Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Beschluss, 25. Sept. 2013 - 2 V 102/13

ECLI:ECLI:DE:FGSH:2013:0925.2V102.13.0A
bei uns veröffentlicht am25.09.2013

Tenor

Die Vollziehung des mit Bescheid vom 26. Februar 2013 festgesetzten Verzögerungsgeldes in Höhe von 2.500 € wird ausgesetzt und insoweit aufgehoben, als es durch Aufrechnung in Höhe von 1.048,93 € vollzogen ist.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Eilverfahrens über die Rechtmäßigkeit des mit Verwaltungsakt vom 13. März 2013 festgesetzten Verzögerungsgeldes in Höhe von 2.500,- €.

2

Der Antragsteller erzielt gewerbliche Einkünfte aus dem Hotel und Restaurant ... . Mit Prüfungsanordnung vom 20. Juni 2012 ordnete das Finanzamt beim Antragsteller eine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2008-2010 unter anderem zur Einkommensteuer, zur Umsatzsteuer und zur Gewerbesteuer an. In der Anlage wurde der Antragsteller um Vorlage folgender Unterlagen zu Beginn der Außenprüfung gebeten:

3

Tagesendsummenbons

Ein- und Ausgangsrechnungen

Kassenaufzeichnungen

Bankunterlagen (Kontoauszüge)

Vertrag vom 23. Oktober 2007 Notar ... Kaufvertrag ...

Darlehen und Arbeitsvertrag mit der Ehefrau

4

Prüfungsbeginn war der 12. November 2012 um 10:00 Uhr. Nach Einwendungen gegen die Prüfung in den Geschäftsräumen des Antragstellers erfolgte die Prüfung an Amtsstelle. Zu Beginn der Prüfung wurden drei Umzugskartons mit Ordnern und Unterlagen übergeben. Mit Schreiben vom 06. Dezember 2012 wurden dem Steuerberater wunschgemäß die sich im Rahmen der Prüfung bisher ergebenden Prüfungsanmerkungen übersandt. Im Rahmen einer Betriebsbesichtigung am 18. Dezember 2012 wurden für den weiteren Verlauf der Prüfung weitere Unterlagen angefordert.

5

Mit seiner E-Mail vom 24. Januar 2013 bat der Prüfer den Steuerberater um Aufklärung auffälliger Stornovorgänge und erinnerte an die Übersendung der bereits angeforderten Unterlagen bis zum 08. Februar 2013. Nach einer Gesprächsnotiz hatte der Prüfer im Rahmen der Betriebsbesichtigung folgende Unterlagen angefordert:

6

1. Kalkulation des Frühstücks (Hinweis auf das Kalenderjahr 2010)

2. Verträge über das BHKW Prämiengewährung und Rechtsstreit

3. Belege zur Einkünfteerzielungsabsicht des Mandanten nach Beendigung der GbR

4. Umsatzbericht der Hotline für 2010/Dezember

5. Berechnung der Sachbezugswerte „Personal“.

7

Mit Schreiben des Steuerberaters vom 25. Januar 2013 teilte dieser mit, man habe die gesetzte Frist bis zum 08. Februar 2013 zur Kenntnis genommen. Diese würde sich jedoch nicht einhalten lassen, weil zunächst noch die restlichen Steuerfälle des Veranlagungsjahres 2011 abgearbeitet werden müssten.

8

Mit Schreiben vom 30. Januar 2013 verlängerte der Prüfer die Frist für die Vorlage der Unterlagen bis zum 20. Februar 2013. Das Schreiben wurde zusätzlich mit folgendem Hinweis versehen:

9

„Die obige Frist gilt auch als Frist zur Festsetzung eines Verzögerungsgeldes gem. § 146 Abs. 2b Abgabenordnung. Nach Verstreichen der Frist ohne Vorlage der angeforderten Unterlagen wird ein Verzögerungsgeld gem. § 146 Abs. 2b Abgabenordnung festgesetzt.“

10

Mit seinem Schreiben vom 11. Februar 2013 teilte der Steuerberater des Antragstellers mit, dass die sofortige Ankündigung eines Verzögerungsgeldes verwundern müsse. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Prüfer durch seinen Mandanten und insbesondere Herrn ... aus seinem Büro bislang jederzeit die sofortige und volle Kooperation sowie persönliche Unterstützung erhalten habe, die weit über das übliche Maß hinausgegangen sei. Selbstverständlich seien der Steuerpflichtige und auch sie bemüht die gesetzte Frist einzuhalten. Es sei jedoch nochmals angemerkt, dass es sich bei den angeforderten Unterlagen und Auskünften um keine schnell zu erledigenden Aufgaben handele; auf die hier zum Jahreswechsel vorhandene Arbeitsbelastung sei bereits aufmerksam gemacht worden.

11

Am 26. Februar 2013 setzte das Finanzamt ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500,- € fest.

12

Am 5. März 2013 gingen die angeforderten Unterlagen beim Finanzamt ein.

13

Gegen die Festsetzung des Verzögerungsgeldes wendete sich der Antragsteller mit seinem Einspruch vom 12. März 2013. Die gleichzeitig beantragte Aussetzung der Vollziehung wurde mit Verwaltungsakt vom 13. März 2013 abgelehnt. Der gegen diese Ablehnung erhobene Einspruch vom 22. März 2013 wurde vom Finanzamt in seiner Einspruchsentscheidung vom 17. Mai 2013 abgelehnt. Am 20. Juni 2013 hat der Antragsteller Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht beantragt.

14

Seinen Antrag begründet der Antragsteller insbesondere damit, dass das Entschließungsermessen durch das Finanzamt schematisch und damit fehlerhaft ausgeübt worden sei. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht beachtet worden im Hinblick auf die erhebliche Sanktionsmindestgrenze in 2.500,- € und mit Rücksicht auf die zu beurteilende Pflichtverletzung sowie auf das Ausmaß der Prüfungsbeeinträchtigung. Das Verzögerungsgeld sei trotz vorhandener Kooperation und einer letztlich allein um sechs Tage versäumten Frist festgesetzt worden.

15

Im Hinblick auf das zwischenzeitlich mit Abrechnungsbescheid vom 20. August 2013 durch Aufrechnung mit einem Guthaben in Höhe von 1.048,93 € aus der Umsatzsteuer-voranmeldung für April 2013 teilweise getilgte Verzögerungsgeld beantragt der Antrag-steller zuletzt,

        

1.    

die Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 26. Februar 2013 über die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes im Sinne des § 146 Abs. 2b AO in Höhe von 2.500,- € gegen den Antragsteller bis zu einer Entscheidung im Einspruchsverfahren ohne Sicherheitsleistung auszusetzen,

        

2.    

die durch Aufrechnung der Antragsgegnerin des Guthabens des Antragstellers in Höhe von 1.048,93 € aus Umsatzsteuervoranmeldung für April 2013 teilweise bewirkte Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 26. Februar 2013 über die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes im Sinne des § 146 Abs. 2b AO in Höhe von 2.500,- € gegen den Antragsteller aufzuheben.

16

Das Finanzamt beantragt, den Antrag abzuweisen.

17

In das Entschließungsermessen seien alle im Zeitpunkt der Festsetzung des Verzögerungsgeldes entscheidungserheblichen Umstände einbezogen worden. Dabei sei die Dauer der bereits gewährten Frist, das Ausmaß der Beeinträchtigung der laufenden Betriebsprüfung sowie der Umfang der angeforderten Unterlagen berücksichtigt worden. Allein vor dem Hintergrund der angeforderten Unterlagen liege kein Bagatellfall vor. Der Antragsteller habe nicht substantiiert vorgetragen, inwieweit die Beschaffung der angeforderten Unterlagen nur durch die persönlichen Probleme beeinflusst worden sei, so dass keine entschuldbare Säumnis angenommen werden konnte. Die Behauptung, das Verzögerungsgeld sei trotz vorhandener Kooperation zweckwidrig festgesetzt worden, überzeuge nach Aktenlage nicht. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass der Prüfer mit Schreiben vom 30. Januar 2013 die nicht erforderliche Androhung des Verzögerungsgeldes vorgenommen habe. In diesem Verwaltungsakt sei explizit darauf hingewiesen worden, dass das Verzögerungsgeld nach Ablauf der Frist ohne Vorlage der angeforderten Unterlagen festgesetzt werde. Folglich sei das Verzögerungsgeld zeitnah nach Ablauf der Frist festgesetzt worden. Bei dieser Sachlage leuchte nicht ein, warum der Antragsteller nicht vor Ablauf der Frist noch auf bestehende Hinderungsgründe bezüglich der vorzulegenden Unterlagen hingewiesen habe.

18

Im Übrigen werde auf die Ausführung in der Einspruchsentscheidung vom 17. Mai 2013 verwiesen.

