantwortlich zu machen sind, in den nächsten Monaten tatkräftig unter Einschaltung der Kontakte zum A Bundesverband, der B und den anderen Trägern in der Migrationsarbeit bei der Suche nach einer beruflichen Anschlussperspektive unterstützen.
Die A gGmbH ist nicht existenzfähig. Die A, Landesverband H, stellt die finanziellen Mittel sicher, die notwendig sind, um den Geschäftsbetrieb bis zum 31.12.2008 aufrechtzuerhalten.
Die Geschäftsführung wird mit dem Betriebsrat Verhandlungen über einen Sozialplan aufnehmen.“
- 10
-
Am 1. Juli 2008 wurde für die A gGmbH ein Liquidator bestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 1. November 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A gGmbH eröffnet.
- 11
-
Unter Vollmachtsvorlage widersprach der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 6. November 2008 gegenüber dem Beklagten dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die A gGmbH.
- 12
-
Mit Schreiben vom 12. November 2008 wies der Beklagte die Auffassung der Klägerin, es bestehe wegen des Widerspruchs weiterhin ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien, zurück.
- 13
-
Der Betrieb der A gGmbH wurde zum 31. Dezember 2008 eingestellt.
- 14
-
Die Klägerin meint, das Arbeitsverhältnis sei nicht auf die A gGmbH übergegangen, da sie dem Übergang rechtzeitig und wirksam widersprochen habe. Im Zeitpunkt des Widerspruchs sei die Widerspruchsfrist nicht abgelaufen gewesen, da das Unterrichtungsschreiben vom 9. November 2005 nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe und inhaltlich unzutreffend gewesen sei. So sei beispielsweise die Anschrift der A gGmbH nicht angegeben worden. Auch sei ein Hinweis auf den Grund des Betriebsübergangs genauso zu vermissen, wie ein Hinweis auf die Haftungsbeschränkung nach § 613a Abs. 2 BGB.
-
Die Klägerin hat beantragt
-
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Dezember 2005 hinaus fortbesteht.
- 16
-
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
- 17
-
Er vertritt die Ansicht, die Unterrichtung der Klägerin über den Betriebsübergang sei ordnungsgemäß erfolgt, so dass deren Widerspruch vom 6. November 2008 verspätet erfolgt sei. Jedenfalls sei das Widerspruchsrecht verwirkt, da im Hinblick auf die verstrichene Zeit von nahezu drei Jahren das Zeitmoment ebenso wie das Umstandsmoment verwirklicht sei. Die Klägerin habe trotz Information über die prekäre Lage der A gGmbH erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihren Widerspruch erklärt.
-
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter, während der Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
- 19
-
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Ihr Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten ist im Wege eines Betriebsteilübergangs ab dem 1. Januar 2006 gemäß § 613a Abs. 1 BGB auf die A gGmbH übergegangen.
- 20
-
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Unterrichtungsschreiben vom 9. November 2005 entspreche nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB. So habe der Beklagte nicht ausreichend über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs im Sinne von § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB informiert, denn es fehle eine Darstellung der begrenzten gesamtschuldnerischen Nachhaftung gemäß § 613a Abs. 2 BGB. Die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB sei daher nicht in Lauf gesetzt worden. Allerdings sei das Widerspruchsrecht der Klägerin zum Zeitpunkt seiner Ausübung verwirkt gewesen. Bei einem Zeitraum von nahezu drei Jahren zwischen der Unterrichtung mit Schreiben vom 9. November 2005 und dem Widerspruch der Klägerin vom 6. November 2008 sei das Zeitmoment erfüllt. Die Klägerin habe zudem auch das Umstandsmoment verwirklicht. Die Dauer des Zeitmoments und sämtliche für das Umstandsmoment maßgeblichen Faktoren seien in Wechselwirkung zu setzen. Zwar könne im Hinblick auf das Benachteiligungsverbot für Betriebsratsmitglieder nicht auf die Kandidatur der Klägerin bei den Betriebsratswahlen abgestellt werden. Jedoch genüge für die Annahme des Umstandsmoments im Hinblick auf das Zeitmoment, dass die Klägerin nach Erhalt der Mitteilung über die prekäre wirtschaftliche Lage und die beabsichtigte Stilllegung der A gGmbH zum 31. Dezember 2008 (Schreiben der A gGmbH vom 27. Juni 2008) noch bis zum 6. November 2008 für den Widerspruch zugewartet habe. Hinzu komme, dass es die Klägerin bei der inhaltsleeren Antwort des Beklagten vom 30. Januar 2006 (richtig wohl: 30. Dezember 2005) habe bewenden lassen.
- 21
-
II. Das angefochtene Urteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
- 22
-
1. Die zulässige Feststellungsklage ist nicht begründet. Zwischen den Parteien besteht über den 31. Dezember 2005 hinaus kein Arbeitsverhältnis mehr. Dieses ist mit Wirkung zum 1. Januar 2006 im Wege eines Betriebsteilübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die A gGmbH übergegangen. Diesem Übergang des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin nicht wirksam widersprochen.
- 23
-
2. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Unterrichtung der Klägerin mit Schreiben vom 9. November 2005 über den am 1. Januar 2006 erfolgten Betriebsteilübergang nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entsprochen hat und dadurch die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB für die Klägerin nicht in Gang gesetzt wurde(vgl. BAG 18. März 2010 - 8 AZR 840/08 - AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 14), so dass das Widerspruchsrecht nicht verfristet war, als es von der Klägerin am 6. November 2008 ausgeübt wurde.
- 24
-
Zu den rechtlichen Folgen, über die nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer zu unterrichten sind, gehören zunächst die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang als solchem ergebenden Rechtsfolgen. Dies erfordert insbesondere auch einen Hinweis auf das Haftungssystem des § 613a Abs. 2 BGB(st. Rspr., vgl. BAG 23. Juli 2009 - 8 AZR 538/08 - BAGE 131, 258 = AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114).
- 25
-
Die Ausführungen im Unterrichtungsschreiben, die A gGmbH trete als neuer Arbeitgeber in das jetzt noch mit dem Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis ein, ohne dass sich die geschlossenen Arbeitsverträge inhaltlich veränderten, besagt nichts über die Verteilung der Haftung infolge des Betriebsübergangs.
- 26
-
Schließlich wurde die Klägerin auch nicht in ausreichender Weise über ihr Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB unterrichtet, weil ein Hinweis auf die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform(§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) fehlt.
- 27
-
3. Das Recht der Klägerin zum Widerspruch war zum Zeitpunkt seiner Ausübung mit Schreiben vom 6. November 2008 allerdings verwirkt.
- 28
-
a) Das Widerspruchsrecht kann wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Verwirkungsgrundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann (st. Rspr., vgl. BAG 12. November 2009 - 8 AZR 751/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 12).
- 29
-
b) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.
- 30
-
c) Angesichts der gesetzlichen Regelung ist hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine bestimmte Monatsfrist abzustellen. Entscheidend sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalles. Auch ist die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Zeitmoment und Umstandsmoment beeinflussen sich wechselseitig, dh. beide Elemente sind bildhaft im Sinne „kommunizierender Röhren“ miteinander verbunden. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken (BAG 24. Juli 2008 - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347). Umgekehrt gilt, je mehr Zeit seit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs verstrichen ist und je länger der Arbeitnehmer bereits für den Erwerber gearbeitet hat, desto geringer sind die Anforderungen an das Umstandsmoment.
- 31
-
d) Diese Voraussetzungen für die Annahme der Verwirkung liegen nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts im Streitfalle vor. Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, obliegt grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben. Allerdings unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung, ob das Tatsachengericht die von der Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Voraussetzungen der Verwirkung beachtet sowie alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (vgl. BAG 11. November 2010 - 8 AZR 185/09 -; 20. Mai 2010 - 8 AZR 734/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 119).
- 32
-
e) Diesem Überprüfungsmaßstab hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand.
- 33
-
Zwischen der Unterrichtung der Klägerin mit Schreiben vom 9. November 2005 über den bevorstehenden Betriebsteilübergang und ihrem Widerspruch mit Schreiben vom 6. November 2008 liegt ein Zeitraum von nahezu drei Jahren. Damit ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, das sogenannte Zeitmoment erfüllt. Die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche Zeitmoment beginnt nicht erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zu laufen, insbesondere nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung oder Kenntnis des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und dessen Folgen. Bei dem Zeitmoment handelt es sich nicht um eine gesetzliche, gerichtliche oder vertraglich vorgegebene Frist, für welche bestimmte Anfangs- und Endzeitpunkte gelten, wie sie in den §§ 186 ff. BGB geregelt sind. Vielmehr hat bei der Prüfung, ob ein Recht verwirkt ist, immer eine Gesamtbetrachtung stattzufinden, bei welcher das Zeit- und das Umstandsmoment zu berücksichtigen und in Relation zu setzen sind (BAG 27. November 2008 - 8 AZR 174/07 - BAGE 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106). Nach der Rechtsprechung des Senats kann je nach den Umständen des Einzelfalles zur Erfüllung des Zeitmoments ein Zeitraum von neun Monaten (vgl. 24. Februar 2011 - 8 AZR 699/09 -), von über einem Jahr (vgl. 27. November 2008 - 8 AZR 174/07 - aaO; 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 - BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64) oder ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren (vgl. 9. Dezember 2010 - 8 AZR 614/08 -) genügen.
- 34
-
Das Schreiben der früheren Bevollmächtigten der Klägerin vom 30. November 2005 hat die Verwirkung nicht gehemmt. Zwar hat die Klägerin in diesem Schreiben die Auffassung vertreten, das Informationsschreiben vom 9. November 2005 sei unzureichend gewesen und entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen, so dass der Lauf der Widerspruchsfrist nicht ausgelöst werde. Einen Widerspruch hat die Klägerin gleichwohl nicht erklärt, sondern den Beklagten lediglich aufgefordert, ihr die nach § 613a BGB vorgeschriebenen Informationen „… im erforderlichen Umfange“ mitzuteilen. Ob bzw. welche Konsequenzen die Klägerin aus der bisherigen Informationserteilung zu ziehen beabsichtigte, ist ebenso wenig mitgeteilt worden wie ein etwaiges Verhalten der Klägerin nach einer möglicherweise noch zu erteilenden, ausreichenden Unterrichtung. Damit hat die Klägerin nicht ausgeschlossen, auf die Ausübung ihres Widerspruchsrechts möglicherweise zu verzichten. Deshalb verhinderte das Schreiben der Klägerin vom 30. November 2005 beim Beklagten nicht eine Vertrauensbildung dahin gehend, die Klägerin werde ihr Recht zum Widerspruch letztlich doch nicht ausüben.
- 35
-
Mit dem Landesarbeitsgericht ist weiter davon auszugehen, dass die Klägerin auch das Umstandsmoment verwirklicht hat.
- 36
-
Soweit die Klägerin ab dem 1. Januar 2006 zunächst ohne Widerspruch bei der A gGmbH weitergearbeitet hat, begründet dies für sich allein betrachtet noch keine Verwirkung ihres Widerspruchsrechts (st. Rspr., vgl. BAG 20. Mai 2010 - 8 AZR 734/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 119).
- 37
-
Allerdings führen die weiter zu berücksichtigenden Umstände in Wechselwirkung mit dem Zeitmoment zur Verwirkung des Widerspruchsrechts.
- 38
-
Im Schreiben vom 27. Juni 2008 wurden alle Mitarbeiter durch die A gGmbH über die beabsichtigte Einstellung des Geschäftsbetriebs zum 31. Dezember 2008 informiert. Ausdrücklich heißt es, dass die Erwerberin (A gGmbH) „nicht existenzfähig“ sei und der Beklagte die Mittel sicherstelle, die notwendig seien, um den Geschäftsbetrieb bis zum 31. Dezember 2008 aufrechtzuerhalten. In diesem Schreiben wird ausdrücklich auf die „prekäre“ Situation bei der Erwerberin hingewiesen. Zum 1. Juli 2008 wurde darüber hinaus für die A gGmbH ein Liquidator bestellt. Damit hatte die Klägerin von den für sie maßgeblichen Umständen Kenntnis, um eine Entscheidung darüber, ob sie den Arbeitgeberwechsel hinnimmt oder ihm widerspricht, treffen zu können. Gleichwohl hat sie von ihrem Widerspruchsrecht zunächst keinen Gebrauch gemacht. Erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss des AG Hamburg vom 1. November 2008 sah sie sich zum Widerspruch vom 6. November 2008 veranlasst. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehr als vier Monate seit dem Schreiben vom 27. Juni 2008 verstrichen, in denen die Klägerin das Vertrauen beim Beklagten, sie werde ihr Widerspruchsrecht nicht ausüben, gestärkt hat. Diese Untätigkeit erlangt auch deshalb besonderes Gewicht, weil die Klägerin mit Schreiben ihrer früheren Bevollmächtigten vom 30. November 2005 noch auf die Unzulänglichkeit der Unterrichtung hingewiesen und ausreichende Information verlangt hatte, also zunächst für ihr Recht eingetreten war, dann aber - widersprüchlich - über einen sehr langen Zeitraum untätig blieb. Die Klägerin blieb nicht nur trotz des inhaltsleeren Schreibens des Beklagten vom 30. Dezember 2005 untätig, sondern selbst dann noch über vier Monate, nachdem sie über die beabsichtigte Betriebsstilllegung der A gGmbH informiert worden war. Für die Klägerin war nicht nur die prekäre wirtschaftliche Situation der A gGmbH infolge des Schreibens vom 27. Juni 2008 offenkundig, sondern darüber hinaus musste sie aufgrund dieses Schreibens davon ausgehen, dass spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2008 ihre berufliche Situation und Zukunft ungesichert sein werde. Trotz dieser Perspektive reagierte die Klägerin nicht zeitnah auf das Schreiben vom 27. Juni 2008. Für den Beklagten wurde so der Eindruck, die Klägerin werde dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nicht widersprechen, nachhaltig verstärkt. Ob die Klägerin gehalten war, den Widerspruch unverzüglich (dh. ohne schuldhaftes Zögern, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erklären, kann vorliegend dahinstehen. Auf jeden Fall war mit einem Zeitraum von mehr als vier Monaten ein der Klägerin zuzubilligender, angemessener Zeitraum, in dem sie ggf. Rechtsrat einholen und sich über die Ausübung ihres Widerspruchsrechts klar werden konnte, für die Erklärung des Widerspruchs abgelaufen. Mit ihrem Verhalten hatte die Klägerin den Eindruck erweckt und damit die Vertrauensbildung beim Beklagten verstärkt, dass sie auch angesichts der ausweglosen Situation für die Betriebserwerberin von einem etwaigen Widerspruchsrecht keinen Gebrauch machen werde. Ob die Wahl der Klägerin zum Ersatzmitglied des bei der A gGmbH gebildeten Betriebsrats ein weiteres Umstandsmoment für die Annahme der Verwirkung darstellt, durfte nach alldem dahinstehen.
- 39
-
Zu Unrecht rügt die Revision, zur Bejahung des Umstandsmoments hätte es der Feststellung einer „Vertrauensinvestition“ des Beklagten durch das Landesarbeitsgericht bedurft. Entgegen der Ansicht der Klägerin setzt der Verwirkungseinwand nicht voraus, dass der Verpflichtete eine konkret feststellbare Vermögensdisposition im Vertrauen auf die Nichtinanspruchnahme getroffen haben muss. Richtig ist vielmehr, dass die Verwirkung eines Rechts nur in Betracht kommt, wenn die verspätete Inanspruchnahme für die Gegenseite - wie hier - unzumutbar erscheint. Diese Unzumutbarkeit muss sich jedoch nicht aus wirtschaftlichen Dispositionen des Verpflichteten ergeben. Solche können das Umstandsmoment zwar verstärken, sind jedoch nicht Voraussetzung für die Annahme desselben (MünchKommBGB/Roth 5. Aufl. § 242 BGB Rn. 333; Staudinger/Looschelders/Olzen [2009] § 242 Rn. 295, 311). Zudem ist in diesem Zusammenhang im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen eine typisierende Betrachtungsweise angezeigt (vgl. Birr Verjährung und Verwirkung 2. Aufl. Rn. 267; Palandt/Grüneberg 70. Aufl. § 242 BGB Rn. 95). Nach einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang kann davon ausgegangen werden, dass der Betriebsveräußerer mit zeitlichem Abstand zum Betriebsübergang zunehmend seine Kalkulation auf der Grundlage vorgenommen hat, dass die nach seiner und des Erwerbers Ansicht übergegangenen Arbeitsverhältnisse nicht mehr mit ihm bestehen. Einer konkret feststellbaren Vermögensdisposition des Verpflichteten, dh. des bisherigen Arbeitgebers, bedarf es daher nicht.
- 40
-
f) Zur Verwirkung des Widerspruchsrechts genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der Betriebserwerber auf Verwirkungsumstände berufen könnte, diese auch der Betriebsveräußerer für sich in Anspruch nehmen kann. Neuer und alter Arbeitgeber können sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen, eine nachgewiesene subjektive Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (st. Rspr., vgl. BAG 27. November 2008 - 8 AZR 174/07 - BAGE 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 262 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106).
- 41
-
Danach käme es für die Annahme der Verwirkung nicht auf die Kenntnis der die Verwirkung begründenden Umstände beim Beklagten an. Allerdings lag diese beim Beklagten vor, da der Geschäftsführer der A gGmbH zugleich Geschäftsführer des Beklagten war.
-
III. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
-
Hauck
Böck
Breinlinger
Volz
Burr
Tenor
-
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. August 2009 - 7 (12) Sa 729/06 - wird zurückgewiesen.
-
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz darüber, ob zwischen ihnen über den 1. November 2004 hinaus ein Arbeitsverhältnis fortbesteht und ob dem Kläger gegen die Beklagte Vergütungsansprüche für den Zeitraum 1. September 2005 bis 31. März 2006 zustehen.
- 2
-
Der Kläger war seit 1989 bei der Beklagten im Geschäftsbereich C I (CI) beschäftigt.
- 3
-
Dieser Geschäftsbereich verzeichnete seit mehreren Jahren Umsatzrückgänge, welche die Beklagte zu Personalabbaumaßnahmen veranlassten.
-
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 informierte die Beklagte den Kläger über die beabsichtigte Übertragung des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH. In diesem Schreiben heißt es ua.:
-
„...
die A-G AG plant, den Geschäftsbereich C I (CI) mit Wirkung zum 1. November 2004 auf die A GmbH zu übertragen.
Für die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, die dem Geschäftsbereich CI zugeordnet sind, führt diese Übertragung zu einem automatischen Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse. Dies ist in § 613 a BGB geregelt, dessen Bestimmungen auf den Übergang zwingend anwendbar sind. § 613 a Absatz 5 BGB sieht eine schriftliche Information des von einem solchen Übergang betroffenen Arbeitnehmers vor, der nach § 613 a Absatz 6 BGB dem Übergang auch widersprechen kann.
Diese Bestimmungen lauten:
‚Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:
1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.’
Ihr Arbeitsverhältnis ist dem Geschäftsbereich CI zugeordnet und würde deshalb mit dem 1. November 2004 auf A GmbH übergehen.
...
1.
Zum geplanten Zeitpunkt des Übergangs:
Das Datum des geplanten Übergangs ist der 1. November 2004.
2.
Zum Grund für den Übergang:
Grund des Übergangs ist die rechtliche Verselbständigung des Geschäftsbereichs CI in der A GmbH und deren anschließende Veräußerung an N GmbH.
A GmbH mit Sitz in L umfasst das gesamte bisherige CI-Geschäft der A-G AG, also die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte. A GmbH übernimmt das Vermögen von CI. Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.
...
Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über hohe Liquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.
3.
Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer:
Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs CI tritt A GmbH in die bestehenden, unveränderten Arbeitsverhältnisse ein. Zur Klärung und Regelung der Einzelheiten haben A-G AG, A GmbH, Gesamtbetriebsrat der A-G AG sowie die örtlichen Betriebsräte am 24. September 2004 eine Überleitungsvereinbarung ‚zur Klärung der rechtlichen Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse betroffener Arbeitnehmer, auf die kollektiv-rechtlichen Regelungen sowie auf die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen’ abgeschlossen, die davon geprägt ist, so weit wie möglich Kontinuität zu wahren:
-
Die bei der A-G AG verbrachten und/oder von ihr anerkannten Dienstjahre werden als Dienstzeit bei A GmbH anerkannt.
-
Die Zugehörigkeit zu den Arbeitgeberverbänden der Chemischen Industrie wird auch bei A GmbH bestehen, d.h. es bleibt bei den Chemie-Tarifen.
...
…
5.
Zu Ihrer persönlichen Situation:
Ihr Arbeitsverhältnis wird nach unserer Planung von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4 betroffen sein. Die Zustimmung des Betriebsrats zu Ihrer Aufnahme in die Namensliste liegt derzeit noch nicht vor. Insofern sind Verhandlungen mit dem Betriebsrat noch nicht abgeschlossen. Sie müssen jedoch damit rechnen, nach Abschluss dieser Verhandlungen mit oder ohne Ihre Aufnahme in die Namensliste der zur Kündigung vorgesehenen Mitarbeiter eine Kündigung zu erhalten.
Zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile stehen Ihnen dann die in unserem Sozialplan vorgesehenen Leistungen zu.
Die geplante Kündigung wirkt sich auf den Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses nicht aus.
Ihr Arbeitsverhältnis geht trotzdem über und Sie sind verpflichtet, Ihre Tätigkeit bei A GmbH fortzuführen. Die nachfolgend dargestellten Konsequenzen eines eventuellen Widerspruchs treffen auch in Ihrem Falle zu.
6.
Zum Widerspruchsrecht:
Sie haben das Recht, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH binnen einer Frist von einem Monat ab Zugang dieses Schreibens schriftlich zu widersprechen. Die Erklärung kann nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden. Sie kann auch nicht an eventuelle Bedingungen geknüpft werden.
Sollten Sie dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen wollen, müsste das schriftlich mit einer von Ihnen unterschriebenen Erklärung innerhalb dieser Frist erfolgen. Eventuelle Widerspruchsschreiben richten Sie bitte ausschließlich an:
...
7.
Zu den Folgen eines Widerspruchs:
Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bleibt Ihr Arbeitsverhältnis bei der A-G AG und geht nicht auf die A GmbH über.
Da nach dem Übergang des vollständigen Geschäftsbereichs CI auf A GmbH Ihr bisheriger Arbeitsplatz bei A-G AG nicht mehr vorhanden sein wird und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht, müssen Sie daher im Falle der Ausübung Ihres Widerspruchsrechts mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses durch A-G AG rechnen.
Wir weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass nach der eindeutigen Regelung in der mit dem Gesamtbetriebsrat der A-G AG und den örtlichen Betriebsräten vereinbarten Überleitungsvereinbarung in diesem Fall kein Anspruch auf eine Abfindung besteht, weder gegenüber der A-G AG, noch gegenüber A GmbH. Im Falle eines Widerspruchs müssen Sie deshalb damit rechnen, Ihren Arbeitsplatz ohne jede finanzielle Leistung zu verlieren. Außerdem sind bei einer eventuellen Arbeitslosigkeit nach einem Widerspruch Ihre Ansprüche auf Leistungen der Agentur für Arbeit in Frage gestellt.
Wir empfehlen Ihnen daher dringend, von einem Widerspruch abzusehen.
...“
- 5
-
Mit Wirkung zum 1. November 2004 wurde der Geschäftsbereich CI ausgegliedert und auf die neu gegründete A GmbH übertragen. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf diese GmbH zunächst nicht.
- 6
-
Die A GmbH kündigte dem Kläger mit Schreiben vom 10. Dezember 2004 aus betriebsbedingten Gründen zum 30. Juni 2005. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage und bat wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen um eine Terminlosstellung.
- 7
-
Nach den auf Wunsch des Klägers eingeleiteten Vergleichsverhandlungen schlossen der Kläger und die A GmbH am 11. April 2005 einen gerichtlichen Vergleich. Dieser sah eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2005 und die Zahlung einer Abfindung durch die A GmbH an den Kläger vor. Die A GmbH widerrief am 26. April 2005 diesen Vergleich innerhalb der für beide Parteien vereinbarten Widerrufsfrist. Der Kündigungsrechtsstreit wurde dann terminlos gestellt. Vorsorglich sprach die A GmbH gegenüber dem Kläger am 24. März 2005, 27. August 2005 und 24. November 2005 weitere Kündigungen aus. Die gegen diese eingeleiteten Kündigungsschutzverfahren sind nach § 148 ZPO ausgesetzt.
- 8
-
Im Mai 2005 stellte die A GmbH Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches am 1. August 2005 eröffnet wurde.
- 9
-
Der Kläger widersprach mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Juli 2005 gegenüber der Beklagten dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH wegen fehlerhafter und unvollständiger Unterrichtung über den Betriebsübergang, nachdem er die Beklagte bereits am 4. Juli 2005 schriftlich darauf hingewiesen hatte, dass er sich über den Betriebsübergang nicht ausreichend unterrichtet fühle und nach Eingang der vollständigen und wahrheitsgemäßen Informationen entscheiden werde, ob er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen werde. Im Schreiben vom 20. Juli 2005 erklärte er außerdem hilfsweise die Anfechtung des Einverständnisses hinsichtlich des Übergangs seines Arbeitsverhältnisses wegen arglistiger Täuschung über die finanziellen Hintergründe des Betriebsübergangs.
- 10
-
Der Kläger meint, er habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH noch im Juli 2005 wirksam widersprechen können, weil er bis dahin nicht ordnungsgemäß iSd. § 613a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang unterrichtet worden sei. So rügt er insbesondere die fehlende Information über die Haftungsverteilung zwischen der Beklagten und der A GmbH.
