Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 05. März 2013 - 6 K 1270/13

ECLI:ECLI:DE:FGRLP:2013:0305.6K1270.13.0A
bei uns veröffentlicht am05.03.2013

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Bewilligung von Kindergeld für die Tochter J (geboren im Januar 1998). Im vorliegenden – abgetrennten – Verfahren ist die Zulässigkeit einer Klageerweiterung nach Ablauf der Klagefrist streitig.

2

Die Klägerin ist polnische Staatsangehörige. Ihr Antrag auf Kindergeld vom 30. Oktober 2006, bei der Beklagten eingegangen am 30. November 2006, wurde mit Bescheid vom 27. Dezember 2006 abgelehnt. In der Begründung heißt es, dass nach § 62 EStG Anspruch auf Kindergeld habe, wer seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik habe oder im Ausland wohne, aber in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sei oder als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werde. Nach den vorliegenden Unterlagen seien diese Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt.

3

Der hiergegen form- und fristgerecht eingelegte Einspruch führte nicht zum Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 04. Februar 2008 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. In der Begründung zur ablehnenden Einspruchsentscheidung heißt es u.a., dass im vorliegenden Fall die Klägerin mit dem Antrag auf Kindergeld die Übersetzung einer Bestätigung des Stadtzentrums für Familienhilfe, K, vorgelegt habe. Dieser Bestätigung sei zu entnehmen, dass über das Stadtzentrum für Familienhilfe in K für die Zeit vom 01. Mai 2004 bis 31. August 2005 sowie vom 01. September 2005 bis zum 31. August 2006 polnisches Kindergeld i.H.v. 43,00 PLN (polnische Zloty) monatlich für die Tochter bewilligt worden sei. Die Zusage polnischer Familienleistungen an die Klägerin bestätige, dass diese im streitigen Zeitraum offensichtlich nicht den deutschen, sondern den polnischen Rechtsvorschriften unterlegen habe. Die Zuständigkeit des anderen Mitgliedsstaates habe zur Folge, dass vorliegend insgesamt auf die Vorschriften dieses Mitgliedsstaates verwiesen werde und zwar unabhängig davon, ob und in welcher Höhe dort im konkreten Einzelfall eine Kindergeldzahlung vorgesehen sei. Auch die Zahlung von Aufstockungsbeträgen zwischen einem eventuell niedrigerem ausländischen Kindergeld und dem deutschen Kindergeld komme nicht in Betracht, da deutsches Kindergeldrecht nicht anwendbar sei.

4

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 06. März 2008 eingegangenen Klage, die zunächst unter dem Aktenzeichen 2 K 1306/08 geführt worden ist. In der Klageschrift der Prozessbevollmächtigten der Klägerin heißt es zum Klageantrag:

5

„1. Unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 27.12.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.02.2008 – Az.: F01 – KG-Nr. ... – wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Teil-Kindergeld für das Kind M für die Monate August 2004 bis einschließlich Oktober 2004 sowie von Mai 2005 bis einschließlich August 2005 zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.“

6

Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2009 – unmittelbar vor dem ersten Sitzungstermin – hat die Klägerin sodann folgenden Antrag gestellt:

7

„In Präzisierung bzw. Korrektur zum früher hier gestellten Antrag wird innerhalb der mündlichen Verhandlung für die Klägerin der nachfolgende Antrag gestellt werden:

1. Unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 27.12.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.02.2008 – Az.: F01 – KG-Nr. ... – wird die Beklagte verpflichtet, gegenüber der Klägerin Kindergeld für das Kind M in Höhe von 3.696,00 € festzusetzen und zu gewähren.“

8

Hinsichtlich der Zulässigkeit der Klageerweiterung verweist die Klägerin „exemplarisch“ auf das BFH-Urteil vom 14. März 1990 im Verfahren X R 68/82 (BFH/NV 1991, 162).

9

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor:

10

„Soweit die Beklagte zur Begründung ihrer ablehnenden Haltung auf die Vorschriften des § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG verweist, kommt diese nach gängiger Rechtsprechung vorliegend nicht zur Anwendung. Selbst wenn ein Anspruch in Polen auf vergleichbare Leistungen im maßgeblichen Zeitraum bestehen würde ist ein sog. Teilkindergeld, d.h. der gesetzliche Anspruch in Deutschland wird um die in Polen etwaig gewährten Leistungen gekürzt, zu gewähren.

 "In welchem Umfang Leistungen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, in dem der Anspruchsberechtigte und seine Familie wohnen, für dasselbe Kind auf das deutsche Kindergeld anzurechnen sind, richtet sich ausschließlich (Herv. d.d.U.) nach den Kollisionsregeln des Gemeinschaftsrechts in der VO 1408/71 und der VO Nr. 574/02. § 65Abs. 2 EStG, der die Anrechnung von im Ausland gewährten, dem Kindergeld vergleichbare Leistungen regelt, wird durch das Gemeinschaftsrecht verdrängt (Beschluss des BVerfG in BVerfGE 110, 412, BFH/NV 2005, Beilage 1, 33 unter A.I.2.a). " - BFH, Urt. v. 17.04.2008, III R 36/05; Beschl. v. 24.09.2007, III S 14/07; so auch: Pust in Littmann/Bitz/Pust, "Das Einkommensteuerrecht", Bd. 5, Stand: August 2007, § 65 Rn. 11 unter Hinweis auf Finanzgericht Münster in EFG 2000, 878; Korn, EStG, § 65 Rn. 10.

11

Diese Auffassung hat in der Literatur ihre Zustimmung gefunden vor:

12

" ... Klar ist jedenfalls: die Anwendung des § 65Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist ausgeschlossen, wenn für ein Kind Kindergeldansprüche nach den Rechtsordnungen verschiedener Staaten der Europäischen Union in Frage kommen. Nach dieser Vorschrift entfällt ein deutscher Kindergeldanspruch, wenn für das Kind im Ausland vergleichbare Leistungen gewährt werden. " - Reuß in EFG 2008, S. 1567, 1569.

13

Dass der Ausschlusstatbestand des § 65 EStG, auf den die Beklagte bzw. die Direktion/das BZSt innerhalb der geänderten Weisungslage sich beruft, in Sachverhalten mit EU-Angehörigen keine Anwendung findet und sog. Teilkindergeld zu zahlen ist, wurde bereits vom Finanzgericht Münster entschieden (11 K 998/06 Kg).

14

Die vorgenannte Vorschrift findet daher keine Anwendung; sie ist in der jetzigen Form gemeinschaftsrechtswidrig (Reuß, a.a.O.).

15

Der Grund für die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der vorgenannten Norm liegt darin, dass diese zu einem Ausschluss von inländischem Kindergeld führen würde, obwohl aufgrund des Zuweisungsgehaltes der Verordnung gerade im Inland ein Anspruch begründet sein muss. Denn es stellt eine unzulässige Diskriminierung nach dem Gemeinschaftsrecht dar, wenn ein EU-Ausländer, der einem deutschen Arbeitnehmer in jeglicher Hinsicht gleichsteht, ein Anspruch in Höhe von 154,00 €/164,00 € bzw. der Differenz in vollem Umfang versagt wird, nur weil ihm möglicherweise in einem anderen Mitgliedstaat der EU weitere Leistungen (wie im Fall von Polen in Höhe von ca. 11,00 €) zufließen würden.

16

Genau dies wäre vorliegend der Fall.

17

Die Klägerin steht einem deutschen Arbeitnehmer in jeglicher Hinsicht gleich:

18

Sie war bei einem deutschen Arbeitgeber beschäftigt und hat innerhalb ihres Arbeitsverhältnisses Leistungen in die Sozialkassen gezahlt.

19

Die Norm des § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG steht daher der VO 1408/71 bzw. dem klaren Zuweisungsgehalt der danach maßgeblichen Vorschriften entgegen, weshalb Sie wegen Ihrer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nichtig ist.

20

Die jeweiligen Familienkassen bzw. die berufenen Finanzgerichte wenden daher die maßgeblichen Konkurrenzvorschriften der VO allein nicht deshalb an (und lassen § 65 EStG alsnichtexistent "unter den Tisch fallen") weil diese als höherrangiges Recht dem § 65 EStG vorgehen, sondern weil § 65 EStG der VO bzw. den in ihr enthaltenen Konkurrenzvorschriften widerspricht und damit nicht vereinbar ist. Der Ausschlusstatbestand des § 65 EStG ist wegen seiner Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nichtig.

