Finanzgericht München Urteil, 16. Mai 2019 - 10 K 135/19

bei uns veröffentlicht am16.05.2019

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Streitig ist der Anspruch auf Kindergeld für A, geboren am …, für Februar bis September 2018.

Die Klägerin stellte mit E-Mail an die beklagte Familienkasse (FK) vom 6. Oktober 2017 die Frage, ob ein Kindergeldanspruch für A bestehe, und fügte als Anlage eine Ausbildungsbescheinigung der Bereitschaftspolizeiabteilung vom 28. März 2017 bei. Danach hatte A (als Angehöriger der Spitzensportförderung der Bayerischen Polizei) mehrere Ausbildungsabschnitte zu durchlaufen (nämlich vom 15. September 2016 bis zum 31. Januar 2017, vom 1. Oktober 2017 bis zum 31. Januar 2018, vom 1. Oktober 2018 bis zum 31. Januar 2019, vom 1. Oktober 2019 bis zum 31. Januar 2020 sowie vom 1. September 2020 bis zum 31. Januar 2021), zwischen denen er für Training und Wettkämpfe freigestellt sei. Weiter legte die Klägerin ein Schreiben der … (ausländische Behörde) vom 7. April 2017 bei, wonach dem Kindesvater ausländische Familienleistungen für A von September 2016 bis Januar 2017, jeweils Oktober bis Januar ab 2017 bis 2020 und September 2020 bis Oktober 2020 gewährt werden.

Der ausgefüllte Vordruck für den Antrag auf Kindergeld für A ging am 28. Juni 2018 bei der FK ein.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2018 lehnte die FK den Antrag der Klägerin „vom 28. Juni 2018“ auf Kindergeld für A ab Dezember 2017 ab. Deutsches Kindergeld sei nachrangig und nur in Höhe des Unterschiedsbetrags zu den ausländischen Leistungen zu gewähren. Der Betrag der ausländischen Leistungen erreiche der Höhe nach das der Klägerin zustehende Kindergeld, so dass eine Zahlung ausgeschlossen sei.

Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Die ausländischen Leistungen erreichten nicht die Höhe des zustehenden Kindergeldes, denn im Ausland seien lediglich von September 2016 bis Januar 2017 und von Oktober 2017 bis Januar 2018 Familienleistungen gezahlt worden.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2018). Zur Begründung führt die FK aus, für A bestehe zugleich im Ausland ein Anspruch auf Kindergeld. Die Konkurrenz sei nach Art. 67, 68 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO Nr. 883/2004, Amtsblatt der Europäischen Union - ABlEU - 2004 Nr. L 166, S. 1) und der hierzu ergangenen Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO Nr. 987/2009, ABlEU 2009 Nr. L 284, S. 1) aufzulösen. A lebe in Deutschland, der Kindesvater übe im Ausland eine Erwerbstätigkeit aus. Die Klägerin übe keine Erwerbstätigkeit aus. Der Kindergeldanspruch im Beschäftigungsland des Kindesvaters sei deshalb gegenüber dem deutschen Kindergeldanspruch vorrangig.

Der Betrag der ausländischen Familienleistungen sei höher als das deutsche Kindergeld von 194 €. Somit sei kein Differenzkindergeld zu zahlen.

Soweit die Klägerin geltend mache, dass von Februar bis September 2018 keine Familienleistungen im Ausland bewilligt worden seien, befinde sich A in diesen Monaten nicht in einer berücksichtigungsfähigen Ausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuergesetz in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG), da er von der Ausbildung freigestellt sei. Eine Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG liege ebenso wenig vor, da der Zeitraum der Freistellung mehr als vier Monate betrage.

Mit Bescheid vom 10. Januar 2019 lehnte die FK den Antrag der Klägerin auf Kindergeld für A für Februar bis September 2017 ab. In dieser Zeit sei A von der Ausbildung freigestellt gewesen. Ein berücksichtigungsfähiger Tatbestand liege nicht vor.

Am 16. Januar 2019 erhob die Klägerin Klage wegen Kindergeld für Februar bis September 2017, Februar bis September 2018 sowie Februar bis September 2019 und 2020.

Mit Beschluss vom 10. April 2018 hat das Gericht das Verfahren wegen Kindergeld für Februar bis September 2017 abgetrennt und zur Entscheidung an die Beklagte verwiesen.

Ihre Klage begründet die Klägerin im Wesentlichen wie folgt:

„Es liege eine Übergangszeit nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG vor, da pro Ausbildungsjahr drei Präsenztage in der Ausbildung inbegriffen seien und somit die Zeiträume der Freistellung jeweils weniger als vier Monate lang seien. Jedenfalls sei hier § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG einschlägig.“

Hierzu legte die Klägerin eine weitere Ausbildungsbescheinigung der Bereitschaftspolizeiabteilung Spitzensport vom 8. Januar 2019 vor, wonach sich A seit dem 15. September 2016 in Ausbildung befände. Die Ausbildung ende voraussichtlich am 31. Januar 2021. Die Ausbildung sei in fünf Abschnitte gegliedert vom 15. September 2016 bis zum 31. Januar 2017 sowie jeweils von Oktober eines Jahres bis Januar des Folgejahres ab 2017 bis 2021. Zwischen den Ausbildungsabschnitten sei A freigestellt für Training und Wettkämpfe bei durchgehender Bezahlung. Für diese Tätigkeiten bestehe Dienstunfallschutz. In dieser Freistellungsphase fänden im Regelfall drei Präsenztage statt, an denen Ausbildungsinhalte vermittelt würden. Diese hätten bisher am 28. März, 9. Mai, 17. Juli 2017, 20. März, 15. Mai und 17. Juli 2018 stattgefunden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Bescheids vom 24. Oktober 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2018 die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für A für Februar 2018 bis September 2018 festzusetzen.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Klageerwiderung verweist die FK auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und ergänzt im Wesentlichen Folgendes:

Im Einspruchsverfahren sei nachgewiesen worden, dass A im Ausland nach nationalem Recht nicht für die ausländischen Familienleistungen berücksichtigt werden könne.

Es liege kein berücksichtigungsfähiger Tatbestand nach § 32 Abs. 4 EStG für die streitigen Zeiträume vor. Zwischen den Ausbildungsabschnitten lägen jeweils mehr als vier Monate. Die Präsenztage stellten keine Ausbildungsabschnitte i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG dar.

Im Übrigen umfasse der Klagezeitraum lediglich die Monate Dezember 2017 (wie im angefochtenen Ablehnungsbescheid vom 24. Oktober 2018) bis Dezember 2018 (Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2018).

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und die vorgelegten Akten verwiesen.

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

II.

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Der Senat legt das Klagebegehren in analoger Anwendung des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch im wohlverstandenen Interesse der - nicht vertretenen - Klägerin (Bundesfinanzhof - BFH - Beschlüsse vom 28. Dezember 2010 X B 18/10, BFH/NV 2011, 624, und vom 15. April 1999 VII B 179/98, BFH/NV 1999, 1471) dahin gehend aus, dass es nicht die Monate Februar bis September 2019 und Februar bis September 2020 betrifft. Denn hinsichtlich der nach dem Monat der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (Dezember 2018) liegenden Monate wäre die Klage unzulässig, da es an einer Klagebefugnis i. S. d. § 40 Abs. 2 FGO fehlt (BFH-Urteil vom 24. Juli 2013 XI R 24/12, BFH/NV 2013, 1920). Das Gericht interpretiert daher die Aufführung dieser Monate lediglich als zusätzliche Begründung der Klage. Die Klägerin wird hinsichtlich der als Klagebegründung interpretierten Monate auch nicht rechtlos gestellt, denn insoweit hat die FK auch noch keine Regelung getroffen (BFH-Urteil vom 22. Dezember 2011 III R 70/09, BFH/NV 2012, 1446).

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kindergeld für A für die Monate Februar bis September 2018.

a) A ist nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigen.

aa) Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Ausbildungsmaßnahme Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nimmt. Das ernstliche Vorbereiten auf einen Beruf setzt aber voraus, dass das Kind die Ausbildung ernsthaft und nachhaltig betreibt. Einzelne Ausbildungsmaßnahmen von untergeordneter Bedeutung erfüllen hingegen nicht das Tatbestandsmerkmal der Berufsausbildung (BFH-Urteil vom 13. Juli 2004 VIII R 23/02, BFHE 207, 32, BStBl II 2004, 999).

