Finanzgericht München Urteil, 01. Dez. 2016 - 14 K 1350/14

bei uns veröffentlicht am01.12.2016

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

1.

Gründe

I.

Der Kläger stellte am 19. Oktober 2009 beim Beklagten (dem Hauptzollamt - HZA -) einen Antrag auf Steuerentlastung gemäß § 52 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) für das Jahr 2002. Der Antrag bezog sich ausschließlich auf Luftfahrtbetriebsstoffe, die er für seine Flugschule verbraucht hatte.

Mit Bescheid vom 23. November 2009 lehnte das HZA den Antrag ab, weil Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 14. April 2014 als unbegründet zurück; diese ging am 17. April 2014 per Einschreiben mit Rückschein zur Post; am 19. April 2014 wurde sie zugestellt.

Am 19. Mai 2014 erhob der Kläger Klage. Nationale Behörden könnten sich nicht auf Verjährungsvorschriften berufen, wenn und solange der nationale Gesetzgeber Richtlinien der Europäischen Union nicht rechtzeitig oder unzureichend in nationales Recht umgesetzt hätte (Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts - FG - Hamburg vom 9. Juni 2009 4 K 268/08, Steuern in der Elektrizitätswirtschaft - StEW - 2010, 20). Dies sei hier der Fall, weil der Gesetzgeber die im Streitjahr noch geltende Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle (Abl. L Nr. 316, S. 12 - Verbrauchsteuer-Struktur-Richtlinie -) nur unzureichend in deutsches Recht umgesetzt habe. § 50 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) habe eine Genehmigung als Luftfahrtunternehmen nach § 20 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) vorausgesetzt. Einige Änderungen des LuftVG hätten dazu geführt, dass gewerbliche Flugschulen nicht mehr diese Genehmigung, sondern nur noch eine Ausbildungserlaubnis nach § 5 LuftVG erhalten hätten, so dass sie aus dem Anwendungsbereich des § 50 MinöStV herausgefallen seien. Daraufhin habe das Bundesministerium der Finanzen -BMF- mit Schreiben vom 3. Dezember 2002 angeordnet, gewerblichen Flugschulen, die eine Ausbildungserlaubnis besäßen, sei die Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 des Mineralölsteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres (MinöStG) zu gewähren. Das BMF habe dieses Schreiben jedoch nicht veröffentlicht. Dies zeige deutlich, dass dem BMF das Umsetzungsdefizit bewusst gewesen sei, es jedoch durch gezielte „Geheimhaltungsmaßnahmen“ dafür gesorgt habe, dass im Grunde keine nach Unionsrecht berechtigte Flugschule eine Steuerentlastung in Anspruch habe nehmen können. Das HZA verhalte sich treuwidrig, wenn es sich auf die Festsetzungsverjährung berufe: Es stütze sich auf eine wissentlich unionsrechtswidrige nationale Rechtslage, seine vorgesetzte Behörde habe vorsätzlich verhindert, dass der Kläger überhaupt nur auf die Idee habe kommen können, Steuerentlastungsanträge zu stellen. Er habe erst durch einen Beitrag … in der Zeitschrift … im Jahr 2005 von der Möglichkeit zur Entlastung erfahren. Nachdem er im Jahr 2009 von dem Urteil des FG Hamburg in StEW 2010, 20 zur Verjährung Kenntnis erlangt hätte, habe er den Antrag auf Entlastung gestellt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 23. November 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 14. April 2014 aufzuheben und das HZA zu verpflichten, Mineralölsteuer i.H.v. 13.177,83 EUR für 2002 zu vergüten,

hilfsweise regt der Kläger an, die Revision zuzulassen.

Das HZA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf Anfrage des Gerichts teilte der Beklagte mit, dass ab dem 21. November 2003 auf der Internetpräsenz der Zollverwaltung (www.zoll.de) darauf hingewiesen worden sei, dass die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 MinöStG auch auf gewerbliche Flugschulen anzuwenden sei.

Die mündliche Verhandlung fand am 1. Dezember 2016 statt.

Am 3. Dezember 2016 reichte der Kläger einen weiteren Schriftsatz ein. Er ist der Auffassung, dass erst mit Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im Jahr 2011 feststand, dass die hier streitige Regelung unionsrechtswidrig sei. Daher habe die Verjährung entsprechend dem EuGH-Urteil vom 19. Mai 2011 C-452/09 Iaia u.a. (E-CLI:ECLI:EU:C:2011:323) erst mit Ablauf des Jahres 2011 begonnen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

1. Ein eventueller Anspruch auf Vergütung der Mineralölsteuer ist mit Eintritt der Festsetzungsverjährung jedenfalls erloschen (vgl. § 47 der Abgabenordnung - AO -).

Gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a MinöStG i.V.m. § 50 MinöStV wird die Steuer u. a. für bestimmtes Mineralöl vergütet, das von Luftfahrtunternehmen als Luftfahrtbetriebsstoff für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen verwendet wird.

a) Nach § 155 Abs. 4 AO gelten die Vorschriften für die Steuerfestsetzung, zu denen auch diejenigen über die Festsetzungsverjährung gehören, für Steuervergütungen sinngemäß. Gemäß § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist für Verbrauchsteuern, wie hier die Mineralölsteuer (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 3 MinöStG), ein Jahr. Die Festsetzungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Daher begann die Festsetzungsfrist mit dem Ablauf des Jahres, für das der Kläger eine Steuervergütung begehrt, hier mit Ablauf des Jahres 2002, und endete zum 31. Dezember 2003. Weder § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO noch § 170 Abs. 3 AO finden Anwendung, weil ein Antrag auf Steuervergütung keine Steueranmeldung ist und es hier nicht um eine Aufhebung oder Änderung einer bereits erfolgten Festsetzung geht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 1. Juli 2008 VII R 37/07, BFH/NV 2008, 2062, m.w.N.).

b) Dem steht nicht entgegen, dass das nationale Recht Unionsrecht nicht ausreichend umgesetzt hat.

Die Festlegung angemessener Verjährungsfristen ist mit dem Unionsrecht vereinbar, denn solche Fristen sind nicht geeignet, die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, selbst wenn ihr Ablauf zum endgültigen Anspruchsverlust führen sollte (BFH-Beschluss vom 18. August 2015 VII R 5/14, BFH/NV 2016, 74, n.w.N.).

Die Hemmung nationaler Festsetzungs- bzw. Verjährungsfristen setzt selbst bei nicht fristgerechter Umsetzung von unionsrechtlichen Richtlinienbestimmungen besondere Umstände voraus, wonach der Gesetzgeber oder die Behörden die Geltendmachung des Anspruchs unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert haben. Diese haben sich in der Rechtssache Emmott (EuGH-Urteil vom 25. Juli 1991 C-208/90, ECLI:ECLI:EU:C:1991:333) daraus ergeben, dass ein Bürger eines Mitgliedstaates von dessen Behörden zunächst von der rechtzeitigen Einlegung einer Klage abgehalten und ihm später der Einwand der verspäteten Klageerhebung entgegen gehalten wurde (BFH-Beschluss in BFH/NV 2016, 74, n.w.N.). Das Unionsrecht verwehrt es nur dann den nationalen Behörden, sich auf den Ablauf einer angemessenen Verjährungsfrist zu berufen, wenn ihr Verhalten in Verbindung mit einer Ausschlussfrist dem Betroffenen jede Möglichkeit genommen hat, seine Rechte vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH-Urteil vom 8. September 2011 C-89/10, Q-Beef NV, ECLI:ECLI:EU:C:2011:555, Rn 50).

Im Streitfall liegen keine solchen besonderen Umstände vor:

Hier hat das BMF mit Schreiben vom 3. Dezember 2002 verfügt, dass die Steuerentlastung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 MinöStG i.V.m. § 50 MinöStV auch für gewerbliche Flugschulen gelte, obwohl diese keine Luftfahrtunternehmen sind. Die Verfügung wurde zunächst nicht veröffentlicht; erst am 21. November 2003 wurde diese Information öffentlich zugänglich gemacht, indem hierauf auf der Webpräsenz des Zolls hingewiesen wurde. Der Kläger trägt vor, das BMF habe vorsätzlich verhindert, dass er überhaupt nur auf die Idee habe kommen können, Steuerentlastungsanträge zu stellen.

Dieses Vorgehen des BMF war indessen zulässig. Verwaltungsvorschriften bedürfen grundsätzlich keiner allgemeinen Bekanntmachung; es gibt insoweit keine generelle Veröffentlichungspflicht. Vielmehr hat die Verwaltung grundsätzlich nach ihrem Ermessen darüber zu befinden, ob sie Verwaltungsvorschriften und deren Änderung publizieren oder lediglich den nachgeordneten Behörden bekanntmachen will (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts -BVerwG- vom 8. April 1997 3 C 6/95, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht -NVwZ- 1998, 273, unter 2.b. der Entscheidungsgründe). Etwas anderes gilt für Verwaltungsanweisungen, die unmittelbare Wirkung gegenüber Dritten entfalten (BVerwG-Urteil vom 25. November 2004 5 CN 1/03, NVwZ 2005, 602, m.w.N.).

Bei dem Schreiben vom 3. Dezember 2002 handelt es sich um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung. Solche Verwaltungsvorschriften entfalten keine unmittelbare Bindungswirkung gegenüber Dritten (vgl. BFH-Urteile vom 1. Juni 2016 XI R 17/11, Mehrwertsteuer-Recht -MwStR- 2016, 712; vom 16. Dezember 2014 X R 42/13, BStBl II 2015, 519); sie binden lediglich behördenintern die nachgeordneten Behörden. Somit besteht für sie auch keine Publizitätspflicht und das BMF durfte von einer Veröffentlichung absehen.

Bestand aber schon keine Rechtspflicht zum Handeln, so ist das Unterlassen der Verwaltung einer Handlung nicht gleichgestellt und damit nicht treuwidrig.

Außerdem rügt der Kläger im Kern, dass ihm aufgrund des Unterlassens des BMF sein unionsrechtlicher Anspruch unbekannt geblieben sei. Es ist aber die Sache des Steuerpflichtigen selbst, seine Rechte zu wahren; er kann sich daher nicht darauf berufen, dass er es wegen seiner Auffassung nach mangelnder Erfolgsaussichten unterlassen hat, seine Rechte zu verfolgen (BFH-Urteil vom 23. November 2006 V R 51/05, BStBl II 2007, 433; vgl. auch BFH-Urteil vom 16. September 2010 V R 57/09, BFHE 230, 504, BStBl II 2011, 151). Von vornherein in der Verantwortung des Klägers lag es also, sich über die - unionsrechtliche - Rechtslage - ggf. durch einen Bevollmächtigten zu informieren. Auf ein Verschulden von ihm kommt es nicht an (BFH-Urteil in BStBl II 2007, 433). Dem ist der Kläger aber nicht nachgekommen; zudem bestand danach keine Pflicht des BMF oder des HZA, den Kläger über den Umfang seiner Rechte aufzuklären.

c) Selbst wenn hier besondere Umstände anzunehmen wären, welche den Eintritt der Verjährung zunächst gehemmt hätten, wäre die Festsetzungsverjährung jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung am 19. Oktober 2009 abgelaufen gewesen.

Es ist Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, zu bestimmen. Hierzu gehören auch Ausschlussfristen, d.h. Verjährungsfristen. Dabei haben die Mitgliedstaaten aber den Grundsatz der Äquivalenz, wonach diese Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein dürfen als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen, und den Grundsatz der Effektivität, wonach die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden dürfen, zu beachten (EuGH-Urteil Iaia u.a. in ECLI:ECLI:EU:C:2011:323, Rn. 16 f. m.w.N.). Dies bedeutet, dass das nationale Verfahrensrecht bei der Geltendmachung von unionsrechtlichen Rechten (nur) zu modifizieren ist, soweit es diese beiden Grundsätze erfordern. Der EuGH hat zwar hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist im EuGH-Urteil Emmott in ECLI:ECLI:EU:C:1991:333 entschieden, dass sich der säumige Mitgliedstaat bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Umsetzung einer Richtlinie nicht auf die Verspätung einer Klage berufen kann, die ein Einzelner zum Schutz der ihm durch diese Richtlinie verliehenen Rechte gegen ihn erhoben hat, da eine Klagefrist des nationalen Rechts erst zu diesem Zeitpunkt beginnen kann. Nach dem EuGH ist diese Entscheidung aber von den besonderen Umständen jenes Falles geprägt und ist eine eventuelle Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit durch den EuGH grundsätzlich keine Voraussetzung für den Beginn der Verjährung (EuGH-Urteil Iaia u.a. in ECLI:ECLI:EU:C:2011:323, Rn. 20 bis 22 m. w. N.). Diese Erwägungen - auch hinsichtlich des Streitfalls Emmott - stellt der EuGH im Rahmen des Effektivitätsgrundsatzes (EuGH-Urteil Iaia u.a. in ECLI:ECLI:EU:C:2011:323, Rn. 17 ff.) an. Soweit der Effektivitätsgrundsatz eine Korrektur der nationalen Vorschriften nicht mehr erfordert, sind nach der dargelegten Systematik letztere wieder anzuwenden.

Im Streitfall hat der Kläger nach eigenen Angaben im Jahr 2005 davon erfahren, dass ein unionsrechtlicher Anspruch in Betracht kommt. Damit war zu diesem Zeitpunkt das von ihm vorgetragene Hindernis für den Antrag weggefallen, so dass jedenfalls dann keine besonderen Umstände mehr bestanden haben, die die Geltendmachung der unionsrechtlichen Rechte praktisch unmöglich machten oder wesentlich erschwerten, und der Grundsatz der Effektivität keine Modifikation des nationalen Rechts mehr forderte. Bei der weiteren Anwendung des nationalen Rechts und der Annahme zu Gunsten des Klägers, dass eine neue Jahresfrist mit Ablauf des Jahres 2005 begann (§§ 169 Abs. 2 Nr. 1, § 170 Abs. 1 AO), hätte diese mit Ablauf des Jahres 2006 geendet.