21

Es gibt insoweit keinen Anwendungsvorrang von höherrangigem Recht gegen niederrangiges gemeinschaftsrechtswidriges Recht.

22

Man kann eine einfachgesetzliche Regelung nicht lediglich nur außer Betracht lassen und (hilfsweise) allein das höherrangige Recht anwenden. Eine unterrangige Rechtsnorm, die mit höherrangigem (Gemeinschafts-) Recht nicht vereinbar ist, ist nichtig. Zwar können die zur Anwendung berufenen Gerichte (zunächst) wegen der Nichtigkeit und der damit bestehenden Gesetzeslücke unter alleiniger Berücksichtigung des höherrangigen Rechts gegebenenfalls entscheiden.

23

Jedoch besteht für den jeweiligen Gesetzgeber die Verpflichtung, die mit dem höherrangigen Recht unvereinbare Rechtsnorm zu beseitigen bzw. konform zu gestalten.

24

Soweit der Senat von sich aus die bereits in der Literatur vertretene Ansicht zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nicht folgen will wird ausdrücklich angeregt, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die (nachfolgend vorformulierte) Frage der Vereinbarkeit der vorgenannten Norm mit dem höherrangigen Gemeinschaftsrecht zur Vorabentscheidung vorzulegen:

25

"Sind die Artikel 13 ff der VO 1408/71 dahingehend auszulegen, dass sie einer Bestimmung des nationalen Rechts, wonach ein Anspruch auf eine von der Verordnung erfasste soziale Leistung nach diesem mitgliedstaatlichen Recht trotz Erfüllung der mitgliedstaatlichen Voraussetzungen generell ausgeschlossen ist, wenn in einem anderen Mitgliedstaat ein Anspruch auf eine vergleichbare Leistung besteht, entgegenstehen?"

26

Ergänzend trägt die Klägerin nach Ergehen einer Entscheidung im BFH-Verfahren III R 81/08 weiter vor:

27

„Zutreffend ist der Hinweis des Senates, dass das beim BFH anhängige Verfahren zum dortigen Az.: III R 81/08 (weswegen das hiesige Verfahren ausgesetzt wurde) zwischenzeitlich beendet ist.

Soweit der BFH in diesem Verfahren die erstinstanzliche Entscheidung aufhob, bestanden die Grüne hierfür allein in der dort nicht erfolgten abschließenden Klärung von Sachverhaltsfragen. Die Klärung dessen (u.a., ob der dortige Kläger dem persönlichen Anwendungsbereich der VO 1408/71 unterfällt, ob eine Zuweisung nach der VO 1408/71 in die etwaig polnischen Rechtsvorschriften die Anwendung der §§ 62 ff. EStG sperrt und ob § 65 EStG Anwendung finden kann) sind durch die Entscheidung des EuGH v. 12.06.2012 abschließend geklärt.

Damit stellt sich die zuvor ergangene Entscheidung des BFH im Verfahren III R 81/08 als (nunmehr) „nutzlos“ ohne jeden Inhalt einer Rechtserkenntnis dar.

Auch die Beklagte will daher das Ergehen einer geänderten Dienstanweisung abwarten, um mutmaßlich sodann dem Klagebegehren abhelfen zu wollen.

Soweit der Senat gleichwohl dem vorweg greifen und in der Sache in Anwendung des EuGH-Urteils entscheiden will, verschließt sich die Klägerin diesem nicht.“

28

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

29

Die Beklagte tritt der Klage entgegen.

30

Mit Beschluss des damals noch zuständigen 2. Senats beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 15. Mai 2008 ist der Rechtsstreit gem. § 6 Abs. 1 FGO dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.

31

Mit Beschluss des Einzelrichters vom 20. Oktober 2009 ist das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden bis zu einer Entscheidung im Verfahren III R 81/08. Nach Ergehen einer Entscheidung im vorgenannten BFH-Verfahren ist das Verfahren mit weiterem Beschluss vom 31. August 2012 wieder aufgenommen worden und unter dem Aktenzeichen 6 K 2236/12 fortgeführt worden.

32

In der mündlichen Verhandlung vom 05. März 2013 ist das Verfahren betreffend den Streitzeitraum Januar 2004 bis September 2006 mit Ausnahme des Zeitraums August 2004 bis Oktober 2004 und Mai 2005 bis August 2005 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 6 K 1270/13 fortgeführt worden.

Entscheidungsgründe

33

Die Klage ist unzulässig.

34

Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat. Die Wahrung der Klagefrist ist in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Sachentscheidungsvoraussetzung.

35

Auch nachdem mit Wahrung der Klagefrist die Zulässigkeitshürde des § 47 Abs. 1 FGO genommen ist, hat die Bindung der Anfechtungsklage an eine Klagefrist fortbestehende Bedeutung und zwar insbesondere für den Fall der Klageänderung nach § 67 FGO und den Fall der Klageerweiterung nach § 155 FGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO. Eine Klageänderung und eine Klageerweiterung sind bei fristgebundenen Klagen nach Ablauf der Klagefrist unzulässig (von Groll in Gräber, FGO, 7.Aufl., § 47 FGO Rz. 3 und von Beckerath in Beermann/Gosch, AO und FGO, § 47 FGO Rz. 127). Die Klagefrist nach § 47 FGO soll Klarheit darüber schaffen, ob die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung in Frage gestellt wird oder in ihrem Bestand gesichert ist. Steht fest, dass ein bestimmter Verwaltungsakt nicht angefochten oder dass ein Verwaltungsakt nur in bestimmtem Umfang durch Anfechtung in Frage gestellt wird, so erwächst der Verwaltungsakt in Bestandskraft bzw. Teilbestandskraft (so zutreffend von Beckerath in Beermann/Gosch, AO und FGO, § 47 FGO Rz. 127).

36

Der über § 155 FGO anwendbare § 264 Nr. 2 ZPO befreit zwar bei einer bloß betragsmäßigen Erweiterung oder Einschränkung des Klagebegehrens von der Forderung der Einwilligung der übrigen Beteiligten oder der Sachdienlichkeit, nicht dagegen von der Forderung des § 47 FGO nach Einhaltung auch hinsichtlich des Erweiterungsbetrages. Dementsprechend hat der BFH – der Rechtsprechung des BVerwG und des BSozG folgend – zutreffend entschieden, dass eine zunächst nur beschränkt erfolgte Anfechtung nicht nach Ablauf der Klagefrist erweitert werden kann. In seinem Urteil vom 26. Januar 1982 (VII R 85/77, BStBl II 1982, 358) hat er dazu ausgeführt:

37

„Die Klägerin hat zwar in der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 1977 gemäß § 92 Abs. 3 FGO den uneingeschränkten Antrag gestellt, den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. In dem Umfang, in dem dadurch der bisherige Antrag, lediglich den Steuerbetrag herabzusetzen, erweitert wurde, war die Klage jedoch unzulässig. Denn mit dem bisherigen Antrag hatte die Klägerin den Willen bekundet, den nach seinem Inhalt teilbaren Verwaltungsakt nur hinsichtlich des 11 614,10 DM übersteigenden Betrages anzufechten. Das entsprach ihrer durch § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO bestätigten Dispositionsbefugnis. Infolge der nur beschränkten Anfechtung des Steuerbescheides wurde dieser hinsichtlich des Betrages von 11 614,10 DM mit Ablauf der Klagefrist unanfechtbar. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO begann die Klagefrist von einem Monat mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 15. September 1976. Die Entscheidung wurde am 20. September 1976 abgesandt und galt damit nach § 17 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) a.F. als am 23. September 1976 bekanntgegeben. Die Klagefrist endete somit am 28. Oktober 1976. Als daher die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 24.Februar 1977 beantragte, den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung in vollem Umfang aufzuheben, war die Klagefrist abgelaufen. Die mit Ablauf der Klagefrist eingetretene Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung hinsichtlich des Teilbetrages von 11 614,10 DM konnte nicht durch Erweiterung des Klagebegehrens in der mündlichen Verhandlung wieder beseitigt werden. Der erkennende Senat schließt sich damit den einen vergleichbaren Fall betreffenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in den Urteilen vom 23. März 1972 III C 132.70 (BVerwGE 40, 25, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1973 S. 36 -HFR 1973, 36-) und vom 26. April 1974 VII C 30.72 (BStBl II 1975, 317) an, in denen mit überzeugenden Gründen die Auffassung vertreten wird, daß die Beschränkung einer Anfechtungsklage auf einen Teil des mit dem Verwaltungsakt geforderten Betrages nach Ablauf der Klagefrist nicht wieder beseitigt werden kann, und daß dies mit der vom Großen Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Beschluß vom 17.Juli 1967 GrS 1/66 (BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344) vertretenen Auffassung über den Begriff des Streitgegenstandes vereinbar ist.“

