Finanzgericht München Gerichtsbescheid, 20. Dez. 2017 - 2 K 1368/17

bei uns veröffentlicht am20.12.2017

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Der Beklagte wird verpflichtet, für die mit Bescheiden vom 22. Dezember 2016 jeweils berechneten Umsatzsteuererstattungen Zinsen für 2010 i.H.v. 9.394 €, für 2011 i.H.v. 50.600 €, für 2012 i.H.v. 43.896 €, für 2013 i.H.v. 21.295 € und für 2014 i.H.v. 328 € festzusetzen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Streitig ist, ob einem Bauträger für zunächst zu Unrecht festgesetzte und gezahlte Umsatzsteuer Erstattungszinsen zustehen.

Der Kläger ist Organträger einer GmbH, die in den Jahren 2010 bis 2014 von im Inland ansässigen Unternehmen Bauleistungen u.a. für die Errichtung von Gebäuden auf eigenen Grundstücken bezog.

Der Kläger unterwarf die von ihm bezogenen Bauleistungen gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren gültigen Fassung (UStG) der Umsatzsteuer und zahlte die errechneten Steuerbeträge.

Er folgte dabei der damaligen Verwaltungsauffassung (Abschn. 182a Abs. 11 UStR 2008 bzw. Abschn. 13b.1 Abs. 11 UStAE 2010), nach der Unternehmer, die eigene Grundstücke zum Zweck des Verkaufs bebauen (z.B. Bauträger), nur dann nicht nach § 13b UStG als Steuerschuldner für die von anderen Unternehmern an sie erbrachten Bauleistungen anzusehen waren, wenn sie ausschließlich Grundstücksgeschäfte tätigten, bei denen es sich nicht um Werklieferungen handelte (vgl. für die Streitjahre: Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen -BMFvom 16. Oktober 2009, unter Ziff. 7). Hierzu zählte der Kläger nicht.

Im Anschluss an das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 V R 37/10 (BStBl II 2014, 128), nach dem § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG (bis zum 30. Juni 2010: § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG) einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass es für die Verlagerung der Steuerschuld darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet, berichtigte der Kläger seine Umsatzsteuererklärungen. Danach ergaben sich Umsatzsteuererstattungen aufgrund des Wegfalls der Steuerschuldnerschaft des Klägers nach § 13b UStG, die der Kläger mit Schreiben vom 1. April 2014 beantragte.

Gemäß geänderter Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre vom 22. Dezember 2016, die Gegenstand eines laufenden Rechtsbehelfsverfahren sind, ergaben sich Umsatzsteuererstattungsbeträge für 2010 i.H.v. 33.550,54 €, für 2011 i.H.v. 230.024,56 €, für 2012 i.H.v. 274.367,37 Euro, für 2013 i.H.v. 212.973,10 € und für 2014 i.H.v. 8.225,43 €. Eine Festsetzung von Erstattungszinsen unterblieb.

Nachdem einige der Bauleistenden berichtigte Rechnungen erstellt hatten und ihre Forderungen hieraus an den Beklagten (das Finanzamt - FA -) abgetreten hatten, erklärte das FA gegenüber dem Kläger und dessen Erstattungsansprüchen mit Bescheiden gleichfalls vom 22. Dezember 2016 teilweise die Aufrechnung (vgl. Bl. 105 ff FG-Akte, sowie Anlage zu den Umsatzsteuerbescheiden vom 22. Dezember 2016, Bl. 19 f Rechtsbehelfsakte).

Die vom Kläger beantragte Festsetzung von Erstattungszinsen wurde vom FA mit Bescheid vom 19. Januar 2017 mit der Begründung abgelehnt, dass die vom Bauträger und Bauleistenden übereinstimmend angenommene Steuerschuld des Bauträgers aufgrund Treu und Glauben erst in dem Zeitpunkt entfalle, in dem der Bauträger den Steuerbetrag an den Leistenden bezahle. Insofern sei für die Berechnung des Zinslaufs etwaiger Erstattungszinsen auf den Zeitpunkt der Zahlung bzw. der Aufrechnung durch das FA abzustellen. Im vorliegenden Fall komme deswegen eine Verzinsung des Erstattungsanspruchs für die Vergangenheit nicht in Betracht.

Die dagegen eingelegten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2017 als unbegründet zurück.

Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung der Streitjahre nicht auf einem rückwirkenden Ereignis beruhe, denn die hier vorliegende Änderung der Rechtsprechung bzw. geänderte steuerrechtliche Würdigung eines unverändert gebliebenen Sachverhalts stelle kein Ereignis in diesem Sinne dar. Der BFH habe mit seinem Urteil vom 22. August 2013 eine geänderte Auslegung des § 13b UStG vertreten. Auch der daraufhin vom Kläger gestellte Änderungsantrag habe nicht den bestehenden Lebenssachverhalt geändert, sondern allein die Besteuerung des bestehenden Lebenssachverhalts nach der geänderten Rechtsauffassung gefordert.

Auch der Grundsatz von Treu und Glauben ändere daran nichts. Dieser könne weder die Steuerschuldnerschaft des Klägers begründen, noch sei sein Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung treuwidrig, da eine Änderungsbefugnis aufgrund des bestehenden Vorbehalts der Nachprüfung bestanden habe und deren rechtliche Auswirkung (geänderte Steuerfestsetzung und als deren Annex die Festsetzung von Erstattungszinsen) nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen könnten.

Zudem gelte der Grundsatz von Treu und Glauben nicht Steuerschuldverhältnis übergreifend. Das zeitliche Auseinanderfallen der Steuererstattung an den Kläger und der Nachentrichtung der Umsatzsteuer vom Kläger an den leistenden Unternehmer sei insofern unerheblich.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das FA zu verpflichten, für die mit Bescheiden vom 22. Dezember 2016 berechneten Umsatzsteuererstattungen Zinsen für 2010 i.H.v. 9.394 €, für 2011 i.H.v. 50.600 €, für 2012 i.H.v. 43.896 €, für 2013 i.H.v. 21.295 € und für 2014 i.H.v. 328 € festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA trägt im Wesentlichen vor, dass die Steuerfestsetzungen vom 22. Dezember 2016 auf einem rückwirkenden Ereignis beruhten. Die Umsatzsteuerfestsetzung beim Bauträger sei nicht isoliert zu dessen Gunsten zu ändern, wenn nicht andererseits auch die Festsetzung beim Leistenden zu dessen Nachteil geändert werde, weil sich andernfalls möglicherweise ein nicht gerechtfertigter Ausfall zulasten des Staates ergäbe. Insofern läge ein untrennbares Zusammenwirken beider Festsetzungen vor.

Das rückwirkende Ereignis ergebe sich vorliegend daraus, dass sich die bisherige übereinstimmende rechtliche Behandlung der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers im Nachhinein für die Vergangenheit geändert habe. Bis zum Zeitpunkt der Aufrechnung seitens des FA habe der Durchsetzbarkeit des klägerischen Erstattungsanspruchs der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengestanden. Denn bei nicht mehr gegebener Steuerschuldnerschaft des Bauträgers sei es selbstverständlich, dass dieser die Umsatzsteuer gegenüber dem Leistenden zusätzlich schulde. Insofern stelle die Rückforderung der Umsatzsteuer vom FA ohne gleichzeitige Zahlung der Umsatzsteuer an den Leistenden ein widersprüchliches Verhalten dar, das erst durch die Aufrechnung beseitigt werde. Erst die Aufrechnung stelle den Eintritt der aufschiebenden Bedingung (Wegfall des widersprüchlichen Verhaltens) für die rückwirkende Entstehung des Erstattungsanspruchs dar.

Insofern sei das FA an eine Weisung des bayerischen Landesamts für Steuern gebunden.

Das rückwirkende Ereignis in Form der Aufrechnung sei am 22. Oktober 2016 eingetreten, weshalb der Zinslauf erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres 2016, also erst nach dem 31. März 2018 beginne. Zinsen seien somit nicht festzusetzen gewesen.

Eine sofortige Steuererstattung an den Leistungsempfänger und eine zeitlich spätere Nachforderung beim Leistenden bedeute ein erhebliches Steuerausfallrisiko. Dem stünde der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Außerdem habe sonst der Kläger einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil durch Erstattungszinsen, ohne wirtschaftlich tatsächlich belastet gewesen zu sein, weil er nämlich die Umsatzsteuer in selber Höhe an den Leistenden zu entrichten gehabt hätte.

Die Verzinsung nach § 233a der Abgabenordnung (AO) solle Liquiditätsvorteile bzw. – nachteile ausgleichen. Einen Nachteil in diesem Sinne habe der Kläger jedoch nicht erlitten.

II.

Die Klage ist begründet.

1. Die gegenüber dem Kläger festgesetzten Umsatzsteuererstattungen sind jeweils 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist, bis zum 27. Dezember 2016 zu verzinsen.

a) Nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO sind Zinsen auf Steuern zu leisten, wenn die Festsetzung der Steuer zu einer Steuernachzahlung oder -erstattung führt.

Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag, § 233a Abs. 3 Satz 1 AO). Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung (§ 233a Abs. 3 Satz 3 AO).

Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO). Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird (§ 233a Abs. 2 Satz 3 AO).

Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO). Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz (§ 238 Abs. 1 Satz 2 AO). Für ihre Berechnung wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch fünfzig teilbaren Betrag abgerundet (§ 238 Abs. 2 AO).

b) Im vorliegenden Fall haben sich aufgrund der Umsatzsteuerfestsetzungen vom 22. Dezember 2016 für die Streitjahre Steuererstattungsbeträge ergeben, die zu verzinsen waren.

Die in den jeweiligen Jahressteuererklärungen der Streitjahre erklärten Umsatzsteuern wurden laut Auskunft des FA jeweils fristgerecht gezahlt, so dass der Zinslauf jeweils am 1. April des übernächsten Jahres nach dem Kalenderjahr, in dem die Steuer entstanden ist, begann. Er endete mit Bekanntgabe der Umsatzsteuerbescheide vom 22. Dezember 2016 (§§ 124, 122 Abs. 2 AO) am 27. Dezember 2016. An diesem Tag wurde die entsprechende Schuld des FA, gegenüber der z.T. aufgerechnet wurde, auch fällig, so dass es auf den gemäß § 238 Abs. 1 AO bestimmten Zahlungszeitpunkt für den Zinslauf nicht ankommt.

Die sich nach § 233a Abs. 2 AO ergebenden Zinsbeträge für die Streitjahre sind zutreffend berechnet und zwischen den Beteiligten unstreitig.

2. Der Zinslauf begann nicht abweichend davon erst nach dem 31. März 2018, da kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 233a Abs. 2a AO vorliegt.

a) Gemäß § 233a Abs. 2a AO beginnt der Zinslauf, soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO) beruht, abweichend von § 233a Abs. 2 Satz 1 und 2 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist.

Ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegt nur vor, wenn der nach dem Steuertatbestand rechtserhebliche Sachverhalt sich später anders gestaltet und sich steuerlich in der Weise in die Vergangenheit auswirkt, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.b; BFH-Urteil vom 26. Juli 2012 III R 72/10, BStBl II 2013, 670). Dagegen genügt eine andere rechtliche Beurteilung des unverändert bleibenden Sachverhalts insoweit nicht.

Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, also bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen, ist den Normen des materiellen Steuerrechts zu entnehmen (BFH-Urteil vom 19. Januar 2017 III R 28/14, BStBl II 2017, 743, m.w.N.).

Auch der Erlass oder die Änderung eines Verwaltungsakts können im Einzelfall ein Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellen. Dabei muss sich aufgrund des (geänderten) Bescheids ein neuer Sachverhalt materiell derart auswirken, dass für die Steuerfestsetzung in einem anderen Bescheid neue Rechtsfolgen eintreten (BFH-Urteil vom 12. Juli 2017 II R 45/15, BFH/NV 2017, 1361).

b) Im Streitfall beruhen die geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen, aus denen der zu verzinsende Erstattungsanspruch resultiert, nicht auf einem rückwirkenden Ereignis im Sinne des § 233a Abs. 2a AO, das den Beginn des Zinslaufs bestimmt.

aa) Die geänderte Steuerfestsetzung, aus der der zu verzinsende Steuererstattungsanspruch resultiert, ergibt sich allein daraus, dass der Kläger die ursprünglich angemeldete und entsprechend festgesetzte Umsatzsteuer hinsichtlich der bezogenen Bauleistungen nicht nach § 13b UStG schuldet.

Unerheblich für den Steuererstattungsanspruch war, ob der Kläger die Umsatzsteuer an die Bauleistenden nachträglich bezahlt hat oder ob das FA mit abgetretenen (zivilrechtlichen) Forderungen der Bauleistenden gegenüber dem Erstattungsanspruch des Klägers aufrechnen konnte (FG München, Urteil vom 10. Oktober 2017 14 K 344/16, EFG 2017, 1842; FG Düsseldorf, Urteil vom 28. April 2017 1 K 2634/15 U, EFG 2017, 1217; FG Münster, Urteil vom 31. Januar 2017 15 K 3998/15 U, EFG 2017, 527; a.A. BMF-Schreiben vom 26. Juli 2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a).

In Übereinstimmung damit hat das FA im Übrigen die geänderte Umsatzsteuer auch insofern festgesetzt, als keine Aufrechnung mit Gegenforderungen erfolgt ist (vgl. Anlage zu den Umsatzsteuerbescheiden vom 22. Dezember 2016, Bl. 19 f Rechtsbehelfsakte).

bb) Auch der Erstattungsantrag des Klägers vom 1. April 2014 bzw. eine geänderte Steuerfestsetzung gegenüber den Bauleistenden stellt im Verhältnis zwischen Kläger und FA kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 233a Abs. 2 AO dar, auf dem die geänderten Steuerfestsetzungen beruhen.

Zwar hat der Antrag womöglich materiell-rechtliche Bedeutung für die geänderte Steuerfestsetzung gegenüber dem Bauleistenden, da dieser eine Voraussetzung für die Änderungsbefugnis gemäß § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG darstellt. (Dementsprechend gilt der Antrag des Bauträgers nach der Verwaltungsauffassung für die Verzinsung der nachträglichen Umsatzsteuerfestsetzungen gegenüber dem Bauleistenden als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 233a Abs. 2a AO, vgl. BMF-Schreiben vom 26. Juli 2017, III C 3-S 7279/11/10002-09, Rn. 16.)

Für die geänderte Steuerfestsetzung gegenüber dem Kläger als Bauträger hat der Antrag auf gesetzeskonforme Steuerfestsetzung jedoch lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung und stellt keine materiell-rechtliche Voraussetzung für die geänderte Festsetzung dar.

cc) Im Übrigen stellt auch die aufgrund des BFH-Urteils vom 22. August 2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) geänderte Auslegung des § 13b UStG kein rückwirkendes Ereignis dar, da auch insofern kein geänderter Sachverhalt, sondern lediglich eine andere rechtliche Beurteilung des unverändert bleibenden Sachverhalts vorliegt.

3. Unabhängig davon, dass die Durchsetzbarkeit des Erstattungsanspruchs gegenüber dem FA keine Voraussetzung für den Beginn der Verzinsung nach § 233a AO darstellt (ansonsten könnte das FA auch durch einfaches Bestreiten des Anspruchs auf Steueränderung den Zinslaufbeginn hinauszögern), war der Kläger auch nicht - bis zur erklärten Aufrechnung - an der Geltendmachung und Durchsetzung seines Erstattungsanspruchs gegen das FA aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben gehindert.

Zwar ist der Grundsatz von Treu und Glauben in allen Rechtsgebieten allgemein anerkannt und gebietet es innerhalb eines bestehenden Steuerrechtsverhältnisses für Steuergläubiger wie Steuerpflichtige gleichermaßen, dass jeder auf die Belange des anderen Teils Rücksicht nimmt. Damit nicht zu vereinbaren ist insbesondere ein widersprüchliches Verhalten.

Allerdings haben diese Grundsätze lediglich rechtsbegrenzende Wirkung innerhalb bestehender Schuldverhältnisse und setzen demnach eine Identität der Rechtssubjekte voraus (BFH-Urteil vom 12. Februar 2015 V R 28/14, BStBl II 2017, 10, Rz 31 f.; FG München, Urteil vom 10. Oktober 2017 14 K 344/16, EFG 2017, 1842, m.w.N.).

a) Zum einen hat der Kläger den Erstattungsanspruch nicht durch unredliches Verhalten erworben.

Welche Anforderungen der Grundsatz von Treu und Glauben an die Beteiligten eines Steuerrechtsverhältnisses stellt, ist jeweils anhand der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Im Allgemeinen wird die Ausübung eines Rechts oder die Geltendmachung eines Anspruchs als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen sein, wenn der Berechtigte diese durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges, d. h. unredliches Verhalten erworben hat.

Das Begehren auf Reduzierung der Steuer um die zu Unrecht gemäß § 13b UStG festgesetzte Umsatzsteuer stellt aber kein treuwidriges Verhalten des Klägers gegenüber dem FA dar (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 28. April 2017 1 K 2634/15 U, EFG 2017, 1217, Rn. 33): Der Kläger hat auf der Grundlage der damaligen Verwaltungsauffassung der Finanzverwaltung angenommen, Steuerschuldner gemäß § 13b UStG zu sein. Diese Annahme hat sich aufgrund des Urteils des BFH vom 22. August 2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) als unrichtig erwiesen. Daraufhin verlangte der Kläger lediglich die Änderung der Umsatzsteuerbescheide.

b) Zum anderen kann sich das FA gegenüber dem Kläger auch nicht deshalb auf Treu und Glauben berufen, da diesem aus dem vermeintlich missbräuchlichen Verhalten des Klägers gegenüber seinen Vertragspartnern unmittelbar keine Nachteile entstehen.

Auf den Grundsatz von Treu und Glauben kann sich nur der Beteiligte berufen, dem aus dem schuldhaften Verhalten des anderen ein Nachteil entsteht oder zu entstehen droht (FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. November 2016 3 K 1042/11, EFG 2017, 631, m.w.N.).

Vorliegend besteht der Erstattungsanspruch des Klägers gegenüber dem FA unabhängig von dessen etwaig vertragswidrigen Nichtzahlung (von Umsatzsteuer) gegenüber den jeweiligen Bauleistenden (vgl. oben; Gleiches gilt auch hinsichtlich der Vorsteuererstattungsansprüche, die – abgesehen vom Fall des § 17 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 UStG – unabhängig von der Entgeltzahlung an den Leistenden entstehen).

Außerdem ergibt sich aufgrund des Erstattungsanspruchs nicht zwingend ein Liquiditätsnachteil des FA, da dieses unabhängig vom ggfs. vertragswidrigen Verhalten des Klägers gegenüber den Bauleistenden, die Umsatzsteuern gegenüber letzteren gemäß § 27 Abs. 19 AO festsetzen und geltend machen kann. Lediglich das – hier jedoch ausweislich der vorgenommenen Aufrechnungen nicht vorliegende - Fehlen eines abtretbaren Zahlungsanspruchs der Bauleistenden könnte dem entgegenstehen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Februar 2017 V R 16, 24/16, BStBl II 2017, 760).

4. Schließlich steht dem regulären Zinslauf weder möglicherweise tatsächlich nicht eingetretene Liquiditätsnachbzw. vorteile, das Verhalten des Klägers, noch das Unionsrecht entgegen.

a) Eine Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse beim Bauleistenden bzw. dessen Steuerschuldverhältnis im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Belastung mehrerer Beteiligter widerspricht der für die Zinsfestsetzung nach § 233a AO gesetzlich vorgesehenen Typisierung.

Die in § 233a AO angeordnete Verzinsung bezweckt, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Steuerbescheids typischerweise entstanden sind, sollen mit Hilfe der sogenannten Vollverzinsung ausgeglichen werden (so die Gesetzesbegründung in BTDrucks. 11/2157, S. 194). Auf die Frage, ob dem Steuergläubiger insgesamt ein Schaden entstanden ist oder ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich bestanden, kommt es insoweit grundsätzlich nicht an (BFH-Beschluss vom 1. März 2013 V B 112/11, BFH/NV 2013, 901, m.w.N.). Weil die Entstehung des Zinsanspruchs dem Grunde und der Höhe nach somit unabhängig von der konkreten Einzelfallsituation geregelt ist und allein vom Eintritt objektiver Daten (Fristablauf i.S. des § 233a Abs. 2 AO; Unterschiedsbetrag i.S. des § 233a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 AO) abhängt, sind für die Anwendung des § 233a AO die Ursachen und Begleitumstände im Einzelfall grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Beschluss vom 2. August 2005 X B 139/04, juris). Zumindest auf Ebene der Festsetzung der Zinsen ist ein Verschulden - und zwar auf beiden Seiten des Steuerschuldverhältnisses - irrelevant (FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. November 2016 3 K 1042/11, EFG 2017, 631, m.w.N.; und selbst bei möglichen Korrekturen zu Gunsten des Steuerpflichtigen im Billigkeitsverfahren bleiben die Verhältnisse anderer Rechtssubjekte außer Betracht, vgl. BFH-Urteil vom 3. Juli 2014 III R 53/12, BStBl II 2017, 3, Rn. 15).