Nicht entscheidend ist die Kenntnis des Klägers vom Urteil des FG Hamburg in StEW 2010, 20, weil das EuGH-Urteil Emmott in ECLI:ECLI:EU:C:1991:333, auf das sich der Kläger beruft, bereits im Jahr 1991 ergangen ist.

2. Der Schriftsatz des Klägers vom 3. Dezember 2011 gebietet keine - vom Kläger auch nicht beantragte - Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (vgl. § 93 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

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(1) Eine Steuerentlastung wird auf Antrag gewährt für nachweislich versteuerte Energieerzeugnisse, die zu den in § 27 genannten Zwecken verwendet worden sind. In den Fällen des § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 wird die Steuerentlastung für Energieerzeugnisse der Unterpositionen 2710 19 43 bis 2710 19 48 und der Unterpositionen 2710 20 11 bis 2710 20 19 der Kombinierten Nomenklatur nur gewährt, wenn diese ordnungsgemäß gekennzeichnet sind.

(2) Entlastungsberechtigt ist derjenige, der die Energieerzeugnisse verwendet hat.

(1) Luftfahrtunternehmen, die dem Luftverkehrsrecht der Europäischen Union unterliegen, bedürfen zur Beförderung von Fluggästen, Post oder Fracht im gewerblichen Flugverkehr einer Betriebsgenehmigung gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. L 293 vom 31.10.2008, S. 3). Für die Erteilung oder den Widerruf der Betriebsgenehmigung gelten die Absätze 2 und 3, soweit nicht die in Satz 1 genannte Verordnung der Europäischen Union entgegensteht.

(2) Die Betriebsgenehmigung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden. Die Betriebsgenehmigung ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet werden kann, insbesondere wenn der Antragsteller oder andere für die Beförderung verantwortliche Personen nicht zuverlässig sind. Die Betriebsgenehmigung ist zu versagen, wenn die für den sicheren Luftverkehrsbetrieb erforderlichen finanziellen Mittel oder entsprechende Sicherheiten nicht nachgewiesen werden. Die Betriebsgenehmigung kann versagt werden, wenn Luftfahrzeuge verwendet werden sollen, die nicht in der deutschen Luftfahrzeugrolle eingetragen sind oder nicht im ausschließlichen Eigentum des Antragstellers stehen. Der deutschen Luftfahrzeugrolle gleichgestellt sind Eintragungsregister von Staaten im Geltungsbereich des Luftverkehrsrechts der Europäischen Union.

(3) Die Betriebsgenehmigung ist zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nachträglich nicht nur vorübergehend entfallen sind. Die Betriebsgenehmigung kann widerrufen werden, wenn die erteilten Auflagen nicht eingehalten werden. Sie ist zurückzunehmen, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht vorgelegen haben. Das Ruhen der Betriebsgenehmigung auf Zeit kann angeordnet werden, wenn dies ausreicht, um die Sicherheit und Ordnung des Luftverkehrs aufrechtzuerhalten. Die Betriebsgenehmigung erlischt, wenn von ihr länger als sechs Monate kein Gebrauch gemacht worden ist.

(4) (weggefallen)

(1) Wer es unternimmt, Luftfahrer oder Personal für die Flugsicherung auszubilden, bedarf unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3 der Erlaubnis. Die Erlaubnis kann mit Auflagen verbunden und befristet werden.

(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet werden kann oder der Bewerber oder seine Ausbilder persönlich ungeeignet sind; ergeben sich später solche Tatsachen, so ist die Erlaubnis zu widerrufen. Die Erlaubnis kann außerdem widerrufen werden, wenn sie länger als ein Jahr nicht ausgenutzt worden ist.

(3) Die praktische Ausbildung der Luftfahrer darf nur von Personen vorgenommen werden, die eine Lehrberechtigung nach der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 oder nach der Verordnung über Luftfahrtpersonal besitzen (Fluglehrer).

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen.

(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer und für die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung.

(2) Ein Steuerbescheid kann erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde.

(3) Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, so können gegen sie zusammengefasste Steuerbescheide ergehen. Mit zusammengefassten Steuerbescheiden können Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, gegen einen oder mehrere der Steuerpflichtigen verbunden werden. Das gilt auch dann, wenn festgesetzte Steuern, steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche nach dem zwischen den Steuerpflichtigen bestehenden Rechtsverhältnis nicht von allen Beteiligten zu tragen sind.

(4) Die Finanzbehörden können Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen und der Angaben des Steuerpflichtigen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, berichtigen, zurücknehmen, widerrufen, aufheben oder ändern, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten. Das gilt auch

1.
für den Erlass, die Berichtigung, die Rücknahme, den Widerruf, die Aufhebung und die Änderung von mit den Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen verbundenen Verwaltungsakten sowie,
2.
wenn die Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen mit Nebenbestimmungen nach § 120 versehen oder verbunden werden, soweit dies durch eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen oder der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet ist.
Ein Anlass zur Bearbeitung durch Amtsträger liegt insbesondere vor, soweit der Steuerpflichtige in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung Angaben im Sinne des § 150 Absatz 7 gemacht hat. Bei vollständig automationsgestütztem Erlass eines Verwaltungsakts gilt die Willensbildung über seinen Erlass und über seine Bekanntgabe im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Verarbeitung als abgeschlossen.

(5) Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Bremen vom 18. Dezember 2013  4 K 52/13 (2) wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt Kraftwerke zur Stromerzeugung, in denen sie versteuertes Erdgas und Heizöl einsetzt. Im Namen und Auftrag der Klägerin beantragte ihre Muttergesellschaft mit Schreiben vom 30. Dezember 2005 eine Entlastung von der Mineralölsteuer. Der Antrag enthielt folgende Formulierung: "...beantragen wir unter Hinweis auf die mögliche EU-Rechtswidrigkeit der gegenwärtigen Regelung des Mineralölsteuergesetzes zur Besteuerung der Eingangsbrennstoffe Öl und Gas in Bezug auf Artikel 14 der Europäischen Energiesteuer-Richtlinie (Richtlinie 2003/96/EG) die vollständige Erstattung der Mineralölsteuer aus dem Jahr 2004 und für die möglichen Folgejahre.

2

Zur weiteren Begründung fügen wir in Kopie ein Schreiben der Arbeitsgemeinschaft für Wärme und Heizkraftwirtschaft AGFW e.V. vom 16.12.2005 bei.

3

Dieser Antrag erfolgt zunächst zur Vermeidung des Eintritts der Verjährung für die Erstattungsansprüche aus dem Jahr 2004."

4

In dem beigefügten Schreiben der AGFW wird darauf hingewiesen, dass noch unklar sei, ob die gegenwärtige Regelung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993) unionsrechtskonform sei. Die zur Entscheidung berufenen Gerichte könnten aber nur dann über diese Frage entscheiden, wenn die Erstattungsansprüche noch nicht verjährt seien. Die Verjährung der Ansprüche aus dem Jahr 2004 trete erstmalig am 31. Dezember 2005 ein, weshalb derjenige, der sich vor einem Rechtsverlust zu schützen beabsichtige, bis zum 31. Dezember 2005 die vollständige Erstattung der Mineralölsteuer unter Hinweis auf einen Verstoß gegen die Energiesteuer-Richtlinie beantragen müsse.

5

Mit Schreiben vom 31. Juli 2008 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf Art. 14 der Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 283/51) die vollständige Erstattung der gezahlten Mineralölsteuer aus dem Jahr 2006 für den Einsatz von Erdgas und Leichtöl, wobei sie angab, die Gesamtrückerstattung betrage X €. Die beantragte Erstattung lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) mit der Begründung ab, der Antrag sei nicht fristgerecht bis zum 31. Dezember 2007 eingereicht worden.

6

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, das HZA habe die erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist beantragte Erstattung zu Recht abgelehnt. Das Unionsrecht stehe der Anwendung des § 169 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) nicht entgegen. Da der Klägerin die Geltendmachung ihres Anspruchs weder unzumutbar erschwert noch versperrt worden sei, könnten die Grundsätze des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Emmott vom 25. Juli 1991 C-208/90 (EU:C:1991:333) keine Anwendung finden. In Kenntnis der Rechtsunsicherheit und aufgrund der Hinweise durch einen Fachverband und verlässlichen Handlungsempfehlungen wäre es der Klägerin zumutbar gewesen, vorsorglich für die einzelnen Kalenderjahre fristgerecht entsprechende Erstattungsanträge zu stellen. Besondere Umstände, wie sie der EuGH-Entscheidung Emmott (EU:C:1991:333) zugrunde gelegen hätten, seien im Streitfall nicht gegeben, so dass die streitigen Verjährungsfristen der AO trotz der unterbliebenen Umsetzung der EnergieStRL und unabhängig von einer Kenntnis der Klägerin anwendbar seien. Die Anwendbarkeit der Regelungen der Festsetzungsverjährung der §§ 169 ff. AO sei nicht zu vergleichen mit der Anwendung von Fristen zur Erhebung einer Klage vor den nationalen Gerichten. Die Unterschiede seien derart erheblich, dass für die Anwendung der Emmott'schen Fristenhemmung auf die Festsetzungsverjährung kein Raum sei. Vielmehr fänden die Regelungen der §§ 169 ff. AO auf den Streitfall Anwendung, der nicht mit den Fällen verglichen werden könne, in denen sich ein Mitgliedstaat darauf berufe, bei ordnungsgemäßer Umsetzung der betreffenden Richtlinie hätte er den von dieser eingeräumten Gestaltungsspielraum ebenso in einer anspruchsverhindernden Weise umsetzen können, oder in denen ein Mitgliedstaat mit der Richtlinie nicht zu vereinbarende Rechtsvorschriften erlassen habe.

7

Entgegen der Auffassung der Klägerin habe sie mit Schreiben vom 30. Dezember 2005 einen Entlastungsantrag lediglich für das Jahr 2004 gestellt. Dies ergebe sich aus dem klarstellenden Zusatz, dass der Antrag zur Vermeidung des Verjährungseintritts für die Erstattungsansprüche aus dem Jahr 2004 gelte, und aus den Begleitumständen. Die Auslegung des Antrags werde zudem dadurch gestützt, dass die Formulierung "für die möglichen Folgejahre" zu unbestimmt sei und daher lediglich als Ankündigung verstanden werden könne. Darüber hinaus habe es nicht der Interessenlage der Klägerin entsprochen, in Unkenntnis der genauen Höhe der Mineralölsteuer bereits für die Folgejahre einen Entlastungsantrag zu stellen, zumal in den folgenden Jahren --ohne unangemessenen Aufwand-- ein formloser Antrag genügt hätte. Schließlich könne der Inhalt des Schreibens der Klägerin vom 30. Dezember 2005 nicht als Antrag nach § 171 Abs. 3 AO gedeutet werden, so dass eine Hemmung der Festsetzungsfrist nicht in Betracht komme.

8

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das FG habe die besonderen Umstände verkannt, die im Streitfall nach der Rechtsprechung des EuGH zwingend zur Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist führten. Der vorliegende Fall, bei dem es ebenfalls um die nicht ordnungsgemäße Umsetzung einer Richtlinie gehe, sei mit dem Sachverhalt vergleichbar, über den der EuGH in der Rechtssache Emmott entschieden habe. Die Besonderheiten des Streitfalls bestünden darin, dass eine hohe Rechtsunsicherheit in Bezug auf die unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 14 EnergieStRL bestanden habe, der eine Steuerbefreiung und damit ein Antragsverfahren vor der Verwendung der Energieerzeugnisse nahelege, dass bei einem Antragsverfahren keine Rechtsmittelbelehrung erfolge, und dass das HZA, das sie frühzeitig kontaktiert habe, die stromerzeugenden Anlagen der Klägerin und den regelmäßigen Einsatz von Energieerzeugnissen gekannt habe. Bereits in der fehlenden Richtlinienumsetzung liege ein besonderer Umstand, der eine Hemmung innerstaatlicher Fristen rechtfertige. Dem EuGH-Urteil Peterbroeck vom 14. Dezember 1995 C-312/93 (EU:C:1995:437) sei zu entnehmen, dass nicht nur eine nicht ordnungsgemäße Richtlinienumsetzung, sondern auch verfahrensrechtliche Besonderheiten und die Grundsätze der Rechtssicherheit zum Ausschluss einer innerstaatlichen Verfahrensvorschrift führen könnten, selbst wenn die Möglichkeit bestanden haben sollte, innerstaatliche Fristen einzuhalten. Von den Fällen, in denen der EuGH eine Hemmung nationaler Verjährungsvorschriften verneint habe (EuGH-Urteile Fantask u.a. vom 2. Dezember 1997 C-188/95, EU:C:1997:580, und Iaia u.a. vom 19. Mai 2011 C-452/09, EU:C:2011:323), unterscheide sich der Streitfall dadurch, dass sie bereits im Zeitpunkt höchster Rechtsunsicherheit und noch vor der Richtlinienumsetzung tätig geworden sei. Im Übrigen habe das FG Hamburg in seinem Urteil vom 9. Juni 2009  4 K 268/08 (Steuern der Energiewirtschaft --StE-- Juli 2010, 20) die Auffassung vertreten, § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO könne im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung einer Richtlinienbestimmung (in dem entschiedenen Streitfall Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EnergieStRL) keine Anwendung finden.

9

Neben der Fristenhemmung nach europäischem Recht begründe auch § 171 Abs. 3 AO eine Fristenhemmung, denn ihr Antrag habe nicht nur das Jahr 2004, sondern auch die Folgejahre umfasst. Das HZA habe weiterführende Ermittlungen zu ihren Gunsten unterlassen, obwohl ihm die stromerzeugenden Anlagen bekannt und der Befreiungszeitraum zumindest ermittelbar gewesen seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) komme es bei der Auslegung von Willenserklärungen neben dem Wortlaut insbesondere auf den Zusammenhang, die Begleitumstände und die Interessenlage des Erklärenden an. Für das HZA sei erkennbar gewesen, dass der Befreiungszeitraum den Zeitraum für die Vergangenheit und für die Folgejahre bis zur ordnungsgemäßen Richtlinienumsetzung erfasst habe. Entgegen der Ansicht des FG habe es auch ihrer Interessenlage entsprochen, bereits am 30. Dezember 2005 und vor dem Verbrauch der Energieerzeugnisse einen Antrag für das Jahr 2006 zu stellen. Insoweit hätte das FG nicht von einer bloßen Ankündigung ausgehen dürfen.