38

Nichts anderes folgt für den Streitfall aus der weiteren Rechtsprechung des BFH, auf die auch die Klägerin Bezug nimmt (vgl. nur BFH-Urteil 18. April 2007 XI R 47/05, BStBl II 2007, 737 m.w.N.). Diese Rechtsprechung geht zurück auf eine Entscheidung des Großen Senats des BFH (Beschluss vom 23. Oktober 1989 GrS 2/87, BStBl II 1990, 327). Hier hatte der Große Senat entscheiden, dass die Anfechtungsklage gegen einen Einkommensteuerbescheid regelmäßig auch insoweit zulässig ist, als sie nach Ablauf der Klagefrist betragsmäßig erweitert wurde; habe der Kläger jedoch eindeutig zu erkennen gegeben, dass er von einem weitergehenden Klagebegehren absehe, sei die Klage insoweit unzulässig, als sie nach Ablauf der Klagefrist erweitert werde. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur kritisiert worden (vgl. etwa ausführlich von Groll in Gräber, aaO, § 47 FGO Rz. 4).

39

Der erkennende Senat hat sich nicht mit dieser Kritik auseinander zu setzen, weil auch diese vorgenannte Rechtsprechung im Streitfall zur Unzulässigkeit der Klageerweiterung führt. Der Große Senat führt aus, ein Verwaltungsakt wird nur dann zum Teil bestandskräftig, wenn die im Verfügungssatz enthaltene Regelung teilbar ist und der Verwaltungsakt nur zum Teil angefochten ist. Das Kindergeldrecht wird beherrscht vom sogenannten Monatsprinzip (vgl. etwa BFH-Urteil vom 24. Oktober 2012 V R 43/11, BFH/NV 2013, 448). Streitgegenstand einer Kindergeldklage sind daher einzelne Monate. Das bedeutet auch und insbesondere, dass der Kindergeldbescheid ein teilbarer Verwaltungsakt ist; er kann deshalb für jeden Monat geändert oder aufgehoben werden und für andere Monate unverändert bestehen bleiben (BFH-Urteil vom 21. Januar 2004 VIII R 15/02, BFH/NV 2004, 910). In gleicher Weise kann der Kindergeldbescheid lediglich für einzelne Monate angefochten werden - so wie dies im Streitfall geschehen. Dies führt aufgrund des Monatsprinzips dazu, dass grundsätzlich hinsichtlich der nicht angefochtenen Monate mit Ablauf der Klagefrist nach § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO Bestandskraft hinsichtlich der nicht angefochtenen Monate eintritt mit der Folge, dass eine sodann erfolgte Klageerweiterung nicht mehr möglich ist.

40

Die Nichteinhaltung der Klagefrist führt, soweit nicht § 56 FGO eingreift, zur Klageabweisung durch Prozessurteil (vgl. nur von Groll in Gräber, aaO, § 47 FGO Rz. 4 a.E.). Gründe für eine Wiedereinsetzung nach § 56 FGO sind im vorliegenden Streitfall weder geltend gemacht noch sonst wie nach dem Akteninhalt ersichtlich.

41

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 135 FGO abzuweisen.

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(1) Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung. (2) Nach Aufruf der Sache trägt der Vorsitzende oder der Berichterstatter den wesentlichen Inhalt der Akten vor. (3) Hierauf erhalten die Beteiligten das Wort, um ihre Anträge

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Bundesfinanzhof Urteil, 24. Okt. 2012 - V R 43/11

bei uns veröffentlicht am 24.10.2012

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist polnischer Staatsangehöriger. Er lebt mit seiner Ehefrau und zwei Kindern, S und K, in einem gemeinsamen Fami

Bundesfinanzhof Urteil, 04. Aug. 2011 - III R 81/08

bei uns veröffentlicht am 04.08.2011

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist polnischer Staatsangehöriger. Seine Ehefrau wohnt mit den gemeinsamen Kindern in Polen.

Referenzen

(1)1Für Kinder im Sinne des § 63 hat Anspruch auf Kindergeld nach diesem Gesetz, wer

1.
im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
2.
ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
a)
nach § 1 Absatz 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
b)
nach § 1 Absatz 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.
2Voraussetzung für den Anspruch nach Satz 1 ist, dass der Berechtigte durch die an ihn vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) identifiziert wird.3Die nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen.

(1a)1Begründet ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, so hat er für die ersten drei Monate ab Begründung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts keinen Anspruch auf Kindergeld.2Dies gilt nicht, wenn er nachweist, dass er inländische Einkünfte im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 mit Ausnahme von Einkünften nach § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 erzielt.3Nach Ablauf des in Satz 1 genannten Zeitraums hat er Anspruch auf Kindergeld, es sei denn, die Voraussetzungen des § 2 Absatz 2 oder Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU liegen nicht vor oder es sind nur die Voraussetzungen des § 2 Absatz 2 Nummer 1a des Freizügigkeitsgesetzes/EU erfüllt, ohne dass vorher eine andere der in § 2 Absatz 2 des Freizügigkeitsgesetzes/EU genannten Voraussetzungen erfüllt war.4Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kindergeld gemäß Satz 2 vorliegen oder gemäß Satz 3 nicht gegeben sind, führt die Familienkasse in eigener Zuständigkeit durch.5Lehnt die Familienkasse eine Kindergeldfestsetzung in diesem Fall ab, hat sie ihre Entscheidung der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen.6Wurde das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen durch die Verwendung gefälschter oder verfälschter Dokumente oder durch Vorspiegelung falscher Tatsachen vorgetäuscht, hat die Familienkasse die zuständige Ausländerbehörde unverzüglich zu unterrichten.

(2) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer erhält Kindergeld nur, wenn er

1.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt,
2.
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a)
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
b)
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
c)
nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
3.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt,
4.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält oder
5.
eine Beschäftigungsduldung gemäß § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.

1Kindergeld wird nicht für ein Kind gezahlt, für das eine der folgenden Leistungen zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre:

1.
Leistungen für Kinder, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 217 Absatz 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 30. Juni 2020 geltenden Fassung oder dem Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 270 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 16. November 2016 geltenden Fassung vergleichbar sind,
2.
Leistungen für Kinder, die von einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährt werden und dem Kindergeld vergleichbar sind.
2Soweit es für die Anwendung von Vorschriften dieses Gesetzes auf den Erhalt von Kindergeld ankommt, stehen die Leistungen nach Satz 1 dem Kindergeld gleich.3Steht ein Berechtigter in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit nach § 24 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder ist er versicherungsfrei nach § 28 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder steht er im Inland in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, so wird sein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind nicht nach Satz 1 Nummer 2 mit Rücksicht darauf ausgeschlossen, dass sein Ehegatte als Beamter, Ruhestandsbeamter oder sonstiger Bediensteter der Europäischen Union für das Kind Anspruch auf Kinderzulage hat.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist polnischer Staatsangehöriger. Seine Ehefrau wohnt mit den gemeinsamen Kindern in Polen.

2

Bis Januar 2007 war der Kläger in Polen selbständig tätig. Seither ist er als Unternehmer im Baugewerbe in Deutschland selbständig tätig und begründete in X-Stadt einen zweiten Wohnsitz. Er legte u.a. ein Schreiben in polnischer Sprache vor, bei dem es sich nach der von der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) eingeholten Übersetzung um ein Schreiben der polnischen Sozialversicherung handele, in dem ausgeführt werde, dass der Kläger vom 5. Februar 2006 bis zum Tag des Schreibens, dem 21. Juni 2007, "Versicherungsleistungen zwecks Leitung einer Wirtschaftstätigkeit erhalten" habe.

3

Die Familienkasse lehnte den Antrag des Klägers, ihm für die Kinder Kindergeld zu gewähren, im Mai 2007 ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies sie durch Einspruchsentscheidung vom 6. August 2007 als unbegründet zurück.

4

Mit Urteil vom 11. Juni 2008  5 K 2208/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 194) hob das Finanzgericht (FG) den Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung der Familienkasse auf und verpflichtete sie, über den Antrag des Klägers, ihm für die Kinder ab Januar 2007 Kindergeld zu gewähren, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen wies es die Klage ab.

