Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss, 23. März 2015 - 14 Ta 120/15
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 30. Januar 2015 (1 Ca 1119/13) aufgehoben.
Es verbleibt bei der durch Beschluss des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 18. Dezember 2013 sowie des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 28. Juli 2014 (6 Sa 718/14) bewilligten Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I. Die sofortige Beschwerde richtet sich gegen im Nachprüfungsverfahren des § 120 Abs. 4 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.) erfolgte Abänderung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung gemäß § 124 Nr. 2 ZPO a. F., indem wegen verbesserter wirtschaftlicher Verhältnisse des Klägers die Zahlung eines Einmalbetrages von 5.376,00 Euro in diesem sowie drei weiteren Verfahren (Arbeitsgericht Arnsberg - 1 Ca 1221/12, 1 Ca 831/13 und 1 Ca 435/14) durch den angefochtenen Beschluss angeordnet wurde.
3Dem Kläger wurde in allen vier Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt, in zwei Verfahren, darunter dem vorliegenden Verfahren, auch für die Berufungsinstanz. Nachdem durch den gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO ergangenen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 23. Juli 2014 festgestellten Vergleich erhielt der Kläger eine Abfindung von 15.000,00 Euro brutto, die ihm mit weiteren Restvergütungsansprüchen am 8. September 2014 ausgezahlt wurde. Mit Schreiben vom 16. September 2014 bat das Arbeitsgericht ausschließlich im Verfahren 1 Ca 1119/13 den Kläger um die Mitteilung des ausgezahlten Nettoabfindungsbetrages. Das Schreiben wurde seinem Prozessbevollmächtigten am selben Tag zugestellt. Auch die Erinnerung vom 8. Oktober 2014, die Fristverlängerung vom 24. Oktober 2014 und die Mitteilung der Berechnung des das Schonvermögen übersteigenden Betrages der Abfindung erfolgte ausschließlich im Verfahren 1 Ca 1119/13 durch Zustellung der entsprechenden Schreiben an den Prozessbevollmächtigten des Klägers.
4Durch den hier angefochtenen Beschluss, der unter den Aktenzeichen aller vier Verfahren erging, änderte das Arbeitsgericht „die PKH-Bewilligungsbeschlüsse des Arbeitsgerichts Arnsberg bzw. des LAG Hamm“ ab und ordnete an, dass der Kläger „nunmehr auf die Kosten der Verfahren einen Betrag von 5376 zu zahlen“ habe.
5Gegen diese am 12. Februar 2015 seinem Prozessbevollmächtigten zugestellte Entscheidung richtet sich die vom Kläger persönlich eingelegte und am 26. Februar 2015 beim Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde, mit der er im Wesentlichen den Verbrauch der Abfindung für die Rückzahlung privater Schulden und anderer Verpflichtungen geltend macht, und der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
6II. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 a. F., §§ 567 ff. ZPO, § 40 EGZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Beschluss, mit dem die Einmalzahlung angeordnet wurde, ist in allen vier Verfahren, in denen Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, gemeinsam ergangen. Dies ist unzulässig.
7Eine Verbindung der Prozesskostenhilfeverfahren gemäß § 147 ZPO ist zum einen nicht ausdrücklich erfolgt. Soweit das Arbeitsgericht inzidenter die Prozesskostenhilfeverfahren durch die hier angefochtene Entscheidung miteinander verbunden wollte, ist diese Verbindung unzulässig, weil die Hauptsacheverfahren, für die jeweils in den gesonderten Bewilligungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt und bewilligt wurde, nicht miteinander verbunden wurden und nach Abschluss der Instanz auch nicht mehr miteinander verbunden werden können.
81. Nach § 147 ZPO kann das Gericht die Verbindung mehrerer Prozesse zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die einzelnen Ansprüche in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können. Zweck der Verbindung ist damit eine wirtschaftlichere Prozessführung für die Zukunft (vgl. OLG Hamm, 11. August 1980, 23 W 270/80, Rpfleger 1980, 439, II. 1. der Gründe). Bei der Prozesskostenhilfe handelt es sich aber um ein Nebenverfahren, welches die Rechtsverfolgung im Hauptsacheverfahren ermöglichen soll (vgl. BVerfG, 13. März 1990, 2 BvR 94/88, NJW 1991, 413, C. I. 2. b) der Gründe; 3. März 2014, 1 BvR 1671/13, NJW 2014, 1291, Rn. 13, 15) und nicht um den „Prozess“, der Grundlage einer Verbindung nach § 147 ZPO ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Auflage, 2014, § 147 ZPO Rn. 3).
