Finanzgericht München Urteil, 25. Nov. 2014 - 2 K 40/12

bei uns veröffentlicht am25.11.2014

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

I. Streitig ist, ob der Kläger dem Grunde und der Höhe nach zu Recht für Umsatzsteuerschulden der X-GmbH in Haftung genommen worden ist.

Die X-GmbH erzielte steuerpflichtige Umsätze aus dem An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen. Einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der X-GmbH war laut Handelsregister O. Für die Voranmeldungszeiträume März bis November 2008 wurden Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht, mit denen Vorsteuerüberhänge in Höhe von insgesamt 1.056.765,87 € erklärt wurden.

Als Ergebnis einer bei der X-GmbH durchgeführten Steuerfahndungsprüfung wurde festgestellt, dass sie für diesen Zeitraum Vorsteuern aus Rechnungen über Kfz-Lieferungen von verschiedenen Firmen (B-GmbH und V-GmbH: 453.768,40 €; M-GmbH: 1.096.865,80 €) geltend gemacht hatte, obwohl tatsächlich keine Lieferungen von diesen Firmen an die X-GmbH stattgefunden hätten (vgl. Bericht der Steuerfahndung vom 19. August 2009).

Der Beklagte (das Finanzamt) erließ deshalb am 2. März 2009 geänderte Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für die Voranmeldungszeiträume März bis Oktober 2008. Für November 2008 erging am 3. März 2009 eine erstmalige, von der eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung abweichende Steuerfestsetzung, die ein Guthaben von 189.887,48 € ergab. Das Guthaben wurde mit den Nachzahlungsbeträgen für März bis Oktober 2008 verrechnet.

Mit geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheiden vom 6. Oktober 2009 für die Voranmeldungszeiträume März bis November 2008 wurde von der X-GmbH Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 1.270.437,13 € zurückgefordert.

Über die gegen die geänderten Vorauszahlungsbescheide eingelegten Einsprüche wurde nicht mehr entschieden, da am 11. August 2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der X-GmbH eröffnet wurde. Die vom Finanzamt zur Insolvenztabelle angemeldeten und auch dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Umsatzsteuerforderungen wurden vom Insolvenzverwalter in vollem Umfang festgestellt.

Mit Haftungsbescheid vom 11. Dezember 2009 nahm das Finanzamt den Kläger als faktischen Geschäftsführer gemäß §§ 69, 34 Abgabenordnung (AO) und nach § 71 AO als Haftungsschuldner für offene Umsatzsteuerschulden der X-GmbH zuzüglich verwirkter Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 1.117.063,98 € in Anspruch. Der rechtsgeschäftlich bestellte Geschäftsführer O wurde als weiterer Haftungsschuldner in gleicher Höhe in Anspruch genommen.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts vom 12. Mai 2011 wurde der Kläger unter anderem in 15 tatmehrheitlichen Fällen der vollendeten Steuerhinterziehung in Tatmehrheit mit 14 tatmehrheitlichen Fällen der versuchten Steuerhinterziehung schuldig gesprochen (vgl. S. 71 des Strafurteils).

Betreffend die hier streitgegenständlichen Kfz-Lieferungen wurden die Umsatzsteuervoranmeldungen der X-GmbH, mit denen Vorsteuern aus Rechnungen der B-GmbH und V-GmbH geltend gemacht wurden, für die Monate März bis Oktober 2008 jeweils als vollendete Steuerhinterziehung und für November 2008 als versuchte Steuerhinterziehung angesehen. Die Verurteilung des Klägers wegen versuchter Steuerhinterziehung bezieht sich für die Monate März bis November 2008 auch auf die Fälle, in denen die M-GmbH betreffend ihre Lieferungen an die X-GmbH Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben hatte, in denen Vorsteuern aus Eingangsrechnungen der vorgenannten Firmen geltend gemacht wurden.

In den Urteilsgründen wurde festgestellt, dass sich der Kläger, O und M, der Geschäftsführer der M-GmbH, Anfang 2008 verabredet hatten, um arbeitsteilig über die von ihnen betriebene X-GmbH mit O als eingetragenem Geschäftsführer und dem Kläger als faktischem Geschäftsführer sowie der M-GmbH mit dem Angeklagten M unter Einschaltung verschiedener "missing trader" Fahrzeuge netto, also ohne Belastung mit inländischer Vorsteuer zu erwerben und sodann im Inland unter Berechnung der Umsatzsteuer oder wieder netto in das Ausland zu verkaufen. Der Kläger traf danach bei der X-GmbH alle wesentlichen geschäftlichen Entscheidungen, während O lediglich dort Unterschriften leistete, wo dies als Geschäftsführer erforderlich war, und sich im Wesentlichen mit der Pflege und Abholung von Fahrzeugen beschäftigte (vgl. S. 4, 18 des Urteils).

Des Weiteren wurde in dem Urteil festgestellt, dass es sich bei den Firmen B-GmbH und V-GmbH um sog. "missing trader" gehandelt habe, von denen keine Lieferungen an die X- und M-GmbH erfolgt seien (vgl. S. 20 des Urteils). Außerdem ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass der Kläger den äußeren Sachverhalt, wie vom Landgericht festgestellt, im Wesentlichen einräumte (vgl. S. 29, 75 des Urteils).

Den gegen den Haftungsbescheid eingelegten Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2011 als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen erhobenen Klage wird im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Eine faktische Geschäftsführerposition des Klägers habe nicht vorgelegen, weil die Entscheidungen im Unternehmen der X-GmbH zumindest nicht allein von ihm getroffen worden seien. Er habe auch keinen Zugang zu einem Firmenkonto der X-GmbH gehabt. Ebenso wenig habe er jemals mit Geschäftspartnern verhandelt. Allein darauf abzustellen, dass er entschieden habe, welche Fahrzeuge gekauft werden, könne ihm als gelernten Automobilhändler nicht vorgeworfen werden.

Selbst wenn er dem Grunde nach haften sollte, betreffe seine Haftung aber nicht die Umsatzsteuerfestsetzungen, die auf den Ankauf von Kfz von der M-GmbH entfielen. Hierbei habe es sich um tatsächliche Lieferungen der M-GmbH an die X-GmbH gehandelt. Im Übrigen sei die Festsetzung der Umsatzsteuer für den Monat November 2008 nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar.

Der Kläger beantragt, den Haftungsbescheid vom 11. Dezember 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2011 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Es bringt vor, dass der Kläger die faktische Geschäftsführung bei der X-GmbH im Strafprozess selbst eingeräumt habe. Bei den papiermäßig dargestellten Kfz-Lieferungen der M-GmbH an die X-GmbH habe es sich eindeutig um Scheinlieferungen gehandelt. Da die "Vorlieferanten" der M-GmbH sog. "missing trader "gewesen seien, hätten diese der M-GmbH keine Verfügungsmacht an den in den Rechnungen benannten Kfz verschaffen können. Damit scheide auch eine Weiterlieferung dieser Kfz an die X-GmbH aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Finanzamts und die im Verfahren eingereichten Schriftsätze sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

II. Die Klage ist unbegründet.

Das Finanzamt hat den Kläger dem Grunde und der Höhe nach zu Recht für Umsatzsteuerschulden der X-GmbH in Haftung genommen. Die Haftung des Klägers ergibt sich sowohl aus § 69 i.V.m. §§ 34, 35 AO als auch aus § 71 AO.

1. Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner). Nach § 69 Satz 1 AO haften u.a. die in den §§ 34, 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Die Haftung umfasst nach § 69 Satz 2 AO auch die in Folge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO haben die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 AO haben sie insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten. Die gleichen Pflichten treffen die Verfügungsberechtigten im Sinne des § 35 AO, soweit sie sie rechtlich und tatsächlich erfüllen können.

a) Im Streitfall ist der Kläger faktischer Geschäftsführer der X-GmbH im Sinne des § 35 AO gewesen.

Für die Stellung und Verantwortlichkeit einer Person als faktischer Geschäftsführer einer GmbH ist es erforderlich, dass der Betreffende nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft - über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus - durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat (vgl. z.B. BGH-Urteil vom 11. Juli 2005 II ZR 235/03, HFR 2005, 1220).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall in der Person des Klägers erfüllt gewesen, da er nach den Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 12. Mai 2011 bei der X-GmbH alle wesentlichen geschäftlichen Entscheidungen getroffen hat.

Da der Kläger den vom Landgericht festgestellten äußeren Sachverhalt im Wesentlichen eingeräumt und im finanzgerichtlichen Verfahren nicht substantiiert bestritten hat, kann sich das Gericht die Feststellungen im Urteil des Landgerichts zu eigen machen.