Auch wenn das Ausbildungsverhältnis fortbesteht, kann eine Unterbrechung der Ausbildung eintreten, wenn keine auf die Ausbildung gerichteten Maßnahmen stattfinden. Ein Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG kann in diesem Fall gegeben sein, wenn es sich um eine nur vorübergehende Unterbrechung der Ausbildung handelt und die Unterbrechung von dem Kind nicht zu vertreten ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. Januar 2018 III R 16/17, BFHE 260, 481, BStBl II 2018, 402, zum Fall einer Untersuchungshaft).

bb) Nach diesen Maßgaben hat die Klägerin im Streitzeitraum für A keinen Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG.

Das Ausbildungsverhältnis bei der Polizei bestand zwar auch während der Freistellungsphase für Training, Lehrgänge und Wettkämpfe fort. Zudem wurden während der Freistellung die Bezüge fortgezahlt, bestand Dienstunfallschutz und wurde A an drei Tagen in der Dienststelle ausgebildet. Dies genügt aber nicht für die Annahme eines ernsthaften und nachhaltigen Betreibens der Ausbildung. Training, Lehrgänge und Wettkämpfe haben im Hinblick auf das angestrebte Berufsziel keinen Ausbildungscharakter, da die damit erworbenen Kenntnisse keinen konkreten Bezug zu dem angestrebten Beruf aufweisen und weder Ausbildungsinhalt noch Ausbildungsziel vorgegeben werden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 22. Februar 2017 III R 3/16, BFH/NV 2017, 1304). Die nur drei Präsenztage in acht Monaten stellen sich als Ausbildungsmaßnahmen von untergeordneter Bedeutung dar (vgl. BFH-Urteil vom 22. Februar 2017 III R 3/16, BFH/NV 2017, 1304, zur Anerkennung eines Au pair-Verhältnisses als Ausbildung bei begleitendem theoretisch-systematischen Sprachunterricht von grundsätzlich mindestens zehn Wochenstunden). Insofern liegt nach Auffassung des Senats eine Unterbrechung der Ausbildung vor.

Hinzu kommt, dass es sich zwar um eine vorübergehende Unterbrechung der Ausbildung handelt, diese aber von A mit seinem Dienstherrn vereinbart worden war und damit auf einem eigenen Entschluss des A beruhte (vgl. BFH-Urteil vom 24. September 2009 III R 79/06, BFH/NV 2010, 614, zur Unterbrechung der Ausbildung wegen Elternzeit).

b) Auch die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG für eine Berücksichtigung des A sind nicht erfüllt.

aa) Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt.

bb) Im Streitfall scheitert eine Berücksichtigung des A nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG daran, dass die Freistellungsphase für Training und Wettkämpfe nicht zwischen zwei Ausbildungsabschnitten in diesem Sinne liegt. Die Ausbildung des A war zum 31. Januar 2018 noch nicht beendet und wurde daher nach der Freistellungsphase zum 1. Oktober 2018 nicht neu aufgenommen, sondern fortgesetzt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Revision wird zugelassen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 FGO).

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(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten in der Sache um die öffentliche Zustellung von Steuerbescheiden sowie die Auslegung einer Erledigungserklärung durch das Finanzgericht (FG).

2

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war gewerblich tätig. Einkommen- und Umsatzsteuerbescheid 2001, jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, wurden im Jahre 2003 an eine aus früheren Jahren bekannte Anschrift des Klägers übersandt. In der Folgezeit nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) verschiedene Anschriftenermittlungen vor, da unter der gewerblichen Anschrift des Klägers zwar ein Firmenschild, aber kein Briefkasten vorhanden war. In den Jahren 2004 und 2005 stellte das FA Bescheide über die Aufhebung der Nachprüfungsvorbehalte 2001, die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 sowie den Umsatzsteuerbescheid 2002 öffentlich zu. Die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 2004 und 2005 übersandte es dem Kläger im Jahre 2007 an die gewerbliche Anschrift. Ebenfalls 2007 beantragte das FA die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers wegen Steuerrückständen aus der Einkommensteuer 2001 bis 2005 und der Umsatzsteuer 2002 bis 2005. Nachdem der Kläger erklärt hatte, die Bescheide seien ihm nicht bekannt, übersandte das FA die Bescheide in Kopie. Der Insolvenzantrag wurde 2008 mangels Masse abgewiesen.

3

Mit der Klage beantragte der im FG-Verfahren nicht vertretene Kläger festzustellen, dass gegen ihn vor dem 6. April 2008 keine Steuererklärungen oder Steuerbescheide über Einkommensteuer und über Umsatzsteuer für die Jahre 2001, 2002, 2003, 2004 und 2005 wirksam geworden seien. Mit Schriftsatz vom 9. November 2008 nahm er die Klage hinsichtlich der Umsatzsteuer 2001 zurück.

4

In einem Schriftsatz vom 16. Februar 2009 formulierte er unter der Überschrift "Antrag":

5

"Mein Klageanliegen war. Ich erhebe Klage auf Feststellung, mit dem Antrag, daß das Gericht feststellt, daß gegen mich vor dem 06.04.2008 keine Steuererklärungen oder Steuerbescheide über Einkommensteuer und über Umsatzsteuer für die Jahre 2001;2002;2003;2004;2005 wirksam geworden sind. ..."

6

In den folgenden Sätzen erläuterte er, es gehe darum festzustellen, dass die Vollstreckbarkeitserklärung der genannten Bescheide rechtswidrig gewesen sei. Sodann heißt es:

7

"Ich habe bereits mit Schriftsatz v. 09.11.2008 die Klage bezüglich Ust 2001 zurückgenommen. Bezüglich der Einkommensteuerbescheide 2004; 2005 und der Umsatzsteuerbescheide 2003; 2004; 2005 erkläre ich neben dem oben beantragten Begehren, die Erledigung in der Hauptsache, mit der Maßgabe, daß ich mir erneute Klage vorbehalte, sofern meine Steuererklärungen mit Eingangsdatum 24.09.2008 über Est 2004; Ust 2003 und Ust 2004 nicht als Einspruch auf die entsprechenden Steuerbescheide des FA vom 29.08.2008 bearbeitet werden."

8

Das FA erklärte schriftsätzlich, es schließe sich der Erledigungserklärung des Klägers hinsichtlich der Einkommensteuer 2004 und 2005 und der Umsatzsteuer 2003, 2004 und 2005 an.

9

In der mündlichen Verhandlung beantragte der Kläger durch Bezugnahme auf einen weiteren Schriftsatz vom 11. August 2009 sinngemäß festzustellen, dass die dem Insolvenzantrag zu Grunde liegenden Steuerschulden bis zum 6. April 2008 nicht bestanden haben.

10

Das FG wies die Klage ab; als Streitgegenstand bezeichnete es Einkommensteuer 2001 bis 2005 sowie Umsatzsteuer 2001 bis 2005; die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 2001 habe der Kläger zurückgenommen, während die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Umsatzsteuerbescheide 2003, 2004 und 2005 sowie der Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 für erledigt erklärt hätten. Die öffentliche Zustellung sei rechtmäßig gewesen.

11

Der Kläger hat "wegen Einkommensteuer 2001 bis 2005 und Umsatzsteuer 2001 bis 2005" Nichtzulassungsbeschwerde gegen das FG-Urteil erhoben und im Rahmen des folgenden Begründungsschriftsatzes beantragt, die Revision gegen das FG-Urteil in vollem Umfang zuzulassen.

12

Das FG habe die Nichtigkeitsfeststellungsklage gegen die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 sowie den Umsatzsteuerbescheid 2002 zu Unrecht abgewiesen, da es die öffentliche Zustellung der Bescheide rechtsfehlerhaft als wirksam angesehen habe. Es habe im Tatbestand die Bekanntgabe der Einkommensteuerbescheide 2001, 2004 und 2005 sowie der Umsatzsteuerbescheide 2004 und 2005 behauptet, die er bestritten habe. Es habe verfahrensfehlerhaft die telefonische Erreichbarkeit des Klägers, die fehlende Nachfrage bei Nachbarn und beim Bruder (ebenfalls Nachbar) des Klägers und das vorhandene Firmenschild nicht gewürdigt. Es sei ohne tatsächliche Grundlage davon ausgegangen, Vollziehungsbeamte des FA hätten nicht zustellen können, während tatsächlich Vollziehungsbeamte nie zuzustellen versucht hätten. Sollte das Übergehen dieser Aspekte als konkludente Würdigung des klägerischen Vortrags dahin gewertet werden, auf diese Tatsachen komme es nicht an, so bedürfe es zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Nachforschungspflichten des FA vor Durchführung einer öffentlichen Zustellung der Zulassung der Revision.

