Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 26. Feb. 2015 - 17 Sa 1403/14
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 17.09.2014 – 2 Ca 530/14 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich die Kosten des Nebenintervenienten.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Höhe der monatlichen Vergütung des Klägers.
3Er ist seit dem 01.05.1991 als gewerblicher Mitarbeiter bei der Beklagten in Q beschäftigt. Diese betreibt einen Möbelhandel mit vier Standorten und beschäftigt mehrere hundert Arbeitnehmer.
4Dem Arbeitsverhältnis des Klägers liegt ein Arbeitsvertrag vom 24.04.1991 zugrunde (Bl. 6 bis 9 d.A.).
5§ 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags lautet wie folgt:
6„Die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge sind Bestandteil dieses Vertrages. . . . “
7In § 4 des Arbeitsvertrages wurde Nr. 1 (Einstufung in eine Lohngruppe des Lohntarifvertrages für den Einzelhandel) nicht ausgefüllt. Dagegen wurde in Nr. 2 maschinenschriftlich der Bruttostundenlohn von 15,50 DM, ab dem 01.08.1991 von 16,01 DM eingetragen.
8§ 4 Nr. 4 des Arbeitsvertrages enthält folgende Regelung:
9„Die über den Tariflohn hinausgehenden Lohnbestandteile sowie die gewährte Provision können jederzeit unter Einhaltung einer Frist von einem Monat gekürzt oder widerrufen werden. Sie können bei einer Erhöhung der Lohntarife, beim Aufrücken in eine höher Lohngruppe/-stufe und bei Höhergruppierungen angerechnet werden.“
10Die Beklagte ist Mitglied des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe, der wiederum Mitglied im Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen ist. Sie war zunächst Mitglied mit Tarifbindung. Mit Schreiben vom 20.09.2004 erklärte sie gegenüber dem Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe den Ausschluss der Tarifbindung zum Ablauf des auf den Zugang dieser Erklärung folgenden Monats. Seit dem 01.11.2004 führt der Verband die Beklagte als Mitglied ohne Tarifbindung.
11Bis zum Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaft mit Tarifbindung wurde der Lohn des Klägers regelmäßig entsprechend den Tarifabschlüssen erhöht. Am 01.03.2005 schlossen die Parteien eine Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages (Bl. 10 der Akte). Sie hat folgenden Wortlaut:
12„Die Parteien sind sich darüber einig, dass der zwischen Ihnen bestehende Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.04.2005 wie folgt geändert wird. Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter. Ebenso bleibt die Dauer der Betriebszugehörigkeit gewahrt.
13Arbeitszeit
14Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40,0 Stunden.
15Zuschläge
16Auf Spätöffnungs- und Mehrarbeitszuschläge besteht kein Anspruch.
17Sonderzahlungen
18. . .
19Urlaub
20. . .
21Seit Beendigung der Mitgliedschaft mit Tarifbindung erhöhte die Beklagte die monatliche Vergütung des Klägers nicht. Er erhält eine Grundvergütung in Höhe von 2.125,52 € brutto sowie eine Ausgleichszahlung in Höhe von 50,00 € brutto.
22Mit seiner am 07.04.2014 bei dem Arbeitsgericht Paderborn eingegangenen Klage macht der Kläger die Vergütungsdifferenz zwischen dem Tariflohn aus der Lohngruppe III Lohnstaffel d) ab dem zweiten Tätigkeitsjahr des Lohntarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer im Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen in Höhe von 2.668,00 € und dem tatsächlich gezahlten Gehalt für die Monate Dezember 2013, Januar und Februar 2014 geltend. Gleichzeitig begehrt er die Feststellung seiner gegenwärtigen Lohnhöhe sowie der Verpflichtung der Beklagten, sein monatliches Grundentgelt bei Änderungen im Lohntarifvertrag jeweils um die im Lohntarifvertrag festgeschriebene prozentuale Erhöhung zu erhöhen.
23Der Kläger hat vorgetragen:
24In § 1 Nr. 3 seines Arbeitsvertrages sei eine Verweisungsklausel auf die Tarifverträge im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen vereinbart worden.
25Diese Regelung sei zwar in der Vergangenheit durch die Rechtsprechung als Gleichstellungsabrede ausgelegt worden. Nach Änderung der Rechtsprechung sei sie jedoch nunmehr als konstitutive Verweisung auf die Tarifverträge zu verstehen, da die Beklagte Vertrauensschutz nicht in Anspruch nehmen könne.
26Bei Beendigung der Tarifbindung der Beklagten sei er als Tischler in den Lohngruppe III Lohnstaffel d) eingruppiert gewesen. Er sei zwar nunmehr als Mitarbeiter im Lager beschäftigt. Bei Übernahme dieser Tätigkeit habe jedoch Einvernehmen mit der Beklagten dahin bestanden, dass die vereinbarte Eingruppierung und die sich daraus ergebende Vergütung nicht berührt würden.
27Aufgrund der Vereinbarung vom 01.03.2005 bestehe kein Vertrauensschutz, da ein Neuvertrag vorliege. Durch die Regelung „Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter“ hätten die Parteien die Verweisungsklausel erneut in ihre Willensbildung aufgenommen. Der Vereinbarung sei nicht zu entnehmen, dass sich die Beklagte in Gänze von tariflichen Regelungen habe lösen wollen. Änderungen seien nur im Hinblick auf die Arbeitszeit, auf Zuschläge, auf Sonderzahlungen und auf den Urlaub vereinbart worden.
28Der Kläger hat beantragt,
291. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 1.627,44 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 07.03.2011 zu zahlen,
302. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn künftig ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 2.668,- € brutto zuzüglich einer Ausgleichszahlung in Höhe von 50,00 € brutto zu zahlen,
313. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sein monatliches Grundentgelt in Höhe von zurzeit 2.668,- € brutto bei Änderungen im Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen jeweils um die im Lohntarifvertrag festgeschriebene prozentuale Erhöhung zu erhöhen.
32Die Beklagte hat beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Sie hat die Auffassung vertreten:
35Der Arbeitsvertrag verweise hinsichtlich der Lohnhöhe nicht auf die Tarifverträge des Einzelhandels, da in § 4 Nr. 2 ein konkretes Entgelt vereinbart worden sei.
36Im Übrigen sei § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages als Gleichstellungsabrede auszulegen. Ihr sei Vertrauensschutz zu gewähren, da die Änderungsvereinbarung vom 01.03.2005 in dem Eingangssatz 2 lediglich eine Floskel enthalte, die überflüssig gewesen sei. Für den Kläger sei klar erkennbar gewesen, dass es ihr darauf angekommen sei, keine redaktionell neu verfassten Arbeitsverträge aufzusetzen. Der Wechsel in die OT-Mitgliedschaft sei ihm bekannt gewesen. Deshalb sei es für ihn auch klar gewesen, dass sie sich insgesamt aus der Anwendung des Tarifvertrages habe lösen wollen. Die Vereinbarung vom 01.03.2005 sei übereinstimmend entsprechend verstanden worden.
37Im Übrigen sei der Kläger als Lagerarbeiter allenfalls aus der Lohngruppe II Lohnstaffel b) des Lohntarifvertrages zu vergüten. Die aktuelle Monatsvergütung nach dem Tarifvertrag liege bei 2.106,00 € brutto, während der Kläger 2.125,52 € zuzüglich einer freiwilligen Ausgleichszahlung erhalte.
38Der Kläger habe sein Recht, die regelmäßige Erhöhung seiner Vergütung nach der tariflichen Entwicklung zu verlangen, gemäß § 242 BGB verwirkt.
39Mit Urteil vom 17.09.2014 hat das Arbeitsgericht Paderborn die Klage abgewiesen.
40Es hat ausgeführt:
41Die arbeitsvertraglichen Regelungen in §§ 1 Nr. 3, 4 Nr. 2, 4 seien in der Gesamtschau dahin auszulegen, dass die Parteien in § 1 Nr. 3 eine Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vereinbart hätten.
42Trotz Änderung der Rechtsprechung durch das Bundesarbeitsgerichts seien aus Gründen des Vertrauensschutzes Verweisungsklauseln in Altverträgen weiterhin als Gleichstellungsabreden auszulegen. Etwas anderes gelte jedoch im vorliegenden Fall, da die Parteien im März 2005 einen sogenannten Neuvertrag geschlossen hätten. Maßgeblich sei, ob die Parteien nach dem 01.01.2002 anlässlich einer Vertragsänderung die Klausel erneut zum Gegenstand ihrer rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht hätten. Das sei zu bejahen, da es in der Änderungsvereinbarung vom 01.03.2005 heiße „Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter.“.
43Ab März 2005 sei die Verweisungsklausel als dynamische Verweisung auf die Tarifverträge des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen zu verstehen mit der Folge, dass die Beklagte dem Kläger den tariflichen Lohn schulde.
44Die Inkraftsetzung der Verweisungsklausel des Arbeitsvertrags vom 24.04.1991 führe jedoch im Falle des Klägers nicht dazu, dass ihm noch Vergütungsansprüche zustünden. Die dynamische Inbezugnahme der tarifvertraglichen Vorschriften und insbesondere auch der Lohn- und Gehaltstarifverträge habe zur Folge, dass er entsprechend den tariflichen Vorschriften einzugruppieren sei. Er sei aufgrund seiner Tätigkeit als Lagerarbeiter jedoch in die Lohngruppe II, Lohnstaffel b) des Lohntarifvertrages einzugruppieren.
45Er habe nicht dargetan, dass er die Eingruppierungsvoraussetzungen der Lohngruppe III erfülle.
46Die von ihm begehrte Vergütung aus dieser Lohngruppe sei auch nicht vor dem Hintergrund des von ihm behaupteten Einvernehmens über die Weiterzahlung einer Vergütung als Tischler nach Übernahme der Tätigkeit als Lagermitarbeiter zu zahlen. Sein Vorbringen sei insoweit unsubstantiiert. Selbst wenn es ausreichte, so könne er sich allein wegen der wieder erfolgten Inkraftsetzung der dynamischen Bezugnahme auf die tarifvertraglichen Vorschriften nicht auf die damalige Vereinbarung einer übertariflichen Vergütung mit der Beklagten berufen. Aus der dynamischen Anwendung der tarifvertraglichen Vorschriften folge nicht zwingend das Wiederaufleben einer früheren Vereinbarung über die Zahlung einer übertariflichen Vergütung. Insbesondere hätten die Parteien nach dem Wechsel der Beklagten in die OT-Mitgliedschaft die einvernehmliche übertarifliche Vergütung des Klägers gerade nicht weiter fortgeführt, da die Vergütung des Klägers nicht mehr entsprechend der Lohngruppe III Lohnstaffel d) erhöht worden sei. Die sich aus der im März 2005 vereinbarten dynamischen Bezugnahme ergebende Eingruppierung und Vergütung des Klägers habe nun auf der Grundlage der von ihm aktuell ausgeübten Tätigkeit zu erfolgen.
47Das Grundentgelt der Lohngruppe II Lohnstaffel b) habe am 01.08.2013 2.063,00 € brutto betragen. Die Beklagte habe eine über diesen Betrag liegende monatliche Vergütung gezahlt.
48Aus den dargestellten Gründen seien auch die Feststellungsanträge abzuweisen.
49Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 80 bis 92 der Akte Bezug genommen.
50Gegen das ihm am 19.09.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.10.2014 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.12.2014 am 19.12.2014 eingehend begründet.
51Er rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und führt aus:
52Während seiner Tätigkeit als Mitarbeiter in der Hausmontage, während derer er aus der Lohngruppe III, Lohnstaffel d) im zweiten Tätigkeitsjahr vergütet worden sei, sei er aufgrund eines Blinddarmdurchbruchs in 2004 längerfristig erkrankt. Nach seiner Rückkehr in den Betrieb habe er mit dem damaligen Hausleiter T mehrere Gespräche über seinen weiteren Einsatz geführt, da die Beklagte der Auffassung gewesen sei, für ihn müsse eine Beschäftigung mit geringere körperlicher Belastung gefunden werden. Diesem Ansinnen habe er sich nicht verschlossen, da er eingesehen habe, dass ein solcher Wechsel in seinem Sinne sei. Ihm sei es jedoch wichtig gewesen, die bisherige Eingruppierung trotz des Wechsels auf einen niedriger einzugruppierenden Arbeitsplatz zu behalten. Das sei ihm von dem Hausleiter zugesagt worden. Die Beklagte habe die Änderung der Tätigkeit auch nicht zum Anlass genommen, seine Vergütung zu reduzieren.
53Er gehe davon aus, dass es bei dem Arbeitsplatzwechsel eine Veränderungsmitteilung gegeben habe, wie sie die Beklagte üblicherweise erstelle. Er verfüge jedoch nicht über eine entsprechende Kopie. Er fordere die Beklagte auf, die Veränderungsmitteilung vorzulegen, sollte sie sich in seiner Personalakte befinden.
54Mit der Eingruppierungsabsprache sei die Tarifdynamik wieder in Gang gesetzt worden. Die Verweisung in § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages auf die Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung komme auch dann zur Anwendung, wenn eine bestimmte, vom Tarifvertrag abweichende Eingruppierung individualvertraglich vereinbart werde.
55Werde seine Auffassung nicht geteilt, habe er einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen der Verletzung des Nachweisgesetzes. Eine Niederschrift der Änderung der Arbeitsbedingungen im Jahre 2004 habe er entgegen § 3 des Nachweisgesetzes nie erhalten.
56Dieser Nachweis hätte ihm spätestens im März 2005 anlässlich der Änderungsvereinbarung erteilt werden müssen. Wäre ihm dieser Nachweis erteilt worden, hätte er möglicherweise eine andere Entscheidung im Hinblick auf die Unterzeichnung der Vereinbarung von März 2005 getroffen oder sich in diesem Zusammenhang die dynamische Weitergewährung der bisherigen Eingruppierung ausdrücklich zusagen lassen. Da die Beklagte den Nachweis nicht erteilt habe, sei sie verpflichtet, den ihm entstandenen Schaden auszugleichen. Dieser entspreche der Klageforderung.
57Im Berufungsverfahren begehre er den Differenzbetrag für weitere zehn Monate von März bis Dezember 2014.
58Der Kläger beantragt,
59das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 17.09.2014 abzuändern und
60- 61
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 1.627,44 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 07.03.2011 zu zahlen,
- 63
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen weiteren Betrag in Höhe von 5.424,80 € zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab Zustellung des Schriftsatzes vom 19.12.2014 (30.12.2014) zu zahlen,
- 65
3. festzustellen, dass sein monatliches Grundentgelt für die Geltungsdauer des Lohntarifvertrags für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 10.12.2013 2.668,00 € brutto beträgt,
- 67
4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sein monatliches Grundentgelt in Höhe von zurzeit 2.668,00 € brutto bei Änderungen im Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen jeweils um die im Lohntarifvertrag festgeschriebene prozentuale Erhöhung zu erhöhen.
Die Beklagte beantragt,
69die Berufung abzuweisen.
70Sie hat mit Schriftsatz vom 03.09.2014 (Bl. 74, 75 d.A.) dem Nebenintervenienten den Streit verkündet. Dieser ist im Berufungsverfahren dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten und schließt sich dem Antrag der Beklagten an.
71Die Beklagte und der Nebenintervenient verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Die Beklagte führt aus:
72Der Vortrag des Klägers zu einer Vergütungsvereinbarung anlässlich des Arbeitsplatzwechsels sei unsubstantiiert. Die behauptete Vereinbarung sei auch unplausibel. Sie könne nicht freiwillig eine höhere Vergütung als die geschuldete zahlen.
73Es sei auch nicht – wie üblich – eine schriftliche Änderungsvereinbarung geschlossen worden. Der Kläger habe insoweit nur eine Vermutung geäußert.
74Da keine mündliche Vereinbarung getroffen worden sei, sei auch das Nachweisgesetz nicht verletzt worden.
75Zum 12.06.2012 sei bei ihr eine innerbetriebliche Vergütungsordnung in Kraft getreten. Diese sehe eigene Vergütungsgruppen mit Tätigkeitsmerkmalen vor. Sie habe den Ecklohn auf 2.040,00 € festgesetzt und vergüte den Kläger nunmehr ausweislich der Vergütungsabrechnung für Januar 2014 (Bl. 150 d.A.) aus der innerbetrieblichen Vergütungsgruppe V 3.
76Der Nebenintervenient trägt ergänzend vor:
77Die Änderungsvereinbarung vom 01.03.2005 sei nicht von ihm, sondern von dem Geschäftsführer der Beklagten Q1 gestaltet worden.
78Dem klägerischen Vortrag sei schon nicht zu entnehmen, dass der Kläger zum Zeitpunkt seiner Umsetzung in das Lager tatsächlich die Voraussetzungen einer Eingruppierung in die Lohngruppe III, Lohnstaffel d) erfüllt habe. Eine mündliche Vereinbarung mit dem Hausleiter T über eine Vergütung entsprechend der bisherigen Eingruppierung habe es nicht gegeben. Im Übrigen enthalte der Arbeitsvertrag vom 29.04.1991 entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts keine Gleichstellungsabrede. Der Lohn sei individuell vereinbart worden. Der Kläger habe nicht nachvollziehbar vorgetragen, dass der vereinbarte Stundenlohn mit dem tariflichen Stundenlohn identisch gewesen sei.
79Die Parteien hätten auch nicht in der Änderungsvereinbarung vom 01.03.2005 die Bestätigung der Gleichstellungsabrede vorgenommen, einen Neuvertrag im Sinne der Rechtsprechung geschlossen.
80In Belegschaftsversammlungen habe der Geschäftsführer die Beschäftigten über die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit der bevorstehenden Personalmaßnahme aufgeklärt. Er habe ihnen angeboten, bis zum 28.02.2007 als Gegenleistung für die Zugeständnisse in der Vereinbarung vom 01.03.2005 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. In den Belegschaftsversammlungen sei auch die künftige OT-Mitgliedschaft und damit die Beendigung der Tarifbindung kommuniziert worden.
81Soweit ihm bekannt, hätten alle Beschäftigten im März 2005 mit ihren Abteilungsleitern/Vorgesetzten Personalgespräche geführt, in denen die Änderungsvereinbarung vor Unterzeichnung erläutert und diskutiert worden sei. Entsprechend sei der Kläger die Vereinbarung in dem Bewusstsein eingegangen, dass es einen Anspruch auf Teilnahme an einer künftigen Tariflohnentwicklung nicht mehr gebe.
82Folgerichtig habe er über neun Jahre keine Gehaltsanpassung verlangt.
83Unstreitig habe die Beklagte ihren Mitarbeitern mit Schreiben vom 19.09.2007 (Bl. 162 d.A.) einen Ausgleichsbetrag von bis zu 50,00 € monatlich für ihren Verzicht zugesagt. Auch diese Zahlung habe der Kläger widerspruchslos entgegengenommen.
84Seine Ansprüche seien gemäß § 242 BGB verwirkt.
85Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens und des Vorbringens des Nebenintervenienten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
86Entscheidungsgründe
87A.
88Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 17.09.2014 ist unbegründet. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht die Klage abgewiesen.
89I.
90Der zulässige Antrag des Klägers auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.627,41 € brutto für die Monate Dezember 2013 bis Februar 2014 ist nicht aus § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags vom 24.04.1991 i.V.m. § 2 Lohngruppe III, Lohnstaffel d) zweites Berufsjahr des Lohntarifvertrages für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 10.12.2013 begründet.
911. Der Kläger hat die Feststellung des erstinstanzlichen Gerichts, er erfülle nicht die Voraussetzungen der begehrten Lohngruppe, da er nicht Handwerker im Sinne der Tarifvorschrift sei, mit der Berufung nicht angegriffen.
922. Der Anspruch folgt auch nicht aus einer vertraglichen Vereinbarung.
93a. Die Parteien haben in ihrem Arbeitsvertrag aus 1991 ein dynamisches Tarifentgelt vereinbart. Sie haben sich nicht individuell auf einen bestimmten Lohnbetrag geeinigt. Das folgt aus der Auslegung des Vertrags gemäß §§ 133, 157 BGB.
94aa.
95(1) Der Beklagten ist zuzugestehen, dass die arbeitsvertraglichen Lohnregelungen nicht eindeutig sind. In § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages haben die Parteien die Geltung der Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen in der jeweils geltenden Fassung sowie die Geltung von Nachfolgeverträgen vereinbart. Sie haben jedoch nicht in § 4 Nr. 1 des Arbeitsvertrags die Lohngruppe nach dem in Bezug genommenen Lohntarifvertrag für den Einzelhandel eingetragen, sondern haben vielmehr in § 4 Nr. 2 des Vertrages einen gestaffelten Stundenlohn (handschriftlich) eingetragen. In § 4 Nr. 4 des Vertrages haben sie wiederum eine Einigung dahin getroffen, dass die über den Tariflohn hinausgehenden Lohnbestandteile sowie die gewährte Provision jederzeit unter Einhaltung einer Frist von einem Monat gekürzt oder widerrufen werden können. Die allgemeine Verweisungsklausel kann dafür sprechen, dass der Tariflohn vereinbart wurde. Die Einigung in § 4 Nr. 2 des Vertrages kann dahin verstanden werden, dass sie eine individuelle Entgeltvereinbarung getroffen haben, die statisch gelten sollte.
96(2) Die Auslegung ergibt jedoch, dass das Arbeitsentgelt dynamisch nach dem Tarifentgelt vereinbart wurde.
97Bei den hier maßgeblichen Klauseln handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, da die Beklagte ersichtlich einen Musterarbeitsvertrag für die Mitglieder der Einzelhandelsorganisation verwendet hat, den sie mehrfach eingesetzt hat.
98Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen ist. Soweit auch der mit dem Vertrag verbundene Zweck einzubeziehen ist, ist auf die typischen und von redlichen Geschäftspartnern verfolgten Ziele abzustellen. Ausgangspunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG, 21.08.2013 – 5 AZR 582/13 –, Rdnr. 19; 16.12.2009 – 5 AZR 888/08 –, Rdnr. 12, NZA 2010, 401).
99Bleiben Zweifel, gehen diese nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.
100Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Parteien durch Bezugnahme in § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags das jeweils maßgebende Tarifentgelt vereinbart (so auch LAG Hamm, 20.08.2014 – 3 Sa 451/14; 10.09.2014 – 3 Sa 452/14).
101Das ergibt der Gesamtzusammenhang der arbeitsvertraglichen Regelungen in § 1 Nr. 3, 4 Nr. 1, 2, 4 des Arbeitsvertrags.
102bb. Die Verweisungsklausel ist als Gleichstellungsabrede zu verstehen.
103Sie ist vor dem 01.01.2002 von der damals noch tarifgebundenen Beklagten vorformuliert worden. Es ist dynamisch auf die Branchentarifverträge Bezug genommen worden. In solchen Fällen wurde die Klausel stets als Gleichstellungsabrede ausgelegt (BAG 17.11.2010 – 4 AZR 391/09 - Rdnr. 14 f., BAGE 136, 184; 10.12.2008 – 4 AZR 881/07 - Rdnr. 18, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68). Mit der arbeitsvertraglichen Verweisung auf einen Tarifvertrag wollte der selbst tarifgebundene Arbeitgeber den Arbeitnehmer regelmäßig ungeachtet seiner Gewerkschaftzugehörigkeit so stellen, als sei er tarifgebunden. Die arbeitsvertragliche Verweisung ersetzte die fehlende oder mangels Zulässigkeit einer Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit unsichere Tarifbindung des Arbeitnehmers.
104Die Auslegung als Gleichstellungsabrede hatte zur Folge, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich an der Tarifentwicklung der in Bezug genommenen einschlägigen Tarifverträge teilnahm, die vertragliche Anbindung endete, wenn sie auch für einen tarifgebundenen Arbeitnehmer geendet hätte (BAG, 17.11.2010 a. a. O., Rdnr. 16). Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden ist. Ab diesem Zeitpunkt sind die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden.
105Mit seiner Entscheidung vom 18.04.2007 (4 AZR 652/05, BB 2007, 2125) hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung geändert und festgehalten, dass nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.01.2002 die Bedeutung einer Verweisungsklausel in erster Linie anhand ihres Wortlautes zu ermitteln ist. Eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag ist jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel, die durch den Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder durch den sonstigen Wegfall der Tarifgebundenheit nicht berührt wird (unbedingte zeitdynamische Verweisung).
106Aus Gründen des Vertrauensschutzes ist den Arbeitgebern, die bis zum 31.12.2001 Arbeitsverträge mit einer entsprechenden Bezugnahmeklausel abgeschlossen haben, Vertrauensschutz insoweit zu gewähren, als auch auf diese „Altverträge“ die frühere Auslegungsregel des Senats anzuwenden ist, wonach bei Beteiligung eines verbandsangehörigen Arbeitgebers und Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte in der Regel eine dynamische Verweisung auf einen einschlägigen Tarifvertrag als Gleichstellungsabrede auszulegen ist. Für Arbeitsverträge, die ab dem 01.01.2002 abgeschlossen worden sind („Neuverträge“) wendet das Bundesarbeitsgericht diese Auslegungsregel nicht an. (BAG, 18.04.2007 – 4 AZR 652/05 –, Rdnr. 43, BAGE 122, 74).
107Ist nach dem 01.01.2002 eine Vertragsänderung erfolgt, hängt die Beurteilung, ob es sich hinsichtlich dieser Klausel um einen Alt- oder Neuvertrag handelt, davon ab, ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Parteien des Änderungsvertrages gemacht worden ist. Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, liegt beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“. Eine solche Regelung hindert die Annahme eines „Altvertrages“ und eine Rechtskorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Allerdings führt allein der Umstand einer Vertragsänderung nicht dazu, dass zugleich stets alle vertraglichen Regelungen des ursprünglichen Arbeitsvertrages erneut vereinbart oder bestätigt werden (BAG, 19.10.2011 – 4 AZR 811/09 –, Rdnr. 27, DB 2011, 2783).
108(1) Hier haben die Parteien nach Vortrag des Klägers Ende 2004 nach Wechsel der Beklagten in die OT-Mitgliedschaft im Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe eine Änderungsvereinbarung zu seiner Entlohnung getroffen. Er hat behauptet, als Mitarbeiter der Hausmontage bei Wechsel der Beklagten in die OT-Mitgliedschaft aus der Lohngruppe III Lohnstaffel d) des Lohntarifvertrages vergütet worden zu sein, jedoch im Hinblick auf seine Erkrankung im Jahre 2004 mit der Beklagten den Wechsel in eine niedriger eingruppierte Tätigkeit bei Beibehaltung der bisherigen Eingruppierung vereinbart zu haben.
109Sein Vorbringen lässt sich nur dahin verstehen, dass die behauptete Vereinbarung nach dem 01.11.2014 getroffen wurde. Zu diesem Zeitpunkt galten die vereinbarten Tarifverträge statisch.
110Die Auslegung dieser Vereinbarung nach §§ 133, 157 BGB ergibt, dass die Parteien nur den klägerischen Lohn neu festgelegt haben.
111Bei der Auslegung ist zunächst der in der Erklärung verkörperte maßgebliche Wille der Parteien zu ermitteln. Lässt sich ein übereinstimmender Wille feststellen, so ist dieser maßgeblich, auch wenn er in dem Vertrag nur einen unvollkommenen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat. Lässt sich ein übereinstimmender Wille nicht feststellen, sind die jeweiligen Erklärungen der Vertragspartner jeweils aus Sicht des Empfängers so auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Die Erklärung hat ausgehend vom Wortlaut, der nach dem Sprachgebrauch der jeweiligen Verkehrskreise zu bewerten ist, alle den Parteien erkennbare Begleitumstände zu berücksichtigen, die für die Erklärung von Bedeutung sein können. Hierzu gehören vornehmlich die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss, der Zweck des Vertrages und die bei Vertragsschluss vorliegende Interessenlage (BAG 19.11.2008 – 10 AZR 671/07 - Rdnr. 20, NJW 2009, 1019).
112Nach seinem Vortrag hat der Kläger anlässlich des Arbeitsplatzwechsels gefordert, dass die bisherige Eingruppierung erhalten bleibt. Die Beklagte konnte dies nur dahin verstehen, dass er unabhängig von der tariflichen Eingruppierung die Vergütung erhalten wollte, die sich aus seiner bisherigen Lohngruppe ergab. Sein bisheriger Besitzstand sollte gewahrt werden. Entsprechend hat die Beklagte das Entgelt nach Aufnahme der niedriger zu bewertenden Tätigkeit fortgezahlt.
