Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 04. März 2015 - 12 Sa 136/15
Tenor
1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 15.05.2014 - 3 Ca 478/14 - wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
3.
Die Revision wird zugelassen.
1
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.
3Der am 17.09.1965 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger, ein ausgebildeter Jurist, der zuvor selbständig als externer Datenschutzbeauftragter tätig war, war seit dem 01.10.2011 bei der Beklagten, welche regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigte, auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 27.09.2011 tätig. In diesem hieß es u.a.:
4"§1 Arbeitsverhältnis
5Mit Wirkung vom 01.10.2011 wird Herr D. als Berater für Datenschutz im Bereich IT Quality der U. eingestellt.
6…
7§ 3 Arbeitszeit/Mehrarbeit
8Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist die betriebsübliche Arbeitszeit. Sie beträgt ausschließlich der Pausen 38,5 Stunden.
9…
10Mit dem Gehalt sind bis zu 9,5 Stunden angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit pro Woche abgegolten.
11§ 5 Weisungen
12Herr D. führt seine Dienste nach den Weisungen der Geschäftsführung der U. oder der von der Geschäftsführung Beauftragten aus.
13Herr D. kann abweichend von § 1 auch zu anderen Aufgaben herangezogen oder - gegebenenfalls unter Versetzung - mit anderen Aufgaben betraut werden, die seiner Ausbildung, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen.
14§ 8 Dienstort
15Als Dienstort wird z.Zt. F. vereinbart.
16U. behält sich vor, Herrn D. bei dienstlicher Veranlassung auch an einen anderen jetzigen oder zukünftigen Dienstort der U. oder deren Tochtergesellschaften - vorübergehend auch weltweit - einzusetzen unter Berücksichtigung von § 5, Satz 2.
17…"
18Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Arbeitsvertrag Bezug genommen. Der Arbeitsvertrag war dem Kläger ohne gesonderte Verhandlungsmöglichkeit zur Unterschrift vorgelegt worden. Ausweislich von Nr. 1.6 der Protokollnotiz zur gekündigten Betriebsvereinbarung für nichtleitende AT-Angestellte der U. GmbH waren in der Gehaltsgruppe des Klägers 4,2 Mehrarbeitsstunden pro Woche mit dem Fixeinkommen abgegolten. Die Beklagte erbrachte Dienstleistungen im Bereich des Datenschutzes. Der Kläger gehörte zur sog. Prüfstelle für Datenschutz innerhalb der Abteilung Business Security & Privacy (BSP), in der neben ihm Frau X., ebenfalls ausgebildete Juristin, sowie die Herren M. und I. tätig waren. Diese Prüfstelle war bislang überwiegend mit Prüfungen und Gutachten zum Datenschutz mit und ohne Zertifizierung durch externe Zertifizierungsstellen betraut. Der Kläger betreute außerdem ein externes Datenschutzmandat bei einem Kunden in Dortmund mit einem Arbeitsaufwand von 4 Stunden im Monat. Dieses hatte er aus der selbständigen Tätigkeit mitgebracht. Vertragspartner des Kunden war nach dem Eintritt des Klägers bei der Beklagten diese geworden. Der Kläger selbst war weiter bei dem Kunden als externer Datenschutzbeauftragter tätig.
19Mit E-Mail vom 16.02.2015 wies die Beklagte den Kläger an, als zweiter extern bestellter betrieblicher Datenschutzbeauftragter für die Entsorgungsbetriebe F. mit ihren Standorten tätig zu werden. Mit E-Mail vom gleichen Tag wurde der Kläger angewiesen, als externer Datenschutzbeauftragter für die Q. G. Group Deutschland GmbH mit weiteren bezeichneten Unternehmen tätig zu werden.
20Die Beklagte hörte den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit Schreiben vom 22.01.2014 zu einer beabsichtigten Änderungskündigung an. Der Betriebsrat widersprach der Änderungskündigung mit Schreiben vom 29.01.2014. Die sozialen Gesichtspunkte im Hinblick auf die künftige Reisetätigkeit seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Mit Schreiben vom 30.01.2014 sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber eine Änderungskündigung zum 30.09.2014 aus. In dieser bot sie dem Kläger an, das Arbeitsverhältnis ab dem 01.10.2014 als Berater für Datenschutz, Prüfer, Gutachter, Auditor Datenschutz sowie externer Datenschutzbeauftragter fortzusetzen. Zusätzlich sollte in den Vertrag eine Haftungsbefreiung aufgenommen werden. Im Übrigen verblieb es bei den bisherigen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses. Wegen der weiteren Einzelheiten der Änderungskündigung wird auf diese Bezug genommen. Der Kläger nahm die Änderungskündigung mit Schreiben vom 17.02.2014 unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an. Im Januar 2014 hatte die Beklagte mittels Stellenausschreibung einen Mitarbeiter entsprechend der dem Kläger in der Änderungskündigung angebotenen Tätigkeit, d.h. "Berater Datenschutz, Prüfer, Gutachter und Auditor Datenschutz und externen Datenschutzbeauftragten" gesucht. Ausweislich der Stellenausschreibung reichte alternativ eine kaufmännische Ausbildung bei juristischen Grundkenntnissen. Eingestellt wurde u.a. ein Wirtschaftsinformatiker.
21Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe ihm die Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter nicht im Wege des Direktionsrechts zuweisen können. Schon eine räumliche Änderung des Arbeitsortes komme nicht in Betracht, die zudem als Versetzung der Zustimmung des Betriebsrats bedurft hätte. Außerdem sei er als Datenschutzrechtlicher Berater eingestellt worden, worauf er bei der Einstellung großen Wert gelegt habe. Externe Mandate als Datenschutzbeauftragter seien davon nicht erfasst gewesen. Der externe Datenschutzbeauftragte sei organisatorisch in das bestellende Unternehmen eingebunden. Der Berater Datenschutz sei hingegen nur für die Beratung der Geschäftsleitung und der Beschäftigten in Sachen Datenschutz zuständig. Ein Direktionsrecht scheide deshalb aus. Die andere Schwierigkeit ergebe sich auch aus den technischen Aspekten und der stärkeren Reisetätigkeit. Außerdem ändere sich das Niveau der Tätigkeit, denn die gutachterliche Tätigkeit im Bereich Datenschutz sei höherwertig.
22Der Kläger hat gemeint, dass die Änderungskündigung nicht sozial gerechtfertigt sei. Er hat behauptet, das Konzept der Beklagten sei bereits am 15.11.2013 vorgestellt worden und hätte mithin nicht am 11.12.2013 beschlossen werden können. Eine Fachstelle für Datenschutz gebe es bei der Beklagten nicht, denn diese tauche im Organigramm nicht auf. Der Kläger sei zudem als Mandatsbetreuung/Personalressource Prüfstelle eingeplant, mit der Folge, dass sich für ihn "alles ändern werde". Andererseits hätten die Geschäftsführung und der Abteilungsleiter dem Betriebsrat mündlich mitgeteilt, dass er nur einige Mandate, d.h. ein bis zwei übernehmen solle. Die Betreuung externer Mandate dauere dabei im Durchschnitt für kleinere Mandanten acht bis zwölf Stunden im Monat, für mittelgroße Kunden einen Tag pro Woche und für große Kunden zwei Tage pro Woche. Die Prüfstelle für Datenschutz arbeite wirtschaftlich. Er sei bisher zu über 100 Prozent ausgelastet gewesen.
23Der Kläger hat die ordnungsgemäße Sozialauswahl gerügt. Vergleichbar seien nicht nur Juristen, sondern grundsätzlich alle IT-Mitarbeiter.
24Der Kläger hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gerügt. Diesem sei ein anderes Konzept als den Mitarbeitern mitgeteilt worden.
25Mit der am 17.02.2014 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 22.02.2014 zugestellten Klage hat der Kläger beantragt,
26festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 30.01.2014 unwirksam ist.
27Die Beklagte hat beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Sie hat behauptet, es habe in der Abteilung BSP außerdem die sog. Fachstelle für Datenschutz bestehend aus den Herren L. und T. gegeben, welche überwiegend externe Datenschutzmandate wahrgenommen hätten. Sie habe mit dem Konzept "One Privacy" festgestellt, dass die Prüfstelle für Datenschutz unwirtschaftlich arbeite, die Fachstelle für Datenschutz hingegen wirtschaftlich und zukunftsfähig sei. Sie habe deshalb durch Beschluss der Geschäftsführung vom 11.12.2013 angeordnet, dass jeder Jurist der Abteilung BSP ab sofort in allen Tätigkeitsfeldern der Produktgruppe Datenschutz tätig sein müsse, d.h. auch als externer Datenschutzbeauftragter.
30Sie hat weiter behauptet, die durchschnittliche Arbeitsauslastung des Klägers habe zuletzt bei 59 Prozent gelegen.
31Sie hat gemeint, die Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter sei bereits von der Tätigkeit eines Beraters für Datenschutz erfasst. Bereits aus diesem Grunde sei die Klage unbegründet. Sie hätte dem Kläger diese Aufgabe auch per Direktionsrecht zuweisen können. Eine Änderung des Schwierigkeitsgrads der Tätigkeit erfolge nicht. Soweit Reisetätigkeiten zu erbringen seien, sei dies richtig. Eine örtliche Beschränkung sehe der Arbeitsvertrag indes nicht vor.
32Die Änderungskündigung sei im Übrigen aber aufgrund der von ihr getroffenen unternehmerischen Entscheidung auch sozial gerechtfertigt.
33Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Änderungskündigung keine Änderungen gegenüber dem Vertrag vom 27.09.2011 enthalte. Gegen das ihm am 11.06.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.07.2014 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.08.2014 - am 22.08.2015 begründet.
34Der Kläger meint, die Zuweisung der Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter sei nicht vom Direktionsrecht gedeckt, sondern habe einer Änderungskündigung bedurft. Diese sei unwirksam. Die begehrte Änderung betreffe den Arbeitsort, die Arbeitszeit und die Tätigkeit.
35Die Regelung in § 8 des Arbeitsvertrags zum Arbeitsort sei unklar und zu weit gefasst, weil ein Einsatz bei allen Tochtergesellschaften möglich sei. § 8 sei wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, so dass die gesetzlichen Regelungen zur Anwendung kämen. Arbeitsort sei demnach der Standort des Unternehmens, d.h. im Ergebnis F.. Da der Tätigkeitsschwerpunkt künftig der externe Datenschutzbeauftragte einschließlich "cross selling" sein solle, falle erhöhte Reisetätigkeit an.
36Durch die zugewiesene Tätigkeit des externen Datenschutzbeauftragten komme es zu einer geringeren Entlohnung, weil An- und Abreise bei der Berechnung der Arbeitszeit mit einzubeziehen seien. Bei Herrn T. betrage die Arbeitsbelastung in der Woche bis zu 60 Stunden.
37Eine Übertragung der Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter komme nicht in Betracht, weil er gemäß § 4f BDSG eine Rechtsbeziehung mit seinem Auftraggeber eingehe. Hierfür sei stets eine Änderungskündigung erforderlich. Zur Eingehung neuer Verpflichtungen Dritter gegenüber habe der Kläger sich zu keinem Zeitpunkt verpflichtet. Auch könne die Aufgabe eines externen Datenschutzbeauftragten ihm schon wegen der damit verbundenen besonderen Verantwortung nicht einfach aufgedrängt werden. Der Datenschutzbeauftragte selbst müsse prüfen, ob er zur Ausübung des jeweiligen Mandats in der Lage sei und ob das dafür zur Verfügung gestellte Zeitbudget ausreiche. Nur auf das einzelne mitgebrachte Mandat habe sich sein Einverständnis bezogen, als externer Datenschutzbeauftragter tätig zu werden, zumal die Stellung externer Datenschutzbeauftragter nicht zum Geschäftsfeld der Beklagten gehöre.
38Außerdem gehe durch die Zuweisung der Aufgabe als Datenschutzbeauftragter die Gleichwertigkeit der bisherigen Tätigkeit verloren, weil er bisher überwiegend Gutachten erstellt habe. Da er mehrere Mandate übernehmen solle, sei es faktisch unmöglich, noch Gutachten zu erstellen. Es gehe um eine dauerhafte Änderung seiner Tätigkeit nicht nur bei Auftragsspitzen. Erforderlich sei als externer Datenschutzbeauftragter gemäß der Stellenausschreibung aber in erster Linie ein akademischer Abschluss als Informatiker bzw. ausreichend sogar eine kaufmännische Ausbildung.
39Da nunmehr neue Mitarbeiter als externe Datenschutzbeauftragte eingestellt worden seien, gebe es keine Notwendigkeit mehr, ihn ebenfalls so einzusetzen.
40Die Zuweisung der Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter entspreche nicht billigem Ermessen. Der Kläger behauptet, dass er an einem Rückenleiden erkrankt sei und sich deshalb bereits einer Bandscheibenvorfalloperation habe unterziehen müssen. Davon wisse die Beklagte. Lange Autofahrten seien ihm deshalb nicht zumutbar. Beim Autofahren werde die natürliche Schwingfrequenz der Wirbelsäule gestört. Aus diesem Grund habe er sich zum Wechsel von der selbständigen Tätigkeit zu einem reinen Bürojob entschieden, die zu einer Besserung des Rückenleidens geführt habe. Die erhöhte Reisetätigkeit könne er aus gesundheitlichen Gründen nicht erbringen. Den Kunden in Dortmund könne er gerade noch zumutbar erreichen, weil die Fahrzeit weniger als eine Stunde betrage. Außerdem habe er das persönliche Haftungsrisiko eines Datenschutzbeauftragten nicht tragen wollen. Die Arbeitszeit, welche die Beklagte zur Betreuung der Mandate zur Verfügung stelle, reiche nicht aus.
41Da auf die bisher ausgeübte Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter nur ein geringer Anteil der Arbeitszeit entfalle, sei bei Vertragsschluss nicht beabsichtigt gewesen, ihn bei anderen Unternehmen als externen Datenschutzbeauftragten einzusetzen. Diese Tätigkeit sei von der als Berater zu unterschieden, weil es sich um eine weisungsfreie unabhängige Kontrollinstanz bei dem Kunden handele. Er sei auch fachlich nicht in der Lage, diese Tätigkeiten vollumfassen zu erfüllen, weil ihm die erforderlichen informationstechnischen Kenntnisse fehlten.
42Die erforderliche Änderungskündigung sei unwirksam. Die Betriebsratsanhörung sei fehlerhaft. Die Mitteilung, dass die Prüfstelle für Datenschutz erhebliche Verluste erwirtschafte, sei falsch und widerlegt. Die Beklagte habe dem Betriebsrats unkorrekte Tatsachen vorgetragen, um die Kündigung zu rechtfertigen. Das Beschäftigungsbedürfnis sei nicht entfallen. Sein Team und seine Tätigkeiten seien nach wie vor vorhanden. Er habe dort regelmäßig Überstunden geleistet. Die Sozialauswahl sei fehlerhaft durchgeführt.
43Aus den E-Mails vom 16.02.2015 ergebe sich, dass die Beklagte die Bestellungspraxis sehr oberflächlich und nicht den rechtlichen Gegebenheiten entsprechend handhabe. Der Umfang der Mandatsausübung sei ihm nicht bekannt. Es entstünden erhebliche Reisezeiten. Die E-Mail enthalte zudem Vorgaben, welche die Weisungsfreiheit des Datenschutzbeauftragten beeinträchtigten.
44Der Kläger beantragt,
45das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 15.05.2014 - 3 Ca 478/14 aufzuheben und festzustellen, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 30.01.2014 unwirksam ist.
46Die Beklagte beantragt,
47die Berufung zurückzuweisen.
48Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Sie behauptet, der Kläger kenne die Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter und sei dazu auch fachlich in der Lage. Sie wolle durch ihre unternehmerische Entscheidung lediglich sichergestellt wissen, dass auch im Bereich des Klägers die Mitarbeiter bei Auftragsspitzen im Bereich der externen Beratung eingesetzt werden können. Eine Aushöhlung seiner bisherigen Tätigkeit erfolge nicht. Er sei im Rahmen des Direktionsrechts flexibel einsetzbar. Eine Festlegung des Arbeitsortes sei im Arbeitsvertrag nicht erfolgt. Die geschuldete Arbeitsleistung ändere sich nicht. Das Rückenleiden des Klägers bestreitet sie mit Nichtwissen. Auf dieses komme es aber nicht an, weil dies ggfs. eine Frage des konkreten Einsatzes sei.
49Da die unternehmerische Entscheidung die Juristen betreffe, seien nur diese in die Vergleichbarkeit einzubeziehen.
50Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen in beiden Instanzen Bezug genommen.
51E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
52Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
53A.Die Berufung ist unbegründet, weil das Arbeitsgericht die rechtzeitig erhobene Änderungsschutzklage zu Recht als unbegründet abgewiesen hat. Die von dem Kläger begehrte Feststellung, die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 30.01.2014 sei unwirksam, kann nicht getroffen werden, weil das von ihm unter Vorbehalt angenommene "Änderungsangebot" der Beklagten in Wirklichkeit nicht auf eine Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen abzielte.
54I.Nach § 4 Satz 2 KSchG ist eine Änderungsschutzklage auf die Feststellung zu richten, dass die "Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt" oder sie "aus anderen Gründen rechtsunwirksam" ist. Eine solche Feststellung können die Gerichte nicht treffen, wenn das mit einer Kündigung verbundene "Änderungsangebot" gar nicht auf eine Änderung der bestehenden Vertragsregelungen gerichtet ist, sondern die in ihm vorgesehenen neuen Bedingungen schon durch Ausübung des Direktionsrechts durchgesetzt werden können. Voraussetzung für die Begründetheit einer Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG ist, dass die Parteien über die Berechtigung einer Änderung ihrer arbeitsvertraglichen Vereinbarungen streiten. Das Fehlen der sozialen Rechtfertigung einer Änderung der Arbeitsbedingungen bzw. deren Unwirksamkeit aus anderen Gründen kann nicht festgestellt werden, wenn der Vertrag der Parteien in Wirklichkeit nicht geändert werden soll (BAG 26.01.2012 - 2 AZR 102/11, NZA 2012, 856 Rn. 12, BAG 19.07.2012 - 2 AZR 25/11, NJW 2012, 3051 Rn. 19 jeweils m.w.N.).
551.Hat der Arbeitnehmer das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG erhoben, streiten die Parteien nicht über eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und damit nicht über die Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, sondern über die Berechtigung des Angebots auf Änderung der Arbeitsbedingungen. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen (BAG 26.01.2012 a.a.O. Rn. 13; BAG 19.07.2012 a.a.O. Rn. 20 jeweils m.w.N.).
562.Eine Änderung von "Arbeitsbedingungen" i.S.v. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG steht nur im Streit, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten vertraglichen Bedingungen anbietet. § 2 Satz 1 KSchG setzt voraus, dass es zur Änderung der Arbeitsbedingungen einer Kündigung des bestehenden Arbeitsvertrags bedarf. Das ist nur der Fall, wenn der Arbeitgeber die von ihm erstrebte Änderung auf Basis der bestehenden vertraglichen Regelungen gerade nicht zu erreichen vermag. Das bedeutet umgekehrt, dass eine faktische Änderung, die schon auf der Grundlage des bestehenden Arbeitsvertrags, d.h. ohne Einverständnis des Arbeitnehmers durchsetzbar ist, keiner Vertragsänderung und deshalb keiner Kündigung bedarf. Unter "geänderten Arbeitsbedingungen" i.S.v. § 2 Satz 1 KSchG sind folglich andere Arbeitsvertragsbedingungen zu verstehen. Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die er schon durch Ausübung seines Weisungsrechts gem. § 106 Satz 1 GewO durchsetzen kann, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine "Änderung von Arbeitsbedingungen" nach § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG. Soll am bestehenden Vertragsinhalt nichts geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor. Die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Eine Änderungsschutzklage ist in diesem Fall unbegründet (BAG 26.01.2012 a.a.O.; BAG 19.07.2012 a.a.O. Rn. 21 Rn. 14 jeweils m.w.N.).
57II.Geänderte Arbeitsbedingungen" i.S.v. § 2 Satz 1 KSchG wurden mit der Änderungskündigung vom 30.01.2014 zur Überzeugung der Kammer nicht erstrebt. Der Kläger war bereits auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 27.09.2011 verpflichtet, als Prüfer, Gutachter und Auditor Datenschutz tätig zu werden. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig, wie bereits das Arbeitsgericht festgehalten hat und was auch in der Berufungsinstanz nicht in Frage gestellt worden ist. Der Kläger war darüber hinaus zur Überzeugung der Kammer - und das ist der Streit der Parteien - auch verpflichtet, auf der Grundlage des abgeschlossenen Arbeitsvertrags als externer Datenschutzberater über das bereits von ihm ausgeübte Mandat hinaus tätig zu werden. Dies ergibt die Auslegung des zwischen den Parteien vereinbarten Arbeitsvertrags.
581.Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrages und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 02.07.2009 - 3 AZR 501/07, AP Nr. 9 zu § 1b BetrAVG Rn. 19; BAG 18.05.2010 - 3 AZR 373/08, NZA 2010, 935 Rn. 36). Der Umstand, dass die Beklagte den Arbeitsvertrag dem Kläger gestellt hat, ändert an dem Auslegungsmaßstab nichts. Aus diesem Grunde liegt ein Verbrauchervertrag (§ 310 Abs. 3 BGB) vor. Dies ändert aber nichts an den oben genannten Auslegungsgrundsätzen, abgesehen davon, dass ergänzend die Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB) gilt (BAG 18.05.2010 a.a.O. Rn. 37 f.).
592.In Anwendung dieser Grundsätze ist die Kammer der Überzeugung, dass die Beklagte dem Kläger bereits auf der Grundlage des bisherigen Arbeitsvertrags die Tätigkeit als externer Datenschutzberater bei weiteren Mandanten zuweisen kann.
60a)Auszugehen ist zunächst von dem Wortlaut des Arbeitsvertrag und der darin verwandten Tätigkeitsbeschreibung in § 1 Abs. 1. Genannt ist dort der Berater für Datenschutz. Zunächst ist dieser Begriff von den Parteien nicht eng verstanden worden, denn er erfasst unstreitig auch das Aufgabenspektrum Prüfer, Gutachter und Auditor Datenschutz. Bei enger Wortlautauslegung könnte man bereits den Prüfer vom Berater unterscheiden. Der Wortlaut ist vielmehr weit gefasst und erfasst die gesamte Beratung im Bereich des Datenschutzes. Der im Arbeitsvertrag verwandte Begriff des Beraters für Datenschutz erfasst damit den externen Datenschutzbeauftragten. Das Arbeitsgericht hat gut begründet ausgeführt, warum der externe Datenschutzbeauftragte von diesem weiten Oberbegriff erfasst ist. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zu A II 1 b) bis e) der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers ist hierzu ergänzend Folgendes anzuführen. Es ist richtig, dass auch der Datenschutzbeauftragte Beratungsleistungen erbringt. So ist eine Beratungsleistung z.B. in § 4g Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BDSG ausdrücklich angesprochen, wenn der Datenschutzbeauftragte die bei der Verarbeitung personenbezogener Daten tätigen Personen mit den datenschutzrechtlichen Vorschriften und der besonderen Erfordernisse des Datenschutzes vertraut macht. Eine Beratungsleistung ist auch angesprochen, wenn sich Betroffene an den Datenschutzbeauftragten wenden können (§ 4f Abs. 5 Satz 2 BDSG). Richtig ist - wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat - und worauf der Kläger auch mit seinem Berufungsvorbringen abstellt, dass der Datenschutzbeauftragte gegenüber der verantwortlichen Stelle, in diesem Fall gegenüber dem Kunden eine unabhängige Stellung betreffend seine Fachkunde auf dem Gebiet des Datenschutzes innehat (§ 4f Abs. 3 Satz 2 BDSG) und Kontrollfunktionen ausübt (§ 4g Abs. 1 BDSG). Gleichwohl ergeben sich auch insoweit Überschneidungen mit der bisherigen Tätigkeit des Klägers, als er bisher u.a. Prüfungs- und Zertifizierungsaufträge erledigte. Die Überschneidung wird auch dadurch deutlich, dass trotz der fachlichen Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten gemäß § 4f Abs. 3 Satz 2 BDSG gegenüber der verantwortlichen Stelle, d.h. hier dem Kunden, der Datenschutzbeauftragte selbst von diesem gezielte Prüfaufträge erhalten kann (BT-Drs. 14/4329 S. 36; Simitis, in Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 4f Rn. 124).
61Diese Auslegung entspricht auch dem mit dem Arbeitsvertrag verfolgten Zweck und der Interessenlage der Parteien. Der Kläger hat nämlich bereits bisher auf dieser Grundlage die Tätigkeit eines externen Datenschutzbeauftragten ausgeführt. Zur Überzeugung der Kammer erfolgte diese Tätigkeit auf der Basis des Arbeitsvertrags. Wie der Kläger auf Befragen des Gerichts in der Kammerverhandlung ausdrücklich klargestellt hat, hat er ein externes Mandat aus seiner selbständigen Tätigkeit zur Beklagten mitgebracht. Dieses führt er aber nicht neben dem Arbeitsvertrag etwa als genehmigte, selbständige Nebentätigkeit weiter, sondern dieses Mandat ist einvernehmlich in das Arbeitsverhältnis der Parteien integriert worden. Der Kunde hat ein Vertragsverhältnis mit der Beklagten begründet und der Kläger wurde für die Beklagte bei dem Kunden als externer Datenschutzbeauftragter tätig. Eine gesonderte Vergütung erhielt er dafür nicht. Die geleisteten vier Stunden im Monat waren Teil seiner für die Beklagte erbrachten Arbeitsleistung. Es entsprach mithin der beiderseitigen Interessenlage, diese Tätigkeit im Rahmen des Arbeitsverhältnisses fortzuführen. Dieses ist Grundlage auch für diese Tätigkeit und erfasst sie. Dies zeigt zur Überzeugung der Kammer, dass der von den Parteien verwandte Tätigkeitsbegriff des Beraters für Datenschutz auch den externen Datenschutzbeauftragten erfassen sollte, was angesichts der ohnehin bestehenden Überschneidungen - wollte man Berater und externen Datenschutzbeauftragten insoweit trennen - auch nahelag. Eine Eingrenzung nur auf dieses eine Mandat ist dem Arbeitsvertrag nicht zu entnehmen. Vielmehr ist die Tätigkeit des externen Datenschutzbeauftragten schlicht Teil der geschuldeten Tätigkeit, die umfassend mit Berater Datenschutz überschrieben ist. Es mag zwar sein, dass der Kläger, der zuvor selbständiger externer Datenschutzbeauftragter war, sich einen neuen Schwerpunkt im Wesentlichen ohne externe Datenschutzbeauftragung suchen wollte. Im Arbeitsvertrag ist eine solche Einschränkung auf nur ein oder - wie es der Kläger jetzt verlangt - eine bestimmte Anzahl von externen Datenschutzmandaten - aber nicht enthalten.