5

Mit ihrer Revision rügt die Familienkasse eine unzutreffende Auslegung der Art. 1, 2 und 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 --VO Nr. 118/97-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997 Nr. L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006 --VO Nr. 1791/2006-- (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2006 Nr. L 363, S. 1).

6

Die Familienkasse beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

8

Er trägt im Wesentlichen vor, er sei in Polen pflichtversichert, da es für einen polnischen Staatsangehörigen nicht möglich sei, ein Geschäft oder eine sonstige Tätigkeit in Polen oder in einem anderen Staat der Europäischen Union (EU) auszuüben, ohne dort versichert zu sein. In Polen werde für seine Kinder kein Kindergeld gezahlt, weil er, der Kläger, ausschließlich in Deutschland tätig sei. Er unterfalle nicht dem persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71. Die von der Familienkasse aufgeworfene Frage, ob ein polnischer Staatsangehöriger, der im Inland einer selbständigen Tätigkeit nachgehe und einen Antrag auf Kindergeld gestellt habe, dann nicht dem persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 unterfalle, wenn er wegen dieser Tätigkeit im Inland nicht der Versicherungspflicht in der deutschen Sozialversicherung unterliege, betreffe die Auslegung der VO Nr. 1408/71 und sei daher vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu klären.

9

Selbst wenn man davon ausgehe, dass er, der Kläger, vom persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst werde, seien auf ihn nach deren Art. 13 Abs. 2 Buchst. b die deutschen Rechtsvorschriften anzuwenden, denn er übe seine selbständige Tätigkeit ausschließlich in Deutschland aus. Wenn der Normgeber tatsächlich, wie die Familienkasse meine, hätte vermeiden wollen, dass eine Person den Sozialversicherungssystemen bzw. Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten unterliege, hätte er nicht an die jeweilige Ausübung der Tätigkeit in einem Mitgliedstaat anknüpfen dürfen. Die VO Nr. 1408/71 solle verhindern, dass eine Person unverdient Doppelleistungen in Anspruch nehme, andererseits aber sicherstellen, dass sie ihr zweifellos zustehende Leistungen jedenfalls von einem Mitgliedstaat erhalte. Letzteres unterbleibe in seinem Fall jedoch.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

11

1. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise geht das FG zwar davon aus, dass der Kläger i.S. des § 62 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und dass einer Berücksichtigung seiner Kinder nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht entgegensteht, dass diese in Polen leben. Dem Urteil des FG lässt sich allerdings nicht entnehmen, ob die Kinder auch die weiteren Voraussetzungen erfüllen, die für ihre Berücksichtigung nach § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 3 bis 5 EStG erforderlich sind.

12

Nicht gefolgt werden kann dem FG darüber hinaus insoweit, als es davon ausgeht, dass ein Anspruch des Klägers nach den §§ 62 f. EStG allenfalls nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, nicht aber auch nach den vorrangigen Bestimmungen der VO Nr. 1408/71 ausgeschlossen sein könnte. Die bisherigen Feststellungen des FG ermöglichen allerdings keine abschließende Entscheidung dazu, ob der Kläger vom persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst wird und welches Recht in diesem Fall auf ihn anzuwenden wäre.

13

2. Ein Anspruch des Klägers auf Kindergeld nach den §§ 62 f. EStG könnte durch die VO Nr. 1408/71 und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (VO Nr. 574/72) in ihrer durch die VO Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die VO Nr. 1791/2006, ausgeschlossen sein.

14

a) Auf den Streitfall sind noch diese Verordnungen anzuwenden. Die VO Nr. 1408/71 wurde zwar ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit --VO Nr. 883/2004-- (ABlEU 2004 Nr. L 166, S. 1). Letztere gilt jedoch nach ihrem Art. 91 Abs. 2 erst ab dem Tag des Inkrafttretens der zu ihrer Durchführung erlassenen Verordnung. Diese --die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO Nr. 883/2004 --VO Nr. 987/2009-- (ABlEU 2009 Nr. L 284, S. 1)-- trat nach ihrem Art. 97 Satz 2 erst am 1. Mai 2010 in Kraft. Die VO Nr. 574/72 wurde nach Art. 96 Abs. 1 der VO Nr. 987/2009 erst mit Wirkung vom 1. Mai 2010 aufgehoben. Für den Streitfall gelten demnach noch die VO Nr. 1408/71 und die hierzu ergangene VO Nr. 574/72.

15

b) Als Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 unterfällt das Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. h der VO Nr. 1408/71 ihrem sachlichen Geltungsbereich (z.B. EuGH-Urteil vom 14. Oktober 2010 C-16/09, Schwemmer, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht --ZESAR-- 2011, 86 Rdnr. 33).

16

c) Die bisherigen Feststellungen des FG reichen jedoch nicht aus, um beurteilen zu können, ob der Kläger auch dem persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 unterfällt.

17

aa) Der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 wird im Rahmen der allgemeinen Vorschriften des Titels I in Art. 2 der VO Nr. 1408/71 festgelegt. Nach ihrem Art. 2 Abs. 1 gilt die Verordnung insbesondere für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.

18

Die in dieser Vorschrift verwendeten Begriffe "Arbeitnehmer" und "Selbständiger" werden in Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 definiert. Sie bezeichnen jede Person, die im Rahmen eines der in Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 aufgeführten Systeme der sozialen Sicherheit gegen die in dieser Vorschrift angegebenen Risiken unter den dort genannten Voraussetzungen versichert ist. Eine Person besitzt somit z.B. die Arbeitnehmereigenschaft i.S. der VO Nr. 1408/71, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines der in Art. 1 Buchst. a dieser Verordnung genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist, und zwar unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses (z.B. EuGH-Urteile vom 7. Juni 2005 C-543/03, Dodl und Oberhollenzer, Slg. 2005, I-5049 Rdnrn. 29 ff.; vom 10. März 2011 C-516/09, Borger, Europäische Zeitung für Wirtschaftsrecht 2011, 436 Rdnrn. 28 ff.). Es ist nicht die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit maßgeblich, sondern der Versichertenstatus (Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach D, I. Kommentierung, Art. 72 der VO Nr. 1408/71 Rz 5). Die VO Nr. 1408/71 soll also grundsätzlich für alle Personen gelten, die im Rahmen der für Arbeitnehmer und Selbständige bereitgestellten Systeme sozialer Sicherheit oder aufgrund der Ausübung einer Arbeitnehmer- oder Selbständigentätigkeit versichert sind (vgl. ihren Erwägungsgrund Nr. 3).

19

bb) Für die Frage, ob der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 eröffnet ist, kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer bzw. Selbständige auch die Voraussetzungen erfüllt, die in ihrem Anhang I Teil I Buchst. E aufgeführt sind. Denn die in dieser Bestimmung enthaltenen Einschränkungen gelten, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt ("Ist ein deutscher Träger der zuständige Träger für die Gewährung der Familienleistungen gemäß Titel III Kapitel 7 der Verordnung, ..."), nur für die Vorschriften des Titels III Kapitel 7 der VO Nr. 1408/71, d.h. bei Anwendung ihrer Art. 72 ff. (z.B. EuGH-Urteile vom 12. Mai 1998 C-85/96, Martinez Sala, Slg. 1998, I-2691 Rdnrn. 35 ff., 43 f., und vom 4. Mai 1999 C-262/96, Sürül, Slg. 1999, I-2685 Rdnrn. 89 ff.; ferner EuGH-Urteile vom 30. Januar 1997 C-4/95 und C-5/95, Stöber und Pereira, Slg. 1997, I-511 Rdnrn. 26 ff.; vom 12. Juni 1997 C-266/95, Garcia, Slg. 1997, I-3279 Rdnrn. 21 ff., und vom 5. März 1998 C-194/96, Kulzer, Slg. 1998, I-895 Rdnrn. 35 f., jeweils zu Art. 73 der VO Nr. 1408/71; ferner EuGH-Urteil Schwemmer in ZESAR 2011, 86 Rdnr. 34; Vorlagebeschluss des Senats vom 30. Oktober 2008 III R 92/07, BFHE 223, 358, BStBl II 2009, 923 Rz 16 ff.). Das setzt voraus, dass die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 bereits bejaht wurde.