113Weder dem Angebot des Klägers noch der Annahmeerklärung der Beklagten lässt sich entnehmen, dass das im Rahmen der Besitzstandswahrung zu zahlende Entgelt tarifdynamisch ausgestaltet sein sollte, dass sie mit der Einigung über die unveränderte Lohnhöhe auch die dynamische Tarifanwendung nach § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages erneut in ihre Willensbildung aufgenommen haben. Es fehlt an einer ausdrücklichen Erklärung, dass alle übrigen Vertragsbestandteile unberührt bleiben sollten. Die Parteien haben in keiner Weise auf die Verweisungsklausel in dem Arbeitsvertrag vom 24.04.1991 Bezug genommen.
114Es hat zwar der Interessenlage des Klägers entsprochen, dass der vereinbarte Lohn tarifdynamisch ausgestaltet war, sowie es dem Interesse der Beklagten entsprach, die statische Geltung der Bezugnahmeklausel beizubehalten. Das klägerische Interesse ist jedoch in der Vereinbarung Ende 2004 nicht zum Ausdruck gekommen. Allein der Umstand einer Vertragsänderung reicht nicht aus (BAG 19.10.2011 a.a.O. Rdnr. 27).
115(2) Nichts anderes ergibt sich aus der Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrags vom 01.03.2005.
116Bei diesem handelt es sich um einen Formulararbeitsvertrag, den die Beklagte gegenüber zahlreichen Arbeitnehmern verwendet hat. Unter Zugrundelegung der für AGB-Klauseln geltenden Auslegungsregeln kann die Auslegung in der Veränderungsvereinbarung vom 01.03.2005 „die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter“ als Neuvertrag im Sinne der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.10.2011 (a.a.O.) verstanden werden (LAG Hamm 20.08.2014 – 3 Sa 451/14 - Rdnr. 110 ff.; 16.10.2014 – 17 Sa 896/14 - Rdnr. 102 ff.).
117Im vorliegenden Fall gilt jedoch die Besonderheit, dass die Parteien Ende 2004 eine von der Regelung im ursprünglichen Arbeitsvertrag abweichende Lohnvereinbarung getroffen haben. Die individuelle Vereinbarung ist Teil der arbeitsvertraglichen Regelungen, die nach dem Vertrag vom 01.03.2005 weiter gelten sollten, da sie von den Neuregelungen zur Arbeitszeit, zu den Zeitzuschlägen, zu der Sonderzahlung und zu dem Urlaub nicht berührt wurden. Die Verweisung auf die Fortgeltung arbeitsvertraglicher Vereinbarungen ist hier bezogen auf den Lohn des Klägers gerade nicht die willentliche Bestätigung der Verweisungsklausel in § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags.
118II.
119Soweit der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung von 1.627,44 € brutto aus §§ 280 BGB, 3 Satz 1, 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 6 Nachweisgesetz herleitet, ist die Klage gemäß § 533 ZPO unzulässig.
120Nach dieser Vorschrift sind Klageänderung, Anfechtungserklärung und Widerklage zulässig wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Das sind die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, und neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung nach § 67 ArbGG zulässig ist (LAG Hamm, 18.02.2014 – 14 Sa 806/13 - Rdnr. 117).
1211. Bei dem auf Schadensersatz gerichteten Begehren handelt es sich um eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO. Mit dem Antrag wird im Wege der nachträglichen Klagehäufung, auf die § 263 ZPO entsprechend anwendbar ist (BGH 10.09.1985 – III ZR 93/83 - Rdnr. 20, NJW 1985, 184; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 263 ZPO Rdnr. 1), ein weiterer Streitgegenstand eingeführt. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die von der klagenden Partei begehrte Rechtsfolge konkretisiert, und durch den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem sie die begehrte Rechtsfolge herleitet.
122Der Kläger hat erstinstanzlich den Zahlungsanspruch ausschließlich als Erfüllungsanspruch aus der vertraglichen Abrede über seine Eingruppierung geltend gemacht. Der auf Zahlung in gleicher Höhe gerichtete Schadensersatzanspruch beruht auf einem anderen Lebensverhalt, einer Pflichtverletzung der Beklagten, und stellt einen anderen Streitgegenstand dar.
1232. Ob die Beklagte aufgrund rügeloser Einlassung im Kammertermin vom 26.02.2015 im Sinne des § 533 Nr. 1 ZPO in die Klageänderung eingewilligt hat, kann dahinstehen. Zugunsten des Klägers kann angenommen werden, dass sie sachdienlich ist. Sie ist jedoch nicht auf der Grundlage der von dem Gericht ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen zu entscheiden, § 533 Nr. 2 ZPO.
124Zu den gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigenden Tatsachen gehört der gesamte in der ersten Instanz vorgetragene Tatsachenstoff, auch wenn das erstinstanzliche Gericht ihn als unerheblich angesehen und es daher keine Feststellungen getroffen hat (LAG Hamm 18.02.2014 a.a.O. Rdnr. 121, 122).
125Hier gehört zu dem gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ohnehin zu berücksichtigenden Tatsachenstoff erster Instanz gerade nicht der Vortrag des Klägers zu der Verletzung der Nachweispflicht durch die Beklagte und zu der Ursächlichkeit dieser Pflichtverletzung für einen ihm in Höhe der Klageforderung entstandenen Schaden.
126III.
127Der in der Berufungsinstanz erstmals gestellte Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 5.424,80 € ist gemäß § 533 ZPO unzulässig, soweit der Kläger die Zahlung aus dem Anspruchsgrund des Schadensersatzes verlangt.
128Soweit er Erfüllungsansprüche geltend macht, bestehen gegen die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz keine Zulässigkeitsbedenken. Der Antrag ist jedoch aus den bereits dargestellten Gründen unbegründet.
129IV.
130Der auf Feststellung des monatlichen Grundentgelts von 2.668,00 € brutto gerichtete Antrag ist gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig, aber unbegründet.
131V.
132Das gilt auch für den gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässigen Antrag auf Feststellung, dass das Gehalt des Klägers dynamisch entsprechend der Entwicklung der Tarifgehälter ausgestaltet ist.
133B.
134Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 1. Halbs. ZPO.
135Die Zulässigkeit der Revision folgt aus § 72 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
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Urteil einreichenLandesarbeitsgericht Hamm Urteil, 26. Feb. 2015 - 17 Sa 1403/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Eine Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen ist dem Arbeitnehmer spätestens an dem Tag, an dem sie wirksam wird, schriftlich mitzuteilen. Satz 1 gilt nicht bei einer Änderung der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 07.03.2014 – 4 Ca 2099/13 – wird zurückgewiesen.
Auf den Antrag des Klägers wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 2.065,40 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 379,48 € seit 01.04.2014 und seit 01.05.2014 sowie aus je 435,48 € seit dem 01.06.2014, 01.07.2014 und 01.08.2014 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über Engeltansprüche des Klägers gegen die Beklagte aufgrund einer streitigen Bindung an den Lohntarifvertrag für den Einzelhandel NRW.
3Der Kläger ist seit dem 01.01.1998 bei der Beklagten als Haustischler beschäftigt, Grundlage der Beschäftigung war zunächst ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 12.11.1997.
4In § 1 Ziffer 3 dieses Arbeitsvertrages heißt es auszugsweise:
5„Die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes NRW in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge sind Bestandteil dieses Vertrages.“.
6In § 4 Ziffer 1 war der Passus zur Eingruppierung des Klägers nicht ausgefüllt.
7§ 4 Ziffer 2 lautet:
8„Das vereinbarte Entgelt beträgt: 21,54 DM pro Stunde“
9In § 4 Ziffer 4 ist des Weiteren geregelt, dass über das tarifliche Entgelt hinausgehende Bestandteile gekürzt oder widerrufen werden können, zudem bei einer Erhöhung der Tarife angerechnet werden können.
10Die Beklagte ist Mitglied des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe, der wiederum Mitglied im Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen ist.
11Die Beklagte war zunächst Mitglied mit Tarifbindung. Mit Schreiben vom 20.09.2004 erklärte sie gegenüber dem Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe den Ausschluss der Tarifbindung zum Ablauf des auf den Zugang dieser Erklärung folgenden Monats. Mit Schreiben vom 23.09.2004 bestätigte der Verband die Annahme des Antrages zum Wechsel in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft). Der Verband führt seit dem 01.11.2004 die Beklagte als Mitglied ohne Tarifbindung.
12Bis zu diesem Zeitpunkt wurde der Lohn des Klägers regelmäßig entsprechend den Tarifabschlüssen erhöht.
13Im März 2005 schlossen die Parteien eine Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages (Bl 7 der GA):
14Diese hat folgenden Wortlaut:
15„Die Parteien sind sich darüber einig, dass der zwischen ihnen bestehende Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.04.2005 wie folgt geändert wird. Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter. Ebenso bleibt die Dauer der Betriebszugehörigkeit gewahrt
16Arbeitszeit
17Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden
18Zuschläge
19Auf Spät- und Mehrarbeitszuschläge besteht kein Anspruch
20Sonderzahlungen
21…
22Urlaub
23...“
24Jedenfalls nach Abschluss dieser Vereinbarung gab die Beklagte Tariflohnerhöhungen im Einzelhandel nicht mehr an den Kläger weiter.
25In dem Rechtsstreit 3 Ca 978/07 vor dem ArbG Münster, dessen Gegenstand im Wesentlichen war, ob es sich bei der Erhöhung von 37,5 Stunden auf 40 Stunden/ Woche um eine Arbeitszeiterhöhung mit oder ohne Lohnausgleich handelte schlossen die Parteien gem. § 278 Abs. 6 ZPO unter dem 09.07.2010 (Bl 59/60 der GA) einen Prozessvergleich, nach dem sich die Beklagte zur Zahlung eines bestimmten Betrages für Mehrarbeit im Zeitraum September 2006 bis Januar 2010 sowie zur Gewährung von Urlaubstagen rückwirkend ab 2007 verpflichtete. Ferner wurde eine Einigkeit der Parteien geregelt, dass der Kläger ab dem 01.01.2010 wöchentlich 37,5 Arbeitsstunden erbringt. Unberührt blieben Mehrarbeitsansprüche für die Zeit Oktober 2005 bis August 2006 und Ansprüche auf Urlaubsgutschrift für 2005 und 2006. Die Frage der Vergütungshöhe thematisierte der Kläger in diesem Verfahren nicht.
26Einen weiteren außergerichtlichen Vergleich schlossen die Parteien unter dem 18.01.2011 (Bl 62 GA) über Ansprüche aus dem Zeitraum November 2005 bis August 2006.
27Mit Schreiben vom 06.08.2012 beantragte der Kläger für die Zeit von Oktober 2012 bis November 2012 Elternzeit und gleichzeitig Teilzeit während der Elternzeit im Umfang von 30 Stunden. Die Beklagte entsprach dem Antrag mit Schreiben vom 11.08.2012. Unter dem 09.10.2012 unterschrieben der Kläger und sein Vorgesetzter ein als „Personalveränderung“ betiteltes Schriftstück (Bl 63 GA), in dem u.a. die bisherige Arbeitszeit und die nunmehrige Arbeitszeit gegenübergestellt waren. Unter der Rubrik „Lohn/ Gehalt/ Garantiegehalt“ ist die Spalte „bisher“ nicht ausgefüllt, in der Spalte „künftig“ heißt es „bleibt“.
28Mit Schreiben vom 26.09.2013 machte der Kläger Entgeltdifferenzansprüche für die Zeit ab März 2013 gegenüber der Beklagten erfolglos geltend mit der Begründung, er habe als Haustischler Anspruch auf Vergütung der Lohngruppe III, (Lohnstaffel e).
29Solche Ansprüche verfolgt der Kläger mit der unter dem 08.11.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage weiter.
30Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Lohntarifverträge für den Einzelhandel seien auf sein Arbeitsverhältnis anwendbar. Dies ergebe sich aus § 1 Ziffer 3 seines Arbeitsvertrages. Dort sei eine Tarifdynamik vereinbart worden, was auch dadurch deutlich werde, dass sein Entgelt bis 2005 regelmäßig entsprechend den Tarifabschlüssen erhöht worden sei.
31Früher habe die Rechtsprechung eine solche Regelung zwar als Gleichstellungsabrede angesehen; zwischenzeitlich werde eine solche Abrede aber als dynamische Verweisungsklausel verstanden.
32Aufgrund der Änderungsvereinbarung aus März 2005 handele sich bei der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag auch nicht um einen sogenannten Altfall, nach dem die Klausel als Gleichstellungsabrede verstanden werden könne.
33Der Personalveränderungsbogen habe sich nur auf die Arbeitszeitänderung während der Elternzeit des Klägers bezogen. Eine Änderung der arbeitsvertraglichen Vergütung, insbesondere der Eingruppierung, sei damit nicht verbunden gewesen. Im Übrigen handele es sich nur um eine interne Veränderungsmitteillung mit nur deklaratorischem Charakter.
34Der Kläger hat beantragt,
35- 36
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.404,80 € brutto nebst5%-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 301,48 € seit dem 01.04.2013, 01.05.2013, 01.06.2013, 01.07.2013 und 01.08.2013 sowie aus je 379,48 € seit dem 01.09.2013, 01.10.2013, 01.11.2013, 01.12.2013 und 01.01.2014 zu zahlen,
- 38
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 758,96 € brutto nebst 5%-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 379,48 € seit dem 01.02.2014 und 01.03.2014 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
40die Klage abzuweisen.
41Sie hat die Auffassung vertreten, der Arbeitsvertrag verweise hinsichtlich der Lohnhöhe schon nicht auf die Tarifverträge des Einzelhandels. Dies folge daraus, dass unter § 4 Ziffer 2 ein konkreter Stundenlohn von 21,54 DM vereinbart worden sei.
42Im Übrigen handele es sich bei § 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages um eine Gleichstellungsabrede. Ihr sei insoweit Vertrauensschutz zu gewähren. Soweit es in der Änderungsvereinbarung heiße, das „die dabei nicht genannten Regelungen“ weiter gelten, stelle diese Regelung eine Floskel dar, derer es in rechtlicher Hinsicht gar nicht bedurft hätte und der folglich auf die vorliegende Vertragsänderung bezogen auch keine Bedeutung zukomme. Ihr sei es, für den Kläger klar erkennbar, nur darauf angekommen, keine redaktionell ganz neu verfassten Arbeitsverträge aufzusetzen. Klar sei damit auch gewesen, dass sie sich aus dem Tarifvertrag habe lösen wollen.
43Ein etwaiges Recht des Klägers, sich auf die Bezugnahmeklausel zu berufen, sei im Übrigen nach § 242 BGB verwirkt. Der Kläger habe nämlich zu keinem einzigen Zeitpunkt eine Tarifdynamik geltend gemacht, obschon in den vergangenen Jahren regelmäßig Erhöhungen der Tarifvergütungen stattgefunden hätten.
44Mit der sogenannten Personalveränderung hätten sich die Parteien ihrer Meinung nach im Nachwirkungszeitraum darauf geeinigt, dass die Vergütung so bleiben solle, wie der Kläger sie vor der Elternzeit tatsächlich bezogen habe.
45Mit Urteil vom 07.03.2014 hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
46Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe nach seinem Arbeitsvertrag in Verbindung mit der Änderungsvereinbarung aus März 2005 sowie den geltenden Entgelt- bzw. Lohnverträgen im Einzelhandel NRW Anspruch auf die geltend gemachten monatlichen Differenzvergütungen.
47Die Auslegung des schriftlichen Arbeitsvertrages aus dem Jahre 1998 ergebe, dass mit § 1 Ziffer 3 auch auf die Lohntarifverträge verwiesen worden sei. Zwar sei in § 4 Ziffer 2 ein ausdrückliches Stundenentgelt von 21,54 DM als vereinbartes Entgelt genannt, in § 4 Ziffer 1 sei im Weiteren die Gehalts-/Lohngruppe offen gelassen. Die Systematik könne daher für die Argumentation der Beklagten sprechen, dass die Lohnhöhe als lex specialis geregelt sei. Dagegen spreche jedoch die tatsächliche Handhabung der Parteien, dass die Tariferhöhungen bis zum Ausscheiden der Beklagten aus der Tarifbindung an den Kläger weitergegeben worden seien.
48Zuzugestehen sei der Beklagten ferner, dass es sich zunächst bei dem Arbeitsvertrag des Klägers um einen sogenannten Altvertrag handele. Nach der Rechtsprechung des BAG wäre damit § 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages als Gleichstellungsabrede auszulegen. Dies führe bei einem Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers dazu, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung zum Zeitpunkt des Austritts anzuwenden wären. Für Arbeitsverträge, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 geschlossen worden seien, wende das BAG die Auslegungsregel der Gleichstellungsabrede jedoch nicht mehr an.
49Bei Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 abgeschlossen wurden („Altverträge“), komme es bei einer Vertragsänderung nach dem 01.01.2002 für die Beurteilung, ob es hinsichtlich der Auslegung dieser Klausel um einen Neu- oder Altvertrag handele darauf an, ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Parteien gemacht worden sei oder nicht.
50Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden sei und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechtes am 01.01.2002 ausdrücklich an dem zuvor getroffenen Regelungen festhalten, liege beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“. Unter Zugrundelegung der so beschriebenen Rechtsprechung des BAG liege demnach kein sogenannter Altvertrag vor.
51Damit sei die Verweisungsklausel ab März 2005 als dynamische Verweisung zu verstehen. Geschuldet sei nunmehr der tarifliche Lohn.
52Eine anderweitige, spätere Vereinbarung, wonach nunmehr nicht mehr der tarifliche Lohn geschuldet sein soll, ergebe sich aus dem Vorbringen der Parteien nicht. Die Vergleiche vom 09.07.2010 und vom 18.01.2011 enthielten schon keine Regelung darüber, welche Lohnhöhe – für die Zukunft – geschuldet sein solle. Auch aus dem vom Kläger unterzeichneten Schriftstück „Personalveränderung“ vom 09.10.2012 lasse sich keine Vereinbarung entnehmen, dass nunmehr die geschuldete Lohnhöhe geändert werden sollte. Aus der Formulierung „bleibt“ sei schon kein Wille der Parteien zu entnehmen, die Lohnhöhe zu ändern. Selbst wenn man an diesem Auslegungsergebnis Zweifel haben sollte, so gingen diese nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten als Verwenderin des Formulars „Personalveränderung“.
53Gegen die Berechnung der Höhe der Entgeltdifferenzen erfolgten keine Einwendungen.
54Die hier geltend gemachten Entgeltdifferenzansprüche seien auch nicht verwirkt. Ein Recht sei verwirkt, wenn der Gläubiger es längere Zeit nicht ausgeübt habe, der Schuldner darauf vertraut habe, er werde nicht mehr in Anspruch genommen werden, und dem Schuldner die Erfüllung unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht mehr zumutbar sei. Soweit die Beklagte meine, der Kläger könne sich nicht mehr auf die Inbezugnahmeklausel berufen, weil er in der Vergangenheit trotz regelmäßiger Tariflohnerhöhungen eine Tarifdynamik nicht geltend gemacht habe, überzeuge dies nicht. Eine abweichende Vereinbarung hinsichtlich der Lohnhöhe existiere gerade nicht. Es seien auch sonst keine Umstände erkennbar, aufgrund derer die Beklagte schutzwürdig darauf habe vertrauen dürfen, dass der Kläger seine vertraglichen Rechte in Zukunft nicht mehr einfordern werde.
55Gegen das unter dem 31.03.2014 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter dem 03.04.2014 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und unter dem 15.05.2014 begründet.
56Die Beklagte verbleibt zum einen bei ihrer Auffassung, es liege schon eine konstitutive Lohnvereinbarung vor, so dass schon die Bezugnahmeklausel aus dem ursprünglichen Vertrag nicht zum Tragen komme. Dabei könne der Umstand, dass Tariferhöhungen bis 2005 weitergegeben worden seien, für die Auslegung nicht herangezogen werden. Die Argumentation des Arbeitsgerichts sei insoweit auch widersprüchlich, wenn es andererseits der Nichtweitergabe von Tariferhöhungen nach der Vereinbarung aus März 2005 keinen Erklärungswert beimesse.
57Zu Unrecht gehe das Arbeitsgericht auch davon aus, die Vereinbarung aus März 2005 führe zur Annahme, dass die Parteien eine dynamische Verweisungsklausel auf den Tarifvertrag vereinbart hätten. Die Bezugnahmeklausel sei vielmehr nicht erneut zum Gegenstand rechtsgeschäftlicher Willensbildung gemacht worden. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Kläger von der Umwandlung ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband in eine OT-Mitgliedschaft gewusst habe, die Vereinbarung daher ersichtlich dazu habe dienen sollen, sich aus der Tarifbindung zu lösen. Die Parteien hätten die Hauptleistungspflichten, wozu auch die Vergütung gehöre, dem Tarifvertrag entziehen wollen.
58Zudem handele es sich bei der Vereinbarung vom 09.10.2012 um eine wirksam im Nachwirkungszeitraum getroffene Vereinbarung mit dem Inhalt, dass der Kläger, die bisher gezahlte Vergütung mit 30/37,5 weiterhin in der Zukunft erhalten solle.
59Nichts anderes gelte für die Vergleiche vom 09.07.2010 und 18.01.2011. In diesen hätten sich die Parteien ihrer Meinung nach auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft verständigt.
60Jedenfalls aber seien mögliche Ansprüche des Klägers verwirkt. Dies folge aus der Erhebung der Zahlungsklage durch den Kläger. Das für eine Verwirkung notwendige Umstandsmoment liege ohnehin schon darin, dass der Kläger seine Arbeitsleistung weiter erbracht habe, ohne Ansprüche auf Tariflohnerhöhung geltend zu machen.
61Die Beklagte beantragt,
62das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 07.03.2014 abzuändern und die Klage abzuweisen und
63die Anträge des Klägers aus dem Schriftsatz vom 23.06.2014 abzuweisen.
64Der Kläger beantragt,
65die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und
66die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 2.065,40 € brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 379,48 € seit dem 01.04.2014 und 01.05.2014 sowie aus je 435,48 € seit dem 01.06.2014, 01.07.2014 und 01.08.2014 zu zahlen.
67Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil dahingehend, richtigerweise sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass sich die Anspruchsgrundlage in § 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages befinde, wobei unschädlich sei, dass ein Feld in § 4 Ziffer 1 nicht ausgefüllt sei und in § 4 Ziffer 2 ein bestimmter Betrag genannt sei. Denn dieser Teil des Arbeitsvertrages betreffe nur die deklaratorische Mitteilung der Eingruppierung und den damals für die maßgebliche Eingruppierung maßgeblichen Stundenlohn. Das entsprechende Verständnis ergebe sich auch daraus, dass alle Arbeitnehmer, die vor und bis zum Verbandsaustritt der Beklagten eingestellt worden seien, den jeweiligen Tariflohn erhalten hätten.
68Die dynamische Verweisungsklausel sei auch im Änderungsvertrag zum Gegenstand rechtsgeschäftlicher Willensbildung gemacht worden Dies ergebe sich auch aus dem Zusammenhang der Regelungen, mit denen den Arbeitnehmern gerade habe klargemacht werden sollen, dass sie nur die aufgezählten Verschlechterungen hätten hinnehmen sollen. Die Regelung „Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter“ stehe der Annahme eines Altfalles zum Verständnis einer Verweisungsklausel entgegen. Eine andere Auslegung folge auch nicht aus dem Umstand, dass er sich in der Folgezeit zunächst nicht gegen unterbliebene Tariferhöhungen gewehrt habe.
69Die Veränderung der Arbeitszeit anlässlich des Begehrens von Teilzeittätigkeit während der Elternzeit sei nicht mit einer neuen Einigung über die Vergütung einhergegangen. Der Personalveränderungsbogen habe sich ausschließlich auf die Arbeitszeit bezogen. Im Übrigen handele es sich bei diesem lediglich um ein internes Dokument, nicht um eine Arbeitsvertragsänderung.
70Die Vergleiche aus den Jahren 2010 und 2011 hätten sich ausschließlich auf die im dortigen Verfahren streitig gestellten Ansprüche bezogen.
71Schließlich habe das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, die Ansprüche seien nicht verwirkt. Untätigkeit allein könne nicht zur Annahme einer Verwirkung führen. Weder dem Personalveränderungsbogen, noch den Vergleichen könne ein Wille auf einen Verzicht entnommen werden, sie seien nicht geeignet, ein über ihre rechtliche Bedeutung und den sich hieraus ergebenden Rechtswirkungen hinausgehendes Vertrauen zu begründen. Wehre sich ein Arbeitnehmer gegen eine vom Arbeitgeber verkündete falsche Anwendung des Tarifvertrages nicht, löse dies nicht das für eine Verwirkung notwendige Umstandsmoment aus.
72Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
73Entscheidungsgründe
74Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
75A.
76Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.
77I.
78Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b) ArbGG.
79Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.
80II.
81Bedenken bestehen auch nicht an der Zulässigkeit der Klageerweiterung im Berufungsrechtszug.
82Soweit die Erstreckung der Zahlungsklage auf weitere Monate als Klageänderung anzusehen wäre, genügte sie jedenfalls den Anforderungen des § 533 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG.
83Die mögliche Klageerweiterung stellt sich als sachdienlich dar, da der Streit der Parteien um die Höhe der zu zahlenden Vergütung für weitere Monate beigelegt werden kann. Sie kann zudem auf Tatsachen gestützt werden, die ohnehin der Entscheidung über die Berufung zugrunde zu legen sind; der Sachverhalt zur Beurteilung der Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Tarifentgelt hat, ist unverändert geblieben.
84B.
85Die Berufung der Beklagte ist jedoch nicht begründet.
86Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Parteien im ursprünglichen Arbeitsvertrag dynamisch das Tarifentgelt vereinbart haben (I.), auch nach Wechsel der Beklagten in eine OT-Mitgliedschaft die Parteien die Dynamisierung durch Vereinbarung von März 2005 beibehalten haben (II.), eine abändernde Entgeltvereinbarung in der Folgezeit weder durch Vergleiche, noch eine Abrede über Teilzeittätigkeit getroffen worden ist (III.) und Ansprüche des Klägers nicht verwirkt sind (IV.)
87I.
88Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aufgrund einer tarifvertraglichen Grundlage, da eine Tarifbindung der Beklagten jedenfalls unstreitig nicht gegeben ist.
89Der geltend gemachte Anspruch des Klägers ergibt sich aber aus § 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages vom 12.11.1997 in Verbindung mit der Abänderungsvereinbarung aus März 2005.
90Im ursprünglichen Arbeitsvertrag haben die Parteien ein dynamisches Tarifentgelt vereinbart und nicht konstitutiv einen bestimmten Entgeltbetrag. Dies ergibt die Auslegung des Vertrages.
911)
92Die Vergütungsabrede ist nicht eindeutig.
93Der Verweis auf die Geltung der Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel in NRW in der jeweils geltenden Fassung kann dahingehend verstanden werden, dass das jeweilige Tarifentgelt maßgeblich sein soll; die Nennung eines bestimmten Stundenentgelts in § 4 Ziffer 2 kann hingegen dahingehend zu verstehen sein, dass ein festes und statisches Stundenentgelt maßgeblich sein soll.
942)
95Die Auslegung vertraglicher Willenserklärungen hat grundsätzlich vom Wortlaut auszugehen (MünchKomm-Busche, § 133, Rz. 56).
96Für die Auslegung einer Willenserklärung schreibt § 133 BGB dabei die Erforschung des wirklichen Willens vor; in Rechtsprechung und Literatur herrscht jedoch Übereinstimmung dahingehend, dass nicht der innere, sondern lediglich der bekundete Wille Thema der Auslegung ist. Entscheidend ist dabei der Empfängerhorizont.
97Für Verträge schreibt § 157 BGB darüber hinaus vor, dass Treu und Glauben und die Verkehrssitte zu berücksichtigen sind.
98Es ist daher vom Wortlaut der Erklärung ausgehend der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen und unter Berücksichtigung der erkennbaren Begleitumstände zu ermitteln, welchen Willen der Erklärende gehabt hat und wie der Empfänger der Erklärung das Angebot des anderen Vertragsteils nach Treu und Glauben und mit Berücksichtigung der Verkehrssitte verstanden hat oder verstehen musste (BAG 06.09.1990, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 3).