62b)Auch die weiteren, vom Kläger mit der Berufung vorgebrachten Argumente sprechen nicht gegen die vorgenommene Auslegung und die daraus folgende "Überflüssigkeit" der Änderungskündigung. Dies gilt zunächst für die in § 5 des Arbeitsvertrags geregelte Weisungsgebundenheit des Klägers, der seine Dienste nach den Weisungen der Geschäftsführung der Beklagten ausübt. Dies steht weder seiner jetzigen Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter noch künftigen, ihm zugewiesenen Tätigkeiten als solcher entgegen. Zur Überzeugung der Kammer ist die Weisungsfreiheit des externen Datenschutzbeauftragten funktionsbezogen aus ihrer Schutzrichtung gegenüber der verantwortlichen Stelle zu bestimmen. Das Gesetz sieht den externen Datenschutzbeauftragten ausdrücklich vor (§ 4f Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 BDSG). Unstreitig gilt auch für diesen, dass er in Ausübung seiner Fachkunde auf dem Gebiet des Datenschutzes frei ist (§ 4f Abs. 3 Satz 2 BDSG; s.a. Erwägungsgrund 49 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr). Zu berücksichtigen ist dabei aber die Besonderheit des externen Datenschutzbeauftragten. Unabhängig von der Frage, ob eine juristische Person selbst externer Datenschutzbeauftragter sein kann (vgl. dazu Simitis a.a.O., § 4f Rn. 48 ff.; ablehnend z.B. Gola/Schomerus, BDSG 11. Aufl. 2012, § 4f Rn. 19), geht die Beklagte in ihrem Geschäftsmodell so vor, dass mit dem Kunden ein Vertrag abgeschlossen wird, der als Leistungspaket auch die Stellung eines externen Datenschutzbeauftragter enthält. Diese Tätigkeit wird sodann dem Mitarbeiter - hier soll es der Kläger sein - übertragen, der diese Aufgabe wahrnimmt (diesen Bestellungsweg beschreibend Simitis a.a.O. § 4f Rn. 49; i.E. wohl auch Gola/Schomerus a.a.O., § 4f Rn. 19). Richtig ist weiter, dass der externe Datenschutzbeauftragte organisatorisch auch in das Unternehmen des Kunden eingebunden ist (vgl. § 4f Abs. 3 Satz 1 BDSG). Legt man diese Struktur der hier vorgenommenen Organisation der Stellung eines externen Datenschutzbeauftragten zu Grunde, bezieht sich dessen Unabhängigkeit auf dem Gebiet der Fachkunde des Datenschutzes nicht auf das Verhältnis des externen Datenschutzbeauftragten zu seinem Arbeitgeber (HWK/Lembke, 6. Aufl. 2014, § 4g BDSG: "Der (interne) Datenschutzbeauftragte ist nach § 4f III 2 in fachlicher Hinsicht weisungsfrei."; a.A. Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG 4. Aufl. 2014, § 4f Rn. 22; Gola/Schomerus, § 4f BDSG a.a.O. Rn. 19). Dies ergeben der Normzweck und die funktionsbezogene Schutzrichtung der Weisungsfreiheit. Die Weisungsfreiheit des Datenschutzbeauftragten ist bereits gegenüber dem Leiter der verantwortlichen Stelle nicht absolut ausgestaltet, sondern funktionsgezogen, um eine unabhängige Beratung des Leiters zu gewährleisten (BT-Drs. 14/4329 S. 36). Die Weisungsfreiheit bleibt so lange reine Leerformel, wie die verantwortliche Stelle den Datenschutzbeauftragten jederzeit anweisen kann, wie er sich zu verhalten hat. Das BDSG spricht der verantwortlichen Stelle jede Befugnis ab, dem Beauftragten vorzuschreiben, wie er seiner Aufgabe nachgehen muss (Simitis a.a.O., § 4f Rn. 121). Schutzrichtung der Weisungsfreiheit ist mithin die Unabhängigkeit gegenüber der verantwortlichen Stelle. Dies zeigt sich z.B. daran, dass dann, wenn die Aufgabe des Datenschutzbeauftragten arbeitsteilig ausgeführt wird, zwar die verantwortliche Stelle auch den Mitarbeitern des Datenschutzbeauftragten keine Weisungen auf dem Bereich der Fachkunde des Datenschutzes erteilen kann, wohl aber der Datenschutzbeauftragte seinen Mitarbeiter (Däubler/Klebe/Wedde/Weichert a.a.O., § 4f Rn. 45; Simitis a.a.O., § 4f Rn. 123). Das Benachteiligungsverbot (§ 4f Abs. 3 Satz 3 BDSG) richtet sich primär an die verantwortliche Stelle (HWK/Lembke a.a.O. § 4g BDSG Rn. 10; Simitis a.a.O., § 4f Rn. 130, 132) und betrifft auch bei einem externen Datenschutzbeauftragten primär dass zu dieser bestehende Vertragsverhältnis (Simitis a.a.O., § 4f Rn. 135). Und auch das Kündigungsverbot des § 4f Abs. 3 Satz 5 BDSG richtet sich gegen die verantwortliche Stelle. Nichts anderes als bei arbeitsteiliger Organisation des externen Datenschutzbeauftragten gilt im Ergebnis, wenn der externe Datenschutzbeauftragte von einem dritten Unternehmen gestellt wird. Weder diesem gegenüber noch dem Datenschutzbeauftragten darf die verantwortliche Stelle auf dem Gebiet des Datenschutzes Weisungen erteilen. Innerhalb der Organisation des Unternehmens, das den externen Datenschutzbeauftragten stellt, darf dieses seinem Mitarbeiter aber auch auf dem Gebiet des Datenschutzes Weisungen erteilen. Die Schutzrichtung der Weisungsfreiheit gegenüber der verantwortlichen Stelle ist nicht betroffen. Dies muss sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht zum Nachteil des Datenschutzes auswirken, weil durch eine effektive Steuerung der von dem externen Dritten eingesetzten Datenschutzbeauftragten die Kontrolldichte und Kontrolltiefe im Bereich des Datenschutzes effektiver gestaltet werden kann. Mit seiner Bestellung zum Datenschutzbeauftragten bei dem Kunden wird dieser im Hinblick auf das Weisungsrecht nicht aus der Arbeitsorganisation seines Arbeitgebers herausgelöst.
63c)Richtig ist, dass einem Arbeitnehmer grundsätzlich die Stellung des Datenschutzbeauftragten nicht aufgedrängt werden darf. Einem betrieblichen Datenschutzbeauftragten, der in einem Arbeitsverhältnis steht, kann die Aufgabe des Datenschutzbeauftragten regelmäßig nicht im Wege des Direktionsrechtes zugewiesen werden (BAG 13.03.2007 - 9 AZR 612/05, AP Nr. 1 zu § 4f BDSG). Darum geht es hier aber nicht, denn in Rede steht nicht ein sonstiges Arbeitsverhältnis, sondern ein solches, dessen Vertragsinhalt - wie ausgeführt - auch die Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter ist. Ist dieses bereits darauf angelegt und enthält - wie ausgeführt - insoweit auch keine anzahlmäßige Begrenzung, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weitere externe Mandate zur Bearbeitung zuweisen. Diese Möglichkeit setzt das Bundesarbeitsgericht voraus, wenn es bereits für den betrieblichen Datenschutzbeauftragten ausführt, dass ihm "regelmäßig", diese Aufgabe nicht per Direktionsrecht übertragen werden kann. Dass er dabei im Einzelfall billiges Ermessen zu wahren hat, ist eine andere Frage.
64d)Entgegen der Ansicht des Klägers, steht der Umstand der Reisetätigkeit des externen Datenschutzbeauftragten nicht der Auslegung entgegen, dass diese Tätigkeit nicht von dem Arbeitsvertrag erfasst sein soll. Ein fester Arbeitsort ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht vereinbart.
65aa)Es ist durch Auslegung des Inhalts der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 25.08.2010 - 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355 Rn. 18). Fehlt es an einer Festlegung des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner der Ort der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag festgelegt ist, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer einen bestimmten (anderen) Arbeitsort einseitig zuzuweisen. Auf die Zulässigkeit eines außerdem vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an (BAG 26.01.2012 a.a.O. Rn. 19).
66bb)Die Auslegung ergibt, dass die Parteien keinen festen Arbeitsort vereinbart haben. Dagegen spricht zunächst der Wortlaut von § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags. Danach wird ausdrücklich "z.Zt." F. als Dienstort vereinbart. Bereits der Zusatz "z.Zt." verdeutlicht, dass keine abschließende Festlegung des Arbeitsortes gewollt war (vgl. auch LAG Düsseldorf 09.04.2014 - 12 Sa 1866/12, LAGE § 7 BUrlG Abgeltung Nr. 42 Rn. 63). Dies entspricht im Übrigen der Interessenlage, denn die Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter war wie ausgeführt, ebenfalls vom Vertrag umfasst. Diese erfasste Reisetätigkeit nach Dortmund, die vom Vertrag bereits abgedeckt war. Es ist außerdem nicht ersichtlich, aus welchem Grund selbst in der Tätigkeit des Klägers, welche nicht Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter ist, Reisetätigkeiten zu einem Kunden von vornherein ausgeschlossen sein sollten. Daran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn der Versetzungsvorbehalt in § 8 Abs. 2 des Arbeitsvertrags unwirksam wäre, weil an dessen Stelle die gesetzliche Regelung des § 106 Satz 1 GewO treten würde. Diese wird mangels Festlegung eines dauerhaften Arbeitsortes gerade nicht ausgeschlossen. Ob die Zuweisung einzelner Tätigkeiten gerade bei der Q.-Gruppe diesem billigem Ermessen entsprachen, wenn das Rückenleiden des Klägers besteht, war keine Frage des hier in Rede stehenden Vertragsinhalts, sondern der Ausübungskontrolle im Einzelfall.
67e)Die Kammer teilt nicht die Ansicht des Klägers, dass sich durch die Zuweisung von Mandaten als externer Datenschutzbeauftragter dessen Arbeitszeit erhöht, weil die Reisezeit Arbeitszeit ist. Der Umfang der geschuldeten Arbeitszeit sollte durch die Änderungskündigung nicht angegriffen werden und eine Erhöhung der Arbeitszeit ist mit der Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter nicht zwangsläufig verbunden. Zählt Reisezeit als Arbeitszeit, kann die Beklagte dem Kläger eben nur so viele externe Mandate zuweisen, wie es die geschuldete Arbeitszeit zulässt.
68f)Dem Kläger wird mit der Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter auch keine geringwertigere Tätigkeit zugewiesen. Es trifft zwar zu, dass durch die Ausübung des Direktionsrechts dem Kläger nur gleichwertige Tätigkeiten übertragen werden dürfen bzw. bei neuen Tätigkeiten die Gleichwertigkeit zur bisher ausgeübten Tätigkeit nicht verloren geht (vgl. BAG 23.02.2012 - 2 AZR 44/11, DB 2012, 2104 Rn. 16). Dies ist indes nicht der Fall, denn die Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter war bereits bisher - wie ausgeführt - in dem geschuldeten Tätigkeitsumfang enthalten. Dann wird durch die Zuweisung einer solchen Tätigkeit auch nicht die bisherige Tätigkeit ausgehöhlt. Darauf zielt die Änderungskündigung nicht ab. Sie stellt nur - überflüssig - dar, dass der Kläger auch die Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter schuldet. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingewandt hat, er verfüge für die externe Datenschutzbeauftragung nicht über das nötige Fachwissen, ändert dies nichts. Richtig ist, dass für die Bestellung die erforderliche Fachkunde vorhanden sein muss (vgl. § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG). Auf Nachfrage hat der Kläger mitgeteilt, dass das von ihm betreute externe Mandat bei dem Kunden in Dortmund geringere Anforderungen stelle, weil das Unternehmen nicht so groß sei und dort die technische Sachkunde nicht benötigt werde. Dies zeigt aber, dass es externe Datenschutzmandate gibt, welche auch der Kläger ausüben kann. Dafür spricht im Übrigen, dass er zuvor als externer Datenschutzbeauftragter selbständig tätig gewesen ist. Diesen Anforderungen kann zudem dadurch Rechnung getragen werden, dass er nur als zweiter Datenschutzbeauftragter eingesetzt wird - wie z.T. geschehen. Es ist unabhängig davon letztlich eine Frage der Ausübungskontrolle im Einzelfall, dass die Beklagte dem Kläger keine externen Mandate überträgt, die er nicht ausführen kann. Ebenso wird sie beachten müssen, dass die ebenfalls vom Kläger geschuldete und ggfs. höherwertige Prüf- und Gutachtertätigkeit erhalten bleibt und nicht die Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter überwiegt. Auch dies ist aber eine Frage der Ausübungskontrolle im Einzelfall.
69g)Soweit dem Kläger mit der Änderungskündigung eine Haftungsbefreiung zugesagt werden soll, ist auch dafür eine Änderungskündigung überflüssig. Diese für den Arbeitnehmer günstige Zusage kann die Beklagte dem Kläger erteilen, ohne in das Vertragsverhältnis mittels Änderungskündigung einzugreifen.
70B.Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
71C.Die erkennende Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Soweit ersichtlich liegt keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Grundlagen der Arbeitsvertragsgestaltung von externen Datenschutzbeauftragten vor.
72RECHTSMITTELBELEHRUNG
73Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
74R E V I S I O N
75eingelegt werden.
76Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
77Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
78Bundesarbeitsgericht
79Hugo-Preuß-Platz 1
8099084 Erfurt
81Fax: 0361-2636 2000
82eingelegt werden.
83Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
84Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
851.Rechtsanwälte,
862.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
873.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
88In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
89Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
90Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
91* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
92Dr. GotthardtJansenKöhler
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 04. März 2015 - 12 Sa 136/15
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Urteil einreichenLandesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 04. März 2015 - 12 Sa 136/15 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 2. Dezember 2010 - 5 Sa 1183/10 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über eine Änderungskündigung.
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Die Beklagte betreibt einen Verlag. Ihre Zentrale befindet sich in S. Für diese ist ein Betriebsrat gewählt. Im Bundesgebiet unterhält die Beklagte mehrere Geschäftsstellen. Die Geschäftsstelle H untergliedert sich in die Standorte Ha und H. Sie wird von einem gemeinsamen Geschäftsstellenleiter geführt. Ein örtlicher Betriebsrat für die Geschäftsstelle H ist nicht gebildet.
- 3
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Die Klägerin war am Standort H beschäftigt. Sie ist seit dem 1. August 1993 bei der Beklagten tätig, zunächst als Sekretärin, seit dem 1. Januar 2008 als Vertriebskoordinatorin. Ihre monatliche Bruttovergütung beträgt durchschnittlich etwa 3.920,00 Euro.
- 4
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Im Jahr 2008 beschäftigte die Beklagte in der Geschäftsstelle H neben der Klägerin acht Vertriebsaußendienstmitarbeiter, zwei weitere Vertriebskoordinatorinnen, eine Sekretärin und den Geschäftsstellenleiter.
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Nach Anhörung und gegen den Widerspruch des Betriebsrats sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 26. August 2009 eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2010 aus, verbunden mit dem Angebot, sie ab dem 1. April 2010 als Vertriebskoordinatorin in der Geschäftsstelle S weiterzubeschäftigen. Die Klägerin nahm das Angebot unter dem Vorbehalt einer Überprüfung seiner sozialen Rechtfertigung an. Sie hat rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Seit dem 12. April 2010 ist sie in S tätig.
- 6
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Änderung ihrer Arbeitsbedingungen sei sozial nicht gerechtfertigt. Sie hat bestritten, dass ihr bisheriger Arbeitsplatz weggefallen sei. Im Übrigen liege die Zustimmung des Betriebsrats zu ihrer Versetzung nicht vor.
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Die Klägerin hat - soweit noch von Interesse - beantragt
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festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten vom 26. August 2009 rechtsunwirksam ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die zum Zwecke der Versetzung ausgesprochene Änderungskündigung sei in jeder Hinsicht rechtswirksam. Sie hat behauptet, sie habe gegen Ende des Jahres 2008 beschlossen, die Abläufe und Aufgabenverteilungen in den Vertriebsgeschäftsstellen überwiegend zentral und nach einheitlichen, nicht mehr regional unterschiedlichen Vorgaben zu steuern. Aus diesem Grunde seien Aufgaben innerhalb der Geschäftsstelle H sowie zwischen dieser und der Zentrale umverteilt worden. Außerdem seien die Aufgaben der Vertriebskoordinatorinnen wegen des Rückgangs der Anzahl der ihrer Geschäftsstelle H zugeordneten Vertriebsaußendienstmitarbeiter zurückgegangen. Damit sei das Beschäftigungsbedürfnis für eine der - mittlerweile nur noch zwei - Vertriebskoordinatorinnen in H entfallen. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Arbeitsvertrag der Parteien gebe ihr ohnehin das Recht, die Klägerin deutschlandweit einzusetzen. Selbst wenn die Änderungskündigung sozial nicht gerechtfertigt sei, sei sie in eine Maßnahme des Direktionsrechts umzudeuten.
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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Dies führt, soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Die Klage ist unbegründet, wenn Gegenstand des mit der Kündigung vom 26. August 2009 verbundenen Änderungsangebots in Wirklichkeit nicht eine Vertragsänderung war (I.1.). Ob die beabsichtigte Versetzung der Klägerin eine Vertragsänderung erforderte, steht noch nicht fest (I.2.). Unerheblich ist, ob die Beklagte ein mögliches Weisungsrecht, die Klägerin nach S zu versetzen, bereits wirksam ausgeübt hat (II.).
- 11
-
I. Die von der Klägerin begehrte Feststellung, die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 26. August 2009 sei rechtsunwirksam, kann nicht getroffen werden, wenn das „Änderungsangebot“ der Beklagten nicht auf eine Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen zielt.
- 12
-
1. Nach § 4 Satz 2 KSchG ist eine Änderungsschutzklage auf die Feststellung zu richten, dass die „Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt“ oder sie „aus anderen Gründen rechtsunwirksam“ ist. Eine solche Feststellung können die Gerichte nicht treffen, wenn das mit einer Kündigung verbundene „Änderungsangebot“ gar nicht auf eine Änderung der bestehenden Vertragsregelungen gerichtet ist, sondern die in ihm vorgesehenen neuen Bedingungen schon durch Ausübung des Direktionsrechts durchgesetzt werden können (vgl. ErfK/Oetker 12. Aufl. § 2 KSchG Rn. 14). Voraussetzung für die Begründetheit einer Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG ist, dass die Parteien über die Berechtigung einer Änderung ihrer arbeitsvertraglichen Vereinbarungen streiten. Das Fehlen der sozialen Rechtfertigung einer Änderung der Arbeitsbedingungen bzw. deren Unwirksamkeit aus anderen Gründen kann nicht festgestellt werden, wenn der Vertrag der Parteien in Wirklichkeit nicht geändert werden soll.
- 13
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a) Hat der Arbeitnehmer das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG erhoben, streiten die Parteien nicht über eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und damit nicht über die Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, sondern über die Berechtigung des Angebots auf Änderung der Arbeitsbedingungen(BAG 22. April 2010 - 2 AZR 491/09 - Rn. 19, BAGE 134, 154). Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen (BAG 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 139 = EzA KSchG § 2 Nr. 72). Die Regelung in § 8 KSchG spricht nicht gegen dieses Verständnis. Danach gilt zwar „die Änderungskündigung“ als von Anfang an rechtsunwirksam, wenn das Gericht festgestellt hat, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist. Da aber schon die Annahme des Angebots unter Vorbehalt die Beendigungswirkung der Kündigung beseitigt, ist § 8 KSchG so zu verstehen, dass nur die unter Vorbehalt akzeptierte Änderung der Arbeitsbedingungen von Beginn an entfällt. Streitgegenstand der Klage nach § 4 Satz 2 KSchG ist deshalb die Wirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen, nicht die der Kündigung.
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b) Eine Änderung von „Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG steht nur im Streit, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geändertenvertraglichen Bedingungen anbietet. § 2 Satz 1 KSchG setzt ersichtlich voraus, dass es zur Änderung der Arbeitsbedingungen einer Kündigung des bestehenden Arbeitsvertrags bedarf. Das ist nur der Fall, wenn der Arbeitgeber die von ihm erstrebte Änderung auf Basis der bestehenden vertraglichen Regelungen gerade nicht zu erreichen vermag. Das bedeutet umgekehrt, dass eine faktische Änderung, die schon auf der Grundlage des bestehenden Arbeitsvertrags, dh. ohne Einverständnis des Arbeitnehmers durchsetzbar ist, keiner Vertragsänderung und deshalb keiner Kündigung bedarf. Unter „geänderten Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1 KSchG sind folglich andere Arbeitsvertragsbedingungen zu verstehen. Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die er schon durch Ausübung seines Weisungsrechts gem. § 106 Satz 1 GewO durchsetzen kann, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine „Änderung von Arbeitsbedingungen“ nach § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG. Während das Weisungsrecht der wechselnden Konkretisierung des unveränderten Vertragsinhalts dient, zielt die Änderungskündigung auf eine Änderung des Vertrags (vgl. Hromadka NZA 2008, 1338, 1339). Soll am bestehenden Vertragsinhalt nichts geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor. Die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Eine Änderungsschutzklage ist in diesem Fall - notwendig - unbegründet (vgl. BAG 10. Dezember 1975 - 4 AZR 41/75 - zu I der Gründe, AP BAT §§ 22, 23 Nr. 90 = EzA BAT §§ 22 - 23 VergGr. VIII, 1 Nr. 1; KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 28; vgl. auch ErfK/Oetker 12. Aufl. § 2 KSchG Rn. 14). Es kann dann schlechterdings nicht festgestellt werden, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus einem anderen Grund rechtsunwirksam ist. Bestehende, arbeitsvertraglich bereits vereinbarte Bedingungen, die in Wirklichkeit unverändert bleiben, können nicht iSv. § 1 Abs. 2, § 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt sein. Eine nicht erfolgte Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen kann auch nicht aus einem anderen Grund unwirksam sein. Es bleibt in Wirklichkeit beim bisherigen Vertragsinhalt. Er ist bereits die Rechtsgrundlage für die beabsichtigte faktische Änderung, die sich durch Ausübung des Direktionsrechts erreichen lässt (vgl. ErfK/Oetker aaO).
- 15
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2. Es steht noch nicht fest, ob die mit der Kündigung der Beklagten vom 26. August 2009 erstrebte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in S eine Änderung der Arbeitsbedingungen im Sinne einer Vertragsänderung erforderte. Die Beklagte hat sich darauf berufen, der Arbeitsvertrag der Parteien gebe ihr das Recht, die Klägerin deutschlandweit einzusetzen. Das Landesarbeitsgericht hat zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien bislang keine Feststellungen getroffen. Das wird es nachholen müssen. Dabei wird es Folgendes zu beachten haben:
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a) Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber ua. den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit dieser nicht durch den Arbeitsvertrag festgelegt ist. Sollte es sich bei einer solchen Festlegung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung gem. §§ 305 ff. BGB handeln, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, ob ein bestimmter Tätigkeitsort tatsächlich fixiert ist und welchen Inhalt ggf. ein vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 17 bis 31, BAGE 135, 239).
- 17
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b) Die Auslegung der vertraglichen Bestimmungen kann ergeben, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel lediglich den Umfang der geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere dann, wenn alternative Tätigkeitsinhalte oder Tätigkeitsorte schon konkret benannt sind (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 18, BAGE 135, 239). Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer durch Versetzungsvorbehalt vorgesehenen Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die Beschränkung auf den ausdrücklich genannten Ort der Arbeitsleistung (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - aaO; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 27, AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und die nötige Konkretisierung dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten wird oder ob der Ort der Arbeitsleistung zwar bestimmt, aber zugleich die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Befugnis zur Versetzung an andere Arbeitsorte bestehen soll(BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - aaO; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - aaO).
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c) Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung des Orts der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 16, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 21, BAGE 135, 239; 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 30, BAGE 123, 98). Dabei ist es unerheblich, wie eng oder weit die Leistungsbestimmung gefasst ist. Vorzunehmen ist lediglich eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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d) Fehlt es an einer Festlegung des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner der Ort der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag festgelegt ist, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer einen bestimmten (anderen) Arbeitsort einseitig zuzuweisen (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 17, AP BGB § 307 Nr. 50 = EzA GewO § 106 Nr. 7; vgl. auch BAG 2. März 2006 - 2 AZR 23/05 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 67). Auf die Zulässigkeit eines außerdem vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an.
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e) Enthält der Arbeitsvertrag neben einer Festlegung des Orts der Tätigkeit einen Versetzungsvorbehalt, so ist zu differenzieren (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 23, BAGE 135, 239):
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aa) Ergibt die Vertragsauslegung, dass der Versetzungsvorbehalt materiell (nur) dem Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO entspricht oder zugunsten des Arbeitnehmers davon abweicht, unterliegt diese Klausel keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern allein einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 24, BAGE 135, 239; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 24 ff., AP BGB § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47). Der Arbeitgeber, der sich lediglich die Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts, nicht aber eine Änderung des Vertragsinhalts vorbehält, weicht nicht zulasten des Arbeitnehmers von Rechtsvorschriften ab (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB). Die Vertragsklausel muss dabei zwar die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der dargestellten Auslegungsgrundsätze aus sich heraus erkennen lassen. Auch die Verpflichtung zur transparenten Vertragsgestaltung gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB erfordert aber nicht, dass die Klausel Hinweise auf den Anlass der Ausübung des Weisungsrechts enthält(BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 25, BAGE 135, 239; vgl. auch 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 44 ff., AP BGB § 307 Nr. 26).
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bb) Ergibt die Vertragsauslegung, dass sich der Arbeitgeber mit dem Versetzungsvorbehalt über § 106 GewO hinaus ein Recht zur Vertragsänderung vorbehält, so unterliegt die Regelung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB(BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 26, BAGE 135, 239). Führt die Kontrolle zur Unwirksamkeit des Versetzungsvorbehalts, so richtet sich der Inhalt des Vertrags gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Eine geltungserhaltende Reduktion auf das angemessene Maß findet nicht statt (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 30, aaO; vgl. auch 13. April 2010 - 9 AZR 113/09 - Rn. 42, AP BGB § 308 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 11; 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 33, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9). Maßgeblich ist in diesem Fall § 106 GewO. Die Vorschrift überlässt dem Arbeitgeber das Weisungsrecht aber nur insoweit, wie der Leistungsinhalt durch den Arbeitsvertrag nicht festgelegt ist. Ergibt die Auslegung des Vertrags, dass ein bestimmter Arbeitsort vereinbart wurde, ist der Arbeitgeber an diesen gebunden, wenn ein zusätzlich vereinbarter Versetzungsvorbehalt der Angemessenheitskontrolle nicht standhält.
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II. Ob die Beklagte die Klägerin durch Ausübung ihres Weisungsrechts möglicherweise bereits (wirksam) versetzt hat, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits und für dessen Entscheidung unerheblich. Eine Klage nach § 4 Satz 2 KSchG ist schon dann unbegründet, wenn der Arbeitgeber rechtlich in der Lage ist, die im „Änderungsangebot“ genannten Beschäftigungsbedingungen einseitig durchzusetzen(zutreffend Oetker Anm. zu BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 844/07 - AP BGB § 626 Nr. 222). Es kommt nicht darauf an, ob er sein Direktionsrecht tatsächlich bereits (wirksam) ausgeübt hat. Es genügt, dass er es wahrnehmen könnte. Soweit der Entscheidung des Senats vom 28. Mai 2009 (- 2 AZR 844/07 - Rn. 18, BAGE 131, 78) eine abweichende Ansicht entnommen werden könnte, wird daran nicht festgehalten.
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Kreft
Eylert
Rachor
Söller
Jan Eulen
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 19. Juli 2010 - 5 Sa 604/10 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Änderungskündigung mit notwendiger Auslauffrist.
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Die Klägerin ist seit dem 9. April 1987 im K Möbelhaus der Beklagten beschäftigt und verdiente zuletzt monatlich 2.300,00 Euro brutto. In ihrem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 1. April 1987 wurde eine Tätigkeit als „Verkäuferin“ bei einem Arbeitszeitvolumen von 107 Stunden monatlich vereinbart. Die Klägerin war zuletzt in der zentral organisierten „Preisauszeichnung“ eingesetzt. Ihre Aufgabe bestand darin, auf Anforderung hin beschädigte oder abhanden gekommene Preisschilder in den einzelnen Abteilungen des Kaufhauses zu ersetzen und für eine korrekte Preisauszeichnung zu sorgen. In einer von den Parteien unterzeichneten und dem Betriebsrat zur Zustimmung zugeleiteten „Arbeitszeitänderung“ vom 13. Oktober 1994 wurde die „durchschnittliche Stundenzahl monatlich“ mit 163 angegeben und waren als Arbeitszeiten für die Tage von Montag bis Freitag die Stunden von 8:00 bis 17:00 Uhr einschließlich einer Stunde Pause aufgeführt. Der Betriebsrat erteilte seine Zustimmung. Einige Jahre später wurde das Arbeitszeitende für die Tage Montag bis Donnerstag auf 16:00 Uhr, für den Freitag auf 13:30 Uhr verlegt.
- 3
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In den Jahren 2008 und 2009 nahm die Klägerin als Ersatzmitglied an mehreren Sitzungen des Betriebsrats teil.
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Die Beklagte beschloss im Jahr 2009, die Preisauszeichnung nicht mehr zentral, sondern durch jede Abteilung selbst ausführen zu lassen. Die Klägerin sollte deshalb im Verkauf eingesetzt werden.
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Mit Schreiben vom 9. April 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Änderungskündigung an. Er widersprach dieser Maßnahme.
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Mit Schreiben vom 21. April 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. Oktober 2009 und bot der Klägerin eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Verkauf ab dem 1. November 2009 an. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an. Am 21. April 2009 erhielt die Klägerin nach ihrem von der Beklagten nicht bestrittenen Vorbringen die Einladung zu einer Betriebsratssitzung, an der sie zwei Tage später teilnahm.
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Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Änderungskündigung gewandt. Sie hat die Auffassung vertreten, diese sei schon wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam. Dem Betriebsrat sei nicht mitgeteilt worden, dass sie im Verkaufsbereich nunmehr an sechs Tagen unter Einschluss des Samstags tätig werden solle. Auch für eine solche Änderung der Lage der Arbeitszeit habe es einer Änderungskündigung bedurft. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht vor. Auch sei die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt worden.
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Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - beantragt
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festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 21. April 2009 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Sie habe ihm alle maßgeblichen Kündigungsgründe mitgeteilt. Mit der Klägerin sei keine feste Arbeitszeit vertraglich vereinbart gewesen; diese ergebe sich aus den geltenden Betriebsvereinbarungen, die dem Betriebsrat bekannt seien.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision hält die Beklagte an ihrem Begehren fest, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die Änderungskündigung vom 21. April 2009 nicht als unwirksam ansehen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).