Im Hinblick auf die vom Landgericht festgestellte Rollenverteilung zwischen dem Kläger und O sowie M bei der Abwicklung der streitgegenständlichen Kfz-Lieferungen über die X-GmbH ist das Vorbringen des Klägers in diesem Verfahren nicht geeignet, seine Stellung als faktischer Geschäftsführer in Frage zu stellen.

Bei der Art und Weise der Abwicklung der festgestellten Scheingeschäfte zwischen den Tatbeteiligten kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger selbst mit Geschäftspartnern verhandelt hat. Ebenso kann dahinstehen, ob der Kläger für die Konten der X-GmbH zeichnungsbefugt gewesen ist, da O tatsächlich jeweils auf Anweisung des Klägers gehandelt hat. Auch wenn O als bestellter Geschäftsführer dort Unterschriften geleistet hat, wo es als Geschäftsführer erforderlich gewesen ist, wird dadurch die Stellung des Klägers als faktischer Geschäftsführer nicht in Frage gestellt. Rechtsgeschäftlich bestellte Geschäftsführer und faktische Geschäftsführer können gesamtschuldnerisch als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden.

Zur Übernahme der Feststellungen des Landgerichts besteht insbesondere auch deswegen Anlass, weil die strafgerichtliche Entscheidung bereits rechtskräftig geworden ist (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, ZfZ 2004, 162, sowie BFH-Beschlüsse vom 14. November 2003 VIII B 70/02, BFH/NV 2004, 513 und vom 2. Juli 2008 VII B 242/07, n.v.).

b) Die Haftung des Klägers betrifft nicht nur die Fälle, in denen der Vorsteuerabzug aus Rechnungen der B-GmbH und V-GmbH von der X-GmbH zu Unrecht geltend gemacht wurde. Insoweit wurden die Feststellungen des Landgerichts vom Kläger nicht bestritten.

Das Finanzamt hat den Kläger auch insoweit zu Recht in Haftung genommen als bei den Umsatzsteuerfestsetzungen gegenüber der X-GmbH von einem unberechtigten Vorsteuerabzug aus Rechnungen der M-GmbH ausgegangen worden ist. Der Kläger ist insoweit wegen versuchter Steuerhinterziehung in neun Fällen (März bis November 2008) verurteilt worden (vgl. S. 24 und 71 des Strafurteils des Landgerichts).

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die betreffenden Kfz tatsächlich von der M-GmbH an die X-GmbH geliefert worden sind – die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Liste umfasst allerdings nur 79 angebliche Kfz-Lieferungen der M-GmbH an die X-GmbH, während dem Haftungsbescheid lt. Anlage 3 zum Prüfungsbericht vom 19. August 2009  148 dieser Lieferungen zugrunde gelegt worden sind - und die materiellen und formellen Voraussetzungen für die Entstehung und Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug grundsätzlich erfüllt gewesen sind, steht der X-GmbH kein Vorsteuerabzug aus diesen Lieferungen zu.

Denn einem Unternehmer steht trotz Erfüllung sämtlicher materieller und formeller Voraussetzungen dann kein Vorsteuerabzugsrecht mehr zu, wenn aufgrund objektiver Sachlage feststeht, dass er dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht hat (vgl. sog. Karussellrechtsprechung, insbes. EuGH-Urteile vom 6. Juli 2006 C-439/04 und C-440/04, DStR 2006, 1274; vom 12. Januar 2006 C-354/03, C-355/03 und C-484/03, DStR 2006, 133; und vom 6. Dezember 2012 C-285/11, MwStR 2013, 37). Der Vorsteuerabzug ist zu versagen, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist und er deswegen als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist (vgl. BGH-Urteil vom 1. Oktober 2013 – 1 StR 312/13, DStR 2014, 365).

Dies ist vorliegend der Fall. Das Landgericht hat in seinem rechtskräftigen Urteil vom 12. Mai 2011 festgestellt, dass der Kläger, O und M sich Anfang des Jahres 2008 verabredet hatten, durch die Abgabe falscher Umsatzsteuererklärungen beim Finanzamt für die X-GmbH und die M-GmbH selbst in Rechnung gestellte und eingenommene Umsatzsteuerbeträge zu behalten. Darüber hinaus beabsichtigten sie, mit den sich aus den unzutreffenden Erklärungen ergebenden unberechtigten Steuererstattungen eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigen Umfang zu erzielen. Das Geschäftsmodell der Beteiligten hat darauf abgezielt, über Scheinfirmen Fahrzeuge von Lieferanten in Deutschland netto, also ohne Belastung mit Umsatzsteuerbeträgen, für die X-GmbH und die M-GmbH zu erhalten, um diese sodann in der Regel unter dem Nettoeinkaufspreis zu verkaufen.

Auch insoweit ist die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, von den Vorlieferanten der M-GmbH (B-GmbH und V-GmbH) und von der Vorgehensweise der M-GmbH erst im Strafverfahren Kenntnis erlangt zu haben, nicht geeignet, das Gericht davon zu überzeugen, dass er, entgegen den Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 12. Mai 2011, keine Kenntnis von der betrügerischen Geltendmachung des Vorsteuerabzugsrechts durch die M-GmbH gehabt hat und nicht daran beteiligt gewesen ist.

Hiergegen spricht schon, dass der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben hat, wusste, dass es sich bei der B-GmbH und der V-GmbH um Scheinfirmen des M gehandelt hat und dass ihm diese von M bereits im Jahr 2008 für die Geschäfte der X-GmbH zur Verfügung gestellt worden sind. Von der M-GmbH und der X-GmbH sind also dieselben Scheinfirmen für die betrügerische Geltendmachung des Vorsteuerabzugsrechts verwendet worden.

Für ein Tätigwerden des Klägers und des M aufgrund einer gemeinsamen Abrede im Zusammenhang mit den hier streitgegenständlichen Kfz-Lieferungen (vgl. hierzu Pkt. IV. 2. b des Landgerichtsurteils) spricht auch, dass Büroräume in der Z-Str. … in R von der X-GmbH angemietet und dann an die M-GmbH untervermietet worden sind. Im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen der Steuerfahndung sind sowohl auf den in der Z-Str. als auch in den Geschäftsräumen der X-GmbH beschlagnahmten Computern gespeicherte Blankorechnungsvordrucke der V-GmbH vorgefunden worden. Außerdem sind Blankovordrucke in Papierform vorgefunden worden (vgl. Pkt. 3. des Aktenvermerks vom 3. März 2009 der Steuerfahndung im Steuerstrafverfahren gegen den Kläger).

Nichts anderes ergibt sich aus der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fahrzeugliste. Sein Vorbringen, die ihm von der M-GmbH in Rechnung gestellten Einkaufspreise seien zwar günstig aber marktüblich unter Händlern gewesen, kann ihn nicht entlasten.

Anhand des in der Anlage 4 zum Bericht der Steuerfahndung vom 19. August 2009 angeführten Beispiels des BMW X5 D mit der Fahrgestell-Endnr. L…, der auch in der vom Kläger vorgelegten Fahrzeugliste angeführt ist, wird klar ersichtlich, wie sich bei der unter Beteiligung des Klägers durchgeführten Abwicklung der streitgegenständlichen Kfz-Lieferungen das jeweilige Kfz vom ersten Verkäufer (hier AS) bis zum vierten Verkäufer (M-GmbH) verbilligt hat. Die genannten Scheinfirmen haben die (auf dem Papier) steuerfrei von Deutschland nach Österreich und von dort wieder nach Deutschland verbrachten Kfz nicht der Erwerbsbesteuerung unterworfen und zu einem wesentlich unter dem ursprünglichen Einkaufspreis vom ersten Verkäufer liegenden Verkaufspreis an die M-GmbH verkauft. Diese hat die Kfz wiederum zu einem entsprechend niedrigen Preis an die X-GmbH verkauft. Mit dieser Vorgehensweise, d.h. Geltendmachung des Vorsteuerabzugs durch die M-GmbH und die X-GmbH ohne Durchführung der Erwerbsbesteuerung durch die sog. "missing trader", sind der Kläger und M bzw. deren Firmen M-GmbH und X-GmbH in der Lage gewesen, die so erworbenen Kfz unter ihrem eigenen Einkaufspreis anzubieten (vgl. die entsprechenden Ausführungen im Urteil des Landgerichts auf S. 21).

Aufgrund dieser auffälligen Preisgestaltung und der Tatsache, dass es sich beim Kläger um einen erfahrenen Kfz-Händler handelt, dem die marktüblichen Preise bekannt gewesen sind, ist seine Einlassung, zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Lieferungen der M-GmbH an die X-GmbH im Jahr 2008 noch keine Kenntnis davon gehabt zu haben, dass die M-GmbH diese Firmen ebenfalls zur betrügerischen Geltendmachung des Vorsteuerabzugsrechts benutzt hat, unglaubwürdig.