92. Nach § 114 ZPO a. F. bzw. § 114 Abs. 1 ZPO wird Prozesskostenhilfe füreine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung beantragt. Gemäß § 119 ZPO ist Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug gesondert zu beantragen und zu bewilligen. Ratenzahlungsanordnungen in den unterschiedlichen Rechtszügen wirken sich zwar nicht auf die maximale Anzahl der zu zahlenden Raten, wohl aber in der Höhe auf eine laufende Zahlungsverpflichtung aus oder können auf einen Rechtszug begrenzt sein (vgl. näher BGH, 21. Dezember 1982, VI ZR 175/80, NJW 1983, 944; LAG Hamm, 17. Februar 2015, 14 Ta 10/15, juris, Rn. 5 ff.; LAG Düsseldorf, 25. April 1995, 7 Ta 198/94, MDR 1995, 750; Zöller/Geimer, a. a. O., § 119 ZPO Rn. 61). Schon der sich aus diesen Bestimmungen ergebende Bezug zum Hauptsacheverfahren, für welches das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe geführt wird, verbietet eine übergreifende, einheitliche Anordnung von Zahlungen in verschiedenen Prozesskostenhilfeverfahren unterschiedlicher Hauptsacheverfahren.
10Die getrennte Behandlung unterschiedlicher Prozesskostenhilfeverfahren wird zudem daran deutlich, dass Ratenfestsetzungen in einem Verfahren im anderen Verfahren zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, 15. November 1989, IVb ZR 70/89, NJW‑RR 1990, 450, Leitsatz 2 sowie Nr. 2 der Gründe). Dies gilt unabhängig davon, ob die bedürftige Partei in getrennten Verfahren gegen unterschiedliche oder denselben Gegner Prozesskostenhilfe erhalten hat. Die nach erfolgter Bewilligung eintretenden Wirkungen des § 122 ZPO beziehen sich ebenfalls auf das jeweilige Hauptsacheverfahren, und zwar für die Partei, ihren beigeordneten Rechtsanwalt und ihren Gegner. Dies schließt es aus, verschiedene Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren als Nebenverfahren unabhängig davon zu verbinden, ob die jeweiligen Hauptsacheverfahren, für die Prozesskostenhilfe beantragt wurde, miteinander verbunden werden oder nicht.
113. Etwas anderes gilt für das Nachprüfungsverfahren nicht, sei es vor oder nach Abschluss der Hauptsacheverfahren. Ebenso wie eine Verbindung von zuvor getrennt geführten Rechtsstreitigkeiten im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zulässig ist, weil es sich um ein rechtlich unselbständiges, nur die Kostengrundentscheidung des zugrunde liegenden Rechtsstreits ausfüllendes Verfahren handelt (vgl. OLG Hamm, 11. August 1980, 23 W 270/80, Rpfleger 1980, 439, II. 1. der Gründe), kann in dem Verfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO a. F., § 120a Abs. 1 ZPO ein selbständiges, vom zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren losgelöstes Verfahren gesehen werden. Auch hier gilt, dass Zahlungsanordnungen in dem einen Verfahren bei der Prüfung einer Ratenfestsetzung in dem anderen Verfahren zu berücksichtigen sind. Zudem ist im Hinblick auf die unterschiedlichen Bewilligungszeitpunkte in jedem Verfahren gesondert zu prüfen, ob eine nachträgliche Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist.