19

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze sowie die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

20

II. Der zulässige Antrag ist begründet.

21

Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Bescheides auf Antrag ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

22

Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 FGO liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 5. März 1979, GrS 5/77, BFHE 127, 140, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1979, 570). Da das Aussetzungsverfahren wegen seiner Eilbedürftigkeit und seines vorläufigen Charakters ein summarisches Verfahren ist, beschränkt sich die Überprüfung des Prozessstoffes auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen (insbesondere die Akten der Finanzbehörde) sowie auf die präsenten Beweismittel. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Gericht sind nicht erforderlich (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 21. Juli 1994, IX B 78/94, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 1995, 116). Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen. Glaubhaftmachung ist eine Beweisführung, die dem Richter nicht die volle Überzeugung, sondern nur einen geringeren Grad von Wahrscheinlichkeit vermitteln soll. Die im Hauptsacheverfahren geltenden Regeln zur Feststellungslast gelten auch für das Aussetzungsverfahren (vgl. Gräber/Koch, FGO, 7. Aufl. 2010, § 69 Rz. 121 m.w.N.). Die Tat- und Rechtsfragen brauchen nicht abschließend geprüft zu werden. Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt jedoch nicht. Andererseits ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen (BFH-Beschlüsse vom 20. Mai 1997, VIII B 108/96, BFHE 183, 174, BFH/NV BFH/R 1997, 462 und vom 23. August 2004, IV S 7/04, BFH/NV 2005, 9).

23

Hiervon ausgehend bestehen nach der im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Verzögerungsgeldes vom 26. Februar 2013.

24

Im Streitfall sind zwar die formellen und tatbestandlichen Voraussetzungen des § 146 Abs. 2 b AO dem Grunde nach erfüllt.

25

Gegenüber dem Antragsteller ist durch vollziehbare Prüfungsanordnungen des Finanzamtes eine Außenprüfung angeordnet worden. Das Finanzamt durfte deshalb mit der Anlage zur Prüfungsanordnung, bei der Betriebsbesichtigung vom 18. Dezember 2012 sowie durch die E-Mail vom 24. Januar 2013 und das Schreiben vom 30. Januar 2013 die Aufforderungen zur Vorlage der Unterlagen erlassen. Die darin gesetzten Fristen erscheinen zwar knapp, insbesondere durch die um den Jahreswechsel allgemein und insbesondere im betrieblichen Umfeld vermehrt auszuführenden Tätigkeiten, in der Gesamtschau vom 18. Dezember 2012 bis zum 20. Februar 2013 aber wohl nicht zu kurz bemessen, auch wenn die mit der an die Vorlage erinnernde E-Mail gesetzte Frist bis zum 8. Februar 2013 allein als zu kurz und auch die auf den 20. Februar 2013 verlängerte Frist im Hinblick auf die Vielzahl der Unterlagen als am unteren Limit liegend zu betrachten ist. Die unangefochten gebliebenen Aufforderungen sind vollziehbar und in formelle Bestandskraft erwachsen.

26

Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung stellt sich die angefochtene Ermessensentscheidung jedoch als ermessensfehlerhaft dar.

27

Die Entscheidung über die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes ist eine Ermessensentscheidung, wobei das Ermessen für die Frage, ob ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden soll (Entschließungsermessen), als auch für die Höhe eines Verzögerungsgeldes (Auswahlermessen) eröffnet ist, § 5 AO. Diese Ermessensentscheidung ist gerichtlich nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen nachprüfbar (von Groll in Gräber, FGO-Kommentar, 7. Aufl., § 102 Rz. 2 m.w.N.). Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung des Festsetzungsbescheides und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Ob die Behörde ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, kann nur auf der Grundlage der Verhältnisse beurteilt werden, die der Behörde im Zeitpunkt der letzten Ermessensentscheidung bekannt waren oder bekannt sein mussten. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Finanzbehörden kommt es mithin auf die Sach– und Rechtslage in dem Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an (vgl. von Groll in Gräber, a.a.O., § 102 Rz. 13 m.w.N.).

28

Die Ermessensentscheidung unterliegt ferner der verschärften Begründungspflicht, § 121 Abs. 1 AO.  Die Begründung muss erkennen lassen, dass die Finanzbehörde den Ermessensspielraum erkannt hat und von welchen Gesichtspunkten sie bei der Ermessensentscheidung ausgegangen ist. Es müssen die angestellten Erwägungen, die Abwägungen, das Für und Wider aus der Entscheidung erkennbar sein (vgl. Gersch in Klein, AO-Kommentar, 10. Aufl., § 5 Rz. 13 m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung).

29

Im Streitfall hat das Finanzamt auf der Ebene des Entschließungsermessens insbesondere keine ausreichenden Ausführungen zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemacht hat. Auch wenn § 146 Abs. 2b AO – im Gegensatz zur ausdrücklichen Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Auswahl von Zwangsmitteln in § 328 Abs. 2 AO – keinen diesbezüglichen Hinweis enthält, hat die Finanzbehörde bei Ausübung ihres Ermessens den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet und bei der Auslegung und Anwendung der Normen des einfachen Rechts stets zu beachten (BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266 m. w. Nachweisen).

30

Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass das Finanzamt die Höhe des Verzögerungsgelds, dessen Zweck nach herrschender Meinung nicht nur darin zu sehen ist, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten (BTDrucks 16/10189, S. 81), sondern auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten zu sanktionieren (vgl. z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 25, m.w.N.; kritisch Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz 48), insbesondere an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten hat (vgl. auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O.).

31

Da aber das Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € festzusetzen ist und es sich hierbei nicht um einen Bagatellbetrag handelt, müssen die nämlichen Merkmale auch bei der Ausübung des sog. Entschließungsermessens, d.h. bei der Entscheidung der Finanzbehörden darüber zum Tragen kommen, ob gegenüber dem Steuerpflichtigen ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird. Maßstab auch dieser Ermessensentscheidung des Finanzamtes sowie nachvollziehbarer Gegenstand ihrer Begründung (§ 121 AO) muss deshalb sein, ob die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe der Sanktionsmindestgrenze (2.500 €) mit Rücksicht auf die Umstände der zu beurteilenden Pflichtverletzung/en sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Prüfung angemessen ist. Demnach ist es ausgeschlossen, im Rahmen des Entschließungsermessens von einer Vorprägung auszugehen, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 200 Abs. 1 AO) -unabhängig davon, ob den Steuerpflichtigen ein Schuldvorwurf trifft- grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führt; erforderlich ist vielmehr auch insoweit eine an der Sanktionsuntergrenze (2.500 €) auszurichtende Würdigung des Einzelfalls. Nur diese Beurteilung stellt sicher, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds durchgängig den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entspricht (überwiegende Meinung; BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266 mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Deshalb scheint sich zu Recht in Literatur und Rechtsprechung die Tendenz abzuzeichnen, die Anwendung der Vorschrift auf wesentliche Fälle zu begrenzen (Dißars in Schwarz, AO, § 146 Rz. 49), Bagatellfälle auszuklammern (so: Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 2011, 13 K 13246/10, Juris) bzw. in das Entschließungsermessen alle entscheidungserheblichen Umstände einzubeziehen (vgl. FG Schleswig-Holstein 2 K 9/12, EFG 2013, 264).

32

Gemessen hieran finden sich weder bei der Festsetzung, die keine Ermessenserwägungen enthält, noch im Zuge des Verfahrens zur Aussetzung der Vollziehung ausreichende Ausführungen. Zwar ist die letzte Verwaltungsentscheidung in Form der Einspruchsentscheidung noch nicht ergangen, so dass grundsätzlich weitere Ermessenserwägungen noch vorgenommen werden könnten. Es sind jedoch bisher (auch nicht im Rahmen der Erwiderung) keine Erwägungen vorgetragen oder erkennbar, die aus Sicht des Senats zu einem anderen Ergebnis führen könnten.

33

Zwar erläutert das Finanzamt bei Ablehnung der beantragten Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 13. März 2013, dass die Festsetzung des Verzögerungsgeldes in Anbetracht der steuerlichen Auswirkung der Unterlagen angemessen war und durch die Verletzung der Mitwirkungspflicht gemessen am Grundsatz der Verpflichtung zur zeitnahen Durchführung einer Außenprüfung eine nicht hinnehmbare Verzögerung der Fallbearbeitung vorlag. Der Annahme des Antragstellers, bei den Unterlagen und Auskünften habe es sich nicht um schnell zu erledigende Aufgaben gehandelt, könne bei den zum Teil angeforderten Unterlagen (z.B. Vertragsunterlagen) nicht zugestimmt werden. In der Einspruchsentscheidung zur Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung vom 17. Mai 2013 führt das Finanzamt an, auch durch die ehelichen Probleme des Antragstellers sei es nicht zur Beeinträchtigung der Außenprüfung gekommen. Die Frist von ca. zwei Monaten sei auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes ausreichend gewesen. Mit der Festsetzung kurz nach Fristablauf hätte der Antragsteller außerdem rechnen müssen, da die Festsetzung angekündigt gewesen sei. Der Einwand, die Prüfung in den Räumen des Steuerberaters hätte die Prüfung erheblich abgekürzt, komme keine Bedeutung zu.

34

Die Ausführungen sind zum Teil formelhaft und auch in sich nicht schlüssig.

35

Wie die Aussage des Finanzamtes zu verstehen ist, in Anbetracht der steuerlichen Auswirkung der Unterlagen sei eine Festsetzung des Verzögerungsgeldes angemessen gewesen, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.