Da dem Kläger somit die Hintergründe bezüglich der Lieferungen der M-GmbH an die X-GmbH bekannt gewesen sind bzw. hätten bekannt sein müssen, hat er auch insoweit vorsätzlich seine Pflichten als faktischer Geschäftsführer verletzt, indem er seinerseits für die X-GmbH den Vorsteuerabzug aus dem Ankauf dieser Fahrzeuge von der M-GmbH geltend gemacht hat.

2. Aus oben Gesagtem ergibt sich auch die Haftung des Klägers als Steuerhinterzieher nach § 71 AO.

Insoweit wird gemäß § 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, weil das Gericht hinsichtlich der Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner nach § 71 AO der Begründung der Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2011 folgt.

3. Der Umfang der Haftung ist nicht nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung beschränkt.

Der Umfang der Haftung nach § 69 AO ist nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung auf den Betrag beschränkt, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet wurde. Dies gilt grundsätzlich auch für die Haftung nach § 71 AO, wenn der Geschäftsführer einer GmbH infolge einer begangenen Steuerhinterziehung neben dem Haftungstatbestand des § 69 AO zugleich den Haftungstatbestand des § 71 AO verwirklicht hat (vgl. BFH-Urteil vom 23. April 2014 VII R 41/12, BFH/NV 2014, 1459).

Ebenso wie § 69 AO hat § 71 AO Schadensersatzcharakter. Eine Sanktion für steuerunehrliches Verhalten wird mit der Vorschrift nicht bezweckt. Vielmehr soll mit der angeordneten Haftung des Straftäters der beim Fiskus eingetretene Vermögensschaden ausgeglichen werden. Deshalb kommt eine Haftung nur dann in Betracht, wenn zwischen der Pflichtverletzung und dem Steuerausfall als dem auszugleichenden Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Dies gilt nicht nur im Falle der Nichterfüllung einer Steuerschuld, sondern auch im Fall der Verletzung der Steuererklärungspflichten (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 2003 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein und erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen.

Bezüglich der im Streitfall vom Finanzamt ausgezahlten Vorsteuern für die Voranmeldungszeiträume März bis Oktober in Höhe von insgesamt 765.611,61 € und des für November 2009 verrechneten Guthabens in Höhe von 189.887,48 € mit Nachzahlungsbeträgen für März bis Oktober 2008 ergibt sich ein adäquater Kausalzusammenhang bereits daraus, dass bei einer zutreffenden Voranmeldung keine Verrechnung bzw. Auszahlung an die GmbH erfolgt wäre. Durch die Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen ist dem Finanzamt ein Schaden durch die Auszahlung der zu Unrecht angemeldeten Vorsteuern entstanden. Der Grundsatz der nur anteiligen Tilgungsverpflichtung greift insoweit nicht ein, weil es sich nicht um eine Zahlungsverpflichtung der GmbH, sondern um eine zu Unrecht an die GmbH ausgezahlte Steuervergütung handelt (vgl. BFH-Urteil vom 25. April 1995 VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97; Beschluss des FG Hamburg vom 26. Oktober 2010 – 3 V 85/10, EFG 11, 1111).

Die Haftung ist aber auch im Übrigen, d. h. soweit der Haftung über die ausgezahlten bzw. verrechneten Beträge hinaus eine Nachforderung in Höhe von 161.654,90 € zugrunde liegt, nicht beschränkt.

Zum einen hat das Finanzamt den Kläger mit Haftungsankündigung vom 8. Oktober 2009 Gelegenheit gegeben, zur beabsichtigten Inanspruchnahme als Haftungsschuldner Stellung zu nehmen. Da der Kläger hierzu keine Stellungnahme abgegeben hat, ist das Finanzamt berechtigt gewesen, den Kläger im Schätzungswege in voller Höhe für die offenen Umsatzsteuerschulden der GmbH in Anspruch zu nehmen. Bei der Ausübung seiner Schätzungsbefugnis ist die Verletzung der dem Haftungsschuldner obliegenden Pflicht zur Mitwirkung an der Sachaufklärung zu berücksichtigen. Dem Finanzamt, das keinerlei Angaben über die Gesamtverbindlichkeiten und die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, kann ein Schätzungsfehler grundsätzlich nicht vorgeworfen werden (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2011 VII R 22/10, BFH/NV 2012, 777).

Zum anderen hat die X-GmbH zum Zeitpunkt der Fälligkeit der geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide vom 2. März 2009 noch außerordentlich umfangreiche Geschäfte getätigt (vgl. S. 22 des Strafurteils des Landgerichts), so dass davon ausgegangen werden kann, dass zu diesem Zeitpunkt noch genügend Mittel vorhanden waren, die Forderungen des Finanzamts zu tilgen. Anhaltspunkte für eine Überschuldung der X-GmbH zu diesem Zeitpunkt liegen nicht vor.

4. Hinsichtlich der vom Kläger gerügten Berechnung der Steuerschuld der X-GmbH für November 2008 wird auf die Stellungnahme des Finanzamts vom 24. April 2012 (Bl. 23 f. Finanzgericht-Akte) verwiesen, in der nachvollziehbar dargelegt worden ist, wie es zu der Nachforderung in Höhe von 235.604,87 € im geänderten Vorauszahlungsbescheid vom 6. Oktober 2009 für November 2008 gekommen ist.

5. Das Finanzamt hat bei Erlass des Haftungsbescheides das ihm nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO zustehende Entschließungs- und Auswahlermessen fehlerfrei ausgeübt.

Bei der Inanspruchnahme eines nach den §§ 69, 71 AO Haftenden handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach § 102 FGO darauf zu überprüfen ist, ob der Haftungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.

Hat jemand - wie vorliegend - als Täter oder Teilnehmer eine vorsätzliche Steuerstraftat begangen, so ist es im Regelfall sachgerecht, wenn ihn die Finanzbehörde für den Steuerschaden in Anspruch nimmt. Sie würde eher ermessensfehlerhaft handeln, wenn sie den Betreffenden von einer Inanspruchnahme freistellte (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, BFH/NV 2004, 597). Im Übrigen reichen die Hinweise im Haftungsbescheid, dass O als weiterer Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden ist, und in der Einspruchsentscheidung, warum von der Inhaftungnahme des M als Mittäter abgesehen worden ist, als Begründung des Auswahl- und Entschließungsermessens aus.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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Finanzgericht München Urteil, 25. Nov. 2014 - 2 K 40/12 zitiert 11 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Abgabenordnung - AO 1977 | § 37 Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis


(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregel

Abgabenordnung - AO 1977 | § 191 Haftungsbescheide, Duldungsbescheide


(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 105


(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrun

Abgabenordnung - AO 1977 | § 34 Pflichten der gesetzlichen Vertreter und der Vermögensverwalter


(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 102


Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Er

Abgabenordnung - AO 1977 | § 69 Haftung der Vertreter


Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt

Abgabenordnung - AO 1977 | § 71 Haftung des Steuerhinterziehers und des Steuerhehlers


Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese n

Abgabenordnung - AO 1977 | § 35 Pflichten des Verfügungsberechtigten


Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, hat die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.

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(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, hat die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, hat die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, hat die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 235/03 Verkündet am:
11. Juli 2005
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der faktische Geschäftsführer einer GmbH ist nicht nur zur rechtzeitigen
Stellung des Insolvenzantrages nach § 64 Abs. 1 GmbHG verpflichtet, sondern
hat auch die haftungsrechtlichen Folgen einer Versäumung dieser
Pflicht (hier: Ersatz von Zahlungen nach § 64 Abs. 2 GmbHG) zu tragen (i.
Anschl. an Senat, BGHZ 104, 44; 150, 61).

b) Für die Stellung und Verantwortlichkeit einer Person als faktischer Geschäftsführer
einer GmbH ist es erforderlich, daß der Betreffende nach dem
Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft
- über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung
hinaus - durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des
rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die
Hand genommen hat.

c) In die Entscheidung, durch die der (faktische) Geschäftsführer zum Ersatz
von Zahlungen i. S. von § 64 Abs. 2 GmbHG verurteilt wird, ist der Vorbehalt
hinsichtlich seines Verfolgungsrechts gegen den Insolvenzverwalter
bezüglich seiner Gegenansprüche nach Erstattung an die Masse von Amts
wegen aufzunehmen (Ergänzung zu BGHZ 146, 264).
BGH, Urteil vom 11. Juli 2005 - II ZR 235/03 - OLG Stuttgart
LG Ellwangen
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 11. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Dr. Kurzwelly, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Strohn und Caliebe