-
Der Kläger hat - soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist - beantragt
-
1.
festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht,
2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 33.549,36 Euro brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 13.707,20 Euro netto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz von 15.399,32 Euro brutto abzüglich 5.931,99 Euro netto seit dem 29. Dezember 2005, von 13.612,53 Euro brutto abzüglich 5.799,20 Euro netto seit dem 15. März 2006 und von 4.537,51 Euro brutto abzüglich 1.977,00 Euro netto seit dem 12. April 2006 zu zahlen.
- 12
-
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
- 13
-
Sie beruft sich darauf, ihr Informationsschreiben vom 22. Oktober 2004 habe den Erfordernissen des § 613a Abs. 5 BGB genügt. Der Widerspruch des Klägers sei verspätet, da er nicht innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist nach Zugang des Unterrichtungsschreibens erhoben worden sei. Zumindest sei das Widerspruchsrecht des Klägers jedoch verwirkt.
-
Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage in vollem Umfange und der auf Zahlung von Arbeitsvergütung gerichteten Zahlungsklage teilweise stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
- 15
-
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zwischen den Parteien besteht seit dem 1. November 2004 kein Arbeitsverhältnis mehr.
- 16
-
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
- 17
-
Das Schreiben der Beklagten vom 22. Oktober 2004, mit dem sie den Kläger über den Betriebsteilübergang unterrichtet habe, genüge zwar nicht den Anforderungen des § 613a BGB. Jedoch sei das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die A GmbH gemäß § 613a BGB übergegangen, weil er dem Übergang nicht wirksam widersprochen habe. Zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerspruchs sei das Widerspruchsrecht verwirkt gewesen. Da zwischen dem Zugang des Unterrichtungsschreibens und der Ausübung des Widerspruchs neun Monate lägen, sei das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Zeitmoment erfüllt. Auch das nötige Umstandsmoment liege vor. Der Kläger habe durch den Abschluss des gerichtlichen Vergleichs mit der A GmbH über den „Bestand“ seines Arbeitsverhältnisses „verfügt“. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die A GmbH diesen Vergleich widerrufen habe, weil der Kläger seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan habe, um sein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Vergleichs zu beenden.
- 18
-
II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
- 19
-
1. Die Feststellungsklage ist nicht begründet.
- 20
-
Zwischen den Parteien hat ab dem 1. November 2004, dem Zeitpunkt des Übergangs des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH im Wege eines Betriebsteilübergangs (§ 613a BGB), ein Arbeitsverhältnis nicht mehr bestanden, weil der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH nicht wirksam widersprochen hat.
- 21
-
a) Die Unterrichtung des Klägers durch die Beklagte mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 über den am 1. November 2004 erfolgenden Betriebsteilübergang entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB(vgl. Senat 22. April 2010 - 8 AZR 871/07 -; 27. November 2008 - 8 AZR 174/07 - BAGE 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106 und 12. November 2009 - 8 AZR 530/07 - NJW 2010, 1302 zu im Wesentlichen gleich gelagerten Unterrichtungen). Daher war dessen Widerspruch im Juli 2005 nicht verspätet, weil die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht mit Zugang der Unterrichtung zu laufen begonnen hatte(st. Rspr., vgl. Senat 22. April 2010 - 8 AZR 871/07 -; 27. November 2008 - 8 AZR 174/07 - aaO und 12. November 2009 - 8 AZR 530/07 - aaO).
- 22
-
b) Der Kläger hatte sein Widerspruchsrecht allerdings verwirkt.
- 23
-
Die Begründung des Landesarbeitsgerichts, mit welcher dieses eine Verwirkung des Widerspruchsrechts bejaht hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
- 24
-
aa) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.
- 25
-
bb) Nach der Rechtsprechung des Senats kann das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Verwirkungsgrundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann (Senat 22. April 2010 - 8 AZR 871/07 -; 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 - mwN, BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64).
- 26
-
cc) Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei (BR-Drucks. 831/1/01 S. 2) bzw. sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist, wie der Senat bereits zur Verwirkung der Geltendmachung eines Betriebsübergangs (27. Januar 2000 - 8 AZR 106/99 -) ausgeführt hat, davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können. Erforderlich ist es weiterhin auch, die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (Senat 22. April 2010 - 8 AZR 871/07 -; 24. Juli 2008 - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).
- 27
-
dd) Diese Voraussetzungen für die Annahme der Verwirkung liegen nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts im Streitfalle vor. Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, unterliegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben. Allerdings unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung, ob das Gericht der Tatsacheninstanz alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (17. Januar 2007 - 7 AZR 23/06 - AR-Blattei-ES 1100 Nr. 38; abweichend zur Prozessverwirkung: 20. Mai 1988 - 2 AZR 711/87 - AP BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 5 = EzA BGB § 242 Prozessverwirkung Nr. 1).
- 28
-
Nach diesen Überprüfungsmaßstäben sind die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden, insbesondere ist ihm kein Rechtsfehler unterlaufen.
- 29
-
Zwischen der Unterrichtung des Klägers mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 über den bevorstehenden Betriebsteilübergang und seinem Widerspruch mit Schreiben vom 20. Juli 2005 liegt ein Zeitraum von etwa neun Monaten. Damit ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, das so genannte Zeitmoment erfüllt (vgl. Senat 22. April 2010 - 8 AZR 805/07 - DZWIR 2010, 368 und 21. Januar 2010 - 8 AZR 870/07 -). Die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche Zeitmoment beginnt nicht erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zu laufen, insbesondere nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung oder Kenntnis des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und dessen Folgen. Bei dem Zeitmoment handelt es sich nicht um eine gesetzliche, gerichtliche oder vertraglich vorgegebene Frist, für welche bestimmte Anfangs- und Endzeitpunkte gelten, die in den §§ 186 ff. BGB geregelt sind. Vielmehr hat bei der Prüfung, ob ein Recht verwirkt ist, immer eine Gesamtbetrachtung stattzufinden, bei welcher das Zeit- und das Umstandsmoment zu berücksichtigen und in Relation zu setzen sind. Wie der Senat am 15. Februar 2007 (- 8 AZR 431/06 - BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64) entschieden hat, ist die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen, was zur Folge hat, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers möglicherweise erst nach einer längeren Untätigkeit verwirken können. Erfolgt die Prüfung der Verwirkung nach diesen Grundsätzen, so ist es nicht geboten, ähnlich wie bei gesetzlichen, gerichtlichen oder vertraglichen Fristen für das so genannte Zeitmoment einen bestimmten Fristbeginn, wie etwa die Kenntnis des Berechtigten von bestimmten Tatsachen festzulegen. Vielmehr ist immer darauf abzustellen, ob der Verpflichtete aufgrund des Zeitablaufes, in dem der Berechtigte sein Recht nicht ausgeübt hat, und den Umständen des Einzelfalles, zu denen auch die Nichtkenntnis des Berechtigten von den für die Geltendmachung seines Rechts bedeutsamen Tatsachen gehört, darauf vertrauen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (Senat 24. Juli 2008 - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).
- 30
-
Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht weiter an, als ein Umstand, der das Vertrauen des bisherigen Arbeitgebers in die Nichtausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 BGB rechtfertigen kann, sei anzusehen, wenn der Arbeitnehmer über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses dadurch disponiert hat, dass er einen Aufhebungsvertrag mit dem Betriebserwerber geschlossen oder eine von diesem nach dem Betriebsübergang erklärte Kündigung hingenommen hat(vgl. Senat 22. April 2010 - 8 AZR 805/07 - DZWIR 2010, 368, - 8 AZR 871/07 - und - 8 AZR 982/07 -; 21. Januar 2010 - 8 AZR 870/07 -; 20. März 2008 - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354 und 27. November 2008 - 8 AZR 225/07 -). Das Landesarbeitsgericht hat im Rahmen der ihm zustehenden eigenverantwortlichen Würdigung das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Abschluss des widerruflichen gerichtlichen Vergleichs vom 11. April 2005 mit der A GmbH über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses im Ergebnis mit einer Disposition des Klägers über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses durch Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung gleichgesetzt. Es stellt keinen Rechtsfehler dar, wenn das Landesarbeitsgericht in der Tatsache, dass der Vergleich durch die A GmbH widerrufen wurde, keinen Umstand gesehen hat, der die Annahme der Disposition des Klägers über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses ausschließt. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang in nicht zu beanstandender Weise entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger, obwohl ihm das möglich gewesen wäre, einen Vergleichswiderruf nicht erklärt oder zumindest in die Wege geleitet hatte.
- 31
-
Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht auch an, dass die Erklärungen des Klägers im Schreiben vom 4. Juli 2005 der Bejahung des Verwirkungstatbestandes nicht entgegenstehen, weil zu diesem Zeitpunkt das Widerspruchsrecht bereits verwirkt war.
- 32
-
Die Annahme der Verwirkung des Widerspruchsrechts ist nicht ausgeschlossen, wenn nur der A GmbH, nicht aber der Beklagten alle vom Kläger verwirklichten Umstandsmomente bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber auf Verwirkungsumstände berufen könnte, diese auch der Betriebsveräußerer als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen kann.
- 33
-
Neuer und alter Arbeitgeber können sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen, eine nachgewiesene subjektive Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (st. Rspr.: Senat 22. April 2010 - 8 AZR 871/07 -; 27. November 2008 - 8 AZR 174/07 - BAGE 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106).
- 34
-
2. Die Zahlungsklage ist ebenfalls unbegründet. Dem Kläger stehen keine Vergütungsansprüche für den Zeitraum 1. September 2005 bis 31. März 2006 gegen die Beklagte zu, weil in dieser Zeit zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestand.
-
III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
-
Hauck
Böck
Breinlinger
Wankel
Lüken
(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.
(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.01.2009, Az. 2 Ca 1230/08, teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 300,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 62 % und die Beklagte zu 38 %.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte in Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bzw. gem. § 612 a BGB verpflichtet ist, an den Kläger für das Jahr 2007 eine (weitere) Sonderzahlung in Höhe von 482,71 € brutto sowie eine Sonderzahlung in die betriebliche Altersversorgung in Höhe von 300,-- € zu zahlen. Auf das mittlerweile beendete Arbeitsverhältnis fand zuletzt der Dienstvertrag vom 26.04.2002 Anwendung. Dieser sieht in Ziffer 2 Folgendes vor:
- 2
"2. Soweit nichts anderes vereinbart ist, gelten für das Dienstverhältnis die vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV) herausgegebenen Richtlinien für Arbeitsverträge (AVR). Die Eingruppierung und Vergütung richten sich nach Bundesangestelltentarifvertrag Bund/Länder (BAT Bund/TdL) in der jeweils gültigen Fassung. Der Zuwendungstarifvertrag (Weihnachtsgratifikation) für den öffentlichen Dienst-West und der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes über die Zahlung eines Urlaubsgeldes-West finden auf das Dienstverhältnis Anwendung."
- 3
Nach dem der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V. die sogenannten "Arbeitsvertragsbedingungen" (AVB) für die Mitgliedsorganisationen ausgearbeitet und als Vertragsrichtlinie an Stelle der zuvor maßgeblichen AVR konzipiert hatte, bot die Beklagte den bei ihr Beschäftigten Arbeitnehmern den Abschluss eines geänderten Arbeitsvertrages an. In diesen neuen Arbeitsverträgen sind nicht mehr die AVR, sondern die AVB in Bezug genommen, was u. a. dazu führt, dass die Mitarbeiter, die dieses Änderungsangebot angenommen haben, nunmehr keinen Anspruch mehr auf eine Urlaubs- bzw. Weihnachtszuwendung haben. U. a. der Kläger nahm das Änderungsangebot nicht an.
- 4
Unter dem 08.11.2007 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat eine "freiwillige Betriebsvereinbarung zur Zahlung einer freiwilligen Sonderzuwendung im Jahre 2007 für Beschäftigte für AVB-Verträgen" (im Folgenden: BV- Sonderzuwendung) ab. In dieser heißt es u. a.:
- 5
"Präambel
- 6
Diese Betriebsvereinbarung zur Zahlung einer freiwilligen Sonderzuwendung für Beschäftigte mit AVB-Verträgen soll den Beschäftigten, die auf Grund ihrer Arbeitsverträge keine Ansprüche ehr auf Einmalzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtszuwendung) haben, bei entsprechender Ertragslage die Möglichkeit zum Erhalt einer freiwilligen Sonderzuwendung bieten.
- 7
§ 1 Allgemeine Bestimmungen
- 8
1. Geltungsbereich
- 9
Diese Vereinbarung gilt für den Arbeitgeber und die bei der A. beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einschließlich der Auszubildenden, ausschließlich der leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG, die einen Arbeitsvertrag nach den Arbeitsvertragsbedingungen des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes -Gesamtverband- (AVB) haben und am 1. Dezember 2007 im Arbeitsverhältnis stehen und nicht für den ganzen Monat Dezember ohne Vergütung zur Ausübungen einer entgeltlichen Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit beurlaubt worden sind. Sie gilt nicht für Beschäftigte, die im Oktober 2007 aus dem bisher geltenden Vertragswerk AVR in den AVB gewechselt sind. Sie gilt weiterhin nicht für Beschäftigte die ihr Arbeitsverhältnis nach dem 1. Oktober 2007 begonnen haben, bzw. in der Zeit bis einschließlich 30. März 2008 aus ihrem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheiden.
- 10
2. Gegenstand
- 11
Gegenstand dieser Betriebsvereinbarung ist die Zahlung einer freiwilligen Sonderzuwendung auf der Grundlage des Ertrages der Gesellschaft aus dem Vorjahr.
- 12
§ 2 Höhe der freiwilligen Sonderzuwendung
- 13
1. Sonderzahlung als freiwillige Sonderzuwendung
- 14
Für das zurückliegende Geschäftsjahr 2006 hat der Wirtschaftsprüfer einen Ertrag von 209.586,39 Euro als Grundlage für die Zahlung einer freiwilligen Sonderzuwendung festgestellt. Unter Berücksichtigung eines bei der Gesellschaft verbleibenden Mindestbetrages von 4 % der budgetierten Pflegesatzerlöse in Höhe von 87.517,80 Euro verbleiben somit 122.068,59 Euro für eine Ausschüttung.
- 15
Zur Ermittlung der Ausschüttung pro Mitarbeiterin und Mitarbeiter wird die Ausschüttungssumme durch die Zahl aller im Oktober des Jahres 2007 angestellten AVB-Beschäftigten geteilt. Es handelt sich hierbei um 20 Beschäftigte. Hieraus ergibt sich ein Höchst-Ausschüttungsbetrag von 6.103,43 € für jeden. Die Ausschüttung pro Mitarbeiterin und Mitarbeiter darf 100 % der arbeitsvertraglichen Regelvergütung des Monats September des laufenden Jahres nicht übersteigen.
- 16
Im Falle von Einstellungen im laufenden Jahr wird die Sonderzuwendung anteilig für jeden vollen Beschäftigungsmonat gezahlt.
- 17
Bei Beschäftigungszeiten im laufenden Jahr ohne Bezüge durch die Gesellschaft vermindert sich die Sonderzahlung um 1/12 für jeden Kalendermonat, für die der Mitarbeiter keine Bezüge erhalten hat. Sollte der Monat September ohne Regelvergütung sein, wird der letzte volle Monat der Regelvergütung als Grundlage für die Ermittlung der freiwilligen Sonderzuwendung zu Grund gelegt.
- 18
2. freiwillige Sonderzahlung in die betriebliche Altersversorgung
- 19
Sollten nach Ausschüttung der freiwilligen Sonderzuwendung noch Gelder aus dem ursprünglichen Ausschüttungsbetrag zur Verfügung stehen, werden diese auf die durch diese Betriebsvereinbarung begünstigten Beschäftigten verteilt, sofern der Bereich, in dem sie beschäftigt sind, einen Budgetüberschuss im zurückliegenden Geschäftsjahr erzielt hat. Zur Ermittlung der Höhe der Sonderzahlung in die Altersversorgung pro Mitarbeiterin und Mitarbeiter wird die Ausschüttungssumme durch die Zahl aller im Oktober des Jahres 2007 angestellten AVB-Beschäftigten geteilt. Es handelt sich hierbei um 20 Beschäftigte. Hieraus ergibt sich ein Höchst-Ausschüttungsbetrag von 3.617,92 € für jeden. Die Ausschüttung pro Mitarbeiterin und Mitarbeiter beträgt höchstens 300 €, unabhängig vom Einkommen und Stundenumfang.
- 20
Bei Beschäftigungszeiten im laufenden Jahr ohne Bezüge durch die Gesellschaft vermindert sich auch diese Sonderzahlung um 1/12 für jeden Kalendermonat, für die der Mitarbeiter keine Bezüge erhalten hat.
- 21
…"
- 22
Der Kläger erhielt im Jahre 2007 ein Urlaubsgeld in Höhe von 255,65 € brutto und eine Sonderzuwendung von 2.220,06 € brutto. Mit seiner vor dem Arbeitsgericht Koblenz erhobenen Klage begehrt der Kläger die Differenz zwischen der Sonderzuwendung nach Maßgabe von § 2 BV-Sonderzuwendung und der tatsächlich erhaltenen Sonderzuwendung sowie die Zahlung der in § 2 Ziff. 2 BV-Sonderzuwendung vorgesehenen Sonderzahlung in die Altersversorgung.
- 23
Zur weiteren Darstellung des streitigen Sachverhalts sowie des wechselseitigen Parteivortrags erster Instanz wird im Übrigen gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.01.2009, Az.: 2 Ca 1230/08 (Bl. 50 ff. d. A.). Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 482,71 € brutto sowie 300,-- € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2007 zu zahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt:
- 24
Der Kläger könne aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes für das Kalenderjahr 2007 sowohl eine freiwillige Sonderzuwendung als auch eine Sonderzahlung in die betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe der BV-Sonderzuwendung beanspruchen. Die Beklagte sei bei der freiwilligen Leistung gem. der BV-Sonderzuwendung an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Hinreichende Gründe, die es nach dem Zweck der Leistung rechtfertigen würden, den Kläger hinsichtlich der Sonderzuwendung für 2007 anders zu behandeln, als die AVB-Beschäftigten, lägen nicht vor. Zweck der Sonderzuwendung sei ausweislich der Präambel, den Beschäftigten, die keine arbeitsvertraglichen Ansprüche mehr auf Einmalzahlungen hätten, bei entsprechender Ertragslage die Möglichkeit zum Erhalt einer freiwilligen Sonderzuwendung zu geben, wobei Gegenstand die Zahlung eines Sonderzuwendung auf der Grundlage des Ertrags der Beklagten aus dem Vorjahr sein solle. Dieser Ertrag sei aber von allen Beschäftigten erwirtschaftet worden. Unerheblich sei, dass der Kläger auch im Jahre 2008 einen rechtlichen Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld gehabt habe, während dies bei den AVB-Beschäftigten nicht der Fall gewesen sei. Es sei entscheidend auf das Kalenderjahr 2007, und nicht auf zukünftige Jahre abzustellen. Im Hinblick auf das Kalenderjahr 2007 liege aber ein sachlicher Differenzierungsgrund nicht vor.
- 25
Das genannte Urteil ist der Beklagten am 06.03.2009 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 20.03.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 22.04.2009, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 23.04.2009 (Bl. 73 ff. d. A.) begründet. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte das Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter und macht nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird, zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend:
- 26
Eine Ungleichbehandlung liege nicht vor. Das Arbeitsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger zu der Gruppe derjenigen Arbeitnehmer gehöre, die aufgrund der Ablehnung eines AVB-Vertrages nach wie vor einen rechtlich begründeten jährlichen Anspruch auf eine unwiderrufliche Sonderzuwendung in Höhe von 82,14 Prozent habe, während den AVB-Beschäftigten ein solcher Rechtsanspruch nicht zustehe. Das Arbeitsgericht habe auch den in der Präambel der BV-Sonderzuwendung zum Ausdruck gebrachten Zweck bei der Prüfung, ob ein sachlicher Differenzierungsgrund bestehe, nicht ausreichend berücksichtigt. Aufgrund einer positiven Geschäftsentwicklung habe ein zu Lasten der Mitarbeiter mit AVB-Verträgen bestehendes Ungleichgewicht kompensiert werden sollen. Im Hinblick darauf, dass dem Kläger ein jährlich garantierter Anspruch zustehe, nicht aber den AVB-Beschäftigten, fehle es auch an einer Benachteiligung. Zutreffend sei zwar, dass alle Mitarbeiter den positiven Ertrag erwirtschaftet hätten. Zu berücksichtigen sei aber auch, dass im Jahre 2008 ein deutlich schlechteres Ergebnis erwirtschaftet worden sei, was aber ohne Auswirkungen auf die dem Kläger vertraglich zustehende Sonderzuwendung geblieben sei, während die AVB-Beschäftigten im Jahre 2008 - dies ist unstreitig - keine Sonderzuwendung erhalten hätten.
- 27
Die Beklagte beantragt,
- 28
das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.01.2009, Az.: 2 Ca 1230/08, abzuändern und die Klage abzuweisen.
- 29
Der Kläger beantragt,
- 30
die Berufung zurückzuweisen.
- 31
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 22.06.2009, auf den Bezug genommen wird (Bl. 83 ff. d. A.) als rechtlich zutreffend. Er vertritt die Auffassung, dass ein Anspruch auch wegen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB bestehe. Er habe durch Ablehnung des Vertragsänderungsangebots in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt. Mit dieser Rechtsausübung stehe der Ausschluss von Mitarbeitern, die ein solches Änderungsangebot abgelehnt hätten, von den Leistungen der BV-Sonderzuwendung in unmittelbarem Zusammenhang.
- 32
Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
- 33
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist an sich statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
II.
- 34
Das Rechtsmittel hat in der Sache teilweise Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch nur in Höhe von 300,- EUR nebst Zinsen aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu.
- 35
1. Die Beklagte hat dem in § 1 Ziff. 1 der freiwilligen Betriebsvereinbarung genannten Personenkreis Leistungen in der vorgesehenen Höhe erbracht.
- 36
a) Auch wenn der Arbeitgeber aufgrund eines Freiwilligkeitsvorbehalts in seiner Entscheidung frei ist, ob und unter welchen Voraussetzungen er seinen Arbeitnehmern eine zusätzliche Leistung gewährt, ist er an den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden, wenn er nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln freiwillig Sonderzahlungen leistet. Er darf einzelne Arbeitnehmer nicht sachfremd gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage schlechter stellen. Gewährt der Arbeitgeber aufgrund einer abstrakten Regelung eine freiwillige Leistung nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip und legt er gemäß dem mit der Leistung verfolgten Zweck die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistung fest, darf er einzelne Arbeitnehmer von der Leistung nur ausnehmen, wenn dies sachlichen Kriterien entspricht. Arbeitnehmer werden dann nicht sachfremd benachteiligt, wenn sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, diesen Arbeitnehmern die den anderen Arbeitnehmern gewährte Leistung vorzuenthalten. Die Zweckbestimmung einer Sonderzahlung ergibt sich vorrangig aus ihren tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, soweit die Bezeichnung nicht allein maßgeblich ist. Ist die unterschiedliche Behandlung nach dem Zweck der Leistung nicht gerechtfertigt, kann der benachteiligte Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmer behandelt zu werden (st. Rspr. des BAG, z.B. BAG 1.4.2009 -10 AZR 353/08- nv.; juris mwN.).
- 37
b) Die Beklagte hat zwei Gruppen von Arbeitnehmern gebildet, nämlich zum einen die Gruppe, die die Voraussetzungen nach §1 Ziff. 1 der Betriebsvereinbarung erfüllen, also insbesondere auch einen Arbeitsvertrag nach den AVB haben, und zum anderen die Gruppe derjenigen, die die in §1 1 Ziff. 1 der Betriebsvereinbarung genannten Voraussetzungen nicht erfüllen, z.B. weil sie einer Vertragsänderung mit dem Zweck der Einbeziehung der AVB statt der zuvor geltenden AVR nicht zugestimmt haben. Die genannte Betriebsvereinbarung sieht dabei zwei Leistungen vor: Zum einen die „Sonderzahlung als freiwillige Sonderzuwendung“ nach § 2 Ziff. 1 der BV, zum anderen die „freiwillige Sonderzahlung in die betriebliche Altersversorgung“ nach § 2 Ziff. 2 BV.
- 38
Gründe, die es nach dem Zweck der Leistung unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe die der anderen Arbeitnehmergruppe gewährte Leistung vorzuenthalten, bestehen nur hinsichtlich der Leistung der "Sonderzahlung als freiwillige Sonderzuwendung“.
- 39
Die beiden in der Betriebsvereinbarung genannten Sonderzahlungen verfolgen nicht identische Zwecke. Während der Zweck der in § 2 Ziff. 1 BV genannten Sonderzahlung unter Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ein Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile infolge des Nicht-Bestehens eines vertraglichen Anspruchs auf eine Urlaubs- und Weihnachtszuwendung ist, verfolgt die Sonderzahlung nach § 2 Ziff. 2 BV einen weitergehenden Zweck.
- 40
aa) Hinsichtlich der Sonderzahlung nach § 2 Ziff. 1 BV ist bezüglich der Zweckbestimmung zunächst auf die in der Präambel aufgeführte Zweckbestimmung zu verweisen. Die Präambel verweist darauf, dass für die Beschäftigten, die aufgrund ihrer (geänderten) Arbeitsverträge keinen Anspruch mehr auf Einmalzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) haben, bei entsprechender Ertragslage die Möglichkeit zum Erhalt einer freiwilligen Sonderzuwendung geboten werden soll.