13

Der Kläger hat weiter ausgeführt, das FG habe verfahrensfehlerhaft hinsichtlich der Umsatzsteuerbescheide 2003, 2004 und 2005 sowie der Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 eine Erledigung angenommen und daher über diesen Antrag nicht entschieden. Bei der Formulierung betreffend die Erledigung sei er, der Kläger, fälschlich davon ausgegangen, dass in dem Verfahren auch die Einsprüche gegen die genannten Steuerbescheide behandelt würden. Nur darauf habe sich die Erledigungserklärung bezogen, während die Feststellung, dass die Bescheide nicht vor dem 6. April 2008 wirksam geworden seien, weiter Gegenstand des Streits habe bleiben sollen. Allenfalls sei seine Erledigungserklärung zweideutig gewesen. Dann hätte das FG aber auf eine eindeutige Antragstellung hinwirken müssen. Die danach noch rechtshängige Feststellungsklage sei zulässig und begründet. Der Kläger benötige die Feststellung zur Rehabilitierung im Insolvenz- und im Gewerbeuntersagungsverfahren, die sich auf vermeintliche Steuerschulden stützten.

14

Das FA tritt der Beschwerde entgegen. Das FG habe den Sachverhalt ausreichend gewürdigt, der Kläger Verfahrensfehler nicht gerügt. Die Fragen, ob vor öffentlicher Zustellung telefonische Kontaktaufnahme oder Befragung von Nachbarn oder Verwandten erforderlich seien, bedürften angesichts vorhandener Rechtsprechung keiner Klärung mehr. Schließlich sei das FG zu Recht von einer Erledigung ausgegangen, nachdem wegen des bestrittenen Zugangs die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2005 dem Kläger während des Klageverfahrens erneut bekannt gegeben worden und erst von diesem Zeitpunkt an wirksam geworden seien. Der Feststellung habe es danach nicht mehr bedurft.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Beschwerde hat überwiegend Erfolg.

16

1. Die Beschwerde bezieht sich nicht auf die Umsatzsteuer 2001. Der Kläger hatte die Klage insoweit zurückgenommen; der --fehlende-- Beschluss nach § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist lediglich deklaratorischer Natur. Es ist daher davon auszugehen, dass die Rubren des FG-Urteils und des Beschwerdeschriftsatzes die Umsatzsteuer 2001 nur noch versehentlich aufführen.

17

2. Soweit die Beschwerde die Einkommensteuer 2001 betrifft, ist sie unzulässig. Sie enthält insoweit keine Begründung. Der Kläger beanstandet in dem zur Begründung der Beschwerde eingereichten Schriftsatz zum einen die Behandlung der öffentlichen Zustellung hinsichtlich der Einkommensteuer 2002 und 2003 sowie der Umsatzsteuer 2002, zum anderen die Behandlung der Erledigungserklärung hinsichtlich der Einkommensteuer 2004 und 2005 sowie der Umsatzsteuer 2003 bis 2005. Auf die Einkommensteuer 2001 bezieht sich die Begründung nicht. Allein die Rüge, das FG habe fälschlich die Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheides 2001 unter seiner früheren Anschrift festgestellt, ist keine Begründung, zumal der Kläger nach den insoweit nicht angegriffenen und auch zutreffenden Feststellungen des FG selbst vorgetragen hatte, er sei im Jahre 2003 noch unter dieser Anschrift erreichbar gewesen.

18

3. Hinsichtlich der Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2002 bis 2005 ist die Beschwerde zulässig und begründet. Insoweit liegen Verfahrensmängel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor.

19

a) Das FG hat in seiner Entscheidung zur Einkommensteuer 2002 und 2003 sowie Umsatzsteuer 2002 den Vortrag des Klägers, er sei telefonisch erreichbar gewesen, nicht gewürdigt. Darin liegt eine Verletzung rechtlichen Gehörs gemäß § 119 Nr. 3 FGO in Gestalt eines Verstoßes gegen die sogenannte Beachtungspflicht gemäß Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO, dessen Rechtserheblichkeit unwiderleglich vermutet wird (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. September 2001 GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802).

20

Die Beachtungspflicht ist verletzt, wenn das FG Äußerungen eines Verfahrensbeteiligten zu entscheidungserheblichen Fragen nicht nur nicht ausdrücklich bescheidet --was es nicht muss--, sondern überhaupt nicht berücksichtigt (vgl. Senatbeschluss vom 17. März 2010 X B 62/09, BFH/NV 2010, 1825, m.w.N.). Inwieweit darin gleichzeitig ein Verstoß gegen das Gebot der Überzeugungsbildung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens nach § 96 Abs. 1 FGO in Gestalt einer (objektiven) Aktenwidrigkeit des gewürdigten Sachverhalts liegen kann, bleibt dahingestellt.

21

Das FG hat in den Entscheidungsgründen die verschiedenen Versuche des FA zur Anschriftenermittlung dargestellt und daraus gefolgert, das FA habe alles unternommen, um den Aufenthalt des Klägers feststellen zu können. Demnach hat es sich mit der Möglichkeit telefonischer Kontaktaufnahme auch nicht konkludent befasst. Eine Auseinandersetzung damit war nicht deswegen entbehrlich, weil ein solcher Versuch der Anschriftenermittlung erkennbar neben der Sache gelegen hätte. Vielmehr ist ein Anruf bei dem Steuerpflichtigen eine grundsätzlich einfache und nahe liegende Möglichkeit, Informationen von ihm einzuholen. Ob sie im konkreten Fall zweckdienlich und erfolgversprechend gewesen wäre, ist eine Frage der dem FG obliegenden tatsächlichen Würdigung. Eine Zurückweisung der Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO kommt daher nicht in Betracht.

22

b) Hinsichtlich der Einkommensteuer 2004 und 2005 sowie der Umsatzsteuer 2003 bis 2005 hat das FG über den Feststellungsantrag des Klägers nicht entschieden. Darin liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bindung an das Klagebegehren aus § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juni 1988 X R 27/87, BFH/NV 1989, 233, und vom 18. August 2005 II R 68/03, BFH/NV 2006, 360). Der Kläger hatte nicht wirksam die Erledigung des Rechtsstreits erklärt. Die Nachprüfung von Prozesshandlungen und Prozesserklärungen auf ihren Inhalt und ihre Bedeutung gehört zu den Aufgaben des Revisionsgerichts, bei der es nicht an die Tatsachenfeststellungen des FG gebunden ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 48).

23

Wie jede Prozesshandlung ist eine Erledigungserklärung nach Maßgabe von § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auszulegen, muss jedoch im Ergebnis klar, eindeutig und vorbehaltlos sein (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1996 IV S 1/92, BFH/NV 1997, 307, m.w.N.). Daran fehlt es vorliegend. Mit dem Einschub "neben dem oben beantragten Begehren" hatte der Kläger die Erledigungserklärung gleichrangig neben dieses andere Begehren gestellt. Angesichts der prozessualen Lage war zwar ein Nebeneinander eines anderen Begehrens und eine Erledigungserklärung nicht möglich; jedoch ist nicht ohne Weiteres die dem FG möglicherweise sachdienlicher erscheinende Prozesserklärung als abgegeben anzunehmen. Vielmehr ist zu versuchen, das tatsächlich Gewollte zu erforschen. Erst wenn das scheitert, ist Raum für eine weitere Auslegung der Erklärung unter Berücksichtigung des wohlverstandenen Interesses des Klägers (vgl. etwa den Geschehensablauf in dem dem BFH-Beschluss vom 15. April 1999 VII B 179/98, BFH/NV 1999, 1471 zu Grunde liegenden Sachverhalt).

24

Das FG hatte nach Aktenlage nicht nach dem Sinn der Erklärung gefragt. Vielmehr hatte der Kläger in einem späteren Schriftsatz sowie in der mündlichen Verhandlung einen Antrag zu Protokoll gegeben, der mit Ausnahme der Umsatzsteuer 2001 dem ursprünglichen Klageantrag entsprach. Spätestens danach durfte das FG nicht von einer Erledigungserklärung des Klägers ausgehen, ohne sich entsprechend zu vergewissern. Ob die noch offene Feststellungsklage zulässig und begründet ist, ist in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren unerheblich. Hierüber wird das FG zu entscheiden haben.

25

4. Da im Falle der Zulassung der Revision aller Voraussicht nach das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden müsste (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 1989 I R 14/88, BFHE 159, 112, BStBl II 1990, 386), verweist der Senat zur Straffung des Verfahrens nach § 116 Abs. 6 FGO die Sache bereits im Beschwerdeverfahren zurück.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung, in den Fällen des § 100 Abs. 2 auch die Änderung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) oder zu einer anderen Leistung begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Verwaltet eine Finanzbehörde des Bundes oder eines Landes eine Abgabe ganz oder teilweise für andere Abgabenberechtigte, so können diese in den Fällen Klage erheben, in denen der Bund oder das Land die Abgabe oder einen Teil der Abgabe unmittelbar oder mittelbar schulden würde.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter ihrer 1990 geborenen Tochter (T), die … an der Universität … studierte. Sie bezog für T laufend Kindergeld.