99Zu den zu berücksichtigenden Beleitumständen gehören die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien nach Abschluss des Rechtsgeschäfts, der Zweck der Vereinbarung und die beim Abschluss der Vereinbarung vorliegende Interessenlage
100(BAG 08.03.2006, EzA HGB § 74 Nr. 67).
101Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zulegen sind.
102Soweit auch der mit dem Vertrag verbundene Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten: Bleiben nach Erwägung dieser Umstände Zweifel, geht dies nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders (BAG 31.08.2005, EzA ArbZG § 6 Nr. 6;BAG 09.11.2005, EzA BGB 2002 § 305c Nr. 3; BAG 19.07.2007, EzA BGB 2002 § 623 Nr. 7).
1033)
104Unter Berücksichtigung dieser Kriterien haben die Parteien durch die Bezugnahmeklausel in § 1 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages vom 12.11.1997 das jeweils maßgebende Tarifentgelt vereinbart.
105Die Parteien haben durch die allgemeine Bezugnahmeklausel, die allen Einzelregelungen vorangestellt ist, verdeutlicht, dass die dort genannten Tarifverträge für das Arbeitsverhältnis maßgeblich sein sollen, und dies in der jeweils geltenden Fassung, womit die Parteien dynamisch auf die tariflichen Bestimmungen verwiesen haben.
106Zwar haben die Parteien in § 4 Ziffer 1 nicht ausgefüllt, in welche Entgeltgruppe der Kläger eingruppiert sein soll und in § 4 Ziffer 2 einen bestimmten Entgeltbetrag genannt. Beide Bestimmungen sind jedoch nicht isoliert zu betrachten. Den allgemeinen Verweis auf die aktuellen tariflichen Bestimmungen durfte der Kläger aber wie ein redlicher Arbeitnehmer so verstehen, dass ihm das jeweilige Tarifentgelt gewährt werden soll.
107Die Bezugnahmeklausel ist zudem an den Anfang des Vertrages gestellt und verdeutlicht durch diese Stellung, dass den tariflichen Bestimmungen maßgebliche Bedeutung zukommen soll, sie ist nicht nur als Auffangklausel in den letzten Bestimmungen des Arbeitsvertrages genannt und könnte dadurch den Eindruck erwecken, dass sie nur ergänzend gelten soll. Die Bezugnahmeklausel selbst enthält auch keinerlei Beschränkung im Wortlaut, dass sie nur dann gelten soll, wenn im Vertrag nichts anderes vereinbart ist (hierzu BAG 10.07.2013, EzA BGB 2002 § 305 c Nr. 24).
108Dies gilt umso mehr, als unwidersprochen das Stundenentgelt der damaligen tariflichen Vergütung für die Tätigkeit des Klägers entsprach. Das ab dem 01.11.1997 maßgebliche Tarifentgelt für Handwerker im ersten Jahr der Tätigkeit betrug3.517,- DM bei einer Arbeitszeit von 163 Stunden.
109§ 4 Ziffer 2 enthält auch darüber hinaus keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Regelung in § 4 Ziffer 2 konstitutiv gelten sollte und von tariflichen Regelungen unabhängig sein sollte.
110Maßgeblich zu berücksichtigen war ferner, dass der Vertrag in § 4 Ziffer 4 zwischen tariflichem Entgelt und übertariflichem Entgelt unterscheidet und für das übertarifliche Entgelt Kürzungs- und Widerrufsmöglichkeiten sowie eine Anrechnung bei Erhöhung der Tarifentgelte vorsieht. Die Differenzierung zwischen Tarifentgelt und übertariflichem Entgelt ist ein Kriterium, dass den Eindruck erweckt, das jeweilige Tarifentgelt jedenfalls zahlen zu wollen (hierzu BAG 13.02.2013, EzA BGB 2002 § 305 c Nr. 22).
111Es konnte daher dahingestellt bleiben, ob der nachträglichen Handhabung, nämlich der Gewährung des Tarifentgelts für die Dauer der Mitgliedschaft der Beklagten im Verband mit Tarifbindung, ein Erklärungswert beizumessen ist, weil die Weitergabe von Erhöhungen auch auf einer nachträglichen Entscheidung beruhen kann (BAG 09.11.2005, EzA BGB 2002 § 305c Nr.3).
112Haben die Parteien daher eine dynamische Verweisung vereinbart, ist diese als rechtsbegründend anzusehen (BAG 19.03.2003, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr.27).
1134)
114Wären im Übrigen beide Auslegung vertretbar und wäre keiner der beiden Varianten der Vorzug zu geben, würde die Unklarheitenregelung, die auch schon vor dem 01.01.2002 galt, zu Lasten der Beklagten als der Partei gehen, die den Vertragstext vorgegeben hat.
115Die Anwendung der Unklarheitenregelung setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines davon den klaren Vorzug verdient (BAG 20.01.2010, DB 2010, 730; BAG 09.02.2011, DB 2011, 1584),
116II.
117Der Auslegung als dynamische Verweisung steht auch nicht die Vertragsänderung aus März 2005 entgegen.
1181)
119Richtigerweise ist die allgemeine Bezugnahmeklausel für Verträge, die vor dem 01.01.2002 geschlossen worden sind, als sog. Gleichstellungsabrede verstanden worden (vgl. z.B. BAG 21.08.2002, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 21; BAG 16.10.2002, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr.22).
120Nachdem das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 14.12.2005 (EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 32) bereits erklärt hatte, für Verträge, die nach dem 31.12.2011 geschlossen worden seien, diese Auslegungsregel nicht mehr anwenden zu wollen, soweit es keine Anhaltspunkte für solches Verständnis gebe, für Verträge aus der Zeit davor die Auslegungsregel als Gleichstellungsabrede aus Gründen des Vertrauensschutzes aber weiter anzuwenden, hat das Bundesarbeitsgericht in der Folgezeit in einer einzelvertraglich vereinbarten dynamischen Verweisung auf einen bestimmten Tarifvertrag jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den in Bezug genommenen Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel gesehen, die durch einen Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einen sonstigen Wegfall seiner Tarifgebundenheit nicht berührt wird (BAG 18.04.2007, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35).
1212)
122Als maßgeblich für die Auslegung und die Gewährung von Vertrauensschutz sieht die Rechtsprechung dabei an, ob bei einer Vertragsänderung nach dem 01.01.2002 von einem „Neuvertrag“ oder einem „Altvertrag“ auszugehen ist, was wiederum davon abhängt, ob die Bezugnahmeklausel erneut zum Gegenstand rechtsgeschäftlicher Willensbildung gemacht worden ist. Nur wenn die jeweilige Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist, ist sie von der Vertragsänderung erfasst (BAG 18.11.2009, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tairfvertrag Nr. 43).
123Einen deutlichen Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 01.01.2002 ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, sieht das Bundesarbeitsgericht beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass “alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“. Eine solche Regelung hindere die Annahme eines “Altvertrags” und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (BAG 18.11.2009, aaO).
124Bereits zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht (30.07.2008, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 38) entschieden, dass mit einer Formulierung wonach „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“ die Parteien trotz geänderter Gesetzeslage unverändert an den Bestimmungen des vor dem 01.01.2002 vereinbarten Ausgangsvertrages festgehalten hätten.
1253)
126Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ergibt die Auslegung der Vertragsänderung von März 2005 nach den dargestellten Grundsätzen für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, dass die Parteien eine dynamische Verweisung auf die Bestimmungen des Lohntarifvertrages für die Beschäftigten im Einzelhandel in NRW vereinbart haben. Es liegt kein „Altvertrag“ vor, der zu einer Auslegung der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede führt.
127a)
128Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass die Bezugnahmeklausel erneut zum Gegenstand rechtsgeschäftlicher Willensbildung gemacht worden ist, ergibt sich aus dem vertraglichen Wortlaut, dass „die dabei nicht genannten Regelungen weiter gelten“. Dies ergibt bereits einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür, dass Regelungen weiter gelten sollen, soweit sie nicht von den nachfolgend aufgezählten enumerativen Änderungen betroffen sind. Der ursprüngliche Arbeitsvertrag soll auch nur „wie folgt“ geändert werden, der Rest soll daher nach dem Wortlaut bereits „weiter gelten“.
129b)
130Der Gesamtzusammenhang des Textes macht daher klar, dass Regelungen aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag nur insoweit einer Änderung unterworfen werden sollen, als sie nachfolgend ausdrücklich genannt sind. Die vorangestellte Regelung des „Weitergeltens“ der übrigen Regelungen macht deutlich, dass diese eben nicht von einer Änderung erfasst sein sollen, sondern deren weitere Geltung vereinbart wird.
131c)
132Zutreffend ist davon auszugehen, dass auch außerhalb des reinen Wortlauts liegende Umstände zu berücksichtigen sind, soweit sie einen Rückschluss auf den Inhalt der Vereinbarung abgeben. Auch dies führt jedoch zu keinem anderen Verständnis.
133Es mag insoweit zutreffen, dass die Arbeitnehmer vom Wechsel der Beklagten in eine OT-Mitgliedschaft Kenntnis hatten und daher davon ausgehen mussten, dass die Beklagte künftig sich aus Regelungen der Tarifverträge lösen wollte. Wenn dann aber nur ganz bestimmte Arbeitsbedingungen erwähnt werden, die zu Lasten der Arbeitnehmer abgeändert werden sollen und im Übrigen die sonstigen, nicht erwähnten Regelungen aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag weiter gelten sollen, wird damit gerade der Eindruck und die Erwartung erweckt, die Lösung aus dem Tarif bestehe lediglich in den erwähnten Bereichen, ansonsten solle der Ausgangsvertrag unverändert bleiben. Gerade damit wird eine Regelung getroffen, die auch weiterhin die nunmehr konstitutive Bindung an tarifliche Regelungen beinhaltet, soweit nicht bestimmte Vertragsgegenstände ausdrücklich erwähnt sind.
134Gerade weil auch ein so gewichtiger Aspekt wie das Entgelt nicht erwähnt wird, ergibt sich, dass die Arbeitnehmer weiterhin davon ausgehen durften, die ursprüngliche Vergütungsregelung mit der Anbindung an den Tarifvertrag bleibe trotz fehlender nunmehriger Tarifbindung erhalten. Ansonsten hätte es nahe gelegen, auch diesen Vertragsgegenstand zu erwähnen und es nicht bei der Formulierung zu belassen, dass die nicht genannten Regelungen weiter gelten.
135Auch die Nichtgeltendmachung künftiger Tariferhöhungen führt nicht dazu, dass von einem gemeinsamen Verständnis über die Bedeutung der Klausel auszugehen ist; die fehlende Geltendmachung kann unterschiedliche Gründe haben, ohne dass daraus geschlossen werden kann, der Kläger und die Arbeitnehmer hätten die Vertragsänderung so verstanden, dass nunmehr das Entgelt auf alle Zeit eingefroren ist.
136Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger die gerichtlich geltend gemachten Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung lediglich auf der Basis des tatsächlich gewährten Entgelts berechnet hat.
137d)
138Soweit der Vertragswortlaut unklar wäre und für kein Verständnis ein klarer Vorzug anzunehmen wäre, müsste diese Unklarheit nach § 305c Absatz 2 BGB zu Lasten der Beklagten als der Verwenderin gehen.
139Die Vereinbarung aus März 2005 mit identischem Wortlaut ist Gegenstand einer Reihe von Änderungsabreden mit Arbeitnehmern der Beklagten.
140III.
141Die Parteien haben auch in der Folgezeit keine Regelung getroffen, mit der das Entgelt des Klägers konstitutiv festgeschrieben worden ist.
1421)
143Der gerichtliche Vergleich vom 09.07.2010 sowie der außergerichtliche Vergleich vom 18.01.2011 betreffen ausschließlich die Fragen der Gewährung von Mehrarbeitsvergütung und des Umfangs eines Urlaubsanspruchs des Klägers u.a. vor dem Hintergrund der Verlängerung der vertraglichen Arbeitszeit auf 40 Stunden in der Woche.
144Regelungen über das Entgelt des Klägers enthalten beide Vereinbarungen nicht, die Höhe des monatlichen oder des Stundenentgelts war auch nicht Gegenstand der Auseinandersetzung.
145Allein mit der Festlegung eines Betrages, der für geltend gemachte Mehrarbeit zu leisten ist, haben die Parteien keine Abrede über die Höhe des Grundentgelts getroffen.
1462)
147Die „Personalveränderung“ vom 09.10.2002, wenn sie denn Vertragscharakter hat, betrifft ersichtlich keine Regelung über die Vergütungshöhe.
148Ihr lag ein Verlangen des Klägers auf Teilzeitbeschäftigung zugrunde, dem die Beklagte entsprochen hat. Hinsichtlich der Vergütung war weder eine Abrede der Parteien erforderlich, noch gewollt. Es ging lediglich um den Umfang der regelmäßigen Arbeitszeit für einen vorübergehenden Zeitraum.
149Mit der Formulierung „bleibt“ unter der Rubrik „Lohn/Gehalt/Garantiegehalt“ ist daher nichts anderes gemeint, als dass ein geändertes Entgelt nicht der Abrede unterliegt. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien hiermit anlässlich eines Teilzeitbegehrens eine Vergütungsabrede treffen wollte.
150Zudem wäre diese allenfalls für den genannten Zeitraum 05.10.2012 bis zum 04.12.2012 maßgeblich.
151IV.
152Ansprüche des Klägers sind auch nicht verwirkt.
1531)
154Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Es ist nicht Zweck der Verwirkung, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien.
155Einmal muss der Gläubiger mit der Geltendmachung des Anspruchs gezögert haben. Allein der Zeitablauf kann aber die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen. Für die Annahme einer Verwirkung müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:
156Es müssen zu dem Zeitmoment besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Dabei muss der Berechtigte unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
157Schließlich muss dem Schuldner jetzt die Erfüllung des Anspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten sein
158Dabei geht es bei der Verwirkung nicht darum, ob einem Schuldner die Erfüllungeiner Verbindlichkeit überhaupt zuzumuten ist, sondern ob ihm die verspätet geforderte Erfüllung, auf deren Leistung er sich nicht mehr eingestellt hatte, noch zuzumuten ist (BAG 13.08.2008, EzA AÜG § 10 Fiktion Nr. 121; BAG 23.07.2009, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113; BAG 20.04.2010, DB 2010,).
159Zwischen den Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf besteht dabei eine Wechselwirkung. Der erforderliche Zeitablauf kann umso kürzer sein, je gravierender die Umstände sind; umgekehrt sind an die Umstände desto geringere Anforderungen zu stellen, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (BAG 12.12.2006, EzA GG Art. 3 Nr. 105).
160Das Umstandsmoment für eine Verwirkung ist zu verneinen, wenn der Berechtigte von den ihm zustehenden Ansprüchen nichts weiß, insbesondere, wenn die Unkenntnis auf dem Verhalten des Verpflichteten beruht, wofür die Verwendung einer unwirksamen AGB-Klausel einen typischen Fall bildet (BAG 22.02.2012, DB 2012, 1932).
1612)
162Nach diesen Kriterien war von einer Verwirkung des Anspruchs nicht auszugehen.
163a)
164Zwar hat der Kläger mit der Geltendmachung eines Anspruchs auf Gewährung tariflichen Entgelts längere Zeit zugewartet und dabei vier tarifliche Entgelterhöhungen nicht zum Anlass genommen, geltend zu machen, er sei tarifgemäß zu vergüten.
165b)
166Allein dadurch hat er bei der Beklagten jedoch nicht den berechtigten Eindruck erweckt, diese werde künftig nicht mehr auf tarifkonforme Vergütung in Anspruch genommen.
167Allein die Nichtgeltendmachung ist dabei nicht geeignet, das erforderliche Umstandsmoment zu begründen.
168Auch die gerichtliche Geltendmachung von Bezahlung von Mehrarbeitsstunden unter Zugrundelegung des tatsächlich gewährten Entgelts und Nachgewährung von Urlaubstagen durfte bei der Beklagten nicht den Eindruck erwecken, sie werde hinsichtlich des nunmehrigen Begehrens nicht mehr in Anspruch genommen.
169Ein berechtigtes Vertrauen der Beklagten konnte sich lediglich insoweit entwickeln, als der Kläger Ansprüche gestellt hat. Dies könnte dazu führen, die Vergütung von Mehrarbeit nunmehr nicht mehr auf einer anderen Berechnungsbasis geltend machen zu können, als dies geschehen ist, soweit nicht ohnehin tarifliche Verfallfristen oder Verjährung dem entgegenstehen. Mit der Fragestellung, ob Arbeitsstunden über die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit hinaus als Mehrarbeit zu vergüten sind, war jedoch nicht die Frage verbunden, ob das der Klageforderung zugrunde gelegte Entgelt überhaupt das zutreffende ist.
170Der Kläger ist daher lediglich schlicht untätig geblieben in Bezug auf die Gewährung tariflichen Grundentgelts.
171Ein Erfordernis, der Nichtweitergabe tariflicher Erhöhungen in irgendeiner Form zu widersprechen, würde das Aufstellen von Handlungspflichten begründen, die eine Verwirkung von Ansprüchen nicht begründen kann (BAG 14.02.2007, EzA BGB 2002 § 242 Verwirkung Nr.2).
172Selbst ein in einem Aufhebungsvertrag enthaltenes negatives deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist allein nicht geeignet, ein Umstandsmoment für eine Verwirkung zu begründen (BAG 25.09.2013, ArbRB 2014, 7).
173Zudem ging die Beklagte nach ihrer Darlegung davon aus, sich mit der Vertragsänderung aus einer tariflichen Bindung lösen zu können. Wer aber selbst keine Kenntnis von möglichen Ansprüchen hat, kann auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung nicht konkret hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs vertrauen (BAG 25.09.2013, aaO).
174Soweit daher schon keine Gesichtspunkte gegeben sind, aufgrund derer die Beklagte darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, kam es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob der Beklagten die Erfüllung der Forderungen zumutbar ist.
175V.
176Über die Höhe des Anspruchs nach den Berechnungen des Klägers besteht kein Streit.
177Die Berechnungen des Klägers sind von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden.
178C.
179Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Gleiches gilt für die Kosten hinsichtlich der Geltendmachung für weitergehende Monate.
180Soweit der Kläger das Feststellungsbegehren zurückgenommen hat, war dieskostenmäßig nicht zu berücksichtigen, da die Frage der Anwendung des Lohntarifvertrages eine Zwischenfeststellung betrifft, die hinsichtlich der Zahlungsansprüche ohnehin zu entscheiden ist.
181Infolge grundsätzlicher Bedeutung war die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Tenor
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1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. April 2009 - 15 Sa 1458/08 - insoweit aufgehoben, als das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 4. September 2008 - 2 Ca 697/08-8 - hinsichtlich der Zahlung von 5.049,34 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Januar 2006 und der Zahlung von weiteren 4.034,89 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Februar 2008 abgeändert und insoweit die Klage abgewiesen hat.
-
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 4. September 2008 - 2 Ca 697/08-8 - teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:
-
a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 5.049,34 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Januar 2006 zu zahlen.
-
b) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 4.034,89 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Februar 2008 zu zahlen.
-
c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
-
2. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. April 2009 - 15 Sa 1458/08 - wird im Übrigen zurückgewiesen.
-
3. Die Kosten der ersten Instanz haben die Klägerin zu 30 % und die Beklagte zu 70 % zu tragen. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten darüber, ob ein Teilbetriebsübergang mit Branchenwechsel zu einem Wechsel des für ihr übergegangenes Arbeitsverhältnis maßgebenden Tarifrechts geführt hat.
-
Die Klägerin wurde zunächst auf der Grundlage eines schriftlichen Formulararbeitsvertrages vom 23. Oktober 1986 von der Stadt R, welche bei Vertragsschluss Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbandes war, in deren Krankenanstalten als sog. Putzhilfe beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält folgende Regelung:
-
„§ 2
Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31.01.1962 und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge, insbesondere der Anlage 9 zum BMT-G II und des Bezirkszusatztarifvertrages (BZT-G/NRW), in der jeweils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an deren Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung. ...“
- 3
-
Nachdem das Arbeitsverhältnis zunächst auf die ebenfalls dem kommunalen Arbeitgeberverband als Mitglied angehörende S-Klinikum R GmbH übergegangen war, übernahm die Beklagte von dieser den Bereich Reinigung, in dem die Klägerin beschäftigt war, mit Wirkung ab dem 1. Juli 2004. Die Klägerin hat dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nicht widersprochen.
- 4
-
Die Beklagte zahlt der Klägerin und den anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Reinigungsbereich Entgelt nach den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung. Demgegenüber fordert die Klägerin unter Berufung auf das im Rechtsstreit einer Kollegin ergangene Senatsurteil vom 29. August 2007 (- 4 AZR 767/06 - BAGE 124, 34 ) Vergütung nach den Vergütungstarifverträgen zum BMT-G II und ab Oktober 2005 nach Maßgabe des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD).
-
Ein anwaltliches Geltendmachungsschreiben vom 15. Oktober 2004 ging der Beklagten jedenfalls bis zum 28. Oktober 2004 zu. Darin heißt es ua.:
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„Wir fordern Sie daher auf, die Lohnansprüche unserer Mandantin auf der Grundlage des Lohntarifvertrages BMT-G (Arbeiter/Kommunen) Gruppe 3a Stufe 8 für die Monate Juli und August 2004 mit einem Grundlohn von 1.241,19 Euro brutto für 24 Stunden/Woche neu zu berechnen und die angefallene Mehrarbeit entsprechend zu vergüten.
... erwarten wir außerdem Ihre schriftliche Erklärung, dass Sie die künftig fällig werdenden Lohnansprüche unserer Mandantin auf der Grundlage des vorbezeichneten Tarifvertrages BMT-G vergüten werden.
...“
- 6
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Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin zuletzt noch Bruttodifferenzbeträge für den Zeitraum Juli 2004 bis zum 25. Dezember 2006 und tarifliches Urlaubsgeld für das Jahr 2005. Nach entsprechendem Vorbringen der Beklagten und Hinweis des Gerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 10. Juli 2008 ihre Vergütungsansprüche für den Zeitraum 1. November 2005 bis zum 25. Dezember 2006 nach den Bestimmungen des TVöD berechnet.
-
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
-
1.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.053,75 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 4.112,16 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 8
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Auf das Arbeitsverhältnis seien die für allgemeinverbindlich erklärten Rahmen- und Lohntarifverträge für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung anzuwenden. Das Bundesarbeitsgericht habe sich mit dem Urteil vom 29. August 2007 (- 4 AZR 767/06 -) in unzulässiger Weise von seiner bisherigen - jedenfalls noch für sog. Altverträge anzuwendenden - Rechtsprechung zur Auslegung von Bezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabrede entfernt. Falls jedoch ein Anspruch nach dem BMT-G II ab dem Betriebsübergang vom 1. Juli 2004 zuerkannt werde, sei dieser jedenfalls nicht dynamisch auch auf den TVöD bezogen. Schließlich seien Ansprüche der Klägerin für die Monate September 2004 bis einschließlich Juni 2005 nach § 63 Unterabs. 1 BMT-G II verfallen; § 63 Unterabs. 2 BMT-G II greife nicht, da die Klägerin für die Beklagte auf der Grundlage eines Stundenlohns tätig sei und sich deshalb die Vergütung monatlich ändere.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage im zuletzt beantragten Umfang stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Für die Klägerin hat es die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist ganz überwiegend begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im ganz Wesentlichen zu Unrecht abgewiesen.
- 11
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I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Klägerin könne sich nicht auf das Senatsurteil vom 29. August 2007 (- 4 AZR 767/06 - BAGE 124, 34) berufen, damit begründet, dass der Senat darin die für „Altfälle“ weiterhin einschlägigen Grundsätze der früheren Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede nicht konsequent durchgehalten habe. Vielmehr seien Gesichtspunkte eingeflossen, die eher den in der jüngeren Senatsrechtsprechung - für nach dem 1. Januar 2002 vereinbarte Klauseln - aufgestellten Auslegungsgrundsätzen entstammen würden. Damit sei der der Beklagten zustehende Vertrauensschutz verletzt worden. Nach der Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede fänden ab dem Zeitpunkt des Teilbetriebsübergangs zur Beklagten - dem 1. Juli 2004 - die für allgemeinverbindlich erklärten Rahmen- und Lohntarifverträge für die gewerblich Beschäftigten im Gebäudereinigerhandwerk auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
- 12
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II. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts geht fehl. Die Klägerin hat Anspruch auf Entgelt nach Maßgabe der tariflichen Regelungen des BMT-G II und der dazu abgeschlossenen Tarifverträge in der Fassung, die am 1. Juli 2004, dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs von der insoweit gebundenen S-Klinikum R GmbH zu der nicht an den BMT-G II gebundenen Beklagten galt. Das erstinstanzliche Urteil ist deshalb nahezu wiederherzustellen. Nur soweit das Arbeitsgericht für die Zeit ab Oktober 2005 und hinsichtlich des Urlaubsgelds für das Jahr 2005 höhere Beträge zugesprochen hat, weil es für diese Zeit zu Unrecht von der Anwendbarkeit des TVöD und der diesen Tarifvertrag ergänzenden Tarifverträge ausgegangen ist, ist die Klage zu Recht abgewiesen worden.
- 13
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1. Die tariflichen Regelungen des BMT-G II und der „zusätzlich“, ergänzend abgeschlossenen Tarifverträge (nachfolgend nur: BMT-G II) haben im Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Stadt R aufgrund der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages vom 23. Oktober 1986 individualvertragliche Rechte und Pflichten begründet. Hieran hat sich nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB durch die beiden Betriebs(teil-)übergänge nichts geändert, weshalb die Klägerin gegenüber der Beklagten die geltend gemachten Vergütungsansprüche hat, soweit sie auf der Anwendung des BMT-G II beruhen.
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a) Durch die Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages vom 23. Oktober 1986 sind die Regelungen der dort genannten Tarifverträge Inhalt des Arbeitsvertrages der damaligen Arbeitsvertragsparteien geworden. Auf der Grundlage der früheren, aus Gründen des Vertrauensschutzes für vor dem 1. Januar 2002 geschlossenen Verträge fortzuführenden Senatsrechtsprechung handelt es sich bei dieser Vertragsklausel um eine sogenannte Gleichstellungsabrede. Folge davon ist, dass die im Vertrag vorgesehene Dynamik der in den Arbeitsvertrag inkorporierten jeweiligen tariflichen Regelungen davon abhängig ist, dass die Arbeitgeberin die betreffenden Tarifverträge auch tarifrechtlich gegenüber den an diese Tarifverträge tarifgebundenen Arbeitnehmern anwenden muss.
- 15
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aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats galt die widerlegliche Vermutung, dass es einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum geht, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten hinsichtlich der Geltung des in Bezug genommenen Tarifwerks gleichzustellen. Der Senat ging davon aus, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages zu kommen und damit zu dessen Geltung für alle Beschäftigten (vgl. nur 23. Januar 2008 - 4 AZR 602/06 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 38; 1. Dezember 2004 - 4 AZR 50/04 - BAGE 113, 40, 42 f.; 25. September 2002 - 4 AZR 294/01 - BAGE 103, 9, 14; 21. August 2002 - 4 AZR 263/01 - BAGE 102, 275, 278 ff.).
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Daraus hat der Senat die Konsequenz gezogen, dass auch ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder Begleitumständen bei Vertragsschluss bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Bezugnahmeklauseln wie die im Arbeitsvertrag vom 23. Oktober 1986 in aller Regel als sogenannte Gleichstellungsabreden auszulegen seien (vgl. nur 10. Dezember 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn. 18 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 12 ff. mwN, BAGE 116, 326; 1. Dezember 2004 - 4 AZR 50/04 - Rn. 15 ff. mwN, BAGE 113, 40; 21. August 2002 - 4 AZR 263/01 - Rn. 16 ff. mwN, BAGE 102, 275). Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, dass die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik nur so weit reicht, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reicht, also dann endet, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden ist (vgl. im Einzelnen BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 28, BAGE 130, 43). Ab diesem Zeitpunkt sind die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden.
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bb) Diese Auslegungsregel zur Feststellung einer Gleichstellungsabrede hat der Senat aufgegeben. Er wendet sie aber aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (st. Rspr., vgl. nur 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 49, AP TVG § 3 Nr. 45 = EzA TVG § 3 Nr. 32; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326).