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Beklagten wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 8. Juli 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte ohne Vorbehalt der Verfolgung seiner Rechte gegen den Kläger nach Erstattung an die Masse verurteilt worden ist.
II. Auf die Berufung des Beklagten wird - unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 20. Dezember 2002 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 147.944, 98 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10. Juli 2001 zu zahlen.
Dem Beklagten wird vorbehalten, nach Erstattung des Ver urteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 5 % und dem Beklagten zu 95 % auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. GmbH (im folgenden: Schuldnerin) den Beklagten als faktischen (Mit-)Geschäftsführer der Schuldnerin gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG auf Ersatz von nach Eintritt der Insolvenzreife geleisteten Zahlungen in Anspruch.
Die Schuldnerin erwarb Anfang 1998 von dem Gesamtvollstreckungsverwalter der in die Insolvenz geratenen G. GmbH in B., an der u.a. der Beklagte als Gesellschafter beteiligt gewesen war, deren Auftragsbestand und führte seit dem 1. März 1998 deren Geschäftsbetrieb weiter. Für die Nutzung des Betriebsgrundstücks in B. und das betriebsnotwendige Anlagevermögen hatte die Schuldnerin - wie zuvor die G. GmbH - an die Gr. GbR, an der der Beklagte zur Hälfte beteiligt war, einen monatlichen Mietzins in Höhe von 40.600,00 DM zu entrichten; außerdem hatte sie an die Gr. GmbH, deren Geschäftsführer und Mitgesellschafter zu 1/ 2 ebenfalls der Beklagte war, für ein Darlehen über 100.000,00 DM monatliche Zins- und Tilgungsraten von 6.878,00 DM zu erbringen. Für diese Gesellschaft führte die Schuldnerin außerdem aufgrund laufender Geschäftsbeziehung Aufträge aus und bezog Material von ihr.
Der Beklagte war aufgrund einer Vollmacht des Alleingesellschafters der Schuldnerin, Gru., vom 1. April 1998 berechtigt, diesen umfassend bei der Schuldnerin zu vertreten, und zwar insbesondere bei Gesellschafterversammlungen und allen anderen Tätigkeiten, Aufgaben und Überwachungen als Gesellschafter. Zudem war der Beklagte gegen eine monatliche Vergütung von 5.000,00 DM für den gesamten finanziellen Bereich der Schuldnerin - unter Ausschluß des satzungsmäßigen Geschäftsführers Ga. - allein zuständig und hatte auch allein Bank- und Zeichnungsvollmacht über das einzige Geschäftskonto der Schuldnerin bei der Kreissparkasse He.. Daher nahm auch nur der Beklagte die Überweisung sämtlicher Zahlungen für den laufenden Geschäftsbetrieb der Schuldnerin von diesem Konto vor und veranlaßte die Übersendung der Kontoauszüge an seine Geschäftsadresse bei der Gr. GmbH in He., die spätestens ab Januar 2000 die Buchhaltung der Schuldnerin gegen ein Honorar von 7.600,00 DM monatlich führte. Etwa einmal monatlich suchte der Beklagte den Betriebssitz der Schuldnerin in B. auf, um die Tätigkeit des satzungsmäßigen Geschäftsführers Ga. vor Ort zu kontrollieren und diesem Weisungen und Anleitungen zu erteilen. Dieser hatte faktisch die Stellung eines für die Akquisition von Aufträgen zuständigen Außendienstmitarbeiters der Schuldnerin und eines Kontrolleurs der Durchführung ihrer Auftragsarbeiten vor Ort. In finanzieller Hinsicht verfügte Ga. lediglich über eine Bargeldkasse bis maximal 5.000,00 DM, von der er in B. anfallende Unkosten begleichen durfte, deren Auffüllung aber von der Bewilligung und Überweisung durch den Beklagten abhing ; größere Anschaffungen durfte Ga. ohne Rücksprache mit dem Beklagten ebensowenig tätigen wie Einstellungen und Entlassungen von Arbeitnehmern oder Lohnerhöhungen.
Die Schuldnerin, die sich seit der Übernahme des Geschäftsbetriebs der G. GmbH in beengten finanziellen Verhältnissen befand und
über keine stillen Reserven oder Sachanlagen verfügte, geriet zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten und war schließlich bereits zum 31. Dezember 1999 mit einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 436.885,96 DM nicht nur rechnerisch überschuldet, sondern insolvenzreif. Gleichwohl stellte der Geschäftsführer Ga. erst unter dem 7. August 2000 Insolvenzantrag , aufgrund dessen das Insolvenzverfahren am 9. Oktober 2000 eröffnet wurde. In der Zeit von Anfang Januar bis Mitte Juli 2000 leistete die Schuldnerin auf Veranlassung des Beklagten Mietzinszahlungen an die Gr. GbR und Darlehensraten sowie Zahlungen für Lieferungen und Leistungen an die Gr. GmbH in einem Gesamtumfang von 289.355,24 DM (= 147.944,98 €).
Das Landgericht hat der auf Erstattung dieser Zahlungen gerichteten Klage in vollem Umfang stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Beklagten bleibt überwiegend erfolglos (I.); sie ist nur insoweit begründet, als die Vorinstanzen es versäumt haben, in das Urteil den gebotenen (BGHZ 146, 264) Vorbehalt hinsichtlich des Verfolgungsrechts des Beklagten gegen den Insolvenzverwalter bezüglich seiner Gegenansprüche nach Erstattung der Klageforderung an die Masse aufzunehmen (II.).
I. Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte dagegen, daß die Vorinstanzen ihn als faktischen Geschäftsführer der Schuldnerin und in dieser Eigenschaft als erstattungspflichtig i.S. des § 64 Abs. 2 GmbHG für die von ihm nach Insolvenz-
reife veranlaßten Zahlungen an die Gr. GbR sowie die Gr. GmbH im Umfang der Klageforderung angesehen haben.
1. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung kommt es für die Beurteilung der Frage, ob jemand faktisch wie ein Organmitglied gehandelt und als Konsequenz seines Verhaltens sich wie ein nach dem Gesetz bestelltes Organmitglied zu verantworten hat, auf das Gesamterscheinungsbild seines Auftretens an. Danach ist es allerdings nicht erforderlich, daß der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt. Entscheidend ist vielmehr, daß der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft - über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus - durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat (BGHZ 150, 61, 69 f.; BGHZ 104, 44, 48; vgl. ferner Sen.Urt. v. 27. Juni 2005 - II ZR 113/03, Umdr. S. 6, z.V.b.).
2. Von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen des Senats ist das Berufungsgericht - in Übereinstimmung mit dem Landgericht - zutreffend ausgegangen und hat auf dieser Grundlage in tatrichterlicher Würdigung die Überzeugung gewonnen, daß der Beklagte faktischer (Mit-)Geschäftsführer der Schuldnerin war; revisible Rechtsfehler sind ihm dabei - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht unterlaufen.

a) Das gilt im Rahmen des Gesamterscheinungsbildes des Auftretens des Beklagten zweifellos für dessen maßgeblich die Geschicke der Schuldnerin lenkende Tätigkeit im internen Geschäftsführungsbereich. Die Vorinstanzen haben insoweit aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme unter sorgfältiger Würdigung insbesondere der bedeutsamen Aussage des Zeugen Ga. umfangreiche Feststellungen dazu getroffen, daß der Beklagte im Innenverhältnis in
nahezu sämtlichen Bereichen der Schuldnerin - Führung des wesentlichen kaufmännischen und finanziellen Geschäftsbereichs einschließlich der laufenden alleinigen Verfügung über das einzige Geschäftskonto, der Buchhaltung, der Personalentscheidungen sowie der Erteilung von Weisungen gegenüber dem satzungsmäßigen Geschäftsführer Ga. auf dem Gebiet der Unternehmenspolitik und -organisation - die Geschicke der Schuldnerin wesentlich bestimmt hat; dagegen vermag die Revision - wie sie selbst einräumen muß - nichts zu erinnern.

b) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Oberlandesgericht - im Anschluß an das Landgericht - auch hinreichende Feststellungen zu einem eigenen maßgeblichen Handeln des Beklagten mit Außenwirkung im Sinne einer faktischen Geschäftsführung für die Schuldnerin getroffen. So war es dem Beklagten vorbehalten, aufgrund der ihm vom Alleingesellschafter erteilten weitreichenden Vollmacht allein die Bankgeschäfte der Schuldnerin, die typischerweise in die Kompetenz der Geschäftsführung einer GmbH fallen, zu führen. Dabei kommt besondere Bedeutung dem ungewöhnlichen Umstand zu, daß nur der Beklagte Bankvollmacht über das einzige Gesellschaftskonto im Außenverhältnis zur Kreissparkasse hatte, während der satzungsmäßige Geschäftsführer Ga. - was auch der Sparkasse gegenüber zur Sprache gekommen ist - offenbar bewußt von jeglicher Verfügungsbefugnis ausgeschlossen worden ist. Dementsprechend ist auch in diesem Zusammenhang die Feststellung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, daß gerade die Tatsache, daß der Beklagte es war, der darüber entschied, welche Gläubiger vorrangig bedient werden sollten - nämlich nahezu ausschließlich die von ihm selbst geführten beiden Gr.-Gesellschaften -, durchaus erhebliche "Außenwirkung" hatte. Hinzu kommt, daß nach den vom Berufungsgericht gebilligten Feststellungen des Landgerichts der Beklagte auch - in einem Fall urkundlich belegt - maßgeb-
liche Verhandlungen mit der Kreissparkasse über die Bedienung bestimmter Außenstände geführt hat; dabei ist der Umstand, daß der Beklagte den Schriftverkehr auch auf Geschäftsbögen der Gr. GmbH geführt hat, unerheblich, weil zum einen das Handeln nicht für jene Gesellschaft, sondern für die Schuldnerin aus dem Kontext klar hervorging und zum anderen der Geschäftspartnerin aus der laufenden Geschäftsverbindung bekannt war, daß der Beklagte insoweit für die Schuldnerin handelte und sich im übrigen standardmäßig die Geschäftsunterlagen , wie Kontoauszüge und dergleichen, an die Adresse jener Gr. GmbH senden ließ. Schließlich hat sich der Tatrichter auch revisionsrechtlich einwandfrei davon überzeugt, daß der Beklagte in gewissem Umfang auch im sonstigen Geschäftsverkehr mit Geschäftspartnern wie ein Geschäftsführer der Schuldnerin aufgetreten ist, und zwar sowohl vor der Berufung des Zeugen Ga. zum satzungsmäßigen Geschäftsführer als auch danach, so u.a. aus Anlaß der Vereinbarung von Zahlungsbedingungen mit der R. GmbH, der Hauptlieferantin der Schuldnerin; der dagegen gerichtete Einwand der Revision, der Beklagte habe lediglich vergessen, den Zusatz "Geschäftsführer" auf dem Bestätigungsschreiben für die R. GmbH zu streichen, ist unerheblich, weil es entscheidend auf die objektive Außenwirkung seines Handelns ankommt und dieses dokumentierte Verhalten im Gesamtzusammenhang ein aussagekräftiges Indiz für sein Auftreten als faktischer Geschäftsführer auch im übrigen darstellt.

c) Soweit die Revision die einzelnen Elemente der Würdigung des Gesamterscheinungsbildes des Auftretens des Beklagten für die Schuldnerin anders als das Oberlandesgericht gewichten möchte, handelt es sich um den revisionsrechtlich unzulässigen Versuch, die maßgebliche tatrichterliche Würdigung durch eine eigene zu ersetzen. Jedenfalls im vorliegenden Fall der Aufteilung der Geschäftsführungszuständigkeiten zwischen dem namentlich für Akquisiti-
on, Außenwerbung und Ausführungskontrolle zuständigen eigentlichen Geschäftsführer Ga. und dem für den wesentlichen kaufmännischen und finanziellen Bereich faktisch verantwortlichen Beklagten reichen die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen zur Tätigkeit des Beklagten in seinem Ressort auch bezüglich seines Handelns im Außenverhältnis aus, um sein gesamtes Auftreten für die Beklagte als faktische Geschäftsführung einzustufen.
II. Demgegenüber kann die vorbehaltlose Verurteilung des Beklagten keinen Bestand haben.
Die Vorinstanzen haben zwar unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Senatsurteil BGHZ 146, 264 zutreffend den Einwand des Beklagten hinsichtlich einer Kürzung des Ersatzanspruchs der Schuldnerin um die fiktiv auf die vom Beklagten unzulässig beglichenen Forderungen entfallende Insolvenzquote zurückgewiesen , weil nach der neueren Senatsrechtsprechung der nach § 64 Abs. 2 GmbHG als faktischer Geschäftsführer in Anspruch genommene Beklagte die verbotswidrigen Zahlungen der Insolvenzmasse ungekürzt zu erstatten hat. Dabei haben beide Tatgerichte aber übersehen, daß der Senat in demselben Urteil entschieden hat, daß zur Vermeidung einer Bereicherung der Masse dem erstattungspflichtigen Geschäftsführer im Urteil vorzubehalten ist, seinen Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen (BGHZ 146, 264, 279 sowie Leitsatz c).
Die insoweit erforderliche Korrektur der vorinstanzlichen Urteile durch Einfügung des gebotenen Vorbehalts kann der Senat selbst vornehmen, da die Sache endentscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Eines ausdrücklichen Antrags des Beklagten auf Vorbehalt seiner Rechte bedurfte es schon deshalb
nicht, weil § 64 Abs. 2 GmbHG stets die Konstellation zugrunde liegt, daß das auch für diesen Ersatzanspruch eigener Art sinngemäß geltende schadensrechtliche Bereicherungsverbot letztendlich eine Reduzierung der Haftung um die sich am Schluß des Insolvenzverfahrens etwa ergebende Insolvenzquote erfordert.
Goette Kurzwelly Gehrlein
Strohn Caliebe

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln. Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Fall des § 104 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war zusammen mit ihrem Mann (A) an einer GmbH beteiligt, die Abfindungsbranntwein kaufte und verkaufte. Nach dem Tod des A wurde die Klägerin Geschäftsführerin der GmbH. An dieser war ihre Tochter als weitere Gesellschafterin zunächst zu 50 % und nach dem Tod des A im Jahr 2005 zu 65 % beteiligt. Nach den Feststellungen des Zollfahndungsamts und des Landgerichts (LG) kauften die Klägerin und A im Zeitraum von Januar 1999 bis Juli 2002 in mindestens vier Fällen gemeinschaftlich handelnd von einem Herrn B insgesamt ... Liter reinen Alkohol. B hatte den Branntwein seinerseits von einem Herrn C erworben, der den Branntwein in einer von ihm ohne Genehmigung betriebenen Brennerei hergestellt hatte. Den Branntwein hatte C ausschließlich an B verkauft, der ihn überwiegend als Trester an lediglich drei Abnehmer weiterveräußerte. Ein Abnehmer war die GmbH, an der die Klägerin, ihr Mann und ihre Tochter beteiligt waren. Wegen des Erwerbs des Branntweins (vier Taten mit zusammen 331 Einzelgeschäften) wurde die Klägerin vom LG mit Urteil vom 24. Oktober 2008 wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt, wobei das LG für die Jahre 1999 bis 2002 eine Gesamtmenge unversteuerten Branntweins von ... Litern und demzufolge einen Steuerschaden in Höhe von ... € zugrunde legte. Die dagegen beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegte Revision hatte keinen Erfolg. Aufgrund der vom Zollfahndungsdienst im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) die Klägerin sowie B und C mit Haftungsbescheid vom 16. März 2009 nach § 71 der Abgabenordnung (AO) gesamtschuldnerisch als Haftungsschuldner auf Zahlung der nicht entrichteten Branntweinsteuer in Anspruch. Mit geändertem Haftungsbescheid vom 11. Januar 2011 setzte das HZA die Haftungsschuld auf ... € herab. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

2

Das Finanzgericht (FG) urteilte, die haftungsrechtliche Inanspruchnahme der Klägerin sei nicht zu beanstanden, da sie zur Überzeugung des Gerichts zusammen mit A eine mittäterschaftliche Steuerhehlerei (§ 374 AO, § 25 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs --StGB-- i.V.m. § 369 Abs. 2 AO) begangen und dadurch die Branntweinsteuer verkürzt habe. Aufgrund der Feststellungen des LG, die durch die Entscheidung des BGH bestätigt worden seien, stehe fest, dass sie den Branntwein mit dem Ziel der Bereicherung gekauft und dabei rechtswidrig und schuldhaft gehandelt habe. Die strafgerichtlichen Feststellungen könne sich das Gericht zu eigen machen, denn im Streitfall habe die Klägerin pauschal auf ihre Einwendungen im strafgerichtlichen Revisionsverfahren verwiesen, bei denen es sich um diejenigen Einwendungen handele, die sie bereits im Einspruchsverfahren vorgebracht habe. Der pauschale Verweis auf die Revisionsbegründung könne nicht eine substantiierte Auseinandersetzung mit dem Beschluss des BGH ersetzen, der die von der Klägerin erhobenen Rügen nicht als durchgreifend erachtet habe. Da eine Auseinandersetzung mit der letztinstanzlichen strafgerichtlichen Entscheidung fehle, bestehe keine Veranlassung zu der Annahme, die im Strafverfahren getroffenen Feststellungen seien unzutreffend. Daher habe auch kein Anlass zur Beiziehung der Strafakten bestanden.