12Nichts anderes gilt bei der Anordnung von Einmalzahlungen, sei es im Bewilligungsverfahren, sei es im Nachprüfungsverfahren. Insbesondere ist es unzulässig, im Rahmen der Nachprüfung einen Gesamtbetrag für mehrere Verfahren anzuordnen, ohne die konkret in einem Verfahren zu erstattenden Kosten festzulegen. Wird im Nachprüfungsverfahren festgestellt, dass die bisher bedürftige Partei nunmehr über einzusetzendes Vermögen verfügt, hat das Gericht den teilweisen Vermögenseinsatz oder die vollständige Zahlung aller fälligen Kosten anzuordnen (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Auflage, 2014, Rn. 392). Das umfasst nicht die Anordnung einer Einmalzahlung auf Vorrat in Höhe des gesamten das Schonvermögen übersteigenden Betrages, weil dieser bezogen auf die zu konkret zu erstattenden Verfahrenskosten nicht zu leisten ist. Zudem ist diese Anordnung einer Einmalzahlung in weiteren Verfahren als fällige Schuld abzuziehen, um die dort zu leistenden Beträge zutreffend zu bestimmen. Dies kann je nach Höhe der Verfahrenskosten gerade bei mehreren Verfahren dazu führen, dass in einem Verfahren die Kosten nur noch teilweise zu erstatten sind oder eine Erstattungspflicht ganz ausscheidet und die Prozesskostenhilfebewilligung ohne Zahlungsanordnung aufrecht zu erhalten ist.
134. Das Verfahren, das zu dem angefochtenen Beschluss führte, leidet mithin unter einem erheblichen Fehler und kann nicht als ordnungsgemäße Entscheidungsgrundlage angesehen werden. Dies rechtfertigt die Aufhebung und Aufrechterhaltung der bewilligten Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung. Zwar bleibt es nicht ausgeschlossen, dass das Arbeitsgericht durch für den Kläger erkennbar gleichlautende und gleichzeitig verfasste Schreiben in allen vier Verfahren einzeln die Voraussetzungen einer Zahlungsanordnung überprüft. Eine Verbindung oder auch nur eine gemeinsame Entscheidung wie vorliegend ohne Konkretisierung der abzuändernden Entscheidungen und der in jedem Verfahren konkret zu zahlenden Beträge ist jedoch nicht zulässig.
145. Für den Fall einer erneuten Durchführung des Nachprüfungsverfahrens wird das Arbeitsgericht zu prüfen haben, ob hinsichtlich der Prozesskostenhilfebewilligung für die Berufungsinstanz eine nachträgliche Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Die Bewilligung ohne Zahlungsanordnung ist nach der Feststellung des Vergleichs, welcher die Abfindung enthält, erfolgt. Dies könnte einer Heranziehung für die Prozesskosten entgegenstehen (vgl. LAG Hamm, 30. Juni 2003, 18 Ta 350/03, juris, Rn. 15 m. w. N.). Im Übrigen wird es die vom Kläger geltend gemachten Einwendungen zu prüfen haben.
156. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.
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(1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Beträge ab und ist anzunehmen, dass die Belastungen bis zum Ablauf von vier Jahren ganz oder teilweise entfallen werden, so setzt das Gericht zugleich diejenigen Zahlungen fest, die sich ergeben, wenn die Belastungen nicht oder nur in verringertem Umfang berücksichtigt werden, und bestimmt den Zeitpunkt, von dem an sie zu erbringen sind.
(2) Die Zahlungen sind an die Landeskasse zu leisten, im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof an die Bundeskasse, wenn Prozesskostenhilfe in einem vorherigen Rechtszug nicht bewilligt worden ist.
(3) Das Gericht soll die vorläufige Einstellung der Zahlungen bestimmen,
- 1.
wenn die Zahlungen der Partei die voraussichtlich entstehenden Kosten decken; - 2.
wenn die Partei, ein ihr beigeordneter Rechtsanwalt oder die Bundes- oder Landeskasse die Kosten gegen einen anderen am Verfahren Beteiligten geltend machen kann.
(4) (weggefallen)
(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
- 1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat; - 2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat; - 3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind; - 4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat; - 5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.
(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.
(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.
(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.
(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
Hinsichtlich der Beschwerde gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte oder ihrer Vorsitzenden gelten die für die Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte maßgebenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gilt § 72 Abs. 2 entsprechend. Über die sofortige Beschwerde entscheidet das Landesarbeitsgericht ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter, über die Rechtsbeschwerde das Bundesarbeitsgericht.
Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können.
Tenor
-
Der Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 15. Mai 2013 - S 4 SO 57/13 ER - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Sozialgericht Osnabrück zurückverwiesen.