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cc) Da die im Arbeitsvertrag enthaltene dynamische Verweisung auf den BMT-G II am 23. Oktober 1986 vereinbart worden ist, kommt bei dessen Auslegung weiterhin die frühere Senatsrechtsprechung zum Tragen. Danach ist die Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages eine Gleichstellungsabrede. Sie verweist auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin tarifgebunden war. Auf diese Weise sind deren Regelungen mit der sich aus dem Charakter als Gleichstellungsabrede ergebenden Maßgabe Inhalt des Arbeitsvertrages der Klägerin geworden (zu vergleichbaren Klauseln BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 20, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 70 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 43; 10. Dezember 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn. 18, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 12 ff., BAGE 116, 326; 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - zu I 2 c der Gründe, BAGE 105, 284).
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b) Infolge des Betriebsübergangs auf die S-Klinikum R GmbH hat sich an dieser Rechtslage nichts geändert. Die so begründeten, aus dem in Bezug genommenen Tarifwerk herrührenden individualvertraglichen Rechte und Pflichten wurden nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auch Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Erwerberin(vgl. BAG 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - BAGE 105, 284, 286 f.; 26. September 2001 - 4 AZR 544/00 - BAGE 99, 120, 129). Da diese ebenfalls an den BMT-G II tarifgebunden war, änderte sich an der Dynamik der Bezugnahme nichts.
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c) Der BMT-G II galt auf individualvertraglicher Grundlage auch nach dem zweiten Betriebs(teil-)übergang des Bereichs Reinigung auf die Beklagte und dem damit verbundenen Branchenwechsel des Beschäftigungsbetriebs in den Bereich des Gebäudereinigerhandwerks weiter. Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB blieb das in § 2 des Arbeitsvertrages in Bezug genommene Tarifrecht Teil des auf die Beklagte übergegangenen Arbeitsvertrages.
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aa) Etwas anderes ergibt sich nicht schon von Rechts wegen.
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(1) An der fortdauernden Maßgeblichkeit der Rechte und Pflichten aus dem BMT-G II ändert der Umstand nichts, dass nunmehr im Arbeitsverhältnis das für allgemeinverbindlich erklärte Tarifrecht des Gebäudereinigerhandwerks Anwendung findet. Die normativ nach § 4 Abs. 1 iVm. § 5 TVG im Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Regelungen der Gebäudereinigertarifverträge werden nach § 4 Abs. 3 TVG durch günstigere arbeitsvertragliche Regelungen verdrängt. Hierzu gehören die von der Klägerin in Anspruch genommenen Entgeltregelungen des BMT-G II und der diesen ergänzenden Tarifverträge. Sie finden kraft im Arbeitsverhältnis privatautonom gebildeten Willens als Vertragsrecht Anwendung.
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(2) Die Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk sind auch nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB an die Stelle des vertraglich in Bezug genommenen Tarifrechts des öffentlichen Dienstes getreten. Aus Wortlaut und systematischer Stellung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB folgt, dass diese Bestimmung nur die grundsätzlich vorgesehene Transformation von Tarifrecht, das beim Betriebsveräußerer kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gegolten hat, in das Arbeitsverhältnis beim Erwerber verhindert oder beendet. Die Vorschrift ist nicht dazu bestimmt, auf beim Veräußerer vertraglich begründete Rechte und Pflichten Einfluss zu nehmen. § 613a Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB regeln ausschließlich - letztlich nach Spezialitätsgesichtspunkten modifiziert - den Erhalt von ursprünglich normativ begründeten Besitzständen nach einem Betriebsübergang, nach dem die Voraussetzungen für eine normative Weitergeltung entfallen sind. Vertragliche Rechtspositionen, auch wenn sie in einer privatautonomen Einbeziehung von Tarifrecht ihren Grund haben, gehen ohne Weiteres und uneingeschränkt nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB über. Ein anderes Verständnis stünde im Übrigen auch im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 der Betriebsübergangs-Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001, wonach Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsvertrag ohne Weiteres auf den Erwerber übergehen.
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bb) Die arbeitsvertragliche Verweisung nimmt nur den BMT-G II und die zugehörigen Tarifverträge, nicht auch die für die „andere“ Branche der Gebäudereinigung geltenden Tarifverträge in Bezug. Die Arbeitsvertragsparteien haben keine große dynamische Verweisung oder Tarifwechselklausel vereinbart.
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(1) Die Bezugnahme auf das Tarifwerk einer bestimmten Branche kann nur dann als große dynamische Verweisung, also als Bezugnahme auf den jeweils für den Betrieb fachlich/betrieblich einschlägigen Tarifvertrag, ausgelegt werden, wenn sich dies aus besonderen Umständen ergibt (BAG 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 17 mwN, BAGE 124, 34, 39). Eine solche Bezugnahme ist rechtlich möglich. Ein dahingehender Wille muss aber im Wortlaut des Vertrages einen hinreichend deutlichen Niederschlag gefunden haben oder sich aus den Begleitumständen bei Vertragsschluss ergeben.
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(2) Weder § 2 Satz 1 und 2 noch Satz 3 des Arbeitsvertrages vom 23. Oktober 1986 noch vorgetragene Umstände bei Vertragsschluss lassen einen Willen der vertragschließenden Parteien erkennen, die je nach Branchenzugehörigkeit des Beschäftigungsbetriebs einschlägigen Tarifverträge privatautonom zur Geltung zu bringen.
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Die Sätze 1 und 2 der vertraglichen Verweisungsklausel nennen nur die Tarifbestimmungen für die Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe in ihrer jeweils geltenden Fassung als Verweisungsobjekt. Nur dieses Tarifrecht haben die Arbeitsvertragsparteien in dem vom Arbeitgeber gestellten Vertrag in das Vertragsverhältnis inkorporiert.
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Auch aus Satz 3 ergibt sich nichts anderes. Zwar wird dort auf „die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge“ verwiesen. Schon aus der Einfügung des Wortes „sonstigen“ sowie aus der Einleitung des Satzes mit „Daneben finden“ ergibt sich aber, dass mit der vertraglichen Regelung nicht ein etwaiger Tarifwechsel vorbereitet wird. Vielmehr geht es in Satz 3 der Vereinbarung nur darum, auch nicht ausdrücklich angesprochene Tarifverträge, die für die damalige Arbeitgeberin des kommunalen öffentlichen Dienstes einschlägig waren oder werden sollten, neben dem Tarifwerk des BMT-G II zum Vertragsinhalt zu machen. Hierzu gehören die Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk nicht (vgl. auch BAG 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 18, BAGE 124, 34, 39 f.).
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Umstände bei Vertragsschluss, aus denen sich ein weitergehender Regelungswille der Arbeitsvertragsparteien ergeben könnte, trägt die Beklagte nicht vor.
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cc) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts führt auch der Umstand, dass die Verweisung in § 2 des Arbeitsvertrages als Gleichstellungsabrede auszulegen ist, nicht zu einem Wechsel des auf vertraglicher Grundlage anwendbaren Tarifrechts. Dies lässt sich weder aus Wortlaut und Sinn der Vertragsklausel noch aus dem Gedanken einer hierauf aufbauenden „entsprechenden Anwendung“ des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB herleiten.
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(1) Das mit dem Begriff „Gleichstellungsabrede“ gekennzeichnete Auslegungsergebnis einer Bezugnahmeklausel hatte und hat in der Rechtsprechung des Senats nicht den Inhalt, den am Vertrag beteiligten Arbeitnehmer in jeder Hinsicht wie ein Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft oder zumindest tarifrechtlich so wie einen an den in Bezug genommenen Tarifvertrag gebundenen Arbeitnehmer zu behandeln. Es ging und geht stets nur darum, den Arbeitnehmer vertraglich hinsichtlich des in Bezug genommenen Tarifvertrages oder Tarifwerkes so zu stellen, als wäre er an diesen Tarifvertrag gebunden. Wesentliche Rechtsfolge dieses Auslegungsergebnisses war es, die sich aus dem Wortlaut der Inbezugnahme ergebende Dynamik der tariflichen Inkorporierung auf die Zeit zu begrenzen, in der der Arbeitgeber ohnehin im Verhältnis zu tarifgebundenen Arbeitnehmern durch seine Verbandsmitgliedschaft an die Tarifentwicklung gebunden war. Eine Gleichstellung, die auch einen für Gewerkschaftsmitglieder normativ, beispielsweise aufgrund von § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB, eintretenden Tarifwechsel vertraglich nachvollzieht, kann zwar vereinbart werden, sie muss aber im Vertragswortlaut in der eben beschriebenen Weise zum Ausdruck kommen. Eine auf ein bestimmtes Tarifwerk bezogene Gleichstellungsklausel deckt eine Vertragsentwicklung, die einen auf einen Branchenwechsel folgenden Tarifwechsel mitumfasst, nicht ab (vgl. hierzu auch BAG 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 17, BAGE 124, 34, 39).
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(2) In seinem Urteil vom 29. August 2007 hat der Senat im Einzelnen begründet, warum im Verhältnis zwischen einer vertraglich vereinbarten Tarifgeltung und einem normativ geltenden Tarifvertrag im Hinblick auf die unterschiedlichen Regelungsebenen auch eine entsprechende Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB nicht in Betracht kommt (- 4 AZR 767/06 - Rn. 19 mwN zu den hierzu in der Literatur vertretenen Auffassungen, BAGE 124, 34, 40). Der Senat nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug, da neue Gesichtspunkte im vorliegenden Rechtsstreit nicht angesprochen worden sind.
- 33
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dd) Die Beklagte und das Landesarbeitsgericht berufen sich zur Rechtfertigung ihrer entgegengesetzten Rechtsauffassungen, was die Bedeutung und Wirkung einer Gleichstellungsabrede in Fällen wie dem vorliegenden angeht, zu Unrecht auf die Senatsentscheidungen vom 4. September 1996 (- 4 AZR 135/95 - BAGE 84, 97) und 23. Januar 2008 (- 4 AZR 602/06 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 38). Es wird hier schon übersehen, dass die beiden angezogenen Urteile grundlegend andere Sachverhalte betrafen, weshalb die dort getroffenen Aussagen auch nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar sind.
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(1) Das von der Beklagten angeführte Senatsurteil vom 4. September 1996 (- 4 AZR 135/95 - BAGE 84, 97) betraf eine arbeitsvertragliche Verweisungsklausel, die keine Tarifwechselklausel zum Inhalt hatte. Sie war in einem Fall des Verbandswechsels des Arbeitgebers korrigierend dahin ausgelegt worden, dass eine Verweisung auf den jeweils für den Betrieb geltenden Tarifvertrag vereinbart worden sei. Diese Rechtsprechung hat der Senat ausdrücklich aufgegeben (22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 73, BAGE 130, 286; s. bereits 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 24 f., BAGE 128, 165, 171). Zudem erfolgte die Auslegung im Urteil vom 4. September 1996 jedenfalls auf der deutlich herausgestellten Grundlage, dass der Vertragspartner der von unterschiedlichen Arbeitgeberverbänden abgeschlossenen Tarifverträge jeweils dieselbe Gewerkschaft war, der zudem auch die damalige Klägerin angehörte. Mit dieser Ausgangslage ist der vorliegende Fall bereits deshalb nicht vergleichbar, weil ein Branchenwechsel in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Gewerkschaft - als der die das in Bezug genommene Tarifwerk abgeschlossen hat - stattgefunden hat (vgl. auch 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 24 f., BAGE 128, 165, 171).
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(2) Auch soweit das Landesarbeitsgericht auf das Senatsurteil vom 23. Januar 2008 (- 4 AZR 602/06 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 38) hinweist, worin der Senat zu seiner eigentlichen Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede zurückgekehrt sei, werden der dort behandelte Lebenssachverhalt ausgeblendet und die dortigen Rechtsausführungen im entscheidenden Punkt nicht ausreichend gewürdigt. In der Entscheidung ging es bei der Würdigung einer als Gleichstellungsabrede zu bewertenden Bezugnahmeklausel darum, ob nach einem Betriebsübergang an die Stelle eines von der arbeitsvertraglichen Verweisung mitumfassten, beim Veräußerer abgeschlossenen Haustarifvertrages wieder die flächentarifvertraglichen Regelungen getreten waren, die ebenfalls von der arbeitsvertraglichen Verweisung erfasst und die von derselben Gewerkschaft vereinbart worden waren wie der Haustarifvertrag. Zur Klärung der Rechtslage griff der Senat auf den auch hier zugrunde gelegten Ansatz zurück, es gehe auf der Grundlage der vereinbarten Gleichstellungsabrede darum, den dortigen Kläger so zu stellen, „als sei er wie ein Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft … ebenso wie der Arbeitgeber an die in Bezug genommenen Tarifverträge der Branche gebunden“ (- 4 AZR 602/06 - aaO). Nur für die Auswahlentscheidung, auf welche der in Bezug genommenen Tarifwerke sich die Verweisung in der konkret eingetretenen Situation bezieht, hat der Senat in seiner vergleichenden Betrachtung der Rechtslage bei den tarifgebundenen Arbeitnehmern - ohne dass es darauf entscheidend ankam - § 613a Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB angesprochen. Eine Rechtfertigung dafür, aus einer auf ein bestimmtes Tarifwerk bezogenen Gleichstellungsabrede auf eine vertragliche Inbezugnahme eines für eine andere Branche durch eine andere Gewerkschaft abgeschlossenen nicht genannten Tarifwerkes zu schließen, lässt sich daher aus der angezogenen Entscheidung nicht entnehmen.
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2. Das Arbeitsgericht ist allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass auf das Arbeitsverhältnis seit dem Inkrafttreten des TVöD/VKA das dortige Tarifrecht kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbar sei. Soweit die Klageforderung der Höhe nach hierauf beruht, hat das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten die Klage zu Recht abgewiesen. Insoweit ist die Revision zurückzuweisen.
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Aus dem bereits beschriebenen Inhalt einer Gleichstellungsabrede, wie sie sich im Vertrag der Klägerin vom 23. Oktober 1986 findet, folgt, dass mit dem Wegfall der Tarifgebundenheit auf Arbeitgeberseite an die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge die vertraglich vereinbarte Dynamik endet. Die Arbeitgeberin ist an danach vereinbarte Tarifänderungen nicht mehr gebunden. Da die arbeitgeberseitige Tarifgebundenheit an den BMT-G II im Falle der Klägerin mit dem Betriebsteilübergang auf die Beklagte am 1. Juli 2004 geendet hat, kann die Klägerin keine Leistungen auf der Grundlage des dieses Tarifwerkes erst am 1. Oktober 2005 ablösenden TVöD/VKA verlangen. Sie ist auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Rechte aus dem BMT-G II beschränkt, wie sie sich zum Stand 1. Juli 2004 ergeben.
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3. Aus alledem folgt, dass die Klage wegen eines Zahlungsbetrags von 5.049,34 Euro brutto (Antrag zu 1) und 4.034,89 Euro brutto (Antrag zu 2) in erster Instanz zu Recht Erfolg hatte und das Urteil des Arbeitsgerichts in diesem Umfang wiederherzustellen ist. Nur wegen eines Teilbetrags von 81,68 Euro brutto ist der Klage zu Unrecht entsprochen worden, weshalb die Revision keinen Erfolg hat.
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a) Die zur Berechnung der Klageforderung erforderlichen Tatsachen stehen zwischen den Parteien fest. Die Klägerin konnte für die Zeit zwischen dem 1. Juli 2004 und dem 25. Dezember 2006 auf der Grundlage des BMT-G II (29 x 1.241,19 + 992,95 =) 36.987,46 Euro brutto an laufendem Entgelt sowie ihrer Teilzeitquote entsprechend 207,14 Euro brutto Urlaubsgeld beanspruchen. Sie hat ausweislich der vorliegenden Abrechnungen für den Streitzeitraum insgesamt 28.110,37 Euro brutto auf der Grundlage der Gebäudereinigertarifverträge erhalten, woraus sich die zuerkannte Gesamtdifferenz von 9.084,23 Euro brutto ergibt. Auf die darüber hinaus vom Arbeitsgericht nach Maßgabe des TVöD/VKA zuerkannten 81,68 Euro hat sie keinen Anspruch.
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b) Die errechneten Zahlungsansprüche sind nicht verfallen. Die Klägerin hat mit anwaltlichem Schreiben vom 15. Oktober 2004 ihre Forderung auf Weiterzahlung des Monatsentgelts von 1.241,19 Euro brutto für die 24-Stunden-Woche nach BMT-G II ab dem 1. Juli 2004 und für die Zukunft ausreichend geltend gemacht. Das tarifliche Urlaubsgeld für das Jahr 2005 wurde mit der Klageschrift vom 12. Januar 2006, der Beklagten zugestellt am 19. Januar 2006, rechtzeitig verlangt.
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aa) Nach dem unverändert auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anwendbaren § 63 BMT-G II verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um einen Verfall auch für später fällig werdende Leistungen zu verhindern.
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Ist also ein Anspruch nach § 63 Unterabs. 1 BMT-G II ordnungsgemäß geltend gemacht worden, lässt § 63 Unterabs. 2 BMT-G II diese Geltendmachung für denselben Sachverhalt aus Gründen der Vereinfachung auch für später fällig werdende Leistungen ausreichen (BAG 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168).
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bb) Die in diesem Sinne für § 63 BMT-G II ausreichende „einmalige Geltendmachung“ geschah, was die laufende Vergütung angeht, mit dem bereits zitierten Anwaltsschreiben vom 15. Oktober 2004 für den Monat Juli 2004 innerhalb der Sechs-Monats-Frist. Dabei wurde nicht nur die wörtlich angesprochene Abrechnung, sondern auch eine entsprechende Zahlung ebenfalls verlangt. Da die Bezüge ständiger Natur waren, reichte nach § 63 Unterabs. 2 BMT-G II die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus. Soweit die Beklagte dem eine ständige Änderung der monatlichen Zahlungsbeträge auf der Basis eines Stundenlohns entgegenhält, bezieht sich dies nicht auf die der Klägerin zustehenden und von ihr geltend gemachten ständig gleichen Beträge, sondern auf die gegengerechneten Zahlungen der Beklagten unter Anwendung eines anderen Tarifvertrages. Auf diese aus dem Bereich der Beklagten stammende Unregelmäßigkeit der Differenzbeträge kommt es für die Wahrung der Ausschlussfrist nach § 63 BMT-G II, was den der Klägerin zustehenden monatlichen Festbetrag angeht, nicht an.
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4. Den Zinsausspruch des Arbeitsgerichts hat die Beklagte nicht angegriffen.
- 45
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III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 1 und 2, § 97 ZPO.
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Die Kosten erster Instanz waren nach § 92 Abs. 1 ZPO im Verhältnis des dortigen Unterliegens und Obsiegens gesondert zu verteilen, nachdem das Arbeitsgericht die ursprünglich eingelegte Zahlungsklage wegen eines Teilbetrags abgewiesen hat und die Klägerin hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt hatte.
-
Die Kostenentscheidung für die zweite und dritte Instanz beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, weil die Zuvielforderung der Klägerin, was den für diese Instanzen verbliebenen Streitgegenstand angeht, nur geringfügig ist und deshalb unberücksichtigt bleiben kann.
-
Bepler
Treber
Winter
Kralle-Engeln
Weßelkock
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 5. November 2009 - 17 Sa 724/09 - aufgehoben:
-
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 8. April 2009 - 2 Ca 1808/08 - wird zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten darüber, welche tariflichen Regelungen aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.
-
Der Kläger ist seit dem 1. September 1991 im Klinikbetrieb der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. In dem am 6. November 1991 mit der Stiftung W-Klinik, einem Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes (KAV), geschlossenen Arbeitsvertrag heißt es unter § 2:
-
„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.“
-
Die nicht tarifgebundene Beklagte übernahm mit Wirkung zum 5. September 2002 den Klinikbetrieb im Wege des Betriebsübergangs. Am 29. März 2004 schlossen die Beklagte und die Versorgungsgesellschaft W-Klinik mbH einerseits sowie der bei ihnen gebildete Betriebsrat der A W-Klinik einen „Interessenausgleich“, der ua. wie folgt lautet:
-
„§ 1 Gegenstand
Um die Überlebensfähigkeit der Klinik zu sichern, werden folgende Maßnahmen ergriffen:
…
3.
Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Dauer von zunächst drei Jahren beginnend für das Kalenderjahr 2004.
4.
Verzicht auf 5% des Bruttoentgeltes beginnend ab Abrechnungsmonat April 2004.
5.
Hälftige Beitragszahlung der jeweiligen Zusatzversorgung (ZKW/VBLU) durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer beginnend ab Abrechnungsmonat April 2004.
…“
-
Unter dem Datum des 31. März 2004/5. April 2004 schlossen die Parteien einen „Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag“, in dem es ua. heißt:
-
„§ 1
Das Bruttoentgelt des Mitarbeiters wird mit Wirkung ab dem 01.04.2004 auf
2.389,18 €
monatlich
festgesetzt.
§ 2
Der Mitarbeiter verzichtet für einen Zeitraum von zunächst drei Jahren auf Weihnachts- und Urlaubsgeld.
…
§ 3
Die Zusatzversorgung über die ZKW / VBLU bleibt weiterhin erhalten. Die Beiträge werden mit Wirkung ab dem 01.04.2004 wie folgt abgerechnet:
Der Arbeitgeber trägt 50% der Beiträge. Die andere Beitragshälfte wird durch den Arbeitnehmer getragen und durch den Arbeitgeber im Rahmen der monatlichen Gehaltsabrechnung einbehalten und an den Versicherungsgeber überwiesen.“
-
Seither erhält der Kläger unverändert das vereinbarte Bruttoentgelt. Am 8. Juni 2007/5. Juli 2007 schlossen die Parteien einen weiteren Änderungsvertrag „zum Arbeitsvertrag und zum Änderungsvertrag vom 31.03.2004“, der ua. wie folgt lautet:
-
„§ 2 des Änderungsvertrages vom 31.03.2004 wird mit Wirkung vom 01.01.2007 durch folgende Regelung ersetzt:
Der Arbeitnehmer verzichtet beginnend mit dem Jahr 2007 für weitere 3 Jahre bis zum 31.12.2009 auf jedwede Sonderzahlung, insbesondere die Weihnachtszuwendung und Urlaubsgeld aus dem nachwirkenden Tarifvertrag BAT / BMTG.
…
Des Weiteren bleibt es bei den bisherigen Arbeitsbedingungen.“
- 6
-
Der Kläger will die Anwendbarkeit des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst in der für die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVöD/VKA) einschließlich des besonderen Teils für die Krankenhäuser (BT-K) festgestellt wissen. Aufgrund der Regelung in § 2 des Arbeitsvertrages aus dem Jahr 1991 sei der TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 1. August 2006 - unter Beachtung der vertraglichen Änderungen aus den Jahren 2004 und 2007 - auf sein Arbeitsverhältnis anzuwenden. Bei der Bezugnahmeregelung handele es sich nicht um einen „Altvertrag“ iSd. früheren Rechtsprechung zur sog. Gleichstellungsabrede. Mit Abschluss der Änderungsverträge in den Jahren 2004 und 2007 sei der Vertrag aus dem Jahr 1991 vielmehr wie ein „Neuvertrag“ auszulegen. Denn es sei gleichzeitig die Bezugnahme auf den BAT erneuert worden.
-
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
-
festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst BT-K anzuwenden ist mit der Maßgabe, dass
1.
das dem Kläger zustehende Bruttoentgelt 95 % des TVöD-Entgelts beträgt,
2.
die Jahressonderzahlung gem. § 20 TVöD befristet für die Zeit bis zum Jahr 2009 nicht zu zahlen ist,
3.
die Beiträge zur Zusatzversorgung von der Beklagten zu 50 % und von dem Kläger zu 50 % getragen werden.
- 8
-
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Es fehle bereits an einem Feststellungsinteresse des Klägers. Bei der Regelung in § 2 des Arbeitsvertrages vom 6. November 1991 handele es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede. Aus den beiden späteren Änderungsverträgen folge nichts anderes. Es fehle an einer ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt blieben“, weshalb die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Juli 2008 (- 10 AZR 606/07 -) nicht einschlägig sei. Erforderlich sei eine nach dem 31. Dezember 2001 erfolgte Willenserklärung, um von einem „Neuvertrag“ ausgehen zu können.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 10
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Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der zulässigen Klage zu Unrecht stattgegeben.
- 11
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I. Die Feststellungsklage ist entgegen der Auffassung der Beklagten zulässig.
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1. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
- 13
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a) Gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Der Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen klar umrissen sein (BAG 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 11, AP ZPO § 253 Nr. 50 = EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 3; 19. Februar 2008 - 9 AZR 70/07 - Rn. 16, BAGE 126, 26), so dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung (§ 322 ZPO)zwischen den Parteien entschieden werden kann. Bei einer Feststellungsklage sind grundsätzlich keine geringeren Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen als bei einer Leistungsklage (BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 735/07 - Rn. 53, AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 20). Dabei kann sich eine Feststellungsklage auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage -. Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (st. Rspr., BAG 26. Januar 2011 - 4 AZR 333/09 - Rn. 12; 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165).
- 14
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b) Danach ist der Antrag hinreichend bestimmt. Entgegen der Auffassung der Revision bleibt nicht unklar, in welchem zeitlichen Umfang rechtskräftig über die begehrte Feststellung entschieden werden soll. Der nach seinem Wortlaut und dem bisherigen Vorbringen des Klägers gestellte Feststellungsantrag ist gegenwartsbezogen. Der Kläger will für das mit der Beklagten bestehende Rechtsverhältnis gegenwärtig geklärt wissen, dass der im Antrag genannte Tarifvertrag darauf anzuwenden ist. Die begehrte Feststellung entfaltet dann Wirkungen für die Zukunft. Ein gegenwartsbezogener Feststellungsantrag bezieht sich auch noch im Revisionsverfahren nicht auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt, sondern auf die letzte mündliche Verhandlung vor dem Revisionsgericht (ausf. BAG 14. Dezember 2004 - 1 ABR 51/03 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 113, 82).
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2. Dem Kläger steht weiterhin das für die begehrte Feststellung nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse zu. Das Feststellungsinteresse folgt schon aus den unterschiedlichen Auffassungen der Parteien über die Anwendbarkeit der TVöD-K auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis. Auch ist der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gehalten, eine Leistungsklage zu erheben. Er hat gerade nicht die Klärung eines vergangenen, sondern einen gegenwärtigen Rechtsverhältnisses zum Gegenstand seines Feststellungsantrages gemacht, mit dem er geklärt wissen möchte, welcher Tarifvertrag für sein Arbeitsverhältnis maßgebend ist. Hierfür ist ein Feststellungsantrag die gebotene Klageart (vgl. nur BAG 10. März 1993 - 4 AZR 264/92 - zu I der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Brotindustrie Nr. 3 = EzA TVG § 4 Brot- und Backwarenindustrie Nr. 1; 15. Juli 1992 - 7 AZR 491/91 - zu A 2 der Gründe, AP BPersVG § 46 Nr. 19).
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II. Die Klage ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unbegründet.
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Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der TVöD/VKA einschließlich des besonderen Teils für die Krankenhäuser (BT-K) im beantragten Umfang, der nach der Prozessvereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 9. Januar 2003 für den Dienstleistungsbereich der Krankenhäuser als „Durchgeschriebene Fassung des TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K)“ erstellt wurde, nicht anzuwenden. Die Anwendbarkeit folgt weder aus der Bezugnahmeklausel des Arbeitsvertrages vom 6. November 1991 noch aus den Änderungsverträgen der Jahre 2004 und 2007. Entgegen dem Landesarbeitsgericht ist die Bezugnahmeklausel nach wie vor als sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats auszulegen.
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1. Der Arbeitsvertrag der Parteien sowie die Änderungsverträge sind Formularverträge. Die Auslegung derartiger typischer Vertragsklauseln kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (st. Rspr., etwa BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 15 mwN, BAGE 132, 261 ).
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2. Bei der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages vom 6. November 1991 handelt es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats.