2

T wurde ab dem zum 1. Oktober 2010 beginnenden Wintersemester bis zum Ende des Sommersemesters am 30. September 2011 zur Sprecherin der Studentenvertretung ("…") der Universität gewählt und war während ihrer Amtszeit vom Studium beurlaubt. Ab dem 1. Oktober 2011 wirkte sie als kommissarische Geschäftsführerin dieses Gremiums.

3

Die frühere Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 16. September 2010 die Kindergeldfestsetzung für T für die Zeit ab Oktober 2010 auf und wies den hiergegen eingelegten Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 22. November 2010 als unbegründet zurück.

4

Die Klägerin beantragte im April 2011 für T erneut Kindergeld. Diesen Antrag lehnte die Familienkasse mit Bescheid vom 26. Mai 2011 ab. Der Einspruch der Klägerin wurde von der Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 2011 unter Hinweis darauf, dass T vom Studium beurlaubt sei, gleichfalls als unbegründet zurückgewiesen.

5

Die Klage, mit der die Klägerin Kindergeld für ihre Tochter T ab Dezember 2010 begehrte, hatte im Wesentlichen Erfolg. Die Familienkasse wurde verpflichtet, der Klägerin Kindergeld für T für den Zeitraum von Dezember 2010 bis Juni 2011 zu bewilligen und sie wegen des Kindergelds ab Juli 2011 neu zu bescheiden. Im Übrigen wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab.

6

Das FG war der Ansicht, dass sich T auch während ihrer Beurlaubung vom Studium wegen ihrer leitenden Tätigkeit für die Studentenvertretung in einer Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes befunden habe.

7

Es führte weiter aus, anders als im Falle einer Anfechtungsklage, die die Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes betreffe und deren Gegenstand deshalb auch in zeitlicher Hinsicht entsprechend der Regelungswirkung des angefochtenen Verwaltungsaktes begrenzt sei, sei --wie im Streitfall-- Gegenstand der Verpflichtungsklage die Frage, ob ein Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes bestehe. Werde --wie hier ab Dezember 2010-- die Bewilligung von Kindergeld fortlaufend begehrt, müsse grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung --hier am 26. Oktober 2011-- entschieden werden. Sei die Sache hinsichtlich bestimmter Bewilligungsmonate oder bestimmter Bewilligungsvoraussetzungen nicht spruchreif, da --wie hier-- die Familienkasse insoweit noch keine Entscheidung getroffen habe und das Gericht selbst aus Gewaltenteilungsgesichtspunkten keine Entscheidung treffen dürfe, ergehe insoweit nach § 101 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ein Bescheidungsurteil.

8

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 138 veröffentlicht.

9

Die Familienkasse stützt ihre mit Senatsbeschluss vom 21. Juni 2012 XI B 4/12 zugelassene Revision auf die Verletzung von § 101 Sätze 1 und 2 FGO. Der Regelungsgehalt eines Bescheids, durch den --wie hier-- ein Antrag auf Festsetzung von Kindergeld abgelehnt werde, erschöpfe sich in der Bescheidung des Antragstellers für den Zeitraum bis einschließlich des Monats der Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids. Die Klägerin könne nur insoweit beschwert sein, als die Bindungswirkung des Ablehnungsbescheids reiche.

10

Zudem sei eine Klage gemäß § 44 Abs. 1 FGO --soweit wie hier ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben sei-- nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben sei. Über Zeiträume nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung sei kein Vorverfahren durchgeführt worden. Eine diesbezügliche Klage sei --wie im Streitfall-- mithin unzulässig.

11

Hinzu komme, dass sich die Sach- und Rechtslage in den der Einspruchsentscheidung nachfolgenden Zeiträumen mit der Folge ändern könne, dass der Kindergeldanspruch aus Gründen wegfalle, die im bisherigen Verfahren keine Rolle gespielt hätten.

12

Die Familienkasse beantragt, die Vorentscheidung wegen Kindergeld für den Zeitraum ab Juli 2011 aufzuheben und insoweit die Klage als unzulässig abzuweisen.

13

Die Klägerin hat im Revisionsverfahren weder einen Antrag gestellt noch in der Sache Stellung genommen.

Entscheidungsgründe

14

II. Der während des Revisionsverfahrens durch den Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit vom 18. April 2013 Nr. 21/2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes (Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.) eingetretene Zuständigkeitswechsel führt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 2007 X R 2/04, BFHE 218, 533, BStBl II 2008, 109, m.w.N.).

15

III. Auf die Revision der Familienkasse hin war die Vorentscheidung entsprechend dem Revisionsantrag aufzuheben und die Klage hinsichtlich des Zeitraums ab Juli 2011 abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).

16

Das FG hat der Klage zu Unrecht insoweit entsprochen, als es die Familienkasse verpflichtete, die Klägerin wegen des Kindergeldanspruchs für den Zeitraum nach dem Monat der Einspruchsentscheidung --hier Juli 2011-- bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung --hier Oktober 2011-- neu zu bescheiden. Denn die Klägerin ist insoweit nicht klagebefugt i.S. des § 40 Abs. 2 FGO.

17

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist entsprechend dem Revisionsantrag und der Revisionsbegründung der Familienkasse lediglich die vom FG ausgesprochene Verpflichtung, die Klägerin wegen des Kindergelds für den Zeitraum von Juli 2011 bis Oktober 2011 neu zu bescheiden. Die Vorentscheidung ist, soweit sie die mit der Revision nicht angegriffene Verpflichtung der Familienkasse betrifft, der Klägerin Kindergeld für den Zeitraum von Dezember 2010 bis Juni 2011 zu bewilligen, rechtskräftig (vgl. dazu z.B. Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 120 FGO Rz 171; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 6, jeweils m.w.N.).

18

2. Eine auf den Erlass eines abgelehnten Verwaltungsaktes gerichtete Klage (Verpflichtungsklage) ist, soweit --wie hier-- gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach § 40 Abs. 2 FGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung eines Verwaltungsaktes in seinen Rechten verletzt zu sein. Hieran fehlt es im Streitfall.

19

a) Der angegriffene Ablehnungsbescheid vom 26. Mai 2011 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 2011 enthalten keine das Kindergeld ab Juli 2011 ablehnende Regelung. Denn die Familienkasse kann im Falle eines zulässigen, in der Sache aber unbegründeten Einspruchs gegen einen Ablehnungs- oder Aufhebungsbescheid längstens eine Regelung des Kindergeldanspruchs bis zu dem Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung treffen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 9. Juni 2011 III R 54/09, BFH/NV 2011, 1858; vom 4. August 2011 III R 71/10, BFHE 235, 203, BStBl II 2013, 380; vom 22. Dezember 2011 III R 70/09, BFH/NV 2012, 1446). Dieser zeitliche Regelungsumfang wird durch eine Klageerhebung nicht verändert. Insbesondere ist das gerichtliche Verfahren keine Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens. Im Hinblick auf die von der Verfassung vorgegebene Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes) ist es die Aufgabe der Gerichte, das bisher Geschehene bzw. das Unterlassen auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, nicht jedoch, grundsätzlich der Verwaltung zustehende Funktionen auszuüben (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1446, Rz 18).

20

b) Etwas anderes lässt sich auch nicht aus Gründen der Prozessökonomie vertreten.

21

aa) Der III. Senat des BFH hat --unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. dazu Urteile vom 2. Juni 2005 III R 66/04, BFHE 210, 265, BStBl II 2006, 184; vom 30. Juni 2005 III R 80/03, BFH/NV 2006, 262)-- entschieden, dass die vom Bundessozialgericht (BSG) für das sozialgerichtliche Verfahren abweichend vertretene Auffassung, wonach bei einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungs- (§ 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes --SGG--) bzw. Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) gegen einen Verwaltungsakt, durch den die Gewährung laufender Zahlungen abgelehnt werde, auch über die nach der Widerspruchsentscheidung abgelaufenen Zeiträume zu entscheiden sei (vgl. BSG-Urteil vom 11. Dezember 2007 B 8/9b SO 12/06 R, Sozialrecht 4-3500 § 21 Nr. 1), auf das finanzgerichtliche Verfahren in Kindergeldsachen nicht übertragbar ist (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1446, Rz 20).

22

bb) Im finanzgerichtlichen Verfahren kann der Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand einer Inhaltskontrolle gemacht werden, in dem die Familienkasse den Kindergeldanspruch geregelt hat. Gründe der Prozessökonomie oder der sozialen Fürsorge (vgl. dazu BSG-Urteil vom 28. April 1960  8 RV 1341/58, BSGE 12, 127) rechtfertigen es nicht, eine Klage --wie hier-- ohne das Vorliegen zwingender Sachurteilsvoraussetzungen als zulässig anzusehen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1446, Rz 20, m.w.N.).