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Das Land Niedersachsen hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
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Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Gründe
- 1
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Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein sozialgerichtliches Eilverfahren unter Hinweis auf ein einzusetzendes Hausgrundstück.
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I.
- 2
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1. Die Beschwerdeführerin bezog bis einschließlich Januar 2013 Leistungen nach dem SGB II. Da eine amtsärztliche Untersuchung ergeben hatte, dass sie voraussichtlich länger als sechs Monate arbeitsunfähig sein werde, stellte der Landkreis Osnabrück die weitere Gewährung dieser Leistungen ein.
- 3
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In einem Schreiben des Landkreises aus dem Jahr 2010 heißt es, nach Vorlage des Bescheids des Gutachterausschusses für Grundstückswerte Osnabrück könne der Beschwerdeführerin mitgeteilt werden, dass ihr Haus im Sinne des SGB II als geschütztes Vermögen zu bewerten sei.
- 4
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2. Mit Bescheid vom 8. März 2013 lehnte die Stadt D. die Gewährung von Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII ab. Die Beschwerdeführerin verfüge über ausreichendes Vermögen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII sei ein Hausgrundstück dann geschützt, wenn es selbst bewohnt werde und eine angemessene Größe aufweise. Die Beschwerdeführerin habe angegeben, dass das Haus, in dem sie wohne, eine Wohnfläche von 158 m2 habe. Das Bundessozialgericht halte bei einem Haus, das von einer Person bewohnt werde, eine Wohnfläche von 99 m2 für angemessen.
- 5
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3. Die Beschwerdeführerin beantragte hierauf beim Sozialgericht Osnabrück den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren.
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Nachfolgend schlossen die Beteiligten auf Veranlassung des Gerichts einen Vergleich. Die Zustimmung der Beschwerdeführerin ging beim Gericht am 16. Mai 2013 ein.
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4. Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss vom 15. Mai 2013 lehnte das Sozialgericht Osnabrück den Prozesskostenhilfeantrag ab. Die Beschwerdeführerin könne nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung selbst tragen. Nach § 115 Abs. 3 ZPO habe die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar sei. § 90 SGB XII gelte entsprechend. Die Beschwerdeführerin sei Eigentümerin eines Einfamilienhauses, das verwertbares Vermögen darstelle. Es handele sich insbesondere nicht um ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne von § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII, da jedenfalls die Wohnfläche von 158 m2 bei Alleinnutzung durch die Beschwerdeführerin die Angemessenheitsgrenze übersteige.
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II.
- 8
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1. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
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Das Sozialgericht verkenne in krasser Weise, dass das angebliche Vermögen - das von ihr bewohnte Haus - der Streitgegenstand des Verfahrens gewesen sei. Es sei in dem Verfahren summarisch zu prüfen gewesen, ob ihr Haus verwertbar sei beziehungsweise ob die Verwertung zumutbar sei. Das Haus sei vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende und auch durch den vom Sozialgericht vorgeschlagenen und zustande gekommenen Vergleich zumindest für zwei Jahre von der Verwertung ausgenommen worden. Sie müsse das Haus also nicht für den Bezug von Sozialhilfe einsetzen, aber - zumindest in Form der Belastung - für die entstandenen Anwaltskosten.
- 10
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2. Das Land Niedersachsen hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezogen.
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III.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung eines in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechts angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 ff.>), die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Der Beschluss des Sozialgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
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1. Das Grundgesetz gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 f.> m.w.N.). Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet. Daher ist es geboten, Vorkehrungen zu treffen, die auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht ermöglichen. Art. 3 Abs. 1 GG stellt die Beachtung dieses Gebotes der Rechtsschutzgleichheit unter grundrechtlichen Schutz.
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Derartige Vorkehrungen sind im Institut der Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) getroffen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>). Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Dem genügt das Gesetz, indem es die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (vgl. nunmehr § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies bedeutet zugleich, dass Prozesskostenhilfe verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist.