- 41
Zwar ist zur Zweckbestimmung einer Zuwendung nicht allein auf deren Bezeichnung abzustellen, sondern vielmehr auf die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Leistung. Insoweit wird dieser Zweck aber bestätigt durch die in § 1 Ziff. 1und 2 der BV normierten Anspruchsvoraussetzungen. Diese decken sich mit den Voraussetzungen der im Arbeitsvertrag des Klägers als „AVR-Beschäftigten“ in Bezug genommenen Zuwendungstarifvertrags für den öffentlichen Dienst. (Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte), wie sie in § 1 Abs. 1 des genannten Tarifvertrages normiert sind. § 1 Ziff. 1 der BV unterscheidet sich von den tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen nur dadurch, dass Voraussetzung des Leistungsbezugs ist, dass der Mitarbeiter einen Arbeitsvertrag nach den AVB hat und nicht erst im Oktober 2007 aus dem bisherigen Vertragswerk AVR in den AVB gewechselt ist. Hierdurch wird aber gerade der in der Präambel erwähnte Zweck bestätigt, nur Mitarbeitern eine Sonderzuwendung zukommen zu lassen, die nicht bereits einen einzelvertraglichen Anspruch auf die Sonderzuwendung haben (vgl. § 1 Abs. 1 Ziff. 2 Zuwendungstarifvertrag), wodurch erkennbar nur ausgeschlossen werden soll, dass Mitarbeiter sowohl einen vertraglichen Anspruch nach Maßgabe des Zuwendungstarifvertrages und einen Anspruch aufgrund der BV geltend machen können. Im Übrigen macht die BV die Zahlung der in § 2 Ziff. 1 erwähnten Sonderzahlung von den Voraussetzungen abhängig, die auch der Sonderzuwendungstarifvertrag für die tarifliche Sonderzahlung normiert, was für die Verfolgung eines mit dem Zweck des Sonderzuwendungstarifvertrages identischen Zwecks spricht.
- 42
Soweit das Arbeitsgericht darauf abgestellt hat, alle Arbeitnehmer (und nicht nur die Arbeitnehmer mit AVB-Verträgen) hätten den in § 1 Ziff 2 BV erwähnten Vorjahresertrag der Gesellschaft erwirtschaftet, so dass auch deshalb eine Differenzierung ausscheide, ändert dies an der Zweckbestimmung der in § 2 Ziff. 1 BV vorgesehenen Leistung nichts. § 1 Ziff. 2 stellt ebenso wie § 2 Ziff. 1 Satz 1-2 BV lediglich klar, dass der Ertrag des Vorjahres Grundlage der Zuwendung ist, wobei § 2 Ziff 1 BV sodann die Ermittlung der Höhe der Zuwendung auf dieser Grundlage erläutert. Eine über die sich aus den normierten Anspruchsvoraussetzungen (§ 1 Ziff. 1 BV, § 2 Ziff. 1 Sätze 5-7 BV) ergebende Zweckbestimmung der Leistung folgt hieraus nicht.
- 43
bb) Anders verhält es sich mit der in § 2 Ziff. 2 BV genannten Leistung. Zwar ist auch diese zunächst von den in § 1Ziff. 1 BV genannten Voraussetzungen abhängig. Als weitere Voraussetzung dieser Leistung wird aber normiert, dass der Mitarbeiter in einem Bereich beschäftigt ist, der im zurückliegenden Geschäftsjahr einen Budgetüberschuss erzielt hat. Hierdurch wird ein weiterer Zweck normiert, der darin besteht, den Beitrag des Mitarbeiters zur Erzielung eines Budgetüberschusses in seinem Bereich zu honorieren, also seinen Beitrag zum besonderen wirtschaftlichen Erfolg dieses Bereichs.
- 44
cc) Ein sachlicher Grund für die Schlechterstellung des Klägers besteht nur hinsichtlich der Leistung nach § 2 Ziff. 1 der BV. Es ist anerkannt, dass eine Differenzierung sachlich begründet sein kann, wenn mit dieser unterschiedliche Arbeitsbedingungen, insbesondere eine Einkommensdifferenz zwischen verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern ausgeglichen werden sollen (vgl. BAG 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - EzA § 242 BGB 2002 Gleichbehandlung Nr 12; BAG 1.4.2009 aaO.). So verhält es sich hier. Aufgrund der Tatsache, dass es Mitarbeiter mit Arbeitsverträgen nach AVB und solche mit Arbeitsverträgen nach AVR gibt und die Mitarbeiter mit AVB-Verträgen keinen vertraglichen Anspruch (mehr) auf eine Sonderzuwendung bzw. auf Urlaubsgeld nach Maßgabe der in den Verträgen nach AVR in Bezug genommenen tarifvertraglichen Regelungen für den öffentlichen Dienst haben, sind diese im Vergleich zu den Mitarbeitern mit AVR-Verträgen bezüglich der Vergütung schlechter gestellt. Wenn die Beklagte daher im Jahr 2007 diesen Mitarbeitern zum Ausgleich eine Sonderzuwendung zum Ausgleich dieser Einkommensdifferenz zahlt, ist hiergegen nichts einzuwenden. Eine sachlich nicht mehr gerechtfertigte Differenzierung ergibt sich aber auch nicht unter Berücksichtigung der Höhe der zugewendeten Sonderzahlung. Zwar beträgt diese nach Maßgabe von § 2 Ziff. 1 100% der arbeitsvertraglichen Regelvergütung, während sich der vertragliche Sonderzuwendungsanspruch des Klägers mit 82,14 % der Regelvergütung bemaß. Zu berücksichtigen ist aber, dass nach dem in der Präambel der BV zum Ausdruck kommenden Zweck die Sonderzuwendung auch den Nachteil infolge des Nichtbestehens eines vertraglichen Anspruchs auf eine Urlaubszuwendung (Urlaubsgeld) ausgleichen sollte, so dass auch das dem Kläger zugeflossene Urlaubsgeld in die wirtschaftliche Betrachtung mit einzubeziehen ist. Auch wenn die Summe aus vom Kläger erhaltener Sonderzuwendung und Urlaubsgeld nicht ganz die Höhe von 100 % der arbeitsvertraglichen Regelvergütung im Sinne von § 2 Ziff. 1 BV erreicht, ergibt sich aus der bestehenden geringen Differenz keine gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßende unterschiedliche Behandlung. Insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger im Gegensatz zu den durch die BV begünstigten Arbeitnehmern einen vertraglich abgesicherten Anspruch auf Sonderzahlung und Urlaubsgeld hat und nach der arbeitsvertraglichen Regelung diese Ansprüche unabhängig von der Ertragslage der Beklagten bestehen. Es ist weder vorgetragen, noch aus sonstigen Umständen ersichtlich, dass die Beklagte beabsichtigte, eine Sonderzahlung wie in der BV vom 8.11.2007 vorgesehen, auch in den Folgejahren zu zahlen. Tatsächlich erfolgte etwa im Jahr 2008 keine Zahlung einer freiwilligen Sonderzuwendung.
- 45
dd) Hinsichtlich der in § 2 Ziff. 2 der BV vorgesehenen Leistung von 300,- EUR in die betriebliche Altersversorgung ist ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung der Beschäftigtengruppen hingegen nicht gegeben. Wie ausgeführt, verfolgt die Beklagte ausweislich der weiter genannten Anspruchsvoraussetzung der Beschäftigung in einem Bereich mit Budgetüberschuss einen über den Ausgleich einer Einkommensdifferenz hinausgehend Zweck. Dieser Zweck, den Beitrag des Mitarbeiters zu einer besonders sparsamen und wirtschaftlich erfolgreichen Tätigkeit des Beschäftigungsbereichs zu honorieren, trifft auch auf die Mitarbeiter zu, die einen vertraglichen Anspruch auf eine Sonderzuwendung bzw. Urlaubsgeld haben. Hierfür spricht auch, dass die Schlechterstellung der Mitarbeiter mit AVB-Verträgen durch das Nicht-Bestehen eines vertraglichen Anspruchs auf Sonderzuwendung bzw. Urlaubsgeld bezogen auf das Jahr 2007 bereits durch die Sonderzahlung nach § 2 Ziff. 1 der BV wirtschaftlich ausgeglichen wurde. Hinsichtlich dieser in § 2 Ziff. 2 BV vorgesehenen Leistung besteht daher ein Anspruch des Klägers in Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus § 3 der BV in Verbindung mit §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.
- 46
ee) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen der von ihm erhaltenen Sonderzuwendung und der sich rechnerisch ergebenden Sonderzahlung nach § 2 Ziff. BV nach § 612 a BGB.
- 47
Nach § 612 a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Damit verbietet § 612 a BGB jede Benachteiligung des Arbeitnehmers. Ein Verstoß gegen § 612 a BGB liegt deshalb nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Einbuße erleidet, d. h. wenn sich seine Situation gegenüber dem bisherigen Zustand verschlechtert, sondern auch dann, wenn ihm Vorteile vorenthalten werden, welche der Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern gewährt, wenn diese entsprechende Rechte nicht ausgeübt haben. Dies gilt auch im Bereich freiwilliger Leistungen.
- 48
Dabei muss die zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet (vgl. etwa BAG 12.6.2002 - 10 AZR 340/01 - EzA § 612a BGB Nr 2).
- 49
Zwar handelte es sich bei der Ablehnung des Abschlusses eines neuen, nunmehr sich nach den AVB richtenden Arbeitsvertrages um eine zulässige Rechtsausübung durch den Kläger. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Rechtsausübung wesentliches Motiv für die Vorenthaltung eines Anspruchs nach § 2 Ziff. 1 der BV war. Durch die nur teilweise Annahme der Vertragsänderungsangebote, ggfs. auch durch die Einstellung neuer Mitarbeiter mit Verträgen nach AVB entstanden im Betrieb zwei Beschäftigtengruppen mit unterschiedlicher Vergütungsstruktur. Wie ausgeführt, bestand der objektive und legitime Zweck der Leistung nach § 2 Ziff. 2 BV darin, die hierdurch bedingte Einkommensdifferenz auszugleichen, ohne dass es hierdurch zu einer ins Gewicht fallenden finanziellen Besserstellung der Mitarbeiter gekommen wäre, die einer Vertragsänderung zugestimmt haben. Eine Benachteiligung liegt nicht vor, weil der Kläger statt des Anspruchs auf eine Sonderzahlung nach § 2 Ziff. 1 BV einen vertraglichen Anspruch auf Sonderzuwendung und Urlaubsgeld hatte, der seiner Höhe nach nur geringfügig hinter der Leistung nach § 2 Ziff. 1 BV zurückbleibt, dafür aber vertraglich bindend auch für die Folgejahre unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Beklagten bestand.
III.
- 50
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Ein Revisionszulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.
Tenor
-
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 11. Februar 2009 - 11 Sa 598/08 - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.
- 2
-
Die Klägerin war seit dem 1. Januar 1980 bei der A Versicherungs-AG in der Poststelle beschäftigt. Ihr Verdienst betrug bei einer Arbeitszeit von 60 % der regelmäßigen Arbeitszeit ab April 2005 rund 1.600,00 Euro. Zusätzlich erhielt sie bis März 2007 eine monatliche Ausgleichszahlung in Höhe von 50 % der Differenz zu der zuvor bezogenen Vergütung als Vollzeitbeschäftigte.
- 3
-
Ab 2006 wurde das deutsche Versicherungsgeschäft der A unter dem Dach der beklagten A Deutschland AG(ADAG) neu organisiert. Im Zuge dieser Umstrukturierung sollten bis Ende 2008 insgesamt 5.700 Stellen wegfallen. Hiervon waren auch die Mitarbeiter der A Versicherungs-AG betroffen. Die durch die Betriebsänderungen entstehenden wirtschaftlichen Nachteile für die Mitarbeiter sollten durch den von den betroffenen Unternehmen mit den bei ihnen bestehenden Gesamtbetriebsräten vereinbarten „Sozialplan zur Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG“ (SP-Neuordnung) vom 28. April 2006 ausgeglichen werden. Dieser Sozialplan galt auch für die Beklagte und die A Versicherungs-AG. Zur Berechnung der Grundabfindung für Vollzeitbeschäftigte des Innendienstes wurde in dem Sozialplan ein Mindestbruttomonatsverdienst in Höhe von 3.000,00 Euro zugrunde gelegt. Für Teilzeitbeschäftigte bestimmte sich die Höhe des Mindestbruttomonatsverdienstes grundsätzlich anteilig nach der jeweiligen Vertragsarbeitszeit. Eine vorangegangene Vollzeitbeschäftigung war allerdings zu berücksichtigen, wenn die individuelle Arbeitszeitverkürzung aus betriebsbedingten Gründen in den letzten zwei Jahren vor Inkrafttreten des Sozialplans vereinbart wurde, was der Fall sein sollte, wenn der Arbeitnehmer eine Ausgleichszahlung zur bestehenden Gehaltsdifferenz erhielt.
- 4
-
Zeitgleich mit dem Abschluss des Sozialplans schlossen dieselben Parteien am 28. April 2006 die „Gesamtbetriebsvereinbarung zur Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG - Sozialverträgliche Umsetzung der Neuordnung -“(GBV-Neuordnung). Nach deren Präambel sollte mit der Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel der Personalabbau durch einvernehmliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen beschleunigt werden. Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendeten, erhielten neben der Sozialplanabfindung eine nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte zusätzliche Abfindung.
- 5
-
Am 31. Januar 2007 verzichteten die Beklagte sowie die unter ihrem Dach zusammengefassten Unternehmen in einer mit den bei ihnen bestehenden Gesamtbetriebsräten geschlossenen „Vereinbarung zum besonderen Kündigungsschutz im Rahmen der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG“(Vereinbarung besonderer Kündigungsschutz) auf betriebsbedingte Kündigungen bis Ende des Jahres 2009.
- 6
-
Die Klägerin vereinbarte am 20. März 2007 mit der A Versicherungs-AG einen Aufhebungsvertrag, wodurch das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2008 gegen Zahlung einer Abfindung nach dem SP-Neuordnung in Höhe von 109.875,00 Euro brutto beendet wurde. Am 1. Juni 2007 ging ihr Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über.
- 7
-
Am 11. Juli 2007 schloss die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat eine „Gesamtbetriebsvereinbarung über die Bereitstellung von ergänzenden finanziellen Mitteln zur Unterstützung der personalwirtschaftlichen Ziele der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts unter dem Dach der A Deutschland AG“(GBV-Sonderfonds). Diese sollte nach ihrer Präambel besonderen sozialen Härten bei bestimmten Mitarbeitern Rechnung tragen und gewährleisten, dass das arbeitgeberseitige Abbauziel von 5.700 Stellen zeitgerecht sozialverträglich durch einvernehmliche Maßnahmen erreicht wird. Hierzu wurde für einzelne Mitarbeitergruppen, ua. für die Beschäftigten aus dem Post-/Scan- und Verteilbereich, ein Sonderfonds aufgelegt. Diese Mitarbeiter sollten zeitnah ein Angebot zur einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten, in dem bei der Berechnung der Sozialplanabfindung nach dem SP-Neuordnung und der Berechnung der zusätzlichen Abfindung nach der GBV-Neuordnung ein Mindestbruttoverdienst von 5.000,00 Euro zugrunde zu legen war. Nach Nr. 4 GBV-Sonderfonds waren allerdings nur diejenigen Arbeitnehmer anspruchsberechtigt, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung, dh. am 11. Juli 2007, noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses unterzeichnet hatten.
- 8
-
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte die Beklagte die vereinbarte Abfindung in Höhe von 109.875,00 Euro brutto. Diese hält die Klägerin nicht für ausreichend. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der Berechnung der Abfindung sei entsprechend der GBV-Sonderfonds ein Bruttomonatseinkommen in Höhe von 5.000,00 Euro je Beschäftigungsjahr zugrunde zu legen. Hieraus ergebe sich ein Abfindungsanspruch in Höhe von insgesamt 183.125,00 Euro, jedenfalls aber von 174.206,81 Euro bei einer durchschnittlichen Beschäftigungsquote von 0,9513 bezogen auf die gesamte Dauer der Betriebszugehörigkeit. Die Beschränkung des Geltungsbereichs dieser Gesamtbetriebsvereinbarung auf Mitarbeiter, die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch keinen Aufhebungsvertrag unterzeichnet hatten, verstoße gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und sei damit unwirksam.
-
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an sie 73.250,00 Euro brutto, hilfsweise 64.331,81 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Oktober 2008 zu bezahlen.
- 10
-
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags geltend gemacht, mit der GBV-Sonderfonds habe ein besonderer zusätzlicher Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen geschaffen werden sollen. Wegen des vereinbarten Verzichts auf betriebsbedingte Kündigungen sei der angestrebte Personalabbau von 5.700 Stellen nicht anders erreichbar gewesen.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die gemäß § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ordnungsgemäß begründete und damit zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
- 13
-
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus der GBV-Sonderfonds auf Zahlung einer weiteren Abfindung. Eine solche Leistung steht nach Nr. 4 GBV-Sonderfonds nur Mitarbeitern zu, die am 11. Juli 2007 noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses unterschrieben haben. Von diesem persönlichen Geltungsbereich wird die Klägerin nicht erfasst. Sie hat ihren Aufhebungsvertrag am 20. März 2007 unterzeichnet.
- 14
-
II. Die Stichtagsregelung in Nr. 4 GBV-Sonderfonds ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG.
- 15
-
1. Die Betriebsparteien haben beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck(BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 25 mwN, BAGE 125, 366).
- 16
-
Erfolgt die Gruppenbildung durch eine Stichtagsregelung, muss auch diese mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein. Dabei kommt den Betriebsparteien sowohl bei der Gruppenbildung als auch bei der Bestimmung des darauf bezogenen Stichtags ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Die durch eine Stichtagsregelung verursachten Härten müssen hingenommen werden, wenn sich unter Berücksichtigung des Regelungszwecks die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist(vgl. BAG 22. März 2005 - 1 AZR 49/04 - zu 3 a der Gründe, BAGE 114, 179).
- 17
-
2. In der GBV-Sonderfonds haben die Betriebsparteien mehrere Gruppenbildungen vorgenommen. Nach deren Nr. 1 Abs. 2 erstreckt sich der persönliche Geltungsbereich nur auf diejenigen Arbeitnehmer, die von der Neuordnung der Post-/Scan- und Verteilfunktionen innerhalb der ADAG betroffen waren, sowie auf Mitarbeiter von Support- bzw. ehemaliger Organisationseinheiten in Dienstleistungsgebieten. Damit waren Mitarbeiter anderer Bereiche, die ebenfalls von der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der ADAG erfasst waren, von den Begünstigungen der GBV-Sonderfonds ausgenommen. Darüber hinaus erfolgt eine Gruppenbildung nach den Bruttoverdiensten der Arbeitnehmer. Die GBV-Sonderfonds begünstigt gemäß deren Nr. 1 Abs. 4 ausschließlich diejenigen Arbeitnehmer, deren Verdienst bei Vollzeitbeschäftigung den der Abfindungsberechnung zugrunde zu legenden Bruttomonatsverdienst von 5.000,00 Euro nicht erreicht. Arbeitnehmer mit einem höheren Einkommen erlangen durch die GBV-Sonderfonds keinen finanziellen Vorteil. Schließlich haben die Betriebsparteien in Nr. 4 GBV-Sonderfonds eine stichtagsbezogene Gruppenbildung vorgesehen, indem sie deren Leistungen auf diejenigen begünstigten Arbeitnehmer beschränkten, die bis zum 11. Juli 2007 noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses geschlossen hatten. Damit sind Arbeitnehmer unterer Lohngruppen aus den in Nr. 1 Abs. 2 GBV-Sonderfonds genannten Bereichen, die zu einem früheren Zeitpunkt aus Anlass der erfolgten Umstrukturierung einen Aufhebungsvertrag vereinbart hatten, von den Leistungen der GBV-Sonderfonds ausgenommen. Das beanstandet die Klägerin.
- 18
-
3. Die durch die Stichtagsregelung in Nr. 4 GBV-Sonderfonds bewirkte Ungleichbehandlung ist nach dem mit ihr verfolgten einheitlichen Zweck sachlich gerechtfertigt und damit mit § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar.
- 19
-
a) Die GBV-Sonderfonds bezweckt, durch finanzielle Anreize für bestimmte Beschäftigtengruppen die Bereitschaft zum Abschluss von Aufhebungsverträgen zu fördern. Das folgt aus ihrer Präambel. Danach soll die GBV-Sonderfonds gewährleisten, dass das arbeitgeberseitige Ziel eines Personalabbaus von 5.700 Arbeitskapazitäten ohne betriebsbedingte Kündigungen erreicht werden kann. Soweit es in der Präambel weiter heißt, die Vereinbarung sei geschlossen worden, um den besonderen sozialen Härten bestimmter Mitarbeitergruppen im Rahmen der Neuordnung des Versicherungsgeschäfts Rechnung tragen zu können, ergibt sich daraus kein weitergehender Zweck. Die mit den Leistungen der GBV-Sonderfonds angestrebte Förderung einvernehmlicher Vertragsbeendigungen beruht auf der Einschätzung der Betriebsparteien, bei Mitarbeitern der unteren Entgeltgruppen mit typischerweise schlechten beruflichen Perspektiven könne die Bereitschaft zum Abschluss von Aufhebungsverträgen nur durch eine Aufstockung der finanziellen Anreize gesteigert werden. Dazu haben die Betriebsparteien für die Berechnung der Abfindung ein Mindestbruttoentgelt von 5.000,00 Euro zugrunde gelegt. Davon profitieren allein Arbeitnehmer der unteren Entgeltgruppen, deren Bruttomonatsentgelt diese Grenze typischerweise nicht erreicht.
- 20
-
b) Die Schaffung besonderer Anreize zur einvernehmlichen Beendigung von Arbeitsverhältnissen war aus Sicht der Betriebsparteien geboten, nachdem bis Ende Juni 2007 erst 4.060 Stellen von den in Aussicht genommenen 5.700 Arbeitskapazitäten abgebaut waren und der Beklagten der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen wegen des mit den Gesamtbetriebsräten der betroffenen Unternehmen vereinbarten Kündigungsverzichts bis Ende 2009 verwehrt war. Diese Einschätzung sowie die Annahme der Betriebsparteien, Arbeitnehmer der unteren Entgeltgruppen mit typischerweise negativen beruflichen Perspektiven seien nur durch einen zusätzlichen finanziellen Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen zu motivieren, hält sich innerhalb ihrer Typisierungsbefugnis und Einschätzungsprärogative. Soweit die Revision beanstandet, der zu erfolgende Stellenabbau sei innerhalb der verbleibenden Zeit auch ohne weitere Anreize möglich gewesen, weil die Beklagte die Einigungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft habe, setzt sie lediglich ihre Beurteilung der Verhältnisse an Stelle der Einschätzung der Betriebsparteien. Zudem übersieht sie, dass aufgrund des vereinbarten Kündigungsverzichts für die betroffenen Arbeitnehmer bis Ende 2009 keine Veranlassung bestand, auf ein Aufhebungsangebot der Beklagten einzugehen. Letztlich beanstandet die Klägerin auch nicht die auf dieser Einschätzung beruhende und sie begünstigende Gruppenbildung, sondern allein die darauf bezogene Stichtagsregelung.
- 21
-
c) Entsprechend diesem Regelungszweck ist die Stichtagsregelung der Nr. 4 der GBV-Sonderfonds wirksam. Die GBV-Sonderfonds ist eine freiwillige Betriebsvereinbarung iSd. § 88 BetrVG und kein Sozialplan iSd. § 112 Abs. 1 BetrVG.
- 22
-
aa) Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können. Ein Sozialplan dient nicht dazu, die individualrechtlichen Risiken des Arbeitgebers bei der Durchführung der Betriebsänderung zu reduzieren oder zu beseitigen (BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 254/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 68). Derartige Ziele kann der Arbeitgeber allerdings gemeinsam mit dem Betriebsrat in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG verfolgen. Eine solche Betriebsvereinbarung unterliegt nicht den für Sozialpläne aus § 112 Abs. 1 BetrVG folgenden Regelungsbeschränkungen (vgl. BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 31, BAGE 125, 366). In ihr können die Betriebsparteien auch Regelungen treffen, die dazu dienen, das arbeitgeberseitige Interesse an einem zügigen Personalabbau durch einvernehmliche Beendigungsvereinbarungen mit den Arbeitnehmern zu verwirklichen, wenn daneben in einem Sozialplan nach § 112 Abs. 1 BetrVG ein angemessener Ausgleich der den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile vereinbart worden ist.
- 23
-
bb) Die GBV-Sonderfonds bezweckt - wie dargelegt - nicht den Ausgleich oder die Milderung der durch den geplanten Personalabbau entstehenden wirtschaftlichen Nachteile, sondern die Förderung der Bereitschaft von Arbeitnehmern, durch den Abschluss von Aufhebungsverträgen einvernehmlich ihre Arbeitsverhältnisse zu beenden. Die durch die Betriebsänderungen den betroffenen Arbeitnehmern entstandenen Nachteile sind durch den SP-Neuordnung ausgeglichen worden. Unerheblich ist, dass der Anreiz zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags dadurch geschaffen worden ist, dass ein Element der Abfindungsformel des Sozialplans geändert wurde und sich so für den von der GBV-Sonderfonds erfassten Personenkreis ein höherer Abfindungsbetrag ergibt. Die Betriebsparteien sind im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen nach § 88 BetrVG frei, wie sie den Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen ausgestalten.