23

cc) Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung im BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1446 an.

24

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung. Sie war daher entsprechend dem Revisionsantrag aufzuheben.

25

4. Die Sache ist spruchreif. Nach den vorgenannten Grundsätzen ist die Klägerin nicht in ihren Rechten i.S. des § 40 Abs. 2 FGO verletzt, soweit die Familienkasse über das Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung --im Streitfall Juni 2011-- hinaus keine Regelung über den Kindergeldanspruch der Klägerin getroffen hat. Die den Zeitraum ab Juli 2011 betreffende Klage ist mithin als unzulässig zurückzuweisen (§ 40 Abs. 2 FGO).

26

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, § 143 Abs. 1 FGO.

27

Das FG hat als Streitgegenstand auch das Kindergeld für den Monat nach Ergehen der Einspruchsentscheidung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung angesehen.

28

Da die Revision der Familienkasse Erfolg hat, kann auch die Kostenentscheidung des FG keinen Bestand haben. Der Senat hält es für angemessen, über die Kosten nach Verfahrensabschnitten zu entscheiden. Auch eine solche Entscheidung wahrt den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (vgl. dazu BFH-Urteile vom 30. April 2003 II R 6/01, BFH/NV 2004, 341; vom 6. Juli 1999 VIII R 17/97, BFHE 189, 302, BStBl II 2000, 306; vom 10. Dezember 2009 V R 13/08, BFH/NV 2010, 960; in BFHE 235, 203, BStBl II 2013, 380).

Tatbestand

1

I. Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) lebt gemeinsam mit der am … 1968 geborenen G sowie mit deren am … 1977 geborenen Bruder H in einem Haus, das G und H im Juli 2004 gemietet hatten. G ist blind und zu 100 % behindert, H zu 70 %. Seit Januar 2008 sind der Kläger und G verheiratet.

2

Im September 2005 beantragte der Kläger die Gewährung von Kindergeld für G und H, da die beiden seine Pflegekinder seien. Die Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte den Kindergeldantrag durch Bescheid vom 10. Januar 2006 ab, da kein Pflegekindschaftsverhältnis vorliege.

3

Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006). Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 225). Es verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für G für den Zeitraum September 2005 bis April 2006 und für H für den Zeitraum September 2005 bis Juni 2006 zu zahlen, im Übrigen wies es die Klage ab.

4

Das FG beurteilte die Klage als unzulässig, soweit sie den Zeitraum ab Juli 2006 betraf, da die Familienkasse insoweit keine Verwaltungsentscheidung getroffen habe und auch kein Vorverfahren stattgefunden habe.

5

Nach Ansicht des FG war die Klage insoweit begründet, als der Kläger Kindergeld für G für den Zeitraum September 2005 bis April 2006 und für H für den Zeitraum September 2005 bis Juni 2006 begehrte. Der Kläger sei mit G und H durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden. Ein familienähnliches Band mit bereits volljährigen Kindern könne angenommen werden, wenn ein geistig oder seelisch behinderter Volljähriger in seinen Fähigkeiten derart eingeschränkt sei, dass er ohne Pflegekindschaftsverhältnis in einem Heim leben müsste. Dies sei bei G anzunehmen. Ab Mai 2006 scheide ein Pflegekindschaftsverhältnis zu G allerdings aus, weil zwischen ihr und dem Kläger seit dem 1. Mai 2006 eine Partnerschaft bestanden habe, die später in eine Ehe übergegangen sei. Zu H bestehe ebenfalls ein familienähnliches Band, da dieser aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten.

6

Zur Begründung der von ihm eingelegten Revision trägt der Kläger vor, die Klage sei insoweit zulässig, als er Kindergeld für den Zeitraum ab Juli 2006 begehre. Hierfür sprächen Gründe der Prozessökonomie. Kindergeld sei auch insoweit zu zahlen, als das FG einen Anspruch für G ab Mai 2006 verneint habe. Es entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers, bei einer partnerschaftlichen Beziehung stets ein Pflegekindschaftsverhältnis zu verneinen.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Abänderung des angefochtenen Urteils, des Ablehnungsbescheides vom 10. Januar 2006 sowie der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006 die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für G und H ab September 2005 bis Juni 2006 zu gewähren, sie außerdem zu verpflichten, über die Kindergeldanträge für die Monate Juli 2006 bis September 2009 für G und H unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden und die Revision der Familienkasse zurückzuweisen.

8

Die Familienkasse beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es den Anspruch auf Kindergeld für G für den Zeitraum September 2005 bis April 2006 und für H für den Zeitraum September 2005 bis Juni 2006 betrifft, und die Revision des Klägers zurückzuweisen.

9

Die Familienkasse trägt vor, zwischen dem Kläger sowie G und H bestehe kein familienähnliches Band. Ein solches wäre nur dann zu bejahen, wenn G und H in ihrer geistigen Entwicklung einem Kind gleichstünden. Dies sei bei beiden zu verneinen. G und H hätten rechtswirksam einen Mietvertrag über das Haus abgeschlossen, das sie später gemeinsam mit dem Kläger bewohnt hätten. Auch die Entwicklung der Beziehung zwischen G und dem Kläger spreche dafür, dass G nicht geistig und seelisch so eingeschränkt gewesen sei, dass sie einem Kind gleichgestanden habe. Auch zwischen dem Kläger und H bestehe kein familienähnliches Band. Mit einem Grad der Behinderung von 70 % sei er nicht derart eingeschränkt, dass er in seiner Entwicklung einem Kind gleichstehe.

Entscheidungsgründe

10

II. Auf die Revision der Familienkasse wird das angefochtene Urteil insoweit aufgehoben, als es den Anspruch auf Kindergeld für G für den Zeitraum September 2005 bis April 2006 und für H für den Zeitraum September 2005 bis Juni 2006 betrifft. Insoweit wird die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO).

11

1. Die Revision der Familienkasse hat Erfolg, da das FG zu Unrecht der Ansicht war, der Kläger habe G und H als Pflegekinder in seinen Haushalt aufgenommen.

12

a) Kindergeld wird nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch für Pflegekinder gewährt. Pflegekinder sind nach der gesetzlichen Definition des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht.

13

b) Das Gesetz verlangt die Aufnahme des Pflegekindes in den Haushalt des Steuerpflichtigen oder Kindergeldberechtigten. Dieser muss in einer eigenen Wohnung ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen und sich persönlich und finanziell an der Haushaltsführung beteiligen. Der Steuerpflichtige (Kindergeldberechtigte) muss Eigentum oder Besitz an der Wohnung haben (Dürr in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 32 Rz 31).

14

c) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Die Wohnung, in welcher der Kläger sowie G und H lebten, hatten letztere bereits durch den Vertrag vom 1. Juli 2004 angemietet. Erst später, nach der Vermutung des FG im September 2005, zog der Kläger in diese Wohnung ein. Der Kläger hat somit nicht G und H in seinen Haushalt aufgenommen, vielmehr nahmen G und H den Kläger in ihren Haushalt auf, den sie zuvor begründet hatten.

15

2. Die Revision des Klägers ist unbegründet.

16

a) Soweit der Kläger hinsichtlich eines Kindergeldanspruchs für G für die Monate Mai und Juni 2006 unterlegen ist, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass ihm insoweit kein Kindergeld für G zusteht. Auf die Frage, ob eine "partnerschaftliche" Beziehung einem Pflegekindschaftsverhältnis entgegensteht, kommt es somit nicht an.

17

b) Zutreffend hat das FG die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen, als sie die Zeit nach dem Monat der Einspruchsentscheidung (Juni 2006) betrifft. Insoweit ist der Kläger nicht klagebefugt i.S. von § 40 Abs. 2 FGO.

18

aa) Der angegriffene Ablehnungsbescheid vom 10. Januar 2006 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2006 enthalten keine das Kindergeld ab Juli 2006 ablehnende Regelung. Denn die Familienkasse kann im Falle eines zulässigen, in der Sache aber unbegründeten Einspruchs gegen einen Ablehnungs- oder Aufhebungsbescheid längstens eine Regelung des Kindergeldanspruchs bis zu dem Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung treffen (vgl. Senatsurteile vom 9. Juni 2011 III R 54/09, BFH/NV 2011, 1858; vom 4. August 2011 III R 71/10, BFHE 235, 203). Dieser zeitliche Regelungsumfang wird durch eine Klageerhebung nicht verändert. Insbesondere ist das gerichtliche Verfahren keine Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens. Im Hinblick auf die von der Verfassung vorgegebene Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes) ist es die Aufgabe der Gerichte, das bisher Geschehene bzw. das Unterlassen auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, nicht jedoch, grundsätzlich der Verwaltung zustehende Funktionen auszuüben.