36

Dass es bei Nichteinhalten von Fristen zu Verzögerungen kommt und jede Außenprüfung möglichst zeitnah durchzuführen ist, erklärt sich von selbst. Das Finanzamt hätte erläutern müssen, warum es gerade in diesem Fall durch die kurze Fristüberschreitung zu einer nicht hinnehmbaren Verzögerung gekommen ist.

37

Mit dem Hinweis, „bei einem Teil der angeforderten Unterlagen“, könne nicht zugestimmt werden, dass diese nicht schnell zu beschaffen gewesen sein, gibt das Finanzamt zu erkennen, dass es bei einem Teil der zu beschaffenden Unterlagen und Auskünfte selbst der Ansicht war, diese Aufgabe sei nicht schnell zu erledigen. Im Rahmen der Abwägung wurde dieser Aspekt jedoch nicht miteinbezogen.

38

Vor allem hat das Finanzamt aber im Hinblick auf den Zweck des Verzögerungsgeldes, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten (s. o.), einen wesentlichen Aspekt völlig unberücksichtigt gelassen. Es hat nicht thematisiert, ob es Hinweise auf fehlende Mitwirkung oder bewusst bzw. verschuldetes zögerliches Handeln des Antragstellers bzw. seines Prozessbevollmächtigten und dessen Mitarbeiter überhaupt gab. Das erscheint dem Gericht zweifelhaft, da nach den vorliegenden Unterlagen das Bemühen erkennbar ist, die angeforderten Unterlagen zeitnah zu beschaffen. Es wurde im Schreiben vom 11. Februar 2013 ausdrücklich betont, dass man sich bemühe, die Frist einzuhalten, dies möglicherweise aber nicht gelingen würde. Außerdem ergibt sich aus den Akten, dass dem Betriebsprüfer bei der Auswertung der Kassenunterlagen durch die Mitarbeit eines Technikers besondere Unterstützung zuteil wurde (Eidesstattliche Versicherung des Mitarbeiters des Steuerbüros). Auf diese Umstände ist das Finanzamt jedoch gar nicht eingegangen, es hat vielmehr aus diesem Schreiben gefolgert, die gesetzte Frist sei akzeptiert worden und hat diese Einschätzung, die dem Senat zweifelhaft erscheint, demzufolge auch seiner Würdigung zugrunde gelegt.

39

Die Ausführungen zu diesem Punkt waren umso zwingender, als es sich - wie oben dargestellt - um knapp bemessene Fristen handelte und die Frist auch nur knapp überschritten wurde. Die Unterlagen lagen am 5. März, somit am 9. Werktag nach Fristablauf dem Finanzamt vor. Am 4. Werktag nach Ablauf einer erstmalig festgesetzten, ursprünglich nur auf 2 Wochen bemessenen, eine Woche später um 12 Tage verlängerten Frist wurde ein Verzögerungsgeld in der Mindesthöhe von 2.500 € festgesetzt. Der steuerliche Berater hatte zuvor mit Schreiben vom 11. Februar 2013 darauf hingewiesen, dass man die Frist einhalten wolle. Es gab zu diesem Zeitpunkt keinen Hinweis darauf, dass die Unterlagen selbst bei Nichteinhalten der Frist nicht zumindest mit vertretbarer Verzögerung eingereicht würden (was dann auch geschah). Vielmehr bestätigt sich aus dem vom Berater vorgelegten E-Mail-Verkehr diese Einschätzung: Es finden sich im Arbeitsbogen des Prüfers Anhaltspunkte dafür, dass beispielsweise die Aufklärung der Stornovorgänge durch den Techniker sich verzögerte, aber an der Aufklärung ständig gearbeitet wurde.

40

Dieser Aspekt wurde vom Finanzamt gar nicht gewürdigt, was aus Sicht des Senates insbesondere zur Wahrung des verfassungsrechtlich vorgegebenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich gewesen wäre und weshalb die Entscheidung ermessensfehlerhaft ist.

41

Auf die Frage, ob ein am 4. Werktag nach Ablauf einer erstmalig ausreichend bemessenen schriftlichen Fristsetzung festgesetztes Verzögerungsgeld zur Anforderung mehrerer Auskünfte, die nach eigener Einschätzung des Finanzamtes jedenfalls teilweise nicht schnell zu erledigen waren, in Anbetracht der gesetzlich fixierten Mindesthöhe von 2.500 € überhaupt verhältnismäßig sein kann, braucht der Senat daher nicht einzugehen.

42

Das gleiche gilt auch hinsichtlich der Frage, ob die mit Festsetzung des Verzögerungsgeldes zwingend in der gesetzlich vorgegebenen Mindesthöhe von 2.500 € erfolgte Sanktionierung der vom Finanzamt angenommenen Verletzung der Mitwirkungspflicht im Hinblick auf die relativ geringe Fristüberschreitung von 9 Werktagen im Verhältnis zur Höhe des Verzögerungsgeldes verhältnismäßig sein kann.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

44

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 3 FGO). Mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO war die Beschwerde nicht zuzulassen.


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Bundesfinanzhof Urteil, 28. Aug. 2012 - I R 10/12

bei uns veröffentlicht am 28.08.2012

Tatbestand 1 I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b der Abgabenordnung (AO).

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(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Ist die Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

(1) Ein schriftlicher, elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist.

(2) Einer Begründung bedarf es nicht,

1.
soweit die Finanzbehörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift,
2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist,
3.
wenn die Finanzbehörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist,
4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt,
5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

(1) Ein Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, kann mit Zwangsmitteln (Zwangsgeld, Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang) durchgesetzt werden. Für die Erzwingung von Sicherheiten gilt § 336. Vollstreckungsbehörde ist die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

(2) Es ist dasjenige Zwangsmittel zu bestimmen, durch das der Pflichtige und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt werden. Das Zwangsmittel muss in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck stehen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b der Abgabenordnung (AO).

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) führte ab November 2009 bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, eine Betriebsprüfung (betreffend die Jahre 2005 bis 2007) durch. Am 24./25. November 2009 forderte die Prüferin die Klägerin erstmals auf, Nachweise über die "sonstigen Rückstellungen (management creativ)" sowie die Verträge zwischen der Klägerin und der "V-Ltd. (Darlehensvertrag, Managementvertrag o.ä.)" vorzulegen und die "Kosten für die Management Fee" zu erläutern. Anlässlich einer Betriebsbesichtigung (1. Dezember 2009) wurde der Prüferin erläutert, dass die angeforderten Unterlagen einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen übersandt worden seien. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 setzte die Prüferin eine Frist zur Vorlage der Unterlagen bis zum 22. Januar 2010; die Frist wurde mit weiterem Schreiben vom 3. Februar 2010 bis zum 25. Februar 2010 verlängert. Nachdem die Klägerin im Rahmen der Schlussbesprechung (23. März 2010) erneut auf die angeforderten Nachweise hingewiesen worden war, teilte der von der Klägerin bevollmächtigte Steuerberater am 12. April 2010 der Prüferin telefonisch mit, dass die Unterlagen unterwegs seien; am 23. April 2010 gab er an, dass die Unterlagen noch nicht vollständig seien, er sie aber am selben Tage absenden würde. Mit Schreiben vom 12. Mai 2010 forderte das FA die Klägerin erneut auf, die vorgenannten Nachweise und Unterlagen (betreffend Rückstellung "management creativ; Darlehens- und Managementverträge mit der V-Ltd.; Erläuterung der Kosten der Management Fee") bis 25. Mai 2010 einzureichen; zugleich wies das FA darauf hin, dass ein Verzögerungsgeld von mindestens 2.500 € und maximal 250.000 € festgesetzt werde, wenn die Klägerin die Unterlagen nicht fristgerecht und vollständig einreiche.

3

Da die Klägerin auch dieser Aufforderung nicht nachkam, setzte das FA mit Bescheid vom 31. Mai 2010 ein Verzögerungsgeld in Höhe von 5.000 € fest. Nach dem Begründungsteil des Bescheids ergibt sich dieser Betrag aus der Dauer der Fristüberschreitung sowie daraus, dass die Beendigung der Betriebsprüfung beeinträchtigt worden sei.

4

In dem am 9. Juni 2010 erstellten Prüfungsbericht wurden --jeweils wegen fehlender Nachweise-- die Rückstellungen für "management creativ" zum 31. Dezember 2006 sowie zum 31. Dezember 2007 in Höhe von 20.000 € aufgelöst und die nicht abziehbaren Aufwendungen um die Kosten für die Management Fee (2006: 47.095 €; 2007: 39.038 €) erhöht.

5

Zur Begründung ihres Einspruchs gegen den Bescheid vom 31. Mai 2010 hat die Klägerin mit Schreiben vom 30. Juni 2010 vorgetragen, dass --wie der Prüferin bekannt sei-- bei der Gesellschaft im Hinblick auf den geplanten Verkauf der Unternehmensgruppe eine Due Diligence Prüfung vorgenommen werde und deshalb die Erlangung der Unterlagen aus Großbritannien äußerst schwierig gewesen sei. Die Höhe des Verzögerungsgelds sei --so die Klägerin weiter-- unangemessen, die Unterlagen würden spätestens Anfang nächster Woche eingereicht.