- 24
-
cc) Durch die GBV-Sonderfonds haben die Betriebsparteien nicht die Regelungsziele des § 112 Abs. 1 BetrVG umgangen. Dem SP-Neuordnung sind nicht Mittel für eine angemessene Dotierung vorenthalten worden, um damit anschließend den Sonderfonds der GBV-Sonderfonds auszustatten. Zwar heißt es in der GBV-Sonderfonds, der Sonderfonds werde aus Sozialplanmitteln aufgelegt. Daraus ergibt sich jedoch nicht ohne Weiteres, dass die Beklagte von vornherein den Dotierungsrahmen des SP-Neuordnung beschränkt und sich eine Aufstockung vorbehalten hat. Dagegen spricht maßgeblich, dass der SP-Neuordnung überaus angemessene Abfindungsregelungen enthält. So beläuft sich die der Klägerin ausgezahlte Abfindung auf rund 68 Monatsgehälter bei einer Betriebszugehörigkeit von 28,75 Jahren. Bereits dies spricht gegen die Annahme, die Beklagte habe den SP-Neuordnung nicht ausreichend dotiert, um spätere Anreizregelungen zu finanzieren. Die Klägerin hat auch nicht behauptet und es ist auch im Übrigen nicht ersichtlich, dass das von der Beklagten ursprünglich verfolgte Personalkonzept nicht verwirklicht werden konnte und der beabsichtigte Stellenabbau von vornherein nur durch höhere Abfindungen hätte erreicht werden können. Auch wenn die in der GBV-Sonderfonds vereinbarten höheren Abfindungen ein beträchtliches finanzielles Volumen haben, ergeben sich allein daraus keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dem Sozialplan Mittel vorenthalten hat.
- 25
-
dd) In Anbetracht der zulässigen Anreizfunktion der GBV-Sonderfonds ist es mit § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar, den Stichtag für den Erhalt einer finanziellen Vergünstigung auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Gesamtbetriebsvereinbarung festzulegen und damit diejenigen Arbeitnehmer auszuschließen, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten und hierfür keines weiteren Anreizes mehr bedurften.
-
4. Der von der Klägerin gestellte „Hilfsantrag“ fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er stellt keinen eigenen Streitgegenstand dar, ihm liegt vielmehr lediglich eine andere Berechnung für die von der Klägerin mit ihrem Hauptantrag erfolglos geltend gemachte weitere Abfindungszahlung zugrunde.
-
Schmidt
Koch
Linck
Federlin
Platow
(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.
(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.
Tenor
-
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 6. August 2010 - 10 Sa 1574/08 - aufgehoben.
-
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten noch über die Zahlung eines Incentive Compensation Plan Bonus (im Folgenden: ICP-Bonus) aus Gleichbehandlungsgründen.
-
Der Kläger war bei der Beklagten, einem Dienstleistungsunternehmen für die Erdöl- und Erdgasindustrie, vom 15. September 1995 bis zum 31. Juli 2009 beschäftigt und zuletzt als sog. „Tool Specialist Technician/Field-Service-Techniker“ am Standort C tätig. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 13. September 1995 regelt ua.:
-
„4
Tätigkeitsvergütung
(1) Nach der Probezeit erhält der Arbeitnehmer ein monatliches Gehalt von DM ... 6.250,00 ... brutto.
…
(4) Zusätzlich erhält der Arbeitnehmer eine Weihnachtsgratifikation in Höhe des am 1. November gezahlten, gültigen Grundgehalts zahlbar mit den Bezügen für den Monat November. Im Einstellungsjahr erhält der Arbeitnehmer für jeden vollen Monat Dienst ein Zwölftel der Weihnachtsgratifikation. Ebenfalls erhält der Arbeitnehmer ein Urlaubsgeld von 1.425,00 DM, das mit den Bezügen für den Monat Juni zur Auszahlung kommt. Im Einstellungsjahr erhält der Arbeitnehmer für jeden vollen Monat Dienst ein Zwölftel der Urlaubsgratifikation. Die Zahlungen des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes erfordern eine Betriebszugehörigkeit von mindestens einem halben Jahr.
…
(5) Die vorgenannten Sonderleistungen sind vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig und begründen bei Zahlungen über den festgelegten Mindestbetrag keinen Rechtsanspruch für folgende Jahre. Die zusätzlichen Zahlungen von Gratifikationen, Tantiemen, Prämien und sonstigen Leistungen liegen im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründen keinen Rechtsanspruch, auch wenn die Zahlung wiederholt ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt.
(6) Zusätzlich erhält der Arbeitnehmer ‚Job bonus’ für Feldarbeitstage, die auf Job Ticket und Kundenrechnung stehen. ‚Service Bonus’ wird bezahlt für vom Kunden bezahlte ‚Job-Tage’ im Feld, wenn der Arbeitnehmer als Aufsichtsperson tätig ist, das heißt für den ‚Baker’ job zuständig und verantwortlich ist.
(7) ‚Service Bonus’ wird nicht bezahlt für ‚Job Training’ am Einsatzort.“
- 3
-
Der Kläger wurde hauptsächlich auf Ölfeldern eingesetzt. An ca. 30 Tagen im Jahr arbeitete er in der Betriebswerkstatt. Er erhielt zuletzt eine Grundvergütung von 48.575,00 Euro brutto pro Jahr zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld. Im Jahr 2007 erzielte er eine Gesamtvergütung von 103.592,64 Euro brutto, in der der sog. Feldbonus in Höhe von 46.200,00 Euro brutto für 154 Feldeinsätze enthalten war. Den Feldbonus in Höhe von 300,00 Euro brutto gewährte die Beklagte dem Kläger für jeden Einsatztag im Ölfeld.
- 4
-
Am Standort C sind insgesamt 57 Mitarbeiter beschäftigt, davon 15 im sog. „Field Service“ und mindestens 15 in der Werkstatt. Die Werkstattmitarbeiter und die Anwendungsingenieure werden nur gelegentlich auf Ölfeldern eingesetzt.
-
Bis zum Jahr 2004 erhielten alle Arbeitnehmer des Betriebs einen sog. „Special Performance Bonus“ (im Folgenden: SPA-Bonus), dessen Höhe allein vom Unternehmensergebnis und nicht von individuellen Leistungen der Mitarbeiter abhing. Diesen Bonus ersetzte die Beklagte im Jahr 2005 durch den ICP-Bonus. Am 4. Juli 2005 ließ sie die Mitarbeiter wissen:
-
„Lieber Kollege,
wie Ihnen bekannt sein muss, gibt es den SPA, den Bonus für Sonderleistungen, nicht mehr, dieser wird ersetzt durch den ICP, den Plan, 2005 eine zusätzliche Zahlung als Anreiz zu gewähren.
Die hauptsächlichen Unterschiede sind:
- Der SPA war eine einmalige Leistung, während der ICP ein Prozentteil ihres Grundgehalts ist.
- Die Zentrale von B hat entschieden, dass die Arbeiter auf dem Feld, welche tägliche Boni als Teil ihrer normalen Vergütung erhalten, nicht für ICP infrage kommen.
- Für Angestellte der höheren Zahlungsgruppen werden neunzig (90) Prozent ihrer ICP-Boni nach den finanziellen und/oder nicht finanziellen Resultaten des Landes, Gebietes, der Abteilung oder anderer Kriterien der Leistungen des Teilnehmers berechnet. Die restlichen zehn (10) Prozent der Auszahlung, die Leistung und Basiswerte (PCV) genannt werden, werden so vergütet, wie der Manager die Leistung des Angestellten beurteilt.
- In Ihrem persönlichen ICP-Brief finden Sie den Prozentsatz ihrer EV und ob der PVC sich auf Sie bezieht.
...
Die Auszahlung des ICP wird bestimmt, indem die folgenden Leistungsmerkmale erreicht werden:
1. BBPV (Gewichtung 90 %): 50 % B WW BVA / 50 % B WW PBT
(BVA = B-Mehrwert, ...; PBT (Profit vor Steuern))
2. WWT (Gewichtung 10 %): 100 % B WW Inventar- Umsatz
...
Lassen Sie uns zusammenarbeiten beim Erreichen des Ziels, welches für Kontinental-Europa gesetzt ist. ...
...
V“
-
Ein Anhang „zur Police für 2005“ hat folgenden Inhalt:
-
„Leistung und Basis-Werte (PCV)
Für die Angestellten der Einstufungen 8 bis 19 bei der Firma B werden neunzig Prozent (90 %) ihrer Boni berechnet nach den finanziellen und/oder nicht finanziellen Ergebnissen des Landes, der Region, der Abteilung oder anderen Leistungs-Merkmalen des Teilnehmers. Die verbleibenden zehn Prozent (10 %) der Auszahlung, welche Leistung und Basis-Werte (PCV) genannt werden, werden gezahlt basierend auf der Einschätzung der Leistungen des Angestellten durch den Manager. Die Leistung wird gemessen an der Fertigstellung des PDP, des Leistungs-Entwicklungs-Plans des Angestellten oder anderer Leistungs-Kriterien, die die Abteilung hat, ebenso wie Leistung gegenüber den BHI-Basiswerten und Schlüsseln zum Erfolg.
Für die Angestellten von B in allen anderen Einstufungen basieren 100 % ihrer Boni auf den finanziellen und/oder nicht finanziellen Resultaten des Landes, der Region, der Abteilung oder anderen Leistungs-Merkmalen des Teilnehmers.
Angestellte, die unter den amerikanischen Plan des Anreizes (OIP) fallen sowie Aufseher (Arbeiter auf dem Feld, die tägliche Boni als einen Teil ihrer normalen Kompensation erhalten), kommen nicht für ICP infrage.“
- 7
-
Der Kläger erhielt als Field-Service-Mitarbeiter keinen ICP-Bonus. Hiergegen hat er sich mit der beim Arbeitsgericht am 7. März 2008 eingegangenen Stufenklage gewandt, mit der er Auskunft über die Berechnungsgrundlagen des ICP-Bonus sowie die Auszahlung möglicher Bonusansprüche geltend gemacht hat. Er hat die Auffassung vertreten, seine Herausnahme aus dem ICP-Bonussystem verletze den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Der ICP-Bonus sei - jedenfalls für seine Vergütungsgruppe - lediglich vom Unternehmenserfolg abhängig. Er gewähre eine Teilhabe der Mitarbeiter an dem von ihnen erarbeiteten Erfolg und diene der Mitarbeitermotivation. Zum Unternehmenserfolg habe er mit seiner Tätigkeit wesentlich beigetragen. Mit dem leistungsabhängigen Feldbonus, der nur für tatsächlich geleistete Einsätze gezahlt werde und ausschließlich den persönlichen Einsatz des Mitarbeiters belohnen solle, erhalte er keinen, nur vom Unternehmenserfolg abhängigen Bonus. Seine höhere Vergütung, die im Übrigen seine gefahrträchtigere und höherwertige Tätigkeit kompensiere, rechtfertige einen Ausschluss vom ICP-Bonus nicht. Auch die Anwendungsingenieure der Abteilung „Big Fishing“, die vergleichbare Arbeit wie er leisteten, erhielten alle Vergütungsbestandteile einschließlich des ICP-Bonus und des Feldbonus.
-
Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2011 erklärt hat, der ICP-Bonus würde bei Anwendung auf die Field-Service-Mitarbeiter für das Jahr 2005 fünf Prozent des Jahresgrundgehalts (bei 100%iger Erfüllung der gewöhnlichen Ziele) betragen, hat der Kläger seinen ursprünglichen Auskunftsantrag für erledigt erklärt und - soweit für die Revision noch von Bedeutung - beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen nach Erteilung der Auskunft näher zu beziffernden Incentive Compensation Plan Bonus für das Kalenderjahr 2005 zu zahlen.
- 9
-
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, der Kläger gehöre nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten des freiwillig geleisteten ICP-Bonus. Dieser ICP-Bonus sei eingeführt worden, um die freiwilligen Entgeltbestandteile neu zu strukturieren und ein durchgehendes System von unterschiedlichen ergebnis- und leistungsabhängigen Vergütungsbestandteilen zu schaffen. Die Planteilnehmer sollten mit ihrer individuellen Ergebnisbeteiligung am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens teilhaben. Da die Field-Service-Mitarbeiter mit den Werkstattmitarbeitern und den Anwendungsingenieuren nicht vergleichbar seien, werde auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Es bestünden hinreichende sachliche Differenzierungsgründe. Die Werkstattmitarbeiter würden im Wesentlichen die Geräte in der Werkstatt reparieren und warten. Die Anwendungsingenieure hätten sich mit komplexen technischen und kaufmännischen Planungsaufgaben eines Projekts zu befassen. Zu Feldeinsätzen seien beide Gruppen arbeitsvertraglich nicht verpflichtet; sie würden lediglich bei Engpässen (Not- und Ausnahmefälle) ausnahmsweise auf freiwilliger Basis dort eingesetzt. Auch verfolgten ICP- und Feld-Bonus den gleichen Zweck, einen vom Unternehmenserfolg abhängigen Vergütungsbestandteil zu gewähren. Mit dem Feldbonus erhielten die Field-Service-Mitarbeiter bereits eine entsprechende Zusatzleistung. Bei einer Gewährung beider Boni würde der Kläger ungerechtfertigt besserstehen als die anderen Arbeitnehmer, die im Übrigen nur den deutlich geringeren ICP-Bonus (im Jahr 2005 in Höhe von durchschnittlich 2.000,00 Euro) bekämen.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die klageabweisende erstinstanzliche Entscheidung teilweise abgeändert und die Beklagte zur Auskunft über die Einstufungen (grades) in den ICP-Bonus sämtlicher bei ihr angestellter Anwendungsingenieure und Werkstattmitarbeiter verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
- 11
-
Die Revision ist begründet. Nachdem die Beklagte über die Rahmendaten und den Prozentsatz des ICP-Bonus Auskunft gegeben und der Kläger seinen Auskunftsanspruch für erledigt erklärt hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Landesarbeitsgericht muss nunmehr über den Zahlungsanspruch und darüber entscheiden, ob sich der Auskunftsanspruch erledigt hat oder von vornherein unbegründet war.
- 12
-
I. Aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob der Auskunftsanspruch begründet war und ob dem Kläger der Anspruch auf Zahlung des ICP-Bonus für das Kalenderjahr 2005 in einer von ihm noch zu beziffernden Höhe gemäß dem Gleichbehandlungsgrundsatz zusteht.
- 13
-
1. Ein Arbeitgeber ist grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er seinen Arbeitnehmern eine vertraglich nicht vereinbarte Leistung freiwillig gewährt. Bei einer solchen Gewährung ist er aber an den Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden, wenn er die freiwillige Leistung nach von ihm selbst gesetzten allgemeinen Regelungen gewährt. Der gewohnheitsrechtlich anerkannte arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage ebenso wie eine sachfremde Differenzierung zwischen Gruppen von Arbeitnehmern. Zwar gilt im Bereich der Vergütung der Gleichbehandlungsgrundsatz nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit für individuell vereinbarte Löhne und Gehälter Vorrang hat. Das Gebot der Gleichbehandlung greift jedoch ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen aufgrund genereller Regelungen für bestimmte Zwecke gewährt. Zahlt er aufgrund einer abstrakten Regelung eine freiwillige Leistung nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip und legt er entsprechend dem mit der Leistung verfolgten Zweck die Anspruchsvoraussetzungen für diese Leistung fest, darf er einzelne Arbeitnehmer von der Leistung nur ausnehmen, wenn dies den sachlichen Kriterien entspricht. Arbeitnehmer werden nicht sachfremd benachteiligt, wenn nach dem Zweck der Leistung Gründe vorliegen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, ihnen die anderen Arbeitnehmern gewährten Leistungen vorzuenthalten.
- 14
-
Die Zweckbestimmung einer Sonderzahlung ergibt sich vorrangig aus ihren tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen. Dementsprechend ist zunächst der Zweck der Leistung zu ermitteln und zu beurteilen, ob der von ihr ausgeschlossene Personenkreis berechtigterweise außerhalb der allgemeinen Zweckrichtung steht (BAG 26. September 2007 - 5 AZR 808/06 - Rn. 24, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13; 3. Dezember 2008 - 5 AZR 74/08 - Rn. 15, BAGE 128, 342). Steht eine unterschiedliche Ausgestaltung der Zusatzleistung nach Gruppen von Arbeitnehmern fest, hat der Arbeitgeber die Gründe für eine Differenzierung offenzulegen und substanziiert die sachlichen Unterscheidungskriterien darzutun. Sind die Unterscheidungsmerkmale nicht ohne Weiteres erkennbar und legt der Arbeitgeber seine Differenzierungsgesichtspunkte nicht dar oder ist die unterschiedliche Behandlung nach dem Zweck der Leistung nicht gerechtfertigt, kann der benachteiligte Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmer(gruppe) behandelt zu werden (st. Rspr., vgl. BAG 1. April 2009 - 10 AZR 353/08 - Rn. 14, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 284; 3. Dezember 2008 - 5 AZR 74/08 - Rn. 17, aaO; 30. Juli 2008 - 10 AZR 497/07 - Rn. 19, EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 17; 26. September 2007 - 10 AZR 569/06 - Rn. 15, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 205 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 13; 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - Rn. 14, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 21; 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - Rn. 19, BAGE 122, 1; 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - zu II 2 c aa der Gründe, BAGE 113, 55).
- 15
-
2. Danach kann eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bisher weder bejaht noch verneint werden.
- 16
-
a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes eröffnet ist. Die Beklagte hat den ICP-Bonus nicht als eine individuelle Leistung an einzelne Mitarbeiter, sondern nach einem allgemeinen System an eine Gruppe von Arbeitnehmern gezahlt.
- 17
-
b) Das Landesarbeitsgericht hat bisher über den Zahlungsanspruch nicht entschieden. Es hat im Rahmen der Entscheidung über den Auskunftsanspruch ausgeführt, eine sachwidrige Ungleichbehandlung des Klägers mit der Folge eines Zahlungsanspruchs erscheine möglich. Der Anspruch auf einen ICP-Bonus ist aber nur begründet, wenn eine sachwidrige Ungleichbehandlung feststeht. Hierfür kommt es darauf an, ob der ICP-Bonus lediglich eine vom Unternehmenserfolg abhängige Zusatzleistung darstellt oder ob mit ihm weitere Zwecke verfolgt werden.
- 18
-
aa) Die Beklagte hat den ICP-Bonus - zunächst für bestimmte „grades“ (Einstufung 1 bis 7) - als eine Leistung ausgestaltet, die auf den finanziellen und/oder nicht finanziellen Resultaten des Landes, der Region, der Abteilung oder anderen Leistungsmerkmalen beruht. Der ICP-Bonus stellt damit die Teilhabe am Unternehmenserfolg als Zweck der Leistung in den Vordergrund.
- 19
-
bb) Dies gilt auch bei den anderen „grades“ (Einstufung 8 bis 19). Nur 90 % des ICP-Bonus sind von finanziellen und/oder nicht finanziellen Ergebnissen abhängig. Lediglich die restlichen 10 % stehen mit den individuellen Leistungen des Mitarbeiters im Zusammenhang.
- 20
-
cc) Ob die Beklagte mit dem ICP-Bonus noch weitere Zwecke verfolgt, steht aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht fest. Zum einen enthält der ICP-Bonus bei einigen „grades“ noch eine individuelle Leistungskomponente. Zum anderen kann der Arbeitgeber ein Vergütungssystem mit unterschiedlichen Komponenten und Faktoren einführen. So kann er beispielsweise Arbeitnehmern im Innendienst eine höhere Grundvergütung zahlen als Mitarbeitern im Außendienst. Er kann die verschiedenartigen Tätigkeiten, wie beispielsweise die Tätigkeit eines Field-Service-Technikers und die eines Werkstattmitarbeiters oder eines Anwendungsingenieurs, auch unterschiedlich vergüten, indem er ihnen nicht nur abweichende Grundvergütungen, sondern auch verschiedene, unterschiedlich hohe und an die Tätigkeit oder den Marktwert der Arbeitsleistung anknüpfende Zuschläge und Boni zahlt. So gewährt die Beklagte den Field-Service-Mitarbeitern, ohne dass dagegen rechtliche Bedenken bestünden, bei einem entsprechenden Einsatz den Feldbonus. Einem Arbeitgeber ist es darüber hinaus möglich, zur Schaffung einer ausgewogenen Vergütungsstruktur im Betrieb Arbeitnehmergruppen unter bestimmten Voraussetzungen zusätzliche Leistungen - abhängig von seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit - zu gewähren, um bestehende erhebliche Vergütungsunterschiede (siehe bspw. BAG 23. Februar 2011 - 5 AZR 84/10 - Rn. 19, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 24) oder andere finanzielle Nachteile, die zwischen den verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern bestehen, abzumildern oder auszugleichen (vgl. bspw. BAG 1. April 2009 - 10 AZR 353/08 - Rn. 18, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 284; 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - BAGE 122, 1).
- 21
-
II. Das Landesarbeitsgericht muss demnach aufklären, ob für die verschiedenen Arbeitnehmergruppen eine unterschiedliche Vergütungsstruktur in dem bezeichneten Sinne besteht und aus welchen Vergütungsbestandteilen sich die Vergütung ggf. zusammensetzt. Sofern aufgrund einer andersartigen Tätigkeit der Field-Service-Mitarbeiter eine unterschiedliche Vergütungsstruktur gerechtfertigt ist, dürfen diese Arbeitnehmer von der Zahlung des ICP-Bonus ausgenommen werden. Mit einer durch Besonderheiten charakterisierten und deshalb eigenständig zu bewertenden Tätigkeit können nicht nur unterschiedliche Grundvergütungen, sondern auch unterschiedliche Zusatzzahlungen verbunden sein. Auch diese Wertung ist noch vom Landesarbeitsgericht nach Feststellung der hierfür maßgeblichen Tatsachen vorzunehmen.
- 22
-
Darüber hinaus kann es darauf ankommen, ob dem ICP-Bonus neben der Teilhabe am Unternehmenserfolg weitere Zwecke beizulegen sind. In diesem Zusammenhang ist erheblich, welche Arbeitnehmer in der Werkstatt und bei den Anwendungsingenieuren welche Grundvergütungen erhalten und ob und welche Vergütungsdifferenzen insoweit gegenüber der Grundvergütung der Field-Service-Mitarbeiter bestehen. Sollten sich schon bei der Basisvergütung erhebliche Differenzen zwischen den Arbeitnehmergruppen ergeben, kann dies dafür sprechen, dem ICP-Bonus auch eine entsprechende Kompensationsfunktion beizulegen, was ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Gruppenbildung sein kann.
-
Bei dem Vergütungsvergleich ist allerdings der Feldbonus außer Betracht zu lassen. Dabei handelt es sich um eine zusätzliche Vergütung für eine tatsächliche, unter erschwerten Bedingungen erbrachte Arbeitsleistung. Entgegen der Ansicht der Revision ist er keine vom Unternehmenserfolg abhängige Zusatzleistung, sondern eine zusätzliche „Prämie“ für jeden konkreten Einsatztag. Die Field-Service-Mitarbeiter erhalten für ihre konkrete - auch gefährlichere - Tätigkeit und ihren täglichen Einsatz eine Einsatzprämie oder Erschwerniszulage. Eine sachgerechte Differenzierung kann demgemäß nicht bei einer Gruppenbildung ansetzen, die zwischen Mitarbeitern mit Feldbonus und Mitarbeitern ohne Feldbonus unterscheidet. Dies gilt um so mehr, als auch die anderen Mitarbeiter, wenn sie entsprechende Feldeinsätze leisten, den Feldbonus erhalten.
-
Mikosch
Eylert
W. Reinfelder
Stefan Fluri
Rigo Züfle
Tenor
-
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 11. Februar 2009 - 11 Sa 598/08 - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.
- 2
-
Die Klägerin war seit dem 1. Januar 1980 bei der A Versicherungs-AG in der Poststelle beschäftigt. Ihr Verdienst betrug bei einer Arbeitszeit von 60 % der regelmäßigen Arbeitszeit ab April 2005 rund 1.600,00 Euro. Zusätzlich erhielt sie bis März 2007 eine monatliche Ausgleichszahlung in Höhe von 50 % der Differenz zu der zuvor bezogenen Vergütung als Vollzeitbeschäftigte.
- 3
-
Ab 2006 wurde das deutsche Versicherungsgeschäft der A unter dem Dach der beklagten A Deutschland AG(ADAG) neu organisiert. Im Zuge dieser Umstrukturierung sollten bis Ende 2008 insgesamt 5.700 Stellen wegfallen. Hiervon waren auch die Mitarbeiter der A Versicherungs-AG betroffen. Die durch die Betriebsänderungen entstehenden wirtschaftlichen Nachteile für die Mitarbeiter sollten durch den von den betroffenen Unternehmen mit den bei ihnen bestehenden Gesamtbetriebsräten vereinbarten „Sozialplan zur Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG“ (SP-Neuordnung) vom 28. April 2006 ausgeglichen werden. Dieser Sozialplan galt auch für die Beklagte und die A Versicherungs-AG. Zur Berechnung der Grundabfindung für Vollzeitbeschäftigte des Innendienstes wurde in dem Sozialplan ein Mindestbruttomonatsverdienst in Höhe von 3.000,00 Euro zugrunde gelegt. Für Teilzeitbeschäftigte bestimmte sich die Höhe des Mindestbruttomonatsverdienstes grundsätzlich anteilig nach der jeweiligen Vertragsarbeitszeit. Eine vorangegangene Vollzeitbeschäftigung war allerdings zu berücksichtigen, wenn die individuelle Arbeitszeitverkürzung aus betriebsbedingten Gründen in den letzten zwei Jahren vor Inkrafttreten des Sozialplans vereinbart wurde, was der Fall sein sollte, wenn der Arbeitnehmer eine Ausgleichszahlung zur bestehenden Gehaltsdifferenz erhielt.
- 4
-
Zeitgleich mit dem Abschluss des Sozialplans schlossen dieselben Parteien am 28. April 2006 die „Gesamtbetriebsvereinbarung zur Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG - Sozialverträgliche Umsetzung der Neuordnung -“(GBV-Neuordnung). Nach deren Präambel sollte mit der Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel der Personalabbau durch einvernehmliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen beschleunigt werden. Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendeten, erhielten neben der Sozialplanabfindung eine nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte zusätzliche Abfindung.
- 5
-
Am 31. Januar 2007 verzichteten die Beklagte sowie die unter ihrem Dach zusammengefassten Unternehmen in einer mit den bei ihnen bestehenden Gesamtbetriebsräten geschlossenen „Vereinbarung zum besonderen Kündigungsschutz im Rahmen der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG“(Vereinbarung besonderer Kündigungsschutz) auf betriebsbedingte Kündigungen bis Ende des Jahres 2009.