3

Mit ihrer Behauptung, dem Steuerschuldner hätten bei Fälligkeit der Branntweinsteuer keine ausreichenden Mittel zu deren Tilgung zur Verfügung gestanden, könne die Klägerin nicht durchdringen. Denn auf die Leistungsfähigkeit des eigentlichen Steuerschuldners könne es bei einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme nach § 71 AO nicht ankommen. Die Klägerin selbst habe über ausreichende Mittel verfügt und durch ihr illegales Verhalten aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeiten vereitelt. Anhand der strafgerichtlichen Feststellungen habe das HZA die Haftungssumme zutreffend ermittelt. Bei der Feststellung der von der Klägerin und A gekauften Alkoholmenge habe sich das LG im Einzelnen auf die sichergestellten Kaufbelege gestützt. Es habe sich dabei exakt um die Menge gehandelt, die das HZA seinem ursprünglichen Haftungsbescheid zugrunde gelegt habe.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Übernahme der strafgerichtlichen Feststellungen durch das FG. Sowohl im finanzgerichtlichen als auch im strafgerichtlichen Verfahren habe sie geltend gemacht, dass ihr der Kauf des Branntweins nicht zugerechnet werden könne und dass dessen Umfang unzutreffend ermittelt worden sei. Dem Antrag auf Beiziehung der gesamten Strafakten sei das FG verfahrensfehlerhaft nicht gefolgt. Entgegen der Ansicht des FG habe sie in Bezug auf den Umfang des Erwerbs und legaler Liefervorgänge nicht nur pauschale, sondern konkrete Einwendungen erhoben. Die Aussagen des BGH in seinem Urteil vom 9. Dezember 2012 seien einer inhaltlichen Auseinandersetzung nur sehr eingeschränkt zugänglich. Bei der Bestätigung der vom HZA angenommenen Haftungssumme habe das FG die Grundsätze der anteiligen Haftung nicht berücksichtigt. Widersprüchlich seien in diesem Zusammenhang die Ausführungen zur Leistungsfähigkeit des Haftungsschuldners. Offen bleibe, welche Vollstreckungsmöglichkeiten sie vereitelt habe. Zum Umfang der Zahlungen an C habe das LG keine Feststellungen getroffen. Schließlich habe das FG den Vortrag unberücksichtigt gelassen, dass der Steuerschuldner alle Zahlungen unmittelbar für andere Zwecke als für die Begleichung der Steuerschulden verwendet habe.

5

Das HZA schließt sich im Wesentlichen der Rechtsauffassung des FG an. Die Ansicht der Klägerin führe zu einem Haftungsausschluss in all den Fällen, in denen eine solvente Person den von einer zahlungsunfähigen Person illegal hergestellten Branntwein kaufe. Diese Rechtsfolge sei mit dem Sinn und Zweck der von § 71 AO angeordneten Haftung nicht vereinbar. Im Übrigen bestehe zur Übernahme der vom FG für zutreffend erachteten Feststellungen und Beweiswürdigungen des Strafgerichts besonders dann Anlass, wenn die strafgerichtliche Entscheidung bereits rechtskräftig sei.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

7

1. Nach § 76 Abs. 1 FGO hat das FG den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Dies gilt insoweit, als Aufklärungsmaßnahmen durch den Inhalt der Akten, das Beteiligtenvorbringen oder sonstige Umstände veranlasst sind. Dabei steht die Art und Weise der Beweiserhebung und die Auswahl der Beweismittel grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wird die dem FG obliegende Sachaufklärungspflicht nicht dadurch verletzt, dass sich das FG die tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtliche Beurteilungen des Strafverfahrens zu eigen macht, wenn nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) diese Feststellungen zutreffend sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Tatsachen, auf die es ankommt, bereits im Strafverfahren rechtskräftig festgestellt worden sind, die Beteiligten die im Strafurteil getroffenen Feststellungen als zutreffend anerkennen bzw. keine substantiierten Einwendungen dagegen erheben und für das Gericht kein Grund besteht, gleichwohl eine weitere Aufklärung vorzunehmen (Senatsurteile vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, BFHE 204, 380, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2004, 162; vom 12. Januar 1988 VII R 74/84, BFH/NV 1988, 692, und vom 22. Februar 1972 VII R 80/69, BFHE 105, 220, BStBl II 1972, 544).

8

Nach diesen Grundsätzen hat das FG die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht nicht dadurch verletzt, dass es von einer eigenen Beweisaufnahme, insbesondere von der Beiziehung sämtlicher Strafakten, abgesehen und sich stattdessen die Feststellungen des LG zu eigen gemacht hat. Wie das FG in seiner Urteilsbegründung ausgeführt hat, ist das Strafurteil des LG mit der Zurückweisung der Revision rechtskräftig geworden. Mit der Entscheidung des BGH hat sich die Klägerin in ihrer Klage jedoch nicht substantiiert auseinandergesetzt. Vielmehr beschränkte sich ihr Vorbringen auf einen pauschalen Hinweis auf die Revisionsbegründung und die Behauptung, der BGH habe die im angefochtenen Strafurteil enthaltenen Widersprüche nicht vollständig behandelt. Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin mit ihrer Revision die Ermittlung derjenigen Tatsachen gerügt, auf die das LG die Verurteilung gestützt hat und die auch im Streitfall maßgeblich sind. Das Rechtsmittel hatte jedoch keinen Erfolg.

9

Bei diesem Befund musste sich dem FG aufgrund des Klagevorbringens und des Akteninhalts eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht aufdrängen, zumal die Klägerin im Wesentlichen ihre gegen das Urteil des LG erhobenen Einwände wiederholt hat. Soweit die Klägerin in der Klagebegründung beanstandete, drei vom HZA als Beweis für einen entsprechenden Kauf gewertete Belege seien nicht von ihr unterzeichnet worden, hat das HZA den Einwand anerkannt und die Haftungssumme durch Erlass eines geänderten Haftungsbescheids entsprechend herabgesetzt. Im Übrigen hat es an seiner Auffassung festgehalten, dass die von der Klägerin unterschriebenen Kaufbelege --ungeachtet der darauf angegebenen Branntweinart und des jeweiligen Orts des Kaufs-- die Menge des von der Klägerin angekauften und übernommenen Branntweins und damit auch die mit dem geänderten Haftungsbescheid geltend gemachte Branntweinsteuer- bzw. Haftungsschuld hinreichend belegt. In ihrer Erwiderung hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, auf die von ihr unterzeichneten Belege könne eine Haftung ohne gesonderte Feststellungen zu den einzelnen Käufen nicht gestützt werden. Nicht bestritten hat sie den Umstand, dass die Belege tatsächlich von ihr unterschrieben worden sind. Aus diesem Grund ist die aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene Überzeugung des FG --das insbesondere den von der Klägerin unterschriebenen Belegen eine streitentscheidende Bedeutung beigemessen hat-- nachvollziehbar, die Klägerin, die für die Buchhaltung der GmbH verantwortlich war, habe die durch die Belege ausgewiesene Menge an unversteuertem Branntwein tatsächlich übernommen und damit einen eigenen Tatbeitrag zu einer Steuerhehlerei (§ 374 AO) geleistet. Aus seiner Sicht musste sich dem FG eine eigene Sachaufklärung zu den einzelnen Käufen auch deshalb nicht aufdrängen, weil sich der BGH dem Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der als unzulänglich und verfahrensfehlerhaft beanstandeten Tatsachenermittlung des LG nicht angeschlossen und die Revision verworfen hat.

10

Darüber hinaus musste das FG dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Beiziehung der Strafakten auch deshalb nicht folgen, weil es sich um einen unzulässigen Beweisantrag handelte. Weder waren bestimmte Tatsachen unter Beweis gestellt noch in den Strafakten befindliche Unterlagen konkret bezeichnet. Auch die Revisionsbegründung lässt Angaben vermissen, aus welchen Teilen der Strafakten sich welche gegen eine der Klägerin zur Last gelegte Steuerhehlerei sprechenden Tatsachen ergeben, die das FG wegen der unterlassenen Beiziehung der Strafakten unberücksichtigt gelassen hat. Die Revision macht keine konkreten Angaben zu den vom FG nicht wahrgenommenen Beweismitteln, welches genaue Ergebnis eine entsprechende Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern sie zu einer für die Klägerin günstigeren --von den Feststellungen des LG abweichenden-- Entscheidung hätte führen können.

11

2. Zu Recht hat das FG geurteilt, die Behauptung der Klägerin, der Steuerschuldner sei zur Entrichtung der Branntweinsteuer nicht in der Lage gewesen, so dass nach dem Grundsatz der anteiligen Haftung der Steuerschaden nicht habe eintreten können, stehe der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme der Klägerin nach § 71 AO nicht entgegen. Denn der Grundsatz der anteiligen Haftung kann auf die Haftung eines Steuerhehlers, der für die vom Schwarzbrenner hinterzogene Branntweinsteuer in Anspruch genommen wird, nicht angewendet werden.