19

bb) Etwas anderes lässt sich auch nicht aus Gründen der Prozessökonomie vertreten.

20

Die vom Bundessozialgericht (BSG) für das sozialgerichtliche Verfahren abweichend vertretene Auffassung, wonach bei einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungs- (§ 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes --SGG--) bzw. Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) gegen einen Verwaltungsakt, durch den die Gewährung laufender Zahlungen abgelehnt wird, auch über die nach der Widerspruchsentscheidung abgelaufenen Zeiträume zu entscheiden ist (vgl. BSG-Urteil vom 11. Dezember 2007 B 8/9b SO 12/06 R, SozR 4-3500 § 21 Nr. 1), ist auf das finanzgerichtliche Verfahren in Kindergeldsachen nicht übertragbar. Das BSG ging bei dieser Entscheidung davon aus, dass der im sozialgerichtlichen Verfahren angegriffene Bescheid die Leistung ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt hat. Demgegenüber trifft ein Aufhebungs- oder Ablehnungsbescheid im Kindergeldrecht --auch wenn er keine ausdrückliche zeitliche Begrenzung enthält-- längstens eine Regelung des Kindergeldanspruchs bis zum Monat der Bekanntgabe der letzten Verwaltungsentscheidung.

21

Im finanzgerichtlichen Verfahren kann der Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand einer Inhaltskontrolle gemacht werden, in dem die Familienkasse den Kindergeldanspruch geregelt hat. Gründe der Prozessökonomie oder der sozialen Fürsorge (s. BSG-Urteil vom 28. April 1960  8 RV 1341/58, BSGE 12, 127) rechtfertigen es nicht, eine Klage ohne das Vorliegen zwingender Sachurteilsvoraussetzungen als zulässig anzusehen (s. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Januar 1986  5 C 36/84, Bayerische Verwaltungsblätter --BayVBl-- 1986, 406; vom 30. April 1992  5 C 1/88, BayVBl 1992, 760).

22

cc) Soweit die Senatsentscheidungen vom 2. Juni 2005 III R 66/04 (BFHE 210, 265, BStBl II 2006, 184) sowie vom 30. Juni 2005 III R 80/03 (BFH/NV 2006, 262) dahingehend verstanden werden könnten, dass die Finanzgerichte bei Klagen gegen Kindergeld-Ablehnungsbescheide die Anspruchsberechtigung bis zum Monat der finanzgerichtlichen Entscheidung zu prüfen haben, hält der Senat aufgrund der vorstehenden Erwägungen hieran nicht mehr fest.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 6. April 2017  1 K 276/15 aufgehoben.

Die Sache wird an das Thüringer Finanzgericht zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist der Vater eines im Oktober 1991 geborenen Sohnes (S). S schloss im März 2010 einen Vertrag über die Ausbildung zum ... ab. Die Ausbildung begann im August 2010 und sollte bis Februar 2014 dauern.
In einem gegen S eingeleiteten Strafverfahren wurde diesem vorgeworfen, sich neben weiteren Angeklagten zu einem Raub mit schwerer Körperverletzung verabredet zu haben. S wurde deshalb von Oktober 2012 bis November 2013 in Untersuchungshaft genommen. Die Untersuchungshaft fand in einer Justizvollzugsanstalt statt, die für eine Strafhaft von männlichen Personen ab 21 Jahren ausgerichtet ist und in der --unabhängig von der Inhaftierung als Untersuchungsgefangener-- keine Möglichkeit bestand, eine Ausbildung durchzuführen.

2

Mit Schreiben vom ... November 2012 kündigte der Ausbildungsbetrieb das Ausbildungsverhältnis unter Hinweis darauf, dass S seit ... Oktober 2012 unentschuldigt im Ausbildungsbetrieb und in der Berufsschule gefehlt habe.

3

In der im Dezember 2014 über die Anklage geführten Hauptverhandlung wurde S freigesprochen. Der Freispruch des S wurde im Jahr 2016 durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs bestätigt.

4

Mit Bescheid vom 3. September 2014 hob die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) die gegenüber dem Kläger für S erfolgte Kindergeldfestsetzung ab November 2012 auf und forderte das für den Zeitraum November 2012 bis Januar 2014 bereits ausbezahlte Kindergeld in Höhe von 2.760 € vom Kläger zurück. Den dagegen gerichteten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 10. April 2015 als unbegründet zurück.

5

Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage für den Zeitraum November 2012 bis November 2013 statt. Im Übrigen wies es die Klage als unbegründet zurück.

6

Mit der dagegen gerichteten Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts.

7

Die Familienkasse beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das FG den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 3. September 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. April 2015 für den Zeitraum November 2012 bis November 2013 aufgehoben hat, und die Klage auch insoweit abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit darin der Klage für den Zeitraum November 2012 bis November 2013 stattgegeben wurde, und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Unrecht entschieden, dass dem Kläger für den Zeitraum, in dem sich S in Untersuchungshaft befand, weiterhin Kindergeld für S zustand.

10

1. Dem Kläger stand kein Kindergeldanspruch wegen einer Berufsausbildung des S zu.

11

a) Nach §§ 62 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, kindergeldrechtlich berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Für die Frage, ob das Kind für einen Beruf "ausgebildet wird", kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht auf das formale Weiterbestehen eines Ausbildungsverhältnisses an, sondern darauf, dass auf die Ausbildung gerichtete Maßnahmen tatsächlich durchgeführt werden (Senatsurteile vom 20. Juli 2006 III R 69/04, BFH/NV 2006, 2067, Rz 13, m.w.N.; vom 24. September 2009 III R 79/06, BFH/NV 2010, 614, Rz 14, und vom 5. Juli 2012 III R 80/09, BFHE 238, 76, BStBl II 2012, 816, Rz 14; BFH-Urteil vom 23. Januar 2013 XI R 50/10, BFHE 240, 300, BStBl II 2013, 916, Rz 13).

12

b) Im Streitfall ist daher entgegen der Ansicht des Klägers nicht darauf abzustellen, ob das Ausbildungsverhältnis während der Inhaftierung des S vom Ausbildungsbetrieb wirksam gekündigt wurde. Denn auch im Falle des Fortbestehens des Ausbildungsverhältnisses trat durch die Untersuchungshaft eine Unterbrechung der Ausbildung ein. S führte während der Untersuchungshaft jedenfalls weder im Rahmen seines bei dem Ausbildungsbetrieb begonnenen Ausbildungsverhältnisses weitere auf die Ausbildung gerichtete Maßnahmen (innerbetriebliche Ausbildung, Berufsschulbesuche) durch noch fand in der Haftanstalt eine andere Berufsausbildung statt.

13

aa) Bei einer Unterbrechung der Ausbildung durch eine Untersuchungshaft des Kindes hat der Senat im Urteil in BFH/NV 2006, 2067 einen Kindergeldanspruch nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ausnahmsweise trotz Fehlens von Ausbildungsmaßnahmen anerkannt. Entgegen der Auffassung des FG genügt es aber insoweit nicht, dass das Kind später freigesprochen wird und deshalb die Unterbrechung seiner Ausbildung nicht zu vertreten hat. Voraussetzung ist vielmehr auch, dass es sich um eine nur vorübergehende Unterbrechung der Ausbildung handelt (Senatsurteil in BFH/NV 2006, 2067, Rz 15).

14

bb) An letzterer Voraussetzung fehlt es im Streitfall, da S nach den Feststellungen des FG auch nach der im November 2013 beendeten Untersuchungshaft seine Ausbildung in dem Betrieb nicht fortgesetzt und keine auf eine Ausbildung gerichteten Maßnahmen mehr durchgeführt hat.

15

2. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen nicht aus, um einen Kindergeldanspruch des Klägers unter dem Gesichtspunkt zu bejahen, dass S eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen konnte.

16

a) Nach §§ 62 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, kindergeldrechtlich berücksichtigt, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist zwar grundsätzlich jeder Ausbildungswunsch des Kindes zu berücksichtigen; seine Verwirklichung darf jedoch nicht an den persönlichen Verhältnissen des Kindes scheitern (BFH-Urteil vom 15. Juli 2003 VIII R 71/99, BFH/NV 2004, 473, Rz 13, m.w.N.). Zudem muss das Kind die Ausbildungsstelle im Falle des Erfolgs seiner Bemühungen auch antreten können (BFH-Urteil vom 15. Juli 2003 VIII R 79/99, BFHE 203, 94, BStBl II 2003, 843, Rz 13; Senatsurteil vom 27. September 2012 III R 70/11, BFHE 239, 116, BStBl II 2013, 544, Rz 26).