6

Der Einspruch wurde mit Bescheid vom 30. Juli 2010 zurückgewiesen. Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO sei --so das FA-- erfüllt. Umstände, die es rechtfertigten, von der Festsetzung eines Verzögerungsgelds abzusehen, lägen nicht vor. Da zwischen der ersten und der letzten Aufforderung ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten gelegen habe, seien auch die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Unterlagen aus Großbritannien sehr großzügig beachtet worden; zudem habe die Klägerin auf die letzte Fristsetzung (vom 12. Mai 2010) nicht reagiert. Im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds wiederholt die Einspruchsentscheidung zum einen die Erläuterungen des Bescheids vom 31. Mai 2010 (Dauer der Fristüberschreitung; Beeinträchtigung des Prüfungsabschlusses; s.o.); zum anderen führt die Einspruchsentscheidung aus, dass das Verzögerungsgeld für zwei Pflichtverletzungen (kein Nachweis der Rückstellung "management creativ" sowie der Kosten für (die) "Management Fee") jeweils in Höhe des vorgeschriebenen Mindestbetrags (2.500 €) festgesetzt worden sei. Schließlich sei auch der Vollzug des Festsetzungsbescheids nicht entsprechend der Regelung des § 335 AO einzustellen. Die Vorschrift sei auf das Verzögerungsgeld, bei der es sich um eine eigenständige steuerliche Nebenleistung handle, nicht anwendbar. Im Übrigen seien die geforderten Nachweise auch im Verlauf des Einspruchsverfahrens nicht erbracht worden.

7

Mit der Klage wurde u.a. geltend gemacht, dass die Vertragsunterlagen in London bzw. Amerika zusammengetragen worden und die Unterlagen für die Management Fee nicht auffindbar gewesen seien. Zudem sei die beauftragte Buchhalterin aufgrund der Erkrankung ihres Ehemanns aus einem Urlaub "über den Jahreswechsel" nicht zurückgekehrt. Hinzu komme, dass das FA unmittelbar nach der Festsetzung des Verzögerungsgelds den Prüfungsbericht fertiggestellt und die nicht aufgeklärten Sachverhalte zu Lasten der Klägerin gewertet habe. Insbesondere hält die Klägerin die Festsetzung des Verzögerungsgelds für zwei Pflichtverletzungen für unverhältnismäßig. Auch sei die Anforderung über den Nachweis der Kosten für die Management Fee unangemessen gewesen, da sich die Gründe für dieses Entgelt aus der --der Prüferin bekannten-- Gesamtkonstruktion (Gründung einer deutschen Gesellschaft unter Rückgriff auf Erfahrungen und Beratungsleistungen aus Großbritannien) ergeben hätten.

8

Die Vorinstanz hat der Klage stattgeben (vgl. Finanzgericht --FG-- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Januar 2012  12 K 12205/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 898). Dabei hat das FG offengelassen, ob bereits deshalb von einem Ermessensfehlgebrauch ausgegangen werden müsse, weil das FA auf die Gründe der Säumnis und damit auf Verschuldensaspekte nicht eingegangen sei. Jedenfalls sei ein Ermessensfehler darin zu sehen, dass nicht für sämtliche Pflichtverstöße ein einheitliches Verzögerungsgeld festgesetzt worden sei. Gegen den vom FA beschrittenen Weg --Bemessung des Verzögerungsgelds durch Multiplikation der Pflichtverstöße mit dem Mindestbetrag (2.500 €)-- spreche nicht nur der Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO, sondern auch, dass die Vorgehensweise des FA zu unverhältnismäßigen und willkürlichen Festsetzungen führen könne. Letzteres zeige sich auch im Streitfall, da die Klägerin gegen drei Vorlage- und Auskunftspflichten verstoßen, das FA der Bemessung des Verzögerungsgelds aber nur zwei Pflichtverstöße zugrunde gelegt habe; umgekehrt sei --wenn man zwischen den angeforderten Darlehens- und Managementverträgen unterscheide-- auch die Annahme von vier Verstößen denkbar gewesen.

9

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA, dass die Festsetzung von Verzögerungsgeldern nach der Anzahl der Pflichtverstöße mit dem Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO vereinbar sei und der Ansicht der Finanzverwaltung entspreche. Auch liege hierin --entgegen der Auffassung der Vorinstanz-- kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Festsetzung eines Verzögerungsgelds auf "wesentliche Fälle" zu beschränken sei und im Hinblick auf die Höhe des festzusetzenden Betrags nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. April 2010 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 676) unter anderem die Dauer der Fristüberschreitung, die Gründe der Pflichtverletzung, die Häufigkeit der Verzögerung oder Verweigerung sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Betriebsprüfung zu berücksichtigen seien. Im Streitfall habe das FA sein Entschließungsermessen zutreffend ausgeübt; insbesondere habe es --abweichend von den Ausführungen der Vorinstanz-- erläutert, weshalb die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der angeforderten Unterlagen die Pflichtverletzungen der Klägerin nicht entschuldigt hätten. Zudem habe die Klägerin noch im April 2010 mitgeteilt, dass die Unterlagen nunmehr vorlägen und übersandt würden. Auf den Ausfall der Buchhalterin habe das FA nicht eingehen können, da dieser Umstand erstmals im Klageverfahren vorgetragen worden sei; hiervon abgesehen könne er die Nichtvorlage der Unterlagen über Monate hinweg nicht rechtfertigen. Ebenso sei es nicht zu beanstanden, dass das FA beide Verzögerungsgelder --ausgehend von den Erwägungen im Rahmen des Entschließungsermessens-- nach dem gesetzlichen Mindestbetrag bemessen habe. Es liege somit keine bloße Vervielfältigung dieses Betrags vor.

10

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11

Die Klägerin hat im Revisionsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtordnung --FGO--).

13

1. Nach § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt. Die Vorschrift wurde durch Art. 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74) --JStG 2009-- mit Wirkung vom 25. Dezember 2008 (Art. 39 Abs. 1 und Abs. 8 JStG 2009) als neue steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO) eingeführt. Sie steht zwar im Zusammenhang mit der ebenfalls durch das JStG 2009 geschaffenen Regelung in § 146 Abs. 2a AO, nach welcher das FA dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen bewilligen kann, seine Buchführung in das Ausland zu verlagern, und will für den Fall, dass die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht oder nicht mehr gegeben sind, die zeitnahe Rückführung der Buchführung flankieren (vgl. § 146 Abs. 2a Satz 3 i.V.m. Abs. 2b AO). Gleichwohl ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass ein Verzögerungsgeld im Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift sowie der Intention des Gesetzgebers (BTDrucks 16/10189, S. 81: "Vermeidung von Ungleichbehandlungen") auch dann festgesetzt werden kann, wenn der Steuerpflichtige seine Bücher und Aufzeichnungen im Inland führt und aufbewahrt, er jedoch der ihm im Rahmen einer Außenprüfung obliegenden Mitwirkungspflicht zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen (§ 200 Abs. 1 AO) innerhalb angemessener Frist nicht nachkommt (BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; vom 28. Juni 2011 X B 37/11, BFH/NV 2011, 1833, jeweils m.w.N.).

14

2. Der BFH hat es zwar in dem Aussetzungsbeschluss in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855 als i.S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO ernstlich zweifelhaft angesehen, ob im Hinblick auf die fortdauernde Nichtvorlage derselben Unterlagen ein Verzögerungsgeld mehrfach festgesetzt werden kann (vgl. nunmehr auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, Referat IV A 4, zu Frage 18; abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/001_a1.html, Suchwort: Verzögerungsgeld; a.A. Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485). Über die hiervon zu unterscheidende und gleichfalls umstrittene Frage, ob im Falle der Verletzung mehrerer Mitwirkungspflichten für jeden Pflichtverstoß jeweils ein gesondertes Verzögerungsgeld --z.B. in Höhe des Mindestbetrags von 2.500 €-- ausgesprochen werden kann, hat der BFH hingegen noch nicht entschieden. Die Ansichten hierzu sind geteilt. Während nach Auffassung der Finanzverwaltung jede Pflichtverletzung mit einem gesonderten ("getrennten") Verzögerungsgeld belegt werden kann (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 17), wird in der Rechtsprechung der FG eine Vervielfältigung des Mindestsatzes (2.500 €) entsprechend der Anzahl der Pflichtverstöße ohne deren eigenständige Gewichtung als ernstlich zweifelhaft angesehen (Beschluss des Hessischen FG vom 8. August 2011  8 V 1281/11, EFG 2011, 1949; Beschluss des FG Hamburg vom 16. November 2011  2 V 173/11, EFG 2012, 382). Dem wird im Schrifttum teilweise zugestimmt (z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 51b); andere vertreten hingegen die Ansicht, dass zwar das Verzögerungsgeld für jede (einzelne) Verletzung der Mitwirkungspflicht ausgesprochen werden könne, jedoch die Aufforderung zur Vorlage mehrerer Urkunden in einem Schriftstück als nur ein Mitwirkungsverlangen zu werten sei und dessen Verletzung nur mit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds sanktioniert werden dürfe (Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 146 Rz 36).