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I. Das Landesarbeitsgericht hat die Zulässigkeit der Berufung der Beklagten zu Recht bejaht.
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1. Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG beträgt die Berufungsfrist einen Monat, die Frist zur Begründung der Berufung zwei Monate. Nach § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG beginnen beide Fristen mit Zustellung des vollständig abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung. Die Berufungsfrist endet damit in jedem Fall spätestens sechs Monate nach der Verkündung (BAG 6. Juli 2005 - 4 AZR 35/04 - zu I 1 der Gründe). Das Urteil ist dann rechtskräftig (Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 66 Rn. 16).
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2. Die Beklagte hat die Berufungs- und die Berufungsbegründungsfrist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG gewahrt.
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a) Das Urteil des Arbeitsgerichts ist am 3. November 2009 verkündet worden. Die Zustellung des vollständig abgefassten Urteils erfolgte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts am 29. April 2010, also später als fünf Monate nach Verkündung.
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b) Die Beklagte hat innerhalb eines Monats nach Ablauf der fünf Monate Berufung eingelegt, nämlich noch am 29. April 2010. Sie hat die Berufung am 12. Mai 2010 und somit innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf der fünf Monate begründet.
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II. Aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Änderungskündigung vom 21. April 2009 nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG für unwirksam halten. Es steht nicht fest, ob es insoweit einer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG bedurfte. Das wäre nicht der Fall, wenn die Versetzung der Klägerin in den Verkaufsbereich mit geänderten Arbeitszeiten schon ohne Änderungskündigung rechtswirksam vorgenommen werden konnte, die ausgesprochene Änderungskündigung demnach „überflüssig“ war.
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1. Die von der Klägerin begehrte Feststellung, die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 21. April 2009 sei unwirksam, kann nicht getroffen werden, wenn das von ihr unter Vorbehalt angenommene „Änderungsangebot“ der Beklagten in Wirklichkeit gar nicht auf eine Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen abzielte.
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a) Nach § 4 Satz 2 KSchG ist eine Änderungsschutzklage auf die Feststellung zu richten, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei „sozial ungerechtfertigt“ oder sei „aus einem anderen Grund rechtsunwirksam“. Auf eine außerordentliche Änderungskündigung ist § 4 Satz 2 KSchG trotz des einschränkenden Wortlauts von § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG entsprechend anzuwenden (BAG28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 148 = EzA KSchG § 2 Nr. 80). Eine solche Feststellung können die Gerichte nicht treffen, wenn das mit der Kündigung verbundene „Änderungsangebot“ gar nicht auf eine Änderung der bestehenden Vertragsbedingungen gerichtet ist, sondern die bereits bestehenden Vertragsbedingungen inhaltlich nur wiederholt. Das ist der Fall, wenn die in ihm vorgesehenen „neuen“ Bedingungen vom Arbeitgeber schon durch Ausübung des Direktionsrechts durchgesetzt werden können (BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 12; 29. September 2011 - 2 AZR 617/10 - Rn. 14; ErfK/Oetker 12. Aufl. § 2 KSchG Rn. 14). Voraussetzung für die Begründetheit einer Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG ist, dass die Parteien über die Berechtigung einer Änderung ihrer arbeitsvertraglichen Vereinbarungen streiten. Das Fehlen der sozialen Rechtfertigung einer Änderung der Arbeitsbedingungen oder deren Unwirksamkeit aus anderen Gründen kann nicht festgestellt werden, wenn der Vertrag der Parteien in Wirklichkeit nicht geändert werden soll. Das gilt auch für eine außerordentliche Änderungskündigung, insbesondere für eine außerordentliche Änderungskündigung mit notwendiger Auslauffrist, die der ordentlichen Änderungskündigung in den Rechtsfolgen angenähert ist (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 617/10 - Rn. 14).
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b) Hat der Arbeitnehmer - wie hier - das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG erhoben, streiten die Parteien nicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit nicht über die Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, sondern nur noch über die Berechtigung des Angebots auf Änderung der Arbeitsbedingungen. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen (BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 13; 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 139 = EzA KSchG § 2 Nr. 72).
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c) Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO durchsetzen lassen, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine „Änderung der Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG(BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14). Soll der bestehende Vertragsinhalt nicht geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor, die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Eine Änderungskündigung ist „überflüssig“. Eine Änderungsschutzklage ist dann unbegründet (BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - aaO; KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 28). Es kann in diesem Fall schlechterdings nicht festgestellt werden, der Änderung der Vertragsbedingungen fehle es an einem wichtigen Grund oder sie sei aus anderen Gründen rechtsunwirksam (BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - aaO; vgl. auch ErfK/Oetker 12. Aufl. § 2 KSchG Rn. 14).
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2. Nach den bisherigen Feststellungen schuldete die Klägerin eine Tätigkeit als Verkäuferin. Danach hält sich die von der Beklagten für sie vorgesehene Tätigkeit im Rahmen der bestehenden vertraglichen Abrede. Um ihr diese Tätigkeit zuzuweisen, bedurfte es folglich keiner Änderungskündigung. Zwischen den Parteien steht dagegen im Streit, ob die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die Wochentage von Montag bis Freitag und der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit vertraglich fest vereinbart sind. Liegt keine feste vertragliche Vereinbarung vor, gehört es nach § 106 Satz 1 GewO zum Gegenstand des Direktionsrechts der Beklagten, die Lage der Arbeitszeit zu bestimmen(vgl. BAG 15. September 2009 - 9 AZR 757/08 - Rn. 51, BAGE 132, 88). Haben die Parteien dagegen die Lage der Arbeitszeit vertraglich festgelegt, ist sie gemäß § 106 Satz 1 Halbs. 2 GewO einer näheren Ausgestaltung im Wege des Direktionsrechts der Beklagten entzogen. Eine solche Vereinbarung können die Vertragsparteien ausdrücklich oder konkludent schließen. Wollen sie das Weisungsrecht des Arbeitgebers durch eine vertragliche Regelung einschränken, müssen sie das hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen (Schaub/Linck ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 45 Rn. 67, 68; HWK/Lembke 4. Aufl. § 106 GewO Rn. 38).
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3. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit dem Direktionsrecht der Beklagten unterfällt oder diesem aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien entzogen ist.
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a) Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 1. April 1987 enthält keine ausdrückliche Regelung zur Verteilung der Arbeitszeit.
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b) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob die in der „Arbeitszeitänderung“ vom 13. Oktober 1994 aufgeführten Arbeitszeiten ein einseitig nicht mehr änderbarer Vertragsbestandteil geworden sind. Dies durfte nicht dahingestellt bleiben. Das Landesarbeitsgericht wird vielmehr zu klären haben, ob die Parteien die Verteilung der Arbeitszeit der Klägerin vertraglich geregelt haben. Ist dies zu bejahen, bedurfte es zu ihrer Änderung einer - dann nicht „überflüssigen“ - Änderungskündigung, die allen Wirksamkeitsanforderungen entsprechen muss. Ist die Frage zu verneinen, kommt es auf die Wirksamkeit der Änderungskündigung nicht an. Dabei kommt in Betracht, dass die Parteien mit dem Schreiben vom Oktober 1994 eine verbindliche Vereinbarung über die Lage der Arbeitszeit getroffen haben. Ferner kommt in Betracht, dass die Parteien in der Folgezeit eine solche Vereinbarung getroffen haben; nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Arbeitszeit für die Klägerin nach 1994 erneut verändert worden.
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c) Soweit sich die Klägerin auf eine der einseitigen Änderung entzogenen Konkretisierung der Lage ihrer Arbeitszeit durch eine jahrelang gleichmäßige Handhabung beruft, ist dieser Umstand nach den bisherigen Feststellungen nicht geeignet, das Weisungsrecht der Beklagten einzuschränken.
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aa) Eine solche Konkretisierung tritt regelmäßig nicht allein dadurch ein, dass ein Arbeitnehmer längere Zeit in einer bestimmten Weise eingesetzt worden ist. Zum reinen Zeitablauf müssen besondere Umstände hinzukommen, die erkennen lassen, der Arbeitnehmer solle künftig verpflichtet sein, seine Arbeit nur noch wie bisher zu erbringen (BAG 15. September 2009 - 9 AZR 757/08 - Rn. 54, BAGE 132, 88). Allein aus der Beibehaltung einer betrieblichen Praxis über einen längeren Zeitraum hinweg kann der Arbeitnehmer nicht schließen, der Arbeitgeber werde diese Praxis auch künftig beibehalten und sein Weisungsrecht nicht mehr anders ausüben (BAG 7. Dezember 2000 - 6 AZR 444/99 - zu III 2 der Gründe, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 61 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 23). Der Arbeitgeber muss dazu nicht etwa in bestimmten zeitlichen Abständen darauf hinweisen, er beabsichtige, von seinem Weisungsrecht ggf. weiterhin Gebrauch zu machen (vgl. Schaub/Linck ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 45 Rn. 13 e).
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bb) Etwas anderes kann sich bei Vorliegen besonderer Umstände ergeben, die den Schluss auf einen Verzicht des Arbeitgebers zulassen, von seinem Weisungsrecht anderen Gebrauch zu machen. Solche Umstände hat das Landesarbeitsgericht bisher nicht festgestellt. Es wird den Parteien Gelegenheit geben müssen, hierzu ergänzend vorzutragen.
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III. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, es habe für die Änderung der Lage der Arbeitszeit einer Änderungskündigung bedurft, folgt eine Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, anders als es angenommen hat, nicht aus einem Verstoß der Beklagten gegen § 102 Abs. 1 BetrVG. Zwar gehört zu den dem Betriebsrat mitzuteilenden Kündigungsgründen im Fall einer Änderungskündigung auch das dem Arbeitnehmer unterbreitete Änderungsangebot (KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 115). Die Beklagte hat den Betriebsrat aber über die beabsichtigte Änderung der Tätigkeit der Klägerin in die einer Verkäuferin unterrichtet. Die mit dieser Tätigkeit verbundenen Einsatzzeiten musste sie dem Betriebsrat nicht ausdrücklich mitteilen. Sie waren diesem aus der für den Verkaufsbereich geltenden Betriebsvereinbarung bekannt. Aus dem Anhörungsschreiben ist hinreichend deutlich zu entnehmen, dass auch die Klägerin im Verkaufsbereich zu den dort allgemein geltenden Arbeitszeiten tätig sein sollte. Die zentrale Preisauszeichnung wurde nach den Ausführungen im Anhörungsschreiben gerade aufgelöst, um die Preisauszeichnung „während der kompletten Öffnungszeit“ im Verkauf durchführen zu können. Von den entsprechenden Veränderungen ihrer bisherigen Arbeitszeit sollte die Klägerin ersichtlich betroffen sein.
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IV. Hat es zur Änderung der Lage der Arbeitszeit einer Änderungskündigung bedurft, wird das Landesarbeitsgericht dagegen prüfen müssen, ob eine solche Kündigung wegen § 15 Abs. 1 KSchG unwirksam war, weil die Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG nicht vorgelegen hat. Das kommt deshalb in Betracht, weil die Klägerin Ersatzmitglied des Betriebsrats und bei Kündigungszugang möglicherweise gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nachgerückt war.
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V. Kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, dass die Änderungskündigung vom 21. April 2009 zur Durchsetzung der Änderungswünsche der Beklagten erforderlich war und nicht schon „aus einem anderen Grund“ iSv. § 4 Satz 2 KSchG unwirksam ist, wird es prüfen müssen, ob die Änderung der bisherigen Vertragsbestimmungen wegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB berechtigt ist. Es hat dies bislang nicht geprüft. Dabei wird das Berufungsgericht die außerordentliche Änderungskündigung nicht wegen Verstoßes gegen § 626 Abs. 2 BGB als unwirksam ansehen dürfen. Betriebliche Änderungserfordernisse stellen einen Dauertatbestand dar (BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 25/95 - Rn. 23, RzK I 6g Nr. 26).
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Kreft
Rachor
Eylert
Söller
Jan Eulen
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Einem Arbeitnehmer, dem Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung zugesagt worden sind, bleibt die Anwartschaft erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, jedoch nach Vollendung des 21. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens drei Jahre bestanden hat (unverfallbare Anwartschaft). Ein Arbeitnehmer behält seine Anwartschaft auch dann, wenn er aufgrund einer Vorruhestandsregelung ausscheidet und ohne das vorherige Ausscheiden die Wartezeit und die sonstigen Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung hätte erfüllen können. Eine Änderung der Versorgungszusage oder ihre Übernahme durch eine andere Person unterbricht nicht den Ablauf der Fristen nach Satz 1. Der Verpflichtung aus einer Versorgungszusage stehen Versorgungsverpflichtungen gleich, die auf betrieblicher Übung oder dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhen. Der Ablauf einer vorgesehenen Wartezeit wird durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Erfüllung der Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 nicht berührt. Wechselt ein Arbeitnehmer vom Geltungsbereich dieses Gesetzes in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, bleibt die Anwartschaft in gleichem Umfange wie für Personen erhalten, die auch nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses innerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes verbleiben.
(2) Wird für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen und sind der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistungen des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt (Direktversicherung), so ist der Arbeitgeber verpflichtet, wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Erfüllung der in Absatz 1 Satz 1 und 2 genannten Voraussetzungen das Bezugsrecht nicht mehr zu widerrufen. Eine Vereinbarung, nach der das Bezugsrecht durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Erfüllung der in Absatz 1 Satz 1 und 2 genannten Voraussetzungen auflösend bedingt ist, ist unwirksam. Hat der Arbeitgeber die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag abgetreten oder beliehen, so ist er verpflichtet, den Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis nach Erfüllung der in Absatz 1 Satz 1 und 2 genannten Voraussetzungen geendet hat, bei Eintritt des Versicherungsfalles so zu stellen, als ob die Abtretung oder Beleihung nicht erfolgt wäre. Als Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage im Sinne des Absatzes 1 gilt der Versicherungsbeginn, frühestens jedoch der Beginn der Betriebszugehörigkeit.
(3) Wird die betriebliche Altersversorgung von einer rechtsfähigen Versorgungseinrichtung durchgeführt, die dem Arbeitnehmer oder seinen Hinterbliebenen auf ihre Leistungen einen Rechtsanspruch gewährt (Pensionskasse und Pensionsfonds), so gilt Absatz 1 entsprechend. Als Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage im Sinne des Absatzes 1 gilt der Versicherungsbeginn, frühestens jedoch der Beginn der Betriebszugehörigkeit.
(4) Wird die betriebliche Altersversorgung von einer rechtsfähigen Versorgungseinrichtung durchgeführt, die auf ihre Leistungen keinen Rechtsanspruch gewährt (Unterstützungskasse), so sind die nach Erfüllung der in Absatz 1 Satz 1 und 2 genannten Voraussetzungen und vor Eintritt des Versorgungsfalles aus dem Unternehmen ausgeschiedenen Arbeitnehmer und ihre Hinterbliebenen den bis zum Eintritt des Versorgungsfalles dem Unternehmen angehörenden Arbeitnehmern und deren Hinterbliebenen gleichgestellt. Die Versorgungszusage gilt in dem Zeitpunkt als erteilt im Sinne des Absatzes 1, von dem an der Arbeitnehmer zum Kreis der Begünstigten der Unterstützungskasse gehört.
(5) Soweit betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung einschließlich eines möglichen Arbeitgeberzuschusses nach § 1a Absatz 1a erfolgt, behält der Arbeitnehmer seine Anwartschaft, wenn sein Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles endet; in den Fällen der Absätze 2 und 3
- 1.
dürfen die Überschussanteile nur zur Verbesserung der Leistung verwendet, - 2.
muss dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer das Recht zur Fortsetzung der Versicherung oder Versorgung mit eigenen Beiträgen eingeräumt und - 3.
muss das Recht zur Verpfändung, Abtretung oder Beleihung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen werden.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Januar 2008 - 25 Sa 888/07 - aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Höhe eines Steuerzuschlages, der im Zusammenhang mit Beihilfeleistungen, die neben einer Betriebsrente gewährt werden, gezahlt wird.
-
Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der Deutschen Postgewerkschaft (hiernach: DPG). Für diese war der Kläger, der am 25. Januar 1938 geboren ist, seit dem 1. August 1961 als Gewerkschaftssekretär tätig. Seit dem 1. November 1997 erhält er gesetzliche Rente, zunächst als Erwerbsunfähigkeitsrente, ab dem 1. Februar 1998 als Altersrente. Nr. 5 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 30. März 1979 lautet:
-
„Auf das Vertragsverhältnis finden die Bestimmungen der Tarifregelung für die Beschäftigten der Deutschen Postgewerkschaft Anwendung. Die Vertragschließenden erkennen durch ihre Unterschriften die Rechtsverbindlichkeit der Tarifregelung in der jeweils geltenden Fassung an.“
-
Bei der Deutschen Postgewerkschaft galt die vom Hauptvorstand erlassene „Tarifregelung für die Beschäftigten der Deutschen Postgewerkschaft“ (im Folgenden: TR DPG). Satz 1 des § 1 „Geltungsbereich“ lautet:
-
„Diese Tarifregelung gilt
a)
räumlich
für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland,
b)
persönlich
für die ständig Beschäftigten der Deutschen Postgewerkschaft.“
-
Nach § 17 „Beihilfen, Unterstützungen“ galten Rechtsstandswahrungen gem. Anhang II. Gleiches galt nach § 26 „Versorgung der Beschäftigten“ hinsichtlich der „Gewerkschaftssekretäre/innen“. Die insoweit maßgeblichen Regelungen lauten auszugsweise:
-
„§ 17
Beihilfen, Unterstützungen
Die nachfolgende Regelung gilt für die bis 31.8.1995 eingestellten Beschäftigten.
1.
Auf Antrag können Beihilfen und in besonderen Fällen Unterstützungen gewährt werden.
2.
Die Behandlung der Anträge erfolgt unter Beachtung der im öffentlichen Dienst geltenden Beihilfevorschriften und Unterstützungsgrundsätze. …
6.
Leistungen aus Beihilfen und Krankenkassen (privat oder gesetzlich) dürfen die tatsächlichen Aufwendungen nicht übersteigen. Der so errechnete Beihilfebetrag wird um den jeweils auf der Grundlage der Nettoberechnung in Frage kommenden Steuerzuschlag erhöht.
…
§ 26
Versorgung der Beschäftigten
Die nachfolgende Regelung gilt für die bis 31.08.1995 eingestellten Beschäftigten.
I.
Gewerkschaftssekretäre/innen
…
6.
Die DPG leistet zur Gesamtversorgung der unter diese Versorgungsregelung fallenden Beschäftigten und ihrer Hinterbliebenen einen Zuschuss.
…
7.
Bei der Berechnung der Gesamtversorgung ist davon auszugehen, dass die Gesamtversorgung nach einer Beschäftigungszeit bei der DPG … von 10 Jahren 35 v.H. der Bruttobezüge beträgt und mit jedem weiter zurückgelegten Beschäftigungsjahr bis zum vollendeten 25. Beschäftigungsjahr 2 v.H., von da ab um 1 v.H. bis zum Höchstsatz von 75 v.H. steigt. Bei kürzerer als 10jähriger Beschäftigungszeit bei der DPG betragen die Versorgungsbezüge 35 v.H.
…
10.
Die Gesamtversorgung besteht aus
a)
Rentenbezügen aus der gesetzlichen Rentenversicherung,
b)
Leistungen aus der Unterstützungskasse des DGB,
c)
…
d)
…
Soweit diese Leistungen die unter Ziffer 7. genannten Prozentsätze nicht erreichen, wird von der DPG der unter Ziffer 6. genannte Zuschuss in Höhe der Differenz zwischen den anzurechnenden Leistungen aus der Gesamtversorgung und dem zu gewährenden Vomhundertsatz gezahlt.
…“
- 5
-
Hintergrund der Beihilferegelung in § 17 TR DPG war, dass bei der Deutschen Postgewerkschaft viele ehemalige und beurlaubte Beamte arbeiteten, denen im Vergleich zu den Regelungen im öffentlichen Dienst, wo Beihilfeleistungen steuerfrei sind, kein Nachteil entstehen sollte.
-
Der Kläger erhielt aus Anlass seiner Zurruhesetzung von der Abteilung Funktionäre/Personal des Hauptvorstandes der Deutschen Postgewerkschaft ein auf den 14. Juli 1998 datiertes Schreiben, das auszugsweise wie folgt lautet:
-
„…
Lieber H,
entsprechend dem vorgelegten Rentenbescheid (Dir zugegangen am 04.04.1998) endete nach § 25 Abs. 2 der Tarifregelung für die Beschäftigten der DPG Dein Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf des Monats April 1998. Deine Ansprüche aus § 17 (Beihilfen) und § 26 (Versorgung) a.a.O. bleiben bestehen.
Nachdem uns nunmehr auch der Leistungsbescheid der Unterstützungskasse des DGB (UK) vorliegt, haben wir Deine Gesamtversorgung berechnet und verweisen hierzu auf das beigefügte Berechnungsblatt. Maßgeblich für die Versorgung durch die DPG sind die Bestimmungen des § 26 I. der Tarifregelung. Auf die sich danach errechnende Gesamtversorgungszusage ab 01.05.1998 sind die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der UK anzurechnen. Da die Summe beider Leistungen die Gesamtversorgungszusage durch die DPG übersteigt, kommt eine zusätzliche Zahlung durch die DPG derzeit und soweit sich dies absehen läßt, nicht in Betracht.
…
Deine Steuerkarte VI für 1998 ist uns inzwischen zugegangen. Wir benötigen diese auch in den folgenden Jahren wegen möglicher Beihilfeansprüche. Die Steuerkarte III ist dagegen jährlich der Unterstützungskasse vorzulegen.
…“
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Der Kläger erhält - entgegen der Annahme in dem aus Anlass seines Ausscheidens formulierten Schreiben - nicht nur eine gesetzliche Altersrente und eine von der Unterstützungskasse des DGB gezahlte Rente, sondern auch einen von der Beklagten geleisteten Zuschuss, der im Jahre 2006 156,06 Euro monatlich betrug. Zur Errechnung des von ihr zu zahlenden Zuschusses zur Gesamtversorgung verfügt die Beklagte über Angaben zu den Zahlungen der DGB-Unterstützungskasse und zur Höhe der gesetzlichen Rente.
- 8
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Die Beklagte gewährt dem Kläger Beihilfeleistungen im Krankheitsfall entsprechend § 17 TR DPG und einen Steuerzuschlag. Den errechnet sie so, dass sie am Ende des Jahres aus Anlass der Abführung der Steuer die von ihr gewährten Versorgungsleistungen um die Beihilfeleistungen hochrechnet, die sich aus dem so erhöhten Bruttobetrag ergebende erhöhte Steuerpflicht ermittelt und den Bruttobetrag weiter so erhöht, dass dem Kläger die Beihilfeleistungen netto verbleiben. Als eigene Versorgungsleistung legt die Beklagte dabei nur den von ihr gezahlten Anteil an der Gesamtversorgung zugrunde. Unberücksichtigt bleiben der Teil der Gesamtversorgung, der von der DGB-Unterstützungskasse gezahlt wird, und der steuerpflichtige Ertragsanteil der gesetzlichen Rente.
- 9
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Das von der Beklagten angewandte Verfahren führt dazu, dass die Steuerprogression(§ 32a EStG), die durch die Leistungen der DGB-Unterstützungskasse und den steuerpflichtigen Ertragsanteil der gesetzlichen Rente (§ 22 EStG) entsteht, sich bei der Hochrechnung nicht widerspiegelt. Das führt zu Nachforderungen gegenüber dem Kläger bei der Jahressteuererklärung. Ein Verbleib des von der Beklagten ermittelten und ausgezahlten Nettobetrages beim Kläger ist daher nicht gewährleistet.
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Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte müsse als Grundlage der für den Steuerzuschlag notwendigen Nettoberechnung nicht nur die von ihr geleisteten Versorgungsleistungen berücksichtigen, sondern stattdessen den von ihr zugesagten Versorgungsgrad von 75 % der zuletzt bezogenen Bruttobezüge zugrunde legen, soweit dadurch eine Steuerpflicht ausgelöst wird.
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Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - rückständige Zahlungsansprüche für 2004 iHv. 801,80 Euro, 2005 iHv. 212,09 Euro und 2006 iHv. 1.198,48 Euro geltend gemacht und eine Feststellung dahingehend begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, entsprechend seiner Rechtsansicht zu verfahren.
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Der Kläger hat insoweit zuletzt beantragt
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1.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die durch Beihilfezahlungen erhöhte jährliche Einkommenssteuer des Einkommens des Klägers aufgrund des zugesagten Versorgungsgrades von 75 % der zuletzt bezogenen Bruttobezüge zu ersetzen,
2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.212,37 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 801,80 Euro seit dem 1. Januar 2005, auf 212,09 Euro seit dem 1. Januar 2006 und auf 1.198,48 Euro seit dem 1. Januar 2007 zu zahlen.
- 13
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
- 14
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Sie hat behauptet, ihre Abrechnungsweise entspreche der Praxis, wie sie bereits früher die DPG angewandt habe.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage - auch hinsichtlich einiger weitergehender Ansprüche - mit Urteil vom 14. Februar 2007 abgewiesen. Das Urteil wurde dem Kläger zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 26. März 2007 zugestellt. Mit Schriftsatz derselben Prozessbevollmächtigten vom 24. April 2007, der per Fax am selben Tage und im Original am 25. April 2007 beim Landesarbeitsgericht einging, schrieb die Klägervertreterin Folgendes:
-
„In Sachen
C
gegen
ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Az.: 48 Ca 17086/06, Arbeitsgericht Berlin
legen wir gegen das Urteil vom 14.02.2007
Berufung
ein.
Antragstellung und Begründung erfolgen mit gesondertem Schriftsatz.“
- 16
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Weitere Angaben, insbesondere zur Parteirolle und darüber, wen die unterzeichnende Prozessbevollmächtigte vertrat, enthielt der Schriftsatz nicht. Auf Aktenanforderung vom 26. April 2007 gingen die erstinstanzlichen Akten am 3. Mai 2007 beim Landesarbeitsgericht ein.
-
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage - soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse - stattgegeben. Entgegen der von den Parteien benutzten Parteibezeichnung hat es dabei als beklagt bezeichnet „Ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - Landesbezirk B“, jedoch Mitglieder des Bundesvorstandes der Gewerkschaft ver.di als vertretungsberechtigt angegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision, die die Parteibezeichnung des Landesarbeitsgerichts übernommen hat, erstrebt die Beklagte Klageabweisung insgesamt. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
- 19
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I. Prozessuale Probleme stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.
- 20
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1. Die Revision ist zulässig. Die fehlerhafte Parteibezeichnung in der Revisionsschrift ist unschädlich. Aus der Revisionsschrift ging eindeutig hervor, dass für die Partei, die tatsächlich Beklagte des Verfahrens ist, Revision eingelegt werden sollte.
- 21
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2. Auch die - in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfenden(vgl. BAG 23. März 2004 - 3 AZR 35/03 - zu I 1 der Gründe, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 36 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 38) - Prozessfortführungsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere hat der Kläger innerhalb der Frist zur Einlegung der Berufung, die einen Monat seit Zustellung des arbeitsgerichtlichen Urteils beträgt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG) und damit am 26. April 2007 ablief, in ausreichender Weise Berufung eingelegt. Die notwendigen Angaben lagen dem Berufungsgericht vor.
- 22
-
Es entspricht einer ständigen, schon auf das Reichsgericht zurückgehenden Rechtsprechung sowohl des Bundesarbeitsgerichts als auch des Bundesgerichtshofs, dass zum notwendigen Inhalt einer Berufungsschrift die Erklärung gehört, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird. Sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als auch des Bundesarbeitsgerichts muss diese Angabe allerdings nicht in der Rechtsmittelschrift selbst enthalten sein; es genügt, wenn sie sich innerhalb der Rechtsmittelfrist aus anderen, dem Gericht vorliegenden Unterlagen eindeutig entnehmen lässt(vgl. BAG 14. Juni 1989 - 2 AZB 5/89 - zu II 2 der Gründe, mit umfassenden Nachweisen). Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist die Berufung rechtzeitig eingelegt:
- 23
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Allerdings ist die Berufungsschrift bei Anlegung dieser Grundsätze unvollständig. Sie enthält keinerlei Angaben darüber, wen die Prozessbevollmächtigte des Klägers vertreten hat und für wen sie in dem von ihr angeführten Verfahren Berufung einlegen wollte. Dass der Kläger in der Berufungsschrift als Erster genannt wurde, ändert daran nichts. Daraus wird nicht ersichtlich, ob dies der Parteistellung im erstinstanzlichen oder im zweitinstanzlichen Verfahren entspricht. Auch dass der Kläger zugleich Berufungskläger gewesen ist macht keinen Unterschied, denn gerade dies war(anders als im Fall BGH 19. Mai 1983 - V ZB 14/83 - VersR 1983, 778) aus der Berufungsschrift nicht ersichtlich. Auch gingen die erstinstanzlichen Akten, denen die erforderlichen Angaben hätten entnommen werden können, nicht mehr innerhalb der Berufungsfrist, sondern erst am 3. Mai 2007 beim Landesarbeitsgericht ein.