20

Sollte sich dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. August 2002 VIII R 54/00 (BFHE 200, 204, BStBl II 2004, 869) zum Anwendungsbereich des Anhangs I Teil I Buchst. D (zuletzt Buchst. E) der VO Nr. 1408/71 etwas anderes entnehmen lassen, könnte der Senat dem aus den oben dargelegten Gründen nicht folgen. Eine Anfrage beim VIII. Senat wäre schon deshalb nicht erforderlich, weil dieser Senat nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH für Fragen betreffend Kindergeld (§§ 62 bis 78 EStG) nicht mehr zuständig ist.

21

cc) Erforderlich, aber auch ausreichend für die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs der VO Nr. 1408/71 ist, dass eine Person nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 in irgendeinem der von ihrem sachlichen Geltungsbereich erfassten Zweige der sozialen Sicherheit in irgendeinem Mitgliedstaat der EU versichert ist. Dass eine Person die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 in Bezug auf ihre in Deutschland ausgeübte Tätigkeit nicht erfüllt, bedeutet daher noch nicht, dass sie dem persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung nicht unterfällt, denn dieser kann aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dem System der sozialen Sicherheit eines anderen Mitgliedstaats eröffnet sein.

22

Die VO Nr. 1408/71 gilt personen- und nicht tätigkeitsbezogen. Ihr Ziel ist die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Für Arbeitnehmer und Selbständige, die innerhalb der EU zu- und abwandern, soll jeweils das System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats gelten, so dass eine Kumulierung anzuwendender innerstaatlicher Rechtsvorschriften und die sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen vermieden werden (vgl. ihren Erwägungsgrund Nr. 8). Um dieses Ziel zu erreichen, ist daher in einem ersten Schritt zu ermitteln, ob eine Person die Versicherteneigenschaft nach den für die soziale Sicherheit geltenden Rechtsvorschriften (irgend) eines, ggf. auch mehrerer, Mitgliedstaaten besitzt (vgl. auch EuGH-Urteil Sürül in Slg. 1999, I-2685 Rdnr. 85). Ist danach der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 für eine Person eröffnet, ist in einem zweiten Schritt das auf sie anzuwendende Recht nach den Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 zu ermitteln. Einer Vorlage an den EuGH bedarf es angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts insbesondere des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 und der bereits ergangenen Entscheidungen des EuGH zu ihrem persönlichen Geltungsbereich nicht.

23

dd) Bezogen auf den vorliegenden Fall ist daher zunächst zu prüfen, ob der Kläger in Polen und/oder in Deutschland als Arbeitnehmer und/oder Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 gilt.

24

(1) Da der Kläger in Bezug auf seine in Deutschland ausgeübte Tätigkeit hier nicht versicherungspflichtig und auch nicht versichert ist, gilt er insoweit nicht als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71. Wie dargelegt, reicht es für die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs der VO Nr. 1408/71 jedoch aus, wenn der Kläger in irgendeinem Mitgliedstaat der EU als Arbeitnehmer oder Selbständiger i.S. ihres Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a gilt.

25

(2) Die bisherigen Feststellungen des FG ermöglichen jedoch keine Beurteilung, ob der Kläger wegen einer Mitgliedschaft im polnischen System der sozialen Sicherheit als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 anzusehen ist.

26

In seinem Tatbestand nimmt das FG Bezug auf ein Schreiben der Zaklad Ubezpieczen Spolecznych (ZUS), der polnischen Sozialversicherungsanstalt, vom 21. Juni 2007. Den genauen Inhalt dieser Bescheinigung hat das FG bislang nicht festgestellt. Eigenen Angaben des Klägers zufolge wird darin nicht bescheinigt, dass er, wie es in der von der Familienkasse eingeholten Übersetzung des Schreibens heißt, seit dem 5. Februar 2006 "Versicherungsleistungen zwecks Leitung einer Wirtschaftstätigkeit erhalten" habe, sondern dass er seit dem 5. Februar 2006 in der polnischen Sozialversicherung versichert sei und Beiträge zur Kranken-, Alters- und Berufsunfähigkeitsversicherung zahle.

27

Um beurteilen zu können, ob und ggf. in welchem Umfang der Kläger im Streitzeitraum Mitglied des polnischen Systems der sozialen Sicherheit war und ob er deshalb als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 gilt, sind daher Feststellungen zum polnischen System der sozialen Sicherheit und zum konkreten Versichertenstatus des Klägers im Rahmen dieses Systems erforderlich. Dabei ist insbesondere auch zu ermitteln, ob es sich bei der Versicherung des Klägers um eine Pflichtversicherung oder um eine freiwillige (ggf. Weiter-)Versicherung handelt.

28

3. Sollten die noch erforderlichen Ermittlungen des FG ergeben, dass der Kläger vom persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst ist, ist das auf ihn anzuwendende Recht nach den Vorschriften des Titels II dieser Verordnung (Art. 13 ff.) zu bestimmen.

29

a) Soweit es nach den Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 darauf ankommt, in welchem Mitgliedstaat die abhängige Beschäftigung bzw. die selbständige Tätigkeit ausgeübt wird (so z.B. in Art. 13 Abs. 2 Buchst. a und b der VO Nr. 1408/71), bestimmt sich dies entgegen der Auffassung der Familienkasse grundsätzlich nicht danach, in welchem Land die Versicherung besteht, sondern --entsprechend dem insoweit eindeutigen Wortlaut der jeweiligen Bestimmung-- danach, in welchem Mitgliedstaat die Person abhängig beschäftigt ist bzw. eine selbständige Tätigkeit ausübt.

30

Anzuknüpfen ist dabei allerdings nur an diejenige(n) Tätigkeit(en), hinsichtlich derer die betreffende Person als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 gilt. Die Vorschriften des Titels II der VO Nr. 1408/71 beziehen sich zwar ihrem Wortlaut nach auf Personen, die abhängig beschäftigt sind bzw. eine selbständige Tätigkeit ausüben, und nicht auf Arbeitnehmer oder Selbständige. Eine kohärente Auslegung des persönlichen Geltungsbereichs dieser Verordnung und des durch sie geschaffenen Systems von Kollisionsregeln gebietet es aber, die fraglichen Begriffe des Titels II dieser Verordnung im Lichte der Definitionen ihres Art. 1 Buchst. a auszulegen (vgl. EuGH-Urteil vom 30. Januar 1997 C-221/95, Hervein, Slg. 1997, I-609 Rdnr. 19 f.). Für den Kläger kann sich die Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften daher nicht aus Art. 13 Abs. 2 Buchst. b der VO Nr. 1408/71 ergeben, denn hinsichtlich seiner in Deutschland ausgeübten Tätigkeit gilt er nicht als Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71.

31

b) Sollte die Prüfung der Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 gleichwohl ergeben, dass auf den Kläger deutsche Rechtsvorschriften anzuwenden sind, müsste --neben der Frage, ob die Kinder des Klägers auch die Voraussetzungen nach § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 3 bis 5 EStG erfüllen-- noch geklärt werden, ob und ggf. für welche Monate des Streitzeitraums für die Kinder in Polen ein Anspruch auf Familienleistungen bestand. Soweit ein solcher Anspruch bestand, wäre die dann gegebene Anspruchskumulierung nach den Antikumulierungsvorschriften der VO Nr. 1408/71 bzw. der VO Nr. 574/72 zu klären. Dabei wären bei Anwendung des Art. 76 der VO Nr. 1408/71 bzw. des Art. 10 der VO Nr. 574/72 die Einschränkungen des Anhangs I Teil I Buchst. E der VO Nr. 1408/71 zu berücksichtigen.

32

c) Sollten nach den Bestimmungen der Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 die deutschen Rechtsvorschriften nicht anzuwenden sein, stellte sich die Frage, ob Deutschland als der nach der VO Nr. 1408/71 dann nicht zuständige Mitgliedstaat gleichwohl befugt wäre, Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG zu zahlen, und ob in einem solchen Fall der Anwendung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unionsrechtliche Vorschriften entgegenstünden. Insoweit handelte es sich um die gleichen Fragestellungen, die bereits Gegenstand der Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 21. Oktober 2010 III R 5/09 (BFHE 231, 183) und III R 35/10 (BFHE 231, 194) sind, so dass eine Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in den bei diesem anhängigen Verfahren C-611/10 und C-612/10 in Betracht kommen könnte.