Unerheblich ist im Rahmen der Zinsfestsetzung nach § 233a AO deshalb, ob dem FA tatsächlich insgesamt ein Liquiditätsvorteil entstanden ist und auch ob der Kläger dem Leistenden die Umsatzsteuer überhaupt oder erst später gezahlt hat und dadurch möglicherweise anderweitig „ungerechtfertigt bereichert“ war (vgl. insofern auch zur Situation bei rückwirkender Rechnungsberichtigung FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. November 2016 3 K 1042/11, EFG 2017, 631, Rn. 44).

b) Diese in § 233a AO geregelten Bedingungen für Zinszahlungen sind unionsrechtskonform.

In Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, die Bedingungen für die Zahlung von Zinsen festzulegen (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 2015 C-69/14, Tarsia, ECLI:EU:C:2015:662 Rn. 25 f.). Die insoweit maßgeblichen Grundsätze der Effektivität und Neutralität wurden durch § 233a AO nicht verletzt (vgl. BFH-Beschluss vom 1. März 2013 V B 112/11, BFH/NV 2013, 901, Rn. 18).

Vielmehr würde eine Beschränkung des Rechts auf Verzinsung in Abhängigkeit von einem tatsächlich eintretenden Liquiditätsvorteil beim Fiskus bzw. Liquiditätsnachteil beim Zinsgläubiger – wie vom FA vertreten - möglicherweise gegen den Grundsatz der Effektivität, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoßen, denn insofern wäre eine unionsrechtskonforme Einschränkung allenfalls bei durch den Zinsgläubiger verursachter verspäteter Erstattung denkbar (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar vom 5. Oktober 2017 C-387/16, ECLI:EU:C:2017:740, Rn.30).

Die für - hier nicht vorliegende - Fallgestaltungen teilweise in der Literatur (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 233a AO, Rn. 6c; Slapio/Claus, UR 2014, 349 ff.; Englisch, UR 2011, 655 ff.) erwogene Reduktion des Anwendungsbereichs des § 233a AO wäre hier bereits deswegen nicht geboten, da vorliegend der möglicherweise tatsächlich nicht bestehende Liquiditätsvorteil für den Fiskus nicht auf dem System der Mehrwertsteuer beruht, sondern allein auf den Rückabwicklungsschwierigkeiten einer jahrelangen unrichtigen Verwaltungspraxis.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

6. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.

7. Das Gericht erachtet es als sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90 a FGO).

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Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Eigentümerin eines Baudenkmals in W (Thüringen). In dem Objekt befinden sich vier Wohnungen, von denen

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(1) Für nach § 3a Absatz 2 im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind.

(2) Für folgende steuerpflichtige Umsätze entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats:

1.
Werklieferungen und nicht unter Absatz 1 fallende sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers;
2.
Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens;
3.
Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen;
4.
Bauleistungen, einschließlich Werklieferungen und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. Als Grundstücke gelten insbesondere auch Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern. Nummer 1 bleibt unberührt;
5.
Lieferungen
a)
der in § 3g Absatz 1 Satz 1 genannten Gegenstände eines im Ausland ansässigen Unternehmers unter den Bedingungen des § 3g und
b)
von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität, die nicht unter Buchstabe a fallen;
6.
Übertragung von Berechtigungen nach § 3 Nummer 3 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes, Emissionsreduktionseinheiten nach § 2 Nummer 20 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes, zertifizierten Emissionsreduktionen nach § 2 Nummer 21 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes, Emissionszertifikaten nach § 3 Nummer 2 des Brennstoffemissionshandelsgesetzes sowie von Gas- und Elektrizitätszertifikaten;
7.
Lieferungen der in der Anlage 3 bezeichneten Gegenstände;
8.
Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen. Nummer 1 bleibt unberührt;
9.
Lieferungen von Gold mit einem Feingehalt von mindestens 325 Tausendstel, in Rohform oder als Halbzeug (aus Position 7108 des Zolltarifs) und von Goldplattierungen mit einem Goldfeingehalt von mindestens 325 Tausendstel (aus Position 7109);
10.
Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern und Spielekonsolen sowie von integrierten Schaltkreisen vor Einbau in einen zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeigneten Gegenstand, wenn die Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 Euro beträgt; nachträgliche Minderungen des Entgelts bleiben dabei unberücksichtigt;
11.
Lieferungen der in der Anlage 4 bezeichneten Gegenstände, wenn die Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 Euro beträgt; nachträgliche Minderungen des Entgelts bleiben dabei unberücksichtigt;
12.
sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation. Nummer 1 bleibt unberührt.

(3) Abweichend von den Absatz 1 und 2 Nummer 1 entsteht die Steuer für sonstige Leistungen, die dauerhaft über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erbracht werden, spätestens mit Ablauf eines jeden Kalenderjahres, in dem sie tatsächlich erbracht werden.

(4) Bei der Anwendung der Absätze 1 bis 3 gilt § 13 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a Satz 2 und 3 entsprechend. Wird in den in den Absätzen 1 bis 3 sowie in den in Satz 1 genannten Fällen das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist.

(5) In den in den Absätzen 1 und 2 Nummer 1 bis 3 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person ist; in den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe a, Nummer 6, 7, 9 bis 11 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist. In den in Absatz 2 Nummer 4 Satz 1 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Leistung im Sinne des Absatzes 2 Nummer 4 Satz 1 verwendet, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Bei den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe b genannten Lieferungen von Erdgas schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Wiederverkäufer von Erdgas im Sinne des § 3g ist. Bei den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe b genannten Lieferungen von Elektrizität schuldet der Leistungsempfänger in den Fällen die Steuer, in denen der liefernde Unternehmer und der Leistungsempfänger Wiederverkäufer von Elektrizität im Sinne des § 3g sind. In den in Absatz 2 Nummer 8 Satz 1 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Leistung im Sinne des Absatzes 2 Nummer 8 Satz 1 verwendet, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Bei den in Absatz 2 Nummer 12 Satz 1 genannten Leistungen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Leistungen in deren Erbringung besteht und dessen eigener Verbrauch dieser Leistungen von untergeordneter Bedeutung ist; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Die Sätze 1 bis 6 gelten vorbehaltlich des Satzes 10 auch, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird. Sind Leistungsempfänger und leistender Unternehmer in Zweifelsfällen übereinstimmend vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 Nummer 4, 5 Buchstabe b, Nummer 7 bis 12 ausgegangen, obwohl dies nach der Art der Umsätze unter Anlegung objektiver Kriterien nicht zutreffend war, gilt der Leistungsempfänger dennoch als Steuerschuldner, sofern dadurch keine Steuerausfälle entstehen. Die Sätze 1 bis 7 gelten nicht, wenn bei dem Unternehmer, der die Umsätze ausführt, die Steuer nach § 19 Absatz 1 nicht erhoben wird. Die Sätze 1 bis 9 gelten nicht, wenn ein in Absatz 2 Nummer 2, 7 oder 9 bis 11 genannter Gegenstand von dem Unternehmer, der die Lieferung bewirkt, unter den Voraussetzungen des § 25a geliefert wird. In den in Absatz 2 Nummer 4, 5 Buchstabe b und Nummer 7 bis 12 genannten Fällen schulden juristische Personen des öffentlichen Rechts die Steuer nicht, wenn sie die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich beziehen.

(6) Die Absätze 1 bis 5 finden keine Anwendung, wenn die Leistung des im Ausland ansässigen Unternehmers besteht

1.
in einer Personenbeförderung, die der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Absatz 5) unterlegen hat,
2.
in einer Personenbeförderung, die mit einem Fahrzeug im Sinne des § 1b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 durchgeführt worden ist,
3.
in einer grenzüberschreitenden Personenbeförderung im Luftverkehr,
4.
in der Einräumung der Eintrittsberechtigung für Messen, Ausstellungen und Kongresse im Inland,
5.
in einer sonstigen Leistung einer Durchführungsgesellschaft an im Ausland ansässige Unternehmer, soweit diese Leistung im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Messen und Ausstellungen im Inland steht, oder
6.
in der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (Restaurationsleistung), wenn diese Abgabe an Bord eines Schiffs, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn erfolgt.

(7) Ein im Ausland ansässiger Unternehmer im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 und 5 ist ein Unternehmer, der im Inland, auf der Insel Helgoland und in einem der in § 1 Absatz 3 bezeichneten Gebiete weder einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung noch eine Betriebsstätte hat; dies gilt auch, wenn der Unternehmer ausschließlich einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Ausland hat. Ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer ist ein Unternehmer, der in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte hat; dies gilt nicht, wenn der Unternehmer ausschließlich einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Drittlandsgebiet hat. Hat der Unternehmer im Inland eine Betriebsstätte und führt er einen Umsatz nach Absatz 1 oder Absatz 2 Nummer 1 oder Nummer 5 aus, gilt er hinsichtlich dieses Umsatzes als im Ausland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig, wenn die Betriebsstätte an diesem Umsatz nicht beteiligt ist. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die Leistung ausgeführt wird. Ist es zweifelhaft, ob der Unternehmer diese Voraussetzungen erfüllt, schuldet der Leistungsempfänger die Steuer nur dann nicht, wenn ihm der Unternehmer durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständigen Finanzamts nachweist, dass er kein Unternehmer im Sinne der Sätze 1 und 2 ist.

(8) Bei der Berechnung der Steuer sind die §§ 19 und 24 nicht anzuwenden.

(9) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Absatz 1 Satz 3), der andere an Stelle des Leistungsempfängers Steuerschuldner nach Absatz 5 ist.

(10) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung den Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach den Absätzen 2 und 5 auf weitere Umsätze erweitern, wenn im Zusammenhang mit diesen Umsätzen in vielen Fällen der Verdacht auf Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall aufgetreten ist, die voraussichtlich zu erheblichen und unwiederbringlichen Steuermindereinnahmen führen. Voraussetzungen für eine solche Erweiterung sind, dass

1.
die Erweiterung frühestens zu dem Zeitpunkt in Kraft treten darf, zu dem die Europäische Kommission entsprechend Artikel 199b Absatz 3 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der Fassung von Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie 2013/42/EU (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 1) mitgeteilt hat, dass sie keine Einwände gegen die Erweiterung erhebt;
2.
die Bundesregierung einen Antrag auf eine Ermächtigung durch den Rat entsprechend Artikel 395 der Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 2013/42/EG (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 1) gestellt hat, durch die die Bundesrepublik Deutschland ermächtigt werden soll, in Abweichung von Artikel 193 der Richtlinie 2006/112/EG, die zuletzt durch die Richtlinie 2013/61/EU (ABl. L 353 vom 28.12.2013, S. 5) geändert worden ist, die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für die von der Erweiterung nach Nummer 1 erfassten Umsätze zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen einführen zu dürfen;
3.
die Verordnung nach neun Monaten außer Kraft tritt, wenn die Ermächtigung nach Nummer 2 nicht erteilt worden ist; wurde die Ermächtigung nach Nummer 2 erteilt, tritt die Verordnung außer Kraft, sobald die gesetzliche Regelung, mit der die Ermächtigung in nationales Recht umgesetzt wird, in Kraft tritt.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für Bauleistungen, die die Beigeladene an die Klägerin erbracht hat, im Streitjahr 2005 Steuerschuldnerin i.S. des § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geworden ist.

2

Die Klägerin betreibt laut Handelsregistereintrag ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Erwerb, die Erschließung und die Bebauung von Grundstücken ist.

3

Am 13. September 2004 beauftragte die Klägerin die nach § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung Beigeladene als Generalunternehmer zur Erstellung eines Wohnhauses mit sechs Wohnungen zum Pauschalpreis von... € brutto. Laut Vertrag war die Beigeladene bei der Abrechnung von Abschlagszahlungen und der Schlussrechnung verpflichtet, die Umsatzsteuer gesondert auszuweisen.

4

Nachdem die Beigeladene in 2004 und 2005 Bauleistungen an die Klägerin erbracht hatte, kam es zur Kündigung des Vertrages durch die Klägerin. Am 17. November 2005 erteilte die Beigeladene eine Schlussrechnung ohne Umsatzsteuerausweis, in dem auf die Steuerschuldnerschaft der Klägerin nach § 13b UStG hingewiesen wurde.

5

In ihrer Umsatzsteuererklärung 2004 und in den Voranmeldungen 2005 erklärte die Klägerin zunächst gemäß § 13b UStG auf die von der Beigeladenen erhaltenen Bauleistungen Umsatzsteuer in Höhe von... € und führte die Umsatzsteuer an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ab.

6

In ihrer Jahreserklärung 2005 erklärte sie jedoch diese Umsatzsteuerbeträge nicht mehr mit der Begründung, sie erbringe keine Bauleistungen, denn nach Abschn. 182a Abs. 10 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) sei dazu erforderlich, dass sie "nachhaltige" Bauleistungen erbringe, was nur vorliege, wenn die Bauleistungen im Vorjahr mehr als 10 % der Gesamtumsätze betrügen. Wegen schwankender Umsätze habe sie diese Voraussetzung zwar noch im Jahre 2003, nicht aber 2004 erfüllt. Dies sei nachträglich im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten 2004 aufgefallen. Entgegen dem Vortrag der Beigeladenen habe sie dieser keine Bescheinigung nach § 48b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgehändigt. Eine vertragliche Einigung gemäß Abschn. 182a Abs. 17 UStR über den gesetzlichen Übergang der Steuerschuldnerschaft habe ebenfalls nicht vorgelegen.

7

Das FA ging zwar ebenfalls davon aus, dass die Klägerin die 10 %-Grenze nach Abschn. 182a Abs. 10 UStR im Vorjahr nicht überschritten habe. Gleichwohl sei von einer Einigung i.S. des Abschn. 182a Abs. 17 UStR auszugehen, weil die Klägerin die Änderung der Verhältnisse nicht mitgeteilt habe. Daraufhin setzte das FA mit Umsatzsteuerbescheid vom 14. November 2006 die Umsatzsteuer 2005 auf ... € fest.

8

Nach Zurückweisung des Einspruchs wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 278). Zur Begründung führte es aus, das FA habe den Übergang der Steuerschuld nach § 13b UStG im Ergebnis zu Recht angenommen. Das FG folge zwar nicht den Regelungen der UStR in Abschn. 182a Abs. 10 Sätze 2 und 3, wonach dies nur dann der Fall sei, wenn im vorangegangenen Jahr der Anteil an Bauleistungen mindestens 10 % betragen habe oder wenn der Leistungsempfänger dem Leistenden eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG "für Umsatzsteuerzwecke" vorgelegt habe (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 16. Oktober 2009, BStBl I 2009, 1298 Rz 2, 3, 5). Das Erfordernis der Nachhaltigkeit der Bauleistungsumsätze sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Zudem könne der leistende Unternehmer nicht verlässlich beurteilen, ob die Voraussetzungen des Übergangs der Steuerschuldnerschaft vorlägen, weil dies von dem ihm unbekannten Verhältnis der Bauleistungen zu den sonstigen Umsätzen des Leistungsempfängers abhänge. Es genüge daher, wenn der Leistungsempfänger nur gelegentlich Bauleistungen erbringe. Der Übergang der Steuerschuldnerschaft sei nur dann ausgeschlossen, wenn ein Unternehmer überhaupt keine Bauleistungen erbringe. Ebenso wenig überzeugend sei die Regelung des Abschn. 182a Abs. 12 Satz 2 UStR, wonach der Übergang der Steuerschuldnerschaft von der Vorlage einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG "für umsatzsteuerliche Zwecke" abhänge, weil dann der Übergang entgegen der gesetzlichen Regelung in das Belieben des Leistungsempfängers gestellt werde. Maßgebend für den Übergang der Steuerschuldnerschaft sei vielmehr, ob der Leistungsempfänger Unternehmer sei, der zumindest gelegentlich selbst Bauleistungen erbringe und ob dies für den Leistenden erkennbar sei.

9

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und verteidigt die 10 %-Grenze. Sie habe auch keine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG der Beigeladenen vorgelegt.

10

Die Klägerin beantragt, die Umsatzsteuerfestsetzung 2005 vom 14. November 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2008 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um ... € herabgesetzt wird.

11

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

12

Die Klägerin habe zwar zutreffend ausgeführt, dass ihr Anteil der Bauleistungen an den Gesamtumsätzen unter 10 % liege. Sie verfüge aber für 2005 über eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin für das Jahr 2004 als Bauleistender und für das Streitjahr 2005 nicht mehr als Bauleistender anzusehen sei. Die Klage sei dennoch unbegründet, weil die Klägerin mit der Beigeladenen eine Vereinbarung über die Umkehr der Steuerschuldnerschaft getroffen habe, was sich daraus ergebe, dass die Klägerin im Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren 2005 die Umsatzsteuer erklärt und abgeführt habe.

13

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

14

Der Senat hat mit Beschluss vom 30. Juni 2011 V R 37/10 (BFHE 233, 477, BStBl II 2011, 842) dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

15

"1. Umfasst der Begriff der Bauleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Ermächtigung 2004/290/EG neben Dienstleistungen auch Lieferungen?

16

2. Falls sich die Ermächtigung zur Bestimmung des Leistungsempfängers als Steuerschuldner auch auf Lieferungen erstreckt:

17

Ist der ermächtigte Mitgliedstaat berechtigt, die Ermächtigung nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben?

18

3. Falls der Mitgliedstaat zu einer Untergruppenbildung berechtigt ist: Bestehen für den Mitgliedstaat Beschränkungen bei der Untergruppenbildung?

19

4. Falls der Mitgliedstaat zu einer Untergruppenbildung allgemein (siehe oben, Frage 2) oder aufgrund nicht beachteter Beschränkungen (siehe oben, Frage 3) nicht berechtigt ist:

20

a) Welche Rechtsfolgen ergeben sich aus einer unzulässigen Untergruppenbildung?

21

b) Führt eine unzulässige Untergruppenbildung dazu, dass die Vorschrift des nationalen Rechts nur zugunsten einzelner Steuerpflichtiger oder allgemein nicht anzuwenden ist?"

22

Diese Fragen hat der EuGH am 13. Dezember 2012 C-395/11, BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 63) wie folgt beantwortet:

23

"1. Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG des Rates vom 30. März 2004 zur Ermächtigung Deutschlands zur Anwendung einer von Artikel 21 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichenden Regelung ist dahin auszulegen, dass der Begriff der 'Bauleistungen' in dieser Bestimmung neben den als Dienstleistungen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2004/7/EG des Rates vom 20. Januar 2004 geänderten Fassung eingestuften Umsätzen auch die Umsätze umfasst, die in der Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie bestehen.

24

2. Die Entscheidung 2004/290 ist dahin auszulegen, dass die Bundesrepublik Deutschland berechtigt ist, die ihr mit dieser Entscheidung erteilte Ermächtigung nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben. Bei der Bildung dieser Untergruppen hat dieser Mitgliedstaat den Grundsatz der steuerlichen Neutralität sowie die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, wie insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit, zu beachten. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu überprüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist, und gegebenenfalls die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die nachteiligen Folgen einer gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit oder der Rechtssicherheit verstoßenden Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften auszugleichen."

Entscheidungsgründe

II.

25

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil des FG war die Klägerin für die von ihr bezogenen Leistungen nicht als Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Nr. 4 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung.

26

1. Die Steuerschuld des Leistungsempfängers gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG setzt in Ausübung einer durch das Unionsrecht eingeräumten Ermächtigung voraus, dass er eine der in § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG genannten Leistungen bezieht und diese auch selbst erbringt.

27

a) Nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG in der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung schuldet in "den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 genannten Fällen... der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbringt".

28

§ 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG hat folgenden Wortlaut:
"(1) Für folgende steuerpflichtige Umsätze entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats: ...

4. Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. ..."

29

§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erfasst somit im Gegensatz zu § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht alle "Bauleistungen", die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, sondern nur Werklieferungen und sonstige Leistungen, die diesen Bauwerksbezug aufweisen.

30

b) Die durch § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 UStG nicht für alle Bauleistungen, sondern nur für bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen angeordnete Steuerschuld des Leistungsempfängers beruht unionsrechtlich auf Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG des Rates vom 30. März 2004 zur Ermächtigung Deutschlands zur Anwendung einer von Artikel 21 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichenden Regelung (Entscheidung 2004/290/EG). Danach besteht "bei der Erbringung von Bauleistungen an einen Steuerpflichtigen" für die Bundesrepublik Deutschland die Befugnis, den "Empfänger der Gegenstände oder Dienstleistungen als Mehrwertsteuerschuldner" zu bestimmen.

31

Dass diese Ermächtigung im nationalen Recht nicht für alle Bauleistungen und zu Lasten aller Steuerpflichtigen (Unternehmer), sondern nur für bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen und dabei nur zu Lasten der Unternehmer ausgeübt wurde, die selbst derartige Leistungen erbringen, ist nach dem im Streitfall ergangenen EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 unbeachtlich. Denn nach den Leitsätzen dieser Entscheidung umfasst "der Begriff der Bauleistungen in dieser Bestimmung neben den als Dienstleistungen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG... eingestuften Umsätzen auch die Umsätze, die in der Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie bestehen". Darüber hinaus ist "die Bundesrepublik Deutschland berechtigt ..., die ihr mit dieser Entscheidung erteilte Ermächtigung nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben".