17

Nach ständiger Rechtsprechung erfordert dieser Berücksichtigungstatbestand, dass sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (Senatsurteile vom 19. Juni 2008 III R 66/05, BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, Rz 12, und vom 22. September 2011 III R 30/08, BFHE 235, 327, BStBl II 2012, 411, Rz 9; BFH-Urteile vom 26. August 2014 XI R 14/12, BFH/NV 2015, 322, Rz 21, und vom 18. Juni 2015 VI R 10/14, BFHE 250, 145, BStBl II 2015, 940, Rz 24). Dabei ist das Bemühen um einen Ausbildungsplatz glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, es habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der Agentur für Arbeit als ausbildungssuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegenzuwirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben (Senatsurteile in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, Rz 13 f., und in BFHE 235, 327, BStBl II 2012, 411, Rz 10 f.).

18

b) Nachdem das FG im Streitfall einen Kindergeldanspruch bereits nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG bejaht hatte, traf es --aus seiner Sicht zu Recht-- keine Feststellungen zu der weiteren Frage, ob S sich während seiner Haft ernsthaft und in belegbarer Weise um eine Ausbildungsstelle bemüht hatte.

19

3. Die Streitsache wird zur Nachholung entsprechender Feststellungen an das FG zurückverwiesen. Der Senat weist ferner darauf hin, dass das Bestehen einer typischen Unterhaltssituation nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung nicht mehr als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der einzelnen Berücksichtigungstatbestände gefordert wird (z.B. Senatsurteile vom 17. Juni 2010 III R 34/09, BFHE 230, 61, BStBl II 2010, 982, Rz 13, und vom 8. September 2016 III R 27/15, BFHE 255, 202, BStBl II 2017, 278, Rz 28).

20

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 14. Dezember 2015  7 K 18/15 und die Einspruchsentscheidung der Beklagten vom 2. Dezember 2014 sowie der Aufhebungsbescheid vom 11. September 2014 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist der Kindergeldanspruch für die Monate Oktober 2014 bis Dezember 2014.

2

Nach dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife nahm P, der im September 1996 geborene Sohn der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), vom September 2014 bis zum Februar 2015 an einem internationalen missionarischen Trainingsprogramm ("missionary training program") teil. Veranstalter war die Organisation "Youth with a mission – YWAM", deren Abteilung YWAM Ships ihren Sitz in den USA hat. Der deutschsprachige Zweig von YWAM heißt "Jugend mit einer Mission – JMEM" und versteht sich als internationale Bewegung junger Christen. Ausweislich der Teilnahmebestätigungen der Organisation vom Juli 2014 und vom Dezember 2014 absolvierte P das Programm "Discipleship Training School", zu Deutsch Jüngerschaftsschule. Auf der Homepage des deutschen Ablegers der Organisation wird das Programm wie folgt beschrieben:

3

"Die Jüngerschaftsschule (die als 5- oder 6-monatiger Studienkurs bei JMEM angeboten wird) ist ein an der University of the Nations (U of N) registrierter Studienkurs der nach erfolgreichem Abschluss den Teilnehmern folgende Möglichkeiten eröffnet:

•    

Mitarbeit bei Jugend mit einer Mission, mit Diensten in Entwicklungshilfe, Bildung und Erziehung, Kinder-, Jugend- und Familienarbeit u.a.

•    

Studium an der U of N, unserer internationalen Universität, verteilt auf allen 6 bewohnten Kontinenten der Erde. Abschlüsse an der U of N sind international anerkannt. Möglich sind A.A. (Associate of Arts) und A.S. (Associate of Science), B.A. (Bachelor of Art) oder B.S. (Bachelor of Science) und verschiedene Masters Programme.

...     

Einem 3-monatigen Schulungsblock in Deutschland folgt ein 2-3-monatiger Aufenthalt in einem anderen Land. Dort werden die Teilnehmer Gelerntes in die Praxis umsetzen lernen und in Projekten vor Ort mitarbeiten, die u.a. folgende Inhalte haben: Kinder- und Jugendarbeit, Familiendienste, Entwicklungshilfe, Gemeindebau und Evangelisation, karitative Dienste & Völkerverständigung."

4

Nach dem Stundenplan des für P geltenden Studienkurses wurden vormittags jeweils "Lectures" abgehalten und nachmittags "Work Duties" (insgesamt 50 Stunden einschließlich Arbeitseinsätzen, Leseaufgaben und Lernkontrollen). Für die Teilnahme an diesem Schulungsblock erhielt P 24 Credits und damit die Zugangsvoraussetzung für Bachelor of Arts Studiengänge der University of Nations und einer Mitarbeit bei JMEM.

5

Nach der Rückkehr aus den USA plante P im Wintersemester 2015 ein Studium der Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School (BLS) in Hamburg aufzunehmen. Zur Vorbereitung hierauf absolvierte er von März bis Mai 2015 ein Praktikum in einer Rechtsanwaltskanzlei. Gleichzeitig bewarb er sich bei der Hochschule in Hamburg und erhielt für das Wintersemester 2015/2016 einen Studienplatz. Sein Berufswunsch nach dem Studium ist, als Jurist in einem gemeinnützigen Bereich tätig zu sein.

6

Mit Bescheid vom 11. September 2014 hob die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) die Festsetzung des Kindergeldes für P ab dem Monat Oktober 2014 gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf. P könne nicht mehr berücksichtigt werden, weil er die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG nicht erfülle. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.

7

Im Klageverfahren brachte die Klägerin vor, die JMEM sei ein internationales Missionswerk, Mitglied in den Dachverbänden "netzwerk-m" und der Arbeitsgemeinschaft Pfingstlich-Charismatischer Missionen (APCM). Die Jüngerschaftsschule sei Teil des Studienprogramms Bachelor of Arts und damit unmittelbar berufsqualifizierend. Der Abschluss dort sei außerdem Voraussetzung für ein Studium an der University of Nations. Es sei auch strukturiert Wissen mit einem wöchentlichen Unterrichtsprogramm von 50 Stunden (einschließlich Arbeitseinsätzen, Leseaufgaben und Lernkontrollen) vermittelt worden. Im Rahmen dieser Jüngerschaftsschule sollte u.a. der christliche Glauben fundiert, biblisches Wissen vertieft, der Charakter gestärkt und die eigene Persönlichkeit und Begabungen ausgebildet werden. Zu diesem Zweck habe das Studienprogramm allgemeinbildende und zahlreiche theologische Einheiten beinhaltet. Schließlich habe der Aufenthalt des Sohnes auch der Verbesserung seiner englischen Sprachkenntnisse gedient, da der gesamte Unterricht auf Englisch stattgefunden habe. Für den Zugang zur BLS in Hamburg sei ein Sprachtest erforderlich, den P erfolgreich durchgeführt habe.

8

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, für die Annahme einer Berufsausbildung fehle es an einem hinreichenden Zusammenhang mit einem konkret angestrebten Beruf. Vielmehr hätten die Vertiefung des Fundaments des christlichen Glaubens, die Vermittlung biblischen Wissens, die Stärkung des Charakters und der Persönlichkeit der Teilnehmer und das Ausloten ihrer Begabungen im Vordergrund gestanden. Das Programm der Jüngerschaftsschule habe in keiner Weise dem geplanten rechtswissenschaftlichen Studium gedient.

9

Der Ausbildungscharakter des Auslandsaufenthalts sei auch nicht aufgrund der dabei erreichten Verbesserung der englischen Sprachkenntnisse zu bejahen. Das Kursprogramm habe keinen theoretisch-systematischen Sprachunterricht umfasst, der mit Rücksicht auf seinen Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigen würde (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469; vom 7. April 2011 III R 11/09, BFH/NV 2011, 1325; BFH-Beschluss vom 14. September 2009 III B 119/08, BFH/NV 2010, 34).

10

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

11

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Aufhebungsbescheid der Familienkasse in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2014 aufzuheben.

12

Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Denn die Vorentscheidung verletzt § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. P befand sich entgegen der Auffassung des FG im Streitzeitraum in Berufsausbildung und war daher als Kind der Klägerin nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigen.

14

1. Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG --unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen-- Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.

15

a) In Berufsausbildung befindet sich, wer "sein Berufsziel" noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 29, m.w.N.). Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des "angestrebten" Berufs geeignet sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 2. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298, Rz 9, m.w.N.), und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sind (BFH-Urteile vom 18. März 2009 III R 26/06, BFHE 225, 331, BStBl II 2010, 296; vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701; vom 10. Mai 2012 VI R 72/11, BFHE 237, 499, BStBl II 2012, 895, Rz 12).