33

4. Sollte der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 für den Kläger nicht eröffnet sein, richtete sich sein Kindergeldanspruch allein nach den §§ 62 ff. EStG. Insoweit wäre, worauf das FG bereits selbst hingewiesen hat, insbesondere noch zu klären, ob und ggf. für welche Monate des Streitzeitraums für die Kinder des Klägers in Polen ein Anspruch auf Familienleistungen bestand, der einen Anspruch des Klägers auf deutsches Kindergeld nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausschließen würde. Dabei wäre das FG an die ggf. fehlerhafte Beurteilung einer polnischen Behörde über die Anwendbarkeit der VO Nr. 1408/71 nicht gebunden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1581, unter II.1.). Zudem müsste noch ermittelt werden, ob die Kinder des Klägers auch die Voraussetzungen nach § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 3 bis 5 EStG erfüllen.

34

5. Die Streitsache wird nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO an das FG zurückverwiesen. Soweit der Senat sich in seinem Urteil vom 2. Juni 2005 III R 66/04 (BFHE 210, 265, BStBl II 2006, 184; vgl. ferner Senatsurteil vom 24. Februar 2010 III R 73/07, BFH/NV 2010, 1429) an einer entsprechenden Zurückverweisung an das FG gehindert sah, weil das FG --auch bei rechtlich gebundenen Entscheidungen-- von der Verwaltung bisher noch nicht geprüfte Sachverhalte nicht aufgreifen und durch eigene Ermittlungen klären dürfe, hält er daran im Hinblick auf die Amtsermittlungspflicht des FG (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht mehr fest.

1Kindergeld wird nicht für ein Kind gezahlt, für das eine der folgenden Leistungen zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre:

1.
Leistungen für Kinder, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 217 Absatz 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 30. Juni 2020 geltenden Fassung oder dem Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 270 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 16. November 2016 geltenden Fassung vergleichbar sind,
2.
Leistungen für Kinder, die von einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährt werden und dem Kindergeld vergleichbar sind.
2Soweit es für die Anwendung von Vorschriften dieses Gesetzes auf den Erhalt von Kindergeld ankommt, stehen die Leistungen nach Satz 1 dem Kindergeld gleich.3Steht ein Berechtigter in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit nach § 24 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder ist er versicherungsfrei nach § 28 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder steht er im Inland in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, so wird sein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind nicht nach Satz 1 Nummer 2 mit Rücksicht darauf ausgeschlossen, dass sein Ehegatte als Beamter, Ruhestandsbeamter oder sonstiger Bediensteter der Europäischen Union für das Kind Anspruch auf Kinderzulage hat.

(1) Der Senat kann den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn

1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor dem Senat mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf den Senat zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann die Revision nicht gestützt werden.

(1) Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, in den Fällen des § 45 und in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht gegeben ist, mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts. Dies gilt für die Verpflichtungsklage sinngemäß, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(2) Die Frist für die Erhebung der Klage gilt als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung erlassen oder den Beteiligten bekannt gegeben hat oder die nachträglich für den Steuerfall zuständig geworden ist, innerhalb der Frist angebracht oder zu Protokoll gegeben wird. Die Behörde hat die Klageschrift in diesem Fall unverzüglich dem Gericht zu übermitteln.

(3) Absatz 2 gilt sinngemäß bei einer Klage, die sich gegen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder gegen die Festsetzung eines Steuermessbetrags richtet, wenn sie bei der Stelle angebracht wird, die zur Erteilung des Steuerbescheids zuständig ist.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält; § 68 bleibt unberührt.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat*

(3) Die Entscheidung, dass eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen ist, ist nicht selbständig anfechtbar.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

(1) Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, in den Fällen des § 45 und in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht gegeben ist, mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts. Dies gilt für die Verpflichtungsklage sinngemäß, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(2) Die Frist für die Erhebung der Klage gilt als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung erlassen oder den Beteiligten bekannt gegeben hat oder die nachträglich für den Steuerfall zuständig geworden ist, innerhalb der Frist angebracht oder zu Protokoll gegeben wird. Die Behörde hat die Klageschrift in diesem Fall unverzüglich dem Gericht zu übermitteln.

(3) Absatz 2 gilt sinngemäß bei einer Klage, die sich gegen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder gegen die Festsetzung eines Steuermessbetrags richtet, wenn sie bei der Stelle angebracht wird, die zur Erteilung des Steuerbescheids zuständig ist.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

(1) Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, in den Fällen des § 45 und in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht gegeben ist, mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts. Dies gilt für die Verpflichtungsklage sinngemäß, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(2) Die Frist für die Erhebung der Klage gilt als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung erlassen oder den Beteiligten bekannt gegeben hat oder die nachträglich für den Steuerfall zuständig geworden ist, innerhalb der Frist angebracht oder zu Protokoll gegeben wird. Die Behörde hat die Klageschrift in diesem Fall unverzüglich dem Gericht zu übermitteln.

(3) Absatz 2 gilt sinngemäß bei einer Klage, die sich gegen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder gegen die Festsetzung eines Steuermessbetrags richtet, wenn sie bei der Stelle angebracht wird, die zur Erteilung des Steuerbescheids zuständig ist.

(1) Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung.

(2) Nach Aufruf der Sache trägt der Vorsitzende oder der Berichterstatter den wesentlichen Inhalt der Akten vor.

(3) Hierauf erhalten die Beteiligten das Wort, um ihre Anträge zu stellen und zu begründen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, in den Fällen des § 45 und in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht gegeben ist, mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts. Dies gilt für die Verpflichtungsklage sinngemäß, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(2) Die Frist für die Erhebung der Klage gilt als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung erlassen oder den Beteiligten bekannt gegeben hat oder die nachträglich für den Steuerfall zuständig geworden ist, innerhalb der Frist angebracht oder zu Protokoll gegeben wird. Die Behörde hat die Klageschrift in diesem Fall unverzüglich dem Gericht zu übermitteln.

(3) Absatz 2 gilt sinngemäß bei einer Klage, die sich gegen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder gegen die Festsetzung eines Steuermessbetrags richtet, wenn sie bei der Stelle angebracht wird, die zur Erteilung des Steuerbescheids zuständig ist.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist polnischer Staatsangehöriger. Er lebt mit seiner Ehefrau und zwei Kindern, S und K, in einem gemeinsamen Familienhaushalt in Polen. Ein Anspruch auf Kindergeld für die beiden Kinder besteht in Polen nicht.

2

Vom 2. April bis zum 30. September 2009 war der Kläger im Inland sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) ist der Kläger wegen der aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2009 geltenden Fassung (EStG) behandelt worden.

3

Dem Kläger war zunächst ab April 2009 Kindergeld für die Kinder S und K bewilligt worden. Dem Einspruch gegen die (teilweise) Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Kinder S und K half die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) mit Bescheid vom 28. Oktober 2010 insoweit ab, als für beide Kinder für den Zeitraum April bis September 2009 Kindergeld in voller gesetzlicher Höhe gewährt wurde, nicht jedoch für den Zeitraum vor Aufnahme und nach Beendigung der Erwerbstätigkeit (von Januar bis März bzw. von Oktober bis Dezember 2009). Die hiergegen erhobene Klage, die der Kläger damit begründet hatte, die Voraussetzungen für die Kindergeldgewährung hätten nicht nur für den Zeitraum der Arbeitstätigkeit, sondern im ganzen Jahr vorgelegen, wies das FG als unbegründet ab. Der Kläger habe zwar nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG Anspruch auf Kindergeld, weil er als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln und dementsprechend zur Einkommensteuer veranlagt worden sei. Den erforderlichen Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG habe er konkludent mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung 2009 bei dem Finanzamt gestellt. Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht bestehe allerdings nur für den Zeitraum, für den der Kläger Einkünfte erziele, da die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 4 2. Halbsatz EStG nur "soweit" entstehe, als inländische Einkünfte vorlägen. Dieses Tatbestandsmerkmal betreffe nicht nur die Höhe der Einkünfte, sondern enthalte auch einen zeitlichen Moment.

4

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom FG zugelassenen Revision.

5

Das FG habe verfahrensfehlerhaft nicht festgestellt, ob der Kläger außerhalb seiner nichtselbständigen Tätigkeit vom April bis September 2009 keine weiteren Einkünfte erzielt habe. Das FG hätte dazu die Einkommensteuerakten auswerten und von ausländischen Steuerbehörden ergänzende Bescheinigungen beschaffen müssen.