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Die Auslegung und Anwendung des § 114 ZPO obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten, die dabei den - verfassungsgebotenen - Zweck der Prozesskostenhilfe zu beachten haben (vgl. BVerfGE 81, 347 <357 f.>). Das Bundesverfassungsgericht kann hier nur eingreifen, wenn Verfassungsrecht verletzt ist, insbesondere wenn die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruhen. Hierbei hat es zu berücksichtigen, dass die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in engem Zusammenhang mit der den Fachgerichten vorbehaltenen Feststellung und Würdigung des jeweils entscheidungserheblichen Sachverhalts und der ihnen gleichfalls obliegenden Auslegung und Anwendung des jeweils einschlägigen materiellen und prozessualen Rechts steht. Die Fachgerichte überschreiten den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht verfassungsrechtlich zukommt, erst dann, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird. Das ist namentlich dann der Fall, wenn das Fachgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannt und dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt wird.
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Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn es um die Anforderungen an die Darlegung beziehungsweise Feststellung der Bedürftigkeit von Antragstellern als weitere, in § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO (beziehungsweise § 114 Satz 1 ZPO in der bis einschließlich 31. Dezember 2013 geltenden, für die angegriffene Entscheidung maßgeblichen Fassung) geregelte Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe geht (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 13. Dezember 2007 - 1 BvR 2007/07 -, juris Rn. 19).
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2. Diese Anforderungen hat das Sozialgericht offensichtlich nicht beachtet.
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a) Wird in einem (sozialgerichtlichen) Hauptsacheverfahren um die Frage gestritten, ob ein Hausgrundstück zum einzusetzenden Vermögen im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII gehört, so ist bei der Prüfung, ob Prozesskostenhilfe für das Hauptsacheverfahren bewilligt werden kann, davon auszugehen, dass das Grundstück nicht nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 115 Abs. 3 ZPO, dieser wiederum in Verbindung mit § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII einzusetzen ist (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 18. Juli 2007 - L 7 B 40/07 SO -, juris Rn. 15; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Februar 2009 - L 7 B 387/08 AS -, juris Rn. 4; auch Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 73a Rn. 6e).
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b) Diese Auffassung ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten, da nur so der weitgehend gleiche Zugang zu Gericht gewährleistet werden kann. Wäre über den "doppeltrelevanten Umstand" des Vermögenseinsatzes schon im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden, würde damit die Rechtsschutzgewährung aus dem Hauptsacheverfahren in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert. Anderes gilt auch nicht in den Fällen, in denen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nur entfernte sind; in diesen Fällen kann das Gericht das Versagen von Prozesskostenhilfe an den fehlenden hinreichenden Erfolgsaussichten festmachen.
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c) Im vorliegenden Fall hat das Sozialgericht die Frage, ob das Grundstück zur Finanzierung des Prozesses einzusetzen ist, im Verfahren der Prozesskostenhilfe einfach durchentschieden. Dies ist umso erstaunlicher, als dem Sozialgericht bekannt war, dass das Grundstück vom Landkreis Osnabrück im Hinblick auf die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II als nicht zu berücksichtigendes Vermögen (vgl. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II) eingestuft worden war.
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d) Die Entscheidung des Sozialgerichts beruht auch auf dem Verfassungsverstoß. Es kann insbesondere nicht angenommen werden, dass die Frage des Einsatzes des Grundstücks im Rahmen der Hauptsache derart eindeutig zulasten der Beschwerdeführerin beantwortet werden kann, dass Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Aussichten auf Erfolg versagt werden konnte.
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3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>). Die Festsetzung hat hier noch ausgehend von dem Mindestgegenstandswert in Höhe von 4.000 Euro (§ 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in der bis einschließlich 31. Juli 2013 geltenden Fassung) zu erfolgen (vgl. § 60 Abs. 1 RVG). Es ist nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführerin ein über den festgesetzten Betrag hinausgehendes Interesse hat.
Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders. In einem höheren Rechtszug ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat.
(2) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen umfasst alle Vollstreckungshandlungen im Bezirk des Vollstreckungsgerichts einschließlich des Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 28. November 2014 (5 Ca 1992/13) aufgehoben.
Es verbleibt bei der durch Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 21. November 2013 bewilligten Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.), §§ 567 ff. ZPO, § 40 EGZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht die Zahlung einer monatlichen Rate von 430,00 Euro angeordnet. Es hat den angefochtenen Beschluss vom 28. November 2014 ohne Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO a. F. und damit ohne gesetzliche Grundlage erlassen.