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Die notwendigen Angaben ließen sich jedoch aus anderen, dem Landesarbeitsgericht vorliegenden Unterlagen eindeutig entnehmen. Unterlage in diesem Sinne sind nicht nur schriftliche Unterlagen wie die Verfahrensakten, sondern auch elektronisch gespeicherte Daten, wenn sie in vergleichbarer Weise verfügbar sind. Insoweit besteht kein sachlicher Unterschied. Im vorliegenden Fall lagen dem Landesarbeitsgericht in elektronischer Form Unterlagen vor, denen alle notwendigen Angaben zu entnehmen waren. Die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass sowohl die Richter als auch die Geschäftsstellenmitarbeiter des Landesarbeitsgerichts auf ein Geschäftsstellenprogramm für die gesamte Berliner Arbeitsgerichtsbarkeit Zugriff haben. Über eine Maske können sie, ohne dass es eines nennenswerten technischen Aufwandes bedarf, feststellen, welcher Prozessbevollmächtigte welche Partei erstinstanzlich vertreten hat. Feststellbar sind zudem das Datum der Entscheidung, gegen welche Partei die Entscheidung ergangen ist und der Tenor der Entscheidung. Voraussetzung für diese Feststellungen ist lediglich, dass - wie hier aufgrund der Angaben in der Berufungsschrift - das erkennende Gericht und das Aktenzeichen eines Verfahrens oder die Namen der Parteien bekannt sind.
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3. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Auch der Feststellungsantrag ist als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO ohne Weiteres zulässig. Er ist auch bestimmt genug(§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die gebotene Auslegung ergibt, dass der Kläger den konkreten Steuernachteil erstattet haben möchte, der ihm durch die Leistung von Beihilfen entsteht, wenn man die Jahressteuerpflicht auf der Grundlage des steuerpflichtigen Teils seiner in die Berechnung der Gesamtversorgung einfließenden Bezüge errechnet.
- 26
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II. Der Rechtsstreit ist an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Aufgrund der bisherigen Feststellungen steht nicht fest, ob dem Kläger der geltend gemachte Anspruch zusteht. Vielmehr bedarf es weiterer Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht(§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO).
- 27
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1. Ein Anspruch kann dem Kläger lediglich aus dem Eingangsabsatz des Austrittsschreibens der Abteilung Funktionäre/Personal des Hauptvorstandes der DPG vom 14. Juli 1998 zustehen. § 17 der Tarifregelungen der DPG unmittelbar gibt keinen Anspruch, da diese Tarifregelungen nach ihrem § 1 Satz 1 lediglich für die Beschäftigten der DPG gelten. Sie enthalten zwar in § 26 auch Bestimmungen über die Versorgung der Beschäftigten. Diese Regelung gibt den ausgeschiedenen Beschäftigten jedoch keinen Beihilfeanspruch.
- 28
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2. Dementsprechend hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger den noch streitgegenständlichen Teil seiner Forderung nach einer Auslegung des Austrittsschreibens iVm. § 17 TR DPG zugesprochen. Es hat dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass dem einzelnen Beschäftigten durch die Beihilfezahlungen kein steuerlicher Verlust entstehen, sondern die Beihilfe als Nettoleistung erhalten bleiben sollte. Grund sei gewesen, dass für Beschäftigte, die zuvor im Status eines Beamten gestanden hatten, durch die Beschäftigung bei der DPG keine Änderung der aus Krankenversicherung und Beihilfe bestehenden Absicherung eintreten sollte. Dies sei dem Kläger ua. mit dem Schreiben der DPG vom 14. Juli 1998 bestätigt worden.
- 29
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Für die Aktivbeschäftigten hätten in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten bestanden, weil der Steuerzuschlag auf der Grundlage des von der Beklagten geschuldeten Jahresgehalts errechnet wurde. Lediglich dadurch, dass die Beklagte die Steuerschuld allein auf der Basis der von ihr geleisteten Zahlungen berechnet habe, hätten sich Probleme ergeben. Wegen der Steuerprogression sei der Steueranteil auf die Beihilfe als Teil der Gesamtbezüge höher als der, der sich aus den von der Beklagten unmittelbar geleisteten Zahlungen ergebe. Dadurch fließe dem Kläger die Beihilfe nicht netto zu und es tue sich eine Versorgungslücke auf, die er mit eigenen Mitteln schließen müsse. Das sei mit § 17 Nr. 6 TR DPG nicht vereinbar. Danach sei der Steuerzuschlag auf der Grundlage der Nettoberechnung zu errechnen.
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Auch steuerrechtliche Argumente kämen der Beklagten nicht zugute. Auf die Praxis der DPG ist das Landesarbeitsgericht nicht eingegangen.
- 31
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3. Damit ist die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht revisionsrechtlich zu beanstanden und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Das ist unabhängig davon, ob die Inbezugnahme von § 17 TR DPG eine individuelle oder eine typische Erklärung darstellt.
- 32
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a) Die revisionsrechtliche Prüfdichte für eine vom Landesarbeitsgericht gefundene Auslegung hängt davon ab, ob eine individuelle Willenserklärung oder eine typische Erklärung vorliegt. Die Auslegung individueller Willenserklärungen kann das Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat. Die Auslegung typischer Erklärungen unterliegt dagegen einer unbeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle(BAG 11. Dezember 2001 - 3 AZR 334/00 - zu I 2 a aa der Gründe, AP BetrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr. 11 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 80). Diese Grundsätze gelten auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden soll (vgl. BGH 6. Dezember 2006 - XII ZR 97/04 - Rn. 26 ff., BGHZ 170, 152; ebenso wohl 14. Dezember 2006 - I ZR 34/04 - Rn. 26, NJW-RR 2007, 1530).
- 33
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b) Im vorliegenden Fall steht nicht eindeutig fest, ob eine individuelle oder eine typische Erklärung vorliegt. Wurde von der DPG bei den Austrittsschreiben hinsichtlich des Weiterbestehens von Ansprüchen auf Beihilfe und Versorgung in drei oder mehr Fällen(dazu BAG 15. September 2009 - 3 AZR 173/08 - Rn. 30, EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 13) dieselbe Formulierung verwendet, handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Das gilt auch, wenn in den Austrittsschreiben weitere, auf den Einzelfall zugeschnittene Formulierungen enthalten sind (vgl. für den vergleichbaren Fall handschriftlich ergänzter Formulare BAG 15. März 2005 - 9 AZR 502/03 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 114, 97).
- 34
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Die Frage kann jedoch für das Revisionsverfahren dahinstehen, da das Landesarbeitsgericht tatsächliches Vorbringen unbeachtet gelassen hat, das auf Umstände hindeutet, die bei der Auslegung sowohl individueller als auch typischer Erklärungen heranzuziehen wären.
- 35
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c) Geht man davon aus, dass eine individuelle Willenserklärung vorliegt, gilt Folgendes:
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aa) Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrages und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch(BAG 2. Juli 2009 - 3 AZR 501/07 - Rn. 19 mwN, AP BetrAVG § 1b Nr. 9).
- 37
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Dass auch arbeitsrechtliche Vereinbarungen, wenn sie - wie hier - vom Arbeitgeber gestellt sind, Verbraucherverträge darstellen(BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu V 1 der Gründe, BAGE 115, 19), ändert an diesen Auslegungsgrundsätzen nichts. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB steht nicht entgegen. Diese Bestimmung weist zwar die den Vertragsschluss begleitenden Umstände der Wirksamkeitsprüfung zu und steht damit ihrer Berücksichtigung bei der Auslegung entgegen (vgl. BAG 7. Dezember 2005 - 5 AZR 535/04 - Rn. 22, BAGE 116, 267). Diese Folge der Regelung betrifft aber nur Allgemeine Geschäftsbedingungen, also für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen. Nur dann sind individuelle Umstände für die Bedeutung derartiger Regelungen nicht aussagekräftig (noch offengelassen BAG 19. Januar 2010 - 3 AZR 191/08 - Rn. 15).
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Hat der Arbeitgeber - wie hier - eine Regelung geschaffen, gilt ergänzend die Unklarheitenregel. Er muss bei Unklarheiten die für ihn ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Das ergibt sich nunmehr für Verbraucherverträge aus § 310 Abs. 3 Nr. 2 iVm. § 305c Abs. 2 BGB, galt aber auch bereits vor deren Inkrafttreten aufgrund des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes(vgl. BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZR 388/05 - Rn. 17 ff., AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 18).
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bb) Diesen Auslegungsregeln ist das Landesarbeitsgericht nicht in vollem Umfange gerecht geworden. Vielmehr ergibt sich weiterer Aufklärungsbedarf, weil das Landesarbeitsgericht Behauptungen der Beklagten über wesentliche Tatsachen bei seiner Auslegung außer Acht gelassen und den Sachverhalt nicht in vollem Umfange aufgeklärt hat.
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(1) Das Landesarbeitsgericht ist ohne Weiteres davon ausgegangen, dass sich die DPG durch das Austrittsschreiben rechtsgeschäftlich binden wollte. Das ist möglich, aber nicht zwingend.
- 41
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Die Formulierung, in der es heißt, die Ansprüche aus § 26 und § 17 TR DPG „bleiben bestehen“ ist zunächst deskriptiv, lediglich beschreibend. Hinsichtlich der Erwähnung von § 26 TR DPG über die Versorgung handelt es sich eindeutig lediglich um eine Darstellung des Rechtszustandes, wie er bereits aus den TR DPG folgte. Stellt man allerdings beim Verweis im Austrittsschreiben auf § 17 TR DPG allein auf die Tarifregelung ab, kommt eine lediglich beschreibende Bedeutung des Austrittsschreibens insoweit nicht in Betracht. § 17 TR DPG galt gerade nicht für Ruheständler. Eine Auslegung der Erklärung im Austrittsschreiben als lediglich beschreibende Formulierung wäre jedoch denkbar, wenn damit lediglich der Hinweis auf eine anderweitig begründete Praxis verbunden gewesen sein sollte.
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In diesem Zusammenhang kommt der streitigen Behauptung der Beklagten, schon die DPG sei bei der Berechnung des Steuerzuschlages so vorgegangen wie sie, möglicherweise Bedeutung zu. Für die Frage, ob tatsächlich ein Rechtsbindungswille der DPG vorlag, kann entscheidend sein, ob unabhängig von konkreten Zusagen an die ausscheidenden Arbeitnehmer eine aus anderen Gründen rechtsverbindliche Praxis bestand, auf die die DPG beschreibend Bezug nehmen konnte und möglicherweise Bezug genommen hat. Darauf könnte die Behauptung der Beklagten, soweit sie sich bestätigen sollte, hindeuten. Die damit im Zusammenhang stehenden Fragen hat das Landesarbeitsgericht nicht ausreichend aufgeklärt.
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(2) Auch wenn man zu dem Ergebnis kommt, die DPG als Rechtsvorgängerin der Beklagten habe sich durch das Austrittsschreiben binden wollen, kommt es für die Frage, in welcher Weise sie sich hat binden wollen, möglicherweise auf eine bestehende Praxis bei der DPG an. Denkbar erscheint, dass die Anwendung des § 17 TR DPG lediglich entsprechend der tatsächlichen Praxis verpflichtend werden sollte. Auch insoweit kann die streitige Behauptung der Beklagten über die Praxis bei der DPG von Bedeutung sein.
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(3) Neben der noch aufzuklärenden Praxis bei der DPG kommen allerdings noch weitere Aspekte bei der Auslegung in Betracht. Die Überlegungen des Landesarbeitsgerichts sind insoweit nicht zu beanstanden.
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Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich die Richtigkeit ihrer Berechnungsmethode nicht bereits aus dem Begriff „Nettoberechnung“. Zwar stellt der Begriff „netto“ regelmäßig lediglich auf die Abzüge von Entgeltzahlungen ab(vgl. nur BAG 24. Juni 2003 - 9 AZR 302/02 - zu A II 2 c aa der Gründe, BAGE 106, 345; 1. Oktober 2002 - 9 AZR 298/01 - zu II 1 a bb der Gründe). Gölte dies auch hier, wäre in der Tat auf die von der Beklagten vorzunehmenden Abzüge abzustellen. Eine derartige Auslegung gilt jedoch nicht ausnahmslos. Nach den Umständen des Falles können Regelungen, die auf einen Nettobetrag Bezug nehmen, auch anders auszulegen sein (BAG 26. August 2009 - 5 AZR 616/08 - Rn. 17, USK 2009-71).
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Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht als Argument für eine andere Auslegung hier darauf abgestellt, dass § 17 Nr. 6 TR DPG dazu dient, die steuerlichen Nachteile der Beihilfezahlung beim Arbeitgeber, im Falle des Klägers also bei der Beklagten als Versorgungsschuldnerin, zu belassen. Die DPG war daran interessiert, ihren Arbeitnehmern, die aus einem Beamtenverhältnis kamen, Vergünstigungen wie in einem Beamtenverhältnis zu gewähren. Damit musste sie die Steuerfreiheit der Beihilfeleistungen sicherstellen. Soweit deshalb § 17 TR DPG den Begriff „Nettoberechnung“ verwendet, bedeutet dies vor dem Hintergrund dieses Zweckes lediglich, dass steuerliche Effekte außerhalb des Rechtsverhältnisses zwischen der Arbeitgeberin, nunmehr Versorgungsschuldnerin, und dem Berechtigten unberücksichtigt zu lassen sind. Dabei geht es um die Auswirkungen weiterer Einnahmen, die die Progression weiter erhöhen. Sie spielen bei der Berechnung keine Rolle.
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Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht für seine Auslegung auch berücksichtigt, dass der so zugrunde gelegte Zweck von § 17 TR DPG im Rahmen eines Versorgungsverhältnisses nur erreicht werden kann, wenn alle bei der Gesamtversorgung zu berücksichtigenden steuerpflichtigen Altersbezüge in die Berechnung des Steuerzuschlages einbezogen werden.
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Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht auch zu Recht angenommen, dass einer Auslegung einkommenssteuerrechtliche Gründe nicht entgegenstehen. Das Einkommenssteuerrecht regelt lediglich die Verpflichtung des Versorgungsschuldners, von den geleisteten Zahlungen zunächst Abzüge zu machen und an die Finanzverwaltung abzuführen(§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, §§ 38 ff. EStG). Diese steuerrechtlichen Verpflichtungen sind den arbeitsrechtlichen Verpflichtungen nachgelagert. Die steuerrechtlichen Verpflichtungen bestimmen nicht, was arbeitsrechtlich gilt. Das Begehren des Klägers richtet sich nicht dahin, dass die Beklagte ihre einkommenssteuerrechtlichen Verpflichtungen als Versorgungsschuldner nicht einhalten soll.
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d) Sollte es sich bei den fraglichen Erklärungen um typische Erklärungen handeln, gilt Folgendes:
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aa) In diesem Fall gelten für die Auslegung die für Allgemeine Geschäftsbedingungen entwickelten Grundsätze. Diese sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei sind die den Vertragsschluss begleitenden Umstände gem. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB nicht bei der Auslegung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern bei der Prüfung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB zu berücksichtigen(BAG 7. Dezember 2005 - 5 AZR 535/04 - Rn. 22, BAGE 116, 267).
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Von den den Vertragsschluss begleitenden Umständen sind jedoch die äußeren Umstände, die zum Vertragsschluss geführt haben, zu unterscheiden. Dabei geht es um Umstände, die für einen verständigen und redlichen Vertragspartner Anhaltspunkte für eine bestimmte Auslegung des Vertrages gegeben haben(vgl. BAG 6. September 2006 - 5 AZR 644/05 - Rn. 14). Da Allgemeine Geschäftsbedingungen einheitlich auszulegen sind, kommen insoweit jedoch nur allgemeine Umstände in Betracht, die auf einen verallgemeinerbaren Willen des Verwenders schließen lassen. Umstände, die den konkreten Vertragsabschluss im Einzelfall betreffen, sind nur zu berücksichtigen, wenn es darum geht, zu ermitteln, ob im konkreten Einzelfall die Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden haben (vgl. dazu BAG 15. September 2009 - 3 AZR 173/08 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 13).
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Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders. Diese Unklarheitenregel folgt nunmehr aus § 305c BGB. Sie galt aber auch bereits vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes(vgl. BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZR 388/05 - Rn. 17 ff., AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 18).
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bb) Auch bei Anlegung dieser Grundsätze bedarf es der Aufklärung, inwieweit durch die Verwendung der Formulierung, wie sie im vorliegenden und weiteren Austrittsschreiben gebraucht wurde, bei allgemeiner Betrachtung nur eine beschreibende Aussage zu entnehmen ist oder, falls von einem Rechtsbindungswillen auszugehen ist, dieser lediglich eine bereits geübte Praxis verpflichtend in Bezug nahm. Auch insoweit gibt der streitige Vortrag der Beklagten Anlass zu weiteren Aufklärungen. Entscheidend ist dabei jedoch nicht auf das konkrete Verständnis, das der Kläger haben konnte, abzustellen. Maßgeblich ist vielmehr, wie die allgemein von der Abteilung Personal/Funktionäre gebrauchte Formulierung generell zu verstehen ist.
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Im Übrigen gilt hinsichtlich der Interessenlage das bereits oben - II. 3. c) bb) (3) - Gesagte auch hier.
-
e) Soweit das Landesarbeitsgericht die Anwendung der Unklarheitenregel in Betracht zieht, wird es Folgendes zu beachten haben: Eine Unklarheit in diesem Sinne besteht nur, wenn nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bleibt. Sie setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen erhebliche Zweifel an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Unklarheitenregel nicht (vgl. BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 14, BAGE 124, 259).
-
VRiBAG Dr. Reinecke
ist in den Ruhestand getreten
und deshalb verhindert,
die Unterschrift zu leisten
ZwanzigerZwanziger
Schlewing
H. Kappus
H. Frehse
(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.
(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.
(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:
- 1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden; - 2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte; - 3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.
(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
Tenor
-
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Januar 2009 - 3 Sa 483/08 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und über die Kosten entschieden hat.
-
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und die Verpflichtung zur Erstattung von Aufwendungen.
-
Der Kläger ist seit 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, bundesweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, beschäftigt. Er ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und hat den Status eines Partners. Sein Jahresgehalt betrug ohne Sonderleistungen zuletzt 176.000,00 Euro brutto. Der Kläger war seit dem 1. Juli 1990 in der Niederlassung Leipzig tätig. Am 1./14. Juli 1994 wurde ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen, der unter anderem folgende Regelungen enthält:
-
„§ 1
Mit Wirkung vom 1. Oktober 1993 ist Herr H zum Bereichsleiter (Partner Stufe III) der Zweigniederlassung Leipzig ernannt worden. Die C behält sich vor, Herrn H - sofern Geschäftsnotwendigkeiten dies erfordern - anderweitig einzusetzen und zu versetzen.
….
§ 7
Im Verhältnis zur C gilt als Wohnsitz von Herrn H Leipzig. Die jeweils geltende Reisekostenordnung der C findet Anwendung.“
-
Bei Dienstreisen erstattet die Beklagte ihren Mitarbeitern Aufwendungen nach den Bestimmungen der Gesamtbetriebsvereinbarung Reisekosten (Reisekostenordnung) vom 29. Juni 2004, die auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung findet. Der Begriff Dienstreise wird dort wie folgt definiert:
-
„Eine Dienstreise ist ein Ortswechsel einschließlich der Hin- und Rückfahrt aus Anlass einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit. Eine Auswärtstätigkeit liegt vor, wenn der Mitarbeiter außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig wird. Eine Auswärtstätigkeit ist vorübergehend, wenn der Mitarbeiter voraussichtlich an die regelmäßige Arbeitsstätte zurückkehren und dort seine berufliche Tätigkeit fortsetzen wird.“
- 4
-
Der Kläger war zuletzt als „Bereichsleiter Tax“ der Niederlassung Leipzig tätig. Zwischen den Parteien kam es zum Streit über die Fähigkeiten des Klägers zur Führung der ihm unterstellten Mitarbeiter und zur Betreuung der Kunden. Angebote der Beklagten zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags lehnte der Kläger in den Monaten Februar und März 2007 ab. Mit Schreiben vom 2. Mai 2007 sprach die Beklagte eine Versetzung des Klägers „mit Wirkung zum 21. Mai 2007 zur Niederlassung Frankfurt in den Bereich Tax & Legal PS Mitte“ aus. Dort soll der Kläger als „verantwortlicher Sales-Partner“ eingesetzt werden und überwiegend Vertriebstätigkeiten ausüben. Zudem soll er den Bereich „Education/Social Security“ aufbauen und seine bereits zuvor im Bereich Controlling PS (Public Service) übernommenen Aufgaben sollen bundesweit ausgeweitet werden. Die neue Tätigkeit umfasst keine Personalverantwortung. Im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 22. Oktober 2007 war der Kläger mit Ausnahme einer urlaubsbedingten Unterbrechung in Frankfurt am Main tätig. Seitdem wird er aufgrund entsprechender arbeitsgerichtlicher Entscheidungen wieder in der Niederlassung Leipzig eingesetzt.
- 5
-
Der Kläger hat geltend gemacht, er sei aufgrund der vertraglich vereinbarten Tätigkeit als Bereichsleiter der Niederlassung Leipzig zu beschäftigen. Die Zuweisung einer anderweitigen Tätigkeit und/oder eines anderen Tätigkeitsorts sei unzulässig. Der Versetzungsvorbehalt sei gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Darüber hinaus sei die Tätigkeit eines „verantwortlichen Sales-Partners“ hierarchisch nicht mit der Tätigkeit eines „Bereichsleiters“ gleichzusetzen. Unabhängig hiervon entspreche die Versetzung wegen der weiten Entfernung vom bisherigen Arbeitsort nicht billigem Ermessen.
- 6
-
Die vorübergehende Tätigkeit in Frankfurt am Main sei als Dienstreise zu behandeln. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 17. August 2007 und vom 3. September 2007 bis zum 22. Oktober 2007 ergebe sich ein Aufwendungsersatzanspruch nach der Reisekostenordnung in Höhe von insgesamt 7.803,35 Euro.
-
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Bereichsleiter Tax der Niederlassung Leipzig am Standort Leipzig zu beschäftigen,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.803,35 Euro zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.
- 8
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass eine Beschränkung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung auf die Tätigkeit eines Bereichsleiters der Niederlassung Leipzig nicht stattgefunden habe. Der Versetzungsvorbehalt sei wirksam, da die Interessen des Klägers in ausreichendem Maße dadurch gewahrt würden, dass die Versetzung nur im Falle einer „Geschäftsnotwendigkeit“ erfolgen dürfe. In seinem bisherigen Einsatzfeld als zuständiger Partner „PS Ost“ sei der Kläger nicht länger einsetzbar. Die wichtigen Mandanten würden den Kläger, der überwiegend Controlling-Tätigkeiten ausgeübt habe, nicht als Ansprechpartner akzeptieren. Früher habe die Betreuung dieser Mandanten durch einen weiteren in Leipzig beschäftigten Partner stattgefunden, der zum 30. Juni 2007 pensioniert worden sei. Der Umgang des Klägers mit den Mitarbeitern sei ebenfalls nicht akzeptabel, diese würden sich zunehmend verärgert zeigen. Der Kläger stehe als fachlicher Ansprechpartner nicht zur Verfügung. Sein mangelnder Arbeitseinsatz sei für alle erkennbar. Die dem Kläger zugewiesenen neuen Aufgaben seien mit seinen bisherigen Aufgaben vergleichbar; die Position befinde sich auf gleicher hierarchischer Ebene. Die Betreuung der Mandate der Region Mitte sei nur von Frankfurt am Main aus möglich, da die Mandanten eine regionale Präsenz des Partners erwarteten.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist zulässig und begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Berufung nicht zurückgewiesen werden. Der Senat kann in der Sache mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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I. Die auf vertragsgemäße Beschäftigung gerichtete Leistungsklage ist zulässig.
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1. Bei einem Streit über die Berechtigung einer Versetzung bestehen für den Arbeitnehmer zwei Möglichkeiten. Er kann die Berechtigung der Versetzung im Rahmen einer Feststellungsklage klären lassen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 -). Darüber hinaus hat er die Möglichkeit, den Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Rahmen einer Klage auf künftige Leistung gem. § 259 ZPO durchzusetzen(vgl. BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 19). Bei der Prüfung des Beschäftigungsanspruchs ist die Wirksamkeit der Versetzung als Vorfrage zu beurteilen. Voraussetzung für eine derartige Klage ist die Besorgnis, dass der Schuldner sich andernfalls der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.
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2. Der Antrag des Klägers ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. In Verbindung mit der Klagebegründung ist erkennbar, welche konkrete Beschäftigung er anstrebt. Die Voraussetzungen des § 259 ZPO liegen vor, obwohl der Kläger zurzeit auf seinem bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt wird. Die derzeitige Beschäftigung erfolgt ausschließlich aufgrund der vorläufig vollstreckbaren Entscheidungen der Vorinstanzen.
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II. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.
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1. Erweist sich eine vom Arbeitgeber vorgenommene Versetzung als unwirksam, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung in seiner bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort (vgl. BAG 17. Februar 1998 - 9 AZR 130/97 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 618 Nr. 27 = EzA BGB § 615 Nr. 89; 26. Januar 1988 - 1 AZR 531/86 - zu II 5 der Gründe, BAGE 57, 242; 14. Juli 1965 - 4 AZR 347/63 - BAGE 17, 241). Bei einer Versetzung handelt es sich um eine einheitliche Maßnahme, die nicht in den Entzug der bisherigen Tätigkeit und die Zuweisung einer neuen Tätigkeit aufgespalten werden kann (vgl. BAG 30. September 1993 - 2 AZR 283/93 - zu B I 3 e ff der Gründe, BAGE 74, 291). Dies gilt auch dann, wenn Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht abschließend festgelegt sind, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) unterliegen. Solange dieser nicht rechtswirksam von seinem Weisungsrecht erneut Gebrauch gemacht oder eine wirksame Freistellung von der Arbeit ausgesprochen hat, bleibt es bei der bisher zugewiesenen Arbeitsaufgabe am bisherigen Ort und der Arbeitnehmer hat einen dementsprechenden Beschäftigungsanspruch. Die gegenteilige Auffassung (LAG Hamm 8. März 2005 - 19 Sa 2128/04 - zu II 3 der Gründe, NZA-RR 2005, 462 unter Berufung auf LAG Nürnberg 10. September 2002 - 6 (4) Sa 66/01 - LAGE BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 29) übersieht, dass eine ausgeübte Weisung nicht durch eine unwirksame Versetzung beseitigt werden kann. Sie lässt sich auch nicht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Januar 2001 (- 5 AZR 411/99 -) stützen, da dort der Entzug bestimmter Tätigkeiten noch im Rahmen des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erfolgte. Im Übrigen beschränkt sie unangemessen die Möglichkeit einer effektiven Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs für den Zeitraum bis zu einer neuen Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber.
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Wird der Arbeitgeber nach einer Versetzung zur tatsächlichen Beschäftigung zu den vorherigen Bedingungen verurteilt, ist damit die Vorfrage der Wirksamkeit der Versetzung beantwortet. Eine Entscheidung darüber, ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitgeber zukünftig von seinem Weisungsrecht rechtswirksam Gebrauch machen kann, ist hingegen nicht getroffen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seinen Beschäftigungsanspruch unter anderem damit begründet hat, er sei „auf Dauer“ als Bereichsleiter Tax der Niederlassung Leipzig am Standort Leipzig zu beschäftigen und die Zuweisung einer anderen Tätigkeit an einem anderen Arbeitsort komme nicht in Betracht, da sie nicht von dem arbeitsvertraglichen Direktionsrecht der Beklagten umfasst sei. Dabei handelt es sich um bloße Elemente der Klagebegründung, die im Falle des Obsiegens mit dem Leistungsantrag nicht gem. § 322 ZPO in materielle Rechtskraft erwachsen. Will ein Arbeitnehmer eine weitergehende Entscheidung zum Umfang des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erreichen, so muss er bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 256 ZPO von der Möglichkeit eines gesonderten Feststellungsantrags Gebrauch machen.
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2. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB beruht, ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
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a) In einem ersten Schritt ist durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist insbesondere festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat. In Betracht kommt, dass eine wie ein Versetzungsvorbehalt erscheinende Klausel tatsächlich lediglich den Umfang der vertraglich geschuldeten Leistung bestimmen soll, insbesondere wenn alternative Tätigkeiten oder Tätigkeitsorte konkret benannt sind. Ungewöhnliche, insbesondere überraschende Klauseln iSv. § 305c Abs. 1 BGB(zB „versteckte“ Versetzungsvorbehalte) werden allerdings nicht Vertragsbestandteil.