32

2. Im Streitfall hat die Beigeladene an die Klägerin eine bauwerksbezogene Werklieferung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbracht.

33

a) Der Begriff der Werklieferung in § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG entspricht dem in § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG. Danach sind Werklieferungen Lieferungen, bei denen der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen hat und hierbei Stoffe verwendet, die er selbst beschafft, wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt dies auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

34

§ 3 Abs. 4 UStG betrifft nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats einheitliche, aus Liefer- und Dienstleistungselementen bestehende Leistungen in Form der Be- und Verarbeitung eines nicht dem Leistenden gehörenden Gegenstandes und ist richtlinienkonform entsprechend den unionsrechtlichen Grundsätzen zur Abgrenzung von Lieferung (Art. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Richtlinie 77/388/EWG--) und Dienstleistung (Art. 6 der Richtlinie 77/388/EWG) auszulegen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Juni 2005 V R 50/02, BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98, unter II.2.b cc).

35

Werklieferungen liegen danach vor, wenn der Unternehmer dem Abnehmer nicht nur die Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft (§ 3 Abs. 1 UStG), sondern zusätzlich einen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet. So können z.B. Buchbinderarbeiten als Bearbeitung von nicht dem Leistenden gehörenden Gegenständen Werklieferungen sein (BFH-Urteil vom 29. April 1982 V R 132/75, nicht veröffentlicht --n.v.--). Nicht ausreichend für die Annahme einer Werklieferung ist demgegenüber die Be- oder Verarbeitung eigener Gegenstände des Leistenden. Zwar kann z.B. die Zubereitung von Speisen in einem Imbissstand als Lieferung anzusehen sein (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. Juni 2011 V R 35/08, BFHE 234, 491, BStBl II 2013, 244, Leitsatz). Bei der durch den Imbissstandbetreiber ausgeführten Lieferung handelt es sich aber mangels Be- oder Verarbeitung von für den Standbetreiber fremden Gegenständen nicht um Werklieferungen i.S. von § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG. Ebenso führt die Herstellung anderer beweglicher Gegenstände wie z.B. PKW nicht aufgrund der Vereinbarung besonderer Spezifikationen wie Sonderausstattungen zu einer Werklieferung.

36

b) Im Streitfall hat die Beigeladene mit der Erstellung eines Wohnhauses eine Werklieferung i.S. von § 3 Abs. 4 UStG an die Klägerin erbracht.

37

aa) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 24. Juli 1969 V R 9/66 (BFHE 97, 196, BStBl II 1970, 71) entschieden hat, bewirkt der Unternehmer dadurch, dass er auf dem ihm nicht gehörenden Grundstück ein Gebäude errichtet und das Gebäude dem Grundstückseigentümer übergibt, eine Werklieferung. Im Rahmen von § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG tritt dabei die feste Verbindung mit Grund und Boden an die Stelle der Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstandes. Der BFH hat an dieser Rechtsprechung in der Folgezeit festgehalten und entschieden, dass Bauhandwerker bei der Errichtung eines Gebäudes für den Grundstückseigentümer Werklieferungen ausführen (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1974 V R 29/74, BFHE 114, 512, BStBl II 1975, 396), dass der Mieter, der Ausbauten, Umbauten und Einbauten auf eigene Kosten durchführt oder auf dem gemieteten Grundstück ein Gebäude errichtet, an den Vermieter eine Werklieferung ausführt (BFH-Urteile vom 15. September 1983 V R 154/75, n.v. zu Einbauten, und vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634 zur Gebäudeerrichtung), und dass der Unternehmer mit der Herstellung von Erschließungsanlagen auf öffentlichen Flächen einer Gemeinde gegenüber der Gemeinde eine entgeltliche Werklieferung ausführt (BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 14/09, BFHE 231, 273, BStBl II 2012, 428, Leitsatz 1). In Übereinstimmung hiermit kann sich die zur bloßen Verschaffung der Verfügungsmacht hinzutretende Bearbeitung auch aus dem Einbau des gelieferten Gegenstandes in ein Gebäude ergeben (zutreffend Abschn. 182a Abs. 3 Satz 2 UStR 2005 zum Einbau von Fenstern, Türen, Bodenbelägen, Aufzügen etc.).

38

bb) Danach erbrachte der Beigeladene im Streitfall mit der Errichtung des Wohnhauses auf dem für ihn fremden Grundstück eine Werklieferung i.S. von § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG.

39

3. Die Klägerin ist aber gleichwohl nicht Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG, da sie die von der Beigeladenen empfangene Leistung nicht selbst zur Erbringung einer bauwerksbezogenen Werklieferung oder sonstigen Leistung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG verwendet hat. Das Urteil des FG war somit aufzuheben und der Klage stattzugeben.

40

a) Im Hinblick auf das sich aus dem Unionsrecht ergebende Erfordernis der Rechtssicherheit ist § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG teleologisch einschränkend auszulegen.

41

aa) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG setzt nach seinem Wortlaut voraus, dass der Leistungsempfänger selbst bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbringt.

42

bb) Bei der Auslegung des nationalen Rechts ist, soweit es auf einer unionsrechtlichen Harmonisierung durch Richtlinien der Europäischen Union beruht, das Unionsrecht und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 30/09, BFHE 237, 263, BStBl II 2012, 623). Daher ist im Streitfall nicht nur zu beachten, dass der EuGH in dem den Streitfall betreffenden Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 dem nationalen Gesetzgeber das Recht zugebilligt hat, Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben (s. oben II.1.b), sondern auch, dass der so ermächtigte Mitgliedstaat "bei der Bildung dieser Untergruppen ... den Grundsatz der steuerlichen Neutralität sowie die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, wie insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit, zu beachten" hat und es "Sache des vorlegenden Gerichts [ist], unter Berücksichtigung aller maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu überprüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist, und gegebenenfalls die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die nachteiligen Folgen einer gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit oder Rechtssicherheit verstoßenden Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften auszugleichen (EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63, 2. Leitsatz).

43

Der EuGH betont dabei, dass "Rechtsakte der Union ... eindeutig sein müssen und dass ihre Anwendung für die Betroffenen vorhersehbar sein muss". Der sich hieraus ergebende Grundsatz der Rechtssicherheit ist von jeder mit der Anwendung des Unionsrechts betrauten innerstaatlichen Stelle zu beachten und "gilt in besonderem Maße, wenn es sich um eine Regelung handelt, die sich finanziell belastend auswirken kann, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen" (EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 Rdnr. 47).

44

b) Das EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 führt im Rahmen einer teleologischen Reduktion zu einer den Wortlaut von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG einschränkenden Auslegung.

45

aa) Hat der Unternehmer eine bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG bezogen, lässt es § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG für die an die Stelle der Steuerschuld des Leistenden tretende Steuerschuld des Leistungsempfängers ausreichen, dass der Leistungsempfänger selbst derartige Leistungen erbringt.

46

§ 13b Abs. 2 Satz 2 UStG schränkt das Erfordernis einer Leistungserbringung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG in keiner Weise und dabei weder gegenständlich noch in zeitlicher Hinsicht ein. Nach dem Wortlaut der Vorschrift würde es für den von dieser Vorschrift angeordneten Wechsel in der Steuerschuldnerschaft z.B. ausreichen, dass an den Leistungsempfänger im Inland eine bauwerksbezogene Werklieferung erbracht wird, während er selbst lediglich im Ausland ohne Zusammenhang mit diesem Leistungsbezug eine derartige Werklieferung erbringt. Insoweit ist zu beachten, dass sich "eine solche finanzielle Belastung gleichwohl, wie dies in einem Sachverhalt wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen der Fall sein kann, aus der Anwendung dieser Regelung durch die zuständigen nationalen Behörden ergeben [könnte], wenn es diese Anwendung den betreffenden Steuerpflichtigen, zumindest vorübergehend, nicht erlaubt, den Umfang ihrer Verpflichtungen auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer genau zu erkennen" (EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 Rdnr. 48).

47

Eine derartige, dem Wortlaut von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG einschränkungslos folgende Auslegung ist mit den Erfordernissen des Unionsrechts nicht zu vereinbaren, da es durch das Abstellen auf Umstände, die der Leistende im Regelfall nicht erkennt und auch nicht erkennen kann, nicht ermöglicht wird, genau zu erkennen, ob er oder sein Leistungsempfänger Steuerschuldner ist.

48

bb) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG ist nicht dahingehend einschränkend auslegbar, dass es für den Wechsel in der Steuerschuldnerschaft darauf ankommt, dass der Leistungsempfänger "nachhaltig" (so aber Abschn. 182a Abs. 10 Satz 2 UStR) bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen erbringt und dabei die Summe dieser Leistungen mehr als 10 % seiner steuerbaren Umsätze beträgt (Abschn. 182a Abs. 10 UStR), wobei die Finanzverwaltung später präzisiert hat, dass dabei auf den "Weltumsatz" des Leistungsempfängers abzustellen sein soll (Abschn. 13b.3 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE-- in der Fassung des BMF-Schreibens vom 12. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1289).

49

Gegen die einschränkende Auslegung durch die Finanzverwaltung spricht, dass es auch hierdurch dem Leistenden nicht ermöglicht wird, zuverlässig zu beurteilen, ob er oder der Leistungsempfänger Steuerschuldner für die erbrachte Leistung ist. Dies zeigt sich nach den Verhältnissen des Streitfalles auch daran, dass die Klägerin selbst nicht in der Lage war, die nach der Verwaltungsauffassung maßgebliche 10 %-Grenze zutreffend zeitnah zu ermitteln, sodass auszuschließen ist, dass der Leistende diese Berechnung vornehmen kann. Der Senat schließt sich daher der von der Vorinstanz sowie im Schrifttum geäußerten Kritik an der sog. "10 % Regel" in Abschn. 182a Abs. 10 UStR an (vgl. Ahrens, Umsatzsteuerberater 2004, 331; Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 13b UStG Rz 57; Küffner/Zugmaier, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2004, 712; Kuplich, UR 2007, 369; Meyer in Anm. EFG 2010, 280; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 13b Rz 384; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 13b Rz 33.2).

50

cc) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG ist entgegen Abschn. 182a Abs. 11 UStR dahingehend einschränkend auszulegen, dass es für den Übergang der Steuerschuldnerschaft darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung selbst zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet.

51

Zwar vermag auch diese Auslegung nicht alle Schwierigkeiten, die für den Leistenden bei der Zuordnung der Steuerschuldnerschaft bestehen, auszuräumen. So ist im Hinblick auf das Erfordernis, dass der Leistungsempfänger selbst eine bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung erbringt, z.B. danach zu unterscheiden, ob der Leistungsempfänger ein Generalunternehmer oder Bauträger ist. Während der Generalunternehmer regelmäßig auf einem seinem Auftraggeber gehörenden Grundstück baut, bebaut der Bauträger in der Regel eigene Grundstücke (vgl. hierzu z.B. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2010  10 AZR 190/11, Monatsschrift für Deutsches Recht 2012, 1046, unter I.2.c bb). Dementsprechend erbringt im Hinblick auf das Erfordernis der Be- oder Verarbeitung einer fremden Sache nur der ein fremdes Grundstück bebauende Generalunternehmer, nicht aber der ein eigenes Grundstück bebauende Bauträger eine bauwerksbezogene Werklieferung, die zur Anwendung von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG führt (s. oben II.2.a und b aa). Gleichwohl gewährleistet die Auslegung nach der Verwendung der bauwerksbezogenen Werklieferung oder sonstigen Leistung durch den Leistungsempfänger auf der jeweiligen Baustelle noch am ehesten eine rechtssichere Beurteilung.

52

Für die auf die Verwendung durch den Leistungsempfänger abstellende Auslegung, nach der insbesondere zwischen Generalunternehmern, die selbst bauwerksbezogene Werklieferungen ausführen, und grundstücksveräußernden Bauträgern, bei deren Leistungen es sich umsatzsteuerrechtlich um Lieferungen handelt, sprechen zudem die für Bauträger bestehenden Sonderregelungen des Gewerberechts, auf deren Grundlage auch im Rechtsverkehr zwischen diesen beiden Unternehmergruppen zu unterscheiden ist. So war gemäß § 34c der Gewerbeordnung (GewO) in ihrer im Streitjahr geltenden Fassung die Tätigkeit als Makler, Bauträger oder Baubetreuer erlaubnispflichtig. Dies galt nach § 34c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GewO a.F. (später § 34c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a der GewO in der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 6. Dezember 2011, BGBl I 2011, 2481) insbesondere für diejenigen, die als Bauherr im eigenen Namen für eigene oder fremde Rechnung Bauvorhaben vorbereiten oder durchführen und dazu Vermögenswerte von Erwerbern, Mietern, Pächtern oder sonstigen Nutzungsberechtigten oder von Bewerbern um Erwerbs- oder Nutzungsrechte verwenden. Nach dem hierzu auf der Grundlage von § 34c Abs. 3 GewO ergangenen § 3 der Verordnung über die Pflichten der Makler, Darlehensvermittler, Bauträger und Baubetreuer (Makler- und Bauträgerverordnung) bestanden dabei besondere Sicherungspflichten für Bauträger, wenn in den Fällen des § 34c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GewO "dem Auftraggeber Eigentum an einem Grundstück übertragen werden soll".

53

dd) Nicht zu entscheiden hat der Senat im Streitfall, ob die Anordnung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers in § 13b Abs. 2 Sätze 2 und 3 UStG für Leistungen, die der Empfänger für seinen nichtunternehmerischen Bereich verwendet, mit dem Erfordernis der Leistungserbringung "an einen Steuerpflichtigen" i.S. von Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG vereinbar ist.

54

ee) Die hiergegen gerichteten Einwendungen des FA greifen nicht durch.

55

(1) Entgegen der Auffassung des FA (vgl. Abschn. 182a Abs. 17 UStR) ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Beteiligten über die Handhabung der Steuerschuldnerschaft ursprünglich einig waren oder nicht, denn das Gesetz stellt den Übergang der Steuerschuldnerschaft zur Sicherung des Steueranspruchs nicht zur Disposition der Vertragsparteien (zutreffend Küffner/Zugmaier, DStR 2004, 712; Mößlang in Sölch/Ringleb, UStG, § 13b Rz 11: bloße Billigkeitsregelung).

56

(2) Der mit § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG verfolgte Zweck der Bekämpfung von Steuerausfällen im Baugewerbe rechtfertigt im Hinblick auf die vorrangig zu beachtende rechtssichere Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift keine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung. Zwar mag es sein, dass durch die Entscheidung 2004/290/EG "Steuerhinterziehungen oder Umgehungen möglichst umfassend verhütet werden" sollten. Im Hinblick auf die nur eingeschränkte Ausübung der durch diese Entscheidung eingeräumten Befugnisse durch das nationale Recht (s. oben II.2.b) ergibt sich aus den weiter gehenden Befugnissen des Unionsrechts und den damit verfolgten Zwecken aber keine erweiternde Auslegung des nationalen Rechts.

57

Dass der nationale Gesetzgeber trotz der ihm durch das Unionsrecht eingeräumten Befugnisse bei der Umsetzung nicht auch eine Steuerschuldnerschaft für die Leistungsempfänger angeordnet hat, die Gebäude oder Gebäudeteile mit dazugehörigem Grund und Boden vor dem Erstbezug liefern (vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG) oder die --entsprechend § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG und in Übereinstimmung mit Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG-- Unternehmer sind, ist daher nicht im Wege der Gesetzesauslegung änderbar.

58

(3) Auch die Überlegungen des FA zu innergemeinschaftlichen Lieferungen rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Denn dem Lieferer ist es bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Hinblick auf das Bestätigungsverfahren zur Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (vgl. § 18e UStG) möglich, personenbezogene Merkmale seines Abnehmers zu überprüfen. Eine derartige Möglichkeit besteht bei § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG nicht.

59

c) Im Streitfall hat die Klägerin die von ihr empfangene bauwerksbezogene Werklieferung für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstückslieferungen, nicht aber zur Erbringung einer eigenen bauwerksbezogenen Werklieferung verwendet. Dabei scheitert die Annahme einer durch die Klägerin erbrachten Werklieferung bereits daran, dass die Klägerin ein eigenes, nicht aber ein fremdes Grundstück bebaut und sodann veräußert hat (s. oben II.2.a und b aa). Ohne Bedeutung ist daher, ob die Erwerber der von der Klägerin veräußerten Wohnungen entsprechend einer später veröffentlichten Verwaltungsregelung (Abschn. 13b.3 Abs. 8 Sätze 6 und 7 UStAE in der Fassung des BMF-Schreibens in BStBl I 2011, 1289) "Einfluss auf Bauausführung und Baugestaltung" genommen haben, da eine derartige Einflussnahme bei der Bebauung eines im Eigentum des Bauträgers stehenden Grundstücks nicht dazu führt, dass der Bauträger nunmehr für ihn fremde Gegenstände --als Voraussetzung der Werklieferung gemäß § 3 Abs. 4 UStG-- bearbeitet.

60

d) Die danach enge Auslegung von § 13b Abs. 2 Satz 1 UStG schränkt diesen Tatbestand nicht übermäßig ein.

61

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass § 13b UStG keine umfassende Steuerschuldnerschaft für an Unternehmer im Bausektor erbrachte Bauleistungen anordnet. So bestehen nach § 13b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Nr. 3 UStG und § 13b Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG jeweils eigenständige Regelungen für die Zuordnung der Steuerschuldnerschaft bei grunderwerbsteuerbaren Umsätzen und bei Bauleistungen. Daher sind z.B. Grundstücksverkäufer, die Grundstücke bebauen und nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei liefern, nicht Steuerschuldner für die von ihnen bezogenen Bauleistungen (insoweit zutreffend Abschn. 13b.3 Abs. 8 Satz 5 UStAE). Danach ist im Streitfall das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben.

(1) Für nach § 3a Absatz 2 im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind.

(2) Für folgende steuerpflichtige Umsätze entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats:

1.
Werklieferungen und nicht unter Absatz 1 fallende sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers;
2.
Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens;
3.
Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen;
4.
Bauleistungen, einschließlich Werklieferungen und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. Als Grundstücke gelten insbesondere auch Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern. Nummer 1 bleibt unberührt;
5.
Lieferungen
a)
der in § 3g Absatz 1 Satz 1 genannten Gegenstände eines im Ausland ansässigen Unternehmers unter den Bedingungen des § 3g und
b)
von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität, die nicht unter Buchstabe a fallen;
6.
Übertragung von Berechtigungen nach § 3 Nummer 3 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes, Emissionsreduktionseinheiten nach § 2 Nummer 20 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes, zertifizierten Emissionsreduktionen nach § 2 Nummer 21 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes, Emissionszertifikaten nach § 3 Nummer 2 des Brennstoffemissionshandelsgesetzes sowie von Gas- und Elektrizitätszertifikaten;
7.
Lieferungen der in der Anlage 3 bezeichneten Gegenstände;
8.
Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen. Nummer 1 bleibt unberührt;
9.
Lieferungen von Gold mit einem Feingehalt von mindestens 325 Tausendstel, in Rohform oder als Halbzeug (aus Position 7108 des Zolltarifs) und von Goldplattierungen mit einem Goldfeingehalt von mindestens 325 Tausendstel (aus Position 7109);
10.
Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern und Spielekonsolen sowie von integrierten Schaltkreisen vor Einbau in einen zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeigneten Gegenstand, wenn die Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 Euro beträgt; nachträgliche Minderungen des Entgelts bleiben dabei unberücksichtigt;
11.
Lieferungen der in der Anlage 4 bezeichneten Gegenstände, wenn die Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 Euro beträgt; nachträgliche Minderungen des Entgelts bleiben dabei unberücksichtigt;
12.
sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation. Nummer 1 bleibt unberührt.

(3) Abweichend von den Absatz 1 und 2 Nummer 1 entsteht die Steuer für sonstige Leistungen, die dauerhaft über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erbracht werden, spätestens mit Ablauf eines jeden Kalenderjahres, in dem sie tatsächlich erbracht werden.

(4) Bei der Anwendung der Absätze 1 bis 3 gilt § 13 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a Satz 2 und 3 entsprechend. Wird in den in den Absätzen 1 bis 3 sowie in den in Satz 1 genannten Fällen das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist.