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a) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats waren bei entsprechender Tarifgebundenheit des Arbeitgebers Bezugnahmeklauseln wie die im Arbeitsvertrag der Parteien in aller Regel als sogenannte Gleichstellungsabreden auszulegen (zu einer inhaltsgleichen Bezugnahmeklausel BAG 10. Dezember 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn. 18 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68). Diese verweisen dynamisch auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge und der Arbeitgeber ist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tarifgebunden gewesen. Jedoch führt der Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers dazu, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung anzuwenden sind, die zum Zeitpunkt des Eintritts der fehlenden Tarifgebundenheit galt. Diese Auslegungsregel wendet der Senat aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (st. Rspr., BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 18 mwN, BAGE 132, 261; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326).
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b) Das Landesarbeitsgericht ist entgegen dem Einwand der Revision auch zutreffend davon ausgegangen, dass es sich vorliegend nicht um eine statische, sondern eine dynamische Verweisung auf die jeweiligen in der Bezugnahmeklausel genannten Tarifverträge handelt. Dafür spricht bereits der Wortlaut der arbeitsvertraglichen Verweisung. Es fehlt an einer konkreten Benennung des in Bezug genommenen Tarifvertrages nach einem bestimmten Datum oder einer nicht auf einen anderen, etwa einen Nachfolgetarifvertrag übertragbaren Bezeichnung. Vielmehr wird nicht nur auf den „BAT“, sondern ua. auch auf die „ändernden oder ersetzenden“ Tarifverträge verwiesen. Insbesondere durch solche Zusätze wird der Wille deutlich, eine dynamische Verweisung vornehmen zu wollen (BAG 19. September 2007 - 4 AZR 710/06 - Rn. 22 mwN, AP BGB § 133 Nr. 54 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 36).
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c) Damit ging das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB mit dem zur Zeit des Betriebsübergangs geltenden tariflichen Regelungsbestand auf die Beklagte über.
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3. Die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien ist auch nach Abschluss der Änderungsverträge im Jahr 2004 und im Jahr 2007 nach wie vor als Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats auszulegen. Die Vertragsänderungen führen nicht dazu, dass der Arbeitsvertrag in Bezug auf die Bezugnahmeklausel nunmehr als „Neuvertrag“ zu bewerten ist.
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a) Für Arbeitsverträge, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 geschlossen worden sind („Neuverträge”), wendet der Senat die Auslegungsregel der Gleichstellungsabrede nicht an. Die Auslegung von Verweisungsklauseln in diesen Arbeitsverträgen hat sich in erster Linie an deren Wortlaut zu orientieren (ausf. BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 26, 28, BAGE 122, 74).
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b) Kommt es in Arbeitsverhältnissen mit einer Bezugnahmeklausel, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden ist („Altvertrag“), nach dem 31. Dezember 2001 zu einer Arbeitsvertragsänderung, hängt die Beurteilung, ob es sich hinsichtlich dieser Klausel um einen Alt- oder Neuvertrag handelt, darauf an, ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Parteien des Änderungsvertrages gemacht worden ist.
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aa) Bei den zwischen den Parteien vereinbarten Änderungsverträgen handelt es sich um Formularverträge, die nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen sind, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten. Die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden ( BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 24, BAGE 132, 261; 4. Juni 2008 - 4 AZR 308/07 - Rn. 30 mwN).
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bb) Diese Grundsätze gelten auch für arbeitsvertragliche Verweisungsklauseln im Rahmen von Vertragsänderungen. Bei einer Änderung eines Altvertrages nach dem 1. Januar 2002 kommt es für die Beurteilung, ob die Auslegungsmaßstäbe für „Neu-“ oder für „Altverträge“ maßgebend sind, darauf an, ob die Klausel im Änderungsvertrag zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der hieran beteiligten Vertragsparteien gemacht worden ist (BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 25, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 75 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 47; 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 23 bis 25, BAGE 132, 261). Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, liegt beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“ (vgl. für die Bewertung dieses Regelungsbeispiels BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 49, BAGE 127, 185). Eine solche Regelung hindert die Annahme eines „Altvertrages“ und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ( BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 25, aaO). Allerdings führt allein der Umstand einer Vertragsänderung nicht dazu, dass zugleich stets alle vertraglichen Regelungen des ursprünglichen Arbeitsvertrages erneut vereinbart oder bestätigt würden. Ob eine solche Abrede gewollt ist, ist anhand der konkreten Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.
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c) Danach sind die vom Kläger und der Beklagten vereinbarten Arbeitsvertragsänderungen hinsichtlich der Bezugnahmeklausel nicht als „Neuvertrag“ anzusehen.
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aa) Dies gilt zunächst für den Änderungsvertrag aus dem Jahr 2004. Dessen Regelungen beinhalten keinerlei ausdrücklichen noch sonst sich erschließenden Abänderungs- oder Neufassungsgehalt hinsichtlich der bestehenden vertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag vom 6. November 1991. Änderungsgegenstand sind allein - entsprechend den Regelungen des Interessenausgleichs - die Absenkung des monatlichen Bruttoentgelts (§ 1), ein zeitlich begrenzter Verzicht auf „Weihnachts- und Urlaubsgeld“ (§ 2)sowie die Änderung der Beitragsanteile von Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die Zusatzversorgung (§ 3). Alle anderen Haupt- und Nebenleistungspflichten bleiben unerwähnt. Den vereinbarten Änderungen lassen sich auch keine Anhaltspunkte entnehmen, die Parteien gingen - jedenfalls nunmehr - von einer unbedingten zeitdynamischen Verweisung auf die im Arbeitsvertrag vom 6. November 1991 genannten Tarifverträge aus. Ein anderes folgt weiterhin nicht aus dem Einleitungstext, wonach es sich um einen „Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag“ handelt. Hierdurch wird lediglich eine Verknüpfung zum ursprünglichen Arbeitsvertrag hergestellt, ohne allerdings dessen Inhalt insgesamt in die rechtsgeschäftliche Willensbildung einzubeziehen (vgl. auch BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 27, BAGE 132, 261).
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bb) Gleiches gilt im Ergebnis für die vorliegende Abrede im Änderungsvertrag vom 8. Juni 2007/5. Juli 2007. Ein anderes folgt nicht aus dem Wortlaut „Des Weiteren bleibt es bei den bisherigen Arbeitsbedingungen.“ Das ergibt die Auslegung des Änderungsvertrages im vorliegenden Fall.
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(1) Dabei kann dahinstehen, ob es sich - wie die Revision meint - bei dem vorstehend genannten Vertragsbestandteil im Änderungsvertrag lediglich um eine deklaratorische Vertragsbestimmung handelt, weil die Parteien nur eine reine Wissenserklärung ohne „Rechtsbindungs- bzw. Erklärungswille“ abgegeben hätten, oder der Vertragsinhalt auch insoweit konstitutive Bedeutung hat (vgl. BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 38 mwN, BAGE 130, 237), weil es sich um übereinstimmende Willenserklärungen handelt, wovon auch das Landesarbeitsgericht im Ergebnis ausgegangen ist. Selbst wenn man entgegen der Auffassung der Beklagten von einer konstitutiven Regelung ausgeht, führt dies hinsichtlich der Bezugnahmeklausel nicht zur Annahme eines „Neuvertrages“.
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(2) Bezugspunkt der vertraglichen Regelungen im Änderungsvertrag aus dem Jahr 2007 sind nicht die vertraglichen Abreden aus dem Jahr 1991, sondern die „bisherigen Arbeitsbedingungen“, bei denen es verbleiben soll.
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Hierzu gehört auch die vertragliche Bezugnahmeregelung, die bisher jedoch als Gleichstellungsabrede vereinbart war. Die Arbeitsbedingungen der Parteien waren im Jahr 2007 so gestaltet, dass auch unter Berücksichtigung des Änderungsvertrages aus dem Jahr 2004 die Bezugnahmeklausel aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag vom 6. November 1991 nach wie vor als sog. Gleichstellungsabrede verstanden wurde (unter 2 und 3 c). Dem entsprachen die nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB bestehenden Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnis. Die Arbeitsvertragsparteien haben ihr Arbeitsverhältnis dementsprechend durchgeführt. Seit der Anpassung des Bruttoentgelts durch den ersten Änderungsvertrag im Jahr 2004 erhielt der Kläger eine unveränderte Vergütung. Die Veränderungen im tariflichen Entgelt im Bereich der VKA wurden für das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht nachvollzogen. Zu den Arbeitsbedingungen im Jahr 2007 gehörte die statische Anwendung der vertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge.
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Eine Aufnahme der vertraglichen Vereinbarungen in den Änderungsvertrag, wie sie der Zehnte Senat zu beurteilen hatte (vgl. BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 49, BAGE 127, 185; sowie unter 3 b bb) und deren „Neuabschluss“ kann dem Wortlaut der vertragsändernden Abrede aus dem Jahr 2007 nicht entnommen werden. Das unterscheidet die vorliegende Fallgestaltung auch von derjenigen in der Entscheidung des Senats vom 24. Februar 2010. In dem damals entschiedenen Fall war in dem Änderungsvertrag ausdrücklich auf die „jeweilige Fassung“ der „einschlägigen Tarifverträge“ verwiesen worden (- 4 AZR 691/08 - Rn. 26, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 75 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 47).
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Der Fortbestand der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede ergibt sich auch aus dem Wortlaut einer weiteren Regelung des Änderungsvertrages. Die Parteien haben bei der Verlängerung des Verzichts auf „jedwede Sonderzahlung“ sich ausdrücklich auf „die Weihnachtszuwendung und Urlaubsgeld aus dem nachwirkenden Tarifvertrag BAT / BMTG“ bezogen. Diesen Tarifverträgen kam zwar in Bezug auf die Parteien keine Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG zu. Die Nennung dieser Tarifwerke ist indes nur verständlich, wenn die Parteien davon ausgegangen sind, diese Tarifregelungen seien nach wie vor für das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis maßgebend, obwohl sie im tariflichen Bereich durch den TVöD/VKA nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Spiegelstrich 1 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts bereits abgelöst worden waren(dazu BAG 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 22 ff., BAGE 130, 286). Damit haben die Parteien zum Ausdruck gebracht, dass es aus ihrer Sicht gerade nicht zu einer unbedingten zeitdynamischen Anwendung der in Bezug genommenen Tarifwerke und ihrer Nachfolgeregelungen gekommen ist oder in Zukunft kommen soll. Diesen Regelungswillen haben sie durch den Wortlaut des Vertrages vom 8. Juni 2007/5. Juli 2007 bestätigt.
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Bepler
Creutzfeldt
Treber
Bredendiek
Th. Hess
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder § 61a Abs. 3 oder 4 gesetzten Frist nicht vorgebracht worden sind, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Landesarbeitsgerichts glaubhaft zu machen.
(3) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen § 282 Abs. 1 der Zivilprozessordnung nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 der Zivilprozessordnung nicht rechtzeitig mitgeteilt worden sind, sind nur zuzulassen, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei das Vorbringen im ersten Rechtszug nicht aus grober Nachlässigkeit unterlassen hatte.
(4) Soweit das Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nach den Absätzen 2 und 3 zulässig ist, sind diese vom Berufungskläger in der Berufungsbegründung, vom Berufungsbeklagten in der Berufungsbeantwortung vorzubringen. Werden sie später vorgebracht, sind sie nur zuzulassen, wenn sie nach der Berufungsbegründung oder der Berufungsbeantwortung entstanden sind oder das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf Verschulden der Partei beruht.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter ihrer Zurückweisung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 22. Mai 2013 (2 Ca 1500/12) teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsabgeltung in Höhe von 4.800,12 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3. Oktober 2012 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger Arbeitslohn für den Monat August 2012 in Höhe von weiteren 3.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. September 2012 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Monate September 2012 bis August 2013 eine Karenzentschädigung in Höhe von insgesamt 25.400,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.250,00 Euro seit 1. Oktober 2012, 1. November 2012, 1. Dezember 2012, 1. Januar 2013, 1. Februar 2013, 1. März 2013, 1. April 2013, 1. Mai 2013, 1. Juni 2013, 1. Juli 2013 und 1. August 2013 sowie aus jeweils 1.450,00 Euro seit 1. August 2013 und 1. September 2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 47,8 %, die Beklagte zu 52,2 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 43,2 %, die Beklagte zu 56,8 %.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung diverser vom Kläger geltend gemachter Vergütungsansprüche. Es geht zum einen um die Zahlung einer variablen Vergütung in Höhe von 15.000,00 Euro brutto für die Zeit vom 13. Februar 2012 bis 31. August 2012. Hilfsweise macht der Kläger einen von der Beklagten für hierauf geleistete Vorschusszahlungen im Monat August 2012 einbehaltenen Betrag von 3.000,00 Euro brutto geltend. Darüber hinaus verlangt der Kläger die Zahlung einer weiteren Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.199,88 Euro brutto sowie die Zahlung einer Karenzentschädigung für die Zeit vom 1. September 2012 bis 31. August 2012 in Höhe von insgesamt 30.800,00 Euro brutto.
3Die Beklagte ist spezialisiert auf die Herstellung und den Vertrieb von Produkten für die UV-Phototherapie. Das Unternehmen ist aus der Insolvenz der Firma T GmbH hervorgegangen, über deren Vermögen das Amtsgericht Bielefeld mit Beschluss vom 1. Juni 2010 (43 IN 580/10) das Insolvenzverfahren eröffnet hat. Der Kläger stand vom 13. Februar 2012 bis zum 31. August 2012 bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis als „Manager International Sales“. Als solcher war er seit dem 1. März 2012 tatsächlich tätig. Grundlage der Tätigkeit des Klägers war ein schriftlicher Arbeitsvertrag nebst Zielvereinbarung vom 13. Februar 2012 (wegen der Einzelheiten vgl. K1 zur Klageschrift, Bl. 10 bis 15 d. A.) Der Arbeitsvertrag enthält u. a. folgende Regelungen:
42. Art der Tätigkeit
5… Zu seinem Aufgabengebiet gehört die Betreuung und Pflege der bestehenden Vertriebspartner, die Akquise neuer Vertriebspartner in den europäischen Kernmärkten. Desweiteren gehört zu seinen Aufgaben die Marktrecherche der relevanten Märkte und die strukturierte Marktbearbeitung dieser Verkaufsgebiete. Der Arbeitnehmer ist verantwortlich für den Abschluss von Vertriebspartnerverträgen, der Aufstellung von Umsatzforecasts, und er unterstützt die Vertriebspartner bei der Vermarktung der Produkte an ihre Kunden. …
66. Vergütung
7a.) Der Arbeitnehmer erhält ein jährliches Festgehalt von EUR 48.000 (in Worten: achtundvierzig tausend Euro) brutto. Das Festgehalt ist zahlbar in zwölf gleichen Monatsraten jeweils nachträglich zum letzten Kalendertag des Monats.
8b.) Neben dem genannten Festgehalt erhält der Arbeitnehmer einen Bonus, der sich auf der Grundlage einer jährlich zu vereinbarenden Zielvereinbarung errechnet. Die Zielvereinbarung für das Jahr 2012 ist als Anlage 1 zu diesem Vertrag beigefügt. Die Zielvereinbarungen für die darauf folgenden Jahre werden jeweils bis spätestens zum 15. Dezember des Vorjahres festgelegt. Sie werden automatisch Bestandteil dieses Vertrages.
9c.) Mit der vorgenannten Vergütung ist die gesamte Tätigkeit des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber einschließlich Überstunden und Reisezeiten abgegolten. …
1013. Wettbewerbsverbot
11Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, für die Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weder ein Arbeitsverhältnis zu einem mit dem Arbeitgeber in Wettbewerb stehenden Unternehmen zu begründen noch ein Wettbewerbsunternehmen zu errichten oder sich an einem solchen zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot erstreckt sich räumlich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. …
1216. Salvatorische Klausel
13Sollten einzelne oder mehrere Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder teilweise nichtig sein oder werden, so wird hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung gilt diejenige wirksame Bestimmung als vereinbart, die dem Sinn und Zweck der unwirksamen Bestimmung und dem von den Parteien wirtschaftlich gewollten am ehesten entspricht. Dies gilt auch dann, wenn sich die Unwirksamkeit auf das Maß oder den Umfang einer Leistung bezieht. Es gilt dann das rechtlich zulässige Maß bzw. der rechtlich zulässige Umfang.
14Die Zielvereinbarung sah für das Jahr 2012 (März bis Dezember) vor, dass ein Gesamtumsatzziel von 700.000,00 Euro Auslandsumsatz sowie der Abschluss von mindestens 10 neuen Vertriebspartnerverträgen mit einem Forecast-Volumen von durchschnittlich 70.000,00 Euro erreicht werden sollte. Die Bonuszahlungen waren gestaffelt nach dem Grad der Zielerfüllung (50 %, 75 %, 100 % und - nur beim Umsatz - mehr als 100 %). Hinsichtlich des Ziels „Auslandsumsatz“ waren Prämien in Höhe von 12.500,00 Euro, 18.750,00 Euro, 25.000,00 Euro sowie 25.000,00 Euro zuzüglich 6 % vom Umsatz, der den Zielumsatz überschreitet, je nach Grad der Zielerreichung vorgesehen. Bei der Zielgröße „Neue Vertriebspartner“ waren Prämien in Höhe von 2.500,00 Euro, 3.750,00 Euro und 5.000,00 Euro möglich. Sodann heißt es in der Zielvereinbarung weiter:
153. Verrechenbarer Vorschuss und Abrechnung
16Auf die Bonuszahlungen wird dem Arbeitnehmer ein verrechenbarer Vorschuss ausgezahlt. Dieser beträgt monatlich EUR 1000 (eintausend Euro) brutto.
17Die Zwischenabrechnung der Zielvereinbarung erfolgt erstmals zum 30.09.2012 unter Verrechnung der bis dahin geleisteten Vorschusszahlungen. Ein möglicher Überschussbetrag wird mit der Gesamtabrechnung von Oktober 2012 als Bruttobetrag unter Berücksichtigung fälliger Steuern und Sozialabgaben an den Arbeitnehmer ausgezahlt.
18Die Gesamtabrechnung der Zielvereinbarung erfolgt zum 31.12.2012 unter Verrechnung aller in 2012 geleisteten Vorschusszahlungen. Zielerfüllungen unter 50 % werden nicht vergütet. Ein möglicher Überschussbetrag wird mit der Gehaltsabrechnung von Januar des Folgejahres als Bruttobetrag unter Berücksichtigung fälliger Steuern und Sozialabgaben an den Arbeitnehmer ausbezahlt.
19Die Beklagte hatte zunächst einen von ihr vorformulierten Arbeitsvertragsentwurf nebst Zielvereinbarung dem Kläger unter dem 6. Februar 2012 per Mail zur Voransicht übersandt und auf dessen Anmerkungen hin durch ihren Geschäftsführer unter dem 8. Februar 2012 eine neue Version (wegen der Einzelheiten vgl. Kopie der E-Mail, Anlage K6 zur Klageschrift, Bl. 20 ff. d. A.) mit folgendem Begleittext gemailt:
20Sehr geehrter Herr K,
21Danke für Ihre Kommentare, die ich der Einfachheit halber im Text gelb hinterlegt beantwortet habe. Eine neue Version des Arbeitsvertrages ist ebenfalls beigefügt.
22Der sich daraus ergebende „Dialog“ hat – soweit hier von Interesse – folgenden Wortlaut:
23Kläger:
24Punkt 6b - Bonusregelung:
25In unserem Gespräch am 02.02.2012 in Ihrem Hause war der Bonus komplett an den Umsätzen festgemacht, in dem Vertragsentwurf splitten Sie den Bonus auf Umsatz und die Gewinnung neuer Vertriebspartner.
26Beklagte:
27Das war in der Bonusrechnung in der Tat nicht erkennbar, wir haben jedoch mit Ihnen ausführlich besprochen, dass wir die Gewinnung von Vertriebspartnern erwarten, da dies die Grundlage für Ihren Umsatz ist, wir haben Ihnen außerdem eine Liste unserer Kontakte vorgetragen, mit der Aussage, dass diese idealerweise Ihre ersten Neuvertriebspartner werden. Dies ist Ihnen sicherlich entgangen.
28Kläger:
29Nach der neuen Regelung kann ich einen 100 %-Bonus nun nicht mehr mit 100 % Umsatzplanerfüllung gleich 700.000,00 Euro Umsatz erreichen, sondern muss mind. 750.000,00 Euro (10 x 75.000,00 Euro) erbringen – gleiches gilt für alle Teilziele.
30Beklagte:
31Das kann man so lesen, wir meinen es aber anders: wir arbeiten mit Forecasts, deren Erfüllung durch die Auslandsvertriebspartner wünschenswert, aber nicht sicher einforderbar sind. Dass heißt, wenn der Forecast 75.000,00 Euro ist und wir nur 70.000,00 Euro erzielen, ist bei zehn Vertriebspartnern der Zielumsatz erfüllt. Zum besseren Verständnis ändern wir im Vertrag die Summe auf zehn Vertriebspartner x durchschnittlich 70.000,00 Euro.
32Kläger:
33Wie bereits im Gespräch erwähnt, habe ich keine Vorstellung von den Märkten, auf die ich mich einlasse und bin auf Ihre Fairness angewiesen – wenn aber schon die Bonusregelung modifiziert wird …
34Beklagte:
35Die Bonusregelung wurde nicht modifiziert, sondern Sie haben erstmals einen detaillierten Arbeitsvertrag von uns erhalten, in dem wir Ihnen unser Modell vom Auslandsvertrieb definiert haben. Es geht hier nicht nur um Ihren Bonus, sondern auch wie die Firma N Auslandsumsätze erwirtschaften will und welche Aufgaben Sie dazu erfüllen müssen.
36Kläger:
37… und in sich nicht stimmig ist, fällt es mir schwer, Ihrer Fairness das entsprechende Vertrauen entgegen zu bringen. …
38Kläger:
39Anlage 1 Zielvereinbarung für das Jahr 2012:
401b - Ziele:
41Dieses Ziel war nicht im Gespräch.
42Beklagte:
43Siehe oben. Doch, genau dieses Ziel ist wichtig – nämlich Vertriebspartner zu gewinnen. Dies haben wir besprochen und jetzt quantifiziert.
44Kläger:
453 - Verrechenbarer Vorschuss und Abrechnung:
46… Die Bonusvorauszahlung wurde als anrechenbar, jedoch nicht rückerstattbar definiert.
47Beklagte:
48Das steht da auch nicht. Nur verrechenbar. Bitte zeigen Sie die entsprechende Stelle. …
49Kläger:
50Die unabgesprochenen Änderungen der Bonusvereinbarung irritieren mich.
51Beklagte:
52Nochmals zur Klärung: Wir haben die Eckwerte Ihres Bonusmodells besprochen und dazu gehörte auch die Akquise von Vertriebspartnern. Wir bitten um Entschuldigung, wenn Sie dies irritiert – wir stellen uns allerdings die Frage, wie Sie Ihre künftige Tätigkeit im Gespräch verstanden haben, wenn Sie nicht an akquirierten Vertriebspartnern gemessen werden möchten.
53Kläger:
54Wie im gemeinsamen Gespräch erläutert, basiert jede Bonusvereinbarung derzeit für mich auf mein blindes Vertrauen in Ihre Fairness. Wenn Sie aber schon die erste wesentliche Grundvereinbarung von den besprochenen Vereinbarungen abweicht, sehe ich keine Basis mehr für mein Vertrauen.
55Beklagte:
56Was heißt das genau: Keine Basis mehr für Vertrauen? Bitte bedenken Sie, dass das „blinde“ Vertrauen in der ersten Phase auf Gegenseitig beruht. Wir investieren in Ihren Arbeitsvertrag plus Einarbeitung plus Reisekosten, und wissen nicht, ob Sie die Aufgabe erfolgreich bewältigen.
57Kläger:
58Ich möchte Ihnen mein Vertrauen einmal in Zahlen ausdrücken: Ich verzichte im Vertragsfall bei der N GmbH auf 32.000,00 € Sicherheit (Differenz meines letzten Fixeinkommens zum jetzigen Fixeinkommen) + Firmenwagen der oberen Mittelklasse (sämtliche Kosten für dienstliche und private Nutzung).
59Der Bonus ist eine Kanngröße, welche ich derzeit nicht ermessen kann und somit 100 % Vertrauensfrage.
60Beklagte:
61Bitte gehen Sie davon aus, dass niemand mehr Interesse hat, dass Sie die Kann-Größe Bonus voll und ganz erreichen, denn dann stimmen unsere Umsatzzahlen und Sie haben ein gutes Einkommen realisiert.
62Der Auslandsumsatz der Beklagten betrug im Jahr 2011 insgesamt 224.972,82 Euro. Die Firma T hatte - vom Kläger zuletzt mit Nichtwissen bestritten - im Jahr 2008 einen Auslandumsatz von 682.666,00 Euro erzielt. Der Gesamtumsatz der Beklagten belief sich im letzten Quartal 2011 auf durchschnittlich 24.642,48 Euro monatlich. Aus der vom Kläger hierzu überreichten Übersicht über den Gesamtumsatz der Beklagten (Anlage K4 zur Klageschrift, Bl. 18 d. A.) ergibt sich, dass dieser im Jahr 2011 insgesamt 517.488,43 Euro betrug. Die Umsätze hatten in den letzten drei der Unterzeichnung der Zielvereinbarung vorhergehenden Monaten November, Dezember 2011 und Januar 2012 eine Höhe von 33.317,66, 19.117,46 sowie 54.521,74 Euro erreicht. Alle vorgenannten Zahlen waren dem Kläger vor Unterzeichnung der Zielvereinbarung nicht bekannt.
63Die Beklagte zahlte den in der Zielvereinbarung genannten Vorschuss von 1.000,00 Euro brutto für die Monate März bis Mai 2012 neben der Grundvergütung in Höhe von 4.000,00 Euro brutto an den Kläger aus. Danach stellte sie die Vorschusszahlung ein. In einem zuvor geführten Gespräch am 25. Juni 2012 zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten räumte dieser ein, bei der Festlegung der Ziele von falschen Voraussetzungen ausgegangen zu sein und die Marktposition der Beklagten falsch eingeschätzt zu haben. Er erklärte, mit einem fairen Kompromissvorschlag auf den Kläger zukommen zu wollen. In einer vom Kläger gefertigten Gesprächsnotiz (Anlage K13 zum Schriftsatz des Klägers vom 3. April 2013, Bl. 86 d. A.) heißt es hierzu:
64Die geplanten Umsatzziele werden nicht erreicht werden, somit sind auch die Bonusvereinbarung auf der Vertragsbasis nicht zu erreichen. … Für den nächsten Monat möchte Herr T1 daher erst einmal die A-Konto Bonuszahlungen stoppen (mit der ich einen Schuldenberg aufbaue) und mit einem fairen Kompromissvorschlag auf mich zukommen.
65Unter dem 2. Juli 2012 regelten die Parteien die Nr. 3 Abs. 1 der Zielvereinbarung (wegen der Einzelheiten vgl. Anlage K2 zur Klageschrift, Bl. 16. d. A.) wie folgt neu:
663. Verrechenbarer Vorschuss und Abrechnung
67Auf die Bonuszahlungen wird dem Arbeitnehmer ein verrechenbarer Vorschuss ausgezahlt. Dieser beträgt monatlich EUR 1000 (eintausend Euro) brutto. Die monatliche Zahlung des verrechenbaren Vorschusses auf die Bonuszahlungen kann in begründeten Fällen ausgesetzt werden.
68Die übrigen Regelungen von Nr. 3 Zielvereinbarung blieben unverändert. Mit Schreiben vom 20. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2012 und stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung frei (vgl. Ablichtung des Kündigungsschreibens, Anlage K7 zur Klageschrift, Bl. 24 d. A.). Mit der Abrechnung für den Monat August 2012 (vgl. Kopie derselben, Anlage K8 zur Klageschrift, Bl. 25 d. A.) behielt die Beklagte von der Grundvergütung einen Betrag von 3.000,00 Euro unter der Bezeichnung „Bonusvorausz. (lfd. Bez.)“ ein. Nach Beendigung der Beschäftigung war der Kläger zunächst bis zum 30. Juni 2013 arbeitslos. Er bezog vom 1. September 2012 bis 31. März 2013 Arbeitslosengeld in Höhe von kalendertäglich 75,17 Euro und war danach in der Zeit bis zum 30. Juni 2013 ohne Bezüge. Seit dem 1. Juli 2013 steht der Kläger in einem Arbeitsverhältnis gegen eine Vergütung von monatlich 3.500,00 Euro brutto. Wettbewerb zu der Beklagten betrieb der Kläger im gesamten Zeitraum nicht.
69Mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 focht der Kläger die Zielvereinbarung für das Jahr 2012 auf der Grundlage der Vereinbarung vom 13. Februar 2012 an. Zugleich machte er einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen des unterbliebenen Abschlusses einer Zielvereinbarung Euro geltend. Des Weiteren verlangte er die Zahlung einer Urlaubsabgeltung für 24 Urlaubstage. Nachdem dies erfolglos geblieben war, erhob der Kläger am 12. Dezember 2012 beim Arbeitsgericht eine entsprechende Klage. Mit einem am 5. April 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat er zusätzlich die Zahlung von Karenzentschädigung für die Monate September 2012 bis März 2013 verlangt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21. Mai 2013 vorsorglich den Verzicht auf die Einhaltung des in Nr. 13 Arbeitsvertrag enthaltenen Wettbewerbsverbotes erklärt.
70Zur Begründung seines Schadensersatzanspruches hat sich der Kläger darauf berufen, dass er die Zielvereinbarung wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten habe. Die Beklagte habe dem Kläger weder ihre Gesamtumsatzzahlen des letzten Quartals 2011 noch den Auslandsumsatz in diesem Kalenderjahr mitgeteilt. Insbesondere aus dem Letzteren ergebe sich, dass die Zielvorgaben in der Zielvereinbarung für den Kläger unerreichbar gewesen seien, weil er den Umsatz hätte fast vervierfachen müssen. Die Vereinbarung sei nur deswegen erfolgt, weil der Kläger die bisherige Position der Beklagten am Markt nicht habe einschätzen können und die Beklagte ihm dieses Wissen vorenthalten habe, obwohl er vor Vertragsschluss deutlich gemacht habe, dass die Beklagte einen großen Wissensvorsprung ihm gegenüber habe und er deshalb auf ihre Fairness angewiesen sei.
71Hinsichtlich des Anspruches auf Zahlung einer Karenzentschädigung hat der Kläger die Auffassung vertreten, aus dem Zusammenspiel der Unwirksamkeit der Nr. 13 Arbeitsvertrag in Verbindung mit der salvatorischen Klausel in Nr. 16 Arbeitsvertrag ergebe sich ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Die Berufung der Beklagten auf die Nichtigkeit der Wettbewerbsvereinbarung in Nr. 13 Arbeitsvertrag sei nach § 242 BGB unbeachtlich. Der Verzicht der Beklagten sei verspätet erklärt worden.
72Der Kläger hat beantragt,
73- 74
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 15.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Oktober 2012 zu zahlen,
- 76
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Urlaubsabgeltung in Höhe von 6.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Oktober 2012 zu zahlen,
- 78
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate September 2012 bis März 2013 eine Karenzentschädigung in Höhe von 18.375,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von 2.625,00 Euro seit dem 1. Oktober 2012, auf den Betrag von weiteren 2.625,00 Euro seit dem 1. November 2012, auf den Betrag von weiteren 2.625,00 Euro seit dem 1. Dezember 2012, auf den Betrag von weiteren 2.625,00 Euro seit dem 1. Januar 2013, auf den Betrag von weiteren 2.625,00 Euro seit dem 1. Februar 2013, auf den Betrag von weiteren 2.625,00 Euro seit dem 1. März 2013 und auf den Betrag von weiteren 2.625,00 Euro seit dem 1. April 2013 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
80die Klage abzuweisen.
81Die Beklagte hat vorgetragen, dass die klägerseitig angefochtene Zielvereinbarung gemeinsam abgestimmt und entwickelt worden sei und die Ziele durchaus erreichbar gewesen seien. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass sich das Unternehmen und insbesondere die Vertriebstätigkeit im Aufbau befunden hätten. Der Kläger sei als einziger Mitarbeiter damit betraut gewesen, die im Ausland bestehenden Vertriebsstrukturen zu vertiefen und neu aufzubauen. Die in der Zielvereinbarung angepeilten Umsatzzahlen seien im Hinblick auf die fehlende Marktdurchdringung einerseits und das Produktportfolio der Beklagten, das aus hochwertigen und damit entsprechend hochpreisigen Produkten aus der Medizintechnik bestehe, andererseits ohne weiteres zu erreichen gewesen. Der Kläger habe über alle Möglichkeiten verfügt, die für ihn vertragswesentlichen Umstände in Erfahrung zu bringen. Der Anfechtung läge lediglich ein Motivirrtum zugrunde und sei erst nach Ende des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Jede Zielvereinbarung habe gewisse Unwägbarkeiten in sich. Es fehle auch die Darlegung, weshalb sich die Frage der in den Vorjahren erzielten Umsätze kausal auf den Abschluss der Zielvereinbarung 2012 ausgewirkt hätte.
82Hinsichtlich der Karenzentschädigung hat die Beklagte die Ansicht vertreten, dass eine Heilung des nichtigen Wettbewerbsverbots aufgrund der salvatorischen Klausel schon daran scheitere, dass keine verlässliche Bestimmung des von den Parteien wirtschaftlich Gewollten getroffen werden könne. Zwar liege es im Interesse des Klägers, eine Karenzentschädigung zu erhalten. Dies liege aber nicht im wirtschaftlichen Interesse der Beklagten. Das Arbeitsverhältnis habe nur über einen sehr kurzen Zeitraum bestanden, in dem ein nur äußerst unzureichender Vertriebserfolg erzielt worden sei. Bereits die gezahlte Vergütung stehe in keinem Verhältnis zu den auf die Tätigkeit des Klägers zurückzuführenden Umsätzen. Zudem werde das Schriftformerfordernis nach § 74 Abs. 1 HGB bei der vom Kläger angenommenen Auslegung nicht gewahrt.
83Das Arbeitsgericht hat durch die hier angefochtene Entscheidung der Klage stattgegeben, soweit der Kläger die Zahlung von 4.800,12 Euro brutto Urlaubsabgeltung verlangt hat, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Bei der Berechnung der Urlaubsabgeltung könne nur von der Grundvergütung in Höhe von 4.000,00 Euro brutto ausgegangen werden. Darüber hinaus bestünden keine Ansprüche. Die Anfechtung der Zielvereinbarung sei unwirksam. Ein vorsätzliches Handeln der Beklagten, was Voraussetzung für die Annahme einer arglistigen Täuschung sei, sei nicht zu erkennen. Selbst wenn sie von falschen Voraussetzungen bei Abschluss der Zielvereinbarung ausgegangen sei, bedeute dies nicht, dass eine Täuschungsabsicht bestanden habe. Ebenso wenig stehe dem Kläger eine Karenzentschädigung zu. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot sei nichtig, weil es keine Regelung für eine Karenzentschädigung enthalte. Dies könne nicht durch die salvatorische Klausel überwunden werden, denn darin liege keine Bezugnahme auf die gesetzlichen Vorschriften der §§ 74 ff. HGB. Nr. 13 Arbeitsvertrag sei eindeutig als einseitige Auflage des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer anzusehen, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne irgendeine Zahlungsverpflichtung einzugehen. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Seite 8 bis 11 des Urteils, Bl. 102R bis 104 d. A.) verwiesen.
84Das Urteil wurde dem Kläger am 5. Juni 2013 zugestellt. Hiergegen richtet sich die am 1. Juli 2013 eingelegte und mit dem am 5. August 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung des Klägers. Zugleich hat er die Klage um die Zahlung der Karenzentschädigung für die Monate April 2013 bis August 2013 erweitert sowie hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit bzw. Unbegründetheit des Antrages auf Zahlung von Schadensersatz die einbehaltene Vergütung für den Monat August 2012 verlangt.
85Der Kläger hält unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage an seiner Ansicht fest, dass die Beklagte eine Aufklärungspflicht verletzt habe, in dem sie über die für den Vertragszweck wesentlichen Umsatzzahlen den Kläger trotz seiner offengelegten Unkenntnis nicht aufgeklärt habe. Dies sei auch arglistig erfolgt, da sich allein aus der objektiven Differenz zwischen erreichten Umsätzen und festgelegten Zielen für die Beklagte bzw. deren Geschäftsführer die Erkenntnis ergeben habe, dass die bestehenden Umsatzzahlen eine für den Kläger zum Vertragsschluss entscheidende Tatsache dargestellt hätten. Es sei nicht erforderlich, dass die Beklagte bewusst die Zielvereinbarung mit Zahlen versehen habe, die tatsächlich nicht erreichbar seien. Sie habe es zumindest billigend in Kauf genommen, dass der Kläger die Zielvereinbarung mit der Vorgabe dieser Ziele nicht unterzeichnet hätte, wenn er um den zu diesem Zeitpunkt aktuellen Unternehmensumsatz des Vorjahrs bzw. der Vormonate gewusst hätte. Im Übrigen ergebe sich ein Anspruch aus der Störung der Geschäftsgrundlage. Wenn die Beklagte bzw. ihr Geschäftsführer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses wie der Kläger davon ausgegangen sei, dass die Beklagte sich in einem geschäftlichen Umfeld bewege, welches die Erreichung der festgelegten Ziele ermögliche, so sei dies doch tatsächlich nicht der Fall gewesen. Die Geschäftsgrundlage habe von Anfang nicht bestanden. Das Risiko der Nichterreichung der Ziele falle auch nicht ausschließlich in die Sphäre eines der Vertragspartner. Auch der Arbeitgeber habe regelmäßig ein Interesse, gemeinsam mit dem Arbeitnehmer Ziele festzulegen, die dieser auch tatsächlich erreichen könne, da nur dann eine motivierende Wirkung von der Zielvereinbarung ausgehe. Rechtsfolge einer Störung der Geschäftsgrundlage sei das Entstehen eines Anspruchs auf Anpassung des Vertrags. Darum habe der Kläger den Geschäftsführer ersucht, welcher ihn in Aussicht gestellt, jedoch gleichwohl nicht gewährt habe. Dem zufolge sei dem Kläger ein Schaden entstanden, welchen die Beklagte zu ersetzen habe. Für die Ermittlung der Urlaubsabgeltung sei auch dieser Schadensersatzanspruch bei der Berechnung der zu zahlenden Urlaubsvergütung zu berücksichtigen. Soweit ein Anspruch auf Schadensersatz verneint werde, habe der Kläger jedenfalls Anspruch auf weiteren Arbeitslohn für den Monat August 2012. Die Parteien hätten eine Verrechenbarkeit der Vorschüsse mit dem Anspruch auf Bonuszahlung vereinbart, nicht aber mit dem Anspruch auf das Grundgehalt. Dies ergebe sich auch aus der Ausgestaltung der Vertragsänderung vom 2. Juli 2012.
86Darüber hinaus bestehe ein Anspruch des Klägers auf Karenzentschädigung. Im vorliegenden Fall bestehe trotz der fehlenden ausdrücklichen Bezugnahme auf §§ 74 ff. HGB aufgrund der salvatorischen Klausel eine Grundlage für die Zahlung einer Karenzentschädigung. Dem Sinn und Zweck der unwirksamen Bestimmung in Nr. 13 Arbeitsvertrag und dem von den Parteien wirtschaftlich Gewollten entspreche am ehesten die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots mit einer Karenzentschädigung in der gesetzlichen Mindesthöhe. Es verbiete sich von vornherein anzunehmen, dass das wirtschaftlich Gewollte im Sinne des Arbeitsvertrags eine nichtige Regelung sei. Die Ausgestaltung des Wettbewerbsverbots zeige, dass es der Beklagten auf ein wirksames Wettbewerbsverbot angekommen sei. Zudem sei der Kläger in einem Bereich beschäftigt gewesen, der sich im Aufbau befunden habe. Die verhältnismäßig kurze Tätigkeit des Klägers sei unerheblich. Hinsichtlich der Höhe der Karenzentschädigung werde diese in voller Höhe bis zum 30. Juni 2013 geschuldet. Für die Monate Juli und August 2013 habe eine Anrechnung der Vergütung aus der neuen Beschäftigung des Klägers nach § 74 c Abs. 1 Satz 1 HGB zu erfolgen.
87Der Kläger beantragt,
88- 89
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 15.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Oktober 2012 zu zahlen,
- 91
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Urlaubsabgeltung in Höhe von weiteren 1.199,88 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Oktober 2012 zu zahlen,
- 93
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate September 2012 bis März 2013 eine Karenzentschädigung in Höhe von 18.375,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von 2.625,00 Euro seit dem 1. Oktober 2012, auf den Betrag von weiteren 2.625,00 Euro seit dem 1. November 2012, auf den Betrag von weiteren 2.625,00 Euro seit dem 1. Dezember 2012, auf den Betrag von weiteren 2.625,00 Euro seit dem 1. Januar 2013, auf den Betrag von weiteren 2.625,00 Euro seit dem 1. Februar 2013, auf den Betrag von weiteren 2.625,00 Euro seit dem 1. März 2013 und auf den Betrag von weiteren 2.625,00 Euro seit dem 1. April 2013 zu zahlen,
- 95
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate April 2013 bis August 2013 eine Karenzentschädigung in Höhe von 12.425,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von 2.625,00 Euro seit dem 1. Mai 2013 auf den Betrag von weiteren 2.625,00 Euro seit dem 1. Juni 2013, auf den Betrag von weiteren 2.625,00 Euro seit dem 1. Juli 2013, auf den Betrag von weiteren 2.275,00 Euro seit dem 1. August 2013 und auf den Betrag von weiteren 2.275,00 Euro seit dem 1. September 2013 zu zahlen;
- 97
5. hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Antrages zu 1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weiteren Arbeitslohn für den Monat August 2012 in Höhe von 3.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2012 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
99die Berufung zurückzuweisen.
100Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens zur Sach- und Rechtslage bestreitet die Beklagte weiterhin, den Kläger arglistig getäuscht zu haben. Es fehle hierfür an jedem Anhaltspunkt hierfür. Die Geltendmachung eines Anspruchs aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage scheitere bereits daran, dass kein Ansatzpunkt dafür ersichtlich sei, dass die Parteien das Erreichen bestimmter Umsatzziele zur Geschäftsgrundlage gemacht hätten. Es entspreche dem Wesen einer Zielvorgabe, dass es sich um eine Prognose handele, deren Eintritt ungewiss sei. Der Kläger verkenne den Charakter einer umsatzabhängigen Zielvereinbarung. Im Übrigen bedeute Vertragsanpassung nicht, dass der maximal zu erreichende Bonus geschuldet werde. Demensprechend bestehe auch kein Anspruch auf eine höhere Urlaubsabgeltung. Darüber hinaus sei die Verrechnung des Bonusvorschusses mit dem Grundgehalt im Monat August 2012 zu Recht erfolgt. Die Interpretation des Klägers, wonach eine Verrechnung lediglich mit Bonuszahlungen möglich sein soll, finde im Wortlaut der Vereinbarung keine Stütze.
101Des Weiteren bestehe kein Anspruch auf Karenzentschädigung. Eine solche sei nicht vereinbart, die entsprechende Wettbewerbsabrede im Arbeitsvertrag nichtig. Die salvatorische Klausel rechtfertige nicht die Auslegung, dass die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB in Bezug genommen seien. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte eine Regelung in Anlehnung an die gesetzliche Vorschrift zur Ausgestaltung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes gewollt habe. Der entgegenstehende Wille ergebe sich aus der eindeutigen Vertragsregelung.
102Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den von den Parteien in Bezug genommenen Inhalt der erst- und zweitinstanzlich zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der Sitzungen des Arbeitsgerichts am 11. Januar 2013 und 22. Mai 2013 sowie des Landesarbeitsgerichts am 3. Dezember 2013 Bezug genommen.
103Entscheidungsgründe
104Die insgesamt zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Kläger hat zwar keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz oder aus anderen Gründen im Hinblick auf die nicht gezahlte variable Vergütung; dementsprechend ist auch keine höhere Urlaubsabgeltung zu zahlen (I.). Die Beklagte hat jedoch für den Monat August 2012 noch Arbeitslohn in Höhe von 3.000,00 Euro brutto zu leisten und dem Kläger eine Karenzentschädigung, wenn auch nicht in der von ihm geltend gemachten Höhe, für die Monate September 2012 bis August 2013 zu zahlen (II.).
105I. Die Beklagte hat weder eine Bonuszahlung noch eine höhere Urlaubsabgeltung an den Kläger zu leisten.
1061. Ein Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz wegen eines von der Beklagten zu vertretenden unterbliebenen Abschlusses einer Zielvereinbarung besteht nicht, weil die Parteien unter dem 13. Februar 2013 eine wirksame Zielvereinbarung getroffen haben. Insbesondere ist sie nicht aufgrund der Anfechtung des Klägers gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen.
107a) Hat ein Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag einen Anspruch auf einen variablen Gehaltsbestandteil gemäß einer Zielvereinbarung, so resultiert daraus die Verpflichtung des Arbeitgebers, mit dem Arbeitnehmer Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung zu führen und ihm Ziele, die dieser nach einer auf den Zeitpunkt des Angebots bezogenen Prognose erreichen könnte, für die jeweilige Zielperiode anzubieten. Werden entgegen einer arbeitsvertraglichen Abrede keine Verhandlungen über eine Zielvereinbarung geführt und wird deshalb für eine Zielperiode keine Zielvereinbarung getroffen, hat der Arbeitnehmer nach Ablauf der Zielperiode grundsätzlich Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Arbeitgeber das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung zu vertreten hat (vgl. BAG, 12. Dezember 2007, 10 AZR 97/07, NZA 2008, 409 <411, 415>, Rn. 14, 44; 10. Dezember 2008, 10 AZR 889/07, NZA 2009, 256 <257 f.>, Rn. 12 ff.; 12. Mai 2010, 10 AZR 390/09, NZA 2010, 1009 <1010>, Rn. 11). Diese Verhandlungspflicht, die als Nebenpflicht aus der arbeitsvertraglichen Vereinbarung einer nach Zielerreichung zu bestimmenden variablen Vergütung folgt, fordert das Angebot realistischer Ziele. Es geht nicht zulasten des Arbeitnehmers, wenn er ein Angebot mit nicht erreichbaren Zielen ablehnt (vgl. BAG, 10. Dezember 2008, a. a. O., Rn. 15 f.).
108Nimmt der Arbeitnehmer ein vom Arbeitgeber unterbreitetes Angebot einer Zielvereinbarung an, ist die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch entfallen. Denn der Arbeitgeber hat seiner Verhandlungspflicht Genüge getan und eine Regelung ist getroffen worden. Die Angemessenheit der vereinbarten Ziele im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist selbst im Falle der Vorformulierung der Zielvereinbarung durch den Arbeitgeber gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht zu überprüfen. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber nicht erreichbare Ziele vorformuliert hat. Nimmt der Arbeitnehmer trotzdem ein solches Angebot an, bleibt er daran grundsätzlich gebunden. Er trägt die Konsequenz daraus, dass er der vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Vereinbarung zugestimmt hat.
109b) Etwas anderes könnte dann gelten, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer arglistigen Täuschung des Arbeitgebers gemäß § 123 BGB seine Zustimmung zu der vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Zielvereinbarung anfechten kann. In diesem Fall käme es grundsätzlich in Betracht, dass nach dem ersatzlosen Wegfall der Zielvereinbarung gemäß § 142 Abs. 1 BGB es der Arbeitgeber zu vertreten hat, dass für die Zielperiode keine Vereinbarung getroffen wurde, weshalb er dem Arbeitnehmer auf Schadensersatz haftet.
110Einer Entscheidung dieser Frage bedarf es jedoch nicht. Ebenso kann offen bleiben, ob vorliegend die Beklagte den Kläger dadurch getäuscht hat, dass sie vor Abschluss der Zielvereinbarung die bisherigen Umsatzzahlen in den vom Kläger umschriebenen Zeiträumen nicht offengelegt hat, oder - alternativ - eine Täuschung dadurch begangen hat, dass sie nicht erreichbare Ziele vorformuliert und dem Kläger als erreichbar dargestellt hat. Die vom Kläger erklärte Anfechtung scheitert an der nach § 123 BGB erforderlichen Arglist. Diese ist aufgrund des unstreitigen Sachverhalts unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers nicht feststellbar.
111aa) Arglistig ist die Täuschung, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen und deshalb oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim Getäuschten entstehen oder aufrechterhalten werden. Fahrlässigkeit - auch grobe Fahrlässigkeit - genügt nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Anfechtende. Dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen (vgl. BAG, 12. Mai 2011, 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43 <46>, Rn. 43; 11. Juli 2012, 2 AZR 42/11, NZA 2012, 1316 <1317>, Rn. 22; 6. September 2012, 2 AZR 270/11, NZA 2013, 1087 <1089>, Rn. 26). Erforderlich ist, dass der Täuschende die Unrichtigkeit der für den Getäuschten bedeutsamen Umstände kennt (vgl. BGH, 3. Februar 1998, X ZR 18/96, NJW-RR 1998, 904 <905>, I. 2. b) der Gründe; BeckOK-BGB/Wendtland, Stand 1. November 2013, § 123 BGB Rn. 17; Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Auflage, 2014, § 123 Rn. 11) oder unrichtige Behauptungen ohne tatsächliche Grundlage „ins Blaue hinein“ aufstellt (vgl. BGH, 29. Januar 1975, VIII ZR 101/73, NJW 1975, 642 <645>, 5. der Gründe; 11. Juni 1979, VIII ZR 224/78, NJW 1979, 1886 <1888>, II. 2. g) cc) der Gründe). Im Fall einer Offenbarungspflicht muss der Aufklärungspflichtige wissen oder zumindest damit rechnen und billigend in Kauf nehmen, dass der andere Teil von den verschwiegenen Umständen keine Kenntnis hat (vgl. BGH, 26. Januar 1996, V ZR 42/94, NJW-RR 1996, 690, II. 2. b) der Gründe). Der Täuschungswille muss auf Irrtumserregung und Beeinflussung der Willensentschließung beim anderen Teil gerichtet sein. Das setzt die Kenntnis der Bedeutung des eigenen Verhaltens beim Täuschenden voraus (BeckOK-BGB/Wendtland, a. a. O, Rn. 18). Objektiv unrichtige Angaben lassen zwar regelmäßig den Schluss auf einen Täuschungswillen zu, eine lediglich ungeschickte Formulierung, welche zur Irreführung geeignet ist, genügt aber nicht (vgl. BGH, 3. Februar 1998, a. a. O., 905 f, I. 2. b) der Gründe; 22. Februar 2005, X ZR 123/03, NJW-RR 2005, 1082 <1083 f.>, 1. e) (1) und (2) der Gründe).
112bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall scheidet eine Arglist aus. Weder lässt sich feststellen, dass die Beklagte wusste, dass sie mit der von ihr vorformulierten Zielvereinbarung unrealistische Ziele vorschlug, noch ist ersichtlich, dass sie über deren Erreichbarkeit den Kläger täuschen wollte. Entsprechendes gilt, soweit sie dem Kläger die Umsatzzahlen nicht mitgeteilt hat.
113(1) Das Arbeitsgericht und die Beklagte verweisen zu Recht darauf, dass jeder Zielvereinbarung die Nichterreichbarkeit von Zielvorgaben immanent ist und es sich bei diesen um Prognosen handelt, deren Eintritt ungewiss ist. Zudem zeigt die vereinbarte Staffelung der Bonuszahlung je nach Grad der Zielerreichung, dass die vollständige Zielerreichung eben gerade nicht gewiss war und Vorsorge für den Fall der teilweisen Zielerreichung getroffen werden sollte. Auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer Ziele, die dieser nach einer auf den Zeitpunkt des Angebots bezogenen Prognose erreichen könnte, für die jeweilige Zielperiode anzubieten, muss es sich nicht um in jedem Fall erreichbare Ziele handeln. Auch anspruchsvolle Zielvorgaben, deren Verwirklichung nur bei besonderer Anstrengung und einem optimalen Verlauf der Geschäfte erreicht werden können, dürfen Gegenstand einer Zielvereinbarung sein und deswegen vom Arbeitgeber vorformuliert werden.
114Vor diesem Hintergrund war es für den Kläger zwar in der Tat schwierig, dass Auslandsumsatzvolumen fast zu verdoppeln, um überhaupt eine Prämienzahlung für 50 % Zielerreichung zu erhalten. Mehr als schwierig dürfte auch die Erhöhung des bisherigen Umsatzes um das 3,7-fache gewesen sein, so dass die Erreichung dieses Ziels auch bei einem optimalen Verlauf des restlichen Geschäftsjahres im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Einarbeitung des Klägers und den Aufbau des Auslandsvertriebes objektiv kaum möglich gewesen sein dürfte. Auf der anderen Seite wurde mit dem Kläger als „Manager International Sales“ ein speziell für das Ausland zuständiger Vertriebsmitarbeiter eingestellt, welcher die intensivere Bearbeitung des internationalen Marktes für die hochpreisigen Produkte der Beklagten sicher stellen sollte. Dieser Markt war zudem aus Sicht der Beklagten „wenig durchdrungen“, d. h. er bot erhebliche Entwicklungsmöglichkeiten. Die Beklagte mag vor diesem Hintergrund die im Jahr 2012 erreichbaren Ziele zu optimistisch formuliert haben. Dies hat ihr Geschäftsführer ausweislich des von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrags des Klägers am 25. Juni 2013 sinngemäß so eingeräumt. Eine leichtfertige Formulierung der zu erreichenden Ziele zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung ohne tatsächliche Grundlage „ins Blaue hinein“ ist daraus jedoch nicht abzuleiten.
115(2) Entsprechendes gilt, soweit der Kläger darauf abstellt, dass ihm nicht die bisherigen Umsätze mitgeteilt wurden. Zum einen hat er nicht direkt danach gefragt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. Die Tatsache der Einstellungsverhandlung stand einer solchen Frage, welche die Grundlagen der erfolgsabhängigen Vergütung betraf, nicht entgegen. Zum anderen konnte seinen Appellen an die „Fairness“ der Beklagten und der durch ihn erfolgten Offenlegung der finanziellen Auswirkungen eines Vertragsschlusses im Vergleich zu seinem bisherigen Einkommen nicht zwingend die Aufforderung an die Beklagten zu einer Mitteilung ihrer bisherigen Umsätze entnommen werden.
116Die Beklagte durfte des Weiteren davon ausgehen, dass der Kläger das Risiko einer völligen oder teilweisen Zielverfehlung bereits vor dem Hintergrund des aufzubauenden Auslandvertriebes und angesichts der vorgesehenen gestaffelten Bonuszahlungen einschätzen konnte. Dann kann ohne eine konkrete Frage des Klägers nach den Umsätzen nicht festgestellt werden, dass deren unterbliebene Offenlegung durch die Beklagte zur Irreführung des Klägers diente und in Kenntnis ihrer Bedeutung für seine Entscheidung zum Abschluss der Vereinbarung erfolgte. Ihr Verhalten ist lediglich Ausdruck einer allenfalls fahrlässigen Fehleinschätzung sowohl der möglichen Zielerreichung als auch des Informationsbedürfnisses des Klägers hinsichtlich der „Sicherheit“ einer Bonuszahlung. Es geht zulasten des Klägers, dass er sein Informationsbedürfnis ausweislich des E‑Mail-Verkehrs vom 6./8. Februar 2012 nicht klar und eindeutig formuliert hat.
117Soweit der Kläger vorgetragen hat, dass auch eine teilweise Zielerreichung nicht möglich gewesen sei, fehlt es dafür an konkretem Vortrag, warum die Beklagte dies bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Zielvereinbarung gewusst und ihn durch die Vorformulierung der Ziele bzw. die unterbliebene Angabe der Umsatzzahlen bedingt vorsätzlich in die Irre geführt hat. Der Kläger hat nur pauschal behauptet, ihm sei bereits im April 2012 klar geworden, dass die Ziele und Boni nicht erreichbar gewesen seien. Belastbare Anhaltspunkte über die von ihm herangezogenen Umsatzzahlen des Jahres 2011 bzw. der letzten drei bis vier Monate vor Abschluss der Zielvereinbarung hinaus bestehen dafür nicht.
1182. Ebenso wenig kommt ein Anspruch auf Bonuszahlung oder einem entsprechenden Schadenersatz unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht.
119a) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (§ 313 Abs. 1 BGB). Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen (§ 313 Abs. 2 BGB). Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung (§ 313 Abs. 3 BGB).