31. Auslöser des Beschlusses war der zuvor dem Kläger übersandte Zahlungsplan vom 30. Oktober 2014, mit welchem die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers erstatteten Anwaltskosten erster Instanz in Höhe von rund 1.150,00 Euro in monatlichen Raten von 430,00 Euro eingezogen werden sollten. Dieser Zahlungsplan hatte keine rechtliche Grundlage, weil, wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seinem Schriftsatz vom 20. November 2014 zutreffend ausgeführt hat, aufgrund des ursprünglichen Bewilligungsbeschlusses vom 21. November 2013 dem Kläger für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt worden war. Der Zahlungsplan hätte der vorherigen Durchführung des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 120 Abs. 4 ZPO a. F. mit einem Beschluss, der eine solche Ratenzahlung anordnet, bedurft. Ein solches Nachprüfungsverfahren wurde vom Arbeitsgericht nicht durchgeführt. Weder wurde der Kläger aufgefordert, sich über eine Änderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erklären. Noch wurde eine solche Aufforderung seinem Prozessbevollmächtigten wie erforderlich (vgl. LAG Hamm, 5. Juli 2013, 5 Ta 254/13, juris; 20. September 2013, 14 Ta 160/13, juris jeweils m. w. N.) zugestellt. Ebenso wenig ist vor der Übersendung des Zahlungsplans ein Beschluss ergangen, der die ursprüngliche Bewilligung ohne Zahlungsanordnung abänderte.
42. Die Ansicht des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung, der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. August 2014 (9 Sa 405/14), mit welchem dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt wurde, sei aufgrund einer angeblich offensichtlichen Verbesserung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse als Abänderung der Prozesskostenhilfebewilligung vom 21. November 2013 für die erste Instanz anzusehen, ist unzutreffend. Hierfür existiert keine gesetzliche Grundlage.
5a) Gemäß § 119 Abs. 1 ZPO ist Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug getrennt zu bewilligen. Das Bewilligungsverfahren für die zweite Instanz ist weder das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Prozesskostenhilfebewilligung für die erste Instanz noch ersetzt es dieses Verfahren (vgl. LAG Düsseldorf, 25. April 1995, 7 Ta 198/94, MDR 1995, 750). Die Ratenzahlungsanordnung des Berufungsgerichts kann nicht als eine gleichzeitige Entscheidung im Verfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO a. F. (jetzt § 120a Abs. 1 ZPO) gewertet werden. Das Berufungsgericht ist für die erstinstanzliche Festsetzung nicht zuständig (§ 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Voraussetzungen des § 120 Abs. 4 ZPO a. F. bzw. § 120a Abs. 1 ZPO für eine Abänderung der Bewilligungsentscheidung (wesentliche Änderungen der Verhältnisse) sind andere sind als bei einer erstmaligen Bewilligung durch das Berufungsgericht. Im Übrigen besteht für das Nachprüfungsverfahren die Zuständigkeit des Rechtspflegers gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) RPflG (vgl. LAG Düsseldorf, a. a. O.).
6b) Zwar ist im Hinblick darauf, das gemäß § 115 Abs. 2 Satz 4 ZPO unabhängig von der Zahl der Rechtszüge nur 48 Monatsraten von der Partei maximal zu zahlen sind, die Kostenbelastung der mittellosen Partei in der Höhe durch die Hälfte des einzusetzenden Einkommens und nach der Dauer durch die Ratenhöchstzahl begrenzt. Andererseits bleiben für die Höhe der nach dem einzusetzenden Einkommen festzulegenden Raten frühere Ratenzahlungsanordnungen im selben Verfahren unbeschadet der Verrechnung früher angeordneter Raten auf die Ratenhöchstzahl ohne Einfluss. Deshalb stehen nach dem Sinn der gesetzlichen Regelung grundsätzlich die Ratenzahlungsanordnungen unter dem Vorbehalt ihrer Ablösung durch eine neue Ratenzahlungsanordnung des in einem späteren Rechtszug für Entscheidungen der Prozesskostenhilfe nach § 127 Abs. 1 Satz 2 ZPO zuständigen Gerichts; mit Wirkung der Neufestsetzung der Raten durch dieses Gericht wird die frühere Ratenzahlungsanordnung gegenstandslos (vgl. BGH; 21. Dezember 1982, VI ZR 175/80, NJW 1983, 944). Dadurch wird sichergestellt, dass nicht zwei Raten, welche dasselbe Verfahren, wenn auch unterschiedliche Instanzen betreffen, gleichzeitig gezahlt werden müssen (vgl. LAG Düsseldorf, 25. April 1995, 7 Ta 198/94, MDR 1995, 750).