- 6
-
Die Klägerin vereinbarte am 20. März 2007 mit der A Versicherungs-AG einen Aufhebungsvertrag, wodurch das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2008 gegen Zahlung einer Abfindung nach dem SP-Neuordnung in Höhe von 109.875,00 Euro brutto beendet wurde. Am 1. Juni 2007 ging ihr Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über.
- 7
-
Am 11. Juli 2007 schloss die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat eine „Gesamtbetriebsvereinbarung über die Bereitstellung von ergänzenden finanziellen Mitteln zur Unterstützung der personalwirtschaftlichen Ziele der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts unter dem Dach der A Deutschland AG“(GBV-Sonderfonds). Diese sollte nach ihrer Präambel besonderen sozialen Härten bei bestimmten Mitarbeitern Rechnung tragen und gewährleisten, dass das arbeitgeberseitige Abbauziel von 5.700 Stellen zeitgerecht sozialverträglich durch einvernehmliche Maßnahmen erreicht wird. Hierzu wurde für einzelne Mitarbeitergruppen, ua. für die Beschäftigten aus dem Post-/Scan- und Verteilbereich, ein Sonderfonds aufgelegt. Diese Mitarbeiter sollten zeitnah ein Angebot zur einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten, in dem bei der Berechnung der Sozialplanabfindung nach dem SP-Neuordnung und der Berechnung der zusätzlichen Abfindung nach der GBV-Neuordnung ein Mindestbruttoverdienst von 5.000,00 Euro zugrunde zu legen war. Nach Nr. 4 GBV-Sonderfonds waren allerdings nur diejenigen Arbeitnehmer anspruchsberechtigt, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung, dh. am 11. Juli 2007, noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses unterzeichnet hatten.
- 8
-
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte die Beklagte die vereinbarte Abfindung in Höhe von 109.875,00 Euro brutto. Diese hält die Klägerin nicht für ausreichend. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der Berechnung der Abfindung sei entsprechend der GBV-Sonderfonds ein Bruttomonatseinkommen in Höhe von 5.000,00 Euro je Beschäftigungsjahr zugrunde zu legen. Hieraus ergebe sich ein Abfindungsanspruch in Höhe von insgesamt 183.125,00 Euro, jedenfalls aber von 174.206,81 Euro bei einer durchschnittlichen Beschäftigungsquote von 0,9513 bezogen auf die gesamte Dauer der Betriebszugehörigkeit. Die Beschränkung des Geltungsbereichs dieser Gesamtbetriebsvereinbarung auf Mitarbeiter, die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch keinen Aufhebungsvertrag unterzeichnet hatten, verstoße gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und sei damit unwirksam.
-
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an sie 73.250,00 Euro brutto, hilfsweise 64.331,81 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Oktober 2008 zu bezahlen.
- 10
-
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags geltend gemacht, mit der GBV-Sonderfonds habe ein besonderer zusätzlicher Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen geschaffen werden sollen. Wegen des vereinbarten Verzichts auf betriebsbedingte Kündigungen sei der angestrebte Personalabbau von 5.700 Stellen nicht anders erreichbar gewesen.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die gemäß § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ordnungsgemäß begründete und damit zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
- 13
-
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus der GBV-Sonderfonds auf Zahlung einer weiteren Abfindung. Eine solche Leistung steht nach Nr. 4 GBV-Sonderfonds nur Mitarbeitern zu, die am 11. Juli 2007 noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses unterschrieben haben. Von diesem persönlichen Geltungsbereich wird die Klägerin nicht erfasst. Sie hat ihren Aufhebungsvertrag am 20. März 2007 unterzeichnet.
- 14
-
II. Die Stichtagsregelung in Nr. 4 GBV-Sonderfonds ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG.
- 15
-
1. Die Betriebsparteien haben beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck(BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 25 mwN, BAGE 125, 366).
- 16
-
Erfolgt die Gruppenbildung durch eine Stichtagsregelung, muss auch diese mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein. Dabei kommt den Betriebsparteien sowohl bei der Gruppenbildung als auch bei der Bestimmung des darauf bezogenen Stichtags ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Die durch eine Stichtagsregelung verursachten Härten müssen hingenommen werden, wenn sich unter Berücksichtigung des Regelungszwecks die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist(vgl. BAG 22. März 2005 - 1 AZR 49/04 - zu 3 a der Gründe, BAGE 114, 179).
- 17
-
2. In der GBV-Sonderfonds haben die Betriebsparteien mehrere Gruppenbildungen vorgenommen. Nach deren Nr. 1 Abs. 2 erstreckt sich der persönliche Geltungsbereich nur auf diejenigen Arbeitnehmer, die von der Neuordnung der Post-/Scan- und Verteilfunktionen innerhalb der ADAG betroffen waren, sowie auf Mitarbeiter von Support- bzw. ehemaliger Organisationseinheiten in Dienstleistungsgebieten. Damit waren Mitarbeiter anderer Bereiche, die ebenfalls von der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der ADAG erfasst waren, von den Begünstigungen der GBV-Sonderfonds ausgenommen. Darüber hinaus erfolgt eine Gruppenbildung nach den Bruttoverdiensten der Arbeitnehmer. Die GBV-Sonderfonds begünstigt gemäß deren Nr. 1 Abs. 4 ausschließlich diejenigen Arbeitnehmer, deren Verdienst bei Vollzeitbeschäftigung den der Abfindungsberechnung zugrunde zu legenden Bruttomonatsverdienst von 5.000,00 Euro nicht erreicht. Arbeitnehmer mit einem höheren Einkommen erlangen durch die GBV-Sonderfonds keinen finanziellen Vorteil. Schließlich haben die Betriebsparteien in Nr. 4 GBV-Sonderfonds eine stichtagsbezogene Gruppenbildung vorgesehen, indem sie deren Leistungen auf diejenigen begünstigten Arbeitnehmer beschränkten, die bis zum 11. Juli 2007 noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses geschlossen hatten. Damit sind Arbeitnehmer unterer Lohngruppen aus den in Nr. 1 Abs. 2 GBV-Sonderfonds genannten Bereichen, die zu einem früheren Zeitpunkt aus Anlass der erfolgten Umstrukturierung einen Aufhebungsvertrag vereinbart hatten, von den Leistungen der GBV-Sonderfonds ausgenommen. Das beanstandet die Klägerin.
- 18
-
3. Die durch die Stichtagsregelung in Nr. 4 GBV-Sonderfonds bewirkte Ungleichbehandlung ist nach dem mit ihr verfolgten einheitlichen Zweck sachlich gerechtfertigt und damit mit § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar.
- 19
-
a) Die GBV-Sonderfonds bezweckt, durch finanzielle Anreize für bestimmte Beschäftigtengruppen die Bereitschaft zum Abschluss von Aufhebungsverträgen zu fördern. Das folgt aus ihrer Präambel. Danach soll die GBV-Sonderfonds gewährleisten, dass das arbeitgeberseitige Ziel eines Personalabbaus von 5.700 Arbeitskapazitäten ohne betriebsbedingte Kündigungen erreicht werden kann. Soweit es in der Präambel weiter heißt, die Vereinbarung sei geschlossen worden, um den besonderen sozialen Härten bestimmter Mitarbeitergruppen im Rahmen der Neuordnung des Versicherungsgeschäfts Rechnung tragen zu können, ergibt sich daraus kein weitergehender Zweck. Die mit den Leistungen der GBV-Sonderfonds angestrebte Förderung einvernehmlicher Vertragsbeendigungen beruht auf der Einschätzung der Betriebsparteien, bei Mitarbeitern der unteren Entgeltgruppen mit typischerweise schlechten beruflichen Perspektiven könne die Bereitschaft zum Abschluss von Aufhebungsverträgen nur durch eine Aufstockung der finanziellen Anreize gesteigert werden. Dazu haben die Betriebsparteien für die Berechnung der Abfindung ein Mindestbruttoentgelt von 5.000,00 Euro zugrunde gelegt. Davon profitieren allein Arbeitnehmer der unteren Entgeltgruppen, deren Bruttomonatsentgelt diese Grenze typischerweise nicht erreicht.
- 20
-
b) Die Schaffung besonderer Anreize zur einvernehmlichen Beendigung von Arbeitsverhältnissen war aus Sicht der Betriebsparteien geboten, nachdem bis Ende Juni 2007 erst 4.060 Stellen von den in Aussicht genommenen 5.700 Arbeitskapazitäten abgebaut waren und der Beklagten der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen wegen des mit den Gesamtbetriebsräten der betroffenen Unternehmen vereinbarten Kündigungsverzichts bis Ende 2009 verwehrt war. Diese Einschätzung sowie die Annahme der Betriebsparteien, Arbeitnehmer der unteren Entgeltgruppen mit typischerweise negativen beruflichen Perspektiven seien nur durch einen zusätzlichen finanziellen Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen zu motivieren, hält sich innerhalb ihrer Typisierungsbefugnis und Einschätzungsprärogative. Soweit die Revision beanstandet, der zu erfolgende Stellenabbau sei innerhalb der verbleibenden Zeit auch ohne weitere Anreize möglich gewesen, weil die Beklagte die Einigungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft habe, setzt sie lediglich ihre Beurteilung der Verhältnisse an Stelle der Einschätzung der Betriebsparteien. Zudem übersieht sie, dass aufgrund des vereinbarten Kündigungsverzichts für die betroffenen Arbeitnehmer bis Ende 2009 keine Veranlassung bestand, auf ein Aufhebungsangebot der Beklagten einzugehen. Letztlich beanstandet die Klägerin auch nicht die auf dieser Einschätzung beruhende und sie begünstigende Gruppenbildung, sondern allein die darauf bezogene Stichtagsregelung.
- 21
-
c) Entsprechend diesem Regelungszweck ist die Stichtagsregelung der Nr. 4 der GBV-Sonderfonds wirksam. Die GBV-Sonderfonds ist eine freiwillige Betriebsvereinbarung iSd. § 88 BetrVG und kein Sozialplan iSd. § 112 Abs. 1 BetrVG.
- 22
-
aa) Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können. Ein Sozialplan dient nicht dazu, die individualrechtlichen Risiken des Arbeitgebers bei der Durchführung der Betriebsänderung zu reduzieren oder zu beseitigen (BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 254/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 68). Derartige Ziele kann der Arbeitgeber allerdings gemeinsam mit dem Betriebsrat in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG verfolgen. Eine solche Betriebsvereinbarung unterliegt nicht den für Sozialpläne aus § 112 Abs. 1 BetrVG folgenden Regelungsbeschränkungen (vgl. BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 31, BAGE 125, 366). In ihr können die Betriebsparteien auch Regelungen treffen, die dazu dienen, das arbeitgeberseitige Interesse an einem zügigen Personalabbau durch einvernehmliche Beendigungsvereinbarungen mit den Arbeitnehmern zu verwirklichen, wenn daneben in einem Sozialplan nach § 112 Abs. 1 BetrVG ein angemessener Ausgleich der den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile vereinbart worden ist.
- 23
-
bb) Die GBV-Sonderfonds bezweckt - wie dargelegt - nicht den Ausgleich oder die Milderung der durch den geplanten Personalabbau entstehenden wirtschaftlichen Nachteile, sondern die Förderung der Bereitschaft von Arbeitnehmern, durch den Abschluss von Aufhebungsverträgen einvernehmlich ihre Arbeitsverhältnisse zu beenden. Die durch die Betriebsänderungen den betroffenen Arbeitnehmern entstandenen Nachteile sind durch den SP-Neuordnung ausgeglichen worden. Unerheblich ist, dass der Anreiz zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags dadurch geschaffen worden ist, dass ein Element der Abfindungsformel des Sozialplans geändert wurde und sich so für den von der GBV-Sonderfonds erfassten Personenkreis ein höherer Abfindungsbetrag ergibt. Die Betriebsparteien sind im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen nach § 88 BetrVG frei, wie sie den Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen ausgestalten.
- 24
-
cc) Durch die GBV-Sonderfonds haben die Betriebsparteien nicht die Regelungsziele des § 112 Abs. 1 BetrVG umgangen. Dem SP-Neuordnung sind nicht Mittel für eine angemessene Dotierung vorenthalten worden, um damit anschließend den Sonderfonds der GBV-Sonderfonds auszustatten. Zwar heißt es in der GBV-Sonderfonds, der Sonderfonds werde aus Sozialplanmitteln aufgelegt. Daraus ergibt sich jedoch nicht ohne Weiteres, dass die Beklagte von vornherein den Dotierungsrahmen des SP-Neuordnung beschränkt und sich eine Aufstockung vorbehalten hat. Dagegen spricht maßgeblich, dass der SP-Neuordnung überaus angemessene Abfindungsregelungen enthält. So beläuft sich die der Klägerin ausgezahlte Abfindung auf rund 68 Monatsgehälter bei einer Betriebszugehörigkeit von 28,75 Jahren. Bereits dies spricht gegen die Annahme, die Beklagte habe den SP-Neuordnung nicht ausreichend dotiert, um spätere Anreizregelungen zu finanzieren. Die Klägerin hat auch nicht behauptet und es ist auch im Übrigen nicht ersichtlich, dass das von der Beklagten ursprünglich verfolgte Personalkonzept nicht verwirklicht werden konnte und der beabsichtigte Stellenabbau von vornherein nur durch höhere Abfindungen hätte erreicht werden können. Auch wenn die in der GBV-Sonderfonds vereinbarten höheren Abfindungen ein beträchtliches finanzielles Volumen haben, ergeben sich allein daraus keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dem Sozialplan Mittel vorenthalten hat.
- 25
-
dd) In Anbetracht der zulässigen Anreizfunktion der GBV-Sonderfonds ist es mit § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar, den Stichtag für den Erhalt einer finanziellen Vergünstigung auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Gesamtbetriebsvereinbarung festzulegen und damit diejenigen Arbeitnehmer auszuschließen, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten und hierfür keines weiteren Anreizes mehr bedurften.
-
4. Der von der Klägerin gestellte „Hilfsantrag“ fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er stellt keinen eigenen Streitgegenstand dar, ihm liegt vielmehr lediglich eine andere Berechnung für die von der Klägerin mit ihrem Hauptantrag erfolglos geltend gemachte weitere Abfindungszahlung zugrunde.
-
Schmidt
Koch
Linck
Federlin
Platow
(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.
(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.
(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.
(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.
(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
(1) Um Entlassungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu vermeiden und ihre Vermittlungsaussichten zu verbessern, haben diese Anspruch auf Kurzarbeitergeld zur Förderung der Eingliederung bei betrieblichen Restrukturierungen (Transferkurzarbeitergeld), wenn
- 1.
und solange sie von einem dauerhaften nicht vermeidbaren Arbeitsausfall mit Entgeltausfall betroffen sind, - 2.
die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind, - 3.
die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind, - 4.
sich die Betriebsparteien im Vorfeld der Entscheidung über die Inanspruchnahme von Transferkurzarbeitergeld, insbesondere im Rahmen ihrer Verhandlungen über einen die Integration der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fördernden Interessenausgleich oder Sozialplan nach § 112 des Betriebsverfassungsgesetzes, von der Agentur für Arbeit beraten lassen haben und - 5.
der dauerhafte Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist.
(2) Ein dauerhafter Arbeitsausfall liegt vor, wenn auf Grund einer Betriebsänderung im Sinne des § 110 Absatz 1 Satz 3 die Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend entfallen. Der Entgeltausfall kann auch jeweils 100 Prozent des monatlichen Bruttoentgelts betragen.
(3) Die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld sind erfüllt, wenn
- 1.
in einem Betrieb Personalanpassungsmaßnahmen auf Grund einer Betriebsänderung durchgeführt werden, - 2.
die von Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst werden, um Entlassungen zu vermeiden und ihre Eingliederungschancen zu verbessern, - 3.
die Organisation und Mittelausstattung der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit den angestrebten Integrationserfolg erwarten lassen und - 4.
ein System zur Sicherung der Qualität angewendet wird.
(4) Die persönlichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
- 1.
von Arbeitslosigkeit bedroht ist, - 2.
nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzt oder im Anschluss an die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses aufnimmt, - 3.
nicht vom Kurzarbeitergeldbezug ausgeschlossen ist und - 4.
vor der Überleitung in die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit aus Anlass der Betriebsänderung - a)
sich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend meldet und - b)
an einer arbeitsmarktlich zweckmäßigen Maßnahme zur Feststellung der Eingliederungsaussichten teilgenommen hat; können in berechtigten Ausnahmefällen trotz Mithilfe der Agentur für Arbeit die notwendigen Feststellungsmaßnahmen nicht rechtzeitig durchgeführt werden, sind diese im unmittelbaren Anschluss an die Überleitung innerhalb eines Monats nachzuholen.
(5) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus, denen Anpassungsgeld nach § 5 des Steinkohlefinanzierungsgesetzes gezahlt werden kann, haben vor der Inanspruchnahme des Anpassungsgeldes Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld.
(6) Für die Anzeige des Arbeitsausfalls gilt § 99 Absatz 1, 2 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend. Der Arbeitsausfall ist bei der Agentur für Arbeit anzuzeigen, in deren Bezirk der personalabgebende Betrieb seinen Sitz hat.
(7) Während des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld hat der Arbeitgeber den geförderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten. Stellt der Arbeitgeber oder die Agentur für Arbeit fest, dass Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer Qualifizierungsdefizite aufweisen, soll der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten anbieten. Als geeignet gelten insbesondere
- 1.
Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung, für die und für deren Träger eine Zulassung nach dem Fünften Kapitel vorliegt, oder - 2.
eine zeitlich begrenzte, längstens sechs Monate dauernde Beschäftigung zum Zwecke der Qualifizierung bei einem anderen Arbeitgeber.
(8) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur vorübergehend in der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst werden, um anschließend einen anderen Arbeitsplatz in dem gleichen oder einem anderen Betrieb des Unternehmens zu besetzen, oder, falls das Unternehmen einem Konzern angehört, einen Arbeitsplatz in einem Betrieb eines anderen Konzernunternehmens des Konzerns zu besetzen. § 110 Absatz 3 Satz 3 gilt entsprechend.
(9) Soweit nichts Abweichendes geregelt ist, sind die für das Kurzarbeitergeld geltenden Vorschriften des Ersten Unterabschnitts anzuwenden, mit Ausnahme der ersten beiden Titel und des § 109.
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Tenor
-
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 11. Februar 2009 - 11 Sa 598/08 - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.
- 2
-
Die Klägerin war seit dem 1. Januar 1980 bei der A Versicherungs-AG in der Poststelle beschäftigt. Ihr Verdienst betrug bei einer Arbeitszeit von 60 % der regelmäßigen Arbeitszeit ab April 2005 rund 1.600,00 Euro. Zusätzlich erhielt sie bis März 2007 eine monatliche Ausgleichszahlung in Höhe von 50 % der Differenz zu der zuvor bezogenen Vergütung als Vollzeitbeschäftigte.
- 3
-
Ab 2006 wurde das deutsche Versicherungsgeschäft der A unter dem Dach der beklagten A Deutschland AG(ADAG) neu organisiert. Im Zuge dieser Umstrukturierung sollten bis Ende 2008 insgesamt 5.700 Stellen wegfallen. Hiervon waren auch die Mitarbeiter der A Versicherungs-AG betroffen. Die durch die Betriebsänderungen entstehenden wirtschaftlichen Nachteile für die Mitarbeiter sollten durch den von den betroffenen Unternehmen mit den bei ihnen bestehenden Gesamtbetriebsräten vereinbarten „Sozialplan zur Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG“ (SP-Neuordnung) vom 28. April 2006 ausgeglichen werden. Dieser Sozialplan galt auch für die Beklagte und die A Versicherungs-AG. Zur Berechnung der Grundabfindung für Vollzeitbeschäftigte des Innendienstes wurde in dem Sozialplan ein Mindestbruttomonatsverdienst in Höhe von 3.000,00 Euro zugrunde gelegt. Für Teilzeitbeschäftigte bestimmte sich die Höhe des Mindestbruttomonatsverdienstes grundsätzlich anteilig nach der jeweiligen Vertragsarbeitszeit. Eine vorangegangene Vollzeitbeschäftigung war allerdings zu berücksichtigen, wenn die individuelle Arbeitszeitverkürzung aus betriebsbedingten Gründen in den letzten zwei Jahren vor Inkrafttreten des Sozialplans vereinbart wurde, was der Fall sein sollte, wenn der Arbeitnehmer eine Ausgleichszahlung zur bestehenden Gehaltsdifferenz erhielt.
- 4
-
Zeitgleich mit dem Abschluss des Sozialplans schlossen dieselben Parteien am 28. April 2006 die „Gesamtbetriebsvereinbarung zur Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG - Sozialverträgliche Umsetzung der Neuordnung -“(GBV-Neuordnung). Nach deren Präambel sollte mit der Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel der Personalabbau durch einvernehmliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen beschleunigt werden. Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendeten, erhielten neben der Sozialplanabfindung eine nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte zusätzliche Abfindung.
- 5
-
Am 31. Januar 2007 verzichteten die Beklagte sowie die unter ihrem Dach zusammengefassten Unternehmen in einer mit den bei ihnen bestehenden Gesamtbetriebsräten geschlossenen „Vereinbarung zum besonderen Kündigungsschutz im Rahmen der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG“(Vereinbarung besonderer Kündigungsschutz) auf betriebsbedingte Kündigungen bis Ende des Jahres 2009.
- 6
-
Die Klägerin vereinbarte am 20. März 2007 mit der A Versicherungs-AG einen Aufhebungsvertrag, wodurch das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2008 gegen Zahlung einer Abfindung nach dem SP-Neuordnung in Höhe von 109.875,00 Euro brutto beendet wurde. Am 1. Juni 2007 ging ihr Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über.
- 7
-
Am 11. Juli 2007 schloss die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat eine „Gesamtbetriebsvereinbarung über die Bereitstellung von ergänzenden finanziellen Mitteln zur Unterstützung der personalwirtschaftlichen Ziele der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts unter dem Dach der A Deutschland AG“(GBV-Sonderfonds). Diese sollte nach ihrer Präambel besonderen sozialen Härten bei bestimmten Mitarbeitern Rechnung tragen und gewährleisten, dass das arbeitgeberseitige Abbauziel von 5.700 Stellen zeitgerecht sozialverträglich durch einvernehmliche Maßnahmen erreicht wird. Hierzu wurde für einzelne Mitarbeitergruppen, ua. für die Beschäftigten aus dem Post-/Scan- und Verteilbereich, ein Sonderfonds aufgelegt. Diese Mitarbeiter sollten zeitnah ein Angebot zur einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten, in dem bei der Berechnung der Sozialplanabfindung nach dem SP-Neuordnung und der Berechnung der zusätzlichen Abfindung nach der GBV-Neuordnung ein Mindestbruttoverdienst von 5.000,00 Euro zugrunde zu legen war. Nach Nr. 4 GBV-Sonderfonds waren allerdings nur diejenigen Arbeitnehmer anspruchsberechtigt, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung, dh. am 11. Juli 2007, noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses unterzeichnet hatten.
- 8
-
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte die Beklagte die vereinbarte Abfindung in Höhe von 109.875,00 Euro brutto. Diese hält die Klägerin nicht für ausreichend. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der Berechnung der Abfindung sei entsprechend der GBV-Sonderfonds ein Bruttomonatseinkommen in Höhe von 5.000,00 Euro je Beschäftigungsjahr zugrunde zu legen. Hieraus ergebe sich ein Abfindungsanspruch in Höhe von insgesamt 183.125,00 Euro, jedenfalls aber von 174.206,81 Euro bei einer durchschnittlichen Beschäftigungsquote von 0,9513 bezogen auf die gesamte Dauer der Betriebszugehörigkeit. Die Beschränkung des Geltungsbereichs dieser Gesamtbetriebsvereinbarung auf Mitarbeiter, die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch keinen Aufhebungsvertrag unterzeichnet hatten, verstoße gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und sei damit unwirksam.
-
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an sie 73.250,00 Euro brutto, hilfsweise 64.331,81 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Oktober 2008 zu bezahlen.
- 10
-
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags geltend gemacht, mit der GBV-Sonderfonds habe ein besonderer zusätzlicher Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen geschaffen werden sollen. Wegen des vereinbarten Verzichts auf betriebsbedingte Kündigungen sei der angestrebte Personalabbau von 5.700 Stellen nicht anders erreichbar gewesen.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die gemäß § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ordnungsgemäß begründete und damit zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
- 13
-
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus der GBV-Sonderfonds auf Zahlung einer weiteren Abfindung. Eine solche Leistung steht nach Nr. 4 GBV-Sonderfonds nur Mitarbeitern zu, die am 11. Juli 2007 noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses unterschrieben haben. Von diesem persönlichen Geltungsbereich wird die Klägerin nicht erfasst. Sie hat ihren Aufhebungsvertrag am 20. März 2007 unterzeichnet.
- 14
-
II. Die Stichtagsregelung in Nr. 4 GBV-Sonderfonds ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG.
- 15
-
1. Die Betriebsparteien haben beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck(BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 25 mwN, BAGE 125, 366).
- 16
-
Erfolgt die Gruppenbildung durch eine Stichtagsregelung, muss auch diese mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein. Dabei kommt den Betriebsparteien sowohl bei der Gruppenbildung als auch bei der Bestimmung des darauf bezogenen Stichtags ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Die durch eine Stichtagsregelung verursachten Härten müssen hingenommen werden, wenn sich unter Berücksichtigung des Regelungszwecks die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist(vgl. BAG 22. März 2005 - 1 AZR 49/04 - zu 3 a der Gründe, BAGE 114, 179).