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Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 36, NZA 2010, 877; 21. Oktober 2009 - 4 AZR 880/07 - Rn. 18).
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Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (zB Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZR 388/05 - Rn. 30, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 18; st. Rspr. BGH, vgl. zB zuletzt 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - Rn. 41, MDR 2010, 1096; 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09 - Rn. 16, NJW 2010, 2877).
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b) Ergibt die Auslegung, dass der Vertrag eine nähere Festlegung hinsichtlich Art und/oder Ort der Tätigkeit enthält, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vielmehr handelt es sich um die Bestimmung des Inhalts der Hauptpflicht (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 30, BAGE 123, 98; Kleinebrink ArbRB 2007, 57, 58). Dabei ist unerheblich, wie eng oder weit die Leistungsbestimmung gefasst ist. § 308 Nr. 4 BGB ist ebenfalls nicht anwendbar, da diese Vorschrift nur einseitige Bestimmungsrechte hinsichtlich der Leistung des Verwenders erfasst(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 31, BAGE 118, 22). Vorzunehmen ist lediglich eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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Soweit es an einer Festlegung des Inhalts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag fehlt, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Je allgemeiner die vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto weiter geht die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer unterschiedliche Aufgaben im Wege des Direktionsrechts zuzuweisen (vgl. zB BAG 2. März 2006 - 2 AZR 23/05 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 67). Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es insoweit nicht an. Bei einer engen Bestimmung der Tätigkeit wird das Direktionsrecht hingegen eingeschränkt. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer nur die betreffenden Aufgaben zuweisen. Eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs kann er nur einvernehmlich oder durch eine Änderungskündigung herbeiführen.
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c) Enthält der Arbeitsvertrag neben einer Festlegung von Art und/oder Ort der Tätigkeit einen sog. Versetzungsvorbehalt, so ist zu differenzieren:
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aa) Ergibt die Vertragsauslegung, dass der Versetzungsvorbehalt materiell (nur) dem Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO entspricht oder zugunsten des Arbeitnehmers davon abweicht, unterliegt diese Klausel keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern allein einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 24 ff.). Der Arbeitgeber, der sich lediglich die Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts, nicht aber eine Änderung des Vertragsinhalts vorbehält, weicht nicht zulasten des Arbeitnehmers von Rechtsvorschriften ab (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB).
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Die Vertragsklausel muss dabei die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der oben dargestellten Auslegungsgrundsätze aus sich heraus erkennen lassen. Insbesondere muss sich aus dem Inhalt der Klausel oder aus dem Zusammenhang der Regelung deutlich ergeben, dass sich der Arbeitgeber nicht die Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten - ggf. noch unter Verringerung der Vergütung - vorbehält. Dagegen erfordert auch die Verpflichtung zur transparenten Vertragsgestaltung gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht, dass die Klausel Hinweise auf den Anlass der Ausübung des Weisungsrechts enthält(vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 44 ff., AP BGB § 307 Nr. 26).
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bb) Ergibt die Vertragsauslegung, dass sich der Arbeitgeber mit dem Versetzungsvorbehalt über § 106 GewO hinaus ein Recht zur Vertragsänderung vorbehält, so unterliegt die Regelung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
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(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 angemessen zu berücksichtigen(BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f., AP BGB § 307 Nr. 26; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22).
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Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn sich der Arbeitgeber vorbehält, ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung einseitig die vertraglich vereinbarte Tätigkeit unter Einbeziehung geringerwertiger Tätigkeiten zulasten des Arbeitnehmers ändern zu können (BAG 9. Mai 2006 - 9 AZR 424/05 - Rn. 20 ff., BAGE 118, 184; HWK/Gotthardt 4. Aufl. Anh. §§ 305 - 310 BGB Rn. 26; HWK/Lembke § 106 GewO Rn. 57; Hunold NZA 2007, 19, 21; Küttner/Reinecke Personalbuch 2010 Versetzung Rn. 5; Preis/Genenger NZA 2008, 969, 975; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 32 Rn. 80).
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(2) Handelt es sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36). Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. Blue-pencil-Tests durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (vgl. Senat 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44).
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(3) Führt die Angemessenheitskontrolle zur Unwirksamkeit eines Versetzungsvorbehalts, so richtet sich der Inhalt des Vertrags gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Eine geltungserhaltende Reduktion auf das angemessene Maß findet nicht statt (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 113/09 - Rn. 42, NZA-RR 2010, 457; Senat 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 33, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9). Maßgeblich ist in diesem Fall § 106 GewO. Diese Vorschrift überlässt dem Arbeitgeber das Weisungsrecht aber nur insoweit, als nicht durch den Arbeitsvertrag der Leistungsinhalt festgelegt ist. Ergibt die Auslegung des Vertrags, dass ein bestimmter Leistungsinhalt vereinbart wurde, so ist der Arbeitgeber an diesen gebunden, wenn ein zusätzlich vereinbarter Versetzungsvorbehalt der Angemessenheitskontrolle nicht standhält.
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d) Übt der Arbeitgeber im Einzelfall das Weisungsrecht aus, so unterliegt dies der Kontrolle gem. § 106 GewO. Die Ausübung eines wirksam vereinbarten Versetzungsvorbehalts unterliegt der Kontrolle gem. § 315 BGB. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80).
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3. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft keine hinreichende Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorgenommen. Damit steht nicht fest, ob die Tätigkeit als Bereichsleiter in der Niederlassung Leipzig aufgrund dieser vertraglichen Regelung als abschließende Festlegung des Inhalts der Arbeitspflicht anzusehen ist.
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a) Bei den streitgegenständlichen Regelungen des Arbeitsvertrags dürfte es sich - auch wenn das Landesarbeitsgericht hierzu keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat - um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln. Ggf. findet auch § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB Anwendung. Für die Annahme Allgemeiner Geschäftsbedingungen spricht bereits das äußere Erscheinungsbild (vgl. Senat 6. Mai 2009 - 10 AZR 390/08 - Rn. 20, AP BGB § 307 Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8). Davon gehen offenbar auch die Parteien übereinstimmend aus.
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b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senat 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259).
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Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass die Parteien sowohl den Ort wie den Inhalt der Arbeitsleistung festgelegt haben. Dem Kläger sei die Funktion eines Bereichsleiters der Zweigniederlassung Leipzig übertragen worden, womit notwendigerweise die Vereinbarung des Arbeitsorts Leipzig verbunden gewesen sei.
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Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Begründung lässt nicht erkennen, dass das Landesarbeitsgericht § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags überhaupt ausgelegt hat. Es fehlt schon an einer Auseinandersetzung mit dem Wortlaut der arbeitsvertraglichen Regelung. Dieser ist, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, keineswegs eindeutig. § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags nimmt lediglich auf eine bereits zuvor, nämlich zum 1. Oktober 1993, erfolgte Ernennung des Klägers zum Bereichsleiter der Niederlassung Leipzig Bezug. Ernannt bedeutet, dass jemand für ein Amt bzw. einen Posten bestimmt worden ist. Danach könnte hierunter auch die einseitige Zuweisung einer Position zu verstehen sein. Allerdings wird durch eine Ernennung auch die Position in der Hierarchieebene des jeweiligen Unternehmens (Status) zum Ausdruck gebracht. Für ein derartiges Verständnis könnte sprechen, dass die Vertragsparteien die Ernennung zum Anlass für den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags genommen haben. Zu prüfen wäre in diesem Zusammenhang, welche Bedeutung dem Klammerzusatz „Partner Stufe III“, dem Versetzungsvorbehalt in § 1 Satz 2 und der Regelung in § 7 des Arbeitsvertrags zukommt. Völlig außer Acht gelassen hat das Landesarbeitsgericht die Frage, wie der Vertragstext aus Sicht der an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise (hier: Partner einer bundesweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) typischerweise zu verstehen ist. Ebenso wenig sind Feststellungen zu möglichen Regelungszwecken und erkennbaren Interessenlagen beider Parteien getroffen worden.
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Der Senat sieht sich deshalb gehindert, selbst eine abschließende Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorzunehmen. Diese wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben. Ergibt sich danach, dass durch § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags keine nähere Festlegung des Tätigkeitsinhalts in inhaltlicher und/oder örtlicher Hinsicht erfolgt ist, kommt es auf die Wirksamkeit des Versetzungsvorbehalts(§ 1 Satz 2 Arbeitsvertrag) nicht an. Die streitgegenständliche Maßnahme wäre dann allerdings noch daraufhin zu überprüfen, ob sie billigem Ermessen entspricht. Ergibt die Auslegung des § 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags hingegen, dass die bisher ausgeübte Tätigkeit und/oder der Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind, kommt es auf die Wirksamkeit des in § 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags vereinbarten Versetzungsvorbehalts an. Führt die Prüfung nach den oben genannten Grundsätzen zur Annahme der Unwirksamkeit des Versetzungsvorbehalts, bleibt es bei den vertraglichen Festlegungen.
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III. Ob und ggf. in welchem Umfang ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen des Klägers nach den Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung Reisekosten besteht, hängt im Wesentlichen von der Wirksamkeit der Versetzung ab und kann daher vom Senat ebenfalls nicht abschließend beurteilt werden.
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Allerdings wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass sich auch im Fall der Wirksamkeit der Versetzung ein Anspruch für die ersten sechs Wochen der Versetzung aus dem Schreiben vom 2. Mai 2007 ergeben kann. Da es sich wegen des Einzelfallcharakters um eine nichttypische Erklärung handelt, bleibt deren Auslegung aber zunächst dem Landesarbeitsgericht vorbehalten. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen gem. § 291 BGB erst ab Rechtshängigkeit zu verzinsen ist. Der Zinsanspruch bestünde dabei jeweils ab dem auf die Zustellung folgenden Kalendertag. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung lässt sich die Zeit für die Leistung nicht nach dem Kalender bestimmen (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Gegen eine derartige Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung spricht bereits der Umstand, dass der Anspruch auf die Erstattung von Aufwendungen für eine Dienstreise regelmäßig eine Reisekostenabrechnung des Arbeitnehmers voraussetzt. Eine vor Rechtshängigkeit erfolgte Mahnung iSv. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB ist vom Kläger nicht dargelegt worden.
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Mikosch
W. Reinfelder
Mestwerdt
Alex
Frese
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
Tenor
1.Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 28.11.2012 - 6 Ca 2612/12 - wird zurückgewiesen.
2.Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
3.Die Revision wird für die Beklagte zugelassen, soweit sie zur Zahlung von 4.910,77 Euro brutto (Urlaubsabgeltung 2011) verurteilt worden ist. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
1
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche, Urlaubsabgeltung und die Berechtigung einer Aufrechnung mit einem angeblichen Schadensersatzanspruch.
3Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.01.2009 als Leiter Konstruktion auf der Grundlage des Anstellungsvertrags vom 10.07.2008 beschäftigt. In dem Vertrag hieß es u.a.:
4"§ 1 Anstellung
5a)Der Arbeitnehmer wird mit Wirkung zum 01.01.2009 (oder früher) als Leiter Konstruktion eingestellt. Dienstsitz ist Mönchengladbach.
6b)Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.
7…
8§ 4 Entlohnung
9a) Für die vereinbarte Tätigkeit erhält der Arbeitnehmer ein Bruttogehalt von 5.600 Euro/Monat.
10b) Das Gehalt wird jeweils bis zum 12. Kalendertag des dem Abrechnungsmonat folgenden Monates bargeldlos gezahlt.
11c) Reisekosten werden nach Vorlage der entsprechenden Abrechnung, z.Zt. nach den aktuell vorgegebenen Sätzen der Finanzverwaltung vergütet.
12…
13§ 7 Urlaub
14a) Der Arbeitnehmer erhält unter Berücksichtigung des gesetzlich festgeschriebenen Urlaubsanspruchs einen bezahlten Jahresurlaub von insgesamt 30 Arbeitstagen. Arbeitstage sind die Wochentage von Montag bis Freitag.
15b) Ist der Arbeitnehmer infolge Krankheit, Abwesenheit oder Aussetzens im Kalenderjahr insgesamt länger als 2 Monate arbeitsverhindert, verkürzt sich der Urlaubsanspruch um 1/12 für jeden über 2 Monate hinausgehenden angefangenen Monat.
16c) Der Urlaub ist rechtzeitig, spätestens bis zum Zeitpunkt der allgemeinen Urlaubsplanung mit der Arbeitgeberin abzustimmen. Er soll bis zum 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres angetreten werden und verfällt mit Ablauf des 31.03. des jeweiligen Folgejahres.
17…"
18Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Anstellungsvertrag Bezug genommen.
19Der Kläger fertigte Zeichnungen für die Konstruktion von der Firma X. Ingenieur GmbH bestellter Wärmetauscher (Auftrag X.). Die Leitung des Auftrags X. oblag grundsätzlich dem damaligen Geschäftsführer I.. In den Tätigkeitsbereich des Klägers fiel jedenfalls u.a. auch die Erstellung der vorläufigen Schweißpläne. Der Kläger erstellte eine erste Fertigungszeichnung vom 25.03.2010. Eine zweite Fertigungszeichnung datierte vom 24.08.2010. Die beiden Zeichnungen enthielten einen Genehmigungsvermerk des Geschäftsführers I.. Eine Abzeichnung durch den Geschäftsführer I. war aber nicht erfolgt. Beide Zeichnungen enthielten eine Verschweißung einzelner Bauteile ohne sog. Schweißbadsicherung. Diese ursprüngliche Konstruktion war dem TÜV zur Genehmigung vorgelegt und von diesem genehmigt worden. In der Produktion kam es zunächst zu einem Problem der Passgenauigkeit der Haube und der Seitenwand. Es kam sodann zu einem Gespräch des Klägers mit den zuständigen Produktionsmitarbeitern, wie weiter zu verfahren sei. Es wurden Schweißbadsicherungen vorgesehen, wie sie sich aus der Konstruktionszeichnung as-built vom 26.04.2011 ergaben. Diese enthielt ebenfalls einen Genehmigungsvermerk des Geschäftsführers I.. Eine Abzeichnung durch diesen war nicht erfolgt. Die Wärmetauscher wurden an den Standorten H. und H. der Beklagten produziert und waren für den Einbau in einem Kraftwerk in Tschechien vorgesehen. Mit Schreiben vom 27.05.2011 rügte die X. Ingenieur GmbH verschiedene Mängel. In diesem Schreiben hieß es u.a.:
20"1.
21Die Wärmetauscher weisen in ihrem Inneren Anlauffarben im gesamten Farbspektrum auf, die auf ein fehlerhaftes Formieren zurückzuführen sind.
222.
23Die Schweißnähte (Schweißnaht S6.1 nach Schweißplan RH003-RF-10-G1-SP) zwischen den Seitenblechen und den Hauben sind mangelhaft, da sie nicht dem Stand der Technik bzw. den geltenden DIN / EN Normen sowie der Druckgeräterichtlinie entsprechen.
243.
25Die Kammern der Wärmetauscher, die ohne Schweißbadsicherung geschweißt wurden, weisen Wurzelüberhöhungen auf, die die Zulässigkeitsgrenzen nach EN ISO 5817, B/C überschreiten, auf welche die Druckgeräterichtlinie (AD 2000 HP 5/1) verweist.
264.
27Die Schweißnähte an den Hauben / Kammern (Ober- und Unterseite) weisen Wurzelrückfälle auf, die auf Bindefehler und fehlerhafte Durchschweißung zurück zu führen sind."
28Schließlich erklärte die X. Ingenieur GmbH gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Vertrag und forderte die bereits geleistete Teilzahlung von 232.800,00 Euro zurück. Zur einvernehmlichen Regelung der Angelegenheit schloss die Beklagte mit der X. Ingenieur GmbH unter dem 05.07.2011 eine Vereinbarung über den käuflichen Erwerb der Wärmetauscher im gegebenen Zustand. Anstelle des ursprünglich vereinbarten Kaufpreises von 388.000,00 Euro netto einigte man sich auf einen Kaufpreis von 323.800,00 Euro netto.
29Mit Schreiben vom 28.10.2011 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Änderungskündigung zum 30.04.2012 aus und bot dem Kläger gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis ab dem 01.05.2012 zu einem neugefassten Arbeitsvertrag fortzusetzen, in dem es u.a. hieß:
30"§ 2 Tätigkeit
31(1) Der Arbeitnehmer wird eingestellt als Konstrukteur.
32(2) Der Arbeitsort ist F..
33(3) Die Arbeitgeberin behält sich vor, dem Arbeitnehmer eine andere oder zusätzliche, seiner Vorbildung und den Fähigkeiten entsprechende zumutbare Tätigkeit zu übertragen, wenn dies aus betrieblichen oder in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Gründe geboten erscheint.
34…"
35In dem Schreiben der Änderungskündigung forderte die Beklagte den Kläger gleichzeitig auf, aufgrund des bestehenden Direktionsrechts vom 02.11.2011 an beginnend seine Arbeitsleistung in F. täglich von 08.30 Uhr bis 17:30 Uhr zur Verfügung zu stellen. Diese Änderungskündigung nahm der Kläger weder unter Vorbehalt an, noch erhob er dagegen Kündigungsschutzklage. Der Kläger war vom 02.11.2011 bis zum 13.11.2011 arbeitsunfähig erkrankt. Hierüber verhalten sich zwei im Prozess vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Mit Schreiben vom 04.11.2011 mahnte die Beklagte den Kläger ab, weil er seine Arbeit in F. nicht aufgenommen hatte. Mit einem am 07.01.2011 bei dem Arbeitsgericht Mönchengladbach eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrte der Kläger von der Beklagten die Unterlassung der Aufrechterhaltung der Versetzungsanordnung für die Zeit vom 02.11.2011 bis zum 30.04.2012. Mit Schreiben vom 08.11.2011, zugegangen am 09.11.2011, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nahm der Kläger am 16.11.2011 zurück. Der letzte Urlaubsantrag aus dem Jahr 2011, den der Kläger zur Akte gereicht hat, wies 19 Resttage Urlaub auf. Wegen der vorherigen Urlaubsanträge wird auf die zur Akte gereichten Urlaubsanträge des Jahres 2011 Bezug genommen. Auf den Antrag des Klägers, den er am 17.11.2011 bei dem Arbeitsgericht Mönchengladbach einreichte und welcher der Beklagten am 22.11.2011 zugestellt wurde, wurde rechtskräftig festgestellt, dass die fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat, sondern bis zum 30.04.2012 fortbestand (Arbeitsgericht Mönchengladbach, 19.01.2012 - 3 Ca 3213/11 und Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 28.06.2012 - 15 Sa 186/12). In der Zeit vom 27.01.2012 bis zum 24.02.2012 war der Kläger ebenfalls arbeitsunfähig erkrankt. Hierüber verhalten sich entsprechende zur Akte gereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Für die hier streitige Zeit von November 2011 bis April 2012 zahlte die Beklagte an den Kläger keine Vergütung.
36Der Kläger ist der Ansicht gewesen, die Beklagte schulde ihm noch die Vergütung für die Zeit vom 01.11.2011 bis zum 30.04.2011 in Höhe von insgesamt 33.600,00 Euro brutto. Soweit er arbeitsunfähig war, habe er dies der Beklagten jeweils rechtzeitig unter Übergabe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen angezeigt, wobei die Beklagte aber im November 2011 deren Annahme verweigerte.
37Er hat gemeint, ihm stünde für das Jahr 2011 noch für 19 Tage ein Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 4.910,77 Euro brutto zu. Die 19 Tage Urlaub habe er krankheitsbedingt nicht nehmen können. Jedenfalls wegen des Ausspruchs der fristlosen Kündigung sei der Urlaub nicht verfallen. Er habe in der Zeit von November 2011 bis April 2012 keine Leistungen der Bundesagentur für Arbeit bezogen. Hierzu hat er auf den Änderungsbescheid vom 01.06.2012 verwiesen, den er zur Akte gereicht hat. Er habe keinen Anspruch auf Krankengeld gehabt. Für das Jahr 2012 stünden ihm 8 Tage Urlaub zu, die mit 2.067,70 brutto Euro abzugelten seien.
38Er hat die Ansicht vertreten, die Aufrechnung sei unbegründet, weil der Beklagten der mit der Aufrechnung geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zustehe. Hierzu hat er behauptet, er habe die Vertragsverhandlungen mit der Firma X. Ingenieur GmbH nicht geführt, sondern nur die Pläne für die Konstruktion erstellt. Diese seien ordnungsgemäß gewesen. Konstruktionsfehler habe er nicht gemacht. Bereits die Mängelrüge der Firma X. Ingenieur GmbH belege, dass es sich um Schweißfehler handele. Die Produktionsbegleitung sei aber nicht Bestandteil seines Arbeitsvertrags gewesen. Und eine Produktionsüberwachung sei schon alleine wegen der Entfernung zwischen Mönchengladbach und der Produktionsstätte in H. nicht möglich gewesen. Fertigungsleiter sei Herr I. gewesen, der als Schweißfachingenieur die Schweißarbeiten zu kontrollieren und zu überwachen gehabt habe. Er habe zudem im Vorfeld lediglich die Kalkulationsgrundlagen für das Angebot gegengelesen. Er habe auch keine Genehmigungsvermerke vorgetäuscht. Das von der Beklagten vorgegebene Programm hätte jeweils den Genehmigungsvermerk enthalten, ohne dass es eines Zusatzes durch ihn bedurft habe. Soweit die Konstruktionspläne um die Schweißbadsicherungen ergänzt worden seien, habe es sich lediglich um Arbeitshilfen zur Arbeitserleichterung gehandelt. Weder hätten sie die Tauglichkeit des Werks verändert, noch seien sie genehmigungspflichtig gewesen. Vielmehr hätte der Fertigungsleiter I. die Hauben an die Modulpakete geschweißt, ohne die entsprechenden Anpassungen vorzunehmen. Da die Schweißbadsicherung im Ermessen des Herstellers liege, habe auch keine Informationspflicht gegenüber dem Kunden bestanden.
39Der Kläger hat mit der am 11.09.2012 bei dem Arbeitsgericht eingereichten und der Beklagten am 13.09.2012 zugestellten Klage zuletzt beantragt,
401. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 33.600,00 Euro brutto sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.12.2011 zu zahlen;
412. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für das Jahr 2011 eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 4.910,77 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
423. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für das Jahr 2012 eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.067,70 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
434.i hm ein qualifiziertes Zeugnis auszustellen.
44Die Beklagte hat beantragt,
45die Klage abzuweisen.
46Sie hat gemeint, sie schulde für den hier streitigen Zeitraum keine Vergütung, weil der Kläger seine Arbeitsleistung nicht angeboten habe. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen lägen ihr nicht vor. Zudem seien Lohnersatzleistungen anzurechnen.
47Der Urlaubsanspruch für das Jahr 2011 sei verfallen. Jedenfalls verkürze er sich gemäß § 7b des Anstellungsvertrags aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Für das Jahr 2012 stünde dem Kläger kein Urlaubsabgeltungsanspruch zu, weil er den Urlaub bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe nehmen können. Jedenfalls verkürze er sich gemäß § 7b des Anstellungsvertrags aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Klägers.
48Die Beklagte hat mit einem ihr angeblich zustehenden Schadensersatzanspruch in Höhe von 55.200,00 Euro gegen die hier streitigen Vergütungsansprüche und die Urlaubsabgeltungsansprüche die Aufrechnung erklärt. Dieser Anspruch ergebe sich aufgrund einer Pflichtverletzung des Klägers im Zusammenhang mit dem Auftrag X.. Der Kläger habe vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig gehandelt.
49Er allein habe das Produkt für die Firma X. entwickelt, kalkuliert und die Produktion überwacht. Er habe nicht auf Anweisung des Geschäftsführers I. gehandelt. Er sei verpflichtet gewesen, die beiden ersten Fertigungszeichnungen dem Geschäftsführer I. zur Genehmigung vorzulegen. Die beiden Zeichnungen hätten offensichtlich jeder anzuwendenden und üblichen Regel der Technik widersprochen. Die Zeichnungen hätten z.B. den Schrumpfungsprozess in Folge der Schweißarbeiten und der Wärmeentwicklung nicht berücksichtigt. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass die Teile an unterschiedlichen Standorten produziert wurden. Es hätten Toleranzangaben gefehlt, so dass eine passgenaue Konstruktion der Seitenwände und auch der Hauben nicht möglich gewesen wäre. Dies sei kein Fehler in der Ausführung, sondern in der Konstruktion gewesen. Diese sei so mangelhaft gewesen, dass eine Funktionalität bereits nach den Konstruktionsvorgaben ausgeschlossen gewesen sei. Der Mangel liege gerade nicht in der Produktion.
50Der Kläger habe als Konstrukteur produktionsbegleitend tätig werden müssen, d.h. überwachen und kontrollieren, dass die von ihm vorgegebene Konstruktion im Produktionsablauf umgesetzt wird. Seine Aufgabe sei zwar nicht die Leitung der Produktion/Fertigung, aber deren Überwachung gewesen. Letzteres habe der Kläger nicht durchgeführt. Die Schweißbadsicherungen entsprechend der Zeichnung as-built vom 26.04.2011 hätten in gröbstem Maße jeglicher Regel der Technik und jeglichen Konstruktionsregeln widersprochen. Dies hätte dem Kläger sofort auffallen müssen. Dadurch sei ein offensichtlich vertragswidriges Produkt erstellt worden, zumal der Kläger bei acht für die Firma X. produzierten Wärmetauschern nur bei fünf eine Schweißbadsicherung vorgesehen habe, obwohl er später angegeben habe, alle Wärmetauscher seien mit Schweißbadsicherung gefertigt worden. Die grundlegen Produktionsänderung durch die Schweißbadsicherung hätte der Kläger der Geschäftsführung mitteilen und zudem die geänderte Konstruktion dem TÜV vorlegen müssen.
51Die Wärmetauscher seien genauso wie vom Kläger konstruiert, produziert worden. Die Konstruktionspläne hätten sich auch auf die Art und Weise der Ausführung der Schweißarbeiten bezogen. Der Kläger habe den Mitarbeitern vorgegeben, dass die Schweißnähte genauso auszuführen seien, wie sie dann auch tatsächlich ausgeführt wurden. Gerade die Art und Weise der Verschweißung habe der Kläger vorgegeben. Herr I. sei zwar Schweißingenieur, sei aber nicht für die Abwicklung des Auftrags X. verantwortlich gewesen.
52Die Beseitigung der von der X. Ingenieur GmbH gerügten Mängel hätte eine vollständige Neuherstellung der Wärmetauscher erforderlich gemacht.
53Die Höhe des Schadens ergebe sich aus der Differenz des ursprünglichen Kaufpreises von 388.000,00 Euro netto zu dem mit der X. Ingenieur GmbH letztlich vereinbarten Preis von 323.800,00 Euro netto.
54Da es sich um eine vorsätzliche Schädigung handele, greife kein Pfändungsschutz zu Gunsten des Klägers. Gleichwohl hat die Beklagte in dem Verfahren 15 Sa 186/02 im Schriftsatz vom 15.05.2012 auf Seite 234 sowie mittels vorgelegter Abrechnungen das pfändbare Nettoeinkommen des Klägers für die Monate November 2011 bis April 2012 berechnet. Hierauf wird Bezug genommen. Die Beklagte hat die Aufrechnung zunächst mit dem vollen Nettobetrag und hilfsweise mit dem pfändbaren errechneten Nettoeinkommen erklärt. Sie hat weiter erklärt, dass die Aufrechnung in der Reihenfolge beginnend mit Oktober 2011 und endend mit April 2012 erklärt ist.
55Das Arbeitsgericht hat der Klage abgesehen von einem geringen Ausspruch im Zinstenor vollumfänglich stattgegeben. Gegen das ihr am 07.12.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.12.2012 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.03.2013 - am 07.03.2013 begründet.
56Für das Jahr 2011 stehe dem Kläger kein Urlaubsabgeltungsanspruch zu. Zu Unrecht weiche das Arbeitsgericht von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ab. Eine mögliche Änderung der Rechtsprechung beziehe sich allenfalls auf Sachverhalte nach Ablauf der Kündigungsfrist. Jedenfalls greife zu ihren Gunsten Vertrauensschutz im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung. Das Gericht hätte deshalb von einem fehlenden Verschulden ausgehen müssen.