120b) „Geschäftsgrundlage“ im Sinne des § 313 BGB sind die bei Abschluss des Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut, diese aber nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt geworden sind (vgl. BAG, 11. Juli 2012, 2 AZR 42/11, NZA 2012, 1316 <1318>, Rn. 32; 23. April 2013, 3 AZR 512/11, juris, Rn. 41; BGH, 28. April 2005, III ZR 351/04, NJW 2005, 2069 <2071>, II. 1. c) der Gründe; 1. Februar 2012, VIII ZR 307/10, NJW 2012, 1718 <1720>, Rn. 26).
121Im vorliegenden Fall beruft sich der Kläger darauf, dass die übereinstimmenden Vorstellung der Parteien von der Erreichbarkeit der in der Zielvereinbarung genannten Zielgrößen für Auslandsumsatz und Zahl der Vertriebspartner Geschäftsgrundlage gewesen sei, welche von Beginn an falsch gewesen sei, so dass eine Vertragsanpassung zu erfolgen habe. Diese Betrachtung blendet jedoch aus, dass Bestandteil dieser Geschäftsgrundlage genauso gewesen ist, dass die Zielerreichung nicht oder nur teilweise eintreten kann, also ein hier vom Kläger zu tragendes Risiko beinhaltet. Einer Vertragspartei steht auch bei wesentlichen Änderungen der Verhältnisse kein Recht auf Anpassung des Vertrages zu, wenn die Störung in ihre Risikosphäre fällt (vgl. BeckOK-BGB/Unberath, a. a. O., § 313 BGB Rn. 27; Palandt/Ellenberger, a. a. O., § 313 BGB Rn. 19). Für eine Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage ist grundsätzlich kein Raum, soweit es um Erwartungen und Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen. Eine solche vertragliche Risikoverteilung schließt für den Betroffenen regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (vgl. BGH, 21. September 2005, XII ZR 66/03, NJW 2006, 899 <901>, Rn. 30; 9. März 2010, VI ZR 52/09, NJW 2010, 1874 <1877>, Rn. 24).
122Entgegen der Auffassung des Klägers liegt das Risiko der Zielverfehlung und des daraus resultierenden Entfalls einer Bonuszahlung bei ihm allein. Die Beklagte trägt nur das unternehmerische Risiko, dass sich ihre Umsatzerwartungen nicht erfüllen. Daran ist der Kläger zwar indirekt über die Bonusvereinbarung beteiligt, aber eben gerade in der Weise, dass er das Risiko des Entfalls der Bonuszahlung bei Nichterreichung der Zielvorgaben trägt. Dass im Übrigen nicht mal die in der Vereinbarung vorgesehene teilweise Zielerreichung völlig unrealistisch gewesen sein soll, ist trotz der unverkennbaren Schwierigkeit einer Verdoppelung des Umsatzes aufgrund des pauschalen Vortrags des Klägers nicht ohne weiteres erkennbar. Die Vorstellung der Vertragsparteien über die immer risikobehaftete Erreichbarkeit der vereinbarten Ziele war nicht grundlegend falsch und ging nicht über das vom Kläger zu tragende Risiko hinaus. Eine Überschreitung der immanenten Grenzen der Risikozuweisung, welche eine Anwendung von § 313 BGB rechtfertigen könnte (vgl. BeckOK-BGB/Unberath, a. a. O., § 313 BGB Rn. 27; Palandt/Ellenberger, a. a. O., § 313 BGB Rn. 19), liegt nicht vor.
123c) Darüber hinaus ist keine Grundlage dafür ersichtlich, dass eine Anpassung - eine Störung der Geschäftsgrundlage unterstellt - zu dem vom Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruch führt. Die benachteiligte Partei kann den anderen Teil zwar unmittelbar auf Anpassung in Anspruch nehmen, d. h. im Rechtsstreit direkt auf die angepasste Leistung klagen (vgl. BGH, 28. April 2005, III ZR 351/04, NJW 2005, 2069 <2070 f.>, II. 1. der Gründe; BeckOK-BGB/Unberath, a. a. O., § 313 BGB Rn. 86; Palandt/Ellenberger, § 313 BGB Rn. 41). Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht erkennbar, dass dem Kläger bereits für seine geleistet Tätigkeit eine Bonuszahlung für 100 % Zielerreichung zustehen soll. Ebenso wenig sind Anhaltspunkte dafür erkennbar, welche Zielvorgaben erreichbar und welche Bonuszahlungen dafür angemessen gewesen wären. Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich jedenfalls ein Schadensersatzanspruch wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach den Grundsätzen, welche das Bundesarbeitsgericht für die Verletzung der Verhandlungspflicht zum Abschluss einer Zielvereinbarung durch den Arbeitgeber entwickelt hat, aus § 313 BGB nicht ableiten.
1243. Da demnach die Vergütung des Klägers für die letzten drei Monate (dreizehn Wochen, § 11 BUrlG) jeweils nur 4.000,00 Euro brutto monatlich betrug, besteht kein höherer Urlaubsabgeltungsanspruch als derjenige, welcher vom Arbeitsgericht auf der Grundlage dieser Vergütung zuerkannt wurde.
125II. Dagegen hat die Beklagte noch die im August 2012 einbehaltene Vergütung sowie eine Karenzentschädigung für ein Jahr nach Ausscheiden zu zahlen.
1261. Der erstmals in der Berufungsinstanz hilfsweise geltend gemachte Antrag auf Zahlung des Einbehalts in Höhe von 3.000,00 Euro brutto ist zulässig und begründet.
127a) Nach § 533 ZPO sind Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Das sind die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Letzteres richtet sich im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren nicht nach §§ 530 f. ZPO, sondern nach § 67 ArbGG (vgl. BAG, 15. Februar 2005, 9 AZN 892/04, NZA 2005, 484 <486>, II. 2. b) bb) (3) der Gründe; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 8. Auflage, 2013, § 67 ArbGG Rn. 1).
128aa) Bei dem Antrag auf Zahlung von 3.000,00 Euro brutto Lohn für August 2012 handelt es sich um eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO. Mit ihm wird im Wege der nachträglichen Klagehäufung, für die § 263 ZPO ebenfalls (entsprechend) anwendbar ist (vgl. BGH, 10. September 1985, III ZR 93/83, NJW 1985, 1841 <1842>, 4. der Gründe; Zöller/Greger, ZPO, 30. Auflage, 2014, § 263 ZPO Rn. 1), ein weiterer Streitgegenstand eingeführt. Die Zahlung der vereinbarten Monatsvergütung, welche aufgrund einer Verrechnung mit einem vermeintlichen Rückzahlungsanspruch für Bonusvorschusszahlungen gekürzt worden ist, stellt einen anderen Streitgegenstand dar als die Geltendmachung einer Bonuszahlung im Wege des Schadensersatzes oder unter dem Gesichtspunkt des § 313 BGB.
129bb) Die Einwilligung der Beklagten in die Klageänderung liegt aufgrund der rügelosen Einlassung in die geänderte Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2013 vor (§ 64 Abs. 6 ArbGG, § 525, § 267 ZPO). Ihre vorherige schriftsätzliche Äußerung in der Berufungserwiderung, „ungeachtet der Frage, ob die erstmalige Geltendmachung eines Vergütungsanspruches für den Monat August 2012 im Wege eines Hilfsantrages in der Berufungsinstanz zulässig ist“, sei dieser unbegründet, steht dem nicht entgegen.
130Im Übrigen ist der Hilfsantrag auf Zahlung von Vergütung für den Monat August 2012 sachdienlich. Für die Frage, ob eine Klageänderung sachdienlich ist, kommt es nicht auf die subjektiven Interessen der Partei an, sondern allein auf die objektive Beurteilung, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängenden Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt. Maßgebend ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit. Weder der Verlust einer Tatsacheninstanz für den Gegner noch die Notwendigkeit neuer Parteierklärungen und Beweiserhebungen sowie eine dadurch bedingte verzögerte Erledigung des Prozesses steht der Annahme der Sachdienlichkeit entgegen. Sie ist im Allgemeinen nur zu verneinen, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (vgl. BGH, 10. September 1985, III ZR 93/83, NJW 1985, 1841 <1842>, 4. b) der Gründe; Zöller/Heßler, a. a. O., § 533 ZPO Rn.. 6). Im vorliegenden Fall wird ein weiterer Rechtsstreit der Parteien um die Berechtigung der Verrechnung der Bonusvorschusszahlungen mit dem Gehalt für den Monat August 2012 vermieden. Der sachliche Streitstoff der Parteien hinsichtlich der dem Kläger zustehenden Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis wird damit ausgeräumt.
131cc) Die Entscheidung über den Hilfsantrag kann auf der Grundlage der ohnehin gemäß § 529 ZPO, § 67 ArbGG der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen erfolgen. Dazu gehört der gesamte in erster Instanz vorgetragene Tatsachenstoff, auch wenn das erstinstanzliche Gericht ihn als unerheblich ansieht und es daher hierzu keine Feststellungen trifft, denn Vortrag ist nicht deshalb in der Berufungsinstanz neu, weil er in erster Instanz für unerheblich befunden wurde. In diesem Fall ist es Aufgabe des Berufungsgerichts, die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Nichts anderes gilt, wenn die Tatsachen erst durch eine in zweiter Instanz erfolgte Klageänderung erheblich geworden sind (vgl. BGH, 13. Januar 2012, V ZR 183/10, NJW-RR 2012, 429 <430>, Rn. 11 m. w. N.). Die Voraussetzungen von § 533 Nr. 2 ZPO sind erfüllt, wenn die Klageänderung auf Vorbringen gestützt wird, das bereits in erster Instanz erfolgt und deshalb nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO beachtlich ist. Dies gilt gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, § 67 ArbGG ebenso für neues unstreitiges Vorbringen (so für die Widerklage sowie für § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO: BGH, a. a. O., Rn. 12 m. w. N.).
132Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob das Vorbringen (auch) für die bisherige Klage erheblich ist. Eine solche zusätzliche Einschränkung kann dem Wortlaut des § 533 Nr. 2 ZPO nicht entnommen werden. Zwar heißt es dort, die Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage könnten nur auf Tatsachen gestützt werden, die „das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen hat“. Diese Formulierung knüpft aber wörtlich an den Eingangssatz von § 529 Abs. 1 ZPO an; schon daraus folgt, dass das Tatsachenvorbringen, auf das die Klageänderung gestützt wird, (nur) die in jener Norm enthaltenen Anforderungen erfüllen muss (vgl. für die Widerklage BGH, 13. Januar 2012, V ZR 183/10, NJW-RR 2012, 429 <430>, Rn. 13 m. w. N.). Dies war auch die erklärte Absicht des Gesetzgebers. § 533 Nr. 2 ZPO soll verhindern, dass über die Klageänderung, Aufrechnung oder Widerklage neuer Tatsachenstoff eingeführt wird, der nach § 529 ZPO nicht zu Grunde zu legen ist; umgekehrt soll dieser Tatsachenstoff ausreichen, um hierüber entscheiden zu können. Nur durch die Bezugnahme auf § 529 ZPO soll eine Flucht in die Klageänderung, Aufrechnung oder Widerklage mit dem Ziel der Verfahrensverzögerung in der Berufungsinstanz verhindert werden (vgl. BT-Drucks. 14/4722, 102; für die Widerklage BGH, 13. Januar 2012, a. a. O.). Wird eine aufwendige Beweisaufnahme über im ersten Rechtszug vorgetragene Tatsachen ausschließlich im Hinblick auf die zweitinstanzliche Klageänderung, Aufrechnungserklärung oder Widerklage erforderlich, kann dies bei fehlender Einwilligung des Gegners allenfalls dazu führen, dass die Sachdienlichkeit gemäß § 533 Nr. 1 ZPO zu verneinen ist (vgl. BGH, a. a. O.).
133Im vorliegenden Fall war die Zielvereinbarung mit der Regelung der Bonusvorschusszahlung bereits Bestandteil des unstreitigen Tatsachenvortrages erster Instanz im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Entsprechendes gilt für die Verrechnung der für die Monate März bis Mai 2012 geleisteten Vorschusszahlungen mit der Vergütung für den Monat August 2012, welche der Kläger unbestritten in seiner Klage bereits vorgetragen und durch Vorlage der Abrechnung für diesen Monat (Anlage K8 zur Klageschrift) belegt hatte. Es handelt sich bei dem Einbehalt um einen Annex zu der strittigen Frage eines Schadensersatzanspruches wegen Nichtabschlusses einer Zielvereinbarung, welcher damit inzidenter Gegenstand des sachlichen Streitstoffes in diesem Prozess von Beginn an war.
134b) Dem Kläger steht gemäß § 611, § 293, § 615 BGB für die Zeit seiner Freistellung im Monat August 2012 noch ein weiterer Vergütungsanspruch von 3.000,00 Euro zu.
135aa) Gemäß Nr. 6 a) Arbeitsvertrag konnte der Kläger aufgrund des während der Freistellung bestehenden Annahmeverzuges der Beklagten für den Monat August 2012 die Zahlung eines Festgehaltes von monatlich 4.000,00 Euro brutto beanspruchen. Die Beklagte hat nur 1.000,00 brutto gezahlt. Dementsprechend waren weitere 3.000,00 brutto dem Kläger noch zu vergüten.
136bb) Die Beklagte war nicht berechtigt, die in den Monaten März bis Mai 2012 geleisteten Bonusvorschusszahlungen mit dem Festgehalt zu verrechnen. Dies ist aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ausgeschlossen.
137(1) In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, dass derjenige, der Geld als Vorschuss nimmt, sich auch verpflichtet, den Vorschuss dem Vorschussgeber wieder zurückzuzahlen, wenn und soweit die bevorschusste Forderung nicht entsteht (vgl. BAG, 10. März 1960, 5 AZR 426/58, AP BGB zu § 138 Nr. 2, I. der Gründe; 15. März 2000, 10 AZR 101/99, NZA 2000, 1004 <1007>, II. B. 3. c) der Gründe; LAG Hamm, 3. März 2009, 14 Sa 361/08, juris, Rn. 57 m. w. N.). Eine wirksame Rückzahlungsverpflichtung besteht - auch beim Provisionsvorschuss - selbst ohne entsprechende ausdrückliche Vereinbarung schon allein aufgrund der Vorschussgewährung (vgl. BAG, 25. Oktober 1967, 3 AZR 453/66, AP HGB § 92 Nr. 3, III. 2. der Gründe). Bei einer Vorschussgewährung von Geld sind sich Vorschussgeber und Vorschussnehmer darüber einig, dass der letztere Geld für eine Forderung erhält, die entweder noch gar nicht entstanden oder nur aufschiebend bedingt entstanden oder zwar entstanden, aber noch nicht fällig ist. Beide Teile sind sich weiterhin darüber einig, dass im Falle der Entstehung, der endgültigen unbedingten Entstehung oder des Fälligwerdens der bevorschussten Forderung der Vorschuss auf die Forderung zu verrechnen ist. Sollte die Forderung nicht oder nicht zeitgerecht entstehen, ist der Vorschussnehmer verpflichtet, den erhaltenen Vorschuss dem Vorschussgeber zurück zu gewähren (vgl. BAG, 15. März 2000, a. a. O.; 25. September 2002, 10 AZR 7/02, NZA 2003, 617 <619>, II. 3. a) der Gründe).
138Danach wäre der Kläger grundsätzlich verpflichtet gewesen, die auf den nicht erreichten Bonus gewährten Vorschusszahlungen der Beklagten zurückzuzahlen. Weil ein Vorschuss eine vorweggenommene Vergütungstilgung darstellt, bedarf es zur Verrechnung keiner Aufrechnung und Aufrechnungserklärung nach § 387, § 388 BGB. Auch § 394 BGB findet keine Anwendung (vgl. BAG, 13. Dezember 2000, 5 AZR 334/99, NZA 2002, 390 <392>, II. 2. d) der Gründe; 25. September 2002, 10 AZR 7/02, NZA 2003, 617 <619>, II. 3. a) der Gründe). Die Beklagte hätte deshalb die von ihr vorgenommene Verrechnung mit dem Festgehalt für den Monat August 2012 grundsätzlich vornehmen können.
139(2) Dem stand jedoch die Vereinbarung der Parteien entgegen, das Vorschusszahlungen auf den Bonus nur mit diesem, nicht aber mit dem Festgehalt verrechnet werden konnten.
140(a) Nr. 3 Abs. 1 der Zielvereinbarung enthält sowohl in der Ursprungsfassung vom 13. Februar 2012 als auch in der geänderten Fassung vom 2. Juli 2012 die Regelung, dass auf den Bonus ein „verrechenbarer Vorschuss“ von monatlich 1.000,00 Euro gezahlt wird. Nr. 3 Abs. 2 und 3 Zielvereinbarung regeln sodann die Abrechnung unter Verrechnung mit den erhaltenen Vorschusszahlungen zum 30. September 2012 und 31. Dezember 2012 sowie die Auszahlung eines möglichen Überschussbetrages. Zudem ist in Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 Zielvereinbarung festgehalten, dass Zielerfüllungen unter 50 % nicht vergütet werden. Aus dem Wortlaut der Regelung lässt sich demnach noch nicht im Wege der Auslegung ableiten, dass eine Rückgewähr des Vorschusses oder dessen Verrechnung mit dem Grundgehalt ausgeschlossen ist.
141(b) Auch bei einem klaren und eindeutigen Wortlaut der Erklärung gilt jedoch, dass die Auslegung auf die Gesamtumstände abzustellen hat. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille der Parteien dem Wortlaut des Vertrages und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich selbst gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch. Lässt sich ein übereinstimmender Wille feststellen, so ist dieser auch dann allein maßgeblich, wenn er in dem Vertrag nur einen unvollkommenen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um die Auslegung einer Individualabrede (vgl. BAG, 19. November 2008, 10 AZR 671/07, NZA 2009, 318 <320>, Rn. 20; 2. Juli 2009, 3 AZR 501/07, NZA-RR 2010, 205 <206>, Rn. 19) oder einer Allgemeinen Geschäftsbedingung (vgl. BAG, 15. September 2009, 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342 <344>, Rn. 27; BGH, 16. Juni 2009, XI ZR 145/08, NJW 2009, 3422 <3423>, Rn. 16) handelt.
142Die Parteien sind bei Abschluss der Zielvereinbarung übereinstimmend davon ausgegangen, dass die auf den Bonus geleisteten Vorschusszahlungen nur mit diesem zu verrechnen, jedoch nicht zurückzuerstatten sind, wenn ein Bonusanspruch nicht besteht. Dies ergibt sich aus dem E-Mail-Austausch vom 6./8. Februar 2012. Auf den ausdrücklichen Hinweis des Klägers zu Nr. 3 der Zielvereinbarung, das im Vorgespräch die „Bonusvorauszahlung … als anrechenbar, jedoch nicht als rückerstattbar definiert“ wurde, erwiderte der Geschäftsführer der Beklagten: „Das steht da auch nicht. Nur verrechenbar. Bitte zeigen Sie die entsprechende Stelle.“ Damit war für beide Parteien klar, dass eine Verrechnung der Vorschüsse ausschließlich mit dem Bonusanspruch erfolgen sollte. Ihre Rückerstattung für den Fall, das ein Bonusanspruch mangels Zielerreichung nicht entsteht, ist dagegen ausgeschlossen.
143(c) Dem steht nicht entgegen, dass ausweislich der Gesprächsnotiz des Klägers vom 25. Juni 2012 dieser im Zusammenhang mit der vom Geschäftsführer der Beklagten angekündigten Einstellung der Vorschusszahlungen notiert hat, dass er mit den Vorschusszahlungen „einen Schuldenberg aufbaue“. Daraus resultierte nur die Änderung vom 2. Juli 2012, wonach die Beklagte die Vorschusszahlungen in begründeten Fällen aussetzen konnte. Eine entgegen der ursprünglichen Vereinbarung auch auf das Festgehalt sich erstreckenden Pflicht zur Rückzahlung der Vorschüsse ist dadurch nicht begründet worden. Hinsichtlich der Bonuszahlungen sollte es nach der Erklärung des Geschäftsführers im Gespräch vom 25. Juni 2012 noch zu einem „fairen“ Kompromiss kommen. Daraus konnte der Kläger ableiten, dass über die Einstellung der Vorschusszahlungen hinaus eine den veränderten Verhältnissen angepasste Neuregelung erfolgen sollte. Die Begründung einer umfassenden Rückzahlungsverpflichtung mit der Vereinbarung vom 2. Juli 2012 ergab sich daraus für ihn nicht.
144cc) Eine Berechtigung der Beklagten zur Verrechnung der in den Monaten März bis Mai 2012 geleisteten Bonusvorschusszahlungen mit dem für den Monat August 2012 zu zahlenden Festgehalt schied danach aus. Dementsprechend hat sie den einbehaltenen Betrag an den Kläger auszuzahlen.
1452. Dem Kläger steht des Weiteren ein Anspruch auf Zahlung von Karenzentschädigung in Höhe von insgesamt 25.400,00 Euro brutto für die Monate September 2012 bis August 2013 zu.
146a) Zwischen den Parteien besteht ein wirksames Wettbewerbsverbot. Zwar enthält Nr. 13 Arbeitsvertrag nicht die Zusage einer Karenzentschädigung. Diese folgt jedoch aus der salvatorischen Klausel des Nr. 16 Arbeitsvertrag.
147aa) Wettbewerbsverbote, die entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung vorsehen, sind nichtig (vgl. BAG, 13. September 1969, 3 AZR 138/68, NJW 1970, 626 <627>, III. 3. der Gründe; 3. Mai 1994, 9 AZR 606/92, NZA 1995, 72 <73>, I. 1. b) der Gründe; 18. Januar 2000, 9 AZR 929/98, juris, Rn. 10 ff.; 28. Juni 2006, 10 AZR 407/05, NZA 2006, 1157 <1158>, Rn. 11). Nach dem Wortlaut der Regelung in Nr. 13 Arbeitsvertrag liegt ein nichtiges nachvertragliches Wettbewerbsverbot vor, weil sie keine Karenzentschädigungszusage für den Kläger enthält. Es findet sich kein Anhaltspunkt in dieser Bestimmung für eine solche Zusage. Dies gilt selbst unter der Berücksichtigung des Ziels redlicher Parteien, im Zweifel ein wirksames Wettbewerbsverbot vereinbaren zu wollen (vgl. BAG, 28. Juni 2006, a. a. O., 1158 f., Rn. 14). Weder heißt es in der Bestimmung, dass im Übrigen auf die §§ 74 ff. HGB verwiesen wird (so in dem Fall des BAG, a.a.O.) noch findet sich eine Formulierung, dass die Vereinbarung „im Rahmen des rechtlich Zulässigen“ gelten soll, was für die Vereinbarung einer Karenzentschädigung ausreichen kann (vgl. LAG Köln, 28. Mai 2010, 10 Sa 162/10, juris, Rn. 37 ff.). Nr. 13 enthält ausschließlich eine Regelung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots sowie seiner gegenständlichen und zeitlichen Reichweite.
148bb) Das nichtige Wettbewerbsverbot in Nr. 13 Arbeitsvertrag wird jedoch gemäß Nr. 16 Satz 2 bis 4 Arbeitsvertrag durch ein wirksames ersetzt, in dem es um eine Karenzentschädigungszusage in der nach § 74 Abs. 2 HGB vorgesehenen Mindesthöhe ergänzt wird. Nr. 16 Arbeitsvertrag sieht im Falle der teilweisen oder vollständigen Unwirksamkeit oder Nichtigkeit einzelner oder mehrerer Bestimmungen des Arbeitsvertrages nicht nur nach seinem Satz 1 vor, dass die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen hierdurch nicht berührt wird. Vielmehr gilt gemäß Satz 2 bis 4 darüber hinaus anstelle der unwirksamen Bestimmung diejenige wirksame Bestimmung als vereinbart, die dem Sinn und Zweck der unwirksamen Bestimmung und dem von den Parteien wirtschaftlich Gewollten am ehesten entspricht, und zwar sowohl hinsichtlich Inhalts als auch Maß und Umfangs der Leistung. Die salvatorische Klausel beinhaltet damit sowohl eine Erhaltungsklausel (Nr. 16 Satz 1 Arbeitsvertrag) als auch eine Ersetzungsklausel (Nr. 16 Satz 2 bis 4 Arbeitsvertrag) (zur Unterscheidung vgl. BGH, 6. April 2005, XII ZR 132/03, NJW 2005, 2225 <2226>, II. 1. b) der Gründe; 25. Juli 2007, XII ZR 143/05, NJW 2007, 3202 <3203>, Rn. 26 f.; MüKo-BGB/Busche, 6. Auflage, 2012, § 139 BGB Rn. 8; BeckOK-BGB/Wendtland, a. a. O., § 139 BGB Rn. 7). Es kann dabei in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob es sich bei dieser Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, eine der Kontrolle nach § 305 c Abs. 2, § 306, § 307 bis § 309 BGB unterliegende Klausel im Sinne des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB oder eine Individualvereinbarung handelt. In allen drei Fällen folgt aus der Ersetzungsklausel des Nr. 16 Satz 2 bis 4 Arbeitsvertrag für die Beklagte als Arbeitgeberin die Verpflichtung, eine Vertragsanpassung hinzunehmen, wenn und soweit dies dem Sinn und Zweck der nichtigen Bestimmung und dem von den Parteien wirtschaftlich Gewollten entspricht. Dies ist im vorliegenden Fall die Ergänzung des Wettbewerbsverbots in Nr. 13 Arbeitsvertrag um die Zusage einer Karenzentschädigung in gesetzlicher Höhe.
149(1) Die salvatorische Klausel des Nr. 16 Arbeitsvertrag ist für die Beklagte als Arbeitgeberin bindend.
150(a) Soweit es sich bei der salvatorischen Klausel um eine Individualabrede handelt, begegnet diese grundsätzlich keinen Bedenken, insbesondere kann dadurch § 139 BGB zulässigerweise abbedungen werden (vgl. BGH, 11. Oktober, 1995, VIII ZR 25/94, NJW 1996, 773 <774>, II. 2. b) aa) der Gründe; 30. Januar 1997, IX ZR 133/96, NJW-RR 1997, 684 <685>, III. 2. a) der Gründe; Staudinger/Roth, BGB, Neubearbeitung 2010, § 139 Rn. 22). Das gilt auch für einen individuell ausgehandelten Arbeitsvertrag (vgl. ErfK/Preis, 14. Auflage, § 310 BGB Rn. 95; HK-ArbR/Däubler, 3. Auflage, 2013, § 611 BGB Rn. 601).
151(b) Soweit es sich bei der salvatorischen Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung bzw. eine der AGB-Kontrolle nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB unterliegende Klausel handelt, ist zwar allgemein anerkannt, dass eine solche Klausel unwirksam ist. Denn damit wird die Rechtsfolge einer Unwirksamkeit nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht nur abweichend von dem in § 306 BGB geregelten Rechtsfolgensystem gestaltet, indem die in § 306 Abs. 2 BGB vorgesehene Geltung des dispositiven Rechts verdrängt wird (vgl. BAG, 13. Dezember 2011, 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738 <741>, Rn. 38; 28. Mai 2013, 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419 <1420>, Rn. 20; BGH, 22. November 2001, VII ZR 208/00, NJW 2002, 894 <895>, II. 3. der Gründe). Eine solche Abweichung von der Verteilung des Unwirksamkeitsrisikos in § 306 BGB ist unzulässig, weil erst das Risiko der Totalunwirksamkeit einer Klausel Anreiz für den Arbeitgeber ist, angemessene Klauseln zu formulieren und zu verwenden (vgl. ErfK/Preis, a. a. O., § 310 BGB Rn. 95; HK‑ArbR/Boemke/Ulrici, a. a. O., § 306 Rn. 19; a. A. Staudinger/Schlosser, a. a. O., Neubearbeitung 2013, § 306 BGB Rn. 18). Zudem fehlt es einer solchen Klausel an der erforderlichen Transparenz. Die Rechte und Pflichten des Vertragspartners werden entgegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht möglichst klar und durchschaubar dargestellt, weil unklar bleibt, welche Regelung konkret an die Stelle der unwirksamen Bedingung treten soll. Dies ist unzulässig, weil es den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt (vgl. BAG, 25. Mai 2005, 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 <1115>, IV. 8. c) der Gründe; 13. Dezember 2011, a. a. O., 28. Mai 2013, a .a. O.).