(5) In den in den Absätzen 1 und 2 Nummer 1 bis 3 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person ist; in den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe a, Nummer 6, 7, 9 bis 11 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist. In den in Absatz 2 Nummer 4 Satz 1 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Leistung im Sinne des Absatzes 2 Nummer 4 Satz 1 verwendet, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Bei den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe b genannten Lieferungen von Erdgas schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Wiederverkäufer von Erdgas im Sinne des § 3g ist. Bei den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe b genannten Lieferungen von Elektrizität schuldet der Leistungsempfänger in den Fällen die Steuer, in denen der liefernde Unternehmer und der Leistungsempfänger Wiederverkäufer von Elektrizität im Sinne des § 3g sind. In den in Absatz 2 Nummer 8 Satz 1 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Leistung im Sinne des Absatzes 2 Nummer 8 Satz 1 verwendet, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Bei den in Absatz 2 Nummer 12 Satz 1 genannten Leistungen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Leistungen in deren Erbringung besteht und dessen eigener Verbrauch dieser Leistungen von untergeordneter Bedeutung ist; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Die Sätze 1 bis 6 gelten vorbehaltlich des Satzes 10 auch, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird. Sind Leistungsempfänger und leistender Unternehmer in Zweifelsfällen übereinstimmend vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 Nummer 4, 5 Buchstabe b, Nummer 7 bis 12 ausgegangen, obwohl dies nach der Art der Umsätze unter Anlegung objektiver Kriterien nicht zutreffend war, gilt der Leistungsempfänger dennoch als Steuerschuldner, sofern dadurch keine Steuerausfälle entstehen. Die Sätze 1 bis 7 gelten nicht, wenn bei dem Unternehmer, der die Umsätze ausführt, die Steuer nach § 19 Absatz 1 nicht erhoben wird. Die Sätze 1 bis 9 gelten nicht, wenn ein in Absatz 2 Nummer 2, 7 oder 9 bis 11 genannter Gegenstand von dem Unternehmer, der die Lieferung bewirkt, unter den Voraussetzungen des § 25a geliefert wird. In den in Absatz 2 Nummer 4, 5 Buchstabe b und Nummer 7 bis 12 genannten Fällen schulden juristische Personen des öffentlichen Rechts die Steuer nicht, wenn sie die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich beziehen.

(6) Die Absätze 1 bis 5 finden keine Anwendung, wenn die Leistung des im Ausland ansässigen Unternehmers besteht

1.
in einer Personenbeförderung, die der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Absatz 5) unterlegen hat,
2.
in einer Personenbeförderung, die mit einem Fahrzeug im Sinne des § 1b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 durchgeführt worden ist,
3.
in einer grenzüberschreitenden Personenbeförderung im Luftverkehr,
4.
in der Einräumung der Eintrittsberechtigung für Messen, Ausstellungen und Kongresse im Inland,
5.
in einer sonstigen Leistung einer Durchführungsgesellschaft an im Ausland ansässige Unternehmer, soweit diese Leistung im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Messen und Ausstellungen im Inland steht, oder
6.
in der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (Restaurationsleistung), wenn diese Abgabe an Bord eines Schiffs, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn erfolgt.

(7) Ein im Ausland ansässiger Unternehmer im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 und 5 ist ein Unternehmer, der im Inland, auf der Insel Helgoland und in einem der in § 1 Absatz 3 bezeichneten Gebiete weder einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung noch eine Betriebsstätte hat; dies gilt auch, wenn der Unternehmer ausschließlich einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Ausland hat. Ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer ist ein Unternehmer, der in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte hat; dies gilt nicht, wenn der Unternehmer ausschließlich einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Drittlandsgebiet hat. Hat der Unternehmer im Inland eine Betriebsstätte und führt er einen Umsatz nach Absatz 1 oder Absatz 2 Nummer 1 oder Nummer 5 aus, gilt er hinsichtlich dieses Umsatzes als im Ausland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig, wenn die Betriebsstätte an diesem Umsatz nicht beteiligt ist. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die Leistung ausgeführt wird. Ist es zweifelhaft, ob der Unternehmer diese Voraussetzungen erfüllt, schuldet der Leistungsempfänger die Steuer nur dann nicht, wenn ihm der Unternehmer durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständigen Finanzamts nachweist, dass er kein Unternehmer im Sinne der Sätze 1 und 2 ist.

(8) Bei der Berechnung der Steuer sind die §§ 19 und 24 nicht anzuwenden.

(9) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Absatz 1 Satz 3), der andere an Stelle des Leistungsempfängers Steuerschuldner nach Absatz 5 ist.

(10) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung den Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach den Absätzen 2 und 5 auf weitere Umsätze erweitern, wenn im Zusammenhang mit diesen Umsätzen in vielen Fällen der Verdacht auf Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall aufgetreten ist, die voraussichtlich zu erheblichen und unwiederbringlichen Steuermindereinnahmen führen. Voraussetzungen für eine solche Erweiterung sind, dass

1.
die Erweiterung frühestens zu dem Zeitpunkt in Kraft treten darf, zu dem die Europäische Kommission entsprechend Artikel 199b Absatz 3 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der Fassung von Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie 2013/42/EU (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 1) mitgeteilt hat, dass sie keine Einwände gegen die Erweiterung erhebt;
2.
die Bundesregierung einen Antrag auf eine Ermächtigung durch den Rat entsprechend Artikel 395 der Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 2013/42/EG (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 1) gestellt hat, durch die die Bundesrepublik Deutschland ermächtigt werden soll, in Abweichung von Artikel 193 der Richtlinie 2006/112/EG, die zuletzt durch die Richtlinie 2013/61/EU (ABl. L 353 vom 28.12.2013, S. 5) geändert worden ist, die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für die von der Erweiterung nach Nummer 1 erfassten Umsätze zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen einführen zu dürfen;
3.
die Verordnung nach neun Monaten außer Kraft tritt, wenn die Ermächtigung nach Nummer 2 nicht erteilt worden ist; wurde die Ermächtigung nach Nummer 2 erteilt, tritt die Verordnung außer Kraft, sobald die gesetzliche Regelung, mit der die Ermächtigung in nationales Recht umgesetzt wird, in Kraft tritt.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.

(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.

(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.

(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.

(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.

(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.

(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.

(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.

(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Eigentümerin eines Baudenkmals in W (Thüringen). In dem Objekt befinden sich vier Wohnungen, von denen drei dauerhaft zu Wohnzwecken und eine als Ferienwohnung vermietet werden. In den Jahren 1999 und 2000 sanierte die Klägerin das Objekt aufwändig für ca. 1 Mio. DM. Für die zu Wohnzwecken dienenden Gebäudeteile gewährte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) mit Bescheiden vom 6. Juli 2001 Investitionszulage in Höhe von insgesamt 32.760 DM.

2

In den Körperschaftsteuererklärungen 1999 und 2000, die jeweils im Folgejahr bei dem FA eingereicht wurden, erklärte die Klägerin die gesamten Aufwendungen als nachträgliche Herstellungskosten und beantragte für den Teil der durch die Baumaßnahmen entstandenen Aufwendungen, für den Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz 1999 (InvZulG 1999) beantragt wurde, die Abschreibung nach § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Für die verbleibenden Aufwendungen nahm sie die erhöhte Abschreibung nach § 7i EStG in Anspruch. Die Körperschaftsteuerbescheide der Jahre 1999 und 2000 vom 18. März 2003 berücksichtigten dies erklärungsgemäß.

3

Mit Bescheiden vom 23. Oktober 2006 hob das FA die Festsetzungsbescheide für die Investitionszulage 1999 und 2000 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) mit der Begründung auf, die Klägerin habe gegen das Kumulationsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 verstoßen. Gleichzeitig setzte es Zinsen nach § 7 InvZulG 1999 fest. Den gegen die Aufhebungsbescheide gerichteten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 18. April 2007 als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 210 veröffentlichten Urteil in vollem Umfang statt und hob die Aufhebungs- und Zinsbescheide sowie die diese bestätigende Einspruchsentscheidung auf.

5

Mit ihrer von dem FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

6

Das FA beantragt, das Urteil des FG hinsichtlich der Investitionszulage 2000 und der Zinsen zur Investitionszulage 2000 aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils hinsichtlich der Investitionszulage 2000 und der Zinsen zur Investitionszulage 2000 und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen erlauben keine Entscheidung darüber, ob das FA zu einer ganzen oder teilweisen Aufhebung des Investitionszulagenbescheids für 2000 berechtigt war.

9

1. a) Das FA ist zur Aufhebung des Festsetzungsbescheids für die Investitionszulage 2000 vom 6. Juli 2001 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO berechtigt, soweit ein Ereignis eingetreten ist, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Ein rückwirkendes Ereignis liegt vor, wenn der nach dem Steuertatbestand rechtserhebliche Sachverhalt sich später anders gestaltet und sich steuerlich in der Weise in die Vergangenheit auswirkt, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter II.1.b). Eine andere rechtliche Beurteilung des unverändert bleibenden Sachverhalts genügt insoweit nicht. Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, also bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen, ist den Normen des materiellen Steuerrechts zu entnehmen (z.B. BFH-Urteil vom 9. November 2011 VIII R 18/08, BFH/NV 2012, 370, unter II.2.a, m.w.N.).

10

b) Ob --wie das FG meint-- § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in Anlehnung an das für § 173 AO entwickelte Kriterium der Rechtserheblichkeit darüber hinaus voraussetzt, dass die wirkliche Ursache der beabsichtigten Änderung des Bescheids allein der durch das rückwirkende Ereignis veränderte Sachverhalt und nicht auch eine geänderte Rechtsauslegung ist, kann der Senat dahingestellt sein lassen. Denn selbst wenn man hiervon ausginge, ist die Annahme des FG, dass es im Streitfall an dieser Ursächlichkeit fehle, nicht gerechtfertigt.

11

Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 22. April 2010 VI R 40/08, BFHE 229, 57, BStBl II 2010, 951, unter II.1.b ff., m.w.N.) zu § 173 AO scheidet eine Änderung nach dieser Norm aus, wenn die Unkenntnis der später bekanntgewordenen Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich (rechtserheblich) gewesen ist, weil das FA auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuerfestsetzung gelangt wäre. Dabei ist die Frage, wie das FA bei Kenntnis bestimmter Tatsachen und Beweismittel einen Sachverhalt in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, im Einzelfall aufgrund des Gesetzes, wie es nach der damaligen Rechtsprechung des BFH ausgelegt wurde, und den die FÄ bindenden Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt des ursprünglichen Bescheiderlasses durch das FA gegolten haben. Das mutmaßliche Verhalten des einzelnen Sachbearbeiters und seine individuellen Rechtskenntnisse sind hingegen für die Frage, ob die Veränderung im Tatsächlichen oder in der rechtlichen Beurteilung liegt, aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen ohne Bedeutung. Subjektive Fehler der FÄ und damit des einzelnen Bearbeiters, wie sie sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht denkbar sein mögen, sind für die Beurteilung der Rechtserheblichkeit einer nachträglich bekanntgewordenen Tatsache unbeachtlich (BFH-Urteil in BFHE 229, 57, BStBl II 2010, 951, unter II.1.d, m.w.N.).

12

c) aa) Das für die Frage, ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, maßgebliche materielle Recht stellt in § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 darauf ab, dass nachträgliche Herstellungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertiggestellt wurden, nur dann zulagenbegünstigt sind, wenn u.a. der Anspruchsberechtigte für die Herstellungsarbeiten keine erhöhten Absetzungen in Anspruch nimmt. Die nach Festsetzung der Investitionszulage erfolgende Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen für die nachträglichen Herstellungsarbeiten bewirkt daher einen Verstoß gegen das Kumulationsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999, der rückwirkend den Anspruch auf die Investitionszulage entfallen lässt.

13

bb) Hinsichtlich der Reichweite dieses Kumulationsverbots galt bereits nach den durch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 24. August 1998 IV B 3 -InvZ 1010- 10/98 (BStBl I 1998, 1114, Rz 3) gegebenen Anwendungshinweisen, dass das Kumulationsverbot sich nur auf "dieselben nachträglichen Herstellungsarbeiten" bezieht. Erläuternd wurde ein Beispiel angefügt, wonach etwa die Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen nach § 7h EStG für die Aufwendungen zur Sanierung der Gebäudefassade die Gewährung von Investitionszulage für die Aufwendungen zur Neueindeckung des Daches nicht ausschließt. Zwar war in diesem BMF-Schreiben der in das BMF-Schreiben vom 28. Februar 2003 IV A 5 -InvZ 1272- 6/03 (BStBl I 2003, 218, Rz 11 i.V.m. Rz 28) aufgenommene Hinweis, wonach dies nicht gelte, wenn es sich um eine einheitliche Baumaßnahme, d.h. um in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen (d.h. bautechnisch ineinander greifenden) Zusammenhang erfolgende Einzelmaßnahmen, handele, noch nicht enthalten. Die Frage, ob es sich um "dieselben nachträglichen Herstellungsarbeiten" handelte oder um verschiedene, stellte sich jedoch bereits nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 1114. Da für diese Abgrenzung weder eine nähere Rechtsprechung des BFH noch genauere Verwaltungshinweise existierten, lag es nahe, auf die ähnlich gelagerte Abgrenzungsproblematik zwischen Erhaltungsmaßnahmen und nachträglichen Herstellungskosten zurückzugreifen. Hierzu hatte der BFH bereits entschieden, dass Herstellungskosten auch Kosten für Baumaßnahmen sein können, die für sich gesehen zwar als Erhaltungsmaßnahmen zu beurteilen wären, die jedoch mit reinen Herstellungsmaßnahmen in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, so dass beide in ihrer Gesamtheit eine einheitliche Baumaßnahme bilden (z.B. Urteile vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, unter I.3.b cc, m.w.N.; vom 16. Juli 1996 IX R 34/94, BFHE 181, 50, BStBl II 1996, 649, m.w.N.). Einen sachlichen Zusammenhang nahm der BFH an, wenn die einzelnen Baumaßnahmen bautechnisch ineinandergreifen (BFH-Urteil in BFHE 181, 50, BStBl II 1996, 649, m.w.N.). Entsprechend wurde auch bereits weit vor Veröffentlichung des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 218 im Fachschrifttum die Auffassung vertreten, dass bei der Prüfung der Selbständigkeit der einzelnen Maßnahmen die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Abgrenzung von Herstellungskosten und Erhaltungsaufwand anwendbar seien; deshalb seien bei einem fehlenden bautechnischen Zusammenhang auch zeitgleich durchgeführte Maßnahmen in verschiedene Herstellungs- und Erhaltungsmaßnahmen aufzuteilen (Urban, Deutsche Steuer-Zeitung 1998, 380, 383 f.). Nichts anderes ergibt sich aus der von der Klägerin zitierten Literaturmeinung (Semmler, Betriebs-Berater 2000, 329), da diese sich mit der Frage, wann "dieselben nachträglichen Herstellungsarbeiten" vorliegen, nicht auseinandersetzt.

14

cc) Insoweit könnte daher selbst dann, wenn man auch im Rahmen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO das Kriterium der Rechtserheblichkeit bzw. Ursächlichkeit prüfen würde, nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass das FA das rückwirkende Ereignis der Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen bereits bei Erlass der ursprünglichen Bescheide entsprechend den in Rz 11 des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 218 zum Ausdruck kommenden Grundsätzen gewürdigt hätte. Dass ein einzelner Bearbeiter des FA nach seiner individuellen Beurteilung den Fall möglicherweise anders beurteilt hätte, wie dies das FG unter Bezugnahme auf einen in den Akten befindlichen --mutmaßlich erst im Zusammenhang mit dem Erlass der Aufhebungsbescheide gefertigten-- handschriftlichen Vermerk festgestellt hat, ist nach den oben dargelegten Grundsätzen ohne Bedeutung.

15

2. Eine Änderung des Investitionszulagenbescheids 2000 wäre auch nicht aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung ausgeschlossen.

16

a) Nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO beginnt die Festsetzungsfrist für den Erlass eines Änderungsbescheids in den Fällen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt. Die nach der maßgeblichen materiell-rechtlichen Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 erforderliche Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen für die nachträglichen Herstellungsarbeiten liegt in der vorliegenden Fallkonstellation erst mit der Entscheidung des FA über die beantragte erhöhte Absetzung vor. Sie erfolgt durch Bekanntgabe des Bescheids, in dem die erhöhten Absetzungen erstmals steuerliche Berücksichtigung finden. Dies ergibt sich daraus, dass durch die bloße Antragstellung des Steuerpflichtigen noch nicht darüber entschieden ist, ob überhaupt ein Anspruch auf die erhöhten Absetzungen besteht. Würde man hingegen der Auffassung der Klägerin folgen, wonach bereits die Geltendmachung der erhöhten Absetzungen gegenüber dem FA eine "Inanspruchnahme" darstelle, könnte das FA die Festsetzung der Investitionszulage bereits bei Eingang der entsprechenden Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuererklärung aufheben, obwohl es möglicherweise später die erhöhten Absetzungen nicht gewährt.

17

b) Somit kann das FA auch erst bei Bekanntgabe des Bescheids, in dem über die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen entschieden wird, darüber befinden, ob zu Unrecht für dieselben nachträglichen Herstellungskosten Investitionszulage bewilligt wurde. Da die hier maßgeblichen Körperschaftsteuerbescheide vom 18. März 2003 gemäß § 122 Abs. 2 AO am 21. März 2003 als bekanntgegeben gelten, war die vierjährige Festsetzungsfrist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO bei Erlass des Änderungsbescheids zur Investitionszulage 2000 vom 23. Oktober 2006 noch nicht abgelaufen.

18

3. Eine Entscheidung darüber, ob und ggf. inwieweit tatsächlich nachträgliche Herstellungsarbeiten vorliegen, die nach § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 ein Kumulationsverbot auslösen, bleibt wegen fehlender Feststellungen des FG der Prüfung im zweiten Rechtsgang vorbehalten. Insoweit weist der Senat auf Folgendes hin:

19

a) Die Frage, ob nachträgliche Herstellungsarbeiten vorliegen, hat das FG in eigener Zuständigkeit ohne Bindung an die im Verfahren über die Festsetzung der Körperschaftsteuer durch das FA getroffenen Feststellungen zu prüfen. Kommt es danach zu dem Ergebnis, dass es sich bei einzelnen Baumaßnahmen nicht um Herstellungs-, sondern um Erhaltungsarbeiten i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 handelte, ist insoweit eine Änderung des Investitionszulagenbescheids mangels Eingreifens des Kumulationsverbots auch dann ausgeschlossen, wenn das FA für diese Arbeiten zu Unrecht keinen Sofortabzug, sondern erhöhte Absetzungen gewährt hat. Soweit die Klägerin die erhöhten Absetzungen auch nur für einen Teil der durch eine bestimmte, abgrenzbare Baumaßnahme entstandenen nachträglichen Herstellungskosten in Anspruch genommen haben sollte, würde das Kumulationsverbot die Inanspruchnahme von Investitionszulage für diese Baumaßnahme insgesamt ausschließen.

20

b) Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen nachträglichen Herstellungsarbeiten und Erhaltungsarbeiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Senatsurteil vom 22. Dezember 2011 III R 37/09 (BFHE 236, 179, BFH/NV 2012, 1069 Rz 24 ff.) verwiesen, ebenso für die Frage, ob mehrere Herstellungsarbeiten so ineinandergreifen, dass von einer mangelnden Abgrenzbarkeit ausgegangen werden muss (Senatsurteil in BFHE 236, 179, BFH/NV 2012, 1069 Rz 35 ff.).

21

c) Ob die Klägerin aus etwaigen Absprachen mit dem FA ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine bestimmte Sachbehandlung ableiten kann, bleibt mangels bisheriger Feststellungen des FG ebenfalls der Prüfung im zweiten Rechtsgang vorbehalten.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 22. Juli 2014  4 K 150/14 aufgehoben.

Die Sache wird an das Niedersächsische Finanzgericht zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt aus einem Schrotthandel Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die er in den Streitjahren 2006 und 2007 durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelte.

2

Am ... 2010 leitete das zuständige Finanzamt ein Ermittlungsverfahren u.a. wegen Hinterziehung von Einkommensteuer 2006 und 2007 ein, da es aufgrund von Kontrollmaterial annahm, dass der Kläger seine Gewinne unvollständig erklärt hatte. Aufgrund mehrerer Anfang 2011 ergangener Prüfungsanordnungen führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) beim Kläger eine u.a. die Einkommensteuer 2006 und 2007 umfassende Außenprüfung durch. Hierbei stellte der Prüfer u.a. fest, dass für die als Betriebsausgaben erfassten Wareneinkäufe keine Belege vorhanden waren.

3

Am ... 2011 forderte der Prüfer die seinerzeitige steuerliche Beraterin des Klägers unter Hinweis auf § 160 der Abgabenordnung (AO) auf, die Empfänger der entsprechenden Betriebsausgaben zu benennen. Dem kam der Kläger nicht nach.

4

Die Betriebseinnahmen aus dem Schrotthandel schätzte der Prüfer auf der Grundlage des beschafften Kontrollmaterials. Hieraus ergaben sich Hinzuschätzungen in Höhe von netto 47.811,73 € für 2006 (Betriebseinnahmen insgesamt: 70.576 €) und 15.816,53 € für 2007 (Betriebseinnahmen insgesamt: 57.592 €).

5

Die in den Gewinnermittlungen berücksichtigten Aufwendungen für den Wareneinkauf in Höhe von 16.199 € für 2006 und 33.598 € für 2007 ließ der Prüfer nicht zum Betriebsausgabenabzug zu.