10

Die Klägerin stellt den Antrag, das Urteil des FG sowie die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben und das HZA zu verpflichten, für den Zeitraum Januar bis Juli 2006 insgesamt X € Mineralölsteuer zu vergüten.

11

Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

12

Das HZA schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an. Mit der von ihr gewählten Formulierung habe die Klägerin eine Geltendmachung von Entlastungsansprüchen für die Zukunft ausgeschlossen. Eine Antragstellung habe das HZA weder erschwert noch versperrt. Die gesetzlich festgelegte Festsetzungsfrist sei der Klägerin bekannt gewesen. Rechtsunsicherheit habe nicht in Bezug auf die Festsetzungsfrist, sondern lediglich im Hinblick auf die unmittelbare Anwendung des Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL bestanden. Schließlich sei es Sache des Antragstellers, sich über Antragsmöglichkeiten zu unterrichten. Behördliche Belehrungen brauche die Finanzbehörde nicht zu geben.

Entscheidungsgründe

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II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Entgegen der Auffassung der Klägerin braucht die Anhörungsmitteilung die Gründe für die beabsichtigte Senatsentscheidung nicht zu benennen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 126a Rz 5, m.w.N.).

14

Das FG hat zu Recht entschieden, dass hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Mineralölsteuererstattungsanspruchs für den Zeitraum Januar bis Juli 2006 Festsetzungsverjährung eingetreten und infolgedessen der Anspruch nach § 47 AO erloschen ist. Aufgrund der nicht fristgerechten Umsetzung der EnergieStRL ist der Ablauf der in § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO festgelegten Festsetzungsfrist nicht gehemmt worden.

15

1. Der Anspruch der Klägerin ist infolge eingetretener Festsetzungsverjährung erloschen (§ 47 AO). Denn nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin für den Zeitraum Januar bis Juli 2006 einen Erstattungsantrag erst mit Schreiben vom 31. Juli 2008 gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die in § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO festgelegte Festsetzungsfrist, die für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen lediglich ein Jahr beträgt, bereits abgelaufen. Der Fristablauf wurde durch den Antrag vom 30. Dezember 2005 nicht gehemmt.

16

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist davon auszugehen, dass sie mit Schreiben vom 30. Dezember 2005 lediglich für das Jahr 2004 und nicht auch für die Folgejahre eine Mineralölsteuerentlastung beantragt hat. An die diesbezügliche Würdigung des FG ist der erkennende Senat gebunden. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH gehört die Auslegung von Willenserklärungen, d.h. die Ermittlung dessen, was die Vertragsparteien erklärt und was sie gewollt haben, grundsätzlich zu den "tatsächlichen Feststellungen" i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, deren Vornahme dem FG obliegt (BFH-Urteile vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648; vom 14. Januar 2004 X R 37/02, BFHE 205, 96, BStBl II 2004, 493, und vom 13. Februar 1997 IV R 15/96, BFHE 183, 39, BStBl II 1997, 535). Verstößt die Sachverhaltswürdigung des FG nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, ist sie für den BFH selbst dann bindend, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (BFH-Urteile vom 20. November 2012 VIII R 57/10, BFHE 239, 422, BStBl II 2014, 56; vom 19. März 2009 IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902, und vom 31. Juli 1991 VIII R 23/89, BFHE 165, 398, BStBl II 1992, 375). Sind die anerkannten Auslegungsregeln nicht verletzt, ist das Revisionsgericht daran gehindert, eine eigenständige und von der Auffassung des FG abweichende Auslegung vorzunehmen.

17

Nach diesen Grundsätzen ist die Würdigung des FG, dass die Klägerin mit Schreiben vom 30. Dezember 2005 nur für das Jahr 2004 eine Entlastung von der Mineralölsteuer begehrt hat, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Ergebnis seiner Überlegungen hat das FG unter Hinweis auf die BFH-Rechtsprechung zur Auslegung von Willenserklärungen nachvollziehbar begründet. Dabei hat es insbesondere darauf abgestellt, dass die Klägerin zwar einleitend "die vollständige Erstattung der Mineralölsteuer aus dem Jahr 2004 und für die möglichen Folgejahre" beantragt, jedoch nachfolgend eine Klarstellung dahin getroffen hat, dass der Antrag "zunächst zur Vermeidung des Eintritts der Verjährung für die Erstattungsansprüche aus dem Jahr 2004" erfolgen sollte. Darüber hinaus hat das FG in Bezug auf die Folgejahre auf die Unbestimmtheit der gewählten Formulierung und auf verschiedene denkbare Ansätze der Klägerin hingewiesen und auch die Begleitumstände des Antrags sowie die zu vermutende Interessenlage der Klägerin in Bezug genommen. In einer Gesamtbetrachtung der Argumentation erweist sich die vom FG vorgenommene Sachverhaltswürdigung durchaus als möglich. Jedenfalls vermag der Senat keine Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze zu erkennen, so dass insoweit keine Möglichkeit besteht, eine von der Auffassung des FG abweichende Auslegung des von der Klägerin in ihrem Antrag erklärten Willens vorzunehmen.

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b) Eine Hemmung des Ablaufs der in § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO festgelegten Frist nach § 171 Abs. 3 AO ist nicht eingetreten. Nach dieser Vorschrift läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über einen vor Fristablauf außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens gestellten Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 AO nicht unanfechtbar entschieden worden ist. Zwar kann ein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO auch in einem Antrag auf Erstattung von Steuern bestehen (Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO Rz 25), jedoch muss sich aus einem solchen Erstattungsantrag zweifelsfrei ergeben, inwieweit eine Steuerentlastung begehrt wird. Lässt sich das Ziel des Antragstellers auch nicht durch Auslegung ermitteln, tritt keine Ablaufhemmung ein (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1993 XI R 17/93, BFHE 172, 493, BStBl II 1994, 439). Bei einem Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO handelt es sich um eine Willenserklärung, die der Auslegung durch die Tatsacheninstanz zugänglich ist (BFH-Urteil vom 15. Mai 2013 IX R 5/11, BFHE 241, 310, BStBl II 2014, 143, m.w.N.). Allerdings kann eine solche Auslegung --wie bereits dargestellt-- vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden. In seiner Urteilsbegründung hat das FG nachvollziehbar begründet, warum der Zusatz im Schreiben vom 30. Dezember 2005 "...und für mögliche Folgejahre" nicht als ein den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmender Antrag gedeutet werden kann. Es hat diesen Zusatz lediglich als Ankündigung ohne eigenständigen Aussagewert gewürdigt und im Übrigen auf dessen Unbestimmtheit hingewiesen. Die Ausführungen des FG sind frei von Verstößen gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze, so dass der erkennende Senat an die Auslegung des FG gebunden ist. In Bezug auf den Zeitraum Januar bis Juli 2006 liegt demnach kein Erstattungsantrag vor, der die in § 171 Abs. 3 AO festgelegten Rechtsfolgen auslösen könnte.

19

2. Der Anwendung der in § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO normierten Festsetzungsfrist stehen das Unionsrecht und die Rechtsprechung des EuGH nicht entgegen.

20

a) Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die EnergieStRL durch entsprechende nationale Rechts- und Verwaltungsvorschriften umzusetzen und diese Rechtsvorschriften ab dem 1. Januar 2004 in Kraft treten zu lassen, ergibt sich aus Art. 28 Abs. 1 und 2 EnergieStRL. Dieser Verpflichtung ist die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) nicht fristgerecht nachgekommen. Eine Umsetzung der EnergieStRL erfolgte erst durch Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen und zur Änderung des Stromsteuergesetzes vom 15. Juli 2006 (BGBl I 2006, 1534). Durch dieses Gesetz ist das bis dahin geltende Mineralölsteuergesetz aufgehoben und mit Wirkung vom 1. August 2006 durch das Energiesteuergesetz ersetzt worden.

21

Nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 EnergieStRL sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, bei der Stromerzeugung verwendete Energieerzeugnisse, die zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit, elektrischen Strom zu erzeugen, verwendet werden, von der Steuer zu befreien (sog. output-Lösung). Lediglich aus umweltpolitischen Gründen dürfen zur Verstromung eingesetzte Energieerzeugnisse besteuert werden (Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 EnergieStRL). Im Urteil Flughafen Köln/Bonn vom 17. Juli 2008 C-226/07 (EU:C:2008:429) hat der EuGH entschieden, dass Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL insoweit unmittelbare Wirkung entfaltet, so dass sich ein Einzelner vor den nationalen Gerichten --für einen Zeitraum, in dem der betreffende Mitgliedstaat die EnergieStRL nicht fristgerecht in sein innerstaatliches Recht umgesetzt hat-- in einem Rechtsstreit mit den Zollbehörden dieses Staates unmittelbar auf diese Bestimmung berufen kann, damit eine mit ihr unvereinbare nationale Regelung unangewendet bleibt und er eine Erstattung einer unter Verstoß gegen diese Bestimmung erhobenen Steuer erwirken kann. Im Streitfall hatte das bis einschließlich 31. Juli 2006 geltende MinöStG 1993 keine Entlastung für das von der Klägerin in ihren Kraftwerken zur Verstromung eingesetzte Erdgas und Leichtöl vorgesehen, so dass sich aufgrund der nicht fristgerechten Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben ein Entlastungsanspruch aus der unmittelbaren Anwendung des Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL ergeben hätte. Allerdings ist der von der Klägerin nunmehr geltend gemachte Anspruch infolge der eingetretenen Festsetzungsverjährung nach § 47 AO erloschen.

22

b) In Bezug auf einen Erstattungsanspruch aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EnergieStRL hat das FG Hamburg unter Hinweis auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache Emmott geurteilt, dass die Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO deshalb keine Anwendung finden kann, weil die Rechtslage unklar gewesen sei und der Gesetzgeber die EnergieStRL nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe (Urteil des FG Hamburg in StE Juli 2010, 20). Dieser Ansicht folgt der erkennende Senat nicht. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann sich ein säumiger Mitgliedstaat zwar bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Umsetzung einer Richtlinie unter bestimmten Voraussetzungen nicht auf die verspätete Erhebung einer Klage berufen, doch gilt dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt. Vielmehr setzt die Hemmung nationaler Rechtsbehelfs- bzw. Verjährungsfristen das Vorliegen besonderer Umstände voraus. In der Rechtssache Emmott ergaben sich diese daraus, dass ein Bürger eines Mitgliedstaats von dessen Behörden --durch ein entsprechendes Schreiben eines Ministeriums-- zunächst von der rechtzeitigen Einlegung einer Klage abgehalten und ihm später der Einwand der verspäteten Klageerhebung entgegengehalten wurde. Wie der EuGH in einer späteren Entscheidung (Iaia u.a., EU:C:2011:323, Rz 20), mit der dieses Urteil auf Verjährungsfristen übertragen wurde, erläuternd ausführte, hatte die Vorgehensweise der nationalen Behörde die Klägerin des Ausgangsverfahrens daran gehindert, die sich aus dem Unionsrecht ergebenden Rechte einzuklagen, woraus zu schließen sei, dass sich eine nationale Behörde dann nicht auf den Ablauf einer nationalen Verjährungsfrist berufen könne, wenn sie durch ihr eigenes Verhalten die Verspätung einer Klage verursacht und damit die Geltendmachung der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Rechte unmöglich gemacht habe.

23

In Bezug auf die in § 852 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs a.F. festgelegte dreijährige Frist, nach deren Ablauf Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung verjähren, hat der EuGH geurteilt, dass das Gemeinschaftsrecht es nicht verwehrt, die Verjährungsfrist für einen Staatshaftungsanspruch wegen fehlerhafter Umsetzung einer Richtlinie zu dem Zeitpunkt in Lauf zu setzen, in dem die ersten Schadensfolgen der fehlerhaften Umsetzung eingetreten und weitere Schadensfolgen absehbar sind, selbst wenn dieser Zeitpunkt vor der ordnungsgemäßen Umsetzung dieser Richtlinie liegt (EuGH-Urteil Danske Slagterier vom 24. März 2009 C-445/06, EU:C:2009:178). Nach der Ansicht des EuGH wird der Ablauf einer nationalen Verjährungsfrist auch nicht durch den Umstand gehemmt, dass die Europäische Kommission gegen den betreffenden Mitgliedstaat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat, sofern nach nationalem Recht die Möglichkeit besteht, den aus dem Unionsrecht abgeleiteten Anspruch geltend zu machen, ohne das den Verstoß des Mitgliedstaats gegen das Unionsrecht feststellende Urteil des EuGH abwarten zu müssen. Der Entscheidung ist zu entnehmen, dass der bloße Umstand, dass ein Mitgliedstaat ausweislich eines beim EuGH anhängigen Vertragsverletzungsverfahrens seine Umsetzungspflicht versäumt haben könnte und dass insoweit eine Rechtsunsicherheit besteht, noch nicht zur Ablaufhemmung nationaler Verjährungsvorschriften führt. Vielmehr hat der EuGH auch in diesem Urteil seine Ansicht bestätigt, dass besondere Umstände hinzutreten müssen, um solche Fristen außer Kraft zu setzen.

24

Solche Umstände liegen nach der Rechtsprechung des BFH nicht vor, wenn der Steuerpflichtige nicht daran gehindert war, innerhalb der allgemeinen Fristen seine Umsatzsteuerfestsetzungen anzufechten (BFH-Urteil vom 16. September 2010 V R 57/09, BFHE 230, 504, BStBl II 2011, 151) oder einen Grundlagenbescheid in nicht verjährter Zeit zu beantragen (BFH-Urteil vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529). Nach Ansicht des Senats sind die Voraussetzungen ebenfalls nicht erfüllt, wenn ein Steuerpflichtiger in Kenntnis der Anspruchsvoraussetzungen fristgerecht Entlastungsansprüche für vorangegangene Entlastungsabschnitte gestellt hat, jedoch entsprechende Anträge für zukünftige Entlastungszeiträume versäumt und dadurch selbst zum Eintritt der Verjährung beiträgt.