16

b) Zur Berufsausbildung gehört grundsätzlich auch der Erwerb von Sprachfertigkeiten (BFH-Urteil in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701, Rz 21). Dem Tatbestandsmerkmal "für einen Beruf ausgebildet wird" i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist allerdings zu entnehmen, dass das Gesetz nicht jeden Auslandsaufenthalt als Berufsausbildung anerkennt, auch wenn sich dadurch die Kenntnisse der jeweiligen Landessprache verbessern. Sprachaufenthalte im Ausland können vielmehr nur dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Erwerb der Fremdsprachenkenntnisse einen konkreten Bezug zu dem angestrebten Beruf aufweist und dieser nicht dem ausbildungswilligen Kind allein überlassen bleibt, sondern Ausbildungsinhalt und Ausbildungsziel vorgegeben werden.

17

In Abgrenzung von längeren Urlauben und sonstigen Auslandsaufenthalten, etwa zur Persönlichkeitsbildung --z.B. zur Verbesserung der Selbstständigkeit oder um andere Länder und Kulturen kennenzulernen--, werden Sprachaufenthalte beispielsweise im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses nach ständiger Rechtsprechung nur dann als Berufsausbildung angesehen, wenn sie von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der nach seinem Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigt und grundsätzlich mindestens zehn Wochenstunden umfassen muss (BFH-Urteil in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701). Ein Unterschreiten dieser Grenze kann unschädlich sein, wenn mit dem Auslandsaufenthalt ein gutes Ergebnis in einem für die Zulassung zum Studium oder zu einer anderweitigen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest (z.B. TOEFL oder IELTS) angestrebt wird (BFH-Urteile vom 26. Oktober 2012 VI R 102/10, BFH/NV 2013, 366, Rz 16, und vom 15. März 2012 III R 58/08, BFHE 237, 64, BStBl II 2012, 743, Rz 13; vom 15. März 2012 III R 82/10, BFH/NV 2012, 1588, Rz 13). Zudem kann die fehlende Teilnahme an einem zehnstündigen theoretisch-systematischen Sprachunterricht mit zusätzlichen fremdsprachenfördernden Aktivitäten (z.B. die Teilnahme an Vorlesungen) kompensiert werden (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 143/98, BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710, unter 2.b; Senatsbeschluss vom 14. Juni 2016 III B 132/15, BFH/NV 2016, 1449, Rz 13).

18

Feste Vorgaben lassen sich für die Auslegung der Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht aufstellen; vielmehr sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls abzuwägen und in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen.

19

2. Nach den vorgenannten Grundsätzen stellte die Teilnahme an dem Studienprogramm der Jüngerschaftsschule im englischsprachigen Ausland, die mit einer Verbesserung der Sprachkenntnisse verbunden war, im Streitzeitraum für P eine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dar.

20

a) Bei der Prüfung, ob eine Berufsausbildung vorliegt, sind die konkreten beruflichen Pläne des Kindes zu beachten. Nach den insoweit bindenden Feststellungen des FG beabsichtigte P, nach seinem Auslandsaufenthalt an der BLS zu studieren. Dementsprechend bewarb P sich nach seiner Rückkehr an der BLS. Für die Aufnahme an dieser Universität war die erfolgreiche Teilnahme an einem englischen Sprachtest erforderlich. Angesichts dessen bestand objektiv ein konkreter Bezug zwischen der Verbesserung der Sprachkenntnisse durch einen Auslandsaufenthalt und dem angestrebten Beruf. Bezweckt der Auslandsaufenthalt --wie hier-- auch, ein gutes Ergebnis in einem für die Zulassung zum Studium erforderlichen Fremdsprachentest zu erlangen, so kann ein Auslandsaufenthalt schon dann als Berufsausbildung zu qualifizieren sein, selbst wenn ein theoretisch-systematischer Sprachunterricht von zehn Wochenstunden nicht erreicht wird. Diesen Umstand hat das FG nicht berücksichtigt.

21

b) Der Erwerb der für den angestrebten Beruf erforderlichen erweiterten Fremdsprachenkenntnisse war auch nicht allein dem ausbildungswilligen P überlassen.

22

An jedem werktäglichen Vormittag erfolgte eine theoretische Wissensvermittlung (Lectures) in englischer Sprache, die zusammen mit den praktischen Arbeiten (work duties) einschließlich der Lernkontrollen einen von der Schule vorgegebenen Zeitaufwand umfasste. Insoweit unterscheidet sich das Lernprogramm der Jüngerschaftsschule von einem Au-pair-Aufenthalt oder einem Freiwilligendienst im Ausland, der regelmäßig nicht von einer fortlaufenden theoretischen systematischen Wissensvermittlung in der Landessprache begleitet wird. Das Erfordernis eines theoretisch-systematischen Sprachunterrichts ist auch nicht dahin zu verstehen, dass ein spezieller Sprachkurs für Ausländer absolviert werden müsste. Ausreichend ist vielmehr ein allgemeinbildender fortlaufender theoretisch-systematischer Unterricht in englischer Sprache (vgl. Selder, juris PraxisReport Steuerrecht 31/2012 Anm. 3). Im vorliegenden Fall lassen jedenfalls der sachliche und zeitliche Umfang des in englischer Sprache durchgeführten strukturierten Unterrichts und die Lernkontrollen den Schluss auf eine hinreichende qualitative Erweiterung der Fremdsprachenkenntnisse zu.

23

c) Soweit das FG zur Begründung seiner Ansicht, das Kursprogramm habe keinen theoretisch-systematischen Sprachunterricht umfasst, der mit Rücksicht auf seinen Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche Sprachausbildung rechtfertigen würde, auf die Entscheidungen des BFH in BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469 und in BFH/NV 2010, 34 hinweist, lagen diesen Entscheidungen keine vergleichbaren Fallkonstellationen zugrunde. In dem Verfahren in BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 489 ging es um ein Au-pair-Verhältnis. Darüber hinaus war kein konkreter Bezug zwischen der Erweiterung der Sprachkenntnisse und einer sich anschließenden Berufsausbildung oder Berufstätigkeit erkennbar. In der Entscheidung in BFH/NV 2010, 34 ging es um ein Kind, welches an einem Programm "Work & Travel Australien" teilnahm. Anders als im Streitfall hat sich das Kind während des Auslandsaufenthalts auch keinen planmäßigen Bildungsmaßnahmen unterzogen, die sich anhand objektiv nachvollziehbarer Kriterien von einem gewöhnlichen Aufenthalt abgrenzen ließen.

24

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Anerkannte Kriegsdienstverweigerer werden nicht zum Zivildienst herangezogen, wenn sie

1.
sich gegenüber einem nach Absatz 3 anerkannten Träger zur Leistung eines vor Vollendung des 23. Lebensjahres anzutretenden Dienstes im Ausland, der das friedliche Zusammenleben der Völker fördern will und der mindestens zwei Monate länger dauert als der Zivildienst, den sie sonst zu leisten hätten, vertraglich verpflichtet haben und
2.
diesen Dienst unentgeltlich leisten.
Die Träger sind verpflichtet, dem Bundesamt das Vorliegen sowie den Wegfall der Voraussetzungen für die Nichtheranziehung von anerkannten Kriegsdienstverweigerern zum Zivildienst anzuzeigen.

(2) Weisen anerkannte Kriegsdienstverweigerer bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres nach, dass sie Dienst von der in Absatz 1 Nr. 1 genannten Mindestdauer geleistet haben, so erlischt ihre Pflicht, Zivildienst zu leisten; das gilt nicht für den Zivildienst im Verteidigungsfall. Wird der Dienst vorzeitig beendet, so ist die in dem Dienst zurückgelegte Zeit, soweit sie zwei Monate übersteigt, auf den Zivildienst anzurechnen.

(3) Als Träger eines Dienstes nach Absatz 1 können juristische Personen anerkannt werden, die

1.
ausschließlich, unmittelbar und selbstlos steuerbegünstigten Zwecken im Sinne der §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung dienen,
2.
Gewähr dafür bieten, dass ihre Vorhaben den Interessen der Bundesrepublik Deutschland dienen und
3.
ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Über die Anerkennung eines Trägers entscheidet auf dessen Antrag das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt. Es kann die Anerkennung auf bestimmte Vorhaben des Trägers beschränken. § 4 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 gelten entsprechend.

(1) Frauen und Männer können sich verpflichten, freiwilligen Wehrdienst als besonderes staatsbürgerliches Engagement zu leisten. Der freiwillige Wehrdienst als besonderes staatsbürgerliches Engagement besteht aus einer sechsmonatigen Probezeit und bis zu 17 Monaten anschließendem Wehrdienst.

(2) Die §§ 37 und 38 gelten entsprechend.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.