6

Der Einschränkung in § 1 Abs. 3 EStG, wonach natürliche Personen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland unbeschränkt steuerpflichtig seien, "soweit" sie inländische Einkünfte erzielen, sei keine zeitliche Beschränkung für das Kindergeld zu entnehmen. Deren Sinn und Zweck sei lediglich, vom Welteinkommen nur die im Inland erzielten Einkünfte der inländischen Steuerpflicht zu unterwerfen. Zudem verweist der Kläger auf § 32 Abs. 4 EStG, wonach bei der Anrechnung eigener Einkünfte des Kindes auf den Jahresbetrag abzustellen sei. Seine Rechtsauffassung werde auch von der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG) unter Rz 62.1 Satz 10 sowie in der Kommentarliteratur (Felix, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 66 Rz C 8; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 66 Rz 52; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 31. Aufl., § 66 Rz 6) geteilt. Zudem komme es ohnehin nicht auf den Beginn oder das Ende der Erwerbstätigkeit, sondern auf den Zufluss der Einkünfte an. Die Anwendung des Monatsprinzips führe zu einer Diskriminierung von Saisonarbeitern.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung der Familienkasse vom 5. November 2010 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für die Kinder S und K für die Monate Januar bis März und Oktober bis Dezember 2009 zu gewähren, hilfsweise, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Rechtsfrage vorzulegen:

8


"Ist das EU-Primärrecht (hier insbesondere die Artikel 3 und 45 des Vertrages über die Europäische Union -AEUV-) sowie das EU-Sekundärrecht (hier insbesondere die VO 1408/71 bzw. 883/2004) jeweils in ihren aktuellen Fassungen dahin auszulegen, dass sie einer Entscheidung des Mitgliedstaates entgegenstehen, wonach einem Angehörigen eines Mitgliedstaates, der sich zur Ausübung einer Beschäftigung in diesem Mitgliedstaat dort aufhält und tätig ist (sog. Wanderarbeitnehmer) und der als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig im gesamten Kalenderjahr veranlagt wurde, Familienleistungen i.S.d. VO 1408/71 bzw. 883/2004 lediglich für den Zeitraum der Ausübung der Beschäftigung in diesem Mitgliedstaat gewährt wird, wenn nach der Entscheidung des Mitgliedstaates jedoch einem Angehörigen eines Mitglied-staates, der sich lediglich als sog. Grenzpendler inner-halb seiner täglichen Arbeitszeit in diesem Mitgliedstaat aufhält und als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig im gesamten Kalenderjahr veranlagt wurde, die Familienleistungen für das gesamte Kalenderjahr gewährt werden?"

9

Die Familienkasse beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

10

Eine Zuweisung des Klägers unter die deutschen Rechtsvorschriften aufgrund einer (weiteren) Beschäftigung im Inland sei nicht möglich. Die Anwendung der vom EuGH in der Rechtssache Bosmann (Urteil vom 20. Mai 2008 C-352/06, Slg. 2008, I-3827, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2008, 877) aufgestellten Grundsätze komme nicht in Betracht, da außerhalb des Zeitraums der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Inland kein Anknüpfungspunkt für eine im Hinblick auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit gebotene Gewährung deutschen Kindergeldes erkennbar sei.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision des Klägers ist im Ergebnis begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Kindergeld nur für diejenigen Kalendermonate zusteht, in denen er im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Einkünfte i.S. von § 1 Abs. 3 i.V.m. § 49 EStG erzielt hat. Hierzu sind jedoch noch weitere Feststellungen zur "Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtiger" sowie zum Zeit-punkt des Zuflusses der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu treffen.

12

1. Dem Kläger steht nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG für die streitigen Monate Januar bis März 2009 und Oktober bis Dezember 2009 kein Anspruch auf Kindergeld zu; denn nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG hat Anspruch auf Kindergeld für Kinder i.S. des § 63 EStG, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

13

Selbst wenn der Kläger in den Monaten, für die er Kindergeld erhalten hat (von April bis September 2009) im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hätte, wofür nach dem vom FG nicht festgestellten Akteninhalt die Geltendmachung von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung spricht, stünde ihm für die allein streitigen Monate Januar bis einschließlich März 2009 und Oktober bis einschließlich Dezember 2009 kein Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu, weil er in diesen Monaten keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Denn nach § 66 Abs. 2 EStG wird das Kindergeld monatlich vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen (sog. Monatsprinzip). Der Kindergeldanspruch richtet sich daher danach, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld im jeweiligen Monat vorliegen. Beim Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Steuerpflicht und umgekehrt kann Kindergeld daher nur vom Beginn des Monats, in dem ein inländischer Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt begründet wird, bis zum Ablauf des Monats, in dem dieser aufgegeben wird, gewährt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. November 2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564). Vor Begründung und nach Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts besteht daher kein Anspruch auf Kindergeld.

14

2. Dem Kläger steht für die streitigen Monate Januar bis März 2009 und Oktober bis Dezember 2009 --vorbehaltlich der Frage der zeitlichen Zuordnung der Einkünfte-- auch kein Anspruch nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG zu, wenn er im Zeitraum April bis September 2009 keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland besaß.

15

a) Für Kinder i.S. des § 63 EStG hat nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG Anspruch auf Kindergeld, wer ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1 Abs. 3 EStG "als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt" wird.

16

Nach § 1 Abs. 3 EStG werden auf Antrag auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr zu mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG nicht übersteigen. Voraussetzung ist weiter u.a., dass die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird.

17

b) Bei Anwendung von § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG liegt eine Behandlung "nach § 1 Abs. 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig" nur für die Kalendermonate vor, in denen der Kindergeldberechtigte Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielt, die nach § 1 Abs. 3 EStG der Einkommensteuer unterliegen.

18

aa) Mit dem Tatbestandsmerkmal in § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG "als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt" i.S. von § 1 Abs. 3 EStG stellt die Vorschrift steuersystematisch auf die "Behandlung" bei der Einkommensteuerfestsetzung ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Einkommensteuer nach § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG eine Jahressteuer ist und ihre Grundlagen bei der Steuerfestsetzung gemäß § 2 Abs. 7 Satz 2 EStG jeweils für das Kalenderjahr zu ermitteln sind.

19

bb) Aus § 2 Abs. 7 EStG folgt jedoch nicht, dass sich die Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig jeweils auf ein Kalenderjahr bezieht. Endet z.B. die am Jahresanfang bestehende unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG während eines Kalenderjahres --nach Wegzug aus dem Inland und damit nach der Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland--, erfolgt eine "Behandlung" als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig für den nachfolgenden Zeitraum bis zum Ende des Kalenderjahres nur nach § 1 Abs. 3 EStG. Die Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 3 EStG beschränkt sich dann auf den Zeitraum, für den die Steuerpflicht nach dieser Vorschrift besteht (Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 1 Rz D 212).

20

cc) Dass sich die Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig i.S. von § 1 Abs. 3 EStG wie im Fall des Wegzugs auf einen Teil eines Kalenderjahres beschränkt, zeigt, dass eine Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 EStG i.S. des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nur für die Zeiträume eines Kalenderjahres vorliegt, in denen der Steuerpflichtige die nach § 1 Abs. 3 EStG steuerpflichtigen Einkünfte bezieht. Dies steht auch im Einklang mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 EStG, wonach die Behandlung von Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nur erfolgt, "soweit sie inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG haben". Dabei handelt es sich somit nicht nur um eine gegenständliche Definition im Hinblick auf die Bestimmung des sachlichen Umfangs der Einkünfte, sondern auch um eine zeitliche Einschränkung auf den Zeitraum der Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

21

dd) Für diese Auslegung sprechen zudem Sinn und Zweck des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG. Danach sollen natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben und auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden, kindergeldrechtlich den natürlichen Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland gleichgestellt werden. Wer ohne inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt als nach § 1 Abs. 3 EStG unbeschränkt Steuerpflichtiger keine Einkünfte im Inland (als anspruchsbegründendes Merkmal nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG) erzielt, kann kindergeldrechtlich nicht besser gestellt werden als der Steuerpflichtige, der durch einen Wegzug ins Ausland seinen inländischen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (als anspruchsbegründendes Merkmal nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG) aufgibt und mit Beendigung des Monats des Wegzugs seinen Anspruch auf Kindergeld verliert. Gleiches gilt für den Zeitraum vor Begründung eines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts.

22

3. Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.