152Dies gilt jedoch nicht für den Fall, dass sich der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber als Verwender der salvatorischen Klausel auf diese beruft. Die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB schafft lediglich einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Klauselverwender, sie dient aber nicht dem Schutz des Klauselverwenders vor den von ihm selbst vorformulierten Vertragsbedingungen (vgl. BAG, 27. Oktober 2005, 8 AZR 3/05, NZA 2006, 257 <258>, Rn. 16; 28. Juni 2006, 10 AZR 407/05, NZA 2006, 1157 <1159>, Rn. 15; BGH, 2. April 1998, IX ZR 79/97, NJW 1998, 2281 <2281>, II. 3. a) der Gründe). Dementsprechend kann die Beklagte als Arbeitgeberin und Verwenderin der vorformulierten Bedingungen des Arbeitsvertrages sich gegenüber dem Kläger als Arbeitnehmer nicht darauf berufen, dass im Rahmen einer AGB-Kontrolle Nr. 16 Arbeitsvertrag unwirksam sei.
153(2) Die salvatorische Ersetzungsklausel des Nr. 16 Satz 2 bis 4 Arbeitsvertrag führt zu einem wirksamen Wettbewerbsverbot.
154(a) Für eine salvatorische Erhaltensklausel gilt, dass sie es nicht generell ausschließt, dass sich die Nichtigkeit einer Vertragsregelung auf weitere Vertragsbestimmungen oder den ganzen Vertrag erstreckt. Sie begründet aber eine Umkehr der Vermutungsregel des § 139 BGB (vgl. BGH, 15. März 2010, II ZR 84/09, NJW 2010, 1660 <1661>, Rn. 8) und damit zugleich der in Anwendung des § 139 BGB geltenden Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, 4. Februar 2010, IX ZR 18/09, NJW 2010, 1364 <1366>, Rn. 30), d. h. sie regelt die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der wegen § 139 BGB stets erforderlichen Prüfung, ob die Parteien das teilnichtige Geschäft hinsichtlich des Restes hätten aufrecht erhalten wollen (vgl. BAG, 23. April 2009, 6 AZR 533/08, NZA 2009, 1260 <1263>, Rn. 30; BGH, 24. September 2002, KZR 10/01, NJW 2003, 347 <347 f.>). Fehlt eine salvatorische Erhaltensklausel, gilt gemäß § 139 BGB, dass bei der Nichtigkeit eines Teils des Rechtsgeschäfts das ganze Rechtsgeschäft nichtig ist, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Die Vertragspartei, welche den Vertrag aufrechterhalten will, trägt die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Umstände, welche zum Fortbestand des teilnichtigen Geschäfts führen (vgl. BGH, 24. September 2002, KZR 10/01, NJW 2003, 347 <347 f.>; 4. Februar 2010, IX ZR 18/09, NJW 2010, 1364 <1366>, Rn. 30). Ist dagegen eine Erhaltensklausel vereinbart, tritt die Nichtigkeit des gesamten Vertrages nur dann ein, wenn die Aufrechterhaltung des Restgeschäfts trotz der salvatorischen Klausel im Einzelfall durch den durch Vertragsauslegung zu ermittelnden Parteiwillen nicht mehr getragen wird (vgl. BGH, 15. März 2010, II ZR 84/09, NJW 2010, 1660 <1661>, Rn. 8). Die Vertragspartei, welche den Vertrag entgegen der Klausel als Ganzes für nichtig erachtet, trägt die Darlegungs- und Beweislast für die insoweit geltend gemachten Tatsachen (vgl. BGH, 24. September 2002, a. a. O.; 4. Februar 2010, a. a. O.).
155Die Gesamtnichtigkeit kommt insbesondere in Betracht, wenn nicht nur eine Nebenabrede, sondern eine wesentliche Vertragsbestimmung unwirksam ist und durch die Teilnichtigkeit der Gesamtcharakter des Vertrages verändert würde (vgl. BGH, 15. März 2010, a. a. O.; 5. Dezember 2012, I ZR 92/11, EuZW 2013, 753 <758>, Rn. 55). Ebenso kann Gesamtnichtigkeit vorliegen, wenn sich diese aus Sinn und Zweck der Verbotsnorm ergibt, gegen welche die einzelne vertragliche Bestimmung verstößt (vgl. MüKo-BGB/Armbruster, a. a. O., § 134 BGB Rn. 109; Staudinger/Roth, a. a. O., § 139 BGB Rn. 22).
156(b) Entsprechendes gilt für die salvatorische Ersetzungsklausel. Auch sie bewirkt nicht, dass die vom Nichtigkeitsgrund nicht unmittelbar erfassten Teile des Geschäfts unter allen Umständen als wirksam behandelt werden sollen, insbesondere wenn keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, worauf sich die Parteien des Vertrags bei Nichtigkeit der Bestimmung verständigt hätten (vgl. BGH, 5. Dezember 2012, I ZR 92/11, EuZW 2013, 753 <758>, Rn. 53, 59). Ebenso ist eine Regelung nichtig, wenn der Schutzzweck der Verbotsnorm, gegen die die vertragliche Bestimmung verstößt, ihrer Ersetzung entgegensteht. Im Übrigen scheidet diese nur dann aus, wenn sie im Einzelfall von dem durch Vertragsauslegung zu ermittelnden Parteiwillen nicht mehr getragen wird, wofür die Vertragspartei, welche die Bestimmung entgegen der Klausel für nicht ersetzbar erachtet, die Darlegungs- und Beweislast trägt. Dies ist im vorliegenden Fall die Beklagte.
157(c) Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall besteht ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit der Zusage einer Karenzentschädigung in gesetzlicher Höhe.
158(aa) Die Aufrechterhaltung des Wettbewerbsverbots mit dem Inhalt, dass hierfür eine Karenzentschädigung in gesetzlicher Höhe geschuldet wird, verstößt nicht gegen das der Nichtigkeit nach § 74 Abs. 2 HGB zugrundeliegende Verbot eines entschädigungslosen Wettbewerbsverbotes, sondern trägt seinem Sinn und Zweck gerade Rechnung.
159(bb) Ein wirksames, d. h. eine Karenzentschädigung in gesetzlicher Höhe vorsehendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot entspricht am ehesten dem Sinn und Zweck des nichtigen Nr. 13 Arbeitsvertrag und dem von den Parteien wirtschaftlich Gewollten.
160(aaa) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten ergibt sich aus Nr. 13 Arbeitsvertrag nicht der eindeutige Wille der Beklagten, dass sie ausschließlich die einseitige Auflage des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer beabsichtigte, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne irgendeine Zahlungsverpflichtung einzuhalten. Dagegen spricht schon, dass die Beklagte, welche die Arbeitsverträge ausweislich des E-Mail-Verkehrs aus Februar 2012 vorformuliert hatte, schlicht die ausdrückliche Regelung der Karenzentschädigungszusage vergessen haben kann. Etwas Gegenteiliges ergibt sich weder aus dem Vertragstext noch aus dem Vortrag der Beklagten. Denn zur Entstehung dieser Formulierung von Nr. 13 Arbeitsvertrag hat sie nichts vorgetragen.
161Darüber hinaus verweist der Kläger zurecht darauf, dass die Beklagte dass beabsichtigte Wettbewerbsverbot zeitlich und räumlich konkretisiert und durch die salvatorische Klausel zum Ausdruck gebracht hat, keine unwirksamen Regelungen zu wollen. Das lässt vom objektiven Empfängerhorizont her die Absicht einer rechtlich verbindlichen, auf die Situation der Vertragsparteien angepassten Vereinbarung über die Begrenzung nachvertraglichen Wettbewerbs erkennen. Jedenfalls ist aufgrund von Nr. 16 Arbeitsvertrag ein hinter der von der Beklagten vorformulierten Regelung des Nr. 13 Arbeitsvertrag stehender Wille, nur ein entschädigungsloses Wettbewerbsverbot zu wollen, nicht klar und eindeutig im Vertrag zum Ausdruck gekommen.
162(bbb) Bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist weiter davon auszugehen, dass beide Parteien ein Interesse an dem Abschluss eines wirksamen Wettbewerbsverbotes hatten. Die Beklagte beschäftigte den Kläger als einzigen Mitarbeiter für den Auslandsvertrieb ihrer Produkte. Er sollte diesen aufbauen. Die Beklagte spricht im Zusammenhang mit der Erreichbarkeit der in der Zielvereinbarung enthaltenen Ziele davon, dass es sich um einen bislang wenig erschlossenen Markt („fehlende Marktdurchdringung“) für ihr Produktportfolio aus hochwertigen und hochpreisigen Produkten der Medizintechnik im Bereich UV-Phototherapie handelt. Scheidet der für einen solchen Markt zuständige Vertriebsmitarbeiter aus dem Arbeitsverhältnis aus, liegt es im Interesse des Arbeitgebers, sich vor den Folgen zu schützen, die grundsätzlich wegen der Markt- und Kundenkenntnisse des Mitarbeiters durch die legitime Nutzung seines beruflichen Erfahrungswissens auch ohne Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entstehen können. Gerade bei Vertriebsmitarbeitern ist es dann üblich, durch Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes diese Risiken einzugrenzen. Angesichts der Marktstruktur im Geschäftsbereich der Beklagten bestanden für sie erhebliche Risiken, wenn der Kläger zu einem Wettbewerber wechselte. Das gilt erst recht im Hinblick darauf, dass er diesen Markt aufzubauen hatte. Die dadurch ihm zuwachsenden Kenntnisse über mögliche Kunden und Strategien der Akquisition würden im Falle eines Ausscheidens zu einem besonderen Risiko des Rückschlags durch Kundenverlust oder Verlust von Marktchancen führen. Gegenteiliges hat die Beklagte nicht vorgetragen.
163Entsprach danach ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot dem hypothetischen Parteiwillen der Beklagten, schloss dies die Zahlung einer Karenzentschädigung in gesetzlicher Höhe mit ein. Dies entsprach auch dem hypothetischen Willen des Klägers, sich bei einer Inkaufnahme des Wettbewerbsverbots jedenfalls teilweise wirtschaftlich dagegen abzusichern, für einen bestimmten Tätigkeitsbereich nach Vertragsende gesperrt zu werden, und die Folgen eingeschränkter Chancen auf dem Arbeitsmarkt zumindest abzumildern. Zwar lag eine Beschränkung seiner beruflichen Betätigungsfreiheit grundsätzlich nicht in seinem Interesse. Wie sich aus seiner Unterzeichnung des Arbeitsvertrages ergibt, war er jedoch bereit, dieses für den Abschluss eines Arbeitsvertrages in Kauf zu nehmen. Dann gilt dies erst recht für ein wirksames, mit einer Karenzentschädigungszusage versehenes Wettbewerbsverbot.
164(ccc) Der Annahme, die Parteien hätten ein wirksames Wettbewerbsverbot unter Einschluss einer Karenzentschädigung gewollt, steht nicht, wie die Beklagte meint, schon der Umstand entgegen, dass das Arbeitsverhältnis nur über einen sehr kurzen Zeitraum bestanden hat und der Kläger nach ihrem Vortrag nur einen äußerst unzureichenden Vertriebserfolg erzielt haben und die gezahlte Vergütung in keinem Verhältnis zu den auf seine Tätigkeit zurückzuführenden Umsätzen stehen soll. Das nachträgliche tatsächliche „Fehlschlagen“ des Arbeitsverhältnisses ist für die Bestimmung des hypothetischen Parteiwillens unerheblich, weil es als solches allein nicht der Annahme entgegensteht, ein rechtlich verbindliches Wettbewerbsverbot entspreche am ehesten dem Sinn und Zweck von Nr. 13 Arbeitsvertrag und dem von den Parteien damit wirtschaftlich Gewollten. Denn es trägt nicht dem Umstand Rechnung, dass der mutmaßliche Parteiwillen bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu ermitteln ist, weil der Abschluss solcher für die Zukunft bindender Regelungen gerade vor dem Risiko der ungewissen tatsächlichen Entwicklung erfolgt und gerade diese Situation den Parteiwillen bestimmt.
165Es kann sich daher allenfalls die Frage stellen, ob es dem hypothetischen Parteiwillen der Beklagten entsprochen hätte, dass Wettbewerbsverbot erst nach einer gewissen Dauer des Arbeitsverhältnisses in Kraft treten zu lassen, und der Kläger sich hierauf ebenfalls eingelassen hätte, um überhaupt eingestellt zu werden. So kann die Geltung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots daran geknüpft werden, dass das Arbeitsverhältnis über die Probezeit hinaus fortbesteht oder erst nach Ablauf einer gewissen Beschäftigungsdauer in Kraft treten soll; eine solche aufschiebende Bedingung ist auch als Allgemeine Geschäftsbedingung zulässig (vgl. BAG, 13. Juli 2005, 10 AZR 532/04, AP HGB § 74 Nr. 78, II. 1. der Gründe; 28. Juni 2006, 10 AZR 407/05, NZA 2006, 1157 <1159>, Rn. 18). Damit kann der Arbeitgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass der Arbeitnehmer typischerweise erst dann gefährlich werden kann, wenn er genügend Einblick in Betriebsgeheimnisse gewonnen hat (vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 6. Auflage, 2012, Rn. 523).
166Eine solche Annahme scheidet im vorliegenden Fall jedoch aus. Denn der Kläger war als einziger Vertriebsmitarbeiter für den Aufbau des im Vergleich zur Fa. T, aus deren Insolvenz die Beklagte hervorgegangen ist, „brachliegenden“ Auslandsvertriebs zuständig. Geringe Marktdurchdringung in einem hochpreisigen Produktbereich ließen kurzfristige Erfolge durchaus möglich erscheinen, wie sich aus den von der Beklagten vorformulierten ehrgeizigen Zielen in der Zielvereinbarung hinsichtlich Umsatz und Zahl der Vertriebspartner ergibt. Dann konnte der Kläger - eine erfolgreiche Tätigkeit unterstellt - bereits bei einem kurzfristigen Ausscheiden gute Ansätze bei der Steigerung des Auslandsumsatzes wieder zunichte machen, wenn er zu einem Konkurrenten ging. Bei Abwägung der Chancen und Risiken für eine erfolgreiche Tätigkeit des Klägers entsprach unter diesen Umständen ein wirksames Wettbewerbsverbot von Beginn des Arbeitsverhältnisses an eher dem hypothetischen Parteiwillen sowohl der Beklagten als auch des Klägers. Gegenteiliges hat die Beklagte nicht vorgetragen.
167(ddd) Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang, dass in der Praxis immer wieder in der Regel von Arbeitgebern vorformulierte Wettbewerbsverbote vorkommen, die keine oder keine ausdrückliche Entschädigungszusage enthalten. Dies mag daran liegen, dass die Rechte des Arbeitnehmers möglichst nicht genau umschrieben werden sollen, damit dieser später Wettbewerb unterlässt, ohne einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen. Ebenso mag der Arbeitgeber ein Interesse daran haben, sich nicht verbindlich für die Zukunft zu verpflichten, um sich ein Schlupfloch für den Fall freizuhalten, dass er später an dem Wettbewerbsverbot nicht mehr interessiert ist. Er braucht dann den Unterlassungsanspruch nicht geltend zu machen und kann darauf hoffen, dass er vom Arbeitnehmer nicht in Anspruch genommen wird (vgl. Bauer/Diller, a. a. O., Rn. 439; Grunsky, NZA 1988, 713 <714>).
168Für die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens im Rahmen einer ausdrücklich im Vertrag vereinbarten salvatorischen Klausel, welche die Ersetzung einer unwirksamen Bestimmung durch eine wirksame Regelung vorsieht, ist eine solche Motivation des Arbeitgebers unerheblich und nicht zu berücksichtigen. Denn sie ist weder Vertragsinhalt geworden noch aufgrund ihrer Verdeckung durch die gewählte Vertragsformulierung für den Arbeitnehmer erkennbar gewesen. Sie ist insbesondere nicht das objektiv Vernünftige, das als Parteiwille anzunehmen ist (vgl. Palandt/Ellenberger, a. a. O., § 139 BGB Rn. 14). Objektiv vernünftig ist lediglich ein seriöser Geschäftswille eines redlichen Vertragspartners. Unseriöses Verhalten gegenüber Arbeitnehmern bei der Formulierung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten ist weder schutzwürdig noch schutzbedürftig oder mutmaßlicher übereinstimmender Parteiwille.
169(eee) Der Ersetzung der Nr. 13 Arbeitsvertrag durch ein Wettbewerbsverbot mit Entschädigungszusage in gesetzlicher Höhe steht die Systematik des § 74 Abs. 2 HGB nicht entgegen (so aber Bauer/Diller, a. a. O., Rn. 445). Weder muss die Karenzentschädigung „ausdrücklich“ (so Bauer/Diller, a. a. O.) noch „besonders“ (so Grunsky, a. a. O., 715) vereinbart sein. Notwendig ist lediglich eine im Wege der Auslegung zu ermittelnde Vereinbarung der Vertragsparteien. Diese ist schon dann vorhanden, wenn eine vertragliche Wettbewerbsklausel für alle Einzelheiten der vereinbarten Regelung auf die maßgebenden Vorschriften des HGB verweist. Denn es ist anzunehmen, dass die Parteien eine rechtswirksame Wettbewerbsabrede treffen wollen und mit der Bezugnahme auf die §§ 74 ff. HGB die Zahlung von Karenzentschädigung in der gesetzlichen Mindesthöhe verabreden, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die zu einem anderen Auslegungsergebnis führen könnten (vgl. BAG, 31. Juli 2002, 10 AZR 513/01, NZA 2003, 100 <101 f.> II. 1. der Gründe; 28. Juni 2006, 10 AZR 407/05, NZA 2006, 1157 <1158 f.>, Rn. 14).
170Dies gilt entsprechend für die aufgrund einer zwischen den Parteien vereinbarten salvatorischen Ersetzungsklausel notwendige Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens, ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einer Karenzentschädigungszusage in gesetzlicher Höhe als wirksame Bestimmung anstelle des nichtigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ohne Karenzentschädigungszusage gilt. Sprechen die erkennbaren Interessen der Parteien dafür, dass sie grundsätzlich bei Kenntnis der nichtigen Wettbewerbsabrede diese durch eine wirksame ersetzt hätten, bedarf es besonderer tatsächlicher Gesichtspunkte, die einem solchen mutmaßlichen Parteiwillen entgegenstehen. Solche besonderen Umstände sind vorliegend weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen.
171(fff) Schließlich stehen einer Ergänzung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes um eine Karenzentschädigungszusage in gesetzlicher Höhe weder das Schriftformgebot noch die Verpflichtung zur Aushändigung einer vom Arbeitgeber unterzeichneten, die wesentlichen Bestimmungen des Wettbewerbsverbots enthaltenden Urkunde nach § 74 Abs. 1 HGB entgegen (so aber Bauer/Diller, a. a. O., Rn. 445).
172Sowohl das Wettbewerbsverbot des Nr. 13 Arbeitsvertrag als auch die salvatorische Ersetzungsklausel in Nr. 16 Satz 2 bis 4 Arbeitsvertrag sind ausweislich der vom Kläger vorgelegten Kopie Bestandteil des von beiden Parteien unterzeichneten schriftlichen Arbeitsvertrages, welcher dem Kläger ausgehändigt worden ist. Damit ist das Schriftformgebot hinsichtlich der auf der Ersetzungsklausel beruhenden Ergänzung der Nr. 13 Arbeitsvertrag um die Karenzentschädigungszusage gewahrt. Weder muss die Karenzentschädigungszusage selbst stets im Text enthalten sein noch bedarf es der Nachholung der Schriftform. Denn die Ersetzungsklausel dient der Lückenschließung für die Fälle, in denen eine Klausel endgültig unwirksam ist und deshalb durch eine gültige sinngemäße Klausel ersetzt werden soll (vgl. BGH, 25. Juli 2007, XII ZR 143/05, NJW 2007, 3202 <3203>, Rn. 30; Staudinger/Roth, a. a. O., § 139 BGB Rn. 22). Beruht diese Unwirksamkeit wie hier nicht auf einem Verstoß gegen ein Schriftformgebot, sondern auf dem gesetzwidrigen Inhalt der Klausel, steht einer Ersetzung ein Schriftformgebot nicht entgegen. Ebenso wie bei einer im Wege der Auslegung gewonnenen Entschädigungszusage aus einer Regelung, die neben dem Wettbewerbsverbot nur einen Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 74 ff. HGB enthält (vgl. dazu BAG, 28. Juni 2006, 10 AZR 407/05, NZA 2006, 1157 <1159>, Rn. 16), ist es für die Wahrung der Schriftform unschädlich, wenn sich die Entschädigungszusage aus einer salvatorischen Klausel ergibt, die Bestandteil des schriftlichen Arbeitsvertrags ist, welcher dem Arbeitnehmer ausgehändigt wurde. Dies reicht zur Information über die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag einschließlich der Wettbewerbsabrede aus, wenn wie hier eine unwirksame Vereinbarung durch eine wirksame ersetzt werden soll. Dementsprechend bedarf es auch keiner Nachholung der Aushändigung eines Wettbewerbsverbotes mit Entschädigungszusage. Die für ihre rechtlich wirksame Begründung notwendigen rechtlichen Grundlagen (Wettbewerbsverbot und salvatorische Klausel) sind in dem ausgehändigten Arbeitsvertrag enthalten.
173cc) Der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 21. Mai 2013 erklärte Verzicht ist unbeachtlich. Ein solcher kann gemäß § 75 a HGB nur vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, welche zum 31. August 2012 bereits erfolgte, erklärt werden.
174b) Dem Kläger steht für die Monate September 2012 bis Juni 2013 eine monatliche Karenzentschädigung von 2.250,00 Euro brutto, für die Monate Juli und August 2013 eine solche von 1.450,00 Euro brutto zu. Dies ergibt für den Gesamtzeitraum einen Betrag vom 25.400,00 Euro brutto. Der weitergehende Anspruch des Klägers war zurückzuweisen.
175aa) Der Kläger hat in den sechs Monaten seiner Beschäftigung durchschnittlich 4.500,00 Euro brutto verdient. Neben dem monatlichen Festgehalt von 4.000,00 Euro brutto hat er noch die nicht zurückzuzahlenden, gemäß § 74 b Abs. 2 HGB zu berücksichtigenden Bonusvorschusszahlungen in Höhe von insgesamt 3.000,00 Euro brutto erhalten. Bei einem Gesamtverdienst von 27.000,00 Euro brutto in sechs Monaten ergibt sich ein durchschnittliches Einkommen von monatlich 4.500,00 Euro brutto, aus dem sich ein gemäß § 74 b Abs. 1 HGB monatlich zu gewährender Anspruch auf Karenzentschädigung von 2.250,00 Euro brutto errechnet.
176bb) Für die Monate September 2012 bis März 2013 war diese Karenzentschädigung in voller Höhe zu zahlen. Der Kläger hat in dieser Zeit Arbeitslosengeld I in Höhe von monatlich 2.255,10 Euro bezogen. Es begegnet zum einen Bedenken, nach der Aufhebung von § 148 SGB III ohne eine gesetzliche Neuregelung Arbeitslosengeld auf den Anspruch auf Karenzentschädigung aus einer Wettbewerbsvereinbarung anzurechnen (vgl. BAG, 14. September 2011, 10 AZR 198/10, NZA-RR 2012, 98 <99 f.>, Rn. 14 ff.). Selbst wenn im Wege der Auslegung oder analogen Anwendung von § 74 c Abs. 1 Satz 1 HGB die Anrechnung von Arbeitslosengeld zulässig wäre, kann der Arbeitgeber lediglich den tatsächlichen Auszahlungsbetrag, nicht aber einen aus dem Arbeitslosengeld hochgerechneten Bruttobetrag anrechnen (vgl. BAG, a. a. O, 100, Rn. 22 ff.). Bei einem monatlichen Arbeitslosengeld von 2.255,10 Euro errechnet sich zusammen mit der Karenzentschädigung ein Gesamtbetrag von 4.505,10 Euro. Diese Summe liegt unterhalb des dem Kläger gemäß § 74 c Abs. 1 Satz 1 HGB maximal zustehenden Betrages, der sich aus den um ein Zehntel erhöhten zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen von (4.500,00 * 110 % =) 4.950,00 Euro ergibt.
177Für die Monate April 2013 bis Juni 2013 war die Karenzentschädigung in voller Höhe zu zahlen, weil der Kläger in dieser Zeit keine weiteren anrechenbaren Einkünfte hatte.
178In den Monaten Juli 2013 und August 2013 hat der Kläger im Rahmen der von ihm aufgenommenen Beschäftigung einen Betrag von 3.500,00 Euro brutto monatlich verdient. Unter Berücksichtigung der Kappungsgrenze des § 74 c Abs. 1 Satz 1 HGB hat die Beklagte für diese Monate nur noch einen Betrag von jeweils 1.450,00 Euro zu zahlen.
179cc) Bei der Karenzentschädigung handelt es sich im Übrigen um einen Bruttoanspruch, weil dieses zwar kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV ist und daher keine Sozialabgaben abzuführen sind (vgl. Bauer/Diller, a. a. O., Rn. 1126). Sie unterliegt jedoch der Lohn- und Einkommenssteuer, weil sie als „Entschädigung für die Nichtausübung der Tätigkeit“ gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 b) EStG steuerpflichtiges Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 3 EStG ist (vgl. BFH, 12. Juni 1996, XI R 43/94, juris; Bauer/Diller, a. a. O., Rn. 1132, 1134; HK-ArbR/Schütte/Schlegel, a. a. O., § 74 c HGB Rn. 16), Dementsprechend war die Beklagte zur Zahlung eines Bruttobetrages zu verurteilen, was klarstellend in den Tenor der Entscheidung mit aufzunehmen war.
180dd) Ein höherer Anspruch, den der Kläger auf der Grundlage einer zu berücksichtigenden Bonuszahlung ermittelt hat, besteht mangels eines entsprechenden Zahlungsanspruches nicht.
1813. Der Zinsanspruch für die Zahlung des restlichen Gehalts für August 2012 beruht auf § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 614, § 288 Abs. 1, § 247 BGB, für die Karenzentschädigung auf § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 74 b Abs. 1 HGB, § 288 Abs. 1, § 247 BGB, wobei der Kläger in Anlehnung an § 614 BGB nicht den Schluss des Monats, sondern den Anfang des Folgemonats für den Beginn des Zinsanspruches gewählt hat.
182III. Hinsichtlich der Kostenentscheidung war zwischen den Instanzen zu unterscheiden, weil unterschiedliche Streitwerte angefallen sind.
183Erstinstanzlich ist ausgehend von den in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Anträgen ein Streitwert von 39.375,00 Euro (15.000,00 Euro Schadenersatz, 6.000,00 Euro Urlaubsabgeltung, 18.375,00 Euro Karenzentschädigung für sieben Monate) der Kostenquotelung zugrunde zu legen. Der Kläger obsiegt neben den vom Arbeitsgericht als Urlaubsabgeltung zuerkannten Betrag von 4.800,12 Euro mit weiteren 15.750,00 Euro Karenzentschädigung für sieben Monate, d. h. mit einem Gesamtbetrag von 20.550,12 Euro. Daraus ergibt sich für die Beklagte eine Kostenquote von 52,2 % (20.550,12 * 100 / 39.375,00), für den Kläger vom 47,8 %.
184Für das Berufungsverfahren ist ausgehend von den in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Anträgen eine Streitwert von 49.999,88 Euro (15.000,00 Euro Schadenersatz, 1.199,88 Euro weitere Urlaubsabgeltung, 30.800,00 Euro Karenzentschädigung sowie gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG 3.000,00 Vergütung für August 2012) der Kostenquotelung zugrunde zu legen. Der Kläger obsiegt mit nunmehr insgesamt 25.400,00 Euro Karenzentschädigung und 3.000,00 Vergütung, d. h. mit einem Gesamtbetrag von 28.400,00 Euro. Daraus ergibt sich für die Beklagte eine Kostenquote von 56,8 % (28.400,00 * 100 / 49.999,88), für den Kläger von 43,2 %.
185IV. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der entschiedenen Rechtsfragen zuzulassen.
Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits dem Dritten gerichtlich den Streit verkünden.
(2) Das Gericht und ein vom Gericht ernannter Sachverständiger sind nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift. § 73 Satz 2 ist nicht anzuwenden.
(3) Der Dritte ist zu einer weiteren Streitverkündung berechtigt.