57Den Urlaubsabgeltungsansprüchen, aber auch den anderen angeblichen Ansprüchen des Klägers könnte der ihr zustehende Schadensersatzanspruch im Wege der Aufrechnung entgegengehalten werden. Die vorsätzliche, strafbare Handlung in Bezug auf den Auftrag X. ergebe sich aus Folgendem: Der Kläger habe die Genehmigungsvermerke vorgetäuscht. Insbesondere die geänderte Zeichnung hätte der Zustimmung des Geschäftsführers und des TÜVs bedurft. Das Gericht erster Instanz bewerte die vorliegenden Mängel im Wesentlichen als Schweißfehler, ohne darzulegen und nachzuweisen, warum es die dafür erforderliche Sachkunde im Behälterbau habe. Es spiele insoweit auch keine Rolle, dass die Wärmetauscher im Kraftwerk eingebaut worden seien. Es habe auch nicht berücksichtigt, dass die Behälter zunächst ohne Schweißbadsicherung verschweißt worden seien. Ohne entsprechende Sachkunde hätte das Gericht nicht zu dem gefundenen Ergebnis kommen dürfen. Richtig sei vielmehr, dass die Konstruktionsvorgaben des Klägers zu den von der X. Ingenieur GmbH gerügten Mängeln geführt hätten. Von einer Funktionsfähigkeit der Wärmetauscher habe das Gericht nicht ausgehen dürfen.
58Für den Tätigkeitsbereich des Klägers verweist die Beklagte auf eine Stellenbeschreibung des Leiters Konstruktion. Der Schweißplan S6.1 zeige die Schweißbadsicherung, die so aber nicht auszuführen sei. Die Übergänge und Toleranzen hätten nicht den Regeln der Technik entsprochen.
59Das Urteil der 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts entfalte keine Rechtskraftwirkung dahingehend, dass überhaupt kein Schadensersatzanspruch bestehe. Die Beklagte hat klargestellt, dass die Aufrechnung betreffend die Urlaubsabgeltung nach den Lohnansprüchen erfolgen und mit dem Jahr 2011 beginnen soll.
60Die Beklagte beantragt,
61unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 28.11.2012 - 6 Ca 2612/12 - die Klage auch im Übrigen insoweit abzuweisen, als dass
621. sie verurteilt wurde, an den Kläger 33.600,00 Euro brutto nebst Zinsen aus jeweils 5.600,00 Euro brutto in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.12.2011, 13.12.2012, 13.02.2012, 13.03.2012, 13.04.2012, 13.05.2012 zu zahlen;
632. sie verurteilt wurde, an den Kläger weitere 4.910,77 Euro brutto sowie 2.067,70 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.09.2012 zu zahlen.
64Der Kläger beantragt,
65die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
66Für die Urlaubsabgeltung 2011 seien die Grundsätze des Annahmeverzugs zu übertragen. Der Vorwurf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung sei abwegig. Die gerügten Mängel seien in der Produktion aufgetreten. Bereits die Mängelrüge zeige eindeutig, dass es sich um Schweißfehler handele. Seine Konstruktion sei ordnungsgemäß gewesen. Für die Auswahl der Schweißer trage die Beklagte die Verantwortung. Die erstmals im Berufungsverfahren genannte Stellenbeschreibung sei ihm unbekannt. Seine Zuständigkeit für die nur vorläufigen Schweißpläne habe bedeutet, dass der zuständige Schweißfachingenieur letztlich bestimmt habe, wie die Ausführung der Schweißpläne zu erfolgen habe. Auch der Schweißplan sei vom TÜV abgenommen worden. Der Schweißplan S6.1 sei umsetzbar gewesen und die Toleranzen seien zutreffend gewesen. Die gerügten Mängel seien vielmehr beim fehlerhaften Schweißen entstanden.
67Die erkennende Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß Beweisbeschluss vom 12.06.2013 und durch Anhörung des Sachverständigen H. Q.. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Sachverständigen angeforderten Unterlagen, das Sachverständigengutachten vom 23.10.2013, die Stellungnahmen der Parteien zu diesem, das Ergänzungsgutachten vom 30.01.2014 sowie die mündliche Anhörung des Sachverständigen ausweislich des Protokolls vom 09.04.2014 Bezug genommen.
68Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen in beiden Instanzen, einschließlich der vom Sachverständigen beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.
69E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
70Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
71A. Streitgegenstände des Berufungsverfahrens sind die Zahlung von 33.600,00 Euro brutto Vergütung, die Urlaubsabgeltung in Höhe von 4.910,77 Euro brutto für das Jahr 2011 und von 2.067,69 Euro brutto für das Jahr 2012 nebst den von Arbeitsgericht zugesprochenen Zinsen. Soweit das Arbeitsgericht dem Kläger für das Jahr 2012 eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.067,70 Euro brutto zugesprochen hatte, ist das Urteil insoweit nach der teilweisen Klagerücknahme in Höhe von einem Cent gemäß § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos, ohne dass es seiner Aufhebung bedarf (vgl. BAG 18.09.2012 - 3 AZR 431/10, NZA-RR 2013, 651 Rn. 66). Soweit das Arbeitsgericht die Beklagte zur Erteilung eines Zeugnisses verurteilt hatte, ist dies von der Beklagten mit der Berufung nicht angegriffen worden.
72B. Mit diesem Streitgegenstand ist die Berufung begründet. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden. Der Kläger kann von der Beklagten für die Monate November 2011 bis April 2012 die Zahlung von insgesamt 33.600,00 Euro brutto Vergütung, für das Jahr 2011 Urlaubsabgeltung in Höhe von 4.910,77 Euro brutto und für das Jahr 2012 Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.067,69 Euro brutto verlangen. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung hat nicht zum Erlöschen dieser Ansprüche geführt. Die Aufrechnung ist betreffend die Urlaubsabgeltung bereits unzulässig und im Hinblick auf den Vergütungsanspruch unbegründet.
73I.Der Kläger kann von der Beklagten für die Monate November 2011 bis April 2012 jeweils die vereinbarte Vergütung in Höhe von monatlich 5.600,00 Euro brutto verlangen. Dies ergibt insgesamt für sechs Monate den Betrag von 33.600,00 Euro brutto. Der Anspruch folgt aus § 2 Abs. 1 EFZG, § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG und aus § 615 Satz 1 BGB i.V.m. § 296 BGB jeweils i.V.m. dem Arbeitsvertrag.
741. Für den 01.11.2011 folgt der Anspruch aus § 2 Abs. 1 EFZG, weil Allerheiligen in Nordrhein-Westfalen ein gesetzlicher Feiertag ist. Für die Zeit vom 02.11.2011 bis zum 13.11.2011 folgt der Anspruch aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG, weil der Kläger in dieser Woche arbeitsunfähig erkrankt war. Nach Vorlage der entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Prozess hat die Beklagte dazu nicht weiter vorgetragen, so dass von einer entsprechenden Arbeitsunfähigkeit auszugehen ist. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG besteht indes nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung sei. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt darf nicht bereits auf Grund anderer Ursachen entfallen (BAG 24.03.2004 - 5 AZR 355/03, AP Nr. 22 zu § 3 EFZG Rn. 27). Dies ist nicht der Fall. Zwar hat die Beklagte ihr Direktionsrecht in der Änderungskündigung dahingehend ausgeübt, dass der Kläger ab dem 02.11.2011 in F. arbeiten sollte. Diese Ausübung des Direktionsrechts war indes nicht nur unbillig, so dass der Kläger an diese vorläufig hätte gebunden sein können (so BAG 22.02.2012 - 5 AZR 249/11, DB 2012, 1628), sondern widersprach bereits der Vereinbarung der Parteien im Anstellungsvertrag. Dieser vertragswidrigen Weisung musste der Kläger nicht Folge leisten, so dass es nicht darauf ankam, ob er tatsächlich gar nicht gewillt war, seine Arbeit in F. zu erbringen. Als Arbeitsort der Parteien war fest Mönchengladbach vereinbart. Dies ergibt die Auslegung der vertraglichen Vereinbarung der Parteien.
75a) Es ist durch Auslegung des Inhalts der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG 25.08.2010 - 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355 Rn. 18). Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrages und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 02.07.2009 - 3 AZR 501/07, AP Nr. 9 zu § 1b BetrAVG Rn. 19; BAG 18.05.2010 - 3 AZR 373/08, NZA 2010, 935 Rn. 36).
76b) Der Dienstsitz in Mönchengladbach war zwischen den Parteien vertraglich fest vereinbart. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut des Arbeitsvertrages. Dieser legt in § 1 a) Satz 2 ausdrücklich fest, dass der Dienstsitz Mönchengladbach ist. Es wird außerdem im Vertrag keine Vereinbarung dazu getroffen, dass der Arbeitgeber auch verpflichtet ist, dauerhaft seine Arbeitsleistung an einem anderen Ort zu erbringen. Richtig ist zwar, dass dies sich aus § 106 Satz 1 GewO ergibt, was ausweislich der Vorschrift allerdings nur gilt, soweit der Arbeitsvertrag nichts anderes festlegt. Letzteres ist der Fall. Die Regelung des Arbeitsvertrags gibt nicht nur deklaratorisch die erste Ausübung des Direktionsrechts im Hinblick auf den Arbeitsort durch die Beklagte wieder. Es wird vielmehr vereinbart, was der Dienstsitz ist. Es wird nicht etwa geregelt, dass der Dienstsitz "derzeit" oder "zur Zeit" Mönchengladbach ist. Dem widerspricht nicht, dass in § 4 c) Reisekosten geregelt sind. An der Tatsache, dass der Dienstsitz Mönchengladbach ist, ändert das nichts. Daraus wird lediglich deutlich, dass auch Reisetätigkeiten zu den Aufgaben des Klägers gehören, nicht aber, dass der Dienstsitz, d.h. der grundsätzliche Arbeitsort, des Klägers durch den Arbeitgeber einseitig geändert werden kann. Diese Auslegung entspricht der Interessenlage der Parteien. Die Beklagte erhielt so die Möglichkeit, den Kläger auch auf Reisetätigkeiten einzusetzen. Für den Kläger, der in N. wohnte, war es hingegen wichtig, bei einem Arbeitgeber, der ausweislich des Arbeitsvertrags in H. seine Anschrift hat, den Dienstsitz grundsätzlich festzulegen. Dies war für die Beklagte aus einem objektiv gewerteten Empfängerhorizont auch erkennbar. Das nachfolgende Parteiverhalten steht dieser Auslegung nicht entgegen. Für das gefundene Auslegungsergebnis spricht vielmehr, dass die Beklagte dem Kläger im Hinblick auf die Schließung ihres Betriebssitzes in Mönchengladbach eine Änderungskündigung zum 30.04.2012 ausgesprochen hat. Der angebotene Arbeitsvertrag enthielt dann ausdrücklich F. als Arbeitsort und anders als der bisherige Arbeitsvertrag - bezogen - auf die Tätigkeit eine Direktionsklausel. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Beklagte den Kläger zugleich aufgrund des angeblich bestehenden Direktionsrechtes aufgefordert hat, seine Arbeit bereits ab dem 02.11.2011 in F. aufzunehmen. Im Hinblick auf die oben dargestellte Vertragsgestaltung konnte dies indes keinen Ausschlag dahingehend geben, dass dieses Direktionsrecht bereits vereinbart war. Die Aufnahme des neuen Arbeitsortes wäre überflüssig gewesen. Bei der Anordnung, ab dem 02.11.2011 die Arbeitsleistung täglich von 08:30 Uhr bis 17:30 Uhr in F. zu erbringen, handelte es sich auch nicht um eine Anweisung zu einer Reisetätigkeit, die vom ursprünglichen Arbeitsvertrag noch gedeckt gewesen wäre. Es handelte sich um die ab dem 02.11.2011 bis zum 30.04.2012 andauernde dauerhafte Änderung des Dienstsitzes, weil die tägliche Arbeit nunmehr dauerhaft in F. erbracht werden sollte, was zudem mit der nachfolgenden Änderungskündigung korrespondierte. Eine solche Weisung war vertragswidrig. Es kann offen bleiben, ob es sich auch bei der Vereinbarung zum Dienstsitz um Allgemeine Geschäftsbedingen handelte. Wendete man den darauf anzuwendenden objektiven Auslegungsmaßstab an (vgl. dazu BAG 25.08.2010 a.a.O. Rn. 19), ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Die Auslegung des Wortlauts des Vertrages ergibt auch insoweit, dass § 1 a Satz 2 des Anstellungsvertrags nicht etwa nur deklaratorisch den derzeitigen Dienstsitz angegeben hätte. Und auch bei Beachtung der objektiven Interessenlage und Verkehrssitte ergibt sich, dass der Dienstsitz vertraglich festgelegt ist, während vorübergehende Reisetätigkeiten dem Kläger zugewiesen werden konnten. Um eine solche handelte es sich - wie ausgeführt - bei der ab dem 02.11.2011 geltenden Weisung aber nicht. Auf das nachfolgende konkrete Parteiverhalten kam es für eine objektive Auslegung nicht an. Dieses widersprach - wie ausgeführt - dem Auslegungsergebnis ohnehin nicht.
77c) Die Beklagte ist im Termin am 12.06.2013 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass viel dafür spricht, dass von einem vertraglich fest vereinbarten Dienstsitz in Mönchengladbach auszugehen ist und nicht von einer nur unbilligen Weisung. Weiteren Sachvortrag hat die Beklagte nachfolgend dazu nicht gehalten.
782.Ab dem 14.11.2011 folgt der Anspruch des Klägers aus § 615 Satz 1 BGB i.V.m. § 296 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag. Mit dem Ausspruch der unberechtigten fristlosen Kündigung am 09.11.2011 war die Beklagte gemäß § 296 BGB in Annahmeverzug geraten. Dem Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung steht ein fehlendes Angebot des Klägers nicht entgegen. Nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Angebots des Arbeitnehmers nicht (BAG 22.02.2012 - 5 AZR 249/11, DB 2012, 1628 Rn. 14). Die Beklagte hat den Kläger nach Ausspruch der Kündigung auch nicht zur Wiederaufnahme der Arbeit aufgefordert. Der Kläger musste seine Arbeitsfähigkeit nach dem Ende der Erkrankung auch nicht anzeigen (vgl. grundlegend BAG 24.04.1994 - 2 AZR 179/94, NZA 1995, 263). Ein den Anspruch auf Annahmeverzug ausschließender fehlender Leistungswille (§ 297 BGB) ist nicht anzunehmen, weil die Weisung, bereits ab dem 02.11.2011 bis zum 30.04.2012 in F. zu arbeiten, vertragswidrig war, sich der Leistungswille des Klägers mithin nicht auf eine Tätigkeit in F. beziehen musste. In der Zeit vom 27.01.2012 bis zum 24.02.2012 folgt der Anspruch aufgrund der durch im Prozess vorgelegter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Klägers belegten Arbeitsunfähigkeit wieder aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG und für die Zeit ab dem 25.02.2012 bis zum 30.04.2012 wieder aus § 615 Satz 1 BGB i.V.m. § 296 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag.
793. Lohnersatzleistungen, welche auf die Vergütung aus Annahmeverzug für die Monate November 2011 bis April 2012 anzurechnen sein könnten, sind nicht gegeben. Bereits das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass angesichts der Krankenzeiten kein Anhaltspunkt für einen Krankengeldbezug besteht. Der Änderungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit weist für die Zeit vom 14.11.2011 bis zum 30.04.2012 einen Leistungsbezug von 0,00 Euro aufgrund gegebenen Arbeitsentgelts und keine Versicherung ab dem 08.11.2011 aus. Auch dies hat bereits das Arbeitsgericht ausgeführt. Weiterer Sachvortrag der Beklagten ist dazu nicht mehr erfolgt.
804. Den Vergütungsansprüchen für die Monate November 2011 bis April 2012 steht die zweistufige Ausschlussfrist, die auf beiden Stufen zwei Monate beträgt, nicht entgegen. Die Beklagte hat sich - zutreffend - hierauf bereits nicht berufen. Zweimonatige Ausschlussfristen sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. dazu ErfK/Preis, 14. Aufl. 2014 §§ 194-218 BGB Rn. 46) gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Hier ist jedenfalls in Bezug auf die Ausschlussfristen von einem Verbrauchervertrag (§ 310 Abs. 3 BGB) auszugehen, zumal die Beklagte auch die nunmehr geänderte Klausel zu den Ausschlussfristen in dem der Änderungskündigung beigefügten Arbeitsvertrag dem Kläger gestellt hat. Im Termin vom 12.06.2013 ist die Beklagte deshalb seitens der Kammer vorsorglich auf die Problematik der zweiwöchigen Ausschlussfristen hingewiesen worden. Weiterer Sachvortrag ist insoweit nicht erfolgt.
815. Für den Zinsanspruch wird auf die zutreffende Begründung des Arbeitsgerichts gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.
82II. Für das Jahr 2011 kann der Kläger von der Beklagten Urlaubsabgeltung in Höhe von 4.910,77 Euro brutto und für das Jahr 2012 Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.067,69 Euro brutto verlangen.
831. Der Urlaubsgeltungsanspruch für das Jahr 2011 folgt aus § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger 19 Arbeitstage Ersatzurlaub für verfallenen Urlaub aus dem Jahr 2011 zu gewähren.
84a) Der Urlaub des Klägers aus dem Jahr 2011 verfiel nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG), wobei der Zeitpunkt des Verfalls hier auf den 31.03.2013 des Folgejahres vertraglich vereinbart war. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Beklagte mit der Urlaubsgewährung für das Jahr 2011 im Verzug. Ohne dass es einer Mahnung bedurfte, trat der Verzug nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB ein. Dies gilt, weil die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien am 09.11.2011 fristlos kündigte. Darin liegt zur Überzeugung der Kammer auch betreffend die Urlaubsgewährung eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung. Dies gilt, obwohl der Kläger die Beklagte bis zum 31.03.2012 - insbesondere nicht in der Kündigungsschutzklage - nicht zur Gewährung des Urlaubs aufgefordert hat. Auf den Einwand der Beklagten im Hinblick auf den Verfall hat der Kläger auch nicht vorgetragen, zu welchem Zeitpunkt sonst er die Urlaubsgewährung verlangt hätte. Gleichwohl geht die Kammer davon aus, dass der Verzug gegeben ist.
85b) Ist der Anspruch auf Leistung gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, weil die Leistung unmöglich ist, bestimmen sich die Rechte des Gläubigers gemäß § 275 Abs. 4 BGB u.a. nach den §§ 280, 283 BGB. § 283 Satz 1 BGB bestimmt, dass der Gläubiger in diesen Fällen unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Gläubiger Ersatz des Schadens verlangen, der dadurch entsteht, dass der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Ungeachtet dessen, dass § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB die Haftung des Schuldners an ein Verschulden knüpft, bestimmt § 287 Satz 2 BGB, dass der Schuldner, der sich im Verzug mit der Leistung befindet, auch für Zufall einzustehen hat, es sei denn, dass der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten wäre. Der Schuldner befindet sich mit der geschuldeten Leistung in Verzug, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers nicht leistet, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Mahnung bedarf es gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (BAG 13.12.2011 - 9 AZR 420/10, juris Rn. 39). An die Annahme, der Schuldner verweigere ernsthaft und endgültig die Erfüllung einer ihm obliegenden Leistung, sind in der Regel strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung liegt vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen. Das ist regelmäßig nur anzunehmen, wenn dieser sich beharrlich weigert, die Leistung zu erbringen. In diesem Fall entbehrt eine Mahnung ihres Sinnes, den Schuldner zu vertragsgerechtem Verhalten anzuhalten (BAG 14.05.2013 - 9 AZR 760/11, DB 2013, 2155 Rn. 12). Dieses ist aufgrund der fristlosen Kündigung vom 09.11.2011 der Fall.
86c) Richtig ist zwar, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bislang alleine in der fristlosen Kündigung keine Erfüllungsverweigerung gesehen hat. Der Arbeitgeber habe nämlich ein Interesse daran, einem Arbeitnehmer auf dessen Wunsch Urlaub zu erteilen, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern (vgl. BAG 14.05.2013 a.a.O. Rn. 13). Allerdings hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg (Urteil vom 09.03.2010 - 7 Sa 220/10, juris Rn. 50 ff.) für den Fall, dass kein Urlaub verlangt wurde, Folgendes ausgeführt: Es bestehe in einem gekündigten Arbeitsverhältnis während der Dauer eines über dessen Bestand geführten Rechtsstreits die gleiche Lage wie bei langandauernder Arbeitsunfähigkeit. Insbesondere - und so sieht dies auch die Kammer - kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer während des Prozesses Urlaub verlangt (LAG Nürnberg 09.03.2010 a.a.O. Rn. 50). Der Arbeitgeber ist bezüglich der Erteilung des Urlaubs Schuldner des Arbeitnehmers. Da sich die Schuldnerstellung unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (§ 7 Absatz 1 BUrlG), besteht sie unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer einen konkreten Urlaubsantrag stellt. Der Arbeitgeber erfüllt seine Verpflichtung dadurch, dass er den Urlaub unter Berücksichtigung der in § 7 Abs. 1 BUrlG niedergelegten Merkmale festlegt. Dabei ist ein dem Arbeitgeber mitgeteilter Urlaubswunsch nicht Voraussetzung des Rechts des Arbeitgebers, die zeitliche Lage des Urlaubs festzulegen. Nach § 7 Absatz 1 Satz 1 BUrlG hat der Arbeitgeber bei der Urlaubserteilung zwar die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Die ohne einen solchen Wunsch des Arbeitnehmers erfolgte zeitliche Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber ist aber rechtswirksam, wenn der Arbeitnehmer auf die Erklärung des Arbeitgebers hin keinen anderweitigen Urlaubswunsch äußert (vgl. BAG 24.03.2009 - 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538 Rn. 23; LAG Nürnberg 09.03.2010 a.a.O. Rn. 51 m.w.N.). Der Arbeitgeber, der sich darauf beruft, das Arbeitsverhältnis sei zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet worden, bestreitet nicht nur eine Verpflichtung, den Arbeitnehmer zu beschäftigen, sondern folgerichtig auch die Verpflichtung, Urlaub zu gewähren. Die darin liegende Weigerung des Arbeitgebers, die ihm obliegende Verpflichtung zu erfüllen, verhindert eine Urlaubsnahme des gekündigten Arbeitnehmers (LAG Nürnberg 09.03.2010 a.a.O. Rn. 52). Dies führt zwar nicht dazu, dass schon kein Verfall eintritt, sondern dazu, dass von einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung auszugehen ist, mithin Verzug eintritt. Dies hat auch das Bundesarbeitsgericht angedeutet. Es hat in der Entscheidung vom 13.12.2011 (a.a.O. Rn. 46) ausgeführt, dass es offen lässt, ob es künftig an der bisherigen Rechtsprechung festhalten wird. Denn der Arbeitgeber gerate durch Ausspruch einer rechtsunwirksamen Kündigung in Annahmeverzug, da er dem Arbeitnehmer bei einer ordentlichen Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist die Arbeitsmöglichkeit entzieht. Es spreche einiges dafür, diese Grundsätze künftig auch für die Kehrseite der Arbeitspflicht, nämlich die Befreiung hiervon durch Urlaubsgewährung anzuwenden (so ausdrücklich BAG 13.12.2011 a.a.O. Rn. 46 a.E). Dies trifft zur Überzeugung der Kammer zu. Darauf, ob der Arbeitnehmer zuvor Urlaub verlangt hat, kommt es nicht an (so wohl BAG 14.05.2013 a.a.O. Rn. 13 f. BAG 06.08.2013 - 9 AZR 956/11, DB 2014, 551 Rn. 18 f.). Es mag sein, dass der Arbeitgeber die Kumulation von Urlaubs- und Annahmeverzugsansprüchen verhindern will. Mit der Kündigung bringt er aber zum Ausdruck, dass er das Arbeitsverhältnis für beendet erachtet, und zwar insgesamt. Dieser Willenserklärung kann nur der einheitliche rechtsgeschäftliche Wille entnommen werden, dass der Arbeitgeber künftig keinerlei Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, die sich aus dessen Fortbestand ergeben, mehr nachkommen will. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis insgesamt, besteht zur Überzeugung der Kammer kein Anhaltspunkt dafür, dass der Arbeitgeber zwar dem Arbeitnehmer die Arbeitsmöglichkeit entzieht, er andererseits aber weiter gewillt ist, dem Arbeitnehmer Urlaub zu gewähren. Bereits ein solcher Urlaubsantrag wäre genauso wie ein Arbeitsangebot reine Förmelei. Diese ist zur Überzeugung der Kammer nicht erst dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber nach fristloser Kündigung und nach einem Urlaubsverlangen sich nicht mehr äußert. Der Urlaubsanspruch lässt sich nur während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses in Gestalt der Freizeit durchführen. Deshalb muss ein Arbeitnehmer sich nicht darum bemühen, nach einer fristlosen Kündigung Urlaub zu erhalten. Die Arbeitgeberin hätte ein solches Verlangen aufgrund der Kündigung abgelehnt (so noch BAG 09.01.1979 - 6 AZR 647/77, DB 1979, 1138 Rn. 8). Es ist auch nicht zu erwarten, dass ein Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer nach einer fristlosen Kündigung, mit welcher die Arbeitspflicht beendet werden soll, eine Freistellungserklärung, mit der er dem Arbeitnehmer die Arbeitspflicht zum Zweck des Urlaubs erlässt (vgl. dazu BAG 24.03.2009 a.a.O. Rn. 23), abgibt. Im Übrigen vereitelt der Arbeitgeber durch eine fristlose Kündigung in Anwendung des Rechtsgedankens des § 162 BGB den tatsächlichen Urlaubsanspruch, so dass auch aus diesem Aspekt eine Urlaubsabgeltung in Betracht kommt (vgl. Neumann/Fenski, BUrlG 10. Aufl. 2011, § 7 Rn. 99).
87d) Vertrauensschutz war der Beklagten entgegen ihrer Ansicht bezogen auf den Urlaub des Jahres 2011 nicht zu gewähren. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war jedenfalls seit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 09.03.2010 (a.a.O.) bereits in Zweifel gezogen worden. Auf einen Fortbestand der bisherigen Rechtsprechung konnte die Beklagte im Urlaubsjahr 2011 und bis zum 31.03.2012 nicht vertrauen. Der Kläger durfte die fristlose Kündigung als Erfüllungsverweigerung verstehen.
882. Der Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2012 folgt aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand im Jahr 2012 bis zum 30.04.2012. Bei 30 Tagen arbeitsvertraglich vereinbarten Urlaubs entstand, wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, gemäß § 5 Abs. 1 Buchstabe c BUrlG ein Urlaubsanspruch von zehn Tagen (30 x 4 : 12). Diesen hatte die Beklagte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten. Die Nichtbeschäftigung aufgrund der unwirksamen fristlosen Kündigung änderte daran nichts. Mit dieser noch im Urlaubsjahr 2012 erhobenen Klage hat der Kläger acht Urlaubstage als Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2012 geltend gemacht.
893. Die Urlaubsabgeltungsansprüche sind nicht gemäß § 11 a, b d BUrlG verfallen. Die jeweils zweimonatige doppelte Ausschlussfrist in § 11 a, b des Arbeitsvertrages ist - wie ausgeführt - unwirksam. § 7b des Arbeitsvertrags führt entgegen der Ansicht der Beklagten aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht zu einer Kürzung für jeden über 12 Monate hinausgehenden angefangenen Monat. Ausweislich der inzwischen unstreitigen Arbeitsunfähigkeitszeiten war der Kläger weder im Jahre 2011 noch im Jahre 2012 länger als zwei Monate arbeitsverhindert. Die Klausel stellt insoweit auf das Kalenderjahr ab. Dem diesbezüglichen Vortrag zu den Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten. Die Abwesenheit in Folge einer unwirksamen fristlosen Kündigung wird man nicht als "Abwesenheit" oder "Aussetzen" im Sinne von § 7b des Arbeitsvertrags ansehen können. Das hat letztlich auch die Beklagte nicht geltend gemacht.
904. Rechnerisch sind die Ansprüche unstreitig. Für das Jahr 2011 ergeben sich 4.910,77 Euro brutto (3 : 65 x 5.600 x 19) und für das Jahr 2012 2.067,69 Euro brutto (3 : 65 x 5.600 x 8). Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
91III. Die Aufrechnung ist betreffend die Urlaubsabgeltung bereits unzulässig und im Hinblick auf den Vergütungsanspruch unbegründet.
921. Der Aufrechnung steht nicht bereits die rechtskräftige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28.06.2012 - 15 Sa 186/12 entgegen. Zwar hat die Beklagte auch in diesem Verfahren mit der hier streitigen Schadensersatzforderung erfolglos gegen den Anspruch auf Vergütung für den Monat Oktober 2011 aufgerechnet. Dies führt aber nicht dazu, dass diese Forderung insgesamt rechtskräftig aberkannt worden ist. Aus § 322 Abs. 2 ZPO ergibt sich, dass die Rechtskraftwirkung sich nur bis zu der Höhe ergibt, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist. Die Beklagte hat bereits mit Vorprozess nicht nur gegen den Vergütungsanspruch für den Monat Oktober 2011, sondern auch gegen die Vergütungsansprüche für die Monate November 2011 bis April 2012 aufgerechnet (Seite 9 des Schriftsatzes vom 26.04.2012). Diese Aufrechnungserklärung ist dahingehend auszulegen, dass jeweils nur mit dem entsprechenden Teil der angeblichen Schadensersatzforderung aufgerechnet werden soll und nicht von vornherein mit der gesamten, möglichen Schadensersatzforderung gegen den Anspruch auf Oktoberlohn. Die Kammer hat die Parteien deshalb im Termin am 12.06.2013 darauf hingewiesen, dass die angebliche Schadensersatzforderung aufgrund des Vorprozesses lediglich in Höhe des vollen Nettobetrags für den Monat Oktober in Höhe von 2.945,27 Euro aufgrund rechtskräftiger Entscheidung nicht mehr besteht. Weiter Vortrag dazu ist von keiner Partei erfolgt.