25

Im Übrigen hat der EuGH wiederholt entschieden, dass eine etwaige Feststellung eines Unionsrechtsverstoßes durch den EuGH für den Beginn der Verjährungsfrist zumindest dann unerheblich ist, wenn der Verstoß außer Zweifel steht (Urteile Danske Slagterier, EU:C:2009:178, und Iaia u.a., EU:C:2011:323). Zudem ist die Festlegung angemessener Verjährungsfristen mit dem Unionsrecht vereinbar, denn solche Fristen sind nicht geeignet, die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, selbst wenn ihr Ablauf zum endgültigen Anspruchsverlust führen sollte (EuGH-Urteile Edis vom 15. September 1998 C-231/96, EU:C:1998:401, und Mark & Spencer vom 11. Juli 2002 C-62/00, EU:C:2002:435).

26

c) Nach den dargestellten Grundsätzen kann im Streitfall nicht von einer Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist ausgegangen werden. Besondere Umstände, die dazu geführt haben könnten, dass der Klägerin die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert worden wäre, sind nicht ersichtlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin aufgrund der ihr vorliegenden Informationen eines Fachverbands von der Möglichkeit ausgehen konnte, dass sich aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung der EnergieStRL ein Entlastungsanspruch aus der unmittelbaren Anwendung des Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL würde ableiten lassen. Zudem hat sie gegenüber dem HZA für das Jahr 2004 --unter ausdrücklichem Hinweis auf eine mögliche Unionsrechtswidrigkeit der im MinöStG 1993 getroffenen Regelungen-- einen solchen Anspruch auch geltend gemacht. Nach den Feststellungen des FG hat sie darüber hinaus fristgerecht auch für das Jahr 2005 eine Steuererstattung beantragt. Lediglich für die Monate Januar bis Juli 2006 hat sie eine entsprechende Antragstellung versäumt. Bei diesem Befund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorgehensweise der nationalen Behörde die Klägerin daran gehindert hat, die sich aus dem Unionsrecht ergebenden Rechte fristgerecht geltend zu machen bzw. einzuklagen.

27

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass keine Gewissheit über die Art und Weise der Umsetzung der in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL festgelegten obligatorischen Steuerbefreiung bestand. Zwar trifft es zu, dass der Gesetzgeber statt eines Entlastungsverfahrens auch ein Verfahren der steuerfreien Verwendung hätte einführen können, doch ist in dieser Gestaltungsfreiheit kein besonderer Umstand zu sehen, der nach der Rechtsprechung des EuGH zu einer Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist führt. Ein schützenswertes Vertrauen der Wirtschaftsbeteiligten auf die Einführung eines Verfahrens der steuerfreien Verwendung anstelle eines Entlastungsverfahrens bestand nicht. Wie die von der Klägerin gestellten Entlastungsanträge belegen, hat sie auch selbst nicht darauf vertraut, der nationale Gesetzgeber werde die Steuerbefreiung durch Einführung eines Verwenderverfahrens umsetzen. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass das HZA im Zeitpunkt der Antragstellung für das Jahr 2004 Kenntnis von den Anlagen der Klägerin und von der Verwendung der zur Verstromung eingesetzten Energieerzeugnisse hatte, denn nach der vom FG vorgenommenen Auslegung des Entlastungsantrags hat die Klägerin den Erstattungsantrag selbst auf einen bestimmten Zeitraum eingeschränkt, ohne hierzu vom HZA veranlasst worden zu sein.

28

Schließlich können besondere Umstände nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin in Kenntnis der bestehenden Rechtsunsicherheit noch vor der Umsetzung der EnergieStRL durch den deutschen Gesetzgeber und vor dem Erlass des EuGH-Urteils Flughafen Köln/Bonn (EU:C:2008:429) tätig geworden ist. Dem EuGH-Urteil Danske Slagterier (EU:C:2009:178) ist zu entnehmen, dass eine bestehende Rechtsunsicherheit in Bezug auf die ordnungsgemäße Umsetzung einer Richtlinienbestimmung für sich genommen noch kein besonderer Umstand ist, der zur Hemmung nationaler Verjährungsfristen führt, sofern die bloße Geltendmachung eines Anspruchs nicht vom Ausgang eines beim EuGH anhängigen Verfahrens abhängig gemacht wird. Im Streitfall hing die Möglichkeit, beim HZA eine Erstattung der Mineralölsteuer für den Zeitraum von Januar bis Juli 2006 zu beantragen, weder nach den energiesteuerrechtlichen Vorschriften noch nach den Bestimmungen der AO von einer Entscheidung des EuGH über die ordnungsgemäße Umsetzung der EnergieStRL ab.

29

Da von der Rechtsprechung des EuGH geforderte besondere Umstände nicht erkennbar sind, ist im Streitfall die Festsetzungsverjährungsfrist abgelaufen und der geltend gemachte Erstattungsanspruch erloschen.

30

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 24. April 2013  4 K 422/12 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzielte in den Streitjahren 2007 bis 2009 gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Apotheke. Sie war nach §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) buchführungspflichtig und verwendete ein speziell für Apotheken entwickeltes PC-gestütztes Erlöserfassungssystem mit integrierter Warenwirtschaftsverwaltung der Firma X (X). Die Tageseinnahmen wurden über modulare PC-Registrierkassen der Firma X erfasst, dann durch Tagesendsummenbons (Z-Bons) mit anschließender Nullstellung ausgewertet und als Summe in ein manuell geführtes Kassenbuch eingetragen.

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ordnete für die Streitjahre eine Außenprüfung bei der Klägerin an. Zusammen mit der Prüfungsanordnung bat es um die Vorlage der ggf. in elektronischer Form gefertigten Buchhaltung auf einem maschinell verwertbaren Datenträger. Zur Prüfungsvorbereitung forderte der Prüfer zudem, bestimmte Daten aus dem Warenwirtschaftssystem der X --u.a. die "Einzeldaten der Registrierkasse (Journal der EDV-Kasse sowie Daten der Z-Bons)" und die "Einzeldaten des Warenverkaufs"-- in elektronisch verwertbarer Form vorzulegen.

3

Die Klägerin übersandte daraufhin eine CD mit von der Firma X bereitgestellten Daten des Kassensystems. Die Datei mit der Einzeldokumentation der Verkäufe hatte sie zuvor entfernt, da sie der Ansicht war, das FA habe kein entsprechendes Zugriffsrecht.

4

Der Prüfer forderte die Klägerin mit Schreiben vom 28. Oktober 2011 u.a. auf, die von der Firma X gelieferten Daten über die Warenverkäufe (vk_verkaeufe…csv) bereitzustellen, weil diese als Bestandteil der Grundaufzeichnungen dem Datenzugriff nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 6 der Abgabenordnung (AO) unterlägen.

5

Die Klägerin berief sich weiter darauf, die vorhandenen Daten zum Warenverkauf seien vom Datenzugriffsrecht des FA nicht umfasst, da sie nicht zur Einzelaufzeichnung verpflichtet sei. Nachdem der Prüfer die Anforderung der Daten über die Warenverkäufe nochmals wiederholt hatte, legte die Klägerin hiergegen Einspruch ein.

6

Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA war der Ansicht, die Klägerin sei als buchführungspflichtiger Kaufmann grundsätzlich zur Einzelaufzeichnung der Bareinnahmen verpflichtet. Im Gegensatz zu den Verhältnissen zur Zeit des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 1966 IV 472/60 (BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371) stelle sich die Frage der Zumutbarkeit von Einzelaufzeichnungen nicht, da die Klägerin zur Erfüllung ihrer Einzelaufzeichnungspflicht entsprechende Grundaufzeichnungen tatsächlich technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch getätigt habe. Zwar obliege der Klägerin keine gesonderte Aufzeichnung des Warenausgangs nach § 144 AO. Daraus folge indes nicht, dass jegliche Einzelaufzeichnungspflicht des Warenausgangs für Einzelhändler wie sie entfalle. Es gelte vielmehr die grundsätzliche Einzelaufzeichnungspflicht (§ 238 Abs. 1 Satz 3 HGB, § 145 Abs. 1 Satz 2 AO), die in der Vergangenheit lediglich aus Gründen der Zumutbarkeit für bargeldintensive Betriebe des Einzelhandels aufgeweicht worden sei. Da die Klägerin die Aufzeichnungen in elektronischer Form geführt habe, sei das FA berechtigt, hierauf nach § 147 Abs. 6 AO zuzugreifen.

7

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1186 veröffentlichten Gründen im Wesentlichen der Ansicht, das FA sei --insbesondere unter Berücksichtigung der Grundsätze des BFH-Urteils in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371-- nicht berechtigt gewesen, Einsicht in die angeforderte Verkaufsdatei zu nehmen, da die Klägerin trotz ihrer Eigenschaft als Istkaufmann (§ 1 HGB) nicht verpflichtet gewesen sei, die von ihr getätigten Verkäufe im Einzelnen manuell oder auf einem Datenträger aufzuzeichnen. Die Datenanforderung lasse sich auch nicht damit begründen, dass es sich um sonstige Unterlagen handele, die gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO "für die Besteuerung von Bedeutung" seien. Zwar seien die gespeicherten Einzeldaten für eine rückschauende Verprobung des Kassenbuchs und der Tagesabschlussbons von großem Interesse. Bei abstrakt-genereller Betrachtung sei dies allerdings nicht der Fall, da die Tagesabschlussbons die Einzelaufzeichnungen gerade ersetzen sollten.

8

Seine Revision begründet das FA mit der Verletzung materiellen Rechts, insbesondere von § 147 Abs. 6 AO. Als nach handelsrechtlichen Vorschriften buchführungspflichtiger Kaufmann sei die Klägerin auch als Apothekerin zur Einzelaufzeichnung ihrer Verkäufe verpflichtet. Die Frage der Zumutbarkeit einer Einzelaufzeichnung der Kassenvorgänge stelle sich in der heutigen Zeit allgemein und angesichts der tatsächlich geführten Aufzeichnungen im Streitfall insbesondere auch konkret nicht. Bei den Einzelaufzeichnungen handele es sich um Grundaufzeichnungen i.S. des § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO, deren Überlassung auf einem Datenträger daher zu Recht verlangt worden sei.

9

Das FA beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Sie macht geltend, der BFH habe mit Urteil vom 24. Juni 2009 VIII R 80/06 (BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452) entschieden, dass der Datenzugriff der Finanzverwaltung sich nur auf solche nach § 147 Abs. 1 AO aufbewahrungspflichtigen Daten erstrecke, für die eine --an anderer Stelle normierte-- Aufzeichnungspflicht bestehe. Für Einzelhändler sehe die AO indes keine Pflicht zur Einzelaufzeichnung vor. "Freiwillige" Aufzeichnungen wie die vorliegend von ihr gespeicherten Kasseneinzeldaten unterfielen deshalb nicht dem Datenzugriffsrecht in § 147 Abs. 6 AO. Dass sie Aufzeichnungen tatsächlich geführt habe, könne entgegen der Ansicht des FA nicht ausreichen. Im Übrigen sei das FA auch nicht berechtigt, "Dateien" anzufordern, da der Finanzverwaltung der Zugriff nur auf "Daten" offenstehe. Davon abgesehen sei die Datenanforderung zudem nicht hinreichend bestimmt bzw. jedenfalls zu weitgehend.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA durfte die Klägerin zur Überlassung der Kassendaten in elektronisch verwertbarer Form auffordern, da sie zur Aufzeichnung der einzelnen Verkäufe sowie zur Aufbewahrung der Aufzeichnung verpflichtet war.

13

1. Zu Recht hat das FG angenommen, dass die Aufforderung zur Datenüberlassung vom 28. Oktober 2011 ein Verwaltungsakt ist (§ 118 Satz 1 AO), gegen den sich die Klägerin mit dem Einspruch und der Anfechtungsklage zur Wehr setzen konnte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452).

14

2. Das FG geht weiter zutreffend davon aus, dass Voraussetzung für die Datenanforderung das Bestehen einer Aufzeichnungspflicht ist. Die Befugnisse aus § 147 Abs. 6 AO stehen der Finanzbehörde nur in Bezug auf solche Unterlagen zu, die der Steuerpflichtige nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren hat. Der sachliche Umfang der Aufbewahrungspflicht in § 147 Abs. 1 AO wird wiederum grundsätzlich begrenzt durch die Reichweite der zugrunde liegenden Aufzeichnungspflicht (ausführlich BFH-Urteil in BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, m.w.N.).

15

Im Streitfall ist die Klägerin zur Aufzeichnung ihrer einzelnen Geschäftsvorfälle einschließlich der Kassenvorgänge verpflichtet.

16

a) Nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB ist jeder Kaufmann verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) ersichtlich zu machen. Über § 140 AO gelten die Kaufleuten obliegenden handelsrechtlichen Buchführungspflichten auch für die Besteuerung (vgl. Klein/Rätke, AO, 12. Aufl., § 140 Rz 1 und 4; BFH-Beschluss vom 26. September 2007 I B 53, 54/07, BFHE 219, 19, BStBl II 2008, 415). Die handelsrechtlichen Pflichten werden zu solchen des Steuerrechts transformiert (Görke in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 140 AO Rz 34).

17

b) Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann (§ 238 Abs. 1 Satz 2 HGB). Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen (§ 238 Abs. 1 Satz 3 HGB). Die Eintragungen in den Büchern und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden (§ 239 Abs. 2 HGB).