15

3. Das anhängige Verfahren gibt dem Senat keine Gelegenheit, zu diesem Meinungsstreit abschließend Stellung zu nehmen. Insbesondere hat der Senat nicht darauf einzugehen, ob dann, wenn beispielsweise im Rahmen einer Außenprüfung die Mitwirkungsverlangen zu verschiedenen Prüfungsfeldern ergehen und der Steuerpflichtige diesen nicht entspricht, das FA befugt ist, für die die jeweiligen (einzelnen) Prüfungsfelder betreffenden Verstöße ein gesondertes Verzögerungsgeld auszusprechen, oder ob es hierzu weiterer Voraussetzungen --wie z.B. der zeitlichen Staffelung der Mitwirkungsaufforderungen-- bedarf. Im Streitfall kommt es hierauf nicht an, da selbst dann, wenn man im Falle des Verstoßes gegen mehrere Mitwirkungspflichten die gleichzeitige Festsetzung je eines Verzögerungsgelds für grundsätzlich zulässig erachten würde, der angefochtene Bescheid --wie vom FG im Ergebnis zu Recht erkannt-- aufzuheben wäre.

16

a) Die Festsetzung des Verzögerungsgelds erfordert nach § 146 Abs. 2b AO neben den zwingenden tatbestandlichen Voraussetzungen (z.B. Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht gemäß § 200 Abs. 1 AO) eine zweifache Ermessensentscheidung der Behörde, nämlich erstens im Hinblick darauf, ob im jeweiligen Einzelfall ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird (sog. Entschließungsermessen), sowie zweitens --falls das Entschließungsermessen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeübt wird-- eine Entscheidung über die Höhe der Sanktion innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens von mindestens 2.500 € bis höchstens 250.000 € (sog. Auswahlermessen; vgl. insgesamt BFH-Beschlüsse in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; in BFH/NV 2011, 1833). Diese zweistufige Ermessensprüfung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers: Während der Gesetzentwurf der Bundesregierung --zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. dazu nachfolgend zu II.3.a bb) --einen behördlichen Ermessensspielraum nur im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds eröffnen wollte (vgl. BTDrucks 16/10189, S. 26, 81), ist der letzte Halbsatz des § 146 Abs. 2b AO-- auf Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestags (BTDrucks 16/11055, S. 81) mit dem ausdrücklichen Ziel geändert worden ("kann... festgesetzt werden"), ein "Entschließungsermessen einzufügen" (BTDrucks 16/11108, S. 47).

17

aa) Der Ermessenscharakter des § 146 Abs. 2b AO hat allgemein zur Folge, dass die Finanzgerichte die Festsetzung des Verzögerungsgelds nur eingeschränkt überprüfen können. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung gegeben und hat das FA den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt sowie seine Entscheidung hinreichend begründet (§ 121 AO, ggf. i.V.m. § 126 AO; vgl. auch § 102 Satz 2 FGO), ist der gerichtlichen Kontrolle die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) zugrunde zu legen. Des Weiteren ist die Prüfung nach § 102 Satz 1 FGO darauf beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob das FA von seinem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihm zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung) oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz missachtet hat (vgl. zu allem Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 102 FGO Rz 61 ff., Rz 86 ff., Rz 94 ff., jeweils mit umfangreichen Nachweisen).

18

bb) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur erforderlich und geeignet, sondern hierzu auch in einem angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren Verhältnis stehen muss (vgl. Wernsmann in HHSp, § 5 AO Rz 169), genießt Verfassungsrang und ist deshalb stets auch bei der Auslegung und Anwendung von Normen des einfachen Rechts --mithin auch bei der Ermessensausübung durch die Finanzämter-- zu beachten (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1976  2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101, 106). Hiermit übereinstimmend hat auch der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des § 146 Abs. 2b AO als Ermessensvorschrift eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Handhabung der Vorschrift durch die Finanzbehörden "gewährleisten" wollen (BTDrucks 16/10189, S. 81).

19

aaa) Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass das FA die Höhe des Verzögerungsgelds, dessen Zweck nach herrschender Meinung nicht nur darin zu sehen ist, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten (BTDrucks 16/10189, S. 81), sondern auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten zu sanktionieren (vgl. z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 25, m.w.N.; kritisch Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz 48), insbesondere an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten hat (vgl. auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O.).

20

bbb) Da aber das Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € festzusetzen ist und es sich hierbei nicht um einen Bagatellbetrag handelt, müssen die nämlichen Merkmale auch bei der Ausübung des sog. Entschließungsermessens, d.h. bei der Entscheidung der Finanzbehörden darüber zum Tragen kommen, ob gegenüber dem Steuerpflichtigen ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird. Maßstab auch dieser Ermessensentscheidung des FA sowie nachvollziehbarer Gegenstand ihrer Begründung (§ 121 AO) muss deshalb sein, ob die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe der Sanktionsmindestgrenze (2.500 €) mit Rücksicht auf die Umstände der zu beurteilenden Pflichtverletzung/en sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Prüfung angemessen ist. Demnach ist es ausgeschlossen, im Rahmen des Entschließungsermessens von einer Vorprägung auszugehen, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 200 Abs. 1 AO) --unabhängig davon, ob den Steuerpflichtigen ein Schuldvorwurf trifft-- grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führt; erforderlich ist vielmehr auch insoweit eine an der Sanktionsuntergrenze (2.500 €) auszurichtende Würdigung des Einzelfalls. Nur diese Beurteilung stellt sicher, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds durchgängig den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entspricht (überwiegende Meinung; z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 30; Kuhfus in: Kühn/v.Wedelstädt, 20. Aufl., AO, § 146 AO Rz 14g; Dißars in Schwarz, AO, § 146 Rz 49; Göttker in juris Lexikon Steuerrecht, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, Rz 16 ff.; Drüen, Die Unternehmensbesteuerung 2011, 83, 87 f.; Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485, 1487; FG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 3. Februar 2010  3 V 243/09, EFG 2010, 686; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2012  3 V 3006/12, EFG 2012, 1225; a.A. insoweit BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 6; Gebbers, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2009, 162, 167; derselbe, StBp 2009, 196; Geißler, Neue Wirtschafts-Briefe 2009, 4076, 4080).

21

ccc) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert damit zugleich, dass der Gegenstand des Entschließungsermessens mit demjenigen des Auswahlermessens übereinstimmt. Er ist demnach verletzt, wenn die Entscheidung, ob es überhaupt angemessen ist, ein Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € auszusprechen (Entschließungsermessen), aus der Summe (d.h. dem Bündel) der Pflichtverletzungen abgeleitet wird, bei der hieran anschließenden Ermessenentscheidung dazu, ob es --im nämlichen Fall-- angemessen und zumutbar ist, den Mindestsatz zu überschreiten (Auswahlermessen), das FA hingegen auf die einzelne Pflichtverletzung abstellt und diese jeweils --ohne weitere die Gesamtheit der Verstöße betreffende Erwägungen-- in Höhe von 2.500 € (Mindestsatz) sanktioniert. Letzteres kann zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Gebots der Verhältnismäßigkeit nur dann in Betracht kommen, wenn das FA im Rahmen der Ausübung seines Entschließungsermessens zu dem nachvollziehbaren und begründeten Ergebnis gekommen ist, dass jede einzelne der in Frage stehenden Mitwirkungspflichten --für sich genommen-- die Belastung des Steuerpflichtigen mit einem Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € rechtfertigt.

22

b) Demnach kann im Streitfall die Festsetzung des Verzögerungsgelds gegenüber der Klägerin keinen Bestand haben. Dabei kann unentschieden bleiben, ob --was dem Senat naheliegend erscheint-- der Bescheid vom 31. Mai 2010 (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2010) auf die Festsetzung nur eines Verzögerungsgelds gerichtet ist, dessen Höhe (5.000 €) aus der Verdoppelung des Mindestsatzes abgeleitet wurde (Variante 1), oder ob die Einspruchsentscheidung dahin zu verstehen sein könnte, dass gegenüber der Klägerin in zusammengefasster Form sowohl für die Nichtvorlage der Nachweise zur Rückstellung "management creativ" als auch angesichts der fehlenden Erläuterungen und Nachweise bezüglich der "Management Fee" jeweils ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € ausgesprochen worden ist (Variante 2).