12

a) Nach Auffassung des FG ist die Klägerin als Mittäterin (§ 25 Abs. 2 StGB) einer Steuerhehlerei (§ 374 AO) anzusehen, weil sie zusammen mit A unversteuerten Branntwein gekauft hat, um sich zu bereichern. Substantiierte Einwendungen gegen diese Würdigung sind der Revision, die sich gegen die Sachverhaltsfeststellungen hinsichtlich der gekauften Menge Branntwein und die Annahme einer Schadensverursachung richtet, nicht zu entnehmen.

13

b) Ebenso wie § 69 AO hat § 71 AO Schadensersatzcharakter. Eine Sanktion für steuerunehrliches Verhalten wird mit der Vorschrift nicht bezweckt. Vielmehr soll mit der angeordneten Haftung des Straftäters der beim Fiskus eingetretene Vermögensschaden ausgeglichen werden. Deshalb kommt eine Haftung nur dann in Betracht, wenn zwischen der Pflichtverletzung und dem Steuerausfall als dem auszugleichenden Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Den Grundsatz der anteiligen Haftung hat der erkennende Senat bei Anwendung des § 71 AO bisher nur auf die Fälle der steuerrechtlichen Haftung gesetzlicher Vertreter angewandt, in denen der Geschäftsführer einer GmbH infolge einer begangenen Steuerhinterziehung neben dem Haftungstatbestand des § 69 AO zugleich den Haftungstatbestand des § 71 AO verwirklicht hat (Senatsentscheidungen vom 26. August 1992 VII R 50/91, BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8; vom 2. März 1992 VII R 90/90, BFH/NV 1994, 526, und vom 16. März 1993 VII R 89/90, BFH/NV 1994, 359). Reichen in diesen Fällen die dem Steuerschuldner zur Verfügung stehenden Mittel nicht aus, kann nur eine anteilige Befriedigung des Steuergläubigers verlangt werden, so dass der Täter einer Steuerhinterziehung nur für den Betrag haftet, der bei fristgerechter Abgabe der Steueranmeldung unter Beachtung einer gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger vom Steuerschuldner hätte getilgt werden können (Jatzke in Beermann/Gosch, AO, § 71 Rz 15, m.w.N.).

14

c) Entgegen der Auffassung der Revision lassen sich diese Grundsätze auf den Fall der Haftung eines Steuerhehlers, der unversteuerte verbrauchsteuerpflichtige Waren kauft, nicht übertragen. Bei einem rechtmäßigen Verhalten des Steuerschuldners, nämlich dem Unterlassen des Schwarzbrennens, wäre es zu einer Steuerentstehung nach § 136 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes über das Branntweinmonopol a.F. überhaupt nicht gekommen. Hätte sich der Steuerhehler (die Klägerin) rechtmäßig verhalten und das schwarz gebrannte Erzeugnis nicht gekauft, stellte sich die Frage einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme nach § 71 AO nicht. Zudem kann die Haftung nach § 71 AO in anderen Fällen als denen einer gleichzeitigen Erfüllung des Haftungstatbestands des § 69 AO nicht davon abhängig gemacht werden, inwieweit das Verhalten des Haftungsschuldners (Steuerhehlers) ursächlich für die Nichtentrichtung der Steuer durch den Steuerschuldner (Schwarzbrenner, Schmuggler) gewesen ist. Auch hat der Steuerhehler keine steuerlichen Pflichten des Steuerschuldners zu erfüllen. Bei einer Haftung nach § 71 AO kann es daher auf die Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners oder des in Haftung genommenen Steuerstraftäters nicht ankommen. Eine Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Haftung ist aus den genannten Gründen ausgeschlossen.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war seit der Gründung alleinige Geschäftsführerin der A-GmbH (GmbH), für die sie am 23. Dezember 2003 einen Insolvenzantrag stellte. Das Insolvenzverfahren wurde am 9. Februar 2004 eröffnet. Die GmbH war zu diesem Zeitpunkt mit Umsatzsteuer aus dem Jahr 2003 im Rückstand.

2

Nachdem sich die Klägerin weder zur Sache geäußert noch die geforderten Berechnungen aus den Geschäftsunterlagen vorgelegt hatte, erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) am 27. Mai 2004 einen Haftungsbescheid, mit dem er die Klägerin nach §§ 191, 69, 34 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 35 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) für den Zeitraum vom 11. August 2003 bis zum 23. Dezember 2003 (Eingang des Insolvenzantrags) mit einer Quote von 70 % der rückständigen Beträge (Umsatzsteuer und Säumniszuschläge) in Höhe von insgesamt 25.693,01 €, d.h. anteilig in Höhe von 17.985,10 € (70 % von 25.693,01 €) in Anspruch nahm.

3

In dem im Übrigen erfolglosen Einspruchsverfahren minderte das FA die Haftungssumme --wegen einer bei Erlass des Haftungsbescheids unberücksichtigt gebliebenen Verrechnung eines Steuererstattungsanspruchs der GmbH in Höhe von 3.502,96 € mit den Steuerrückständen-- auf nunmehr 15.533,03 €.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1274 veröffentlichten Urteil teilweise statt. Es reduzierte die Haftungsquote auf 50 % und die Haftungssumme auf 7.298 €. Das FA habe die Klägerin als Geschäftsführerin gemäß § 69 i.V.m. § 34 AO, § 35 GmbHG dem Grunde nach zu Recht, aber mit einer zu hohen Haftungsquote in Haftung genommen. Die quotale Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldnerin in Höhe von 70 % der Umsatzsteuerschulden der GmbH halte einer Überprüfung nicht stand. Die Anwendung dieses Prozentsatzes auf die Steuerschulden der GmbH sei angesichts des verfügbaren weiteren Zahlenmaterials aus dem Insolvenzgutachten und den Umsatzsteuervoranmeldungen auch unter Berücksichtigung der nicht ausreichenden Mitwirkung der Klägerin zu pauschal. Auch werde die Haftungssumme durch Anwendung der Quote auf die "verbliebene" Steuerschuld der GmbH ohne Beschränkung auf den Haftungszeitraum und ohne Abzug der darin beglichenen Steuerschulden nicht zutreffend berechnet.

5

Eine Haftung der Klägerin nach § 69 i.V.m. § 34 AO auf die volle Steuerschuld wegen der --erst im Verlauf des finanzgerichtlichen Verfahrens bekannt gewordenen-- Fälschung einer Freistellungsbescheinigung vom 16. November 2001 komme nicht in Betracht.

6

Mit der Revision macht das FA im Wesentlichen geltend, dass entgegen der Auffassung des FG die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme der Klägerin nach § 69 AO in Höhe der rückständigen Umsatzsteuer und Säumniszuschläge von Juli bis Oktober 2003 wegen der Fälschung der Freistellungsbescheinigung durch die Klägerin gegeben seien. In seinem weiteren Vortrag wendet sich das FA gegen die vom FG geschätzte Haftungsquote und die ermittelte Haftungssumme.

7

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin hält die Entscheidung des FG für zutreffend und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat entscheidet nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO in der Sache selbst.

10

Das FA hat die Klägerin nach Grund und Höhe zu Recht gemäß § 69 i.V.m. § 34 Abs. 1, § 191 Abs. 1 AO als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen.

11

1. Das FG hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin die ihr als Geschäftsführerin der GmbH obliegenden steuerlichen Pflichten zumindest grob fahrlässig verletzt hat. Denn als Geschäftsführerin und gesetzliche Vertreterin der GmbH i.S. von § 34 Abs. 1 AO war sie damit betraut, die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen. Zu ihnen gehörte die fristgerechte Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen (§ 18 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes).

12

2. Das erstinstanzliche Urteil war aber aufzuheben, weil das FG bei der Ausübung seiner Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 AO) die Verletzung der dem Haftungsschuldner nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) obliegenden Pflicht zur Mitwirkung an der Sachaufklärung nicht in dem gebotenen Maß berücksichtigt hat und sich darüber hinaus bei der Schätzung der Haftungssumme von Erwägungen hat leiten lassen, die das Ergebnis nach Auffassung des Senats nicht nachvollziehbar begründen, so dass die Reduzierung der Quote nicht schlüssig ist (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2004 VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498). Hinreichende Anhaltspunkte, die die vom FG vorgenommene, von der des FA abweichende Schätzung rechtfertigen, sind den Feststellungen des FG nicht zu entnehmen.