6

Zudem erfasste der Prüfer aufgrund einer Kontrollmitteilung über eine Quittung wegen ...arbeiten für beide Streitjahre geschätzte Betriebseinnahmen in Höhe von jeweils 2.000 € brutto.

7

Das FA folgte diesen Prüfungsfeststellungen und erließ am 1. August 2011 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Bescheide und erhöhte die Einkommensteuer für 2006 auf 23.593 € und für 2007 auf 16.510 €. Die dagegen gerichteten Einsprüche blieben ohne Erfolg.

8

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1746 veröffentlichten Entscheidung teilweise statt. Es gewährte dem Kläger einen Betriebsausgabenabzug wegen der Aufwendungen für den Wareneinkauf in Höhe von 50 % der sich nach der Hinzuschätzung durch das FA insgesamt ergebenden Betriebseinnahmen, mithin in Höhe von 35.288 € für 2006 und 28.796 € für 2007. Zudem lehnte es die Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen aus ...arbeiten ab.

9

Mit der hiergegen gerichteten Revision wendet sich das FA gegen den Betriebsausgabenabzug und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

10

Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 vom 1. August 2011 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2011 dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer für 2006 auf 22.933 € und für 2007 auf 15.814 € festgesetzt wird.

11

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.

Entscheidungsgründe

II.

12

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der vom FG festgestellte Sachverhalt trägt nicht dessen rechtliche Beurteilung, dass nachträglich Tatsachen oder Beweismittel bekannt wurden, die zu einer höheren Steuer führen, sowie dass für den Schrotteinkauf Betriebsausgaben zu schätzen waren. Insofern liegen materiell-rechtliche Fehler vor, die auch ohne Rüge vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten sind (z.B. Senatsurteil vom 15. Februar 2001 III R 130/95, BFH/NV 2001, 1041).

13

1. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass das Fehlen von Einkaufsbelegen eine Tatsache darstellen kann, die dem FA erst nachträglich i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bekannt geworden sein kann und dementsprechend die Steuerbescheide geändert werden können. Die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt hat, insbesondere die nicht den Vorschriften des § 143 AO entsprechende Aufzeichnung, ist eine Tatsache (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. März 2016 X R 9/13, BFHE 253, 299, BStBl II 2016, 815, Rz 19). Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt hat. Denn § 143 Abs. 1 AO verpflichtet jeden gewerblichen Unternehmer, den Wareneingang gesondert aufzuzeichnen. Maßgeblich ist die Qualifizierung der Einkünfte. Auf die Buchführungspflicht und die Art der Gewinnermittlung kommt es ebenso wenig an wie auf die Größe und Art des Betriebs oder die Höhe der Umsätze und Wareneingänge (Görke in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 143 AO Rz 3 f.; Sauer in Beermann/Gosch, AO § 143 Rz 3).

14

Allerdings hat das FG bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Veranlagungssachbearbeiter, der an Amtsstelle für den Kläger die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Streitjahre ermittelte, die fehlende Ordnungsmäßigkeit des aufgezeichneten Wareneingangs kannte. Vielmehr geht es insoweit davon aus, dass die Einkaufsbelege "mutmaßlich schon bei Durchführung der Erstveranlagung nicht vorhanden waren". Solche Mutmaßungen sind indes nicht geeignet, eine Überzeugungsbildung des FG anhand konkreter Feststellungen zu ersetzen. Entsprechende Feststellungen sind im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Zu den insoweit zu beachtenden Prüfungsanforderungen wird auf die Ausführungen im BFH-Urteil in BFHE 253, 299, BStBl II 2016, 815, Rz 23 ff. Bezug genommen, denen sich der erkennende Senat anschließt.

15

2. Das FG hat ungeachtet der Frage, ob die Bescheide noch geändert werden konnten auch zu Unrecht die Aufwendungen für den Wareneinkauf geschätzt, ohne hinreichende tatsächliche Feststellungen dazu getroffen zu haben, dass ein solcher Aufwand tatsächlich vorlag.

16

a) Gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO). Das Gleiche gilt u.a. dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO).

17

b) Nach der Rechtsprechung des BFH wird bei einer Schätzung von der Verwirklichung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Besteuerung ausgegangen, weshalb § 162 Abs. 1 und 2 AO nur die Schätzung quantitativer Größen erlauben, nicht aber die Schätzung rein qualitativer Besteuerungsmerkmale (z.B. BFH-Urteile vom 3. November 2010 I R 4/10, BFH/NV 2011, 800, Rz 18, und vom 10. Juni 1999 V R 82/98, BFHE 188, 460, unter II.; BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 2015 V B 87/14, BFH/NV 2015, 662, Rz 11, und vom 20. Juli 2010 X B 70/10, BFH/NV 2010, 2007, Rz 16; zustimmend z.B. Buciek in Beermann/Gosch, AO § 162 Rz 22; teilweise abweichend [nur Ausschluss der Schätzung des sog. Grundsachverhalts] Trzaskalik in HHSp, § 162 AO Rz 14 ff.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 162 AO Rz 20). Voraussetzung einer Schätzung ist somit die Gewissheit, dass überhaupt ein steuerlich bedeutsamer Sachverhalt vorliegt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 662, Rz 11; Trzaskalik in HHSp, § 162 AO Rz 15; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 162 Rz 22; Frotscher in Schwarz/ Pahlke, AO, § 162 Rz 14). Erst damit ist die Basis für Wahrscheinlichkeitsüberlegungen in Form einer Schätzung geschaffen (Trzaskalik in HHSp, § 162 AO Rz 15). Dies gilt sowohl für steuererhöhende als auch für steuermindernde Umstände (Buciek in Beermann/Gosch, AO § 162 Rz 22).

18

c) Bei der Prüfung, ob und in welchem Umfang ein zu Betriebsausgaben führender Wareneinkauf durch den Kläger stattgefunden hat, können sämtliche Erkenntnisse aus der Betriebsprüfung einschließlich des Benennungsverlangens verwertet werden (BFH-Urteil in BFHE 253, 299, BStBl II 2016, 815, Rz 30). Die Berücksichtigung des in der Betriebsprüfung gewonnenen Wissens in diesem Sinne beruht nicht auf § 160 AO und ist unabhängig von den Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Vorschrift möglich und geboten. Es handelt sich um Sachverhaltsermittlungen, die bereits durch § 88 Abs. 1 Satz 1 AO gerechtfertigt sind. § 160 Abs. 1 Satz 1 AO verbietet diese nicht, was § 160 Abs. 1 Satz 2 AO ausdrücklich klarstellt. Die Ergebnisse dieser Ermittlungen können im Rahmen des Festsetzungsverfahrens auch nach Bestandskraft eines Bescheids verarbeitet werden, wenn und soweit dies durch die entsprechenden Änderungsvorschriften gedeckt ist. Allein der Umstand, dass die entsprechenden Nachfragen ihrerseits auch als Benennungsverlangen nach § 160 AO qualifiziert werden können, ändert hieran nichts (BFH-Urteil in BFHE 253, 299, BStBl II 2016, 815, Rz 31).

19

Zu beachten ist dabei, dass es für die Rechtmäßigkeit der Änderungsbescheide nicht auf die vom FA gegebene Begründung ankommt, sondern allein darauf, ob die Bescheide im Zeitpunkt ihres Ergehens durch die vom FA angegebene oder eine andere Befugnisnorm gedeckt waren (BFH-Urteil vom 11. Mai 1999 IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446, Rz 31).

20

d) Insoweit hätte sich das FG zunächst bei der Prüfung der Änderungsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO anhand der dem FA nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen durch konkrete Feststellungen auch die volle Überzeugung davon verschaffen müssen, ob und ggf. in welchem Umfang überhaupt dem Grunde nach ein Wareneinkauf durch den Kläger stattgefunden hat (etwa durch Ankauf von Kabelresten oder Ankauf von Schrottautos oder nur kostenfreie Abholung defekter Elektrogeräte und Entsorgung von Fahrzeugen). Hierbei wären die allgemeinen Beweisregeln einschließlich der Regeln über die Beweisnähe, Beweisvereitelung und Beweislast anzuwenden gewesen (Frotscher in Schwarz/ Pahlke, AO, § 162 Rz 14). Eine sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirkende Beweismaßreduktion ist nicht angezeigt, wenn das mit zumutbaren finanzbehördlichen Mitteln nicht zu überwindende Aufklärungsdefizit in die Beweisrisikosphäre des Steuerpflichtigen fällt (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Rz 25). Dies kann dazu führen, dass im Falle der Nichtaufklärbarkeit des Sachverhalts die Feststellungslast (objektive Beweislast) dafür, dass dem Grunde nach überhaupt steuermindernde Betriebsausgaben vorliegen, den Steuerpflichtigen trifft.

21

Sofern bei der Überzeugungsbildung auf die Anwendung spezieller Erfahrungssätze zurückgegriffen wird, etwa dass bei bestimmten Formen des Schrotthandels bestimmten Einnahmen auch bestimmte Ausgaben für den Wareneinkauf gegenüberstehen müssen, wäre ein solcher spezieller Erfahrungssatz hinreichend zu begründen (Senatsurteil vom 6. November 1987 III R 178/85, BFHE 151, 425, BStBl II 1988, 442, unter II.1.a). Gegen einen dahingehenden allgemeinen, d.h. jedermann zugänglichen und durch keine Ausnahmen durchbrochenen Erfahrungssatz (s. hierzu etwa BFH-Urteil vom 5. Juni 2012 I R 51/11, BFH/NV 2012, 1800, Rz 13) würde dagegen bereits sprechen, dass auch Fälle denkbar wären, in denen der Wareneingang eines Schrotthändlers z.B. über die Durchführung von Entrümpelungen im Wesentlichen nur mit Arbeitsaufwand oder sogar mit Betriebseinnahmen verbunden ist.

22

Die insoweit erforderlichen Feststellungen wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

23

e) Erst wenn das FG unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze zur Überzeugung gelangt ist, dass ein Wareneinkauf in bestimmtem Umfang stattgefunden hat und damit Aufwand entstanden ist, bestünde Raum, diesen der Höhe nach durch eine Schätzung näher zu bestimmen (BFH-Urteil in BFHE 253, 299, BStBl II 2016, 815, Rz 35, m.w.N.), wenn er anderweitig nicht zu ermitteln ist. Bei der Wahl der Schätzungsmethode genießt die Anknüpfung an objektiv feststellbare Tatsachen Vorrang gegenüber abstrakten Überlegungen, sofern sich daraus plausible Schätzungsergebnisse ergeben (BFH-Beschluss vom 20. Juni 2005 I B 181/04, BFH/NV 2005, 2062; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 162 Rz 152).

24

f) Im Rahmen dieser Schätzung sind dann auch die Korrekturvoraussetzungen und -grenzen der jeweiligen Änderungsnorm zu beachten.

25

aa) Im Streitfall können die Überzeugungsbildung darüber, ob und ggf. in welchem Umfang überhaupt ein Wareneinkauf durch den Kläger stattgefunden hat, und eine sich ggf. anschließende Schätzung der Höhe der Aufwendungen dazu führen, dass mit den Ausgangsbescheiden bereits anerkannte Betriebsausgaben zu reduzieren oder ganz zu streichen sind. Eine solche zu Ungunsten des Klägers durchgeführte Änderung muss sich im Rahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO halten. Sie darf nur die nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen (z.B. fehlende Einkaufsnachweise) berücksichtigen. Eine darüberhinausgehende Kürzung des Betriebsausgabenabzugs wegen der fehlenden Benennung des Empfängers der zu berücksichtigenden Zahlungen nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO ist dagegen innerhalb des Korrekturrahmens des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ausgeschlossen (s. dazu ausführlich BFH-Urteil in BFHE 253, 299, BStBl II 2016, 815, Rz 32 ff.).

26

bb) Kommt das FG hingegen zur Überzeugung, dass über die in den Ausgangsbescheiden bereits anerkannten Betriebsausgaben hinaus weitere Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind, hat es die Korrekturvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 1 und 2 AO und § 177 Abs. 1 AO zu prüfen.

27

3. Im Übrigen ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass eine Versagung des in den Ausgangsbescheiden gewährten Betriebsausgabenabzugs für den Einkauf von Schrott nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht auf das Benennungsverlangen des FA oder die hierauf verweigerte Auskunft des Klägers gestützt werden konnte.

28

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Das setzt voraus, dass die betreffende Tatsache bei Erlass des Steuerbescheids bereits vorhanden war (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1988 II R 55/86, BFHE 154, 493, BStBl II 1989, 75, unter II.1.; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 173 Rz 43.1; Klein/Rüsken, AO, 13. Aufl., § 173 Rz 48, m.w.N.). Sowohl das Benennungsverlangen als auch die Verweigerung der Antwort darauf erfolgten nach Erlass der Ausgangsbescheide und scheiden daher als nachträglich bekannt gewordene Tatsachen aus (s. hierzu auch den insoweit vergleichbaren Fall des BFH-Urteils in BFHE 253, 299, BStBl II 2016, 815, Rz 17).

29

4. Das FG hat auch zutreffend entschieden, dass das Benennungsverlangen des FA oder die hierauf verweigerte Auskunft des Klägers die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerbescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht erfüllt werden. Denn ein rückwirkendes Ereignis liegt nur vor, wenn der nach dem Steuertatbestand rechtserhebliche Sachverhalt sich später anders gestaltet und sich steuerlich in der Weise in die Vergangenheit auswirkt, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.b; Senatsurteil vom 26. Juli 2012 III R 72/10, BFHE 238, 490, BStBl II 2013, 670, Rz 9). Dagegen genügt eine andere rechtliche Beurteilung des unverändert bleibenden Sachverhalts insoweit nicht. Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, also bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen, ist den Normen des materiellen Steuerrechts zu entnehmen (Senatsurteil in BFHE 238, 490, BStBl II 2013, 670, Rz 9, m.w.N.).

30

Im Streitfall wird der durch einen Wareneinkauf verwirklichte Sachverhalt, den § 4 Abs. 4 EStG für die Anerkennung einer Betriebsausgabe zugrunde legt, weder durch ein Benennungsverlangen des FA noch dessen Nichtbeantwortung in der geforderten Weise nachträglich rückwirkend verändert.

31

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 25. Juni 2015  4 K 114/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erhielt mit notariell beurkundetem Vertrag vom 21. Mai 2002 von ihrem Vater (V) eine umfangreiche Schenkung (Vorerwerb). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte für diesen Vorerwerb mit Bescheid vom 16. Juni 2005 gegen die Klägerin Schenkungsteuer in Höhe von ... € fest. Nach Durchführung einer Außenprüfung erhöhte das FA mit Änderungsbescheid vom 17. September 2009 die Schenkungsteuer auf ... €. Auf den Einspruch der Klägerin wurde der Wertansatz für das erworbene Betriebsvermögen vermindert und durch Bescheid vom 2. Dezember 2010 die Schenkungsteuer entsprechend auf ... € herabgesetzt.

2

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 9. August 2002 erwarb die Klägerin von V schenkweise weitere Vermögenswerte (Erwerb). Der Notar teilte den Erwerb dem FA am 24. September 2002 mit. Das FA setzte mit Bescheid vom 18. März 2005 Schenkungsteuer fest. Die Steuerfestsetzung wurde in der Folge mehrfach geändert, u.a. mit Bescheid vom 16. Juni 2005, in dem die Steuerfestsetzung erstmals auch vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) hinsichtlich des Vermögens aus Vorerwerben sowie der anrechenbaren Steuer aus Vorerwerben wegen noch laufender Betriebsprüfungen erklärt wurde. Des Weiteren wurde die Steuerfestsetzung mit Bescheid vom 17. September 2009 geändert, die Schenkungsteuer mit ... € festgesetzt und die Festsetzung nach § 165 Abs. 2 AO für endgültig erklärt. Schließlich wurde die Steuerfestsetzung --gestützt auf die Änderungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO-- erneut durch Schenkungsteuerbescheid vom 24. Juni 2013 geändert und die Schenkungsteuer auf ... € erhöht.

3

Der gegen diesen Bescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Der Schenkungsteuerbescheid vom 24. Juni 2013 für den Erwerb am 9. August 2002 sei rechtswidrig, da bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Der Beginn der Festsetzungsfrist bestimme sich nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO, da die geänderte Schenkungsteuerfestsetzung vom 2. Dezember 2010 für den Vorerwerb vom 21. Mai 2002 kein Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sei, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit habe. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 2038 veröffentlicht.

5

Mit seiner Revision macht das FA eine Verletzung des § 14 Abs. 1 Satz 1, 2 und 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) geltend.

6

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Schenkungsteuerbescheid vom 24. Juni 2013 rechtswidrig ist. Für den angefochtenen Änderungsbescheid gibt es keine Rechtsgrundlage.

9

1. Eine Änderung nach § 175 Abs. 1 AO ist nicht möglich. Der den Vorerwerb betreffende Bescheid vom 2. Dezember 2010 ist kein Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung für den Erwerb vom 9. August 2002. Die geänderte Steuerfestsetzung für den Vorerwerb stellt auch kein rückwirkendes Ereignis dar, das die Änderung der Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb zulässt.

10

a) Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird.

11

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bereits entschieden, dass der für den Vorerwerb ergangene Steuerbescheid für die Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb keine Bindungswirkung etwa im Sinn eines Grundlagenbescheids entfaltet (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juli 2009 II R 55/08, BFHE 225, 498, BStBl II 2009, 969, unter II.1.b).

12

b) Der angefochtene Änderungsbescheid kann auch nicht auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützt werden. Der Erlass oder die Änderung eines Schenkungsteuerbescheids für einen früheren Erwerb stellt im Hinblick auf die Besteuerung eines späteren Erwerbs kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit i.S. dieser Vorschrift dar. Die Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb ist ein von der Steuerfestsetzung für den Vorerwerb unabhängiger, selbständiger Besteuerungsvorgang.

13

aa) Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Die Änderungsvorschrift setzt voraus, dass das Ereignis nachträglich eingetreten und (nachträglich) bekannt geworden ist. Die Änderung muss sich steuerrechtlich in der Weise auswirken, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.b). Dagegen genügt eine andere rechtliche Beurteilung des unverändert bleibenden Sachverhalts nicht. Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, also bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen, ist den Normen des materiellen Steuerrechts zu entnehmen (BFH-Urteil vom 19. Januar 2017 III R 28/14, BFHE 256, 403, Rz 29).

14

bb) Auch der Erlass oder die Änderung eines Verwaltungsakts (VA) können im Einzelfall ein Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellen, welches die Änderung eines anderen Bescheids zulässt. Dabei muss sich aufgrund des (geänderten) Bescheids ein neuer Sachverhalt materiell derart auswirken, dass für die Steuerfestsetzung in dem anderen Bescheid neue Rechtsfolgen eintreten. Der BFH hat z.B. in seinem Urteil vom 9. November 1994 II R 37/91 (BFHE 176, 215, BStBl II 1995, 93), in welchem es um die Frage ging, ob die für die Wertfortschreibung auf einen späteren Zeitpunkt nach § 22 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes in der damaligen Fassung erforderliche Wertgrenze erreicht war, entschieden, dass ein Wertfortschreibungsbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben ist, wenn der diesem Bescheid vorangegangene Einheitswertbescheid nachträglich geändert wird und hierdurch die für die Wertfortschreibung auf einen späteren Stichtag erforderlichen Wertgrenzen nicht mehr erreicht werden. Da es insoweit auf den zuletzt festgestellten Einheitswert ohne Rücksicht auf dessen Richtigkeit ankommt, ist eine Änderung dieses Einheitswerts bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen, ob die Wertgrenze für eine Wertfortschreibung auf einen späteren Zeitpunkt erreicht wird.

15

cc) Diese Voraussetzungen, unter denen ein VA ein rückwirkendes Ereignis ist, das die Änderung eines Steuerbescheids zulässt, sind bei dem Erlass oder der Änderung eines Steuerbescheids für einen früheren Erwerb im Hinblick auf die Besteuerung des späteren Erwerbs nicht erfüllt. § 14 Abs. 1 ErbStG ist keine eigenständige Änderungsvorschrift.

16

(1) Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Von der Steuer für den Gesamtbetrag wird gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG die Steuer abgezogen, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Anstelle dieser fiktiven anrechenbaren Steuer ist nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG die tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher ist als die fiktive anrechenbare Steuer nach Satz 2 der Vorschrift.

17

(2) Die Steuerfestsetzung für den früheren Erwerb hat keine materiell-rechtliche Bedeutung für die Besteuerung des späteren Erwerbs.

18

§ 14 Abs. 1 ErbStG enthält eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den letzten Erwerb innerhalb eines Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist. Die Besteuerungen erfolgen unabhängig voneinander. Ziel dieser Vorschrift ist, die Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb des entsprechenden Zehnjahreszeitraums zutreffend festzusetzen. § 14 Abs. 1 ErbStG will verhindern, dass durch die Aufteilung einer beabsichtigten Zuwendung in mehrere zeitlich folgende Teilübertragungen durch mehrfache Gewährung der persönlichen Freibeträge und die Vermeidung der Steuerprogression Steuervorteile erlangt werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 498, BStBl II 2009, 969, unter II.1.a).