18

c) Aus der Pflicht zur Ersichtlichmachung der Handelsgeschäfte und der Lage des Vermögens unter Beachtung der GoB hat der BFH gefolgert, dies bedeute, dass grundsätzlich jedes einzelne Handelsgeschäft --einschließlich der sich auf die jeweiligen Handelsgeschäfte beziehenden Kassenvorgänge-- einzeln aufzuzeichnen sei (vgl. BFH-Urteil in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371). Mit der Buchführung wird u.a. der Zweck verfolgt, zu jedem Zeitpunkt einen zuverlässigen Einblick in den Ablauf aller Geschäfte zu geben. Deswegen muss es zu einem späteren Zeitpunkt für einen buchführungsmäßig vorgebildeten Dritten leicht und im Rahmen eines angemessenen Zeitaufwands möglich sein, den Inhalt und den Ablauf aller Geschäfte der Vergangenheit zu überprüfen. Dies erfordert in der Regel die Aufzeichnung jedes einzelnen Handelsgeschäfts in einem Umfang, der eine Überprüfung seiner Grundlagen, seines Inhalts und seiner Bedeutung für den Betrieb ermöglicht. Dafür bedarf es prinzipiell nicht nur der Aufzeichnung der in Geld bestehenden Gegenleistung, sondern auch des Inhalts des Geschäfts und des Namens des Vertragspartners (BFH-Urteil in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371). Es ist auch in der Literatur allgemein anerkannt, dass die GoB grundsätzlich eine einzelne Erfassung eines jeden Geschäftsvorfalls erfordern und zusammengefasste oder verdichtete Buchungen demzufolge voraussetzen, dass sie eindeutig in ihre Einzelpositionen aufgegliedert werden können (vgl. z.B. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., HGB § 239 Rz 12; Quick/Wolz in Baetge/ Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz 42 und § 239 HGB Rz 23; MünchKommHGB/Ballwieser, 3. Aufl., § 239 Rz 2; Baetge/Kirsch/Thiele in Küting/Pfitzer/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Einzelabschluss, Kap. 4 Rz 51 und 56).

19

Für bar erlangte Kasseneinnahmen hat der BFH in diesem Zusammenhang unmissverständlich klargestellt, dass der nach den GoB aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfall gerade nicht nur der am Ende eines Tages insgesamt vereinnahmte Betrag (Tageslosung) ist, weil die Tatsache der sofortigen Bezahlung der Leistung es nicht rechtfertigt, die einzelnen Geschäftsvorfälle nicht auch einzeln mit Benennung des Kunden, der Art der Tätigkeit und der Bareinnahme aufzuzeichnen (BFH-Urteil in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371).

20

d) Da die GoB indes nur eine Einzelaufzeichnung der Kassenvorgänge im Rahmen des nach Art und Umfang des Geschäftes Zumutbaren verlangen, hat der BFH die Einzelaufzeichnungspflicht für Einzelhandelsgeschäfte --in Betrieben, in denen Waren von geringerem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden-- dahingehend eingeschränkt, dass die baren Betriebseinnahmen in der Regel nicht einzeln aufgezeichnet zu werden brauchen (BFH-Urteil in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371). Ausschlaggebend für den BFH war insoweit, dass es technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich war, an die Aufzeichnung der einzelnen zahlreichen baren Kassenvorgänge in Einzelhandelsgeschäften gleiche Anforderungen wie bei anderen Handelsgeschäften zu stellen, nämlich zur Identifizierung und zur Bestimmung des Inhalts des Geschäfts Namen und Anschrift des Kunden und den Gegenstand des Kaufvertrages festzuhalten.

21

e) Die Frage, ob die nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzlich gegebene Verpflichtung zur Einzelaufzeichnung eines jeden Geschäftsvorfalls aus Gründen der Unzumutbarkeit einzuschränken ist, ist --anders als im BFH-Urteil in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371-- im Streitfall zu verneinen.

22

aa) Eine den GoB entsprechende Buchführung setzt voraus, dass die Eintragungen in die Bücher und sonst erforderliche Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden (§ 239 Abs. 2 HGB, § 146 Abs. 1 Satz 1 AO). Es besteht jedoch keine gesetzliche Vorgabe, wie (Kassen-)Aufzeichnungen zu führen sind. So können Handelsbücher und sonst erforderliche Aufzeichnungen grundsätzlich auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden (§ 239 Abs. 4 Satz 1 HGB, § 146 Abs. 5 Satz 1 AO). Der Steuerpflichtige ist in der Wahl des Aufzeichnungsmittels somit frei und kann entscheiden, ob er seine Warenverkäufe manuell oder unter Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel --wie eben einer elektronischen Registrier- oder PC-Kasse-- erfasst.

23

Entscheidet der Steuerpflichtige sich --wie im Streitfall-- für ein modernes PC-Kassensystem, das zum einen sämtliche Kassenvorgänge einzeln und detailliert aufzeichnet (mithin insbesondere die in Geld bestehende Gegenleistung sowie den Inhalt des Geschäfts) und zum anderen auch eine langfristige Aufbewahrung (Speicherung) der getätigten Einzelaufzeichnungen ermöglicht, kommt er gerade damit der ihm obliegenden Verpflichtung zur Aufzeichnung der einzelnen Verkäufe nach. Er kann sich in diesem Fall nicht (mehr) auf die Unzumutbarkeit der Aufzeichnungsverpflichtung berufen. Bei Verwendung einer PC-Kasse ist die mit ihr bewirkte Einzelaufzeichnung auch zumutbar (so auch Harle/Olles, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2013, 333, 335).

24

bb) Etwas anderes ergibt sich --entgegen der Ansicht der Klägerin-- weder aus dem BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02 (BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599) noch aus den Senatsbeschlüssen vom 16. Februar 2006 X B 57/05 (BFH/NV 2006, 940) sowie vom 7. Februar 2008 X B 189/07 (nicht veröffentlicht).

25

(1) Im Urteil in BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599 hat der BFH zwar auf die Ausnahme von der Pflicht zur Einzelaufzeichnung hingewiesen, hierüber aber --da es um einen nicht buchführungspflichtigen, im Taxigewerbe tätigen Gewerbetreibenden ging-- nicht tragend entschieden.

26

(2) Im Beschluss in BFH/NV 2006, 940 ermittelte die dortige Klägerin ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) und nicht durch Betriebsvermögensvergleich. Aus der Entscheidung ergibt sich lediglich, dass Steuerpflichtige, die ihren Gewinn zulässigerweise durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, zwar über § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. §§ 63 bis 68 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung zu Einzelaufzeichnungen, nicht aber deshalb auch zur Führung eines Kassenbuches verpflichtet sind; dies ergebe sich weder aus § 4 Abs. 3 EStG noch aus §§ 145, 146 AO oder § 22 UStG.

27

(3) Zwar ging es in dem dem Beschluss vom 7. Februar 2008 X B 189/07 zugrunde liegenden Fall um einen Lebensmitteleinzelhändler. Dieser war indes nicht buchführungspflichtig, sondern ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, was voraussetzt, dass sein Betrieb keinen nach Art oder Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderte. Der Senat hat zwar --wenn auch unter Verweis auf das BFH-Urteil in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371-- ausgeführt, dem Kläger sei eine Einzelaufzeichnungspflicht nicht zuzumuten. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass er generell auch für buchführungspflichtige Einzelhändler an der Befreiung von der Pflicht zur Einzelaufzeichnung festhalten wollte.

28

f) Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich aus den §§ 143 ff. AO nichts anderes.

29

aa) Wie oben bereits ausgeführt, werden die handelsrechtlichen Pflichten über § 140 AO zu solchen des Steuerrechts. § 145 AO hat demzufolge für diejenigen Steuerpflichtigen, die --wie die Klägerin-- bereits nach den handelsrechtlichen Vorschriften buchführungspflichtig sind, keine eigene Bedeutung, da diese den handelsrechtlichen GoB unmittelbar unterworfen sind (Görke in HHSp, § 145 AO Rz 6). Durch § 145 AO wird die Geltung der GoB im Steuerrecht nicht eingeschränkt. Die steuerrechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Buchführung sind vielmehr mit den handelsrechtlichen GoB abgestimmt (Koenig/Coester, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 145 Rz 5).

30

Von daher geht auch der Verweis der Klägerin auf das BFH-Urteil vom 11. August 1992 VII R 90/91 (BFH/NV 1993, 346) ins Leere. Zwar führt der VII. Senat dort (unter 3.b) aus, die §§ 145, 146 AO könnten Aufzeichnungspflichten nicht begründen, da die Anwendung dieser Vorschriften gerade eine ausdrückliche gesetzliche Aufzeichnungsverpflichtung zur Voraussetzung habe. Die Klägerin verkennt jedoch, dass sie als Ist-Kaufmann bereits aufgrund der GoB ausdrücklich gesetzlich zu Aufzeichnungen verpflichtet ist, während der Steuerpflichtige in dem der Entscheidung in BFH/NV 1993, 346 zugrunde liegenden Fall gerade nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen musste (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 346, unter 3.a).

31

bb) Auch die §§ 143, 144 AO stehen einer Einzelaufzeichnungspflicht für Einzelhändler nicht von vornherein entgegen.

32

Die Klägerin ist insoweit der Ansicht, da § 143 AO alle gewerblichen Unternehmer zur gesonderten Aufzeichnung des Wareneingangs, § 144 AO dagegen nur Großhändler zur gesonderten Aufzeichnung des Warenausgangs in Gestalt der zur gewerblichen Weiterverwendung bestimmten Waren verpflichte, ergebe sich aus deren Zusammenschau der Wille des Gesetzgebers, Einzelhändler wie sie von einer Verpflichtung zur Einzelaufzeichnung auszunehmen.

33

Dem vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. § 144 AO statuiert --wie § 143 AO-- eine selbständige, von sonstigen Buchführungspflichten unabhängige (gesonderte) Aufzeichnungspflicht und nimmt den Aufzeichnungspflichtigen speziell zur Überprüfung der steuerlichen Verhältnisse Dritter in Dienst (Görke in HHSp, § 144 AO Rz 2). Hierzu gehört der Kundenkreis eines Einzelhändlers gerade nicht. Wesentlich für die in § 144 AO geregelte Aufzeichnungspflicht des Warenausgangs ist demzufolge u.a. auch die Aufzeichnung des Namens oder der Firma und der Anschrift des Abnehmers (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 AO), was von einem Einzelhändler regelmäßig nur dann gefordert werden kann, wenn es für ihn zumutbar ist.

34

Aus der gesonderten Aufzeichnungspflicht für Großhändler nach § 144 AO kann nicht der Schluss gezogen werden, Einzelhändler hätten hinsichtlich ihrer Ausgangsleistungen keine Aufzeichnungspflichten zu erfüllen. Vielmehr entbindet die Aufzeichnung des Warenausgangs nach § 144 AO den Großhändler auch dann nicht von weiteren Aufzeichnungspflichten (generelle Pflicht zur Einzelaufzeichnung aller Geschäftsvorfälle, Aufzeichnungen nach § 22 UStG), wenn sich insoweit Überschneidungen ergeben. Dies berechtigt ihn allenfalls dazu, die verschiedenen Aufzeichnungen ggf. in einer Datensammlung technisch zusammenzufassen, sofern dies sämtlichen Aufzeichnungsanforderungen genügt (Görke in HHSp, § 144 AO Rz 2 i.V.m. § 143 AO Rz 5).

35

g) Mit den vorstehenden Ausführungen weicht der erkennende Senat nicht von der Entscheidung in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371 ab. Dem steht schon entgegen, dass die damalige, vom IV. Senat des BFH entschiedene Fallkonstellation, die sich auf das Streitjahr 1956 bezog, angesichts veränderter technischer Möglichkeiten nicht mit dem vorliegend zu entscheidenden, mehr als 50 Jahre später liegenden Fall vergleichbar ist.

36

h) Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass die nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzlich auch für Einzelhändler geltende Pflicht zur Einzelaufzeichnung der Bareinnahmen nicht bedeutet, dass diese künftig einzeln gebucht werden müssen. Ausreichend ist insoweit --wie bisher-- die Verbuchung der zusammengefassten Tageslosung. Entscheidend ist, dass diese sich auf die einzeln erfassten Verkäufe zurückführen lässt und --ggf. unter Zuhilfenahme des Warenwirtschaftssystems-- nachweisbar sind.

37

3. Als Folge der Pflicht, die baren Betriebseinnahmen einzeln aufzuzeichnen, unterliegen die von der Klägerin mittels der PC-Kasse gefertigten Aufzeichnungen der Aufbewahrungspflicht des § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO.

38

a) Der sachliche Umfang der Aufbewahrungspflicht wird --wie oben bereits ausgeführt-- grundsätzlich begrenzt durch die Reichweite der zugrunde liegenden Aufzeichnungspflicht. Die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen ist akzessorisch. Das heißt, sie setzt stets eine Aufzeichnungspflicht voraus und besteht grundsätzlich nur im Umfang der Aufzeichnungspflicht (grundlegend BFH-Urteil in BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, mit umfangreichen Nachweisen). Eine eigenständige Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen, die nicht mit einer Pflicht zur Aufzeichnung von Daten in Zusammenhang stehen, ist § 147 Abs. 1 AO nicht zu entnehmen.

39

Zutreffend geht das FA davon aus, dass es sich bei den vorliegend mit Hilfe einer PC-Kasse einzeln aufgezeichneten Bareinnahmen (Umsätze/Warenverkäufe) um Grundaufzeichnungen i.S. des § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO und keineswegs um "freiwillige" Aufzeichnungen handelt. Zu "freiwilligen" Aufzeichnungen kommt es auch nicht etwa deshalb, weil die Anschaffung der Kasse mit den damit verbundenen Aufzeichnungsmöglichkeiten primär aus betriebswirtschaftlichen Gründen erfolgt ist.

40

b) Davon unabhängig sind gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 4 AO insbesondere auch die Tagesendsummenbons (Z-Bons) als Beleg über die Buchung der verdichteten Tagessummen aufzubewahren.

41

c) Zu Unrecht meint die Klägerin, sie sei in den Streitjahren 2007 bis 2009 jedenfalls im Hinblick auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 9. Januar 1996 IV A 8-S 0310-5/95 (BStBl I 1996, 34) nur zur Aufbewahrung und Speicherung der Z-Bons verpflichtet gewesen. Es handelt sich bei diesem BMF-Schreiben um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, die als solche keine Rechtsnormqualität besitzt und die Gerichte nicht bindet (vgl. BFH-Urteil vom 24. September 2013 VI R 48/12, BFH/NV 2014, 341).