932. Die Aufrechnung ist im Hinblick auf die Urlaubsabgeltung für die Jahre 2011 und 2012 bereits unzulässig. Im Hinblick auf die Vergütungsansprüche ist sie zulässig.
94a) Die Aufrechnung ist im Hinblick auf die Urlaubsabgeltung für die Jahre 2011 und 2012 bereits unzulässig. Die Beklagte rechnet mit ihrer angeblichen Nettoschadensersatzforderung gegen die Bruttourlaubsabgeltungsansprüche auf. Gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber nicht mit Gegenansprüchen aufrechnen, es sei denn, die Höhe der Abzüge ist bekannt. Aufgerechnet werden kann nur gegen Nettolohnforderungen des Arbeitnehmers. Andernfalls wäre nicht klar, in welcher Höhe das Gericht über die Gegenforderung entschieden hat. Nach § 322 Abs. 2 ZPO ist "die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig". Der Umfang der Rechtskraft darf aber nicht unklar bleiben (BAG 16.03.1994 - 5 AZR 411/92, juris Rn. 43; LAG Mecklenburg-Vorpommern 30.08.2011 - 5 Sa 11/11, juris Rn. 32; LAG Köln 17.12.2012 - 5 Sa 697/12, juris Rn. 27 s.a. BAG 28.08.2001 - 9 AZR 611/99, NZA 2002, 323 Rn. 16). Diesen Anforderungen genügt die Aufrechnung der Beklagten betreffend die Urlaubsabgeltungsansprüche nicht. Anders als zu den Vergütungsansprüchen hat sie die Nettoansprüche nicht berechnet und vorgetragen. Sie ist darauf durch die Kammer im Termin vom 12.06.2013 hingewiesen worden. Weiterer Vortrag ist nicht erfolgt.
95b) Im Hinblick auf die Vergütungsansprüche für die Monate November 2011 bis April 2012 ist die Aufrechnung im Umfang der pfändbaren Nettobeträge zulässig. Sie ist zunächst hinreichend bestimmt. Die Beklagte hat zu den einzelnen Monaten bereits im Verfahren 15 Sa 186/12 Abrechnungen vorgelegt und dadurch den jeweiligen Nettobetrag bestimmt. Soweit dieser den pfändbaren Betrag einschließt, ist die Aufrechnung indes gemäß § 394 Satz 1 BGB unzulässig. § 394 Satz 1 BGB schließt eine Aufrechnung gegen eine Forderung aus, soweit diese nicht der Pfändung unterworfen ist. Bei Arbeitseinkommen bestimmt sich der pfändbare Teil gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO. Zur Sicherung des Existenzminimums des Arbeitnehmers und seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen regelt § 850c Abs. 1 ZPO einen unpfändbaren Grundbetrag. Er ist entsprechend den Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers gestaffelt und nach oben begrenzt. Für den Teil des Arbeitseinkommens, der diesen Grundbetrag übersteigt, greifen die weiteren Pfändungsbeschränkungen des § 850c Abs. 2 ZPO. Die Darlegungslast für die Voraussetzungen der Pfändungsfreiheit liegt beim Arbeitgeber (BAG 17.02.2009 - 9 AZR 676/07, NZA 2010, 99 Rn. 25). Die Beklagte hat im Vorverfahren die pfändbaren Nettobeträge wie folgt berechnet: November 2011 1.905,28 Euro; Dezember 2011 1.950,71 Euro; Januar 2012 1.986,68 Euro; Februar 2012 bis April 2012 jeweils 1.916,68 Euro. Hiergegen hat der Kläger sich nicht gewandt. In dieser Höhe ist die Aufrechnung zulässig. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es dem Kläger nicht gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf den Pfändungsschutz zu berufen. Die Berufung auf das Aufrechnungsverbot des § 394 Satz 1 BGB ist nach dem Grundsatz des Rechtsmissbrauchs dann unzulässig, wenn der Arbeitgeber gegen eine Lohnforderung mit einer Schadensersatzforderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des früheren Arbeitnehmers aufrechnen will (vgl. z.B. BAG 18.03.1997 - 3 AZR 756/95, ZIP 1997, 935 Rn. 26 m.w.N.). Es liegt indes keine vorsätzliche unerlaubte Handlung oder sittenwidrige Schädigung durch den Kläger vor, wie zu A.II.3. auszuführen sein wird. Es liegt nicht einmal eine Pflichtverletzung vor, die zur Arbeitnehmerhaftung führt.
963. Soweit die Aufrechnung gegen die Vergütungsansprüche der Monate November 2011 bis April 2012 zulässig ist, ist sie unbegründet. Der Beklagten steht kein Schadensersatzanspruch gegen den Kläger aus § 280 Abs. 1 BGB aufgrund einer Pflichtverletzung im Zusammenhang mit dem Auftrag X. zu. Dies steht zur Überzeugung der Kammer nach der durchgeführten Beweisaufnahme fest. Dem Kläger fällt keine Pflichtverletzung zur Last, für die er nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung bei betrieblich veranlasster Tätigkeit zu einem Schadensersatz verpflichtet ist.
97a) Sämtliche hier in Rede stehenden Handlungen oder Unterlassungen, welche die Beklagte dem Kläger vorwirft, sind betrieblich veranlasst. Als betrieblich veranlasst gelten solche Tätigkeiten, die arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt (BAG 28.10.2010 - 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345 Rn. 14). Vorliegend geht es um die Tätigkeiten bzw. angebliche Unterlassungen des Klägers im Zusammenhang mit der Herstellung der Wärmetauscher für den Kunden X.. Dabei handelte es sich um betrieblich veranlasste Tätigkeiten, was auch von keiner der Parteien in Abrede gestellt wird.
98b) Das betrieblich veranlasste Handeln der Beklagten ist nach den Grundsätzen über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung zu beurteilen. Nach den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen hat ein Arbeitnehmer vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht. Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen, bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen, jedoch können Haftungserleichterungen, die von einer Abwägung im Einzelfall abhängig sind, in Betracht kommen. Die Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen ist durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen, wobei insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen. Eine möglicherweise vorliegende Gefahrgeneigtheit der Arbeit ist ebenso zu berücksichtigen wie die Schadenshöhe, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko, eine Risikodeckung durch eine Versicherung, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe der Vergütung, die möglicherweise eine Risikoprämie enthalten kann. Auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers und die Umstände des Arbeitsverhältnisses, wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten können zu berücksichtigen sein (BAG 28.10.2010 a.a.O. Rn. 17 f.).
99c) Nach der durchgeführten Beweisaufnahme fehlt es ganz überwiegend schon an einer Pflichtverletzung des Klägers. Jedenfalls liegt keine Handlung oder Unterlassung vor, für welche der Kläger nach den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung einzustehen hätte.
100aa) Nach dem in § 286 ZPO verankerten Grundsatz der freien Beweiswürdigung hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. Angesichts der Unzulänglichkeit der menschlichen Erkenntnismöglichkeiten ist eine jeden Zweifel ausschließende Gewissheit kaum je erreichbar; sie kann daher auch nicht gefordert werden. Es kommt auf die persönliche Überzeugung des entscheidenden Richters an, der sich jedoch in zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen muss. Die Bestimmung des § 286 Abs. 1 ZPO verlangt einen Grad an Überzeugung, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BAG 25.02.1998 - 2 AZR 327/97, juris Rn. 18). § 286 Abs. 1 ZPO gebietet die Berücksichtigung des gesamten Streitstoffes. Zu würdigen sind auch die prozessualen und vorprozessualen Handlungen, Erklärungen und Unterlassungen der Parteien und ihrer Vertreter. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Richter u.U. auch bestrittene Parteibehauptungen mittels Schlussfolgerungen aus anderen unbestrittenen oder bereits festgestellten Tatsachen ohne Beweiserhebung für wahr halten kann, wenn kein zulässiger Beweisantritt vorliegt. Der Richter kann im Einzelfall auch allein aufgrund von Indizien, sogar trotz anderslautender Zeugenaussagen, zu einer bestimmten Überzeugung gelangen (BAG 25.02.1998 a.a.O. Rn. 19).
101bb) Dies zu Grunde gelegt fehlt es ganz überwiegend schon an einer Pflichtverletzung des Klägers. Dies ergibt sich insbesondere aus Folgendem: Die Beklagte legt dem Kläger die Mängel, welche sich aus der Mängelrüge der Firma X. Ingenieur GmbH vom 27.05.2011 ergeben, zur Last. Insbesondere beruhen die Mängel zu 1, 3 und 4, wie sie in der Mängelrüge aufgeführt sind, nämlich Anlauffarben, Wurzelüberhöhungen und Wurzelrückfälle auf handwerklichen Fehlern bei der Durchführung der Schweißarbeiten und nicht auf einer bereits fehlerhaften Konstruktion (Seite 13 des Gutachtens). Die Schweißarbeiten hat der Kläger aber unstreitig nicht ausgeführt. Es wurden für die Einzelteile, Baugruppen- und Zusammenbauzeichnungen eindeutige Toleranzangaben vorgegeben, die jegliche Art von Schrumpfungsprozessen im Zuge der Fertigung berücksichtigten. Es war unerheblich, dass die Produktion an verschiedenen Orten erfolgte (Seite 15 des Gutachtens). Es sei zudem weiter auszuschließen, dass die Konstruktionszeichnungen jeglichen anzuwendenden Regeln der Technik widersprochen hätten (Seite 19 des Gutachtens). Dafür bürge schon die Prüfungen der technischen Unterlagen durch den TÜV Nord. Der Sachverständige stellt erneut fest, dass die Mängel zu den Punkten 1, 3 und 4 der Mängelrüge vom 27.05.2011 durch handwerkliche Fehler bei den Schweißarbeiten verursacht worden sind. Wie schon das Arbeitsgericht ausgeführt hat, ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, aus welchem Grund der Kläger für eine handwerklich fehlerhafte Ausführung der Schweißarbeit einzustehen hat. Es bestehen für die Kammer keine Anhaltspunkte dafür, warum insoweit dem sorgfältigen Gutachten nicht zu folgen sein sollte, das unter umfänglicher Ausschöpfung der Unterlagen erstellt wurde. Es ist auch nicht etwa einseitig erstellt, sondern sieht durchaus kritische Punkte im Zusammenhang mit der Schweißnaht S6.1. Soweit eine Schweißbadsicherung eingesetzt wurde, war auch keine erneute Prüfung durch den TÜV zu veranlassen. Auch dies hat der Sachverständige auf Seite 22 des Gutachtens sorgfältig und überzeugend begründet. Davon abzuweichen besteht kein Anlass. Insbesondere stimmt dieses Ergebnis auch mit dem übrigen Prozessstoff überein, weil die Firma X. Ingenieur GmbH z.B. zum vierten gerügten Mangel ausführt, dass die Wurzelrückfälle auf Bindefehler und fehlerhafte Durchschweißung zurückzuführen sind. Betreffend die gerügten Mängel 1, 2 und 4 ist schon von keiner Pflichtverletzung des Klägers auszugehen und erst recht nicht von einem Verschulden, das zu einer Arbeitnehmerhaftung führt. Die Ausführungen der Beklagten zu dem Gutachten und die Ausführungen des Gutachters im Ergänzungsgutachten führen zu keinem anderen Ergebnis. Die Kammer hat zudem in der mündlichen Verhandlung nochmals dargelegt, dass sie bezüglich der gerügten Mängel 1, 3 und 4 ohne weiteres davon ausgeht, dass es sich um rein handwerkliche Fehler handelt. Weiterer Vortrag der Beklagten ist dazu nicht erfolgt.
102cc) Richtig ist allerdings - und darauf stellte die Beklagte nach dem Gutachten insbesondere ab -, dass ausweislich der Schlussfolgerungen Seite 18 des Gutachtens bei einer Ausnutzung der Geradheitstoleranz von 8 mm, wie in Kapitel 4.1.2 beschrieben, der Zusammenbau der Hauben mit den WT-Bündeln nicht möglich gewesen wäre. Da sich die Hauben aber in der Realität tatsächlich über die WT-Bündel hatten schieben lassen, sei davon auszugehen, dass die aufgetretenen Toleranzen kleiner waren als die zulässigen oder aber die Passgenauigkeit durch Zusatzmaßnahmen bei der Montage erreicht worden ist. Weiter führt das Gutachten auf Seite 20 aus, dass die Konstruktionszeichnung einen Mangel dahingehend aufweist, dass die zu Grunde gelegten Toleranzen nicht geeignet sind, die Passgenauigkeit der Ausführung der Schweißnaht S 6.1 zu gewährleisten. Dies sei nur durch Zusatzmaßnahmen zu gewährleisten gewesen, die nicht in den Konstruktionszeichnungen vermerkt waren.
103Diese Problematik ist auch der Kernpunkt der Nachfragen der Beklagten im Schriftsatz vom 29.11.2013. Unter Berücksichtigung der Ausführungen bereits im Gutachten, dem Ergänzungsgutachten und den Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung ist die Kammer indes der Überzeugung, dass keine Pflichtverletzung des Klägers vorliegt, die unter Berücksichtigung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung zu seiner Verantwortlichkeit führt. Dies ergibt sich insbesondere aus Folgendem. Bereits im Gutachten hat der Sachverständige auf Seite 21 ausgeführt und überzeugend begründet, dass die Schweißnaht S 6.1 mit Schweißbadsicherung regelrecht dokumentiert ist. der Einsatz der Schweißbadsicherung sei regelkonform. Der Einsatz der Schweißbadsicherung habe keinen Einfluss auf die Funktion und Haltbarkeit des Gewerks. Eine erneute Prüfung der Konstruktion der Naht mit Schweißbadsicherung war - wie ausgeführt - nicht erforderlich. Jedenfalls aus dem Ergänzungsgutachten und der Anhörung des Sachverständigen im mündlichen Termin wird klar, dass es sich um keine Pflichtverletzung des Klägers, die zu seiner Haftung führt, handelt. Der Sachverständige führt zunächst auf Seite 4 f. des Ergänzungsgutachtens aus, dass bei vollständiger Ausnutzung der Toleranzen ein Zusammenbau der WT-Bündel mit den Hauben ohne Ergreifen zusätzlicher Maßnahmen nicht möglich sei. Dies sei aber üblich und werde im Regelfall zwischen Konstruktionsbüro und Fertigung abgestimmt. Ergänzend führt der Sachverständige zur Frage 2) auf Seite 5 des Ergänzungsgutachtens aus, dass solche Maßnahmen nach Eingang der Fertigungsunterlagen in der Arbeitsvorbereitung zwischen der Arbeitsvorbereitung und dem Konstruktionsbüro abgestimmt und in den arbeitsbegleitenden Papieren beschrieben würden. Dies verstoße nicht gegen die Regeln der Technik. Weiter seien Nacharbeiten bei Schweißkonstruktionen wie den vorliegenden üblich (Seite 7 oben des Ergänzungsgutachtens). Der Sachverständige nimmt zu dem Einsatz der Schweißbadsicherungen auf sein Gutachten Bezug (Seite 8 des Ergänzungsgutachtens). Schließlich führt der Sachverständige abschließend zu Frage 14) u.a. aus, dass zur Beseitigung der gerügten Mängel eine Änderung der Konstruktionszeichnung nicht erforderlich war und auch von der X. Ingenieur GmbH nicht gefordert wurde (Seite 14 des Ergänzungsgutachtens).
104Es mag sein, dass dem Kläger - wenn überhaupt - vorzuwerfen ist, dass er als Konstrukteur, sich nicht darum gekümmert hat, ob die Arbeitsvorbereitung oder Fertigung bei dem Schweißen die erforderlichen Zusatzmaßnahmen ergriffen hat. Das ergäbe indes allenfalls den Vorwurf einer leichtesten Fahrlässigkeit, der nicht zur Arbeitnehmerhaftung führt. Üblich ist nämlich, dass die Arbeitsvorbereitung oder Fertigung die Arbeitspapiere selbst erstellt und dabei die erforderlichen Maßnahmen feststellt. Im Regelfall werde diese dann selbst aktiv. Anders sei dies bei kleinen mittelständischen Unternehmen. Und schließlich sei das Bindeglied zwischen Fertigung und Konstruktion die Arbeitsvorbereitung. Hierfür spricht im konkreten Fall auch das von der Beklagten auf Anforderung des Sachverständigen zur Akte gereichte Organigramm, was der Sachverständige ebenfalls berücksichtigt hat. Der Kläger ist dort als Leiter der Konstruktion geführt. Danach oblagen dem Kläger auch die Zu-Arbeit Arbeitsvorbereitung - Einzelteilzeichnungen, die Stücklisten, die Festigkeitsberechnungen und der Entwurf der Schweißpläne. Der Fertigung und nicht der Konstruktion oblag dann die Arbeitsvorbereitung als Bindeglied zwischen Konstruktion und Fertigung, die Generierung der Arbeitspapiere, die QM-Sicherung sowie die Schweiß- und Prüfaufsicht. Auf diese Organisation hat die Beklagte für den Kläger auf Seite 1 des Schriftsatzes vom 01.08.2013 Bezug genommen. Legt man dies zu Grunde, so fielen die Aufgaben, die hier in Rede stehen, insbesondere betreffend die richtige Verschweißung insbesondere der Schweißnaht S 6.1, nicht in den Aufgabenbereich des Klägers. Im Hinblick auf das zur Akte gereichte Organigramm, auf das die Beklagte zudem ausdrücklich Bezug genommen hat, war der vorherige Vortrag, wonach der Kläger insoweit insgesamt zuständig sein sollte, nicht nachvollziehbar. Auf die Verteilung der Aufgaben im Organigramm hat die Kammer im mündlichen Termin auch nochmals hingewiesen. Legt man dies zu Grunde, fehlt es schon an jeglicher Pflichtverletzung des Klägers. Selbst wenn man ihn für verpflichtet gehalten haben sollte, angesichts der gezeichneten Toleranzen produktionsbegleitend nachzufragen, ob und wie die entsprechenden Maßnahmen in der Arbeitsvorbereitung durchgeführt wurden, wäre ein solches Unterlassen allenfalls als leichteste Fahrlässigkeit zu bewerten. Dies gilt angesichts des Organigramms und der allgemeinen Üblichkeit der Aufgabe bei der Arbeitsvorbereitung und Fertigung, wenn der Kläger entsprechend dem ursprünglichen Vortrag entgegen dem Organigramm insgesamt für den Auftrag X. einschließlich der produktionsbegleitenden Maßnahmen zuständig gewesen wäre, wofür aber - wie ausgeführt - wenig spricht.
105dd) Auch aus dem übrigen Vortrag der Beklagten ergibt sich keine Pflichtverletzung des Klägers, die zu seiner Haftung führte. Soweit die Zeichnungen Genehmigungsvermerke des Geschäftsführers I. enthielten, obwohl eine solche Genehmigung nicht vorlag, hat die Beklagte schon nicht substantiiert zu dem Vortrag des Klägers erwidert, dass das Zeichnungsprogramm diesen Vermerk automatisch enthielt. Letztlich kam es darauf aber nicht an. Die fehlende Genehmigung würde nämlich keine schadensauslösende Pflichtverletzung begründen. Die Mängel 1, 2 und 4 waren handwerkliche Fehler beim Schweißen. Und auch der Mangel betreffend die Schweißnaht S 6.1. hatte nichts mit der Zeichnung zu tun. Diese war insoweit regelgerecht, als dass in der Arbeitsausführung zusätzliche Maßnahmen erforderlich waren. Letzteres war aber üblich und regelgerecht. Es ist deshalb nicht ersichtlich, aus welchem Grund der Geschäftsführer den Vermerk hätte verweigern sollen. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, wie sich aus der fehlenden Genehmigung bei dieser Sachlage ein Verschulden auch in Bezug auf den Schaden hätte ergeben sollen (vgl. zu dieser Anforderung BAG 15.11.2012 - 8 AZR 705/11, DB 2013, 705 Rn. 20). Insoweit ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grund der Kläger die Schweißbadsicherung der Geschäftsführung hätte mitteilen müssen und dies zu einer Haftung des Klägers hätte führen sollen. Es handelte sich auch nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht um eine grundlegende Produktionsänderung, die zudem dem TÜV hätte vorgelegt werden müssen. Anhaltspunkte für ein Verschulden in Bezug auf den Schaden bestehen erst Recht nicht. Wann und wie der Kläger vorgegeben habe, dass die Schweißnähte so wie sie ausgeführt wurden, auszuführen sind, d.h. z.B. mit Wurzelüberhöhungen hat die Beklagte, worauf bereits das Arbeitsgericht hingewiesen hat, nicht dargelegt. Weiterer konkreter Vortrag ist insoweit in der Berufung nicht erfolgt.
106d) Nach alledem bestehen keine Anhaltspunkte für eine sonstige Haftung des Klägers, insbesondere nicht für eine deliktische Haftung.
1074. Nach alledem bestand auch kein Anlass, von einer Vorgreiflichkeit der Aufrechnung in dem Verfahren bei dem Landgericht Mönchengladbach betreffend den Geschäftsführer I., in welchem die Beklagte ebenfalls mit der hier streitigen Schadensersatzforderung aufrechnete, auszugehen. Die Entscheidung konnte - wie gezeigt - unabhängig davon geschehen.
108C. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
109D. Die Revision hat das Gericht nur betreffend die Urlaubsabgeltung 2011 gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Im Übrigen bestand kein Grund, die Revision zuzulassen.
110RECHTSMITTELBELEHRUNG
111Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
112R E V I S I O N
113eingelegt werden, soweit sie zur Zahlung von 4.910,77 Euro brutto (Urlaubsabgeltung 2011) verurteilt worden ist.
114Im Übrigen ist für die Beklagte und den Kläger gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
115Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
116Bundesarbeitsgericht
117Hugo-Preuß-Platz 1
11899084 Erfurt
119Fax: 0361-2636 2000
120eingelegt werden.
121Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
122Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1231. Rechtsanwälte,
1242. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
1253. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
126In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
127Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
128Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
129* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
130Dr. Gotthardt Weyerstraß Schlingloff
131BERICHTIGUNGSBESCHLUSS
132Die Entscheidungsgründe des Urteils vom 09.04.2014 werden wie nachfolgende berichtigt:
1331. Auf Seite 12 des Urteils muss es in der viertletzten Zeile heißen: "… handelte es sich …" statt "… handelte es ich …".
1342. Auf Seite 14 muss es zu II.1. heißen: "…§ 249 Abs. 1 BGB. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger …" statt "…. § 249 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Kläger …"
1353. Auf Seite 17 muss es zu 3. heißen: "… § 11 a, b des Arbeitsvertrages…" statt "… § 11 a, b BUrlG …"
1364. Auf Seite 24 muss es heißen: "… Organigramm, auf das die Beklagte…" statt "… Organigramm, auf die Beklagte…"
1375. Auf Seite 25 muss es heißen: "…z.B. mit Wurzelüberhöhungen hat die Beklagte, …" statt "…z.B. mit Wurzelüberhöhungen hat der Kläger, …"
138Gründe:
139Es handelt sich um offensichtliche Schreibfehler im Sinne von § 319 Abs. 1 ZPO, die nach Anhörung der Parteien entsprechend dem Tenor zu berichtigen waren. Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
140Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben
141Düsseldorf, den 04.06.2014
142Der Vorsitzende der 12. Kammer
143Dr. Gotthardt
144Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht
(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.
(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.
(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.
(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
Tenor
-
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 7. Dezember 2010 - 13 Sa 344/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.
- 2
-
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Fleischwarenindustrie. Zur Mitte des Jahres 2009 beschäftigte sie etwa 220 Arbeitnehmer. Der 1966 geborene Kläger ist bei ihr seit September 1990 tätig. Er ist ausgebildeter Fleischer und war zuletzt in der „Materialvorbereitung“ eingesetzt. In dieser Abteilung wurden Schinken zerlegt. Gemäß den Vereinbarungen zu Nr. 1 seines Arbeitsvertrags ist er als „Fleischer“ eingestellt und verpflichtet „im Bedarfsfall auch eine andere, ihm zumutbare Arbeit im Betrieb zu übernehmen“. Darüber hinaus finden auf das Arbeitsverhältnis zumindest kraft vertraglicher Bezugnahme die zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) abgeschlossenen „Haus-Tarifverträge“ in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung. Laut Nr. 4 des Arbeitsvertrags wird das Arbeitsentgelt „nach der Lohngruppe I“ des Lohntarifvertrags (LTV) gezahlt.
- 3
-
Im Jahr 2009 entschied die Beklagte, die Abteilung „Materialvorbereitung“ zum 30. Juni 2009 aus Kostengründen zu schließen und künftig die Materialien für die Schinkenproduktion von dritter Seite zuzukaufen. Am 16. Juli 2009 schloss sie mit dem Betriebsrat einen „Interessenausgleich und Sozialplan“ ab. Danach sollten elf der betroffenen Arbeitnehmer ein Angebot zur Weiterbeschäftigung in anderen Bereichen erhalten. Spätestens mit Wirkung zum 1. November 2009 sollten diese Mitarbeiter in die Lohngruppe III LTV „umgruppiert“ und auf dieser Basis vergütet werden. Die Versetzungen/Umgruppierungen sollten durch Änderungskündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats erfolgen. Für die Zeit ab November 2009 bis 31. Dezember 2010 sieht der Sozialplan Ausgleichszahlungen vor.
-
Bereits ab 1. Juli 2009 setzte die Beklagte den Kläger im Bereich „Rohwurst“ ein, wobei sie ihm zunächst Vergütung nach der Lohngruppe I LTV fortzahlte. Mit Schreiben vom 29. Juli 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis - nach vorheriger Anhörung des Betriebsrats und dessen Beteiligung nach § 99 BetrVG - „fristgemäß aus betriebsbedingten Gründen mit Wirkung zum 31.10.2009“, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Zu der gleichzeitig angebotenen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab 1. November 2009 heißt es in dem Schreiben:
-
„…
1.
Sie werden zukünftig im Bereich Rohwurst tätig sein und alle damit im Zusammenhang stehenden Aufgaben verrichten.
2.
In Anbetracht der Zuweisung dieses neuen Tätigkeitsbereichs werden Sie ab dem 01.11.2009 in die Lohngruppe III eingruppiert. Damit erhalten Sie zukünftig ab dem 01.11.2009 einen Bruttostundenlohn in Höhe von 10,42 €/Std.
Wir weisen darauf hin, dass in Anbetracht der Versetzung und Umgruppierung eine Betriebsvereinbarung zur Minderung der wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Mitarbeiter mit dem Betriebsrat am 16.07.2009 geschlossen worden ist. …
…“
-
Die im Kündigungszeitpunkt geltenden Bestimmungen des Lohntarifvertrags vom 26. August 2008 zur Eingruppierung lauten wie folgt:
-
„…
§ 2
Lohngruppenmerkmale und Löhne
…
Lohngruppe I
…
Ausführen von Facharbeitertätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die in einer abgeschlossenen einschlägigen Berufsausbildung erworben wurden und im Betrieb auch tatsächlich ausgeübt werden.
Beispiele:
-
Fleischergesellen und Fachkräfte für Lebensmitteltechnik in Führungsverantwortung
-
Berufskraftfahrertätigkeiten
-
Tätigkeiten als Schlosser/Elektriker/Mechatroniker
Lohngruppe II
…
Ausführen oder Überwachen von Tätigkeiten, die Teilaufgaben eines Facharbeiters entsprechen, nach einer Einarbeitungszeit von 12 Monaten.
Beispiele:
-
…
Lohngruppe III
…
Lohngruppe III a
(bei Neueinstellungen ab dem 01.01.2006)
…
Ausführen von fachbezogenen Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch Einarbeitung, Übung und Erfahrung von in der Regel 6 Monaten erworben werden.
Beispiele:
-
Salzen, Würzen und Pökeln von Fleischteilen sowie Wässern, Aufhängen, Beschneiden
-
Fleischannahme/-kontrolle und Ausbeinen
-
…
-
Tätigkeiten in der Vorbereitung sowie Füllen und Einhängen von Wurst mit einem Stückgewicht von über 2,5 kg in Gestelle
-
…
Lohngruppe IV
…
Lohngruppe IVa
(bei Neueinstellungen ab dem 01.01.2006)
…
Ausführen von fachbezogenen Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine kürzere betriebliche Anlern- und Einarbeitungszeit von in der Regel 3 Monaten erworben werden.
Beispiele:
-
Verpackungs- und Versandarbeiten wie z.B.