7Daher bewirkt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Berufungsgericht für ein Rechtsmittelverfahren unter Festsetzung einer niedrigeren Rate, dass die Partei entgegen der erstinstanzlichen Festsetzung nur noch die niedrigere Rate ab Antragstellung in der 2. Instanz zu zahlen hat (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Auflage, 2014, Rn. 311; Zöller/Geimer, ZPO, 14. Auflage, 2014, § 119 ZPO Rn. 61, jeweils m. w. N). Dies dürfte auch für den Fall einer Ratenerhöhung aufgrund des Ablöseprinzips gelten. Darüber hinaus soll eine Bewilligung ohne Zahlungsanordnung in der höheren Instanz auch dazu führen, dass die Partei keine weitere Rate mehr zu zahlen braucht (so Zöller/Geimer, a. a. O.; a. A. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O. (erstinstanzliche Anordnung bleibt bestehen), jeweils m. w. N.).
8c) Davon zu unterscheiden ist jedoch der Fall, dass die erste Instanz die Partei von Ratenzahlungen freigestellt hatte und die zweite Instanz die Zahlung von Raten anordnet. In diesem Fall dienen die Raten nur dazu, die Kosten der Rechtsmittelinstanz zu decken. Die Ratenzahlungsanordnung hat keinen Einfluss auf die ratenfreie Bewilligung für die erste Instanz, von den erstinstanzlichen Kosten ist die Partei weiterhin befreit (vgl. LAG Düsseldorf, 25. April 1995, 7 Ta 198/94, MDR 1995, 750; Zöller/Geimer, a. a. O., § 119 ZPO Rn. 61). Aufgrund der Vorschriften des § 120 Abs. 4 ZPO a. F. bzw. § 120a Abs. 1 ZPO ist eine nachträgliche Abänderung der erstinstanzlichen Prozesskostenhilfebewilligung ohne Zahlungsanordnung durch den Rechtspfleger nur unter den Voraussetzungen dieser Bestimmungen zulässig (vgl. OLG Stuttgart, 6. Juni 2002, 8 WF 96/2000 MDR 2002, 1396 m. w. N.). Es muss eine wesentliche Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegen. Die abweichende Beurteilung derselben durch die erste Instanz einerseits, die zweite Instanz andererseits reicht hierfür nicht.
9Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die zweite Instanz entbindet das Arbeitsgericht insbesondere nicht von der eigenen Prüfung, ob eine nachträgliche Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegt. Weder besteht eine Vermutung der Richtigkeit für die in der Berufungsinstanz erfolgte Prüfung noch ist eine gesetzliche Grundlage für eine präjudizielle Wirkung der Bewilligungsentscheidung des Rechtsmittelgerichts für das Nachprüfungsverfahren des ersten Rechtszuges gegeben. Angesichts der unterschiedlichen Verfahren und den Voraussetzungen für eine Bewilligung einerseits, eine Abänderung von Zahlungsanordnungen andererseits sind solche Wirkungen nicht möglich.
10Die Meinung des Arbeitsgerichts, sein angefochtener Beschluss habe im Hinblick auf die Entscheidung des Berufungsgerichts im Bewilligungsverfahren lediglich klarstellende Funktion, entbehrt demnach jeder rechtlichen Grundlage. Wird der Partei für die erste Instanz Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt, dagegen für das Berufungsverfahren nur unter Anordnung von Raten, ist eine Ratenzahlungsanordnung für die Prozesskostenhilfe in erster Instanz nur nach Durchführung des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 120 Abs. 4 ZPO a. F. bzw. § 120a Abs. 1 ZPO und nur bei Erfüllung der für eine Abänderung bestehenden gesetzlichen Voraussetzungen zulässig. Weder führt die Bewilligungsentscheidung des Rechtsmittelgerichts zu einer unmittelbaren Abänderung der Bewilligungsentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts noch besteht für sie eine präjudizielle Wirkung oder die Vermutung der Richtigkeit hinsichtlich der Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
11d) Ebenso wenig war das Arbeitsgericht berechtigt, unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) den Vortrag der Partei unter Verweis auf eine Entscheidung des Berufungsgerichts zu übergehen und inhaltlich wie nicht zur Kenntnis zu nehmen. Hier wäre unabhängig davon, dass ein Nachprüfungsverfahren bislang nicht durchgeführt wurde, unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers über seine Privatinsolvenz sowie der aus den Abrechnungen ersichtlichen Pfändungen und bei einem Vergleich dieser Angaben mit der zweitinstanzlichen Berechnung eine nähere Überprüfung von Letzterer naheliegend.