42

Norminterpretierende Verwaltungsanweisungen, die die gleichmäßige Auslegung und Anwendung des Rechts sichern sollen, können im Allgemeinen weder eine einer Rechtsnorm vergleichbare Bindung aller Rechtsanwender noch eine Bindung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben herbeiführen. Eine von den Gerichten zu beachtende Selbstbindung der Verwaltung besteht lediglich ausnahmsweise in dem Bereich der ihr vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsfreiheit, also im Bereich des Ermessens, der Billigkeit (z.B. bei Änderung der Rechtsprechung) und der Typisierung oder Pauschalierung (BFH-Urteile vom 26. April 1995 XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754, und vom 7. Dezember 2005 I R 123/04, BFH/NV 2006, 1097). Um einen solchen Fall handelt es sich bei der Gewährung von Aufbewahrungserleichterungen für Kassengrundaufzeichnungen indes nicht.

43

4. Da die Klägerin zur Aufzeichnung der einzelnen Verkäufe und zur Aufbewahrung der entsprechenden Aufzeichnungen verpflichtet war, durfte das FA im Rahmen der Außenprüfung gemäß § 147 Abs. 6 Satz 2 Alternative 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 AO die mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems (PC-Kasse) erstellten Daten auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Prüfung anfordern.

44

a) Unschädlich ist zunächst, dass die Daten mittels eines der eigentlichen Buchführung vorgelagerten (Kassen-)Systems erstellt wurden, da dem Datenzugriff grundsätzlich auch die Daten aus vorgeschalteten Systemen oder Nebensystemen unterfallen (z.B. Schüßler, Der Datenzugriff der Finanzverwaltung im Rahmen der (digitalen) Außenprüfung, S. 76, m.w.N.; vgl. auch Jochum, Die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen in der Außenprüfung, S. 195 ff.). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die in einem Vorsystem --wie einem Kassensystem-- erzeugten (steuerrelevanten und aufbewahrungspflichtigen) Daten in verdichteter Form in das eigentliche Buchführungssystem übergeben werden (vgl. hierzu auch BMF-Schreiben vom 14. November 2014 IV A 4 - S 0316/13/10003, BStBl I 2014, 1450, insb. Rz 20).

45

b) Soweit die Klägerin meint, die Anforderung sei schon deshalb rechtswidrig, weil sie zu unbestimmt sei bzw. weil das FA keine Daten, sondern eine Datei angefordert habe, greift dieser Einwand nicht durch.

46

aa) Bei verständiger Würdigung ist zunächst davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch eine "Datei" --also einen Bestand inhaltlich zusammengehöriger Daten, der auf einem Datenträger oder Speichermedium abgelegt und gespeichert ist-- meint, wenn er in § 147 Abs. 6 AO von "Daten" spricht.

47

Die Datenzugriffsmöglichkeit der Finanzverwaltung setzt zwingend voraus, dass die zunächst "flüchtigen" Daten (im Streitfall die Informationen im Zusammenhang mit den einzelnen Verkaufsvorgängen) systematisch in einer Datei abgelegt werden und so erhalten bleiben. Dass die Datei ggf. für den Datenzugriff "neu" erzeugt werden muss, ist ebenfalls kein Hinderungsgrund, sondern vielmehr Folge der der Finanzverwaltung in § 147 Abs. 6 Satz 2 Alternative 2 AO eingeräumten Möglichkeit der Anforderung eines Datenträgers (sog. "Z3 Zugriff"; zu den Datenzugriffsmöglichkeiten der Finanzverwaltung vgl. z.B. Burchert, Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, 2006, 744, 745 f.).

48

bb) Dem FA war zudem bekannt, dass das von der Klägerin verwandte Apothekenkassensystem des Anbieters X vorsah, die Daten des Warenverkaufsjournals zur Ermöglichung des Datenzugriffs der Finanzverwaltung in einer speziellen Datei ("vk_verkaeufe…csv") abzulegen. Dementsprechend durfte das FA davon ausgehen, in dieser Datei befänden sich die steuerrelevanten Kassendaten (Grundaufzeichnungen).

49

Der Senat hat keine Bedenken, dass das FA in diesem Fall zur Bestimmung der Datenanforderung den vom System vorgegebenen Dateinamen verwandt hat, zumal das FA mehrfach unmissverständlich klargestellt hat, es gehe um die "Einzeldaten der Registrierkasse (Journal der EDV-Kasse)" bzw. um die "von der Firma X gelieferten Daten über die Warenverkäufe" und der Bestandteil "vk_verkaeufe" die Steuerrelevanz der (Grund-)Aufzeichnungen impliziert. Zweifel, worauf sich das Datenanforderungsverlangen des FA bezog, konnten bei der Klägerin nicht entstehen.

50

Eine --wie die Klägerin fordert-- detaillierte Auflistung der einzelnen Datensätze würde dagegen voraussetzen, dass die Finanzverwaltung nicht nur den Anbieter sowie das System bzw. Programm mit seinem Inhalt und der jeweiligen Arbeitsweise, sondern bspw. auch die Programmversion im Einzelnen kennt. Bei der Vielzahl der auf dem Markt vorhandenen unterschiedlichen Systeme und Programme sowie ihrer Schnelllebigkeit wird der Finanzverwaltung dies regelmäßig nicht möglich sein. Die Anforderungen an die Verwaltung würden überspannt.

51

cc) Mit der Anforderung der "Einzeldaten der Registrierkasse (Journal der EDV-Kasse)" und der "von der Firma X gelieferten Daten über die Warenverkäufe" verstößt das FA auch nicht gegen das Übermaßverbot.

52

Mit der Bereitstellung der standardisierten Datei "vk_verkaeufe" im csv-Format für den Datenexport im Rahmen der digitalen Außenprüfung hat X für die Klägerin die dieser obliegende Qualifizierung der steuerlich relevanten Kassendaten übernommen. Soweit die Klägerin der Ansicht sein sollte, einzelne in der Datei enthaltene Daten seien nicht steuerrelevant, obliegt es ihr, diese zu selektieren (sog. Erstqualifikationsrecht, vgl. z.B. BMF-Schreiben vom 14. November 2014 IV A 4 –S0316/13/10003, BStBl I 2014, 1450, Rz 160 f.; Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. --IDW--, FN-IDW 2012 [Beiheft zu Nr. 11], B 12). Hat sie bspw. in der Datei patientenbezogene Daten abgelegt, deren Herausgabe sie nach § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c AO verweigern darf (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 2009 VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455, unter II.4.g dd für einen Rechtsanwalt/Steuerberater als Berufsgeheimnisträger), kann sie diese aus der Datei entfernen. Ist ihr dies nicht möglich, kann sie den Zugriff auf die Datei "vk_verkaeufe…csv" mit den Kasseneinzeldaten nicht verweigern (zutreffend Bellinger, StBp 2011, 305, 308; ders. StBp 2013, 278, 279; vgl. auch BFH-Beschluss in BFHE 219, 19, BStBl II 2008, 415, unter II.4.). Sie trägt die Verantwortung und damit auch das Risiko, wenn sie steuerrelevante und nicht steuerrelevante Daten ununterscheidbar vermengt haben sollte.

53

c) Anzeichen, dass das FA sein Ermessen, ob und in welcher Form es auf Daten Zugriff nehmen möchte, fehlerhaft ausgeübt haben könnte, sind nicht ersichtlich. Ermessensfehler werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

54

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ein Anspruch auf Änderung bestandskräftiger Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre (1993 bis 1998) zusteht.

2

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren eine Spielhalle und führte dort Umsätze durch den Betrieb von Glücksspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit aus.

3

In den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre wurden diese Umsätze, den Steuererklärungen der Klägerin folgend, vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) als umsatzsteuerpflichtig behandelt.

4

Mit Urteil vom 17. Februar 2005 entschied der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache Linneweber und Akritidis C-453/02 und C-462/02 (Slg. 2005, I-1131, BFH/NV Beilage 2005, 94), dass Art. 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) unmittelbare Wirkung zukomme, so dass sich ein Veranstalter oder Betreiber von Glücksspielen oder Glücksspielgeräten vor den nationalen Gerichten auf die Steuerfreiheit dieser Umsätze berufen könne. Bei Ergehen dieses Urteils lag für alle Streitjahre bereits Festsetzungsverjährung nach den Bestimmungen der Abgabenordnung (AO) vor. Die Einspruchsfrist für die für die Streitjahre ergangenen Umsatzsteuerjahresbescheide war bereits seit mehr als einem Jahr abgelaufen.

5

Mit Schreiben unter dem 13. April 2005 legte die Klägerin Einspruch gegen die für die Streitjahre ergangenen Umsatzsteuerfestsetzungen ein und machte die Steuerfreiheit für die Umsätze mit Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit geltend.

6

Das FA verwarf die Einsprüche wegen Verfristung als unzulässig. Die hiergegen eingelegte Klage zum Finanzgericht (FG) hat das FG aus den in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 364 mitgeteilten Gründen abgewiesen.

7

Hiergegen richtet sich die Revision. Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Bundesrechts sowie des Unionsrechts. Sie regt an, dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens folgende Fragen vorzulegen:

8

"1. Kann sich ein Steuerpflichtiger gegenüber dem Finanzamt erfolgreich darauf berufen, dass die Europarechtswidrigkeit einer steuergesetzlichen Norm des nationalen Rechts durch den EuGH festgestellt worden ist, wenn nach nationalem Recht die Vorschrift der Bestandskraft entgegenstünde?

9

2. Gilt dies insbesondere dann, wenn die Umsetzung einer Richtlinie fehlerhaft geschehen ist, sodass dem Steuerpflichtigen nicht offenbart wurde, dass eine Abweichung des Gemeinschaftsrechts vom nationalen Recht vorlag und der Steuerpflichtige durch diese Unwissenheit nicht in der Lage war, seine Rechte innerhalb der nationalen Frist geltend zu machen?

10

3. Ist es für die Zumutbarkeit eines Rechtsbehelfs im Sinne der Entscheidung des EuGH vom 24. März 2009 C-445/06, Danske Slagterier von Relevanz, ob es sich um einen Eingriff handelt, der sich für den Bürger als ungewöhnlich oder selten darstellt, oder ob es sich um einen Eingriff handelt, der bereits vor Inkrafttreten der betreffenden verletzten Richtlinie durchgeführt wurde und auch bei anderen Steuerpflichtigen durchgeführt wird, sodass der Bürger keinen Anlass einer besonderen Prüfung erkennen kann, wie dies bei der Umsatzsteuerveranlagung der Fall ist und wirkt sich dies bejahendenfalls auf die Zumutbarkeit aus?

11

4. Muss der Steuerpflichtige --entgegen der Aussage in der Sache Emmott vom 25. Juli 1991 C-208/90-- die Richtlinien der EG kennen, auf denen nationale Gesetze beruhen, die für ihn anwendbar sind?

12

5. Falls Frage 3 (gemeint: 4) zu bejahen ist, stellt sich Frage 4 (gemeint: 5): Macht es für den Beginn oder für die Länge der Rechtsmittelfrist einen Unterschied, dass das nationale Recht voraussetzt, dass der Bürger die nationalen Rechtsvorschriften zumindest kennen muss, er die Vorschriften der EG-Richtlinien aber nicht kennen muss und nicht kennt (Verstoß gegen den Grundsatz der Effektivität)? Ist der kurze Lauf der Rechtsmittelfrist deshalb im nationalen Recht angemessen, weil Kenntnis vorausgesetzt wird? Bedeutet dies dann, dass beim Verstoß gegen europarechtliche Richtlinien eine längere Frist oder mangels anwendbarer Regelungen des nationalen Rechts gar keine Frist läuft?

13

6. Kann der Steuerpflichtige trotz entgegenstehender Bestandskraft nach nationalem Recht Rückzahlung der zu Unrecht vereinnahmten Steuer verlangen?

14

7. Unter welchen Voraussetzungen kann der Steuerpflichtige eine entsprechende Rückzahlung verlangen?"

15

Die Klägerin beantragt,

das FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 20. April 2007 aufzuheben und die angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen 1993 bis 1998 in der Weise zu ändern, dass die Umsätze aus Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit steuerfrei belassen und damit im Zusammenhang stehende Vorsteuern nicht berücksichtigt werden,

hilfsweise den Streitfall dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

16

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht sowohl die Nichtigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen als auch die Änderbarkeit der bestandskräftigen und festsetzungsverjährten Bescheide für die Streitjahre verneint.

18

1. Die angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen sind nicht nichtig.

19

Gemäß § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Nach § 125 Abs. 2 AO ist ein Verwaltungsakt z.B. nichtig, der die erlassende Finanzbehörde nicht erkennen lässt, den aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen kann, der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt oder der gegen die guten Sitten verstößt.

20

Im Streitfall liegt kein Nichtigkeitsgrund vor. Ein Verwaltungsakt ist nicht allein deswegen nichtig, weil er der gesetzlichen Grundlage entbehrt oder weil die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften --auch diejenigen des formellen Rechts (Verfahrensrechts)-- unrichtig angewendet worden sind. Der erforderliche besonders schwere Fehler liegt nur vor, wenn er die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so hohen und offenkundigen Maße verletzt, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, da die Klägerin selbst in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre die streitigen Umsätze als steuerpflichtig angesehen hat und das FA dem gefolgt ist.