19

Aufgrund der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe sind die in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG einzubeziehenden Vorerwerbe dem letzten Erwerb nicht mit materiell-rechtlich unzutreffenden Werten hinzuzurechnen, selbst wenn sie den vorangegangenen Steuerfestsetzungen für diese Erwerbe zugrunde gelegt worden waren, sondern mit den materiell-rechtlich zutreffenden Werten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 498, BStBl II 2009, 969, unter II.1.b). Der richtige Wertansatz für die Vorerwerbe kann jedoch bei der Besteuerung des letzten Erwerbs nur berücksichtigt werden, wenn der Erlass oder die Änderung des Bescheids für den letzten Erwerb verfahrensrechtlich möglich ist. Die Änderung der Steuerfestsetzung für den Vorerwerb ändert ohne Hinzutritt eines rückwirkenden Ereignisses für sich allein nicht den Wertansatz, der der Besteuerung des nachfolgenden Erwerbs zugrunde zu legen ist.

20

dd) Ebenso wenig kann eine Änderung auf § 14 Abs. 2 ErbStG n.F., der durch Art. 1 Nr. 13 Buchst. b des Erbschaftsteuerreformgesetzes (ErbStRG) vom 24. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 3018) mit Wirkung vom 1. Januar 2009 in das Gesetz eingefügt wurde, gestützt werden. Zum einen ist die Vorschrift im Streitfall zeitlich nicht anwendbar. Die Anwendungsvorschrift des § 37 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des Art. 1 Nr. 29 Buchst. a ErbStRG bestimmt, dass § 14 Abs. 2 ErbStG n.F. auf Erwerbe Anwendung findet, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2008 entsteht. Zum anderen ist § 14 Abs. 2 ErbStG n.F. keine Änderungsvorschrift, sondern nach dem klaren Wortlaut eine Regelung zur Bestimmung der Festsetzungsfrist für den späteren Erwerb.

21

(1) Führt der Eintritt eines Ereignisses mit Wirkung für die Vergangenheit zu einer Veränderung des Werts eines früheren, in die Zusammenrechnung einzubeziehenden Erwerbs, endet die Festsetzungsfrist für die Änderung des Bescheids über die Steuerfestsetzung für den späteren Erwerb nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht vor dem Ende der für eine Änderung des Bescheids für den früheren Erwerb maßgebenden Festsetzungsfrist (§ 14 Abs. 2 Satz 1 ErbStG n.F.).

22

(2) § 14 Abs. 2 Satz 1 ErbStG n.F. setzt nach seinem Wortlaut den Eintritt eines Ereignisses mit Wirkung für die Vergangenheit voraus, welches zu einer Veränderung des Werts eines früheren, in die Zusammenrechnung einzubeziehenden Erwerbs führt. Der Gesetzgeber wollte dadurch sicherstellen, dass bei einem nachträglichen, auf den Zeitpunkt der Steuerfestsetzung zurückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigungen nach § 13a und/oder § 19a ErbStG für einen früheren Erwerb die Festsetzungsfrist für einen späteren Erwerb, auf den sich dieses rückwirkende Ereignis im Rahmen der Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 ErbStG ebenfalls auswirkt, nicht vor dem Ablauf der Festsetzungsfrist für den früheren Erwerb abläuft (vgl. Bericht des Finanzausschusses vom 26. November 2008, BTDrucks 16/11107, S. 12). Der Gesetzgeber berücksichtigt damit die in derartigen Fällen bestehenden besonderen Regelungen für die Festsetzungsfrist für den früheren Erwerb (vgl. z.B. § 13a Abs. 6 Satz 3 ErbStG in der vom 1. Januar 2009 bis 30. Juni 2016 geltenden Fassung und § 19a Abs. 5 Satz 3 ErbStG in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung).

23

Ob die Voraussetzungen für den erstmaligen Erlass oder die Änderung eines Steuerbescheids für den späteren Erwerb erfüllt sind, ist auch in diesem Zusammenhang bei der Steuerfestsetzung für diesen Erwerb eigenständig zu prüfen. Der Steuerfestsetzung für den früheren Erwerb kommt insoweit ebenfalls keine materiell-rechtliche Bedeutung zu.

24

2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht entschieden, dass der Schenkungsteuerbescheid vom 24. Juni 2013 rechtswidrig ist. Die Festsetzung der Schenkungsteuer für den Erwerb vom 9. August 2002 wurde durch Bescheid vom 17. September 2009 nach § 165 Abs. 2 AO für endgültig erklärt und war bestandskräftig. Eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO war nicht möglich. Die Voraussetzungen von anderen Änderungsvorschriften waren ebenso wenig erfüllt.

25

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

(1) Für nach § 3a Absatz 2 im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind.

(2) Für folgende steuerpflichtige Umsätze entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats:

1.
Werklieferungen und nicht unter Absatz 1 fallende sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers;
2.
Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens;
3.
Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen;
4.
Bauleistungen, einschließlich Werklieferungen und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. Als Grundstücke gelten insbesondere auch Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern. Nummer 1 bleibt unberührt;
5.
Lieferungen
a)
der in § 3g Absatz 1 Satz 1 genannten Gegenstände eines im Ausland ansässigen Unternehmers unter den Bedingungen des § 3g und
b)
von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität, die nicht unter Buchstabe a fallen;
6.
Übertragung von Berechtigungen nach § 3 Nummer 3 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes, Emissionsreduktionseinheiten nach § 2 Nummer 20 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes, zertifizierten Emissionsreduktionen nach § 2 Nummer 21 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes, Emissionszertifikaten nach § 3 Nummer 2 des Brennstoffemissionshandelsgesetzes sowie von Gas- und Elektrizitätszertifikaten;
7.
Lieferungen der in der Anlage 3 bezeichneten Gegenstände;
8.
Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen. Nummer 1 bleibt unberührt;
9.
Lieferungen von Gold mit einem Feingehalt von mindestens 325 Tausendstel, in Rohform oder als Halbzeug (aus Position 7108 des Zolltarifs) und von Goldplattierungen mit einem Goldfeingehalt von mindestens 325 Tausendstel (aus Position 7109);
10.
Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern und Spielekonsolen sowie von integrierten Schaltkreisen vor Einbau in einen zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeigneten Gegenstand, wenn die Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 Euro beträgt; nachträgliche Minderungen des Entgelts bleiben dabei unberücksichtigt;
11.
Lieferungen der in der Anlage 4 bezeichneten Gegenstände, wenn die Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 Euro beträgt; nachträgliche Minderungen des Entgelts bleiben dabei unberücksichtigt;
12.
sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation. Nummer 1 bleibt unberührt.

(3) Abweichend von den Absatz 1 und 2 Nummer 1 entsteht die Steuer für sonstige Leistungen, die dauerhaft über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erbracht werden, spätestens mit Ablauf eines jeden Kalenderjahres, in dem sie tatsächlich erbracht werden.

(4) Bei der Anwendung der Absätze 1 bis 3 gilt § 13 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a Satz 2 und 3 entsprechend. Wird in den in den Absätzen 1 bis 3 sowie in den in Satz 1 genannten Fällen das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist.

(5) In den in den Absätzen 1 und 2 Nummer 1 bis 3 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person ist; in den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe a, Nummer 6, 7, 9 bis 11 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist. In den in Absatz 2 Nummer 4 Satz 1 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Leistung im Sinne des Absatzes 2 Nummer 4 Satz 1 verwendet, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Bei den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe b genannten Lieferungen von Erdgas schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Wiederverkäufer von Erdgas im Sinne des § 3g ist. Bei den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe b genannten Lieferungen von Elektrizität schuldet der Leistungsempfänger in den Fällen die Steuer, in denen der liefernde Unternehmer und der Leistungsempfänger Wiederverkäufer von Elektrizität im Sinne des § 3g sind. In den in Absatz 2 Nummer 8 Satz 1 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Leistung im Sinne des Absatzes 2 Nummer 8 Satz 1 verwendet, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Bei den in Absatz 2 Nummer 12 Satz 1 genannten Leistungen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Leistungen in deren Erbringung besteht und dessen eigener Verbrauch dieser Leistungen von untergeordneter Bedeutung ist; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Die Sätze 1 bis 6 gelten vorbehaltlich des Satzes 10 auch, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird. Sind Leistungsempfänger und leistender Unternehmer in Zweifelsfällen übereinstimmend vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 Nummer 4, 5 Buchstabe b, Nummer 7 bis 12 ausgegangen, obwohl dies nach der Art der Umsätze unter Anlegung objektiver Kriterien nicht zutreffend war, gilt der Leistungsempfänger dennoch als Steuerschuldner, sofern dadurch keine Steuerausfälle entstehen. Die Sätze 1 bis 7 gelten nicht, wenn bei dem Unternehmer, der die Umsätze ausführt, die Steuer nach § 19 Absatz 1 nicht erhoben wird. Die Sätze 1 bis 9 gelten nicht, wenn ein in Absatz 2 Nummer 2, 7 oder 9 bis 11 genannter Gegenstand von dem Unternehmer, der die Lieferung bewirkt, unter den Voraussetzungen des § 25a geliefert wird. In den in Absatz 2 Nummer 4, 5 Buchstabe b und Nummer 7 bis 12 genannten Fällen schulden juristische Personen des öffentlichen Rechts die Steuer nicht, wenn sie die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich beziehen.

(6) Die Absätze 1 bis 5 finden keine Anwendung, wenn die Leistung des im Ausland ansässigen Unternehmers besteht

1.
in einer Personenbeförderung, die der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Absatz 5) unterlegen hat,
2.
in einer Personenbeförderung, die mit einem Fahrzeug im Sinne des § 1b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 durchgeführt worden ist,
3.
in einer grenzüberschreitenden Personenbeförderung im Luftverkehr,
4.
in der Einräumung der Eintrittsberechtigung für Messen, Ausstellungen und Kongresse im Inland,
5.
in einer sonstigen Leistung einer Durchführungsgesellschaft an im Ausland ansässige Unternehmer, soweit diese Leistung im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Messen und Ausstellungen im Inland steht, oder
6.
in der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (Restaurationsleistung), wenn diese Abgabe an Bord eines Schiffs, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn erfolgt.

(7) Ein im Ausland ansässiger Unternehmer im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 und 5 ist ein Unternehmer, der im Inland, auf der Insel Helgoland und in einem der in § 1 Absatz 3 bezeichneten Gebiete weder einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung noch eine Betriebsstätte hat; dies gilt auch, wenn der Unternehmer ausschließlich einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Ausland hat. Ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer ist ein Unternehmer, der in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte hat; dies gilt nicht, wenn der Unternehmer ausschließlich einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Drittlandsgebiet hat. Hat der Unternehmer im Inland eine Betriebsstätte und führt er einen Umsatz nach Absatz 1 oder Absatz 2 Nummer 1 oder Nummer 5 aus, gilt er hinsichtlich dieses Umsatzes als im Ausland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig, wenn die Betriebsstätte an diesem Umsatz nicht beteiligt ist. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die Leistung ausgeführt wird. Ist es zweifelhaft, ob der Unternehmer diese Voraussetzungen erfüllt, schuldet der Leistungsempfänger die Steuer nur dann nicht, wenn ihm der Unternehmer durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständigen Finanzamts nachweist, dass er kein Unternehmer im Sinne der Sätze 1 und 2 ist.

(8) Bei der Berechnung der Steuer sind die §§ 19 und 24 nicht anzuwenden.

(9) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Absatz 1 Satz 3), der andere an Stelle des Leistungsempfängers Steuerschuldner nach Absatz 5 ist.

(10) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung den Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach den Absätzen 2 und 5 auf weitere Umsätze erweitern, wenn im Zusammenhang mit diesen Umsätzen in vielen Fällen der Verdacht auf Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall aufgetreten ist, die voraussichtlich zu erheblichen und unwiederbringlichen Steuermindereinnahmen führen. Voraussetzungen für eine solche Erweiterung sind, dass

1.
die Erweiterung frühestens zu dem Zeitpunkt in Kraft treten darf, zu dem die Europäische Kommission entsprechend Artikel 199b Absatz 3 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der Fassung von Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie 2013/42/EU (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 1) mitgeteilt hat, dass sie keine Einwände gegen die Erweiterung erhebt;
2.
die Bundesregierung einen Antrag auf eine Ermächtigung durch den Rat entsprechend Artikel 395 der Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 2013/42/EG (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 1) gestellt hat, durch die die Bundesrepublik Deutschland ermächtigt werden soll, in Abweichung von Artikel 193 der Richtlinie 2006/112/EG, die zuletzt durch die Richtlinie 2013/61/EU (ABl. L 353 vom 28.12.2013, S. 5) geändert worden ist, die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für die von der Erweiterung nach Nummer 1 erfassten Umsätze zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen einführen zu dürfen;
3.
die Verordnung nach neun Monaten außer Kraft tritt, wenn die Ermächtigung nach Nummer 2 nicht erteilt worden ist; wurde die Ermächtigung nach Nummer 2 erteilt, tritt die Verordnung außer Kraft, sobald die gesetzliche Regelung, mit der die Ermächtigung in nationales Recht umgesetzt wird, in Kraft tritt.

Tenor

1. Die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2013 vom 25. Juni 2016 und die Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2016 werden dahingehend abgeändert, dass die Umsatzsteuer für 2011 auf 0 EUR, für 2012 auf 1.419,31 € und für 2013 auf 4.444,94 € festgesetzt wird.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin errichtete in den Streitjahren (2011 bis 2013) Gebäude. Ganz überwiegend veräußerte sie diese anschließend an Dritte. Diese Umsätze unterfielen der Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung der Streitjahre (UStG). Im geringen Umfang behielt sie Gebäudeteile für sich und vermietete sie steuerfrei.

Für die Errichtung der Gebäude bezog sie Bauleistungen von in Deutschland ansässigen Dritten, welche mit der Klägerin übereinstimmend davon ausgingen, dass die Klägerin als Leistungsempfängerin Steuerschuldnerin war, und ihr Nettorechnungen stellten.

In ihren Steuererklärungen für die Streitjahre erklärte sie dementsprechend Steuer nach § 13b UStG in Höhe von 31.688,06 EUR in 2011, in Höhe von 201.677,65 EUR in 2012 sowie in Höhe von 318.956,24 EUR in 2013. Darin enthalten war auch die Steuer für Leistungsbezüge von einem italienischen Unternehmen sowie für die Erstellung eines Einbau-Bücher-Regals von einem in Deutschland ansässigen Schreiner. Die Jahressteuer errechnete sie in Höhe von 31.688,06 EUR für 2011, in Höhe von 203.096 EUR für 2012 und in Höhe von 318.956,24 EUR für 2013. Diese Erklärungen führten zu Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Mit Bescheiden vom 25. Juni 2016 hob der Beklagte (das Finanzamt – FA -) jeweils den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Hiergegen legte die Klägerin mit der Begründung Einspruch ein, nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 V R 37/10 (BStBl II 2014, 128) sei sie nicht Steuerschuldnerin.

Mit Schreiben vom 30. Juli 2015 bat das FA die Klägerin u. a. darum, Name, Anschrift und Steuernummer des leistenden Unternehmers anzugeben. Dem kam die Klägerin nicht nach. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2016 als unbegründet zurück, weil die Klägerin angeforderte Unterlagen nicht vorgelegt habe.

Am 10. Februar 2016 erhob die Klägerin Klage, mit der sie ihr Ziel weiterverfolgt. Dabei stellt sie ihre Steuerschuld für den Leistungsbezug von dem in Italien ansässigen Unternehmer nicht infrage.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2013 vom 25. Juni 2016 und die Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2016 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer für 2011 auf 0 EUR, für 2012 auf 1.419,31 € und für 2013 auf 4.444,94 € festgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Da die Klägerin offenbar auch für ein Bücherregal beantragt habe, dieses nach den Grund-sätzen des § 13b UStG zu erfassen, seien die angeforderten Nachweis zwingend erforderlich gewesen. Die Klägerin führe auch Bauten auf fremde Rechnung aus. Im Wesentlichen vermarkte sie eigene Grundstücke. Würden aber die Verträge mit den Kunden bereits zu einem Zeitpunkt geschlossen, in dem der Kunde noch Einfluss auf die Bauausführung und Baugestaltung habe, lägen regelmäßig – unabhängig vom Umfang der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG – Werk- oder Werklieferungen mit der Folge vor, dass der Bauträger eine Bauleistung erbringe. Auch die Umsätze als Bauunternehmer seien im Hinblick auf eine Nettoabrede und einer gegebenenfalls erforderlichen Rechnungsberichtigung unter Anwendung von § 17 UStG zu prüfen (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 27. Januar 2016 V B 87/15, BFH/NV, 2016, 716).

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 10. Oktober 2017 Bezug genommen.

II.

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin schuldet die Steuer für die von ihr bezogenen Bauleistungen nicht gemäß § 13b UStG. Die Vorschrift des § 17 UStG ist – auch im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben – nicht entsprechend anzuwenden. Unerheblich ist, ob die Klägerin nachgewiesen hat, ob sie die Umsatzsteuer an den leistenden Unternehmer nachträglich bezahlt hat oder ob mit dem Erstattungsanspruch gegen nach § 27 Abs. 19 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25. Juli 2014 (BGBl I 2014, 1266 – UStG n. F. –) vom leistenden Unternehmer an die Finanzbehörde abgetretene (zivilrechtliche) Forderungen aufgerechnet werden kann (a.A. Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen – BMF – vom 26. Juli 2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a).

1. Die Klägerin ist nicht als Leistungsempfängerin Steuerschuldnerin nach § 13b UStG.

a) Gem. § 13b Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung bis 30. Juni 2010 (UStG 2008) schuldet in den in § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG 2008 genannten Fällen der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen im Sinne des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG 2008 erbringt. Letztere Vorschrift umfasst Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen (sog. Bauleistungen). Eine vergleichbare Regelung enthalten § 13b Abs. 5 Satz 2, Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung ab 1. Juli 2010 (UStG 2010).

Erforderlich ist, dass der Leistungsempfänger die bezogenen Bauleistungen seinerseits wieder für eine derartige Leistung verwendet (BFH-Urteil in BStBl II 2011, 842 für das Umsatzsteuergesetz in der Fassung des Jahres 2005; BFH-Urteil vom 11. Dezember 2013 XI R 21/11, BStBl II 2014, 425 für das Umsatzsteuergesetz in der Fassung des Jahres 2007; Urteil des Finanzgerichts – FG – Münster vom 31. Januar 2017 15 K 3998/15 U, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2017, 527; FG Düsseldorf vom 28. April 2017 1 K 2634/15 U, EFG 2017, 1217, Rev. XI R 21/17).

Der Begriff der Werklieferung in § 13b UStG entspricht dem in § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG. Danach sind Werklieferungen Lieferungen, bei denen der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen hat und hierbei Stoffe verwendet, die er selbst beschafft, wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt dies auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden. § 3 Abs. 4 UStG betrifft einheitliche, aus Liefer- und Dienstleistungselementen bestehende Leistungen in Form der Be- und Verarbeitung eines nicht dem Leistenden gehörenden Gegenstandes und ist richtlinienkonform entsprechend den unionsrechtlichen Grundsätzen zur Abgrenzung von Lieferung und Dienstleistung auszulegen. Dementsprechend ist zu unterscheiden, ob der Leistungsempfänger Generalunternehmer, welcher regelmäßig auf fremden Grund baut, oder Bauträger ist, welcher grundsätzlich eigene Grundstücke bebaut. Sind die Leistungen, für welche die Bauleistungen bezogen wurden, nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei, so erbringt der Leistungsempfänger eine Lieferung und er handelt als Bauträger. Dies gilt – entgegen der Auffassung des FA – unabhängig davon, ob die Erwerber der von der Klägerin veräußerten Immobilien entsprechend einer später veröffentlichten Verwaltungsregelung (Abschn. 13b.3 Abs. 8 Sätze 6 und 7 des Umsatzsteueranwendungserlasses – UStAE – in der Fassung des BMF-Schreibens vom 12. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1289) „Einfluss auf die Bauausführung und Baugestaltung“ genommen haben (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2011, 842, Rz 34 f., 51 f., 59).

b) Danach schuldet die Klägerin die hier streitigen Leistungen nicht nach § 13b UStG. Denn sie verwandte sie nicht für Bauleistungen, sondern ganz überwiegend für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstückslieferung, und im Übrigen für Vermietungen. Soweit die Klägerin hinsichtlich des Einbau-Bücher-Regals keine Bauleistungen von dem in Deutschland ansässigen Schreiner bezogen haben sollte, kommt von vornherein die Anwendung des § 13b UStG nicht in Betracht.