23

Der von der Klägerin angefochtene Bescheid ist ungeachtet dieses Auslegungsspielraums zum einen bereits deshalb ermessensfehlerhaft, weil das FA der Ausübung seines Entschließungsermessens (Entscheidung über die Festsetzung eines Verzögerungsgelds) die Nichtvorlage der angeforderten prüfungsrelevanten Unterlagen und Erläuterungen und damit eine zusammenfassende Würdigung aller Pflichtverletzungen der Klägerin zugrunde gelegt hat, und es hiernach gemäß den vorstehenden Erläuterungen ausgeschlossen ist, diesen Beurteilungsgegenstand im Rahmen des Auswahlermessens aufzulösen, d.h. für jede einzelne Verletzung der Mitwirkungspflichten ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € anzusetzen (Auslegungsvariante 1) oder festzusetzen (Auslegungsvariante 2). Zum anderen kann der Bescheid auch deshalb keinen Bestand haben, weil auch Ermessensentscheidungen zu begründen sind (§ 121 AO; Lange in HHSp, § 102 FGO Rz 89) und sich weder der Einspruchsentscheidung noch dem Bescheid vom 31. Mai 2010 mit der gebotenen Sicherheit entnehmen lässt, dass das FA sein Entschließungsermessen über die Festsetzung des Verzögerungsgelds mit Rücksicht auf die Sanktionsuntergrenze von 2.500 € ausgeübt hat. Vielmehr legt die Einspruchsentscheidung die Vermutung nahe, dass die Behörde --im Einklang mit der Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., dort zu Frage 6)-- von einer verschuldensunabhängigen Vorprägung ihrer Ermessensbefugnis in dem Sinne ausgegangen ist, dass die Verletzung der Mitwirkungsverpflichtungen grundsätzlich die Sanktion des Verzögerungsgelds trage. Ein solches Verständnis ist jedoch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar.

24

4. Da die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt ist, die Ermessensentscheidung des FA in den aufgezeigten Grenzen zu überprüfen und dem Senat hiernach auch nicht die Befugnis zusteht, sein eigenes Ermessen an die Stelle der Verwaltungsbehörde zu setzen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460; vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, jeweils m.w.N.), war der angefochtene Bescheid ungeachtet dessen aufzuheben, ob im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensausübung die Festsetzung eines Verzögerungsgelds --sei es in Höhe von 5.000 €, sei es mit einem geringeren Betrag-- hätte gerechtfertigt sein können.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

(1) Ein schriftlicher, elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist.

(2) Einer Begründung bedarf es nicht,

1.
soweit die Finanzbehörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift,
2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist,
3.
wenn die Finanzbehörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist,
4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt,
5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.

(1) Der Steuerpflichtige hat bei der Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein können, mitzuwirken. Er hat insbesondere Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben und die Finanzbehörde bei Ausübung ihrer Befugnisse nach § 147 Abs. 6 zu unterstützen. Sind der Steuerpflichtige oder die von ihm benannten Personen nicht in der Lage, Auskünfte zu erteilen, oder sind die Auskünfte zur Klärung des Sachverhalts unzureichend oder versprechen Auskünfte des Steuerpflichtigen keinen Erfolg, so kann der Außenprüfer auch andere Betriebsangehörige um Auskunft ersuchen. § 93 Absatz 2 Satz 2 gilt nicht.

(2) Die in Absatz 1 genannten Unterlagen hat der Steuerpflichtige in seinen Geschäftsräumen oder, soweit ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Geschäftsraum nicht vorhanden ist, in seinen Wohnräumen oder an Amtsstelle vorzulegen. Sind mobile Endgeräte der Außenprüfer unter Berücksichtigung des Stands der Technik gegen unbefugten Zugriff gesichert, gilt die ortsunabhängige Tätigkeit als an Amtsstelle ausgeübt. Ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Raum oder Arbeitsplatz sowie die erforderlichen Hilfsmittel sind unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. § 147 Absatz 6 und 7 bleibt unberührt.

(3) Die Außenprüfung findet während der üblichen Geschäfts- oder Arbeitszeit statt. Die Prüfer sind berechtigt, Grundstücke und Betriebsräume zu betreten und zu besichtigen. Bei der Betriebsbesichtigung soll der Betriebsinhaber oder sein Beauftragter hinzugezogen werden.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b der Abgabenordnung (AO).

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) führte ab November 2009 bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, eine Betriebsprüfung (betreffend die Jahre 2005 bis 2007) durch. Am 24./25. November 2009 forderte die Prüferin die Klägerin erstmals auf, Nachweise über die "sonstigen Rückstellungen (management creativ)" sowie die Verträge zwischen der Klägerin und der "V-Ltd. (Darlehensvertrag, Managementvertrag o.ä.)" vorzulegen und die "Kosten für die Management Fee" zu erläutern. Anlässlich einer Betriebsbesichtigung (1. Dezember 2009) wurde der Prüferin erläutert, dass die angeforderten Unterlagen einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen übersandt worden seien. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 setzte die Prüferin eine Frist zur Vorlage der Unterlagen bis zum 22. Januar 2010; die Frist wurde mit weiterem Schreiben vom 3. Februar 2010 bis zum 25. Februar 2010 verlängert. Nachdem die Klägerin im Rahmen der Schlussbesprechung (23. März 2010) erneut auf die angeforderten Nachweise hingewiesen worden war, teilte der von der Klägerin bevollmächtigte Steuerberater am 12. April 2010 der Prüferin telefonisch mit, dass die Unterlagen unterwegs seien; am 23. April 2010 gab er an, dass die Unterlagen noch nicht vollständig seien, er sie aber am selben Tage absenden würde. Mit Schreiben vom 12. Mai 2010 forderte das FA die Klägerin erneut auf, die vorgenannten Nachweise und Unterlagen (betreffend Rückstellung "management creativ; Darlehens- und Managementverträge mit der V-Ltd.; Erläuterung der Kosten der Management Fee") bis 25. Mai 2010 einzureichen; zugleich wies das FA darauf hin, dass ein Verzögerungsgeld von mindestens 2.500 € und maximal 250.000 € festgesetzt werde, wenn die Klägerin die Unterlagen nicht fristgerecht und vollständig einreiche.

3

Da die Klägerin auch dieser Aufforderung nicht nachkam, setzte das FA mit Bescheid vom 31. Mai 2010 ein Verzögerungsgeld in Höhe von 5.000 € fest. Nach dem Begründungsteil des Bescheids ergibt sich dieser Betrag aus der Dauer der Fristüberschreitung sowie daraus, dass die Beendigung der Betriebsprüfung beeinträchtigt worden sei.

4

In dem am 9. Juni 2010 erstellten Prüfungsbericht wurden --jeweils wegen fehlender Nachweise-- die Rückstellungen für "management creativ" zum 31. Dezember 2006 sowie zum 31. Dezember 2007 in Höhe von 20.000 € aufgelöst und die nicht abziehbaren Aufwendungen um die Kosten für die Management Fee (2006: 47.095 €; 2007: 39.038 €) erhöht.

5

Zur Begründung ihres Einspruchs gegen den Bescheid vom 31. Mai 2010 hat die Klägerin mit Schreiben vom 30. Juni 2010 vorgetragen, dass --wie der Prüferin bekannt sei-- bei der Gesellschaft im Hinblick auf den geplanten Verkauf der Unternehmensgruppe eine Due Diligence Prüfung vorgenommen werde und deshalb die Erlangung der Unterlagen aus Großbritannien äußerst schwierig gewesen sei. Die Höhe des Verzögerungsgelds sei --so die Klägerin weiter-- unangemessen, die Unterlagen würden spätestens Anfang nächster Woche eingereicht.

6

Der Einspruch wurde mit Bescheid vom 30. Juli 2010 zurückgewiesen. Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO sei --so das FA-- erfüllt. Umstände, die es rechtfertigten, von der Festsetzung eines Verzögerungsgelds abzusehen, lägen nicht vor. Da zwischen der ersten und der letzten Aufforderung ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten gelegen habe, seien auch die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Unterlagen aus Großbritannien sehr großzügig beachtet worden; zudem habe die Klägerin auf die letzte Fristsetzung (vom 12. Mai 2010) nicht reagiert. Im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds wiederholt die Einspruchsentscheidung zum einen die Erläuterungen des Bescheids vom 31. Mai 2010 (Dauer der Fristüberschreitung; Beeinträchtigung des Prüfungsabschlusses; s.o.); zum anderen führt die Einspruchsentscheidung aus, dass das Verzögerungsgeld für zwei Pflichtverletzungen (kein Nachweis der Rückstellung "management creativ" sowie der Kosten für (die) "Management Fee") jeweils in Höhe des vorgeschriebenen Mindestbetrags (2.500 €) festgesetzt worden sei. Schließlich sei auch der Vollzug des Festsetzungsbescheids nicht entsprechend der Regelung des § 335 AO einzustellen. Die Vorschrift sei auf das Verzögerungsgeld, bei der es sich um eine eigenständige steuerliche Nebenleistung handle, nicht anwendbar. Im Übrigen seien die geforderten Nachweise auch im Verlauf des Einspruchsverfahrens nicht erbracht worden.