-
…
-
Versandwiegen
-
Fülltätigkeiten
Lohngruppe V
-
Schüler
…
-
Immatrikulierte Studenten
…
-
(Länger als einen Monat beschäftigte Studenten werden in Lohngruppe IVa eingruppiert).
§ 3
Grundsätze für die Eingruppierung und Vergütung
Maßgebend für die Ein- und Umgruppierung sind die Lohngruppenmerkmale. Die aufgeführten Tätigkeitsbeispiele dienen der Erläuterung; sie sind kein abschließender Katalog. Sie begründen nur in Verbindung mit den Lohngruppenmerkmalen (Oberbegriffen) einen Anspruch auf entsprechende Eingruppierung.
Soweit die Merkmale einer Lohngruppe eine bestimmte berufliche Ausbildung ansprechen, ein Arbeitnehmer eine solche aber nicht durchlaufen hat, ist er in die Bewertungsgruppe einzugruppieren, die seiner Tätigkeit entspricht. Arbeitnehmer mit einschlägiger abgeschlossener Berufsausbildung werden in die Lohngruppe eins eingruppiert, sofern sie dem Berufsbild entsprechend tätig sind.
…
Entscheidend für die Ein- bzw. Umgruppierung in eine bestimmte Tarifgruppe ist die zeitlich überwiegend ausgeübte Tätigkeit.
…“
- 6
-
Der Kläger hat das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen und - fristgerecht - Änderungsschutzklage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei sozial ungerechtfertigt. Der Einsatz im Bereich „Rohwurst“ rechtfertige die angestrebte Herabgruppierung nicht. Als ausgebildeter Fleischer sei er jedenfalls nach § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV in die Lohngruppe I eingruppiert. Im Übrigen fielen bei der Beklagten noch andere Tätigkeiten an, die nach der Lohngruppe I LTV zu vergüten seien.
-
Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt
-
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 29. Juli 2009 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.
- 8
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, nach Schließung der „Materialvorbereitung“ beschäftige sie keine Arbeitnehmer mehr, die Facharbeitertätigkeiten im Sinne der Lohngruppe I LTV verrichteten. Soweit einzelne Arbeitnehmer weiterhin Vergütung nach dieser Lohngruppe bezögen, handele es sich um Mitarbeiter mit Führungsverantwortung. Bei den im Betrieb verbliebenen Tätigkeiten handele es sich - so ihre Auffassung - um Teilaufgaben aus dem Berufsbild eines Fleischers, die nach Lohngruppe III LTV zu vergüten seien. Das gelte auch dann, wenn die Tätigkeiten von einem ausgebildeten Fleischer verrichtet würden. § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV setze für eine Eingruppierung in die Lohngruppe I LTV eine Tätigkeit voraus, die im Wesentlichen dem Berufsbild eines ausgebildeten Fleischers entspreche. Das treffe auf die dem Kläger angebotene Tätigkeit im Bereich „Rohwurst“ nicht zu.
-
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die Revision ist unbegründet. Die Änderungsschutzklage ist begründet. Die dem Kläger mit der Kündigung vom 29. Juli 2009 angetragene und auf betriebliche Gründe gestützte Änderung der Arbeitsbedingungen ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
- 11
-
I. Die Klage ist nicht deshalb unbegründet, weil die Beklagte die von ihr angestrebten Änderungen, wie sie im Kündigungsschreiben vom 29. Juli 2009 aufgeführt sind, schon durch Ausübung ihres Direktionsrechts hätte herbeiführen können. Zwar könnte in einem solchen Fall eine Änderungsschutzklage, weil diese nach § 4 Satz 2 KSchG notwendigerweise auf die Feststellung der Sozialwidrigkeit unter Vorbehalt akzeptierter „neuer“ Vertragsbedingungen gerichtet ist, trotz der „Überflüssigkeit“ des Änderungsangebots keinen Erfolg haben(1). Die Beklagte konnte aber die von ihr gewünschten Änderungen gegenüber dem Kläger nicht sämtlich im Wege ihres Direktionsrechts durchsetzen (2). Wenn auch eine Versetzung des Klägers aus dem Bereich „Materialvorbereitung“ in den Bereich „Rohwurst“ als solche vom Weisungsrecht gedeckt war, weil die damit verbundene Änderung der Tätigkeit - anders als die Beklagte gemeint hat - nicht zum Verlust des Anspruchs auf eine Vergütung nach Lohngruppe I LTV führte (2a), so hat sich die Beklagte doch nicht - und zwar schon in Nr. 1 ihres Änderungsangebots vom 29. Juli 2009 nicht - darauf beschränkt, nur solche Vertragsbedingungen anzubieten, die ohnehin für das Arbeitsverhältnis galten. Sie hat dem Kläger vielmehr die vertragliche Begrenzung seiner bisher weit gefassten Tätigkeit als „Fleischer“ auf den deutlich engeren Tätigkeitsbereich zu verrichtender Aufgaben „im Bereich Rohwurst“ und damit auf einen bloßen Ausschnitt aus seinem bisher vertraglich geschuldeten Tätigkeitsfeld angesonnen. Ob das Änderungsangebot auch wegen der angestrebten „Herabgruppierung“ nicht „überflüssig“ war, kann dahinstehen (2b).
- 12
-
1. Die Begründetheit einer Änderungsschutzklage iSv. § 4 Satz 2 KSchG setzt voraus, dass in dem Zeitpunkt, zu welchem die Änderungskündigung wirksam wird, das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin zu den Bedingungen besteht, die dem Arbeitnehmer mit der Kündigung angetragen wurden(BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 12; 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 14, EzA KSchG § 2 Nr. 83; 26. August 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 139 = EzA KSchG § 2 Nr. 72). Zielt eine Änderungskündigung ausschließlich auf die Herbeiführung von Arbeitsbedingungen, die ohnehin - sei es normativ, sei es auf vertraglicher Grundlage - für das Arbeitsverhältnis gelten, ist die Kündigung wegen der mit ihr einhergehenden Bestandsgefährdung zwar unverhältnismäßig. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist aber nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitsbedingungen. Die Feststellung, dass die dem Arbeitnehmer mit der Änderungskündigung angetragenen neuen Arbeitsbedingungen nicht gelten, kann das Gericht nicht treffen, wenn sich das Arbeitsverhältnis bei Kündigungsausspruch bereits nach den fraglichen Bedingungen richtet (vgl. BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14; 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - aaO).
- 13
-
2. Ein in diesem Sinne „überflüssiges“ Änderungsangebot liegt nicht vor.
- 14
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a) Allerdings war die Beklagte nach Maßgabe des vereinbarten Tätigkeitsbereichs „Fleischer“ grundsätzlich berechtigt, den Kläger per Direktionsrecht (§ 106 Satz 1 GewO)aus dem Bereich „Materialvorbereitung“ in den Bereich „Rohwurst“ - wie bereits im Juli 2009 geschehen - zu „versetzen“.
- 15
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aa) Das Tätigkeitsbild des „Fleischers“ umfasst gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 13 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Fleischer in der einschlägigen Fassung vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 898) die „Herstellung von Rohwurst“. Dazu zählt die dem Kläger im Zusammenhang mit der Änderungskündigung angetragene Tätigkeit.
- 16
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bb) Zu Unrecht meint die Beklagte, diese Tätigkeit sei der vertraglich vereinbarten Arbeitsaufgabe deshalb nicht gleichwertig, weil sie nur einen - vermeintlich unwesentlichen - Teilbereich aus dem Spektrum des Fleischerberufs abdecke. Die Gleichwertigkeit als typische Voraussetzung für die Übertragung einer anderweitigen „zumutbaren“ Arbeitsaufgabe mittels Direktionsrechts orientiert sich bei Anwendung eines tariflichen Vergütungssystems regelmäßig an diesem System (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 322/10 - Rn. 16, 25, EzA GewO § 106 Nr. 8; 30. August 1995 - 1 AZR 47/95 - zu II 2 b der Gründe, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 44 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 14; KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 62). Davon geht im Übrigen die Beklagte selbst aus. Auch sie versteht die bisherigen vertraglichen Festlegungen durchgängig so, dass sie eine Beschäftigung mit solchen im Betrieb anfallenden „Fleischertätigkeiten“ ermöglichten, die nach der Lohngruppe I LTV zu vergüten sind. Sie hat lediglich die Auffassung vertreten, diese Voraussetzung sei mit Blick auf die Arbeitsplätze, die nach Schließung der „Materialvorbereitung“ für eine Weiterbeschäftigung infrage gekommen seien, insbesondere die dem Kläger angetragene Beschäftigung im Bereich „Rohwurst“, nicht erfüllt. Zumindest Letzteres trifft bei richtiger Auslegung des einschlägigen Lohntarifvertrags vom 26. August 2008 nicht zu.
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(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (zu den Kriterien vgl. BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 40, BAGE 124, 240; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - zu I 1 b aa der Gründe, BAGE 111, 204) und ist - wie auch die Auslegung von Gesetzen selbst - in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (vgl. BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 549/09 - Rn. 28, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 139).
- 18
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(2) Danach sind Arbeitnehmer, die eine Berufsausbildung als Fleischer erfolgreich abgeschlossen haben, bereits dann in die Lohngruppe I LTV eingruppiert, wenn sie eine dem Berufsbild des Fleischers zugehörige Teiltätigkeit verrichten. Das gilt unabhängig davon, ob die Tätigkeit, wenn sie von einem Arbeitnehmer ohne abgeschlossene Berufsausbildung durchgeführt wird, nach einer der Lohngruppen II bis IV LTV zu vergüten wäre. Die Tarifvertragsparteien veranschlagen - wie § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV verdeutlicht - die fachliche Qualifikation eines Arbeitnehmers stets höher, auch wenn er nur Teilaufgaben aus dem Berufsbild des Fleischers verrichtet.
- 19
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(a) Sind einem allgemein gefassten Tätigkeitsmerkmal einer Lohngruppe konkrete Richt-, Regel- oder Tätigkeitsbeispiele beigefügt, ist das Tätigkeitsmerkmal regelmäßig dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt (BAG 21. April 2010 - 4 AZR 735/08 - Rn. 20; 20. Mai 2009 - 4 ABR 99/08 - Rn. 30 mwN, BAGE 131, 36). Dies folgt zum einen aus den Grundsätzen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, denen die Tarifvertragsparteien bei Abfassung von Tarifnormen gerecht werden wollen. Zum anderen beruht dies auf dem Umstand, dass die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse häufig vorkommende und typische Aufgaben und Funktionen einer bestimmten Lohngruppe fest zuordnen können. Ob es sich dabei um eine den allgemeinen Merkmalen entsprechende Tätigkeit handelt, braucht in einem solchen Fall regelmäßig nicht mehr geprüft zu werden (BAG 21. April 2010 - 4 AZR 735/08 - Rn. 20; 10. März 1999 - 4 AZR 246/98 - zu 3 b der Gründe). Etwas anderes kann gelten, wenn sich aus dem Wortlaut oder dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt, dass die von den Tarifvertragsparteien genannten Beispielstätigkeiten nur der Erläuterung des abstrakten Tätigkeitsmerkmals dienen, allein aber nicht ausreichen sollen, dessen Anforderungen zu genügen (BAG 18. April 2007 - 4 AZR 77/06 - Rn. 17).
- 20
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(b) Hiervon ausgehend spricht einiges dafür, dass der Kläger schon wegen des dort aufgeführten Richtbeispiels „Fleischergeselle“ in die Lohngruppe I LTV eingruppiert ist. Dem steht § 3 Abs. 1 Satz 2 LTV nicht entgegen. Danach dienen die aufgeführten Tätigkeitsbeispiele der Erläuterung, stellen keinen abschließenden Katalog dar und begründen nur in Verbindung mit den Lohngruppenmerkmalen (Oberbegriffen) einen Anspruch auf eine entsprechende Eingruppierung. Mit diesen Formulierungen kommt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Tätigkeitsbeispiele bei der Eingruppierung nicht selbständig anwendbar sein sollen, sondern stets noch eine umfassende Prüfung der abstrakten Lohngruppenmerkmale vorgenommen werden müsse. Zur Erfüllung des Richtbeispiels muss ein Fleischergeselle auch keine „Führungsverantwortung“ haben. Dies ergibt sich weder aus dem Beispiel selbst noch aus den allgemeinen Merkmalen der Lohngruppe I LTV.
- 21
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(c) Die Eingruppierung des Klägers in die Lohngruppe I LTV ergibt sich in jedem Fall aus § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV. Der Wortlaut der Bestimmung, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 358/10 - Rn. 15, NZA 2011, 1358; 6. Dezember 2006 - 4 AZR 659/05 - BAGE 120, 269), sieht eine Eingruppierung von Arbeitnehmern mit einschlägiger abgeschlossener Berufsausbildung in die Lohngruppe I LTV vor, sofern sie dem Berufsbild entsprechend tätig sind. Die Tarifregelung setzt somit für die Eingruppierung eines Arbeitnehmers mit Berufsabschluss in diese Lohngruppe lediglich voraus, dass er „dem Berufsbild entsprechend tätig“ ist, ohne zusätzliche Anforderungen an die Schwierigkeit oder den Umfang der fraglichen Aufgaben zu stellen. Sie erfasst damit auch Teiltätigkeiten, sofern sie dem Ausbildungsberuf zuzurechnen sind. Lediglich fachfremde Arbeiten oder bloße Hilfstätigkeiten, die bei jeder beruflichen Tätigkeit anfallen und deshalb für diese nicht charakterisierend sind - etwa Reinigungs- oder vergleichbare Begleittätigkeiten - fallen nach dem Sprachgebrauch des Tarifvertrags aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift heraus.
- 22
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§ 3 Abs. 2 Satz 2 LTV macht auf diese Weise deutlich, dass es bei nachgewiesener Qualifikation für eine Einreihung in die Lohngruppe I LTV nicht noch zusätzlich auf eine bestimmte Qualität der „dem Berufsbild entsprechenden“ Tätigkeiten ankommt. Wollte man die Tarifregelung anders verstehen und - wie die Beklagte - zusätzlich verlangen, dass die fraglichen Aufgaben in ihrer Breite das „klassische Berufsbild“ abdecken und sich etwa durch das Merkmal der „Wesentlichkeit“ von den in den Lohngruppen II bis IV erfassten Teilaufgaben eines Facharbeiters unterscheiden, verbliebe für § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV kein eigenständiger Anwendungsbereich. Die Regelung liefe weitgehend leer.
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(d) Dem steht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht entgegen, derzufolge im Regelfall eine Tätigkeit, die dem Beispiel einer niedrigeren Lohngruppe entspricht, nicht unter die abstrakten Tätigkeitsmerkmale einer höheren Lohngruppe subsumiert werden kann (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 903/08 - Rn. 32, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 46; 25. September 1991 - 4 AZR 87/91 - zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 7 = EzA TVG § 4 Großhandel Nr. 2). Sie ist schon wegen des Ausnahmecharakters der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV auf den Streitfall nicht übertragbar. Ebenso wenig besteht ein Widerspruch zur Auslegung einer Eingruppierungsregelung im Einzelhandel, die Gegenstand der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. September 2008 (- 4 ABR 83/07 - Rn. 15 ff., AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 94)war. In die dortige Lohngruppe III LTV waren eingruppiert „Arbeitskräfte, die ihre Abschlussprüfung bestanden haben und in ihrem erlernten Beruf beschäftigt sind“. Soweit die Beklagte aus dieser Formulierung für die Auslegung von § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV abgeleitet hat, die Tätigkeit müsse „im Wesentlichen“ dem Berufsbild entsprechen und das Gepräge derjenigen einer Fachkraft haben, fehlt es schon nach dem Wortlaut an einer Vergleichbarkeit der Tarifbestimmungen. Überdies stehen beide Eingruppierungsregelungen in einem unterschiedlichen Gesamtzusammenhang. Die darin zum Ausdruck kommenden unterschiedlichen Bewertungen der Bedeutung einer abgeschlossenen Berufsausbildung durch die Tarifvertragsparteien sind zu respektieren. Sie könnten selbst bei größerer Übereinstimmung in der Formulierung der Eingruppierungsvoraussetzungen zu verschiedenen Ergebnissen führen.
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(e) Das Auslegungsergebnis wird durch die Tarifgeschichte gestützt.
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(aa) Der Lohntarifvertrag vom 5. Juli 2006 ist, was die Eingruppierungsregelungen anbelangt, gleichlautend mit dem hier einschlägigen. Die beiden Vorgängertarifverträge vom 19. April 2005 und 16. Dezember 2003 (LTV-Alt), stimmen in den allgemeinen Eingruppierungsmerkmalen der Lohngruppe 1 LTV-Alt mit § 2 LTV vom 26. August 2008 überein. In die Lohngruppe 2 LTV-Alt waren „angelernte ArbeitnehmerInnen“ eingruppiert, soweit diese nach einer Einarbeitungszeit von 12 Monaten Teilaufgaben eines/r Facharbeiters/in ausführten. In die Lohngruppen 3 und 4 LTV-Alt waren „ungelernte ArbeitnehmerInnen“ eingruppiert, je nachdem ob sie „mit schweren Arbeiten“ oder „mit leichten Arbeiten“ betraut waren. Eine der Bestimmung des § 3 LTV vom 26. August 2008 vergleichbare Regelung enthielten die LTV-Alt nicht. Stattdessen hatten die Tarifvertragsparteien unter § 3 LTV-Alt eine Besitzstandsregelung getroffen, nach der „bisher gezahlte höhere Löhne und Leistungszulagen“ unberührt blieben. Die zeitlich weiter zurückliegenden Lohntarifverträge vom 5. November 2002, vom 29. August 2001 und vom 20. Mai 1992 nennen in der Lohngruppe 1 keine allgemeinen Eingruppierungsmerkmale, sondern führen ausschließlich Berufsgruppen wie folgt an: „Gesellen, Handwerker und Kraftfahrer“. Hinsichtlich einer Eingruppierung in die Lohngruppen 2 bis 4 wurde - wie in den Tarifverträgen vom 19. April 2005 und 16. Dezember 2003 - nach „angelernten“ und „ungelernten“ Arbeitnehmern unterschieden.
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(bb) Diese Entwicklung zeigt, dass die Tarifvertragsparteien seit jeher die fachliche Qualifikation der Arbeitnehmer in Form einer abgeschlossenen Berufsausbildung als gewichtigen Grund für eine Eingruppierung in die höchste Lohngruppe angesehen haben. Soweit sie diese Voraussetzung ab dem Jahr 2003 um einen Tätigkeitsbezug ergänzt haben, sollte dies für Arbeitnehmer mit abgeschlossener Berufsausbildung erkennbar nicht zu einer grundlegend anderen Bewertung führen. Dafür spricht die Beibehaltung der Unterscheidung zwischen „angelernten“ und „ungelernten“ Arbeitnehmern im Übrigen. Mit dem Tarifvertrag vom 5. Juli 2006 wurden zwar die allgemeinen Eingruppierungsmerkmale der Lohngruppen II bis IV differenzierter ausgestaltet und auch diese um tätigkeitsbezogene Kriterien ergänzt. Zugleich haben die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV aber deutlich gemacht, dass sie an der Qualifikation als Differenzierungskriterium - mit gewissen Einschränkungen - festhalten. Dies kann bei objektiver Betrachtung nur so verstanden werden, dass sie ein „Abrutschen“ von Arbeitnehmern mit abgeschlossener Berufsausbildung in eine niedrigere Vergütungsgruppe jedenfalls dann ausschließen wollten, wenn diese nicht „fachfremd“, sondern mit Aufgaben beschäftigt sind, die Gegenstand der Berufsausbildung sind.
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(f) Die von der Beklagten vorgelegte - anderslautende - „Tarifauskunft“ des Verbands der Ernährungswirtschaft e.V. Niedersachsen/Bremen/Sachsen-Anhalt vom 17. September 2010 ist unbeachtlich (vgl. BAG 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 32, BAGE 124, 110; zur Problematik ferner Creutzfeldt in FS Düwell 2011 S. 293 ff.) und vermag das Ergebnis nicht in Frage zu stellen. Zum einen ist der Verband nicht Partei des im Streitfall einschlägigen Tarifvertrags und war nach eigenem Bekunden nicht in die Tarifverhandlungen eingebunden. Er ist also ohnehin kein „authentischer Interpret“. Zum anderen hat der in der Auskunft bekundete Wille der Beklagten, Tätigkeiten, die dem Berufsbild des Fleischers zwar entsprechen, aber als Tätigkeitsbeispiele bei den Lohngruppen II und III LTV aufgeführt sind, aus dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 2 LTV auszuklammern, in den Tarifnormen keinen genügenden Niederschlag gefunden. Dieser Wille kann deshalb bei der Auslegung keine Berücksichtigung finden (vgl. dazu BAG 30. Januar 2002 - 10 AZR 441/01 - zu II 1 a der Gründe, NZA 2002, 815).
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(3) Nach allem sind ausgebildete Fleischer, die im Bereich „Rohwurst“ mit den dem Kläger zugewiesenen Tätigkeiten beschäftigt werden, in die Lohngruppe I LTV eingruppiert. Darauf, ob die Arbeitsaufgabe - wie von der Beklagten geltend gemacht - dem der Lohngruppe III zugeordneten Beispiel „Tätigkeiten in der Vorbereitung sowie Füllen und Einhängen von Wurst mit einem Stückgewicht von über 2,5 kg in Gestelle“ entspricht, kommt es nicht an.
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b) Obwohl es demnach keiner Änderung bestehender Vertragsregelungen bedurfte, um den Kläger, ggf. auch längerfristig, im Bereich „Rohwurst“ einzusetzen, liegt kein „überflüssiges“ Änderungsangebot vor. Die Erklärungen im Schreiben der Beklagten vom 29. Juli 2009 zielen nicht nur auf die Zuweisung einer anderen Arbeitsaufgabe im Rahmen der durch die bisherigen Vertragsregelungen eröffneten - weiten - Einsatzmöglichkeit in verschiedenen Arbeitsbereichen des Betriebs. Mit der in Nr. 1 des Änderungsangebots enthaltenen Regelung wollte die Beklagte vielmehr eine dauerhafte Begrenzung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des Klägers auf den - deutlich engeren - Tätigkeitsbereich „Rohwurst“ erreichen. Schon dies geht - ohne dass es noch auf die gemäß Nr. 2 vorgesehene „Herabgruppierung“ ankäme - über das hinaus, was ein Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts einseitig durchzusetzen in der Lage ist.
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aa) Das Landesarbeitsgericht hat das mit der Änderungskündigung unterbreitete Änderungsangebot insoweit nicht ausgelegt. Der Senat kann die Auslegung - auch wenn es sich insgesamt um atypische Erklärungen handeln sollte - selbst vornehmen, weil der Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (vgl. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24 mwN, BAGE 135, 255).
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bb) Gemäß Nr. 1 des Änderungsangebots sollte der Kläger „zukünftig im Bereich Rohwurst tätig sein“ und „alle damit im Zusammenhang stehenden Aufgaben verrichten“. Dem musste er als verständiger Erklärungsempfänger entnehmen, dass mit der Annahme des Angebots eine entsprechende Festlegung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit verbunden sein sollte. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass unter Nr. 2 des Änderungsangebots ausdrücklich von einem „neuen“ Tätigkeitsbereich die Rede ist.
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cc) Diesem Verständnis des Änderungsangebots steht der zuvor vereinbarte, im ursprünglichen Arbeitsvertrag der Parteien enthaltene Versetzungsvorbehalt nicht entgegen. Das dem Kläger unterbreitete Angebot lässt nicht erkennen, dass diese Regelung weiterhin Gültigkeit haben sollte. Das Angebot beschreibt den künftigen Einsatzbereich abschließend. Außerhalb der Kündigungserklärung liegende Umstände, die auf einen gegenteiligen Willen der Beklagten schließen ließen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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II. Die dem Kläger mit der Änderungskündigung angetragene, einseitig nicht durchsetzbare Beschränkung des vertraglichen Aufgabenbereichs, ist sozialwidrig iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
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1. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG es bedingen und ob der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, solche Vertragsänderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss(st. Rspr., BAG 12. Oktober 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA KSchG § 2 Nr. 79; 9. September 2010 - 2 AZR 936/08 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 149, jeweils mwN). Im Rahmen des § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob ein Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und ihm bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die am wenigsten beeinträchtigende Änderung angeboten wurde. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als es zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 51 ff. mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 57). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat (BAG 26. November 2009 - 2 AZR 658/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 144 = EzA KSchG § 2 Nr. 76; 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141).
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2. Die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG greift im Streitfall nicht ein. Die Vorschrift ist zwar auf Änderungskündigungen anwendbar (BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 304/06 - Rn. 18 ff., BAGE 123, 160). Die Beklagte hat sich aber weder auf sie berufen, noch bietet der festgestellte Sachverhalt hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG vorliegen. Fest steht auf der Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens nur, dass am 16. Juli 2009 ein Interessenausgleich/Sozialplan geschlossen wurde. Soweit darin auf eine Liste mit den Namen der für eine Änderungskündigung vorgesehenen Arbeitnehmer Bezug genommen wird, ist nicht erkennbar, ob und wann eine solche Liste erstellt wurde und ob sie mit dem Interessenausgleich eine einheitliche Urkunde bildet (zu dieser Voraussetzung BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22; 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 21). Soweit die Beklagte eine - weder von ihr selbst, noch vom Betriebsrat unterzeichnete - „Personalliste“ zur Gerichtsakte gereicht hat, in der die von einer Änderungskündigung betroffenen Arbeitnehmer namentlich aufgeführt sind, handelt es sich ihren eigenen Ausführungen zufolge um die „Anlage 1“ zur Anhörung des Betriebsrats. Anhaltspunkte dafür, dass diese oder eine gleichlautende Liste dem Interessenausgleich beigefügt und mit ihm im Kündigungszeitpunkt fest verbunden gewesen wäre, liegen nicht vor. Ob die übrigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG erfüllt sind, kann offenbleiben.
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3. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass ihre Organisationsentscheidung, die Schinkenzerlegung einzustellen und die Abteilung „Materialvorbereitung“ zu schließen, auf Dauer angelegt war. Weiter kann unterstellt werden, dass jedenfalls nach Ablauf der im Schreiben vom 29. Juli 2009 mitgeteilten Kündigungsfrist im Betrieb - abgesehen von den Arbeitsplätzen nicht vergleichbarer Führungskräfte - keine Tätigkeiten mehr verrichtet wurden, die iSv. § 2, § 3 Abs. 1 LTV die allgemeinen Eingruppierungsmerkmale der Lohngruppe I erfüllten. Dies berechtigte die Beklagte aber nicht, den bisher weit gefassten vertraglichen Aufgabenbereich des Klägers dauerhaft auf eine Beschäftigung im Bereich „Rohwurst“ zu begrenzen. Fallen aufgrund unternehmerischer Entscheidung bisher vom Arbeitnehmer verrichtete Arbeitsaufgaben ganz oder teilweise weg, liegt kein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung von Vertragsbedingungen iSv. § 2 Satz 1 KSchG vor, solange der Arbeitnehmer auf der bestehenden Vertragsgrundlage vollschichtig mit Aufgaben beschäftigt werden kann, die ihm in den durch § 106 Satz 1 GewO vorgegebenen Grenzen einseitig übertragen werden können. Das gilt schon deshalb, weil der Arbeitnehmer sonst Gefahr liefe, sich im Fall einer erneuten, im Kündigungszeitpunkt nicht absehbaren Veränderung des betrieblichen Leistungsspektrums bei der Sozialauswahl uU nicht mehr auf solche Tätigkeiten berufen zu können, die vormals unzweifelhaft zu seinem Aufgabengebiet zählten. Ein dringendes betriebliches Erfordernis, die vertraglich geschuldete Tätigkeit auf die noch im Betrieb anfallenden Arbeiten zu begrenzen, ist nicht erkennbar.
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4. Fehlt es damit schon an der sozialen Rechtfertigung der angebotenen Tätigkeitsänderung, kommt es nicht mehr darauf an, ob der gemäß Nr. 2 des Änderungsangebots in Aussicht gestellten Absenkung der Vergütung auf die Lohngruppe III LTV konstitutive, dh. rechtsgeschäftliche Bedeutung zukommen sollte - was bei normativer Bindung des Klägers tarifwidrig wäre - oder ob es sich lediglich um eine deklaratorische (Wissens-)Erklärung der Beklagten handelte. Insbesondere kann offenbleiben, welche rechtlichen Konsequenzen es hat, wenn ein Arbeitgeber, der mit der Änderungskündigung in erster Linie eine Änderung der Tätigkeit anstrebt, sich bei Bindung an ein tarifliches Vergütungssystem über die tarifliche Eingruppierung der neuen Tätigkeit irrt und deshalb im Änderungsangebot eine unzutreffende Vergütungsgruppe anführt.
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III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
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Kreft
Eylert
Berger
A. Claes
Kreft
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.