23

a) Gegen die einschränkende Auslegung nach dem Monatsprinzip spricht nicht, dass der unbeschränkt Steuerpflichtige nach § 1 Abs. 3 EStG einer Jahresveranlagung nach § 2 Abs. 7 EStG unterliegt, wonach für die Berechnung der Einkommensteuer "die während der beschränkten Einkommensteuerpflicht erzielten inländischen Einkünfte in eine Veranlagung zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht einzubeziehen" sind. Durch § 2 Abs. 7 EStG wurde mit dem Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 die bis dahin geltende Regelung aufgehoben, nach der für die jeweiligen Zeiträume der beschränkten und unbeschränkten Einkommensteuerpflicht getrennte Veranlagungen durchzuführen waren. Sinn und Zweck der Gesetzesänderung war, eine Ungleichbehandlung zu Gunsten von Steuerpflichtigen beim Wechsel von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht (z.B. in Wegzugsfällen) abzubauen, die darin bestand, dass diese Personengruppe nicht für das gesamte Veranlagungsjahr nach einem einheitlichen Steuertarif besteuert wurde (vgl. BTDrucks 13/1558, S. 152), und insbesondere der Grundfreibetrag nicht --wie bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1995-- doppelt in Ansatz gebracht werden sollte (Musil in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 2 EStG Rz 922). Nicht bezweckt war den Bezug von Kindergeld für das gesamte Veranlagungsjahr zu bewirken, wenn die Voraussetzungen des Bezugs von Einkünften i.S. des § 49 EStG z.B. nur für wenige Tage im Jahr gegeben waren. Denn auch für die Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG wird das einkommensteuerrechtliche Jahresprinzip des § 2 Abs. 7 EStG durch das Monatsprinzip des § 66 Abs. 2 EStG überlagert.

24

b) Der Kläger kann sich für seine Auffassung auch nicht auf § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung stützen, wonach ein Kind nur berücksichtigt werden darf, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 € "im Kalenderjahr" hat (sog. Jahresgrenzbetrag). Auch hier ist eine Monatsbetrachtung erforderlich, wenn die kindbezogenen Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld nicht ganzjährig vorliegen (§ 32 Abs. 4 Sätze 7 und 8 EStG). Denn nach Satz 7 dieser Regelung ermäßigt sich der Betrag nach Satz 2 oder 3 (der Jahresgrenzbetrag von 7.680 €) für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 an keinem Tag vorliegen. Nach Satz 8 bleiben Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf diese Kalendermonate entfallen, außer Ansatz.

25

Zudem berührt die Regelung in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG (Jahresgrenzbetrag) zur Begrenzung des Kindergeldanspruchs nicht die Frage, ob in der Person desjenigen, der Kindergeld beansprucht, die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld vorliegen.

26

c) Der Kläger macht zu Unrecht geltend, andernfalls bestehe ein Widerspruch zu den Urteilen des BFH vom 24. Mai 2012 III R 14/10 (BFHE 237, 239, BStBl II 2012, 897) und vom 27. Juli 1994 I R 25/94 (BFHE 175, 528, BStBl II 1995, 127). Im Urteil in BFHE 237, 239, BStBl II 2012, 897 ging es um die (fehlende) Bindungswirkung einer Veranlagung eines Finanzamts, das zu Unrecht von einem inländischen Wohnsitz eines Kindergeldberechtigten ausgegangen war, nicht aber um die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage einer Monatsbetrachtung bei der Einkünfteerzielung eines Wohnsitzausländers. Das Urteil in BFHE 175, 528, BStBl II 1995, 127 betrifft nicht Kindergeld, sondern die Berechtigung eines Klägers zum Lohnsteuerjahresausgleich für den Zeitraum nach einem Wegzug in die Niederlande, wenn er ganzjährig im Inland Einkünfte erzielt hat, woran es im Streitfall fehlt.

27

d) Auch aus der --den Senat ohnehin nicht bindenden-- DA-FamEStG ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nichts Gegenteiliges unter Rz 62.1 Abs. 3 Satz 10. Dort heißt es: "Besteht Anspruch auf Kindergeld wegen Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, ist das Kindergeld nur für dasjenige Kalenderjahr festzusetzen, für das ein Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Absatz 3 EStG nachgewiesen worden ist." Die Regelung bezweckt den Ausschluss von Kindergeld für andere Veranlagungszeiträume; sie betrifft nicht die Frage, ob ganzjährig oder monatsweise ein Kindergeldanspruch bei Einkünfteerzielung in einem Teil des Jahres besteht, zumal in Rz 62.3.2 Abs. 4 Satz 1 für Botschaftsangehörige, die die Hausgemeinschaft innerhalb des Jahres aufgegeben haben, ausgeführt wird: "Der Kindergeldanspruch der in § 1 Abs. 2 EStG genannten Personen endet mit Ablauf des Monats, in dem die Hausgemeinschaft auf Dauer beendet wird." Soweit sich der Kläger durch die Kommentarliteratur bestätigt sieht, in der ohne weitere Begründung Gegenteiliges vertreten wird (Felix, a.a.O., § 66 Rz C 8; Pust, a.a.O., § 66 Rz 52; Weber-Grellet, a.a.O., § 66 Rz 6), vermag der Senat dem aus den vorgenannten Gründen nicht zu folgen.

28

e) Die Entscheidungen des EuGH vom 12. Juni 2012 C-611/10 und C-612/10 (juris) zu Art. 14 Nr. 1 Buchst. a und Art. 14a Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicher-heit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familien-angehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern --VO Nr. 1408/71--, (in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, diese wiederum geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005), berühren nicht die vorliegend entscheidungserhebliche Frage der Begrenzung des Kindergeldanspruchs nach dem Monatsprinzip für Zeiträume vor oder nach Beendigung der anspruchsbegründenden Tätigkeit.

29

f) Entgegen der Auffassung des Klägers besteht kein Anlass, dem EuGH die im Klageantrag hilfsweise gestellte Rechtsfrage nach der unterschiedlichen Behandlung von Grenzgängern und Saisonarbeitern vorzulegen. Nach Art. 3 Abs. 1 der VO Nr. 1408/71 gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung:

30


"Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten auf Grund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen."

31

Nach der Auslegung des Senats haben alle Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, dieselbe Rechtsposition hinsichtlich ihres Kindergeldanspruchs nach dem Monatsprinzip. Personen, die im Inland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (z.B. Wanderarbeiter oder Saisonarbeiter), werden den Wohnsitzinländern gleichgestellt; es wird lediglich --wie unter II.2.b dd ausgeführt-- eine Privilegierung nicht im Inland ansässiger Personen, die nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden, gegenüber Personen, die im gleichen Zeitraum im Inland ansässig sind, verhindert.

32

4. Die Sache ist gleichwohl nicht spruchreif.

33

Eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG setzt voraus, dass der Anspruchsteller aufgrund eines entsprechenden Antrags nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (BFH-Urteil in BFHE 273, 239, BStBl II 2012, 897). Ob der Kläger einen Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG gestellt hatte und entsprechend zur Einkommen-steuer veranlagt wurde, lässt sich den Feststellungen des FG nicht zweifelsfrei entnehmen. Ebenso fehlen Feststellungen zum Zeitpunkt, zu dem dem Kläger die Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG i.V.m. § 11 EStG zugeflossen sind.

34

5. Auf die Verfahrensrüge kam es wegen der Zurückverweisung an das FG nicht mehr an.

(1) Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, in den Fällen des § 45 und in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht gegeben ist, mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts. Dies gilt für die Verpflichtungsklage sinngemäß, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(2) Die Frist für die Erhebung der Klage gilt als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung erlassen oder den Beteiligten bekannt gegeben hat oder die nachträglich für den Steuerfall zuständig geworden ist, innerhalb der Frist angebracht oder zu Protokoll gegeben wird. Die Behörde hat die Klageschrift in diesem Fall unverzüglich dem Gericht zu übermitteln.

(3) Absatz 2 gilt sinngemäß bei einer Klage, die sich gegen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder gegen die Festsetzung eines Steuermessbetrags richtet, wenn sie bei der Stelle angebracht wird, die zur Erteilung des Steuerbescheids zuständig ist.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(1) Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, in den Fällen des § 45 und in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht gegeben ist, mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts. Dies gilt für die Verpflichtungsklage sinngemäß, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(2) Die Frist für die Erhebung der Klage gilt als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung erlassen oder den Beteiligten bekannt gegeben hat oder die nachträglich für den Steuerfall zuständig geworden ist, innerhalb der Frist angebracht oder zu Protokoll gegeben wird. Die Behörde hat die Klageschrift in diesem Fall unverzüglich dem Gericht zu übermitteln.

(3) Absatz 2 gilt sinngemäß bei einer Klage, die sich gegen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder gegen die Festsetzung eines Steuermessbetrags richtet, wenn sie bei der Stelle angebracht wird, die zur Erteilung des Steuerbescheids zuständig ist.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.