- 17
-
2. In der GBV-Sonderfonds haben die Betriebsparteien mehrere Gruppenbildungen vorgenommen. Nach deren Nr. 1 Abs. 2 erstreckt sich der persönliche Geltungsbereich nur auf diejenigen Arbeitnehmer, die von der Neuordnung der Post-/Scan- und Verteilfunktionen innerhalb der ADAG betroffen waren, sowie auf Mitarbeiter von Support- bzw. ehemaliger Organisationseinheiten in Dienstleistungsgebieten. Damit waren Mitarbeiter anderer Bereiche, die ebenfalls von der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der ADAG erfasst waren, von den Begünstigungen der GBV-Sonderfonds ausgenommen. Darüber hinaus erfolgt eine Gruppenbildung nach den Bruttoverdiensten der Arbeitnehmer. Die GBV-Sonderfonds begünstigt gemäß deren Nr. 1 Abs. 4 ausschließlich diejenigen Arbeitnehmer, deren Verdienst bei Vollzeitbeschäftigung den der Abfindungsberechnung zugrunde zu legenden Bruttomonatsverdienst von 5.000,00 Euro nicht erreicht. Arbeitnehmer mit einem höheren Einkommen erlangen durch die GBV-Sonderfonds keinen finanziellen Vorteil. Schließlich haben die Betriebsparteien in Nr. 4 GBV-Sonderfonds eine stichtagsbezogene Gruppenbildung vorgesehen, indem sie deren Leistungen auf diejenigen begünstigten Arbeitnehmer beschränkten, die bis zum 11. Juli 2007 noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses geschlossen hatten. Damit sind Arbeitnehmer unterer Lohngruppen aus den in Nr. 1 Abs. 2 GBV-Sonderfonds genannten Bereichen, die zu einem früheren Zeitpunkt aus Anlass der erfolgten Umstrukturierung einen Aufhebungsvertrag vereinbart hatten, von den Leistungen der GBV-Sonderfonds ausgenommen. Das beanstandet die Klägerin.
- 18
-
3. Die durch die Stichtagsregelung in Nr. 4 GBV-Sonderfonds bewirkte Ungleichbehandlung ist nach dem mit ihr verfolgten einheitlichen Zweck sachlich gerechtfertigt und damit mit § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar.
- 19
-
a) Die GBV-Sonderfonds bezweckt, durch finanzielle Anreize für bestimmte Beschäftigtengruppen die Bereitschaft zum Abschluss von Aufhebungsverträgen zu fördern. Das folgt aus ihrer Präambel. Danach soll die GBV-Sonderfonds gewährleisten, dass das arbeitgeberseitige Ziel eines Personalabbaus von 5.700 Arbeitskapazitäten ohne betriebsbedingte Kündigungen erreicht werden kann. Soweit es in der Präambel weiter heißt, die Vereinbarung sei geschlossen worden, um den besonderen sozialen Härten bestimmter Mitarbeitergruppen im Rahmen der Neuordnung des Versicherungsgeschäfts Rechnung tragen zu können, ergibt sich daraus kein weitergehender Zweck. Die mit den Leistungen der GBV-Sonderfonds angestrebte Förderung einvernehmlicher Vertragsbeendigungen beruht auf der Einschätzung der Betriebsparteien, bei Mitarbeitern der unteren Entgeltgruppen mit typischerweise schlechten beruflichen Perspektiven könne die Bereitschaft zum Abschluss von Aufhebungsverträgen nur durch eine Aufstockung der finanziellen Anreize gesteigert werden. Dazu haben die Betriebsparteien für die Berechnung der Abfindung ein Mindestbruttoentgelt von 5.000,00 Euro zugrunde gelegt. Davon profitieren allein Arbeitnehmer der unteren Entgeltgruppen, deren Bruttomonatsentgelt diese Grenze typischerweise nicht erreicht.
- 20
-
b) Die Schaffung besonderer Anreize zur einvernehmlichen Beendigung von Arbeitsverhältnissen war aus Sicht der Betriebsparteien geboten, nachdem bis Ende Juni 2007 erst 4.060 Stellen von den in Aussicht genommenen 5.700 Arbeitskapazitäten abgebaut waren und der Beklagten der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen wegen des mit den Gesamtbetriebsräten der betroffenen Unternehmen vereinbarten Kündigungsverzichts bis Ende 2009 verwehrt war. Diese Einschätzung sowie die Annahme der Betriebsparteien, Arbeitnehmer der unteren Entgeltgruppen mit typischerweise negativen beruflichen Perspektiven seien nur durch einen zusätzlichen finanziellen Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen zu motivieren, hält sich innerhalb ihrer Typisierungsbefugnis und Einschätzungsprärogative. Soweit die Revision beanstandet, der zu erfolgende Stellenabbau sei innerhalb der verbleibenden Zeit auch ohne weitere Anreize möglich gewesen, weil die Beklagte die Einigungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft habe, setzt sie lediglich ihre Beurteilung der Verhältnisse an Stelle der Einschätzung der Betriebsparteien. Zudem übersieht sie, dass aufgrund des vereinbarten Kündigungsverzichts für die betroffenen Arbeitnehmer bis Ende 2009 keine Veranlassung bestand, auf ein Aufhebungsangebot der Beklagten einzugehen. Letztlich beanstandet die Klägerin auch nicht die auf dieser Einschätzung beruhende und sie begünstigende Gruppenbildung, sondern allein die darauf bezogene Stichtagsregelung.
- 21
-
c) Entsprechend diesem Regelungszweck ist die Stichtagsregelung der Nr. 4 der GBV-Sonderfonds wirksam. Die GBV-Sonderfonds ist eine freiwillige Betriebsvereinbarung iSd. § 88 BetrVG und kein Sozialplan iSd. § 112 Abs. 1 BetrVG.
- 22
-
aa) Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können. Ein Sozialplan dient nicht dazu, die individualrechtlichen Risiken des Arbeitgebers bei der Durchführung der Betriebsänderung zu reduzieren oder zu beseitigen (BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 254/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 68). Derartige Ziele kann der Arbeitgeber allerdings gemeinsam mit dem Betriebsrat in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG verfolgen. Eine solche Betriebsvereinbarung unterliegt nicht den für Sozialpläne aus § 112 Abs. 1 BetrVG folgenden Regelungsbeschränkungen (vgl. BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 31, BAGE 125, 366). In ihr können die Betriebsparteien auch Regelungen treffen, die dazu dienen, das arbeitgeberseitige Interesse an einem zügigen Personalabbau durch einvernehmliche Beendigungsvereinbarungen mit den Arbeitnehmern zu verwirklichen, wenn daneben in einem Sozialplan nach § 112 Abs. 1 BetrVG ein angemessener Ausgleich der den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile vereinbart worden ist.
- 23
-
bb) Die GBV-Sonderfonds bezweckt - wie dargelegt - nicht den Ausgleich oder die Milderung der durch den geplanten Personalabbau entstehenden wirtschaftlichen Nachteile, sondern die Förderung der Bereitschaft von Arbeitnehmern, durch den Abschluss von Aufhebungsverträgen einvernehmlich ihre Arbeitsverhältnisse zu beenden. Die durch die Betriebsänderungen den betroffenen Arbeitnehmern entstandenen Nachteile sind durch den SP-Neuordnung ausgeglichen worden. Unerheblich ist, dass der Anreiz zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags dadurch geschaffen worden ist, dass ein Element der Abfindungsformel des Sozialplans geändert wurde und sich so für den von der GBV-Sonderfonds erfassten Personenkreis ein höherer Abfindungsbetrag ergibt. Die Betriebsparteien sind im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen nach § 88 BetrVG frei, wie sie den Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen ausgestalten.
- 24
-
cc) Durch die GBV-Sonderfonds haben die Betriebsparteien nicht die Regelungsziele des § 112 Abs. 1 BetrVG umgangen. Dem SP-Neuordnung sind nicht Mittel für eine angemessene Dotierung vorenthalten worden, um damit anschließend den Sonderfonds der GBV-Sonderfonds auszustatten. Zwar heißt es in der GBV-Sonderfonds, der Sonderfonds werde aus Sozialplanmitteln aufgelegt. Daraus ergibt sich jedoch nicht ohne Weiteres, dass die Beklagte von vornherein den Dotierungsrahmen des SP-Neuordnung beschränkt und sich eine Aufstockung vorbehalten hat. Dagegen spricht maßgeblich, dass der SP-Neuordnung überaus angemessene Abfindungsregelungen enthält. So beläuft sich die der Klägerin ausgezahlte Abfindung auf rund 68 Monatsgehälter bei einer Betriebszugehörigkeit von 28,75 Jahren. Bereits dies spricht gegen die Annahme, die Beklagte habe den SP-Neuordnung nicht ausreichend dotiert, um spätere Anreizregelungen zu finanzieren. Die Klägerin hat auch nicht behauptet und es ist auch im Übrigen nicht ersichtlich, dass das von der Beklagten ursprünglich verfolgte Personalkonzept nicht verwirklicht werden konnte und der beabsichtigte Stellenabbau von vornherein nur durch höhere Abfindungen hätte erreicht werden können. Auch wenn die in der GBV-Sonderfonds vereinbarten höheren Abfindungen ein beträchtliches finanzielles Volumen haben, ergeben sich allein daraus keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dem Sozialplan Mittel vorenthalten hat.
- 25
-
dd) In Anbetracht der zulässigen Anreizfunktion der GBV-Sonderfonds ist es mit § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar, den Stichtag für den Erhalt einer finanziellen Vergünstigung auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Gesamtbetriebsvereinbarung festzulegen und damit diejenigen Arbeitnehmer auszuschließen, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten und hierfür keines weiteren Anreizes mehr bedurften.
-
4. Der von der Klägerin gestellte „Hilfsantrag“ fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er stellt keinen eigenen Streitgegenstand dar, ihm liegt vielmehr lediglich eine andere Berechnung für die von der Klägerin mit ihrem Hauptantrag erfolglos geltend gemachte weitere Abfindungszahlung zugrunde.
-
Schmidt
Koch
Linck
Federlin
Platow
Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 112 Interessenausgleich über die Betriebsänderung, Sozialplan
(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.
(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.
(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.
(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:
- 1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen. - 2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit. - 2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen. - 3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.
Tenor
-
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 11. Februar 2009 - 11 Sa 598/08 - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.
- 2
-
Die Klägerin war seit dem 1. Januar 1980 bei der A Versicherungs-AG in der Poststelle beschäftigt. Ihr Verdienst betrug bei einer Arbeitszeit von 60 % der regelmäßigen Arbeitszeit ab April 2005 rund 1.600,00 Euro. Zusätzlich erhielt sie bis März 2007 eine monatliche Ausgleichszahlung in Höhe von 50 % der Differenz zu der zuvor bezogenen Vergütung als Vollzeitbeschäftigte.
- 3
-
Ab 2006 wurde das deutsche Versicherungsgeschäft der A unter dem Dach der beklagten A Deutschland AG(ADAG) neu organisiert. Im Zuge dieser Umstrukturierung sollten bis Ende 2008 insgesamt 5.700 Stellen wegfallen. Hiervon waren auch die Mitarbeiter der A Versicherungs-AG betroffen. Die durch die Betriebsänderungen entstehenden wirtschaftlichen Nachteile für die Mitarbeiter sollten durch den von den betroffenen Unternehmen mit den bei ihnen bestehenden Gesamtbetriebsräten vereinbarten „Sozialplan zur Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG“ (SP-Neuordnung) vom 28. April 2006 ausgeglichen werden. Dieser Sozialplan galt auch für die Beklagte und die A Versicherungs-AG. Zur Berechnung der Grundabfindung für Vollzeitbeschäftigte des Innendienstes wurde in dem Sozialplan ein Mindestbruttomonatsverdienst in Höhe von 3.000,00 Euro zugrunde gelegt. Für Teilzeitbeschäftigte bestimmte sich die Höhe des Mindestbruttomonatsverdienstes grundsätzlich anteilig nach der jeweiligen Vertragsarbeitszeit. Eine vorangegangene Vollzeitbeschäftigung war allerdings zu berücksichtigen, wenn die individuelle Arbeitszeitverkürzung aus betriebsbedingten Gründen in den letzten zwei Jahren vor Inkrafttreten des Sozialplans vereinbart wurde, was der Fall sein sollte, wenn der Arbeitnehmer eine Ausgleichszahlung zur bestehenden Gehaltsdifferenz erhielt.
- 4
-
Zeitgleich mit dem Abschluss des Sozialplans schlossen dieselben Parteien am 28. April 2006 die „Gesamtbetriebsvereinbarung zur Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG - Sozialverträgliche Umsetzung der Neuordnung -“(GBV-Neuordnung). Nach deren Präambel sollte mit der Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel der Personalabbau durch einvernehmliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen beschleunigt werden. Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendeten, erhielten neben der Sozialplanabfindung eine nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte zusätzliche Abfindung.
- 5
-
Am 31. Januar 2007 verzichteten die Beklagte sowie die unter ihrem Dach zusammengefassten Unternehmen in einer mit den bei ihnen bestehenden Gesamtbetriebsräten geschlossenen „Vereinbarung zum besonderen Kündigungsschutz im Rahmen der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der A unter dem Dach der A Deutschland AG“(Vereinbarung besonderer Kündigungsschutz) auf betriebsbedingte Kündigungen bis Ende des Jahres 2009.
- 6
-
Die Klägerin vereinbarte am 20. März 2007 mit der A Versicherungs-AG einen Aufhebungsvertrag, wodurch das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2008 gegen Zahlung einer Abfindung nach dem SP-Neuordnung in Höhe von 109.875,00 Euro brutto beendet wurde. Am 1. Juni 2007 ging ihr Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über.
- 7
-
Am 11. Juli 2007 schloss die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat eine „Gesamtbetriebsvereinbarung über die Bereitstellung von ergänzenden finanziellen Mitteln zur Unterstützung der personalwirtschaftlichen Ziele der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts unter dem Dach der A Deutschland AG“(GBV-Sonderfonds). Diese sollte nach ihrer Präambel besonderen sozialen Härten bei bestimmten Mitarbeitern Rechnung tragen und gewährleisten, dass das arbeitgeberseitige Abbauziel von 5.700 Stellen zeitgerecht sozialverträglich durch einvernehmliche Maßnahmen erreicht wird. Hierzu wurde für einzelne Mitarbeitergruppen, ua. für die Beschäftigten aus dem Post-/Scan- und Verteilbereich, ein Sonderfonds aufgelegt. Diese Mitarbeiter sollten zeitnah ein Angebot zur einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten, in dem bei der Berechnung der Sozialplanabfindung nach dem SP-Neuordnung und der Berechnung der zusätzlichen Abfindung nach der GBV-Neuordnung ein Mindestbruttoverdienst von 5.000,00 Euro zugrunde zu legen war. Nach Nr. 4 GBV-Sonderfonds waren allerdings nur diejenigen Arbeitnehmer anspruchsberechtigt, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung, dh. am 11. Juli 2007, noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses unterzeichnet hatten.
- 8
-
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte die Beklagte die vereinbarte Abfindung in Höhe von 109.875,00 Euro brutto. Diese hält die Klägerin nicht für ausreichend. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der Berechnung der Abfindung sei entsprechend der GBV-Sonderfonds ein Bruttomonatseinkommen in Höhe von 5.000,00 Euro je Beschäftigungsjahr zugrunde zu legen. Hieraus ergebe sich ein Abfindungsanspruch in Höhe von insgesamt 183.125,00 Euro, jedenfalls aber von 174.206,81 Euro bei einer durchschnittlichen Beschäftigungsquote von 0,9513 bezogen auf die gesamte Dauer der Betriebszugehörigkeit. Die Beschränkung des Geltungsbereichs dieser Gesamtbetriebsvereinbarung auf Mitarbeiter, die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch keinen Aufhebungsvertrag unterzeichnet hatten, verstoße gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und sei damit unwirksam.
-
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an sie 73.250,00 Euro brutto, hilfsweise 64.331,81 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Oktober 2008 zu bezahlen.
- 10
-
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags geltend gemacht, mit der GBV-Sonderfonds habe ein besonderer zusätzlicher Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen geschaffen werden sollen. Wegen des vereinbarten Verzichts auf betriebsbedingte Kündigungen sei der angestrebte Personalabbau von 5.700 Stellen nicht anders erreichbar gewesen.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die gemäß § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ordnungsgemäß begründete und damit zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
- 13
-
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus der GBV-Sonderfonds auf Zahlung einer weiteren Abfindung. Eine solche Leistung steht nach Nr. 4 GBV-Sonderfonds nur Mitarbeitern zu, die am 11. Juli 2007 noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses unterschrieben haben. Von diesem persönlichen Geltungsbereich wird die Klägerin nicht erfasst. Sie hat ihren Aufhebungsvertrag am 20. März 2007 unterzeichnet.
- 14
-
II. Die Stichtagsregelung in Nr. 4 GBV-Sonderfonds ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG.
- 15
-
1. Die Betriebsparteien haben beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck(BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 25 mwN, BAGE 125, 366).
- 16
-
Erfolgt die Gruppenbildung durch eine Stichtagsregelung, muss auch diese mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein. Dabei kommt den Betriebsparteien sowohl bei der Gruppenbildung als auch bei der Bestimmung des darauf bezogenen Stichtags ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Die durch eine Stichtagsregelung verursachten Härten müssen hingenommen werden, wenn sich unter Berücksichtigung des Regelungszwecks die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist(vgl. BAG 22. März 2005 - 1 AZR 49/04 - zu 3 a der Gründe, BAGE 114, 179).
- 17
-
2. In der GBV-Sonderfonds haben die Betriebsparteien mehrere Gruppenbildungen vorgenommen. Nach deren Nr. 1 Abs. 2 erstreckt sich der persönliche Geltungsbereich nur auf diejenigen Arbeitnehmer, die von der Neuordnung der Post-/Scan- und Verteilfunktionen innerhalb der ADAG betroffen waren, sowie auf Mitarbeiter von Support- bzw. ehemaliger Organisationseinheiten in Dienstleistungsgebieten. Damit waren Mitarbeiter anderer Bereiche, die ebenfalls von der Neuordnung des deutschen Versicherungsgeschäfts der ADAG erfasst waren, von den Begünstigungen der GBV-Sonderfonds ausgenommen. Darüber hinaus erfolgt eine Gruppenbildung nach den Bruttoverdiensten der Arbeitnehmer. Die GBV-Sonderfonds begünstigt gemäß deren Nr. 1 Abs. 4 ausschließlich diejenigen Arbeitnehmer, deren Verdienst bei Vollzeitbeschäftigung den der Abfindungsberechnung zugrunde zu legenden Bruttomonatsverdienst von 5.000,00 Euro nicht erreicht. Arbeitnehmer mit einem höheren Einkommen erlangen durch die GBV-Sonderfonds keinen finanziellen Vorteil. Schließlich haben die Betriebsparteien in Nr. 4 GBV-Sonderfonds eine stichtagsbezogene Gruppenbildung vorgesehen, indem sie deren Leistungen auf diejenigen begünstigten Arbeitnehmer beschränkten, die bis zum 11. Juli 2007 noch keine Vereinbarung zur Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses geschlossen hatten. Damit sind Arbeitnehmer unterer Lohngruppen aus den in Nr. 1 Abs. 2 GBV-Sonderfonds genannten Bereichen, die zu einem früheren Zeitpunkt aus Anlass der erfolgten Umstrukturierung einen Aufhebungsvertrag vereinbart hatten, von den Leistungen der GBV-Sonderfonds ausgenommen. Das beanstandet die Klägerin.
- 18
-
3. Die durch die Stichtagsregelung in Nr. 4 GBV-Sonderfonds bewirkte Ungleichbehandlung ist nach dem mit ihr verfolgten einheitlichen Zweck sachlich gerechtfertigt und damit mit § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar.
- 19
-
a) Die GBV-Sonderfonds bezweckt, durch finanzielle Anreize für bestimmte Beschäftigtengruppen die Bereitschaft zum Abschluss von Aufhebungsverträgen zu fördern. Das folgt aus ihrer Präambel. Danach soll die GBV-Sonderfonds gewährleisten, dass das arbeitgeberseitige Ziel eines Personalabbaus von 5.700 Arbeitskapazitäten ohne betriebsbedingte Kündigungen erreicht werden kann. Soweit es in der Präambel weiter heißt, die Vereinbarung sei geschlossen worden, um den besonderen sozialen Härten bestimmter Mitarbeitergruppen im Rahmen der Neuordnung des Versicherungsgeschäfts Rechnung tragen zu können, ergibt sich daraus kein weitergehender Zweck. Die mit den Leistungen der GBV-Sonderfonds angestrebte Förderung einvernehmlicher Vertragsbeendigungen beruht auf der Einschätzung der Betriebsparteien, bei Mitarbeitern der unteren Entgeltgruppen mit typischerweise schlechten beruflichen Perspektiven könne die Bereitschaft zum Abschluss von Aufhebungsverträgen nur durch eine Aufstockung der finanziellen Anreize gesteigert werden. Dazu haben die Betriebsparteien für die Berechnung der Abfindung ein Mindestbruttoentgelt von 5.000,00 Euro zugrunde gelegt. Davon profitieren allein Arbeitnehmer der unteren Entgeltgruppen, deren Bruttomonatsentgelt diese Grenze typischerweise nicht erreicht.
- 20
-
b) Die Schaffung besonderer Anreize zur einvernehmlichen Beendigung von Arbeitsverhältnissen war aus Sicht der Betriebsparteien geboten, nachdem bis Ende Juni 2007 erst 4.060 Stellen von den in Aussicht genommenen 5.700 Arbeitskapazitäten abgebaut waren und der Beklagten der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen wegen des mit den Gesamtbetriebsräten der betroffenen Unternehmen vereinbarten Kündigungsverzichts bis Ende 2009 verwehrt war. Diese Einschätzung sowie die Annahme der Betriebsparteien, Arbeitnehmer der unteren Entgeltgruppen mit typischerweise negativen beruflichen Perspektiven seien nur durch einen zusätzlichen finanziellen Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen zu motivieren, hält sich innerhalb ihrer Typisierungsbefugnis und Einschätzungsprärogative. Soweit die Revision beanstandet, der zu erfolgende Stellenabbau sei innerhalb der verbleibenden Zeit auch ohne weitere Anreize möglich gewesen, weil die Beklagte die Einigungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft habe, setzt sie lediglich ihre Beurteilung der Verhältnisse an Stelle der Einschätzung der Betriebsparteien. Zudem übersieht sie, dass aufgrund des vereinbarten Kündigungsverzichts für die betroffenen Arbeitnehmer bis Ende 2009 keine Veranlassung bestand, auf ein Aufhebungsangebot der Beklagten einzugehen. Letztlich beanstandet die Klägerin auch nicht die auf dieser Einschätzung beruhende und sie begünstigende Gruppenbildung, sondern allein die darauf bezogene Stichtagsregelung.
- 21
-
c) Entsprechend diesem Regelungszweck ist die Stichtagsregelung der Nr. 4 der GBV-Sonderfonds wirksam. Die GBV-Sonderfonds ist eine freiwillige Betriebsvereinbarung iSd. § 88 BetrVG und kein Sozialplan iSd. § 112 Abs. 1 BetrVG.
- 22
-
aa) Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können. Ein Sozialplan dient nicht dazu, die individualrechtlichen Risiken des Arbeitgebers bei der Durchführung der Betriebsänderung zu reduzieren oder zu beseitigen (BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 254/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 68). Derartige Ziele kann der Arbeitgeber allerdings gemeinsam mit dem Betriebsrat in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG verfolgen. Eine solche Betriebsvereinbarung unterliegt nicht den für Sozialpläne aus § 112 Abs. 1 BetrVG folgenden Regelungsbeschränkungen (vgl. BAG 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 31, BAGE 125, 366). In ihr können die Betriebsparteien auch Regelungen treffen, die dazu dienen, das arbeitgeberseitige Interesse an einem zügigen Personalabbau durch einvernehmliche Beendigungsvereinbarungen mit den Arbeitnehmern zu verwirklichen, wenn daneben in einem Sozialplan nach § 112 Abs. 1 BetrVG ein angemessener Ausgleich der den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile vereinbart worden ist.
- 23
-
bb) Die GBV-Sonderfonds bezweckt - wie dargelegt - nicht den Ausgleich oder die Milderung der durch den geplanten Personalabbau entstehenden wirtschaftlichen Nachteile, sondern die Förderung der Bereitschaft von Arbeitnehmern, durch den Abschluss von Aufhebungsverträgen einvernehmlich ihre Arbeitsverhältnisse zu beenden. Die durch die Betriebsänderungen den betroffenen Arbeitnehmern entstandenen Nachteile sind durch den SP-Neuordnung ausgeglichen worden. Unerheblich ist, dass der Anreiz zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags dadurch geschaffen worden ist, dass ein Element der Abfindungsformel des Sozialplans geändert wurde und sich so für den von der GBV-Sonderfonds erfassten Personenkreis ein höherer Abfindungsbetrag ergibt. Die Betriebsparteien sind im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen nach § 88 BetrVG frei, wie sie den Anreiz zum Abschluss von Aufhebungsverträgen ausgestalten.