21

Darüber hinaus ist ein Verwaltungsakt nicht allein deswegen nichtig, weil die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften unrichtig angewendet worden sind (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Mai 1987 II R 140/84, BFHE 150, 70, BStBl II 1987, 592, und vom 26. September 2006 X R 21/04, BFH/NV 2007, 186). Für Verstöße gegen Unionsrecht ergeben sich insoweit keine Besonderheiten (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 2009 C-40/08, Asturcom Telecomunicationes SL, Slg. 2009, I-9579, Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht --EWS-- 2009, 475, Europäische Zeitschrift für Wirtschaft --EuZW-- 2009, 852, unter Rdnr. 37; ebenso Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 17. Januar 2007  6 C 32/06, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2007, 709). Die Gegenauffassung, nach der ein Verstoß gegen das Unionsrecht stets einen "schweren" Rechtsfehler begründen soll (vgl. de Weerth, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 1368, 1369 zu § 130 AO), lässt unberücksichtigt, dass für einen unionsrechtswidrigen Bescheid keine andere Behandlung geboten ist als für einen Bescheid, der auf einer nicht verfassungskonformen Rechtsgrundlage beruht und dessen Bestand hiervon unberührt bleibt (§ 79 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht; BFH-Urteile vom 28. Juni 2006 III R 13/06, BFHE 214, 287, BStBl II 2007, 714; vom 21. März 1996 XI R 36/95, BFHE 179, 563, BStBl II 1996, 399).

22

2. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin ihren Einspruch verspätet eingelegt hat.

23

Nach § 355 Abs. 1 Satz 1 AO ist der Einspruch (§ 347 Abs. 1 Satz 1 AO) innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ein Einspruch gegen eine Steueranmeldung ist gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 AO innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde, in den Fällen des § 168 Satz 2 AO innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden der Zustimmung, zu erheben.

24

Die Klägerin hat mit Schreiben unter dem 13. April 2005 Einspruch gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre (1993 bis 1998) erhoben. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war zu diesem Zeitpunkt bereits für alle Streitjahre sowohl die Monatsfrist als auch die --nach Auffassung der Klägerin wegen fehlender Rechtsbehelfsbelehrung anwendbare-- Jahresfrist für die Einlegung eines Einspruchs abgelaufen. Dies ist im Übrigen auch zwischen den Beteiligten unstreitig.

25

3. Die Versäumung der Einspruchsfrist durch die Klägerin ist nicht aufgrund der sog. "Emmott'schen Fristenhemmung" unbeachtlich.

26

Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25. Juli 1991 C-208/90, Emmott, Slg. 1991, I-4269 Rdnr. 23) kann sich ein säumiger Mitgliedstaat zwar bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Umsetzung einer Richtlinie unter bestimmten Voraussetzungen nicht auf die verspätete Einlegung einer Klage berufen (vgl. zuletzt EuGH-Urteil vom 24. März 2009 C-445/06, Danske Slagterier, Slg. 2009, I-2119 Rdnrn. 53 f.). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern setzt das Vorliegen besonderer Umstände voraus, die sich in der Rechtssache Emmott daraus ergaben, dass ein Bürger eines Mitgliedstaates von dessen Behörden zunächst von der rechtzeitigen Einlegung einer Klage abgehalten und ihm später der Einwand der verspäteten Klageerhebung entgegen gehalten wurde (EuGH-Urteil Danske Slagterier in Slg. 2009, I-2119 Rdnr. 54). Eine derartige Fallgestaltung ist im Streitfall nicht gegeben, da die Klägerin nicht daran gehindert war, innerhalb der allgemeinen Fristen ihre Umsatzsteuerfestsetzungen anzufechten (vgl. BFH-Entscheidungen vom 23. November 2006 V R 67/05, BFHE 216, 357, BStBl II 2007, 436; vom 23. November 2006 V R 51/05, BFHE 216, 350, BStBl II 2007, 433; vom 9. Oktober 2008 V R 45/06, BFH/NV 2009, 39; BFH-Urteile in BFHE 179, 563, BStBl II 1996, 399; vom 15. September 2004 I R 83/04, BFH/NV 2005, 229).

27

4. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nach dem Unionsrecht weder die Dauer der Einspruchsfrist zu beanstanden, noch besteht eine Anlaufhemmung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie Kenntnis von der EuGH-Entscheidung Linneweber und Akritidis in Slg. 2005, I-1131, BFH/NV Beilage 2005, 94 erlangt hat. Das FA war auch nicht verpflichtet, ihr die Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist zu gewähren.

28

a) Die Dauer der Einspruchsfrist nach § 355 AO verstößt weder gegen die unionsrechtlichen Vorgaben des Äquivalenz- noch des Effektivitätsprinzips, da nach dem EuGH-Urteil vom 19. September 2006 C-392/04 und C-422/04, I-21 Germany und Arcor (Slg. 2006, I-8559 Rdnrn. 59, 60 und 62) eine einmonatige Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs angemessen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf sein Urteil in BFHE 216, 357, BStBl II 2007, 436.

29

b) Die Einspruchsfrist beginnt --trotz der fehlerhaften Umsetzung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG in nationales Recht-- mit Bekanntgabe des Steuerbescheids und nicht erst zu dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin Kenntnis von der EuGH-Entscheidung Linneweber und Akritidis in Slg. 2005, I-1131, BFH/NV Beilage 2005, 94 erlangen konnte.

30

Das Unionsrecht verlangt auf Grundlage der aus Art. 10 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG) abgeleiteten Prinzipien der Effektivität und der Äquivalenz (zum Grundsatz der Zusammenarbeit vgl. EuGH-Urteil vom 8. September 2010 C-409/06, Winner Wetten, juris, unter Rdnrn. 55, 58) nur, dass die Mitgliedstaaten die verfahrensrechtlichen Fristen, die zur Durchsetzung des Unionsrechts einzuhalten sind, nicht ungünstiger ausgestalten als in den nur das innerstaatliche Recht betreffenden Verfahren. Weiter darf es nicht praktisch unmöglich sein, eine auf das Unionsrecht gestützte Rechtsposition geltend zu machen. Danach sind Verwaltungsakte, die nach Ablauf einer angemessenen Frist nicht mehr anfechtbar sind, selbst wenn sie gegen das Unionsrecht verstoßen, für die Beteiligten bindend (vgl. EuGH-Entscheidungen vom 13. Januar 2004 C-453/00, Kühne & Heitz, Slg. 2004, I-837, unter Rdnr. 24; I-21 Germany und Arcor in Slg. 2006, I-8559, unter Rdnr. 51).

31

Die Klägerin beansprucht demgegenüber für sich eine Besserstellung gegenüber den Steuerpflichtigen, die sich auf eine Rechtsposition des innerstaatlichen Rechts berufen können, diese aber nicht kennen und sich nach Ablauf der Einspruchsfrist in § 355 Abs. 1 AO die formelle Bestandskraft der Steuerfestsetzung entgegenhalten lassen müssen.

32

Die von der Klägerin für maßgeblich gehaltenen Umstände, dass die Richtlinie 77/388/EWG sich an die Mitgliedstaaten und nicht unmittelbar an den Bürger als Adressaten wende und es bis zum EuGH-Urteil Linneweber und Akritidis in Slg. 2005, I-1131, BFH/NV Beilage 2005, 94 nicht vorhersehbar gewesen sei, dass Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG unmittelbar Anwendung finden könne, rechtfertigt entgegen ihrer Auffassung nicht den Schluss, dass es "praktisch unmöglich" war, diese Rechtsposition im Rahmen der "normalen" Einspruchsfrist gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 AO durchzusetzen. Denn es kommt nicht darauf an, ob eine nach Erlass eines Bescheids eintretende günstige Rechtsentwicklung auf einer günstigen Richtlinienauslegung durch den EuGH oder auf einer anderen Grundlage beruht. Ein Steuerpflichtiger, der mit Rücksicht auf die herrschende Rechtsauffassung zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses von einer Klage abgesehen und es unterlassen hat, die Gerichte selbst von einem Verstoß der Steuerfestsetzung gegen das Unionsrecht zu überzeugen, nimmt den Eintritt der Bestandskraft --auch für den Fall eines späteren Rechtsprechungswandels-- bewusst in Kauf (vgl. bereits Senatsurteil vom 29. Mai 2008 V R 45/06, BFH/NV 2008, 1889, unter II.3.b; s. auch weiter unten bei II.5.c bb). Die Rechtsverfolgung innerhalb der allgemeinen gesetzlichen Fristen ist daher auch bei Fragen des Unionsrechts möglich und zumutbar (BFH-Urteil in BFHE 216, 350, BStBl II 2007, 433, unter II.3.).

33

c) Das FG hat weiter zutreffend entschieden, dass der Klägerin keine Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist gemäß § 110 AO zu gewähren war.

34

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass im Zeitpunkt des Einspruchs mit Schreiben unter dem 13. April 2005, den das FG zugleich als Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 110 Abs. 1 AO behandelte, mehr als ein Jahr seit dem Ende der versäumten Einspruchsfrist verstrichen war. Das FG hat eine Wiedereinsetzung --sowohl auf Antrag der Klägerin als auch von Amts wegen-- daher zutreffend bereits im Hinblick auf die gemäß § 110 Abs. 3 AO einzuhaltende Jahresfrist verneint.

35

Der Auffassung der Klägerin, die Jahresfrist sei unbeachtlich, da sie bis zum EuGH-Urteil Linneweber und Akritidis in Slg. 2005, I-1131, BFH/NV Beilage 2005, 94 weder habe wissen können noch müssen, dass die Steuerbefreiung gemäß Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG unmittelbar zu ihren Gunsten anwendbar sei, schließt sich der Senat nicht an. Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf das BFH-Urteil vom 8. Februar 2001 VII R 59/99 (BFHE 194, 466, BStBl II 2001, 506) berufen. Diese Entscheidung betraf die Wiedereinsetzung in die prozessuale Antragsfrist gemäß § 68 FGO a.F. Für den Streitfall, in dem es die Klägerin von vornherein unterlassen hat, Rechtsbehelfe gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen einzulegen, lässt sich hieraus nichts ableiten.

36

Die Klägerin beansprucht vielmehr (vgl. bereits oben unter II.4.b) eine verfahrensrechtliche Besserstellung gegenüber den sich aus dem nationalen Recht ergebenden Rechten, um die auf der Richtlinie 77/388/EWG beruhende Steuerbefreiung durchzusetzen. Das Unionsrecht gebietet es jedoch nicht, die Klägerin verfahrensrechtlich besserzustellen (vgl. oben II.4.a zur Einspruchsfrist und die Senatsentscheidung in BFHE 216, 350, BStBl II 2007, 433, unter II.3.; EuGH-Urteil Asturcom Telecomunicationes SL in Slg. 2009, I-9579, EWS 2009, 475, EuZW 2009, 852, unter Rdnr. 37).

37

5. Die Klägerin kann auch keine Änderung der bestandskräftigen Umsatzsteuerfestsetzungen beanspruchen.

38

a) Es ist unionsrechtlich grundsätzlich nicht erforderlich, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder nach Erschöpfen des Rechtswegs bestandskräftig geworden ist oder durch ein rechtskräftiges gerichtliches Urteil bestätigt wurde (ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. Urteile Kühne & Heitz in Slg. 2004, I-837, unter Rdnr. 24; I-21 Germany und Arcor in Slg. 2006, I-8559, unter Rdnr. 51).

39

b) Zu beachten ist allerdings, dass die für den Erlass einer Verwaltungsentscheidung zuständige Behörde nach dem (für die Streitjahre noch) in Art. 10 EG verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sein kann, ihre Entscheidung zu überprüfen und zurückzunehmen (EuGH-Urteile Kühne & Heitz in Slg. 2004, I-837, unter Rdnr. 28; vom 16. März 2006 C-234/04, Kapferer, Slg. 2006, I-2585, unter Rdnr. 23; I-21 Germany und Arcor in Slg. 2006, I-8559, unter Rdnr. 52; vom 12. Februar 2008 C-2/06, Kempter, Slg. 2008, I-411, unter Rdnrn. 37 bis 39; vom 3. September 2009 C-2/08, Olimpiclub, Slg. 2009, I-7501, EuZW 2009, 739, unter Rdnrn. 23 ff.; Asturcom Telecomunicationes SL in Slg. 2009, I-9579, EWS 2009, 475, EuZW 2009, 852, unter Rdnr. 37).

40

Für diesen Überprüfungs- und Aufhebungsanspruch müssen nach der Rechtsprechung des EuGH vier "Voraussetzungen" vorliegen:

41

- Erstens muss die Behörde nach nationalem Recht befugt sein,

die bestandskräftige Entscheidung zurückzunehmen.

- Zweitens muss die Entscheidung infolge eines Urteils eines

in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts gegen-

über dem die Änderung begehrenden Steuerpflichtigen be-

standskräftig geworden sein.

- Drittens muss das Urteil, wie eine nach seinem Erlass ergan-

gene Entscheidung des EuGH zeigt, auf einer unrichtigen

Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruhen, die erfolgt ist,

ohne dass der EuGH um Vorabentscheidung ersucht worden ist,

obwohl die Voraussetzungen einer Vorlage gemäß Art. 234

Abs. 3 EG (nunmehr Art. 267 des Vertrags über die Arbeits-

weise der Europäischen Union --AEUV--) erfüllt waren.

- Viertens muss der Betroffene sich, unmittelbar nachdem er

Kenntnis von der besagten Entscheidung des EuGH erlangt

habe, an die Verwaltungsbehörde gewandt haben.

42

c) Bereits die erste Voraussetzung, nach der eine nationale Behörde zur Aufhebung oder Änderung eines rechtswidrigen bestandskräftigen Steuerbescheids "befugt" sein muss, ist im Streitfall nicht erfüllt.

43

aa) Steuerbescheide i.S. des § 155 AO können bei nachträglich erkannter Unionsrechtswidrigkeit --wie auch bei einem nachträglich erkannten Verstoß gegen innerstaatliches Recht-- auf Grundlage der "Kühne & Heitz-Grundsätze" und den §§ 172 ff. AO nicht geändert werden, da es im steuerrechtlichen Verfahrensrecht an der hierzu erforderlichen Befugnis fehlt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 216, 357, BStBl II 2007, 436; vom 23. November 2006 V R 28/05, BFH/NV 2007, 872; in BFHE 179, 563, BStBl II 1996, 399; vom 8. Juli 2009 XI R 41/08, BFH/NV 2010, 1; zustimmend Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 130 Rz 32 f. und § 172 Rz 4 a; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO vor §§ 172 bis 177 Rz 41.1; de Weerth, Der Betrieb --DB-- 2009, 2677; Tehler in Festschrift für Reiss 2008, 81, 94; Leonard/Sczcekalla, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2005, 420, 426 ff.; Birk/Jahndorf, UR 2005, 198, 199 f.; Gosch, DStR 2005, 413 ff., DStR 2004, 1988, 1991).