123. Da im vorliegenden Fall ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO a. F. nicht stattgefunden hat, hatte es bei der Bewilligung ohne Zahlungsanordnung durch den Beschluss vom 21. November 2013 zu verbleiben.
134. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.
(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders. In einem höheren Rechtszug ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat.
(2) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen umfasst alle Vollstreckungshandlungen im Bezirk des Vollstreckungsgerichts einschließlich des Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung.
(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass
- 1.
die Bundes- oder Landeskasse - a)
die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten, - b)
die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei
nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann, - 2.
die Partei von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist, - 3.
die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können.
(2) Ist dem Kläger, dem Berufungskläger oder dem Revisionskläger Prozesskostenhilfe bewilligt und ist nicht bestimmt worden, dass Zahlungen an die Bundes- oder Landeskasse zu leisten sind, so hat dies für den Gegner die einstweilige Befreiung von den in Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a bezeichneten Kosten zur Folge.
(1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Beträge ab und ist anzunehmen, dass die Belastungen bis zum Ablauf von vier Jahren ganz oder teilweise entfallen werden, so setzt das Gericht zugleich diejenigen Zahlungen fest, die sich ergeben, wenn die Belastungen nicht oder nur in verringertem Umfang berücksichtigt werden, und bestimmt den Zeitpunkt, von dem an sie zu erbringen sind.
(2) Die Zahlungen sind an die Landeskasse zu leisten, im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof an die Bundeskasse, wenn Prozesskostenhilfe in einem vorherigen Rechtszug nicht bewilligt worden ist.
(3) Das Gericht soll die vorläufige Einstellung der Zahlungen bestimmen,
- 1.
wenn die Zahlungen der Partei die voraussichtlich entstehenden Kosten decken; - 2.
wenn die Partei, ein ihr beigeordneter Rechtsanwalt oder die Bundes- oder Landeskasse die Kosten gegen einen anderen am Verfahren Beteiligten geltend machen kann.
(4) (weggefallen)
(1) Das Gericht soll die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben. Eine Änderung der nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 maßgebenden Beträge ist nur auf Antrag und nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dazu führt, dass keine Monatsrate zu zahlen ist. Auf Verlangen des Gerichts muss die Partei jederzeit erklären, ob eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist. Eine Änderung zum Nachteil der Partei ist ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind.
(2) Verbessern sich vor dem in Absatz 1 Satz 4 genannten Zeitpunkt die wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei wesentlich oder ändert sich ihre Anschrift, hat sie dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Bezieht die Partei ein laufendes monatliches Einkommen, ist eine Einkommensverbesserung nur wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zu Grunde gelegten Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100 Euro übersteigt. Satz 2 gilt entsprechend, soweit abzugsfähige Belastungen entfallen. Hierüber und über die Folgen eines Verstoßes ist die Partei bei der Antragstellung in dem gemäß § 117 Absatz 3 eingeführten Formular zu belehren.
(3) Eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse kann insbesondere dadurch eintreten, dass die Partei durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung etwas erlangt. Das Gericht soll nach der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens prüfen, ob eine Änderung der Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen mit Rücksicht auf das durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Erlangte geboten ist. Eine Änderung der Entscheidung ist ausgeschlossen, soweit die Partei bei rechtzeitiger Leistung des durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Erlangten ratenfreie Prozesskostenhilfe erhalten hätte.
(4) Für die Erklärung über die Änderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nach Absatz 1 Satz 3 muss die Partei das gemäß § 117 Absatz 3 eingeführte Formular benutzen. Für die Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gilt § 118 Absatz 2 entsprechend.