7

Mit der Klage wurde u.a. geltend gemacht, dass die Vertragsunterlagen in London bzw. Amerika zusammengetragen worden und die Unterlagen für die Management Fee nicht auffindbar gewesen seien. Zudem sei die beauftragte Buchhalterin aufgrund der Erkrankung ihres Ehemanns aus einem Urlaub "über den Jahreswechsel" nicht zurückgekehrt. Hinzu komme, dass das FA unmittelbar nach der Festsetzung des Verzögerungsgelds den Prüfungsbericht fertiggestellt und die nicht aufgeklärten Sachverhalte zu Lasten der Klägerin gewertet habe. Insbesondere hält die Klägerin die Festsetzung des Verzögerungsgelds für zwei Pflichtverletzungen für unverhältnismäßig. Auch sei die Anforderung über den Nachweis der Kosten für die Management Fee unangemessen gewesen, da sich die Gründe für dieses Entgelt aus der --der Prüferin bekannten-- Gesamtkonstruktion (Gründung einer deutschen Gesellschaft unter Rückgriff auf Erfahrungen und Beratungsleistungen aus Großbritannien) ergeben hätten.

8

Die Vorinstanz hat der Klage stattgeben (vgl. Finanzgericht --FG-- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Januar 2012  12 K 12205/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 898). Dabei hat das FG offengelassen, ob bereits deshalb von einem Ermessensfehlgebrauch ausgegangen werden müsse, weil das FA auf die Gründe der Säumnis und damit auf Verschuldensaspekte nicht eingegangen sei. Jedenfalls sei ein Ermessensfehler darin zu sehen, dass nicht für sämtliche Pflichtverstöße ein einheitliches Verzögerungsgeld festgesetzt worden sei. Gegen den vom FA beschrittenen Weg --Bemessung des Verzögerungsgelds durch Multiplikation der Pflichtverstöße mit dem Mindestbetrag (2.500 €)-- spreche nicht nur der Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO, sondern auch, dass die Vorgehensweise des FA zu unverhältnismäßigen und willkürlichen Festsetzungen führen könne. Letzteres zeige sich auch im Streitfall, da die Klägerin gegen drei Vorlage- und Auskunftspflichten verstoßen, das FA der Bemessung des Verzögerungsgelds aber nur zwei Pflichtverstöße zugrunde gelegt habe; umgekehrt sei --wenn man zwischen den angeforderten Darlehens- und Managementverträgen unterscheide-- auch die Annahme von vier Verstößen denkbar gewesen.

9

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA, dass die Festsetzung von Verzögerungsgeldern nach der Anzahl der Pflichtverstöße mit dem Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO vereinbar sei und der Ansicht der Finanzverwaltung entspreche. Auch liege hierin --entgegen der Auffassung der Vorinstanz-- kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Festsetzung eines Verzögerungsgelds auf "wesentliche Fälle" zu beschränken sei und im Hinblick auf die Höhe des festzusetzenden Betrags nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. April 2010 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 676) unter anderem die Dauer der Fristüberschreitung, die Gründe der Pflichtverletzung, die Häufigkeit der Verzögerung oder Verweigerung sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Betriebsprüfung zu berücksichtigen seien. Im Streitfall habe das FA sein Entschließungsermessen zutreffend ausgeübt; insbesondere habe es --abweichend von den Ausführungen der Vorinstanz-- erläutert, weshalb die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der angeforderten Unterlagen die Pflichtverletzungen der Klägerin nicht entschuldigt hätten. Zudem habe die Klägerin noch im April 2010 mitgeteilt, dass die Unterlagen nunmehr vorlägen und übersandt würden. Auf den Ausfall der Buchhalterin habe das FA nicht eingehen können, da dieser Umstand erstmals im Klageverfahren vorgetragen worden sei; hiervon abgesehen könne er die Nichtvorlage der Unterlagen über Monate hinweg nicht rechtfertigen. Ebenso sei es nicht zu beanstanden, dass das FA beide Verzögerungsgelder --ausgehend von den Erwägungen im Rahmen des Entschließungsermessens-- nach dem gesetzlichen Mindestbetrag bemessen habe. Es liege somit keine bloße Vervielfältigung dieses Betrags vor.

10

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11

Die Klägerin hat im Revisionsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtordnung --FGO--).

13

1. Nach § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt. Die Vorschrift wurde durch Art. 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74) --JStG 2009-- mit Wirkung vom 25. Dezember 2008 (Art. 39 Abs. 1 und Abs. 8 JStG 2009) als neue steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO) eingeführt. Sie steht zwar im Zusammenhang mit der ebenfalls durch das JStG 2009 geschaffenen Regelung in § 146 Abs. 2a AO, nach welcher das FA dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen bewilligen kann, seine Buchführung in das Ausland zu verlagern, und will für den Fall, dass die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht oder nicht mehr gegeben sind, die zeitnahe Rückführung der Buchführung flankieren (vgl. § 146 Abs. 2a Satz 3 i.V.m. Abs. 2b AO). Gleichwohl ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass ein Verzögerungsgeld im Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift sowie der Intention des Gesetzgebers (BTDrucks 16/10189, S. 81: "Vermeidung von Ungleichbehandlungen") auch dann festgesetzt werden kann, wenn der Steuerpflichtige seine Bücher und Aufzeichnungen im Inland führt und aufbewahrt, er jedoch der ihm im Rahmen einer Außenprüfung obliegenden Mitwirkungspflicht zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen (§ 200 Abs. 1 AO) innerhalb angemessener Frist nicht nachkommt (BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; vom 28. Juni 2011 X B 37/11, BFH/NV 2011, 1833, jeweils m.w.N.).

14

2. Der BFH hat es zwar in dem Aussetzungsbeschluss in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855 als i.S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO ernstlich zweifelhaft angesehen, ob im Hinblick auf die fortdauernde Nichtvorlage derselben Unterlagen ein Verzögerungsgeld mehrfach festgesetzt werden kann (vgl. nunmehr auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, Referat IV A 4, zu Frage 18; abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/001_a1.html, Suchwort: Verzögerungsgeld; a.A. Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485). Über die hiervon zu unterscheidende und gleichfalls umstrittene Frage, ob im Falle der Verletzung mehrerer Mitwirkungspflichten für jeden Pflichtverstoß jeweils ein gesondertes Verzögerungsgeld --z.B. in Höhe des Mindestbetrags von 2.500 €-- ausgesprochen werden kann, hat der BFH hingegen noch nicht entschieden. Die Ansichten hierzu sind geteilt. Während nach Auffassung der Finanzverwaltung jede Pflichtverletzung mit einem gesonderten ("getrennten") Verzögerungsgeld belegt werden kann (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 17), wird in der Rechtsprechung der FG eine Vervielfältigung des Mindestsatzes (2.500 €) entsprechend der Anzahl der Pflichtverstöße ohne deren eigenständige Gewichtung als ernstlich zweifelhaft angesehen (Beschluss des Hessischen FG vom 8. August 2011  8 V 1281/11, EFG 2011, 1949; Beschluss des FG Hamburg vom 16. November 2011  2 V 173/11, EFG 2012, 382). Dem wird im Schrifttum teilweise zugestimmt (z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 51b); andere vertreten hingegen die Ansicht, dass zwar das Verzögerungsgeld für jede (einzelne) Verletzung der Mitwirkungspflicht ausgesprochen werden könne, jedoch die Aufforderung zur Vorlage mehrerer Urkunden in einem Schriftstück als nur ein Mitwirkungsverlangen zu werten sei und dessen Verletzung nur mit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds sanktioniert werden dürfe (Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 146 Rz 36).

15

3. Das anhängige Verfahren gibt dem Senat keine Gelegenheit, zu diesem Meinungsstreit abschließend Stellung zu nehmen. Insbesondere hat der Senat nicht darauf einzugehen, ob dann, wenn beispielsweise im Rahmen einer Außenprüfung die Mitwirkungsverlangen zu verschiedenen Prüfungsfeldern ergehen und der Steuerpflichtige diesen nicht entspricht, das FA befugt ist, für die die jeweiligen (einzelnen) Prüfungsfelder betreffenden Verstöße ein gesondertes Verzögerungsgeld auszusprechen, oder ob es hierzu weiterer Voraussetzungen --wie z.B. der zeitlichen Staffelung der Mitwirkungsaufforderungen-- bedarf. Im Streitfall kommt es hierauf nicht an, da selbst dann, wenn man im Falle des Verstoßes gegen mehrere Mitwirkungspflichten die gleichzeitige Festsetzung je eines Verzögerungsgelds für grundsätzlich zulässig erachten würde, der angefochtene Bescheid --wie vom FG im Ergebnis zu Recht erkannt-- aufzuheben wäre.

16

a) Die Festsetzung des Verzögerungsgelds erfordert nach § 146 Abs. 2b AO neben den zwingenden tatbestandlichen Voraussetzungen (z.B. Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht gemäß § 200 Abs. 1 AO) eine zweifache Ermessensentscheidung der Behörde, nämlich erstens im Hinblick darauf, ob im jeweiligen Einzelfall ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird (sog. Entschließungsermessen), sowie zweitens --falls das Entschließungsermessen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeübt wird-- eine Entscheidung über die Höhe der Sanktion innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens von mindestens 2.500 € bis höchstens 250.000 € (sog. Auswahlermessen; vgl. insgesamt BFH-Beschlüsse in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; in BFH/NV 2011, 1833). Diese zweistufige Ermessensprüfung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers: Während der Gesetzentwurf der Bundesregierung --zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. dazu nachfolgend zu II.3.a bb) --einen behördlichen Ermessensspielraum nur im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds eröffnen wollte (vgl. BTDrucks 16/10189, S. 26, 81), ist der letzte Halbsatz des § 146 Abs. 2b AO-- auf Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestags (BTDrucks 16/11055, S. 81) mit dem ausdrücklichen Ziel geändert worden ("kann... festgesetzt werden"), ein "Entschließungsermessen einzufügen" (BTDrucks 16/11108, S. 47).