44

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (Urteile Kapferer in Slg. 2006, I-2585, unter Rdnrn. 22 und 23; Asturcom Telecomunicationes SL in Slg. 2009, I-9579, EWS 2009, 475, EuZW 2009, 852, unter Rdnrn. 37 f.), der der Senat folgt, setzt der auf den "Kühne & Heitz-Grundsätzen" beruhende Anspruch auf Überprüfung oder Änderung rechtskräftiger Entscheidungen voraus, dass das nationale Verfahrensrecht hierfür eine Rechtsgrundlage vorsieht und insoweit das Äquivalenz- sowie das Effektivitätsprinzip beachtet werden. Hiermit stellt der EuGH klar, dass das Unionsrecht weder verlangt, im nationalen Verfahrensrecht einen entsprechenden Überprüfungs- oder Änderungsanspruch für bestandskräftige unionsrechtswidrige Verwaltungsakte vorzusehen, noch, dass aus dem Unionsrecht ein eigenständiger (vom nationalen Recht losgelöster) Überprüfungs- und Änderungsanspruch abgeleitet werden kann (unzutreffend daher Jahndorf/Oellerich, DB 2008, 2559, 2563; Meilicke, DStR 2007, 1892, 1893; ders., Betriebs-Berater --BB-- 2004, 1087; Schacht/Steffens, BB 2008, 1254, 1257).

45

bb) Die fehlende Änderungsmöglichkeit für bestandskräftige unionsrechtswidrige Steuerbescheide in den §§ 172 ff. AO verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen den unionsrechtlichen Äquivalenzgrundsatz.

46

Im Streitfall kann offen bleiben, ob auf Grundlage der "Kühne & Heitz-Grundsätze" im Rahmen des § 130 Abs. 1 AO bei unionsrechtswidrigen Steuerverwaltungsakten (§ 118 AO) eine Ermessensreduzierung eintreten und ein Überprüfungs- oder Änderungsanspruch bei bestandskräftigen Steuerverwaltungsakten bestehen kann (so Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 130 AO Rz 22 ff.; Jahndorf/Oellerich, DB 2008, 2559, 2564). Selbst wenn dies zutreffen sollte, verletzt die abweichende Rechtslage bei Steuerbescheiden (vgl. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO) nicht das Äquivalenzprinzip. Der nach nationalem Recht bestehende Dualismus der abgabenrechtlichen Korrekturvorschriften mit voneinander unabhängigen Regelungssystemen --§§ 130, 131 AO einerseits und §§ 172 ff. AO andererseits-- ist ein Grundprinzip des steuerrechtlichen Verfahrensrechts (vgl. Wernsmann in HHSp, vor §§ 130 bis 133 AO Rz 43, 114 ff.; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vorbemerkungen zu §§ 172 bis 177 AO Rz 6; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO vor §§ 130 bis 133 AO Rz 8; Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 172 Rz 1; Pahlke/Koenig/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., vor §§ 172 bis 177 Rz 5). Dem Äquivalenzprinzip wird genügt, wenn innerhalb der verfahrensrechtlich jeweils eigenständigen Änderungsregelungen für rechtswidrige bestandskräftige Steuerverwaltungsakte einerseits und für Steuerbescheide andererseits dieselben Änderungsmöglichkeiten zur Durchsetzung der sich aus dem nationalem Recht und dem Unionsrecht ergebenden Ansprüche bestehen (vgl. z.B. EuGH-Urteil Asturcom Telecomunicationes SL, Slg. 2009, I-9579, EWS 2009, 475, EuZW 2009, 852, unter Rdnrn. 49 f.). Dies ist vorliegend der Fall, da Verstöße gegen innerstaatliches Recht und das Unionsrecht innerhalb der beiden Änderungssysteme jeweils gleich behandelt werden.

47

cc) Ferner verstößt die fehlende nachträgliche Änderungsmöglichkeit für unionsrechtswidrige Steuerbescheide nicht gegen das Effektivitätsprinzip.

48

Der Grundsatz der Effektivität ist entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht verletzt, wenn der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung des FA bestandskräftig werden lässt, weil eine künftige Rechtsprechungsänderung des EuGH oder BFH zu seinen Gunsten nicht absehbar ist (Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1889, unter II.1.d). Denn durch das Rechtsinstitut der Bestandskraft bezweckt der Gesetzgeber den Eintritt der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens. Dieser Zweck würde vereitelt, wenn die Bestandskraft nachträglich durchbrochen werden könnte und dies von der regelmäßig schwierig zu beurteilenden Vorhersehbarkeit einer Rechtsprechungsänderung des EuGH oder des BFH abhängig gemacht würde. Es ist --wie bereits unter II.4.b erläutert-- Sache des Steuerpflichtigen, unter Übernahme des Kostenrisikos seine Chance zur Herbeiführung der Korrektur einer entgegenstehenden Rechtsprechung zu wahren, indem er Rechtsmittel einlegt (Senatsurteil in BFHE 216, 350, BStBl II 2007, 433). Sieht der Steuerpflichtige hiervon ab, nimmt er den Eintritt der Bestandskraft auch für den Fall einer späteren Rechtsprechungsänderung bewusst in Kauf.

49

Dass nach den von der Klägerin angeführten zivilrechtlichen Entscheidungen eine Haftung von Steuerberatern bis zum EuGH-Urteil Linneweber und Akritidis in Slg. 2005, I-1131, BFH/NV Beilage 2005, 94 mangels Verschuldens nicht in Betracht kommen kann, wenn diese auf die Steuerfreiheit der Umsätze nicht hingewiesen hatten, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Der Effektivitätsgrundsatz garantiert --anders als die Klägerin meint-- nur eine gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeit in angemessener Frist. Er betrifft das Verfahren, nicht aber die Frage, ob es in der Sache schwierig ist, eine günstige Rechtsentwicklung vorherzusehen und durchzusetzen. Der EuGH hat die deutschen Einspruchs- und Klagefristen und damit die nationalen verfahrensrechtlichen Regelungen zur Durchsetzung des Unionsrechts nicht beanstandet (EuGH-Urteil I-21 Germany und Arcor in Slg. 2006, I-8559, unter Rdnrn. 58 bis 60; vgl. auch unter II.4.a und b).

50

dd) Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 4. September 2008  2 BvR 1321/07 (Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst 2009, 60) ergibt sich ebenfalls nichts anderes. Zwar hat das BVerfG dort ausgeführt, der EuGH habe die Fragen zur Durchbrechung der Bestandskraft unionsrechtswidriger belastender Verwaltungsakte der Mitgliedstaaten noch nicht erschöpfend beantwortet und es sei unklar, welche Bedeutung der vom EuGH in der "Kühne und Heitz-Entscheidung" aufgestellten Voraussetzung zukomme, die Behörde müsse nach nationalem Recht befugt sein, die Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen. Die vom BVerfG hierzu zitierten Schrifttumsauffassungen beziehen sich aber zu Recht ausschließlich auf die --für Steuerbescheide nicht maßgeblichen-- §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 51 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), die für rechtswidrige unanfechtbare Verwaltungsakte im allgemeinen Verwaltungsrecht wie in § 130 Abs. 1 AO --anders als die §§ 172 ff. AO-- unter bestimmten Voraussetzungen eine ermessensgebundene Überprüfungs- und Änderungspflicht vorsehen (vgl. im Hinblick auf unionsrechtswidrige Verwaltungsakte zu den §§ 48, 51 VwVfG BVerwG-Urteile vom 22. Oktober 2009  1 C 26/08, Deutsches Verwaltungsblatt --DVBl-- 2010, 261; vom 17. Januar 2007  6 C 32/06, NVwZ 2007, 709).

51

d) Die zweite Voraussetzung der "Kühne & Heitz-Rechtsprechung" liegt ebenfalls nicht vor. Die Klägerin hat --wie sie selbst einräumt-- gegen die bestandskräftigen Umsatzsteuerfestsetzungen nicht die ihr zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe (vgl. EuGH-Urteil I-21 Germany und Arcor in Slg. 2006, I-8559, unter Rdnrn. 53 f.) ausgeschöpft (vgl. zu diesem Erfordernis BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 229; Kanitz/Wendel, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2008, 231, 232; Ludwigs, DVBl 2008, 1164, 1170; Müller/Seer, Internationale Wirtschaftsbriefe Fach 11, Gruppe 2, 865, 875; Rennert, DVBl 2007, 400, 408; Ruffert, Juristenzeitung 2007, 407, 409). Die Gegenauffassung von Meilicke (DStR 2007, 1892, 1893; ders., BB 2004, 1087 ff., und Schacht/Steffens, BB 2008, 1254, 1255), nach der die Rechtslage hinsichtlich dieser Voraussetzung nicht abschließend geklärt sein soll, vermag nicht zu begründen, warum und in welcher Hinsicht nach den Ausführungen des EuGH im Urteil I-21 Germany & Arcor in Slg. 2006, I-8559 noch Klärungsbedarf besteht.

52

Der EuGH hat auch nicht, wie die Klägerin behauptet, im Urteil Danske Slagterier in Slg. 2009, I-2119 von dieser Voraussetzung Abstand genommen, sondern dort lediglich im Bezug auf den unionsrechtlichen Entschädigungs- und Staatshaftungsanspruch entschieden, es sei nicht in jedem Fall zwingend erforderlich, dass der Geschädigte zuvor im Wege des Primärrechtsschutzes gegen das zum Schaden führende legislative oder judikative Unrecht vorgehe (vgl. auch EuGH-Urteil vom 26. Januar 2010 C-118/08, Transportes Urbanos y Servicios Generales, BFH/NV Beilage 2010, 578, unter Rdnr. 48). Für die im "Kühne & Heitz-Urteil" definierten Korrekturvoraussetzungen bei rechtswidrigen bestandskräftigen Verwaltungsakten folgt hieraus nichts.

53

6. Im Streitfall sind die von der Klägerin aufgeworfenen Vorlagefragen 6 und 7 zu den Voraussetzungen des unionsrechtlichen Entschädigungsanspruchs nicht entscheidungserheblich, da sie im vorliegenden Verfahren nur die Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzungen, nicht aber auch einen Erlass der Steuer begehrt.

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a) Das Recht auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben hat, stellt nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH eine Folge und eine Ergänzung der Rechte dar, die den Einzelnen aus dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch den EuGH erwachsen. Es besteht ein Entschädigungs- oder Staatshaftungsanspruch, wenn ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts Steuern erhoben hat, oder ein Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht erhobenen Steuer und der Beträge, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Steuer an diesen Staat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind. Voraussetzung ist, dass die verletzte Rechtsnorm bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem den Betroffenen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. EuGH-Urteile vom 12. Dezember 2006 C-446/04, Test Claimants in the FII Group Litigation, Slg. 2006, I-11753; vom 13. März 2007 C-524/04, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Slg. 2007, I-2107, unter Rdnrn. 110, 111; vom 23. April 2008 C-201/05, Test Claimants in the CFC and Dividend Group Litigation, Slg. 2008, I-2875; in Transportes Urbanos y Servicios Generales in BFH/NV Beilage 2010, 578, unter Rdnrn. 29 ff.).

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b) Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen eines unionsrechtlichen Entschädigungsanspruchs nur ein Erlass der Steuer gemäß § 227 AO in Betracht kommt (vgl. BFH-Entscheidungen vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460; in BFHE 216, 350, BStBl II 2007, 433; in BFH/NV 2008, 1889; vom 5. Juni 2009 V B 52/08, BFH/NV 2009, 1593). Mangels einer Unionsregelung über die Erstattung zu Unrecht erhobener inländischer Abgaben ist es Aufgabe des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, insoweit die Verfahrensmodalitäten zu regeln (vgl. das EuGH-Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation in Slg. 2006, I-11753, unter Rdnr. 203).

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7. Der Senat folgt im Übrigen nicht der Anregung der Klägerin, gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen zu den Voraussetzungen, unter denen eine Korrektur bestandskräftiger Steuerbescheide auf Grundlage der "Kühne & Heitz-Rechtsprechung" des EuGH in Betracht kommt, sowie zu Beginn und Dauer der Einspruchs- und Wiedereinsetzungsfrist bei nicht zutreffender Umsetzung einer Richtlinienbestimmung sind --wie dargelegt-- nach Auffassung des Senats bereits geklärt (vgl. unter II.5.). Unter diesen Umständen besteht für den Senat keine Vorlagepflicht (vgl. zu den Voraussetzungen EuGH-Urteile vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, Cilfit u.a., Slg. 1982, 3415, unter Rdnr. 21; vom 6. Dezember 2005 C-461/03, Gaston Schul, Slg. 2005, I-10513; vom 15. September 2005 C-495/03, Intermodal Transports, Slg. 2005, I-8151).

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8. Es kommt schließlich keine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) an das BVerfG in Betracht. Die unter II.5. dargelegten möglicherweise unterschiedlichen Rechtsfolgen für die Aufheb- und Änderbarkeit von bestandskräftigen Steuerverwaltungsakten i.S. des § 118 AO und von Steuerbescheiden gemäß § 155 AO, wenn nachträglich deren Unionsrechtswidrigkeit festgestellt wird, führen wegen des Dualismus der Korrektursysteme in §§ 130 ff. AO und §§ 172 ff. AO nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(1) Der Vorsitzende hat die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern.

(2) Der Vorsitzende hat jedem Mitglied des Gerichts auf Verlangen zu gestatten, Fragen zu stellen. Wird eine Frage beanstandet, so entscheidet das Gericht.

(3) Nach Erörterung der Streitsache erklärt der Vorsitzende die mündliche Verhandlung für geschlossen. Das Gericht kann die Wiedereröffnung beschließen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.