2. Die Vorschrift des § 17 UStG ist hier nicht anzuwenden.

a) Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG liegen nicht vor. Uneinbringlich i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG ist hier nicht das vereinbarte Entgelt, sondern allenfalls der sich auf die Leistung beziehende Steuerbetrag (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV, 2016,716, Rz 21; FG-Düsseldorf in EFG 2017, 1217, unter I.2.a. der Entscheidungsgründe).

b) Die Vorschrift des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG ist nicht entsprechend anzuwenden (FG Münster in EFG 2017, 527; FG Düsseldorf in EFG 2017, 1217; a.A. FG Baden-Württemberg vom 19. Mai 2016, 1 K 3504/15, EFG 2016, 1826). Der BFH hat dies in seinem Beschluss in BFH/NV, 2016,716, Rz 21, 25 für möglich gehalten, weil die Verwaltungsauffassung die Uneinbringlichkeit des materiell-rechtlich geschuldeten Steuerbetrags verursacht habe. Hinsichtlich der Begründung für die Ablehnung der entsprechenden Anwendung verweist der Senat zunächst auf das Urteil des FG Düsseldorf in EFG 2017, 1217 unter I.2.b. und I.2.c. der Entscheidungsgründe.

Hinzu kommt, dass der BFH nach Auffassung des Senats in seinem Urteil vom 23. Februar 2017 V R 16/16, V R 24/16 (BStBl II 2017, 760) die Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG inzident ausgeschlossen hat. Dort führte der BFH in Rz 62 aus, dass es auf eine mögliche Anwendung dieser Vorschrift nicht mehr ankomme. Nach dem Urteil war die Steuerfestsetzung durch Änderungsbescheid gegenüber dem Leistenden rechtmäßig. Dies setzt zum einen eine Änderungsbefugnis für das Finanzamt voraus, die sich gem. dem Urteil aus § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG n. F. ergab. Jedoch ist ebenso erforderlich, dass materiell-rechtlich ein Steueranspruch gegen den Leistenden bestand. Die Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG hätte diesen aber ausgeschlossen, so dass der Änderungsbescheid nur dann rechtmäßig ist, wenn diese Vorschrift nicht (entsprechend) gilt (vgl. Lippross Deutsches Steuerrecht –DStR – 2017, 1297, 1298).

3. Unerheblich ist, ob die Klägerin die Steuer nachträglich an die leistenden Unternehmer zahlte oder, ob das FA mit dem Erstattungsanspruch gegen nach § 27 Abs. 19 UStG n. F. vom leistenden Unternehmer an die Finanzbehörde abgetretene (zivilrechtliche) Forderungen aufrechnen kann (a.A. BMF-Schreiben vom 26. Juli 2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a).

Eine solches Erfordernis ergibt sich weder aus dem § 27 Abs. 19 UStG noch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben noch aus dem Unionsrecht.

a) Die Vorschrift des § 27 Abs. 19 UStG n. F. befasst sich nicht mit der Steuerschuld des Leistungsempfängers und erweitert sie deswegen nicht: Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15. Februar 2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein (§ 27 Abs. 19 Satz 1 UStG n. F.). § 176 der Abgabenordnung (AO) steht der Änderung nach Satz 1 nicht entgegen (§ 27 Abs. 19 Satz 2 UStG n. F.). Das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt kann auf Antrag zulassen, dass der leistende Unternehmer dem Finanzamt den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer abtritt, wenn die Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte und der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirkt (§ 27 Abs. 19 Satz 3 UStG n. F.). Satz 4 der Vorschrift enthält Regelungen, wann die Abtretung zu Gunsten des Leistenden an Zahlungs statt wirkt.

§ 27 Abs. 19 Satz 1 UStG n. F. ist eine Änderungsbefugnis für das FA bei der Festsetzung der Steuer des Leistenden. Sie kann zu dessen Lasten nur dann geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht. Das FA hat eine Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG auch dann anzunehmen, wenn der Steueranspruch bereits durch Zahlung getilgt war. Auf das Vorliegen einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis kommt es nicht an (BFH-Urteil in BStBl II 2017, 760).

Die gesamte Vorschrift des § 27 Abs. 19 UStG n. F. beschränkt sich somit auf Regelungen hinsichtlich des Leistenden, das Erstattungsverlangen des Leistungsempfängers wird lediglich in § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG n. F. erwähnt. Der Erstattungsanspruch des Leistungsempfängers ist der Grund für die Regelungen in § 27 Abs. 19 UStG n. F. hinsichtlich des Leistenden, er wird in der Vorschrift also vorausgesetzt (vgl. BT-Drucks. 18/1995, S. 99 f., 111).

b) Der Grundsatz von Treu und Glauben vermag keine Steuerschuld des Leistungsempfängers zu begründen. Zwar ist er in allen Rechtsgebieten allgemein anerkannt und gebietet es innerhalb eines bestehenden Steuerrechtsverhältnisses für Steuergläubiger wie Steuerpflichtige gleichermaßen, dass jeder auf die Belange des anderen Teils Rücksicht nimmt. Damit nicht zu vereinbaren ist insbesondere ein widersprüchliches Verhalten. Allerdings haben diese Grundsätze lediglich rechtsbegrenzende Wirkung innerhalb bestehender Schuldverhältnisse und setzen demnach eine Identität der Rechtssubjekte voraus. Sie können nicht dazu führen, dass Steueransprüche oder -schulden überhaupt erst zum Entstehen oder Erlöschen gebracht werden (BFH-Urteil vom 12. Februar 2015 V R 28/14, BStBl II 2017, 10, Rz 31 f.; FG Düsseldorf in EFG 2017, 1217 unter I.2.c. der Entscheidungsgründe).

c) Schließlich ergibt sich aus dem Unionsrecht keine Steuerschuld des Klägers.

aa) Das Unionsrecht verbietet es nicht, dass ein nationales Rechtssystem die Erstattung von zu Unrecht erhobenen Steuern unter Umständen ablehnt, die zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führen würden (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union – EuGH – vom 18. Juni 2009 C-566/07, Stadeco, BFH/NV 2009, 1371, ECLI:ECLI:EU:C:2009:380, Rn 48, m.w.N.; vom 16. Mai 2013 C-191/12, Alakor Gabonatermelö es Forgalmazo, Höchstrichterliche Rechtsprechung – HFR – 2013, 654, ECLI:ECLI:EU:C:2013:315, Rn 25, m.w.N.).

Unabhängig davon, ob diese Grundsätze im nationalen Recht das Festsetzungs- oder Erhebungsverfahren beträfen, setzen sie eine nationale Regelung voraus, die dies vorsieht. Das ist aber – wie dargelegt – nicht der Fall. Eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts ist insoweit nicht geboten, weil es sich nicht um eine zwingende Vorgabe des Unionsrechts handelt, vielmehr jenes eine solche Regelung den Mitgliedstaaten freistellt.

bb) Aus dem unionsrechtlichen Grundsatz der Neutralität ergibt sich nichts anderes. Danach soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden (BFH-Urteil in BStBl II 2017, 760, Rz 39, m.w.N.). Eine Belastung des Steuerpflichtigen sieht er nicht vor. Darüber hinaus hat der Grundsatz der Neutralität die Bedeutung, dass gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich zu behandeln sind (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2016 C-38/16, Mehrwertsteuer-Recht – MwStR – 2017, 663, ECLI:ECLI:EU:C:2017:454, Rn 21, m.w.N.). Einen Wettbewerbsvorteil erhielte aber zunächst der Leistende, wenn seine Steuer nicht festgesetzt würde. Die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Steuer des Leistungsempfängers würde bei diesem allenfalls dann (mittelbar) zu Wettbewerbsvorteilen führen, wenn er dem Leistenden seinerseits die diesem zustehende Umsatzsteuer nicht bezahlte. Diese Situation einer „ungerechtfertigten Bereicherung“ im weiteren Sinne setzt aber eine nationale Regelung voraus (vgl. II.3.c.aa. der Gründe). Ferner ist der Grundsatz der steuerlichen Neutralität keine Regel des Primärrechts, sondern ein Auslegungsgrundsatz, der neben dem Grundsatz anzuwenden ist, den er einschränkt. Er erlaubt es z. B. nicht, den Anwendungsbereich des Vorsteuerabzugsrechts gegenüber einer eindeutigen Bestimmung auszuweiten (EuGH-Urteil vom 13. März 2014 C-204/13, Marlburg, MwStR 2014, 270, ECLI:ECLI:EU:C:2014:147, Rn 43; BFH-Urteil vom 31. Mai 2017 XI R 40/14, DStR 2017, 1923, Rz 52). Daher ist der Senat der Auffassung, dass der Grundsatz der Neutralität für sich genommen keine Steuerschuld des Leistungsempfängers zu begründen vermag.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Anwendung des § 137 Abs. 1 Satz 1 FGO zu Lasten der Klägerin kommt nicht in Betracht, weil die Entscheidung des FA bei rechtzeitiger Vorlage der Namen und Adressen der Leistenden genauso ausgefallen wäre (vgl. BFH-Urteil vom 22. April 2004 V R 72/03, BStBl II 2004, 684, unter II.2.b. der Gründe). Die Namen und Adressen der Leistenden waren zwar zur Beurteilung einer Steuerpflicht der Klägerin nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 UStG 2008 oder § 13 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 UStG 2010 erforderlich gewesen. Das FA hätte aber dem Einspruch dennoch nicht stattgegeben. Denn es hat im Klageverfahren behauptet, die Klägerin errichte auch Bauten auf fremden Grund sowie für die Eigenschaft als Bauträgerin reiche eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG nicht aus, und auch deswegen insgesamt die Klageabweisung beantragt.

5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

6. Die Revision wird im Hinblick auf die bereits anhängige Revision XI R 21/17 und das Urteil des FG Baden-Württemberg in EFG 2016, 1826 gem. § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

(1) Änderungen dieses Gesetzes sind, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten der maßgeblichen Änderungsvorschrift ausgeführt werden. Das gilt für Lieferungen und sonstige Leistungen auch insoweit, als die Steuer dafür nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4, Buchstabe b oder § 13b Absatz 4 Satz 2 vor dem Inkrafttreten der Änderungsvorschrift entstanden ist. Die Berechnung dieser Steuer ist für den Voranmeldungszeitraum zu berichtigen, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt wird.

(1a) § 4 Nr. 14 ist auf Antrag auf vor dem 1. Januar 2000 erbrachte Umsätze aus der Tätigkeit als Sprachheilpädagoge entsprechend anzuwenden, soweit der Sprachheilpädagoge gemäß § 124 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch von den zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen umfassend oder für bestimmte Teilgebiete der Sprachtherapie zur Abgabe von sprachtherapeutischen Heilmitteln zugelassen ist und die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 spätestens zum 1. Januar 2000 erfüllt. Bestandskräftige Steuerfestsetzungen können insoweit aufgehoben oder geändert werden.

(2) § 9 Abs. 2 ist nicht anzuwenden, wenn das auf dem Grundstück errichtete Gebäude

1.
Wohnzwecken dient oder zu dienen bestimmt ist und vor dem 1. April 1985 fertiggestellt worden ist,
2.
anderen nichtunternehmerischen Zwecken dient oder zu dienen bestimmt ist und vor dem 1. Januar 1986 fertiggestellt worden ist,
3.
anderen als in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Zwecken dient oder zu dienen bestimmt ist und vor dem 1. Januar 1998 fertiggestellt worden ist,
und wenn mit der Errichtung des Gebäudes in den Fällen der Nummern 1 und 2 vor dem 1. Juni 1984 und in den Fällen der Nummer 3 vor dem 11. November 1993 begonnen worden ist.

(3) § 14 Abs. 1a in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung ist auf Rechnungen anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2002 ausgestellt werden, sofern die zugrunde liegenden Umsätze bis zum 31. Dezember 2003 ausgeführt wurden.

(4) Die §§ 13b, 14 Abs. 1, § 14a Abs. 4 und 5 Satz 3 Nr. 3, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 4b, § 17 Abs. 1 Satz 1, § 18 Abs. 4a Satz 1, § 19 Abs. 1 Satz 3, § 22 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Nr. 8, § 25a Abs. 5 Satz 3 in der jeweils bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung sind auch auf Umsätze anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2002 ausgeführt worden sind, soweit das Entgelt für diese Umsätze erst nach dem 31. Dezember 2001 gezahlt worden ist. Soweit auf das Entgelt oder Teile des Entgelts für nach dem 31. Dezember 2001 ausgeführte Umsätze vor dem 1. Januar 2002 das Abzugsverfahren nach § 18 Abs. 8 in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung angewandt worden ist, mindert sich die vom Leistungsempfänger nach § 13b geschuldete Steuer um die bisher im Abzugsverfahren vom leistenden Unternehmer geschuldete Steuer.

(5) § 3 Abs. 9a Satz 2, § 15 Abs. 1b, § 15a Abs. 3 Nr. 2 und § 15a Abs. 4 Satz 2 in der jeweils bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung sind auf Fahrzeuge anzuwenden, die nach dem 31. März 1999 und vor dem 1. Januar 2004 angeschafft oder hergestellt, eingeführt, innergemeinschaftlich erworben oder gemietet worden sind und für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1b vorgenommen worden ist. Dies gilt nicht für nach dem 1. Januar 2004 anfallende Vorsteuerbeträge, die auf die Miete oder den Betrieb dieser Fahrzeuge entfallen.

(6) Umsätze aus der Nutzungsüberlassung von Sportanlagen können bis zum 31. Dezember 2004 in eine steuerfreie Grundstücksüberlassung und in eine steuerpflichtige Überlassung von Betriebsvorrichtungen aufgeteilt werden.

(7) § 13c ist anzuwenden auf Forderungen, die nach dem 7. November 2003 abgetreten, verpfändet oder gepfändet worden sind.

(8) § 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3794) ist auch für Zeiträume vor dem 1. Januar 2002 anzuwenden, wenn der Unternehmer den Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Leistungsbezugs auf Grund der von ihm erklärten Verwendungsabsicht in Anspruch genommen hat und die Nutzung ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung mit den für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen nicht übereinstimmt.

(9) § 18 Abs. 1 Satz 1 ist erstmals auf Voranmeldungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2004 enden.

(10) § 4 Nr. 21a in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung ist auf Antrag auf vor dem 1. Januar 2005 erbrachte Umsätze der staatlichen Hochschulen aus Forschungstätigkeit anzuwenden, wenn die Leistungen auf einem Vertrag beruhen, der vor dem 3. September 2003 abgeschlossen worden ist.

(11) § 15a in der Fassung des Artikels 5 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3310) ist auf Vorsteuerbeträge anzuwenden, deren zugrunde liegende Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 nach dem 31. Dezember 2004 ausgeführt werden.

(12) Auf Vorsteuerbeträge, deren zugrunde liegende Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 nach dem 31. Dezember 2006 ausgeführt werden, ist § 15a Abs. 3 und 4 in der am 1. Januar 2007 geltenden Fassung anzuwenden.

(13) § 18a Abs. 1 Satz 1, 4 und 5 in der Fassung des Artikels 7 des Gesetzes vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2878) ist erstmals auf Meldezeiträume anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2006 enden.

(14) § 18 Abs. 9 in der Fassung des Artikels 7 des Gesetzes vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794) und § 18g sind auf Anträge auf Vergütung von Vorsteuerbeträgen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2009 gestellt werden.

(15) § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und § 14 Abs. 3 Nr. 2 in der jeweils ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung sind auf alle Rechnungen über Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2008 ausgeführt werden.

(16) § 3 Absatz 9a Nummer 1, § 15 Absatz 1b, § 15a Absatz 6a und 8 Satz 2 in der Fassung des Artikels 4 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1768) sind nicht anzuwenden auf Wirtschaftsgüter im Sinne des § 15 Absatz 1b, die auf Grund eines vor dem 1. Januar 2011 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft worden sind oder mit deren Herstellung vor dem 1. Januar 2011 begonnen worden ist. Als Beginn der Herstellung gilt bei Gebäuden, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird; bei baugenehmigungsfreien Gebäuden, für die Bauunterlagen einzureichen sind, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden.

(17) § 18 Absatz 3 in der Fassung des Artikels 4 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1768) ist erstmals auf Besteuerungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2010 enden.

(18) § 14 Absatz 1 und 3 ist in der ab 1. Juli 2011 geltenden Fassung auf alle Rechnungen über Umsätze anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2011 ausgeführt werden.

(19) Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b auf eine vor dem 15. Februar 2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein. § 176 der Abgabenordnung steht der Änderung nach Satz 1 nicht entgegen. Das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt kann auf Antrag zulassen, dass der leistende Unternehmer dem Finanzamt den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer abtritt, wenn die Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte und der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirkt. Die Abtretung wirkt an Zahlungs statt, wenn

1.
der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger eine erstmalige oder geänderte Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellt,
2.
die Abtretung an das Finanzamt wirksam bleibt,
3.
dem Leistungsempfänger diese Abtretung unverzüglich mit dem Hinweis angezeigt wird, dass eine Zahlung an den leistenden Unternehmer keine schuldbefreiende Wirkung mehr hat, und
4.
der leistende Unternehmer seiner Mitwirkungspflicht nachkommt.

(20) § 18h Absatz 3 und 4 in der Fassung des Artikels 8 des Gesetzes vom 25. Juli 2014 (BGBl. I S. 1266) ist erstmals auf Besteuerungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2014 enden.

(21) § 18 Absatz 2 in der am 1. Januar 2015 geltenden Fassung ist erstmals auf Voranmeldungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2014 enden.

(22) § 2 Absatz 3 in der am 31. Dezember 2015 geltenden Fassung ist auf Umsätze, die nach dem 31. Dezember 2015 und vor dem 1. Januar 2017 ausgeführt werden, weiterhin anzuwenden. § 2b in der am 1. Januar 2016 geltenden Fassung ist auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2016 ausgeführt werden. Die juristische Person des öffentlichen Rechts kann dem Finanzamt gegenüber einmalig erklären, dass sie § 2 Absatz 3 in der am 31. Dezember 2015 geltenden Fassung für sämtliche nach dem 31. Dezember 2016 und vor dem 1. Januar 2021 ausgeführte Leistungen weiterhin anwendet. Eine Beschränkung der Erklärung auf einzelne Tätigkeitsbereiche oder Leistungen ist nicht zulässig. Die Erklärung ist bis zum 31. Dezember 2016 abzugeben. Sie kann nur mit Wirkung vom Beginn eines auf die Abgabe folgenden Kalenderjahres an widerrufen werden. § 18 Absatz 4f und 4g ist erstmals auf Besteuerungszeiträume anzuwenden, die nicht der Erklärung nach Satz 3 unterliegen.

(22a) Hat eine juristische Person des öffentlichen Rechts gegenüber dem Finanzamt gemäß Absatz 22 Satz 3 erklärt, dass sie § 2 Absatz 3 in der am 31. Dezember 2015 geltenden Fassung für sämtliche nach dem 31. Dezember 2016 und vor dem 1. Januar 2021 ausgeführte Leistungen weiterhin anwendet und die Erklärung für vor dem 1. Januar 2023 endende Zeiträume nicht widerrufen, gilt die Erklärung auch für sämtliche Leistungen, die nach dem 31. Dezember 2020 und vor dem 1. Januar 2025 ausgeführt werden. Die Erklärung nach Satz 1 kann auch für Zeiträume nach dem 31. Dezember 2020 nur mit Wirkung vom Beginn eines auf die Abgabe folgenden Kalenderjahres an widerrufen werden. Es ist nicht zulässig, den Widerruf auf einzelne Tätigkeitsbereiche oder Leistungen zu beschränken.

(23) § 3 Absatz 13 bis 15 sowie § 10 Absatz 1 Satz 6 in der Fassung des Artikels 9 des Gesetzes vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2338) sind erstmals auf Gutscheine anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2018 ausgestellt werden.

(24) § 3a Absatz 5 Satz 3 bis 5 und § 14 Absatz 7 Satz 3 in der Fassung des Artikels 9 des Gesetzes vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2338) sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2018 ausgeführt werden. § 18 Absatz 4c Satz 1 und Absatz 4d in der Fassung des Artikels 9 des Gesetzes vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2338) ist auf Besteuerungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2018 enden.

(25) Das Bundesministerium der Finanzen teilt den Beginn, ab dem Daten nach § 22f Absatz 5 auf Anforderung zu übermitteln sind, durch ein im Bundessteuerblatt zu veröffentlichendes Schreiben mit. Gleiches gilt für die Festlegung des Kalenderjahres, ab dem Daten nach § 22f Absatz 3 auf Anforderung zu übermitteln sind. § 25e Absatz 1 bis Absatz 4 in der Fassung des Artikels 9 des Gesetzes vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2338) ist für die in § 22f Absatz 1 Satz 4 in der am 1. Januar 2019 geltenden Fassung genannten Unternehmer ab 1. März 2019 und für andere als die in § 22f Absatz 1 Satz 4 in der am 1. Januar 2019 geltenden Fassung genannten Unternehmer ab 1. Oktober 2019 anzuwenden.

(26) § 25 Absatz 3 in der Fassung des Artikels 11 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) ist erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2021 bewirkt werden.

(27) § 4 Nummer 15a in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung gilt bis zu den Zeitpunkten nach § 412 Absatz 1 Satz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch sowie § 412 Absatz 5 Satz 9 in Verbindung mit § 412 Absatz 1 Satz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch fort.