13

a) Bei der Verwerfung des vom FA ermittelten Schätzungsergebnisses hat das FG nicht hinreichend berücksichtigt, dass das FA von der Klägerin keinerlei Angaben über Zahlungen, Verbindlichkeiten und Forderungen der GmbH erhalten hat. Die Verletzung der der Klägerin im Rahmen der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme obliegenden Mitwirkungspflicht zur Sachverhaltsaufklärung kann im Streitfall nicht dazu führen, dass sich die Auswirkungen dieser Pflichtverletzung lediglich in der Befugnis des FA zur Schätzung der Haftungssumme erschöpfen und dass bei der Verwerfung des Schätzungsergebnisses des FA und der Ausübung der eigenen Schätzungsbefugnis durch das FG der Umstand der Pflichtverletzung des Haftungsschuldners gänzlich außer Betracht bleibt. Vielmehr hat das FG das Maß der Verletzung der dem Haftungsschuldner nach § 90 Abs. 1 AO obliegenden Mitwirkungspflicht bei der Ausübung seiner Schätzungsbefugnis zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2004, 1498). Macht der Haftungsschuldner keine oder nur unvollständige Angaben, kann er sich auf Schätzungsfehler des FA nur in einem eingeschränkten Umfang berufen. Will er eine für ihn günstigere Haftungsquote erreichen, bleibt es ihm vorbehalten, einen entsprechenden Liquiditätsstatus der GmbH vorzulegen. Ein Schätzungsfehler kann dem FA, das keinerlei Angaben über die Gesamtverbindlichkeiten und die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, nicht vorgeworfen werden (Senatsbeschluss vom 31. März 2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322, Rz 21). Dass das FG dies im Streitfall hinreichend beachtet hat, vermag der erkennende Senat den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils nicht zu entnehmen.

14

Im Streitfall hätte von der Klägerin in Anbetracht ihrer früheren Stellung als alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der GmbH zumindest die Beantwortung des vom FA übersandten Fragebogens zum Nachweis einer vollständigen und gewissenhaften Erfüllung ihrer Mitwirkungspflicht erwartet werden können. Auch ist für den Senat nicht ersichtlich, in welchem Umfang sich die Klägerin unter Ausschöpfung der ihr zugänglichen Erkenntnisquellen um eine Ermittlung dieser Daten bemüht und welche --evtl. ergebnislosen-- Anstrengungen sie hierzu unternommen hat. Jedenfalls ist der von der Klägerin in der Vorinstanz vorgebrachte Einwand widerlegt, zu den Forderungen und Verbindlichkeiten der GmbH im Haftungszeitraum könne sie keine Angaben machen, zumal sie völlig ruiniert und nicht in der Lage sei, das Jahr 2003 buchhalterisch aufarbeiten zu lassen. Denn die Klägerin hat --ausweislich ihrer eigenen Erklärung, die Teil des Insolvenzgutachtens ist-- ein Exemplar des Insolvenzgutachtens über das Vermögen der GmbH erhalten.

15

b) Die vom FG seiner Schätzung zu Grunde gelegten einzelnen Vorgänge und Werte sind im Übrigen nicht geeignet, die vom FA mangels Mitwirkung der Klägerin pauschal angesetzte Haftungsquote zu mindern. Zwar ist die Schätzung als Tatsachenwürdigung grundsätzlich dem FG vorbehalten und damit für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich bindend; jedoch entfällt diese Bindung dann, wenn die vom FG gezogenen Schlussfolgerungen mit den Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen unvereinbar oder in sich widersprüchlich sind (Senatsurteil in BFH/NV 2004, 1498; BFH-Urteil vom 7. März 1973 II R 34/66, BFHE 109, 472, BStBl II 1973, 707). Die Schätzungen des FG müssen in sich schlüssig, wirtschaftlich vernünftig und möglich sein. In Schätzungsfällen stehen den materiellen Rechtsfehlern Verstöße gegen die angewandte Schätzungsmethode, gegen Denkgesetze und gegen allgemeine Erfahrungssätze und anerkannte Schätzungsgrundsätze, insbesondere die Unmöglichkeit des Schätzungsergebnisses, gleich (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2004, 1498; BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226).

16

Das FG rechtfertigt seine --von der des FA abweichende-- Schätzung der Tilgungsquote maßgeblich mit verfügbarem weiteren Zahlenmaterial des Insolvenzgutachtens, der Umsatzsteuervoranmeldungen und den vom FA vorgelegten Kontoauszügen, geht aber gleichwohl nicht von diesen Werten aus, sondern nimmt mangels konkreter Details zu den Verbindlichkeiten zu Beginn und zum Zuwachs der Verbindlichkeiten während des Haftungszeitraums eine Rückrechnung vor, indem es die Werte der aus den Unterlagen ersichtlichen offenen Forderungen gegenüber der GmbH teilweise ändert und ihnen --nur zu einem ganz geringen Teil nachweisbare-- Zahlungen der GmbH im Haftungszeitraum gegenüberstellt.

17

Angesichts der fehlenden Mitwirkung der Klägerin hätte es aber zur Rechtfertigung der selbst ermittelten Haftungsquote eines eindeutigen Zahlenmaterials als Berechnungsgrundlage bedurft. Allein die vom FG aus dem Insolvenzgutachten und den angemeldeten Umsatzsteuern abgeleiteten Verbindlichkeiten und Zahlungen bilden im Streitfall keine verlässliche Grundlage für eine realitätsnahe Schätzung der Haftungssumme.

18

aa) Dies zeigt sich schon daran, dass nach dem eigenen Vortrag der Klägerin weitere Zahlungen und damit Tilgungen der nichtsteuerlichen Verbindlichkeiten der GmbH nicht ausgeschlossen werden können. So hat die Klägerin im Verfahren vor dem FG vorgetragen, "erhebliche private Mittel" noch im Oktober 2003 aus einer Erbschaft für Zwecke der GmbH eingesetzt zu haben, so auch ohne dass das FG dieser Behauptung nachgegangen wäre.

19

bb) Überdies ist das FG --ohne nähere Begründung-- davon ausgegangen, dass die Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber der Bank X vollständig außerhalb des Haftungszeitraums begründet und ausgezahlt worden seien. Aufgrund der angespannten finanziellen Situation der GmbH im Jahr 2003 erscheint es aus Sicht des Senats nicht ausgeschlossen, dass zumindest Teile dieser Bankverbindlichkeiten während des Haftungszeitraums begründet und zur Tilgung nichtsteuerlicher Verbindlichkeiten eingesetzt worden sind.

20

cc) Schließlich ist nicht nachvollziehbar, warum das FG angenommen hat, dass für die beiden Monate November und Dezember 2003, für die keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben wurden, ein Zahlungszufluss in Höhe von einem Drittel des auf den Monat August 2003 entfallenden Bruttobetrags anzusetzen ist. So hat das FG den Betrag aus der Umsatzsteuervoranmeldung für August 2003 zu 100 % herangezogen, obwohl der Haftungszeitraum erst am 11. August 2003 begonnen hat. Die Begründung für diese Schätzung, insbesondere für den hierdurch unterstellten erheblichen Umsatzrückgang ab Oktober 2003, bleibt das FG schuldig. Zwar hat die Klägerin im Verfahren vor dem FG vorgetragen, die N-GmbH sei ihr einziger Auftraggeber, diesbezügliche Feststellungen hat das FG jedoch nicht getroffen.

21

Ebenso erschließt sich nicht der Grund für die Zuschätzung von weiteren 29.017 € brutto. Für den erkennenden Senat liegt es nahe, dass ein "glatter" Zwischenbetrag von 240.000 € erreicht werden sollte. Daher kann unter diesen Gesichtspunkten das Schätzungsergebnis nicht als schlüssig erachtet werden.

22

dd) Der erkennende Senat weist überdies darauf hin, dass der gesamte vom FA verrechnete Steuererstattungsanspruch in Höhe von 4.960 € (3.609,83 € und 1.350 €) --und nicht nur wie vom FG in Höhe von 1.350 € unzutreffender Weise angesetzt-- als Zahlung auf die Umsatzsteuerschulden anzusetzen wären (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 AO Rz 46). Um diesen Betrag wurde die --während des Haftungszeitraums fällige-- Steuerschuld verringert. Da durch die Aufrechnung des --vom FG nicht angesetzten-- Betrags in Höhe von 3.609,83 € eine während des Haftungszeitraums fällige Steuerverbindlichkeit beglichen wurde, wären auch die Steuerverbindlichkeiten im Haftungszeitraum mit 38.140 € --und nicht wie vom FG errechnet mit 34.530 €-- anzusetzen.

23

3. Da in einem zweiten Rechtsgang nach den vom FG getroffenen Feststellungen keine weiteren Erkenntnisquellen zu den Zahlungen der GmbH im Haftungszeitraum und ihren Verbindlichkeiten in Betracht kommen, ist die Sache spruchreif (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 126 Rz 12, m.w.N.). Der Senat entscheidet nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO in der Sache selbst. Das Urteil des FG war aufzuheben und die Klage abzuweisen, da mangels Mitwirkung der Klägerin jedenfalls keine geringere Haftungsquote als vom FA geschätzt anzusetzen war.

24

4. Die Frage, ob die Klägerin auch wegen Verfälschens der Freistellungsbescheinigung und der sich daraus ergebenden Vereitelung der Aufrechnungsmöglichkeit des FA als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen werden kann, kann der Senat offen lassen.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.