- 24
-
cc) Durch die GBV-Sonderfonds haben die Betriebsparteien nicht die Regelungsziele des § 112 Abs. 1 BetrVG umgangen. Dem SP-Neuordnung sind nicht Mittel für eine angemessene Dotierung vorenthalten worden, um damit anschließend den Sonderfonds der GBV-Sonderfonds auszustatten. Zwar heißt es in der GBV-Sonderfonds, der Sonderfonds werde aus Sozialplanmitteln aufgelegt. Daraus ergibt sich jedoch nicht ohne Weiteres, dass die Beklagte von vornherein den Dotierungsrahmen des SP-Neuordnung beschränkt und sich eine Aufstockung vorbehalten hat. Dagegen spricht maßgeblich, dass der SP-Neuordnung überaus angemessene Abfindungsregelungen enthält. So beläuft sich die der Klägerin ausgezahlte Abfindung auf rund 68 Monatsgehälter bei einer Betriebszugehörigkeit von 28,75 Jahren. Bereits dies spricht gegen die Annahme, die Beklagte habe den SP-Neuordnung nicht ausreichend dotiert, um spätere Anreizregelungen zu finanzieren. Die Klägerin hat auch nicht behauptet und es ist auch im Übrigen nicht ersichtlich, dass das von der Beklagten ursprünglich verfolgte Personalkonzept nicht verwirklicht werden konnte und der beabsichtigte Stellenabbau von vornherein nur durch höhere Abfindungen hätte erreicht werden können. Auch wenn die in der GBV-Sonderfonds vereinbarten höheren Abfindungen ein beträchtliches finanzielles Volumen haben, ergeben sich allein daraus keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dem Sozialplan Mittel vorenthalten hat.
- 25
-
dd) In Anbetracht der zulässigen Anreizfunktion der GBV-Sonderfonds ist es mit § 75 Abs. 1 BetrVG vereinbar, den Stichtag für den Erhalt einer finanziellen Vergünstigung auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Gesamtbetriebsvereinbarung festzulegen und damit diejenigen Arbeitnehmer auszuschließen, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten und hierfür keines weiteren Anreizes mehr bedurften.
-
4. Der von der Klägerin gestellte „Hilfsantrag“ fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er stellt keinen eigenen Streitgegenstand dar, ihm liegt vielmehr lediglich eine andere Berechnung für die von der Klägerin mit ihrem Hauptantrag erfolglos geltend gemachte weitere Abfindungszahlung zugrunde.
-
Schmidt
Koch
Linck
Federlin
Platow
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.
Tenor
Die Berufungen der Parteien werden unter Einschluss der Hilfs-
widerklagen und der Vollstreckungsschutzanträge der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen zu 95 % der Kläger und zu 5 % die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
1
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten um die Zahlung einer Sozialplanabfindung und einer Sonderprämie.
3Der Kläger ist beurlaubter Beamter der Deutschen Telekom AG (DT AG). Er war unter Anrechnung der jeweiligen Betriebszugehörigkeit in verschiedenen Gesellschaften dieses Konzerns als Arbeitnehmer tätig, zuletzt bei der W. Technical Services GmbH (W.). Diese beschäftigte neben beurlaubten Beamten auch sonstige Arbeitnehmer aus konzernangehörigen Telekom-Gesellschaften. Die Personalakten ihrer Mitarbeiter wurden bei W. neu angelegt.
4Zum 01.01.2008 übernahm die neu gegründete Beklagte den Geschäftsbetrieb der W.. Zuletzt beschäftigte sie an 19 Standorten ca. 950 Arbeitnehmer mit einer durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit von 26 Jahren, darunter 190 beurlaubte Beamte.
5In den Jahren 2010 bis 2012 erstritten einige Arbeitnehmer der Beklagten, die nicht zu den beurlaubten Beamten gehörten, rechtskräftig obsiegende Urteile gegen die DT AG, wonach die Arbeitsverhältnisse zu dieser mangels rechtswirksamer Beendigung fortbestanden haben. Später ergingen entsprechende Anerkenntnisurteile zugunsten weiterer Arbeitnehmer.
6Ende 2012 entschloss sich die Beklagte, ihren Betrieb stillzulegen, und eröffnete dies ihrer Belegschaft auf einer Betriebsversammlung am 05.12.2012. Der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat empfahl den Mitarbeitern zu prüfen, ob ihr Arbeitsverhältnis zur DT AG noch bestehe. Auf mehrere Anfragen der Geschäftsleitung der Beklagten lehnte die DT AG Zusagen für eine freiwillige Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern der Beklagte ab.
7Unter dem 29.04.2013 unterzeichneten die Beklagte und der Betriebsrat einen Sozialplan zu der geplanten Betriebsschließung. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
8"Präambel
9…
10(2) Die Betriebsparteien möchten durch diesen Sozialplan insbesondere die Bedingungen dafür schaffen, dass die von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeiter der O. S bei ihrer notwendigen beruflichen Neuorientierung unterstützt werden. Zu diesem Zweck soll den Mitarbeitern nach Maßgabe dieses Sozialplans neben der Zahlung von Abfindungen auch der Abschluss von Transferarbeitsverhältnissen angeboten werden.
11(3) Das zur Verfügung stehende Sozialplanvolumen ist knapp bemessen und reicht nicht annähernd für den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile aller Mitarbeiter aus. Vor diesem Hintergrund haben die Betriebsparteien das ihnen zustehende Ermessen so ausgeübt, dass die aus ihrer Sicht gravierendsten wirtschaftlichen Nachteile gemildert werden, die im Hinblick auf die zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplanes in erster Linie durch Arbeitslosigkeit entstehen. Sie verkennen dabei nicht, dass auch beurlaubten Beamten bei Rückkehr zur Deutschen Telekom AG Nachteile entstehen können z. B. durch ein geringeres Entgelt oder einen Ortswechsel. Beurlaubte Beamte erleiden jedoch typischerweise wesentlich geringere wirtschaftliche Nachteile als diejenigen ohne Beamtenstatus, da sie normalerweise weder von Arbeitslosigkeit bedroht sind noch ihr Rückkehranspruch zur Deutschen Telekom AG bzw. ihr erworbener Besitzstand bestritten wird.
121. Geltungsbereich
13…
141.2Dieser Sozialplan gilt nicht für
15…
16?Beurlaubte Beamte
17…
183. Abfindung
193.1Höhe der Abfindung
20…
213.5Ausschluss der Anspruchsberechtigung
22Ein Anspruch auf Abfindung besteht nicht, wenn der Mitarbeiter unmittelbar bei Ausscheiden bei O. S oder im unmittelbaren Anschluss an die TG ein Arbeitsverhältnis mit O. T. Networks GmbH & Co. KG (O.) einem Tochterunternehmen der O. oder einem von O. beherrschten Unternehmen aufnimmt, bei dem seine Dienstzeiten bei O. S angerechnet werden. Der Mitarbeiter ist verpflichtet, die Aufnahme eines derartigen Arbeitsverhältnisses umgehend O. S zu melden.
233.6Rückzahlungsverpflichtung
24Begründet der Mitarbeiter innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren nach Ausscheiden bei O. S oder nach Ausscheiden aus der Transfergesellschaft ein Arbeitsverhältnis mit O., einem Tochterunternehmen der O. oder einem von O. beherrschten Unternehmen, bei dem seine bisherigen Dienstzeiten bei O. S angerechnet werden, besteht eine Rückzahlungsverpflichtung durch den Mitarbeiter für den zu 3 Jahren fehlenden Zeitraum in Höhe von 1/36 der Brutto-Abfindungszahlung je Monat an O. S bzw. die TG (je nachdem, wer die Abfindung an ihn ausbezahlt hat). Der Mitarbeiter ist verpflichtet, die Aufnahme eines derartigen Arbeitsverhältnisses umgehend O. S zu melden.
25…".
26Ebenfalls unter dem 29.04.2013 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat eine "Betriebsvereinbarung Sonderprämie" (BV Sonderprämie). Diese lautet auszugsweise wie folgt:
27"Präambel
28Der gesamte Betrieb der O. S wird stillgelegt. Über diese Maßnahme existiert ein Interessenausgleich sowie ein Sozialplan. Dabei liegt es im vorrangingen Interesse der Betriebsparteien, die Arbeitslosigkeit der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (zukünftig gemeinsam: "Mitarbeiter") zu vermeiden und neue berufliche Perspektiven zu eröffnen, weshalb der Wechsel in eine Transfergesellschaft besonders incentiviert werden soll. Soweit Mitarbeiter trotz des Angebots den Wechsel in eine Transfergesellschaft ablehnen oder kein Angebot auf einen Wechsel in die Transfergesellschaft erhalten, obwohl sie durch betriebsbedingte Kündigung von Arbeitslosigkeit bedroht sind und dem Geltungsbereich des Sozialplans unterfallen (weil sie sich z. B. in Elternzeit befinden), soll honoriert werden, wenn sie das Bedürfnis der O. S nach Planungssicherheit dennoch berücksichtigen, in dem sie keine Klage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erheben oder innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist einen Abwicklungsvertrag mit O. S schließen. Außerdem soll honoriert werden, wenn die Mitarbeiter alle überlassenen Arbeitsmittel vor Austritt bei O. S nachweisbar an O. S zurückgeben. Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Parteien folgendes:
291. Geltungsbereich
30Diese Betriebsvereinbarung findet Anwendung auf diejenigen Mitarbeiter der O. S, die
31?den Geltungsbereich des Sozialplans vom 29.4.2013 unterfallen,
32?nicht vom Erhalt einer Abfindung gemäß Ziffer 3 des Sozialplans vom 29.4.2013 ausgeschlossen sind,
33?einen dreiseitigen Vertrag mit O. S innerhalb der Angebotsfrist abschließen und keine Klage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erheben
34oder
35das Angebot auf Abschluss eines dreiseitigen Vertrages ablehnen (bzw. trotz Androhung durch Arbeitslosigkeit durch eine arbeitgeberseitigen Kündigung kein Angebot erhalten) und entweder (1) keine Klage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erheben oder (2) innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der arbeitgeberseitigen Kündigung einen Abwicklungsvertrag schließen, wobei kein Anspruch auf Abschluss eines Abwicklungsvertrages besteht.
362. Anspruch auf Sonderprämie
372.1Mitarbeiter, die unter den Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung gemäß Ziff. 1 fallen, haben Anspruch auf eine Sonderprämie von EUR 4.346,00 brutto.
382.2Die Sonderprämie entsteht mit Abschluss des dreiseitigen Vertrages/Abwicklungsvertrages bzw. mit Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist nach Zugang der Kündigung (je nachdem, welcher Zeitpunkt früher eintritt) und ist vor Fälligkeit vererbbar.
39…
402.3Der Anspruch auf Sonderprämie entfällt (auflösende Bedingung), wenn der Mitarbeiter die ihm überlassenen Arbeitsmittel vor seinem Austritt bei O. S nicht nachweisbar ans O. S zurückgibt. Der Bruttobetrag einer bereits ausgezahlten Sonderprämie ist in diesem Fall zurückzuzahlen.
41…."
42Mit Schreiben vom 29.05.2013 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2013, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin aus betriebsbedingten Gründen. Eine Kündigungsschutzklage erhob der Kläger nicht. Seine Arbeitsmittel gab er an die Beklagte zurück. Eine Abfindung oder Sonderprämie zahlte die Beklagte an ihn als beurlaubten Beamten nicht.
43In der Folgezeit meldete eine große Anzahl von Mitarbeitern der Beklagten Rückkehrrechte zur DT AG an. Nach Sichtung der Personalakten bei der W. in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft ver.di sowie in Anwesenheit u. a. des Personalleiters der Beklagten am 09.09.2013 verblieben ca. 80 und damit ein Bruchteil dieser Fälle, die als aussichtsreich eingestuft wurden.
44Mit seiner am 16.07.2013 beim Arbeitsgericht Bonn eingegangenen und von dort an das Arbeitsgericht Düsseldorf verwiesenen Klage hat der Kläger zuletzt von der Beklagten Zahlung einer Sozialplanabfindung in rechnerisch unstreitiger Höhe von 85.982,41 € sowie der Sonderprämie i.H.v. 4.346,00 € jeweils nebst Zinsen begehrt.
45Er hat den vollständigen Ausschluss der beurlaubten Beamten aus dem Anwendungsbereich des Sozialplans schon deshalb für unwirksam gehalten, weil auch die Beamten trotz ihres Rückkehrrechts zur DT AG Nachteile in Form von Entgeltminderungen oder Ortsveränderungen hinzunehmen hätten. Insbesondere würden sie aber im Verhältnis zu den vom Sozialplan nicht ausgeschlossenen Arbeitnehmern ungerechtfertigt benachteiligt, die ebenfalls ein - gerichtlich durchgesetztes - Recht zur Rückkehr zur DT AG hätten. Er hat behauptet, bereits während den Sozialplanverhandlungen sei ein solches Rückkehrrecht in Betriebsversammlungen erörtert worden. Dass es Arbeitnehmer mit einem Rückkehranspruch gäbe, sei auch der Beklagten bekannt gewesen. Im Rahmen der Sozialplanverhandlungen habe den Betriebsparteien eine Liste der Arbeitnehmer vorgelegen, auf der die Arbeitnehmer mit einem Rückkehrrecht aufgeführt gewesen seien. Die Liste stimme bis auf eine Fehlerquote von weniger als 5% mit derjenigen überein, die später als Ergebnis der Erörterungen zwischen der Deutsche Telekom AG und der Gewerkschaft ver.di erstellt worden sei. Die Deutsche Telekom AG sei in keinem dieser Fälle mit ihrer Rechtsauffassung, die Arbeitsverhältnisse seien beendet, vor Gericht durchgedrungen.
46Der Ausschluss von der Sonderprämie sei ebenfalls nicht gerechtfertigt. Auch die beurlaubten Beamten hätten ein Interesse daran gehabt, gegen die ausgesprochene Kündigung gerichtlich vorzugehen. Da im Falle einer Betriebsstilllegung das Prozessrisiko in einem Kündigungsschutzverfahren ohnehin gering sei, habe die Sonderprämie nur den Zweck, ein lästiges Verfahren zu vermeiden. Dies betreffe ebenso die beurlaubten Beamten.
47Demgegenüber hat die Beklagte bestritten, dass es mit Ausnahme der beurlaubten Beamten Arbeitnehmer mit einem gesicherten Rückkehranspruch zur DT AG gebe. Jedenfalls sei für die Betriebsparteien bei Abschluss des Sozialplans nicht erkennbar gewesen, welche Arbeitnehmer außer den beurlaubten Beamten dort eine sichere Anschlussbeschäftigung unter Wahrung ihres Besitzstandes erhalten würden. Sie ist der Auffassung, dass die Betriebsparteien davon hätten ausgehen können, dass alle Arbeitnehmer bis auf die beurlaubten Beamten gleichermaßen von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen seien. Für die Mitarbeiter mit einem möglichen Rückkehrrecht zur DT AG wäre jedenfalls ein langer Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang erforderlich gewesen. Die wirtschaftlichen Verluste der beurlaubten Beamten, die durch ihren Status abgesichert seien und keine Arbeitslosigkeit fürchten müssten, hätten demgegenüber als geringfügig angesehen werden können. Im Übrigen müsse sie voraussichtlich Insolvenz anmelden, wenn die Zwangsvollstreckung wegen weiterer Sozialabfindungsansprüche der beurlaubten Beamten gegen sie betrieben würde.
48Mit der Sonderprämie habe honoriert werden sollen, dass von Arbeitslosigkeit betroffene Mitarbeiter entweder in die Transfergesellschaft wechseln oder gleichwohl keine Klage gegen sie erheben würden. Bei den beurlaubten Beamten mit ihrer gesicherten Rückkehrmöglichkeit zur DT AG habe man das Interesse an der Erhebung einer Kündigungsschutzklage ohnehin für gering erachtet und eine Honorierung nicht für erforderlich gehalten.
49Die Beklagte hat ferner gemeint, im Falle eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz seien Sozialplan wie auch Betriebsvereinbarung Sonderprämie nichtig. Denn wenn alle beurlaubten Beamten in den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Sonderprämie einbezogen werden würden, würde dies zu einer Ausweitung des Dotierungsrahmens der Betriebsvereinbarung Sonderprämie um 25 % (Erhöhung des Volumens von ca. 3,3 Millionen € für die 760 Arbeitnehmer um 825.000,00 € für die beurlaubten Beamten) führen. Dadurch würde die Freiheit des Arbeitgebers in der Bestimmung des Dotierungsrahmens freiwilliger Leistungen besonders nachhaltig verletzt.
50Mit Urteil vom 25.02.2014, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Beklagte
51verurteilt, an die Klägerin 4.346,00 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.01.2014 zu zahlen.
52Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Ein Anspruch auf Sozialplanabfindung bestehe für beurlaubte Beamte nicht. Die Betriebsparteien hätten sowohl einen Gestaltungsspielraum in der Frage, welche Art von Nachteilen sie als ausgleichs- oder abmilderungswürdig erachten, als auch einen Beurteilungsspielraum, welche Nachteile den einzelnen Gruppen von Arbeitnehmern voraussichtlich überhaupt entstünden. Dieser Beurteilungsspielraum sei eingehalten worden, da bis zum Abschluss des Sozialplans keine Gewissheit bestanden habe, ob und welche der nicht beamteten Arbeitnehmer von der DT AG zu welchen Bedingungen übernommen würden. Während die DT AG das gesetzlich geregelte Rückkehrrecht der beurlaubten Beamten nicht in Zweifel gezogen habe, habe sie ein Rückkehrrecht von nichtbeamteten Arbeitnehmern bis zum Abschluss des Sozialplans zu keinem Zeitpunkt anerkannt. Die Betroffenen hätten ihre Rechte ausnahmslos einklagen müssen. Die Betriebsparteien hätten in dieser Lage keine eigene Einschätzung der Rechtslage nach der jeweils unterschiedlichen, erst zu ermittelnden Tatsachenlage in einem fremden, noch zu führenden Rechtsstreit vornehmen müssen. Der Leistungsausschluss der Beamten mit unbestrittenem Rückkehrrecht sei auch gegenüber diesen Arbeitnehmern mit ihrer bloßen Chance auf Rückkehr bei der gebotenen typisierenden Betrachtung gerechtfertigt.
53Demgegenüber hätten die beurlaubten Beamten Anspruch auf Zahlung der Sonderprämie. Ihr Ausschluss beruhe insoweit nicht auf einer sachlichen Differenzierung. Hinsichtlich der mit der BV Sonderprämie bezweckten Vermeidung von Kündigungsschutzprozessen und Förderung der rechtzeitigen Rückgabe von Arbeitsmitteln (Ziff. 2.3 der BV) bestehe zwischen den beurlaubten Beamten und den übrigen Arbeitnehmern kein sachlicher Unterscheidungsgrund. Dem Antrag der Beklagten auf Ausschluss der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils sei nicht zu entsprechen gewesen. Die Beklagte habe hinsichtlich des titulierten Anspruchs auf Sonderprämie einen nicht zu ersetzenden Nachteil aus einer etwaigen vorläufigen Vollstreckung nicht behauptet.
54Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Auf die Feststellungen über Zustellung des Urteils sowie Eingang und Begründung der Berufungen im Sitzungsprotokoll vom 02.07.2014 wird Bezug genommen.
55Der Kläger macht weiter geltend, der Sozialplan hätte nicht zwischen der Gruppe der beurlaubten Beamten und derjenigen der nicht beurlaubten Beamten mit Rückkehranspruch unterscheiden dürfen. Bei der gebotenen objektiven Betrachtung hätte kein Unterschied bestanden, alle ca. 80 betroffenen Arbeitnehmer hätten ihren Rückkehranspruch inzwischen gerichtlich durchgesetzt, zumeist durch Anerkenntnisurteil, und seien ebenso wie die Beamten zur DT AG zurückgekehrt. Die zur Beurteilung der Rechtslage maßgeblichen Tatsachen hätten bei Abschluss des Sozialplans bereits festgestanden. Für den Feststellungsantrag bestehe ein Interesse, da er - weiter als der Zahlungsantrag - auch andere Leistungen als die bezifferte Abfindung erfasse.
56Der Kläger beantragt,
57die Entscheidung des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.02.2014 - 2 Ca 6899/13 - abzuändern und den Tenor insgesamt wie folgt zu fassen:
58Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu zahlen
591.eine Sozialplanabfindung in Höhe von 85.982,41 € (brutto);
602.eine Sonderzahlung in Höhe von 4.346,00 € (brutto);
613.Zinsen aus den Beträgen zu 1. und 2. in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 31.12.2013;
624.hilfsweise festzustellen, dass seine Herausnahme als bei der Telekom beurlaubtem Beamten aus dem Sozialplan vom 29.04.2013 sowie aus der Betriebsvereinbarung Sonderprämie vom 29.04.2013 rechtswidrig ist und ihm Leistungen aus den genannten Betriebsvereinbarungen zustehen um Nachteile, die aus dem Verlust des Arbeitsplatzes entstehen, auszugleichen, zumindest aber abzumildern.
63Die Beklagte beantragt,
64das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.02.2014 - 2 Ca 6899/13 - abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.
65Hilfsweise für den Fall des Unterliegens beantragt sie, festzustellen, dass
66der Sozialplan vom 29.04.2013 nichtig ist;
67die Betriebsvereinbarung Sonderprämie vom 29.04.2013 nichtig ist.
68Ferner beantragt sie, die vorläufige Vollstreckbarkeit des arbeitsgerichtlichen Urteils gemäß § 62 Abs. 1 Satz 3 und des Urteils des Landesarbeitsgerichts gemäß §§ 62 Abs. 1 Satz 2, 64 Abs. 7 ArbGG einzustellen bzw. auszusetzen.
69Im Übrigen beantragen beide Parteien wechselseitig, die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
70Die Beklagte bringt vor, das Arbeitsgericht habe den Regelungszweck der Sonderprämie verkannt. Vorrangiger Zweck sei eine Motivation der Arbeitnehmer zum Wechsel in die Transfergesellschaft gewesen. Dies betreffe von vorn herein nur von Arbeitslosigkeit bedrohte Mitarbeiter, nicht also beurlaubte Beamte. Diese sachverhaltsbezogene Unterscheidung sei sachlich gerechtfertigt. Auch eine lediglich personenbezogene Unterscheidung hielte sich im Rahmen der Einschätzungsprärogative der Betriebsparteien. Diese hätten das Interesse der beurlaubten Beamten an der Erhebung von Kündigungsschutzklagen für geringer eingeschätzt als dasjenige der von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer und ein Bedürfnis für einen finanziellen Anreiz zur Vermeidung von Klagen der beurlaubten Beamten nicht gesehen. Sollte dies nicht tragfähig sein, wäre die BV Sonderprämie, ebenso der Sozialplan, jedenfalls nichtig, da das vereinbarte Finanzvolumen angesichts zusätzlicher 128 geltend gemachter Ansprüche beurlaubter Beamter deutlich überschritten würde.
71Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie ihre Protokollerklärungen verwiesen.
72E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
73Die zulässigen Berufungen der Parteien sind unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht einen Anspruch der beurlaubten Beamten auf Sozialplanabfindung verneint. Für ihren Ausschluss von dieser Leistung bestehen sachlich rechtfertigende Gründe; damit fiel der hilfsweise widerklagend gestellte Feststellungsantrag der Beklagten insoweit nicht zur Entscheidung an (dazu I). Ebenfalls zu Recht hat das Arbeitsgericht solche sachlichen Gründe für den Ausschluss der beurlaubten Beamten von der Leistung einer Sonderprämie verneint. Die Betriebsvereinbarung ist auch nicht wegen einer Sprengung des vorgesehenen Dotierungsrahmens unwirksam. Der Anspruch auf die Prämie nebst zweitinstanzlich begehrten Zinsen besteht ab dem 01.01.2014. Der hilfsweise widerklagend von der Beklagten gestellte Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung ist damit ohne weiteres unbegründet (dazu II). Die vorläufige Vollstreckbarkeit der erst - und zweitinstanzlichen Urteile war nicht einzustellen bzw. auszusetzen (dazu III).
74I.
75Der Kläger hat gegen die Beklagte weder Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 85.982,41 € brutto noch Anspruch auf eine andere Leistung aus dem Sozialplan. Die vollständige Herausnahme der beurlaubten Beamten aus dem Geltungsbereich des Sozialplans ist wirksam (dazu 1). Der klägerische Hilfsantrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ausschlusses und weiterer Leistungspflicht ist damit jedenfalls unbegründet (dazu 2).
761.Dem Kläger als beurlaubtem Beamten stehen aus dem Sozialplan keine Ansprüche zu. Beurlaubte Beamte sind gemäß Ziff. 1.2 vom Geltungsbereich des Sozialplans ausdrücklich ausgenommen. Dies verstößt nicht gegen den in § 75 Abs. 1 BetrVG niedergelegten betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
77a. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haben die Betriebsparteien bei der Aufstellung eines Sozialplans einen weiten Ermessenspielraum, in welchem Maße und auf welche Weise sie die Nachteile einer Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer ausgleichen oder mildern wollen. Sie haben aber bei Sozialplänen - wie auch sonst bei Betriebsvereinbarungen - unter Beachtung der Zweckbestimmung eines Sozialplans den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu beachten.
78Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zielt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt BAG 14.05.2013 - 1 AZR 43/12, AP Nr. 58 zu § 75 BetrVG 1972, Rn. 18), der sich die erkennende Kammer anschließt, darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Eine Gruppenbildung kann auch dadurch erfolgen, dass für eine Arbeitnehmergruppe eine Regelung getroffen wird und für eine andere unterbleibt (BAG 22.03.2005 - 1 AZR 49/04 - zu 3 a der Gründe, BAGE 114, 179). Sind für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Rechtsfolgen - insbesondere unterschiedliche Leistungen - vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Maßgeblich hierfür ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG 18.05.2010 - 1 AZR 187/09, AP Nr. 209 zu § 112 BetrVG 1972, Rn. 15). Dabei ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BAG 22.03.2005 - 1 AZR 49/04 - zu 3 a der Gründe, aaO). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt (vgl. BVerfG 30.07.2008 - 1 BvR 3262/07 ua. - Rn. 150, BVerfGE 121, 317). In beiden Fällen unterliegt der Normgeber daher bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (BVerfG, a.a.O.).
79Hinsichtlich der Gruppenbildung verfügen die Betriebspartner eines Sozialplans dabei über eine Typisierungsbefugnis und eine Einschätzungsprärogative (vgl. etwa BAG 18.05.2010 - 1 AZR 187/09, AP Nr. 209 zu § 112 BetrVG 1972, Rn. 20).