17

aa) Der Ermessenscharakter des § 146 Abs. 2b AO hat allgemein zur Folge, dass die Finanzgerichte die Festsetzung des Verzögerungsgelds nur eingeschränkt überprüfen können. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung gegeben und hat das FA den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt sowie seine Entscheidung hinreichend begründet (§ 121 AO, ggf. i.V.m. § 126 AO; vgl. auch § 102 Satz 2 FGO), ist der gerichtlichen Kontrolle die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) zugrunde zu legen. Des Weiteren ist die Prüfung nach § 102 Satz 1 FGO darauf beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob das FA von seinem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihm zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung) oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz missachtet hat (vgl. zu allem Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 102 FGO Rz 61 ff., Rz 86 ff., Rz 94 ff., jeweils mit umfangreichen Nachweisen).

18

bb) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur erforderlich und geeignet, sondern hierzu auch in einem angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren Verhältnis stehen muss (vgl. Wernsmann in HHSp, § 5 AO Rz 169), genießt Verfassungsrang und ist deshalb stets auch bei der Auslegung und Anwendung von Normen des einfachen Rechts --mithin auch bei der Ermessensausübung durch die Finanzämter-- zu beachten (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1976  2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101, 106). Hiermit übereinstimmend hat auch der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des § 146 Abs. 2b AO als Ermessensvorschrift eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Handhabung der Vorschrift durch die Finanzbehörden "gewährleisten" wollen (BTDrucks 16/10189, S. 81).

19

aaa) Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass das FA die Höhe des Verzögerungsgelds, dessen Zweck nach herrschender Meinung nicht nur darin zu sehen ist, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten (BTDrucks 16/10189, S. 81), sondern auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten zu sanktionieren (vgl. z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 25, m.w.N.; kritisch Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz 48), insbesondere an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten hat (vgl. auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O.).

20

bbb) Da aber das Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € festzusetzen ist und es sich hierbei nicht um einen Bagatellbetrag handelt, müssen die nämlichen Merkmale auch bei der Ausübung des sog. Entschließungsermessens, d.h. bei der Entscheidung der Finanzbehörden darüber zum Tragen kommen, ob gegenüber dem Steuerpflichtigen ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird. Maßstab auch dieser Ermessensentscheidung des FA sowie nachvollziehbarer Gegenstand ihrer Begründung (§ 121 AO) muss deshalb sein, ob die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe der Sanktionsmindestgrenze (2.500 €) mit Rücksicht auf die Umstände der zu beurteilenden Pflichtverletzung/en sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Prüfung angemessen ist. Demnach ist es ausgeschlossen, im Rahmen des Entschließungsermessens von einer Vorprägung auszugehen, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 200 Abs. 1 AO) --unabhängig davon, ob den Steuerpflichtigen ein Schuldvorwurf trifft-- grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führt; erforderlich ist vielmehr auch insoweit eine an der Sanktionsuntergrenze (2.500 €) auszurichtende Würdigung des Einzelfalls. Nur diese Beurteilung stellt sicher, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds durchgängig den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entspricht (überwiegende Meinung; z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 30; Kuhfus in: Kühn/v.Wedelstädt, 20. Aufl., AO, § 146 AO Rz 14g; Dißars in Schwarz, AO, § 146 Rz 49; Göttker in juris Lexikon Steuerrecht, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, Rz 16 ff.; Drüen, Die Unternehmensbesteuerung 2011, 83, 87 f.; Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485, 1487; FG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 3. Februar 2010  3 V 243/09, EFG 2010, 686; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2012  3 V 3006/12, EFG 2012, 1225; a.A. insoweit BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 6; Gebbers, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2009, 162, 167; derselbe, StBp 2009, 196; Geißler, Neue Wirtschafts-Briefe 2009, 4076, 4080).

21

ccc) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert damit zugleich, dass der Gegenstand des Entschließungsermessens mit demjenigen des Auswahlermessens übereinstimmt. Er ist demnach verletzt, wenn die Entscheidung, ob es überhaupt angemessen ist, ein Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € auszusprechen (Entschließungsermessen), aus der Summe (d.h. dem Bündel) der Pflichtverletzungen abgeleitet wird, bei der hieran anschließenden Ermessenentscheidung dazu, ob es --im nämlichen Fall-- angemessen und zumutbar ist, den Mindestsatz zu überschreiten (Auswahlermessen), das FA hingegen auf die einzelne Pflichtverletzung abstellt und diese jeweils --ohne weitere die Gesamtheit der Verstöße betreffende Erwägungen-- in Höhe von 2.500 € (Mindestsatz) sanktioniert. Letzteres kann zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Gebots der Verhältnismäßigkeit nur dann in Betracht kommen, wenn das FA im Rahmen der Ausübung seines Entschließungsermessens zu dem nachvollziehbaren und begründeten Ergebnis gekommen ist, dass jede einzelne der in Frage stehenden Mitwirkungspflichten --für sich genommen-- die Belastung des Steuerpflichtigen mit einem Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € rechtfertigt.

22

b) Demnach kann im Streitfall die Festsetzung des Verzögerungsgelds gegenüber der Klägerin keinen Bestand haben. Dabei kann unentschieden bleiben, ob --was dem Senat naheliegend erscheint-- der Bescheid vom 31. Mai 2010 (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2010) auf die Festsetzung nur eines Verzögerungsgelds gerichtet ist, dessen Höhe (5.000 €) aus der Verdoppelung des Mindestsatzes abgeleitet wurde (Variante 1), oder ob die Einspruchsentscheidung dahin zu verstehen sein könnte, dass gegenüber der Klägerin in zusammengefasster Form sowohl für die Nichtvorlage der Nachweise zur Rückstellung "management creativ" als auch angesichts der fehlenden Erläuterungen und Nachweise bezüglich der "Management Fee" jeweils ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € ausgesprochen worden ist (Variante 2).

23

Der von der Klägerin angefochtene Bescheid ist ungeachtet dieses Auslegungsspielraums zum einen bereits deshalb ermessensfehlerhaft, weil das FA der Ausübung seines Entschließungsermessens (Entscheidung über die Festsetzung eines Verzögerungsgelds) die Nichtvorlage der angeforderten prüfungsrelevanten Unterlagen und Erläuterungen und damit eine zusammenfassende Würdigung aller Pflichtverletzungen der Klägerin zugrunde gelegt hat, und es hiernach gemäß den vorstehenden Erläuterungen ausgeschlossen ist, diesen Beurteilungsgegenstand im Rahmen des Auswahlermessens aufzulösen, d.h. für jede einzelne Verletzung der Mitwirkungspflichten ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € anzusetzen (Auslegungsvariante 1) oder festzusetzen (Auslegungsvariante 2). Zum anderen kann der Bescheid auch deshalb keinen Bestand haben, weil auch Ermessensentscheidungen zu begründen sind (§ 121 AO; Lange in HHSp, § 102 FGO Rz 89) und sich weder der Einspruchsentscheidung noch dem Bescheid vom 31. Mai 2010 mit der gebotenen Sicherheit entnehmen lässt, dass das FA sein Entschließungsermessen über die Festsetzung des Verzögerungsgelds mit Rücksicht auf die Sanktionsuntergrenze von 2.500 € ausgeübt hat. Vielmehr legt die Einspruchsentscheidung die Vermutung nahe, dass die Behörde --im Einklang mit der Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., dort zu Frage 6)-- von einer verschuldensunabhängigen Vorprägung ihrer Ermessensbefugnis in dem Sinne ausgegangen ist, dass die Verletzung der Mitwirkungsverpflichtungen grundsätzlich die Sanktion des Verzögerungsgelds trage. Ein solches Verständnis ist jedoch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar.

24

4. Da die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt ist, die Ermessensentscheidung des FA in den aufgezeigten Grenzen zu überprüfen und dem Senat hiernach auch nicht die Befugnis zusteht, sein eigenes Ermessen an die Stelle der Verwaltungsbehörde zu setzen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460; vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, jeweils m.w.N.), war der angefochtene Bescheid ungeachtet dessen aufzuheben, ob im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensausübung die Festsetzung eines Verzögerungsgelds --sei es in Höhe von 5.000 €, sei es mit einem geringeren Betrag-- hätte gerechtfertigt sein können.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Finanzgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an den Bundesfinanzhof zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozessleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über die Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse nach §§ 91a und 93a, Beschlüsse über die Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen, Sachverständigen und Dolmetschern, Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahme sowie Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 und 5 und über einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 steht den Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 entsprechend.

(4) In Streitigkeiten über Kosten ist die Beschwerde nicht gegeben. Das gilt nicht für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.