80b.Diesen Anforderungen genügt die Regelung in Ziffer 1.2 des Sozialplans vom 29.04.2013. Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können (vgl. etwa BAG 18.05.2010 - 1 AZR 187/09, a.a.O.).
81aa.Gemessen an diesem Zweck der Sozialplanleistungen ist es zunächst unschädlich, dass beurlaubte Beamte von Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen wurden, obwohl auch sie aufgrund der Betriebsänderung unstreitig gewisse Nachteile wie etwa durch - in Einzelfällen erhebliche - Verdiensteinbußen oder Ortsveränderungen erleiden konnten.
82Die Sozialpartner sind nicht gehalten, in einem Sozialplan jeden derartigen Nachteil auszugleichen oder zu mildern. Sie besitzen einen weiten Ermessensspielraum bei der Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang sie die Nachteile einer Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer ausgleichen wollen. Sie können im Rahmen ihres Ermessens von einem Nachteilsausgleich gänzlich absehen und nach der Vermeidbarkeit der Nachteile unterscheiden und sind nicht gehalten, alle denkbaren Nachteile zu entschädigen (BAG 24.08.2004 - 1 ABR 23/03, BAGE 111, 335 m.w.N.). Insbesondere angesichts beschränkter Mittel, wie sie auch hier gegeben sind (vgl. Abs. (3) Satz 1 der Päambel des Sozialplans), steht es ihnen im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums daher frei, Nachteile erst ab einer gewissen Erheblichkeitsschwelle auszugleichen oder zu mildern. Die Nachteile, welche beurlaubte Beamte aufgrund der Betriebsänderung voraussichtlich erleiden würden, stellten sich bei typisierender und pauschalierender Betrachtung grundsätzlich deutlich geringfügiger dar als bei den von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmern. Die Betriebspartner waren auch nicht gehalten, den Beamten entsprechend geringfügigere Leistungen zukommen zu lassen. Sie durften die Beamten vielmehr angesichts einerseits der typischerweise eher geringfügigen zu erwartenden Nachteile für sie und andererseits der Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Mittel vollständig von Sozialplanleistungen ausschließen und diese gänzlich den von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmern vorbehalten. Das gilt hier jedenfalls deshalb, weil die typischerweise von den Auswirkungen der Betriebsänderung zu erwartenden Nachteile für die beamteten Arbeitnehmer erheblich geringfügiger waren. Darauf haben die Betriebsparteien in Absatz (3) der Präambel zum Sozialplan zutreffend hingewiesen.
83bb.Der Ausschluss der beurlaubten Beamten vom Geltungsbereich des Sozialplans verletzt den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsanspruch weiterhin nicht deshalb, weil der Sozialplan gleichzeitig solche - nicht beamteten - Arbeitnehmer mit Leistungen bedachte, die möglicherweise einen Rückkehranspruch gegenüber der DT AG würden durchsetzen können.
84Der wesentliche und entscheidende Unterschied zwischen diesen Arbeitnehmern und beurlaubten Beamten liegt darin, dass letztere einen gesetzlich geregelten Rückkehranspruch unter Beibehaltung ihres rechtlichen Besitzstandes aus dem Beamtenverhältnis besaßen, der von der DT AG zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt wurde, während erstere auf eine klageweise Durchsetzung ihrer etwaigen Ansprüche angewiesen waren. Die DT AG hat bis zum Abschluss des Sozialplans die Rückkehransprüche dieser - nach Anzahl und Personen noch unbestimmten - Gruppe von Arbeitnehmern nicht bestätigt. Die Arbeitnehmer blieben auf den Klageweg verwiesen. In dieser Lage waren die Sozialplangeber nicht gehalten, nach Ermittlung der jeweiligen unterschiedlichen Tatsachenlage anhand der von W. angelegten Personalakten Arbeitnehmer mit Erfolgsaussichten zu identifizieren, die jeweiligen Aussichten etwaiger Rechtsstreite mit der DT AG abzuschätzen und auf dieser Grundlage die Betroffenen sodann von Sozialplanleistungen auszuschließen. Auf solche Weise zur Klage genötigte Arbeitnehmer hätten sich vielmehr ihrerseits gegen ihren Ausschluss wehren können, da er ihnen die Last und das Risiko eines Rechtsstreits aufgebürdet hätte, dessen Erfolgsaussichten für sie letztlich nur schwer einschätzbar gewesen wären.
85Von einer weitergehenden Begründung wird unter Bezugnahme auf das Urteil des Arbeitsgerichts abgesehen.
862. Der hilfsweise widerklagend von der Beklagten gestellte Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Sozialplans fiel der Kammer nicht zur Entscheidung an, da die Beklagte insoweit mit ihrem Hauptantrag obsiegt hat.
87II.
88Der Kläger hat dagegen Anspruch auf Zahlung von 4.346,00 € brutto gegen die Beklagte aus Ziffer 2.1 der BV Sonderprämie i. V. m. § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Diese gewährt eine grundsätzlich zulässige Prämie für einen Klageverzicht (dazu 1). Der Ausschluss der beamteten Arbeitnehmer von der Sonderzahlung gemäß Ziff. 1 Punkt 1 BV Sonderprämie i.V.m. Ziff. 1.2 Sozialplan verstößt gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsanspruch aus § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und ist deshalb - bei Fortgeltung der Betriebsvereinbarung im Übrigen - nicht anzuwenden (dazu 2). Der Anspruch auf die Sonderprämie ist zu verzinsen (dazu 3). Der hilfsweise widerklagend von der Beklagten gestellte Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung ist damit ohne weiteres unbegründet (dazu 4).
891.Die Regelung einer Sonderprämie als Anreiz für eine streitlose Beendigung der Arbeitsverhältnisse in Ziff. 2.1 der BV Sonderprämie ist außerhalb eines Sozialplans gemäß § 88 BetrVG zulässig (BAG 31.05.2005 - 1 AZR 254/04, AP Nr. 175 zu § 112 BetrVG 1972). Das gilt jedenfalls, soweit - wie hier - die Prämie der Höhe nach deutlich hinter der Sozialplanabfindung zurückbleibt und deshalb eine Umgehung des Verbots, Sozialplanleistungen von einem Klageverzicht abhängig zu machen, ausscheidet (BAG 31.05.2005, a.a.O.).
902.Ziff. 1 BV Sonderprämie nimmt beurlaubte Beamte vom Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung aus. Von den kumulativ zu erbringenden Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt die Klägerin lediglich die im zweiten und dritten Punkt aufgeführten; sie unterfällt aber nicht, wie im ersten Punkt gefordert, dem Geltungsbereich des Sozialplans. Der dort in Ziff. 1.2 geregelte Ausschluss beurlaubter Beamter stellt sich jedoch innerhalb der BV Sonderprämie bezogen auf deren Regelungszweck als Verstoß gegen § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar und ist damit unwirksam (dazu a). Der Ausschlusstatbestand ist deshalb - bei Fortgeltung der Betriebsvereinbarung im Übrigen - nicht anzuwenden (dazu b).
91a.Der Ausschluss beurlaubter Beamter aus dem Geltungsbereich der BV Sonderprämie verstößt gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Gemessen am Zweck der Sonderprämie (dazu aa) besteht kein Unterschied zwischen Beamten und sonstigen Arbeitnehmern von solcher Art und solchem Gewicht, dass er die ungleiche Behandlung, also den Ausschluss der Beamten von dieser Leistung, rechtfertigen könnte (vgl. zu den Anforderungen oben unter Ziff. I.1.a). Dies gilt auch unter Berücksichtigung der den Betriebspartnern zukommenden Einschätzungsprärogative (dazu bb).
92aa.Zweck der Sonderprämie ist gemäß der Präambel zur Betriebsvereinbarung in erster Linie, im Interesse der Beklagten an "Planungssicherheit" einen Anreiz zur Unterlassung von Kündigungsschutzklagen zu setzen ("incentivieren"). Daneben soll sie die Arbeitnehmer zu rechtzeitiger Rückgabe der überlassenen Arbeitsmittel veranlassen.
93Der Zweck der Prämie wird in Satz 3 der Präambel zur BV Sonderprämie ausdrücklich mit dem Bedürfnis der Beklagten an "Planungssicherheit" beschrieben, wobei es nicht auf einen Wechsel in die Transfergesellschaft ankommt, solange nur eine Kündigungsschutzklage unterbleibt. Der nach dem ersten Entwurf der Sonderprämie vom 16.04.2013 (Anlage B 14) noch primär verfolgte Zweck, die Mitarbeiter auch in ihrem eigenem Interesse zum Übertritt in die Transfergesellschaft zu motivieren, wurde in der Endfassung in Satz 2 der Präambel zwar noch als "vorrangig" bezeichnet, faktisch aber vollständig aufgegeben. Denn gemäß Ziff. 1, 3. Punkt, 2. Variante der Endfassung BV Sonderprämie erhält die Prämie gerade auch ein Mitarbeiter, der das Angebot auf Abschluss eines dreiseitigen Vertrags zum Übertritt in die Transfergesellschaft ablehnt, sofern er nur eine Kündigungsschutzklage unterlässt oder einen Abwicklungsvertrag mit der Beklagten schließt. Dadurch entfällt die dem Wortlaut nach noch vorrangig verfolgte Anreizwirkung für einen Wechsel in die Transfergesellschaft insgesamt. Als "gemeinsamer Nenner" und damit alleiniger Zweck (neben dem Anreiz zur rechtzeitigen Rückgabe von Arbeitsmitteln) verbleibt die Setzung eines Anreizes zur streitlosen Beendigung der Arbeitsverhältnisse. Insbesondere ist die Leistung gerade nicht als Ausgleich oder Milderung der aus der Betriebsschließung folgenden Nachteile gedacht; als solche wäre die Koppelung an einen Klageverzicht, wie oben dargelegt, unwirksam (BAG 31.05.2005 - 1 AZR 254/04, AP Nr. 175 zu § 112 BetrVG 1972).
94bb.Gemessen an diesen Zwecken besteht kein Unterschied zwischen den Gruppen der Beamten und der sonstigen Arbeitnehmer von solcher Art und solchem Gewicht, der die ungleiche Behandlung, also den Ausschluss der Beamten von dieser Leistung, rechtfertigen könnte.
95Die Beklagte macht geltend, die Normgeber der BV Sonderprämie hätten das Interesse der beurlaubten Beamten an der Erhebung von Kündigungsschutzklagen für geringer eingeschätzt als dasjenige der von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer und ein Bedürfnis für einen finanziellen Anreiz zur Vermeidung von Klagen der beurlaubten Beamten nicht gesehen. Dieser Grund rechtfertigt die Ungleichbehandlung bei der Zahlung der Sonderprämie nach Auffassung der Kammer nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die Ungleichbehandlung unmittelbar an die Person (beurlaubte Beamte) anknüpft, wie es über Ziff. 1, 2. Punkt BV Sonderprämie i.V.m. Ziff. 1.2 Sozialplan der Fall ist, oder ob sie nur mittelbar an die Person anknüpft, wie es über das Kriterium "von Arbeitslosigkeit bedroht" in Satz 3 der Präambel, allerdings sprachlich nicht zweifelsfrei, der Fall sein könnte. In beiden Fällen gelten dieselben Maßstäbe für Art und Gewicht des Unterscheidungsgrundes, die der hier gebotenen strengen Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung tragen sollen (vgl. BAG 14.05.2013 - 1 AZR 43/12, AP Nr. 58 zu § 75 BetrVG 1972, BVerfG 30.07.2008 - 1 BvR 3262/07 ua. - Rn. 150, BVerfGE 121, 317).
96(a)Die Kammer konnte zunächst nicht feststellen, dass der von der Beklagten angeführte Differenzierungsgrund für die Betriebsparteien bei Abschluss der BV Sonderprämie tatsächlich maßgeblich gewesen ist. Es erscheint ebenso denkbar, dass sie die Regelung ohne Problematisierung als bloßen Annex zum Sozialplan verstanden und sich über den Ausschluss der Beamten in Bezug auf den speziellen Leistungszweck der Sonderprämie keine gesonderten Gedanken mehr gemacht haben. In der Betriebsvereinbarung selber hat der Grund keinen Niederschlag gefunden. In der letzten mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beklagte zudem auf Befragen des Gerichts keine näheren Erkenntnisse über die Klagefreudigkeit der jeweiligen Unterscheidungsgruppen anführen können. Eine bloße Übernahme des Geltungsbereichs des Sozialplans für die BV Sonderprämie ohne Neujustierung des Geltungsbereichs im Hinblick auf den besonderen Zweck der Sonderprämie verbietet sich schon deshalb, weil diese gerade kein Annex oder Bestandteil des Sozialplans ist und sein darf.
97(b)Ungeachtet dessen rechtfertigt die Unterscheidung den Ausschluss der beurlaubten Beamten von der Sonderprämie in keinem Fall.
98Der oben (unter II.2.a) festgestellte Hauptzweck der Prämie, einen Anreiz für eine streitlose Beendigung der Arbeitsverhältnisse zu setzen, lässt eine Differenzierung nach der zu erwartenden Wahrscheinlichkeit einer Klageerhebung durch die betroffenen Personen zwar grundsätzlich als möglich erscheinen. Der gezielte Einsatz der Klageverzichtsprämie dort, wo am ehesten mit Klagen zu rechnen ist, erscheint jedenfalls nicht unsachgemäß. Um hier eine Gruppe von Arbeitnehmern von der Leistung vollständig auszuschließen, ist aber angesichts der in Bezug auf das Klagerecht vollkommen gleichen Lage aller Betroffenen, ob beamtet oder nicht, eine ausreichend tragfähige tatsächliche Grundlage für die Einschätzung erforderlich, dass bei einer der Gruppen signifikant häufiger mit Klagen zu rechnen ist. Daran fehlt es. Das gilt selbst dann, wenn - was nicht feststeht - die Parteien bei Abschluss der Betriebsvereinbarung unter Berücksichtigung der ihnen zustehenden Einschätzungsprärogative eine entsprechende Einschätzung getroffen haben sollten.
99Die Klagebereitschaft bestimmt sich zunächst und in erster Linie danach, welchen Nutzen ein Kläger aus einem Rechtsstreit ziehen kann und welches Risiko er dabei eingeht. Wie auch alle übrigen Beschäftigten konnten die beurlaubten Beamten die Rechtmäßigkeit der ihnen gegenüber ausgesprochenen Kündigungen durch die Arbeitsgerichte überprüfen lassen und damit den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses zur Beklagten durchzusetzen versuchen. Dafür bestand durchaus Anlass, da die Kündigungen auch für sie Nachteile in Form von Verlust des konkreten Arbeitsplatzes, Verdiensteinbußen und Ortsveränderungen bringen konnten, wie im 3. Absatz der Präambel des Sozialplans ausdrücklich anerkannt wurde. Sie haben dies demgemäß - unstreitig - in einer Reihe von Fällen getan. Dabei waren die Erfolgsaussichten solcher Klagen - abgesehen von individuellen Besonderheiten wie etwa Sonderkündigungsschutz, die in beiden Gruppe auftreten können - mit denen von nicht beamteten Arbeitnehmern identisch.
100Die Einschätzung, ein von Arbeitslosigkeit bedrohter Arbeitnehmer sei eher bereit, das Risiko einer Kündigungsschutzklage auf sich zu nehmen als ein beurlaubter Beamter mit Rückkehrrecht zur DT AG, erscheint damit in tatsächlicher Hinsicht nicht tragfähig. Selbst wenn man aber annähme, dass bei gänzlich ungewissen Erfolgsaussichten ein Betroffener mit beamtenrechtlicher Absicherung das Prozessrisiko tendenziell eher scheute als ein von Arbeitslosigkeit bedrohter Arbeitnehmer, läge darin allenfalls ein nur marginaler gradueller Unterschied, der den Ausschluss von der Prämienleistung nicht rechtfertigte. Selbst dieser Unterschied besteht aber tatsächlich nicht. Für eine solche Annahme fehlt zum einen jede empirische Grundlage. Die Beklagte selber konnte in der letzten mündlichen Verhandlung zu entsprechenden Erkenntnissen keine Angaben machen. Zum anderen bliebe dabei insbesondere die Anreizwirkung zur Unterlassung einer Klageerhebung unberücksichtigt, die von den Sozialplanleistungen gerade für die nicht beamteten Arbeitnehmer ausgeht. Dies gilt insbesondere angesichts des hohen durchschnittlichen Lebensalters der Betroffenen. Für Arbeitnehmer, die nur noch einen relativ kurzen Zeitraum bis zum Rentenalter vor sich haben, kann sich die Sozialplanabfindung als willkommener Ausklang ihres Berufslebens darstellen. Eine Kündigungsschutzklage ließe im Obsiegensfall die Abfindung entfallen, was durchaus die Klagebereitschaft hemmen kann. Im Unterliegensfall hätten die Betroffenen zudem neben den Prozesskosten in Kauf zu nehmen, dass die eigentlich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällige Sozialplanabfindung erst mit rechtskräftigem Abschluss des Prozesses und damit unter Umständen erheblich später zur Auszahlung gelangt (vgl. Ziff. 3.3 Abs. 2 und 3 Sozialplan).
101Ein Grund, die ebenfalls mit der Betriebsvereinbarung bezweckte Sicherstellung der rechtzeitigen Rückgabe der Arbeitsmittel bei den beurlaubten Beamten anders zu behandeln als bei den übrigen Arbeitnehmern, ist schließlich ebenfalls nicht ersichtlich. Insoweit hat die Beklagte keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine Differenzierung rechtfertigen könnten.
102Bei diesem Bild erscheint die vage und nicht verifizierte Annahme, ein von Arbeitslosigkeit bedrohter Betroffener sei in signifikant höherem Maße zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage bereit als ein beurlaubter Beamter, nicht tragfähig. Damit fehlt es an einem Unterscheidungskriterium von solcher Art und solchem Gewicht, dass es den Ausschluss der letztgenannten Personengruppe mit identischem Klagerecht von der Klageverzichtsprämie rechtfertigen könnte. Dies gilt auch unter Berücksichtigung eines den Normgebern zukommenden Beurteilungsspielraums.
103b.Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts führt ein gegen § 75 Abs. 1 BetrVG verstoßender Ausschluss eines Arbeitnehmers aus dem Geltungsbereich einer begünstigenden Regelung grundsätzlich dazu, dass dieser die ihm durch die gleichheitswidrige Gruppenbildung vorenthaltene Leistung beanspruchen kann. Dies beruht darauf, dass der gleichheitswidrige Ausschlusstatbestand nicht angewandt wird und so die Gleichstellung mit den übrigen Arbeitnehmern erreicht wird (vgl. BAG 19.02.2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 41 f., BAGE 125, 366; BAG 14.05.2013 - 1 AZR 43/12, AP Nr. 58 zu § 75 BetrVG 1972).
104Die danach gebotene Nichtanwendung des Ausschlusses der beurlaubten Beamten von der Sonderprämie führt nicht zu Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung insgesamt. Diese bildet auch ohne den Ausschluss eine sinnvolle Regelung unter Wahrung ihrer Zwecksetzung. Die Betriebsvereinbarung ist auch nicht etwa deshalb nichtig, weil durch die Einbeziehung der beurlaubten Beamten in ihren Geltungsbereich das vorgesehene Finanzvolumen erheblich (möglicherweise um 25 %) überschritten würde.
105Allerdings kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Angemessenheit der finanziellen Gesamtausstattung eines Sozialplans mit Hilfe der Inhaltskontrolle im Individualprozess nicht überprüft werden (BAG 17.02.1981 - 1 AZR 290/78, AP Nr. 11 zu BetrVG 1972 § 112; BAG 12.11.2002 - 1 ABR 58/02, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 159, zu IV der Gründe). Dies schließt aber die Korrektur einer einzelnen Bestimmung des Sozialplans, die Arbeitnehmer unter Verstoß gegen Recht und Billigkeit benachteiligt, nicht aus. Nach der Rechtsprechung des Senats ist dabei die mit einer derartigen Korrektur mittelbar verbundene Ausdehnung des vereinbarten Finanzvolumens hinzunehmen, solange nur einzelne Arbeitnehmer benachteiligt werden und die Mehrbelastung des Arbeitgebers durch die Korrektur im Verhältnis zum Gesamtvolumen des Sozialplans nicht "ins Gewicht fällt" (BAG 26.06.1990 - 1 AZR 263/88, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 56, zu IV der Gründe; BAG 12.11.2002 - 1 AZR 58/02, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 159, zu IV der Gründe). Entscheidend ist dabei nicht die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer, sondern allein das Verhältnis der finanziellen Mehrbelastung zum Gesamtvolumen. Für die Frage, ob die Mehrbelastung ins Gewicht fällt oder ob sie für den Arbeitgeber noch hinnehmbar ist, kommt es nicht darauf an, auf wie viele Arbeitnehmer die Mehrbelastung entfällt (BAG 21.10.2003 - 1 AZR 407/02, BAGE 108, 147).
106Ob diese Rechtsprechung auch auf die BV Sonderprämie zu übertragen ist, erscheint fraglich. Sie stellt maßgeblich auf die Angemessenheit des vereinbarten finanziellen Gesamtrahmens eines Sozialplans ab. Bei einem Sozialplan einigen sich die Betriebspartner regelmäßig über ein finanzielles Gesamtvolumen (vgl. etwa BAG 17.02.1981 - 1 AZR 290/78, AP Nr. 11 zu BetrVG 1972 § 112, Rn. 42). Bei der BV Sonderprämie handelt es sich nicht um einen Sozialplan. Auch wurde ein Gesamtvolumen, soweit ersichtlich, nicht vereinbart. Die ausgelobte Prämie dient vielmehr der Planungssicherheit und damit nicht zuletzt auch der Kostenersparnis auf Arbeitgeberseite durch Vermeidung von Rechtsstreiten. Der Belastung der Beklagten durch eine Ausweitung des Kreises der einbezogenen Arbeitnehmer stehen daher die streitlose Beendigung der jeweiligen Arbeitsverhältnisse und eine entsprechende Kostenentlastung als "erkaufte" Gegenleistung gegenüber. Zudem erscheint eine Korrektur des Verstoßes gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsanspruch unter Wahrung eines etwaigen "Gesamtvolumens" nicht möglich. Den von der Regelung erfassten Arbeitnehmern könnte schon aus Vertrauensschutzgesichtspunkten durch eine Neuregelung der Betriebsvereinbarung unter Einbeziehung der beurlaubten Beamten die dafür ausgelobte Prämie nicht mehr entzogen oder gekürzt werden, nachdem sie bereits endgültig auf die Klage verzichtet haben. Damit wäre auch bei einer Neuverhandlung der Betriebsvereinbarung eine Ausweitung des Maximalvolumens unvermeidlich.
107Die Frage kann offen bleiben. Denn die BV Sonderprämie ist bereits deshalb nicht wegen Überschreitung eines möglicherweise vorgesehenen Finanzvolumens unwirksam, weil die Beklagte eine solche Überschreitung nicht dargelegt hat. Insofern ist zu berücksichtigen, dass es zu einer Ausweitung des maximal denkbaren Volumens der Betriebsvereinbarung Sonderprämie von ca. 3,3 Millionen € (760 nicht beamtete Arbeitnehmer x 4.346,00 €) nur kommen könnte, wenn tatsächlich alle von der Stilllegung betroffenen 760 Arbeitnehmer die Voraussetzungen der Betriebsvereinbarung Sonderprämie erfüllt haben. Vorstellbar ist aber auch, dass von den von der Beklagten offenbar einkalkulierten 760 Arbeitnehmern nicht alle die Voraussetzungen der Betriebsvereinbarung Sonderprämie erfüllt haben, beispielsweise weil sie Kündigungsschutzklage erhoben oder nicht alle überlassenen Arbeitsmittel vor Austritt bei der Beklagten an diese zurückgegeben haben. Daher führt die Auszahlung einer Sonderprämie an die beurlaubten Beamten nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung des Volumens der BV Sonderprämie überhaupt, erst recht nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung ihres Volumens um 25 % (so zutreffend ArbG Düsseldorf 25.02.2014 - 2 Ca 6899/13).
1083.Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 2, 288 BGB. Da die Fälligkeit mit Wirkung zum 31.12.2013 eintrat, waren die Zinsen erst ab dem ersten auf die Fälligkeit folgenden Tag, mithin ab dem 01.01.2014, geschuldet.
1094.Die auch in zweiter Instanz gemäß § 533 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG zulässige Hilfswiderklage der Beklagten auf Feststellung der Nichtigkeit der BV Sonderprämie ist im Hinblick auf die Ausführungen oben unter II. 1 bis 3 ohne weiteres unbegründet.
110III.
111Die vorläufige Vollstreckbarkeit des zweitinstanzlichen Urteils war nicht nach § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG auszuschließen. Es hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Abgesehen davon hat die Beklagte auch in zweiter Instanz weder behauptet noch glaubhaft gemacht, dass die Vollstreckung der titulierten Sonderprämie zu einer Insolvenz oder einem sonstigen nicht zu ersetzenden Nachteil führen würde. Aus dem gleichen Grund war auch der Antrag auf Einstellung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des arbeitsgerichtlichen Urteils gemäß § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG abzuweisen.
112IV.
113Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 97 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO. Danach waren die Kosten des jeweils erfolglosen Rechtsmittels den Parteien gemäß der sich aus ihren Rechtsmittelanträgen ergebenden Quote aufzuerlegen.
114Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für beide Parteien zuzulassen.
115R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
116Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien
117R E V I S I O N
118eingelegt werden.
119Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
120Bundesarbeitsgericht
121Hugo-Preuß-Platz 1
12299084 Erfurt
123Fax: 0361-2636 2000
124eingelegt werden.
125Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
126Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1271.Rechtsanwälte,
1282.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
1293.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
130In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
131Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
132Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
133* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
134gez.: Queckegez.: Schmischkegez.: Baumeister