(28) § 15 Absatz 4b, § 16 Absatz 2 Satz 1 und § 18 Absatz 9 in der Fassung des Artikels 12 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) sind erstmals auf Voranmeldungs-, Besteuerungs- und Vergütungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2019 enden.

(29) § 22b Absatz 2 und 2a in der Fassung des Artikels 12 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) ist erstmals auf Voranmeldungs-, Besteuerungs- und Meldezeiträume anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2019 enden.

(30) § 25f in der Fassung des Artikels 12 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) ist erstmals auf Voranmeldungs- und Besteuerungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2019 enden.

(31) Der Termin, ab dem § 21 Absatz 3a in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom 29. Juni 2020 (BGBl. I S. 1512) erstmals anzuwenden ist, wird mit einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen bekanntgegeben.

(32) § 24 Absatz 1 in der Fassung des Artikels 11 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) ist erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2021 bewirkt werden.

(33) § 18i Absatz 3 und 6, § 18j Absatz 4 und 7, § 18k Absatz 4 und 7 in der Fassung des Artikels 13 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) sind erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2021 ausgeführt werden. Die in den §§ 18i, 18j und 18k enthaltenen Verweise auf die §§ 3, 3a, 3c, 16, 18i, 18j, 18k und 22 be-ziehen sich auf die jeweilige Fassung der Artikel 13 und 14 des vorgenannten Gesetzes.

(34) Die §§ 3 und 3a Absatz 5, die §§ 3c, 4, 5, 11, 13 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe f bis i, § 14a Absatz 2, § 16 Absatz 1c bis 1e, § 18 Absatz 1, 3 und 9, die §§ 21a, 22, 22f und 25e in der Fassung des Artikels 14 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) sind erstmals auf Umsätze und Einfuhren anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2021 ausgeführt werden. § 13 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe d und e, § 16 Absatz 1a und 1b, § 18 Absatz 4c bis 4e und § 18h sind letztmalig auf Umsätze anzuwenden, die vor dem 1. Juli 2021 ausgeführt werden.

(35) § 4c in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2021 (BGBl. I S. 5250) ist auf Leistungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2020 bezogen werden. § 5 Absatz 1 Nummer 8 und 9 in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2021 (BGBl. I S. 5250) ist auf Einfuhren nach dem 31. Dezember 2020 anzuwenden.

(36) § 18 Absatz 5a in der Fassung des Artikels 16 des Gesetzes vom 16. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2294) ist erstmals auf die Besteuerungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2022 enden.

(37) § 18g in der Fassung des Artikels 16 des Gesetzes vom 16. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2294) ist erstmals auf die Übermittlung von Daten nach dem 31. Dezember 2022 anzuwenden.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für Bauleistungen, die die Beigeladene an die Klägerin erbracht hat, im Streitjahr 2005 Steuerschuldnerin i.S. des § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geworden ist.

2

Die Klägerin betreibt laut Handelsregistereintrag ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Erwerb, die Erschließung und die Bebauung von Grundstücken ist.

3

Am 13. September 2004 beauftragte die Klägerin die nach § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung Beigeladene als Generalunternehmer zur Erstellung eines Wohnhauses mit sechs Wohnungen zum Pauschalpreis von... € brutto. Laut Vertrag war die Beigeladene bei der Abrechnung von Abschlagszahlungen und der Schlussrechnung verpflichtet, die Umsatzsteuer gesondert auszuweisen.

4

Nachdem die Beigeladene in 2004 und 2005 Bauleistungen an die Klägerin erbracht hatte, kam es zur Kündigung des Vertrages durch die Klägerin. Am 17. November 2005 erteilte die Beigeladene eine Schlussrechnung ohne Umsatzsteuerausweis, in dem auf die Steuerschuldnerschaft der Klägerin nach § 13b UStG hingewiesen wurde.

5

In ihrer Umsatzsteuererklärung 2004 und in den Voranmeldungen 2005 erklärte die Klägerin zunächst gemäß § 13b UStG auf die von der Beigeladenen erhaltenen Bauleistungen Umsatzsteuer in Höhe von... € und führte die Umsatzsteuer an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ab.

6

In ihrer Jahreserklärung 2005 erklärte sie jedoch diese Umsatzsteuerbeträge nicht mehr mit der Begründung, sie erbringe keine Bauleistungen, denn nach Abschn. 182a Abs. 10 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) sei dazu erforderlich, dass sie "nachhaltige" Bauleistungen erbringe, was nur vorliege, wenn die Bauleistungen im Vorjahr mehr als 10 % der Gesamtumsätze betrügen. Wegen schwankender Umsätze habe sie diese Voraussetzung zwar noch im Jahre 2003, nicht aber 2004 erfüllt. Dies sei nachträglich im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten 2004 aufgefallen. Entgegen dem Vortrag der Beigeladenen habe sie dieser keine Bescheinigung nach § 48b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgehändigt. Eine vertragliche Einigung gemäß Abschn. 182a Abs. 17 UStR über den gesetzlichen Übergang der Steuerschuldnerschaft habe ebenfalls nicht vorgelegen.

7

Das FA ging zwar ebenfalls davon aus, dass die Klägerin die 10 %-Grenze nach Abschn. 182a Abs. 10 UStR im Vorjahr nicht überschritten habe. Gleichwohl sei von einer Einigung i.S. des Abschn. 182a Abs. 17 UStR auszugehen, weil die Klägerin die Änderung der Verhältnisse nicht mitgeteilt habe. Daraufhin setzte das FA mit Umsatzsteuerbescheid vom 14. November 2006 die Umsatzsteuer 2005 auf ... € fest.

8

Nach Zurückweisung des Einspruchs wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 278). Zur Begründung führte es aus, das FA habe den Übergang der Steuerschuld nach § 13b UStG im Ergebnis zu Recht angenommen. Das FG folge zwar nicht den Regelungen der UStR in Abschn. 182a Abs. 10 Sätze 2 und 3, wonach dies nur dann der Fall sei, wenn im vorangegangenen Jahr der Anteil an Bauleistungen mindestens 10 % betragen habe oder wenn der Leistungsempfänger dem Leistenden eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG "für Umsatzsteuerzwecke" vorgelegt habe (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 16. Oktober 2009, BStBl I 2009, 1298 Rz 2, 3, 5). Das Erfordernis der Nachhaltigkeit der Bauleistungsumsätze sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Zudem könne der leistende Unternehmer nicht verlässlich beurteilen, ob die Voraussetzungen des Übergangs der Steuerschuldnerschaft vorlägen, weil dies von dem ihm unbekannten Verhältnis der Bauleistungen zu den sonstigen Umsätzen des Leistungsempfängers abhänge. Es genüge daher, wenn der Leistungsempfänger nur gelegentlich Bauleistungen erbringe. Der Übergang der Steuerschuldnerschaft sei nur dann ausgeschlossen, wenn ein Unternehmer überhaupt keine Bauleistungen erbringe. Ebenso wenig überzeugend sei die Regelung des Abschn. 182a Abs. 12 Satz 2 UStR, wonach der Übergang der Steuerschuldnerschaft von der Vorlage einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG "für umsatzsteuerliche Zwecke" abhänge, weil dann der Übergang entgegen der gesetzlichen Regelung in das Belieben des Leistungsempfängers gestellt werde. Maßgebend für den Übergang der Steuerschuldnerschaft sei vielmehr, ob der Leistungsempfänger Unternehmer sei, der zumindest gelegentlich selbst Bauleistungen erbringe und ob dies für den Leistenden erkennbar sei.

9

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und verteidigt die 10 %-Grenze. Sie habe auch keine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG der Beigeladenen vorgelegt.

10

Die Klägerin beantragt, die Umsatzsteuerfestsetzung 2005 vom 14. November 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2008 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um ... € herabgesetzt wird.

11

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

12

Die Klägerin habe zwar zutreffend ausgeführt, dass ihr Anteil der Bauleistungen an den Gesamtumsätzen unter 10 % liege. Sie verfüge aber für 2005 über eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin für das Jahr 2004 als Bauleistender und für das Streitjahr 2005 nicht mehr als Bauleistender anzusehen sei. Die Klage sei dennoch unbegründet, weil die Klägerin mit der Beigeladenen eine Vereinbarung über die Umkehr der Steuerschuldnerschaft getroffen habe, was sich daraus ergebe, dass die Klägerin im Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren 2005 die Umsatzsteuer erklärt und abgeführt habe.

13

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

14

Der Senat hat mit Beschluss vom 30. Juni 2011 V R 37/10 (BFHE 233, 477, BStBl II 2011, 842) dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

15

"1. Umfasst der Begriff der Bauleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Ermächtigung 2004/290/EG neben Dienstleistungen auch Lieferungen?

16

2. Falls sich die Ermächtigung zur Bestimmung des Leistungsempfängers als Steuerschuldner auch auf Lieferungen erstreckt:

17

Ist der ermächtigte Mitgliedstaat berechtigt, die Ermächtigung nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben?

18

3. Falls der Mitgliedstaat zu einer Untergruppenbildung berechtigt ist: Bestehen für den Mitgliedstaat Beschränkungen bei der Untergruppenbildung?

19

4. Falls der Mitgliedstaat zu einer Untergruppenbildung allgemein (siehe oben, Frage 2) oder aufgrund nicht beachteter Beschränkungen (siehe oben, Frage 3) nicht berechtigt ist:

20

a) Welche Rechtsfolgen ergeben sich aus einer unzulässigen Untergruppenbildung?

21

b) Führt eine unzulässige Untergruppenbildung dazu, dass die Vorschrift des nationalen Rechts nur zugunsten einzelner Steuerpflichtiger oder allgemein nicht anzuwenden ist?"

22

Diese Fragen hat der EuGH am 13. Dezember 2012 C-395/11, BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 63) wie folgt beantwortet:

23

"1. Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG des Rates vom 30. März 2004 zur Ermächtigung Deutschlands zur Anwendung einer von Artikel 21 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichenden Regelung ist dahin auszulegen, dass der Begriff der 'Bauleistungen' in dieser Bestimmung neben den als Dienstleistungen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2004/7/EG des Rates vom 20. Januar 2004 geänderten Fassung eingestuften Umsätzen auch die Umsätze umfasst, die in der Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie bestehen.

24

2. Die Entscheidung 2004/290 ist dahin auszulegen, dass die Bundesrepublik Deutschland berechtigt ist, die ihr mit dieser Entscheidung erteilte Ermächtigung nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben. Bei der Bildung dieser Untergruppen hat dieser Mitgliedstaat den Grundsatz der steuerlichen Neutralität sowie die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, wie insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit, zu beachten. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu überprüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist, und gegebenenfalls die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die nachteiligen Folgen einer gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit oder der Rechtssicherheit verstoßenden Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften auszugleichen."

Entscheidungsgründe

II.

25

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil des FG war die Klägerin für die von ihr bezogenen Leistungen nicht als Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Nr. 4 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung.

26

1. Die Steuerschuld des Leistungsempfängers gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG setzt in Ausübung einer durch das Unionsrecht eingeräumten Ermächtigung voraus, dass er eine der in § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG genannten Leistungen bezieht und diese auch selbst erbringt.

27

a) Nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG in der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung schuldet in "den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 genannten Fällen... der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbringt".

28

§ 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG hat folgenden Wortlaut:
"(1) Für folgende steuerpflichtige Umsätze entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats: ...

4. Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. ..."

29

§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erfasst somit im Gegensatz zu § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht alle "Bauleistungen", die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, sondern nur Werklieferungen und sonstige Leistungen, die diesen Bauwerksbezug aufweisen.

30

b) Die durch § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 UStG nicht für alle Bauleistungen, sondern nur für bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen angeordnete Steuerschuld des Leistungsempfängers beruht unionsrechtlich auf Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG des Rates vom 30. März 2004 zur Ermächtigung Deutschlands zur Anwendung einer von Artikel 21 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichenden Regelung (Entscheidung 2004/290/EG). Danach besteht "bei der Erbringung von Bauleistungen an einen Steuerpflichtigen" für die Bundesrepublik Deutschland die Befugnis, den "Empfänger der Gegenstände oder Dienstleistungen als Mehrwertsteuerschuldner" zu bestimmen.

31

Dass diese Ermächtigung im nationalen Recht nicht für alle Bauleistungen und zu Lasten aller Steuerpflichtigen (Unternehmer), sondern nur für bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen und dabei nur zu Lasten der Unternehmer ausgeübt wurde, die selbst derartige Leistungen erbringen, ist nach dem im Streitfall ergangenen EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 unbeachtlich. Denn nach den Leitsätzen dieser Entscheidung umfasst "der Begriff der Bauleistungen in dieser Bestimmung neben den als Dienstleistungen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG... eingestuften Umsätzen auch die Umsätze, die in der Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie bestehen". Darüber hinaus ist "die Bundesrepublik Deutschland berechtigt ..., die ihr mit dieser Entscheidung erteilte Ermächtigung nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben".

32

2. Im Streitfall hat die Beigeladene an die Klägerin eine bauwerksbezogene Werklieferung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbracht.

33

a) Der Begriff der Werklieferung in § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG entspricht dem in § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG. Danach sind Werklieferungen Lieferungen, bei denen der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen hat und hierbei Stoffe verwendet, die er selbst beschafft, wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt dies auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

34

§ 3 Abs. 4 UStG betrifft nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats einheitliche, aus Liefer- und Dienstleistungselementen bestehende Leistungen in Form der Be- und Verarbeitung eines nicht dem Leistenden gehörenden Gegenstandes und ist richtlinienkonform entsprechend den unionsrechtlichen Grundsätzen zur Abgrenzung von Lieferung (Art. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Richtlinie 77/388/EWG--) und Dienstleistung (Art. 6 der Richtlinie 77/388/EWG) auszulegen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Juni 2005 V R 50/02, BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98, unter II.2.b cc).

35

Werklieferungen liegen danach vor, wenn der Unternehmer dem Abnehmer nicht nur die Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft (§ 3 Abs. 1 UStG), sondern zusätzlich einen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet. So können z.B. Buchbinderarbeiten als Bearbeitung von nicht dem Leistenden gehörenden Gegenständen Werklieferungen sein (BFH-Urteil vom 29. April 1982 V R 132/75, nicht veröffentlicht --n.v.--). Nicht ausreichend für die Annahme einer Werklieferung ist demgegenüber die Be- oder Verarbeitung eigener Gegenstände des Leistenden. Zwar kann z.B. die Zubereitung von Speisen in einem Imbissstand als Lieferung anzusehen sein (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. Juni 2011 V R 35/08, BFHE 234, 491, BStBl II 2013, 244, Leitsatz). Bei der durch den Imbissstandbetreiber ausgeführten Lieferung handelt es sich aber mangels Be- oder Verarbeitung von für den Standbetreiber fremden Gegenständen nicht um Werklieferungen i.S. von § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG. Ebenso führt die Herstellung anderer beweglicher Gegenstände wie z.B. PKW nicht aufgrund der Vereinbarung besonderer Spezifikationen wie Sonderausstattungen zu einer Werklieferung.

36

b) Im Streitfall hat die Beigeladene mit der Erstellung eines Wohnhauses eine Werklieferung i.S. von § 3 Abs. 4 UStG an die Klägerin erbracht.

37

aa) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 24. Juli 1969 V R 9/66 (BFHE 97, 196, BStBl II 1970, 71) entschieden hat, bewirkt der Unternehmer dadurch, dass er auf dem ihm nicht gehörenden Grundstück ein Gebäude errichtet und das Gebäude dem Grundstückseigentümer übergibt, eine Werklieferung. Im Rahmen von § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG tritt dabei die feste Verbindung mit Grund und Boden an die Stelle der Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstandes. Der BFH hat an dieser Rechtsprechung in der Folgezeit festgehalten und entschieden, dass Bauhandwerker bei der Errichtung eines Gebäudes für den Grundstückseigentümer Werklieferungen ausführen (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1974 V R 29/74, BFHE 114, 512, BStBl II 1975, 396), dass der Mieter, der Ausbauten, Umbauten und Einbauten auf eigene Kosten durchführt oder auf dem gemieteten Grundstück ein Gebäude errichtet, an den Vermieter eine Werklieferung ausführt (BFH-Urteile vom 15. September 1983 V R 154/75, n.v. zu Einbauten, und vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634 zur Gebäudeerrichtung), und dass der Unternehmer mit der Herstellung von Erschließungsanlagen auf öffentlichen Flächen einer Gemeinde gegenüber der Gemeinde eine entgeltliche Werklieferung ausführt (BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 14/09, BFHE 231, 273, BStBl II 2012, 428, Leitsatz 1). In Übereinstimmung hiermit kann sich die zur bloßen Verschaffung der Verfügungsmacht hinzutretende Bearbeitung auch aus dem Einbau des gelieferten Gegenstandes in ein Gebäude ergeben (zutreffend Abschn. 182a Abs. 3 Satz 2 UStR 2005 zum Einbau von Fenstern, Türen, Bodenbelägen, Aufzügen etc.).

38

bb) Danach erbrachte der Beigeladene im Streitfall mit der Errichtung des Wohnhauses auf dem für ihn fremden Grundstück eine Werklieferung i.S. von § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG.

39

3. Die Klägerin ist aber gleichwohl nicht Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG, da sie die von der Beigeladenen empfangene Leistung nicht selbst zur Erbringung einer bauwerksbezogenen Werklieferung oder sonstigen Leistung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG verwendet hat. Das Urteil des FG war somit aufzuheben und der Klage stattzugeben.

40

a) Im Hinblick auf das sich aus dem Unionsrecht ergebende Erfordernis der Rechtssicherheit ist § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG teleologisch einschränkend auszulegen.

41

aa) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG setzt nach seinem Wortlaut voraus, dass der Leistungsempfänger selbst bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbringt.

42

bb) Bei der Auslegung des nationalen Rechts ist, soweit es auf einer unionsrechtlichen Harmonisierung durch Richtlinien der Europäischen Union beruht, das Unionsrecht und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 30/09, BFHE 237, 263, BStBl II 2012, 623). Daher ist im Streitfall nicht nur zu beachten, dass der EuGH in dem den Streitfall betreffenden Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 dem nationalen Gesetzgeber das Recht zugebilligt hat, Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben (s. oben II.1.b), sondern auch, dass der so ermächtigte Mitgliedstaat "bei der Bildung dieser Untergruppen ... den Grundsatz der steuerlichen Neutralität sowie die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, wie insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit, zu beachten" hat und es "Sache des vorlegenden Gerichts [ist], unter Berücksichtigung aller maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu überprüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist, und gegebenenfalls die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die nachteiligen Folgen einer gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit oder Rechtssicherheit verstoßenden Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften auszugleichen (EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63, 2. Leitsatz).

43

Der EuGH betont dabei, dass "Rechtsakte der Union ... eindeutig sein müssen und dass ihre Anwendung für die Betroffenen vorhersehbar sein muss". Der sich hieraus ergebende Grundsatz der Rechtssicherheit ist von jeder mit der Anwendung des Unionsrechts betrauten innerstaatlichen Stelle zu beachten und "gilt in besonderem Maße, wenn es sich um eine Regelung handelt, die sich finanziell belastend auswirken kann, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen" (EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 Rdnr. 47).

44

b) Das EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 führt im Rahmen einer teleologischen Reduktion zu einer den Wortlaut von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG einschränkenden Auslegung.

45

aa) Hat der Unternehmer eine bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG bezogen, lässt es § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG für die an die Stelle der Steuerschuld des Leistenden tretende Steuerschuld des Leistungsempfängers ausreichen, dass der Leistungsempfänger selbst derartige Leistungen erbringt.

46

§ 13b Abs. 2 Satz 2 UStG schränkt das Erfordernis einer Leistungserbringung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG in keiner Weise und dabei weder gegenständlich noch in zeitlicher Hinsicht ein. Nach dem Wortlaut der Vorschrift würde es für den von dieser Vorschrift angeordneten Wechsel in der Steuerschuldnerschaft z.B. ausreichen, dass an den Leistungsempfänger im Inland eine bauwerksbezogene Werklieferung erbracht wird, während er selbst lediglich im Ausland ohne Zusammenhang mit diesem Leistungsbezug eine derartige Werklieferung erbringt. Insoweit ist zu beachten, dass sich "eine solche finanzielle Belastung gleichwohl, wie dies in einem Sachverhalt wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen der Fall sein kann, aus der Anwendung dieser Regelung durch die zuständigen nationalen Behörden ergeben [könnte], wenn es diese Anwendung den betreffenden Steuerpflichtigen, zumindest vorübergehend, nicht erlaubt, den Umfang ihrer Verpflichtungen auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer genau zu erkennen" (EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 Rdnr. 48).

47

Eine derartige, dem Wortlaut von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG einschränkungslos folgende Auslegung ist mit den Erfordernissen des Unionsrechts nicht zu vereinbaren, da es durch das Abstellen auf Umstände, die der Leistende im Regelfall nicht erkennt und auch nicht erkennen kann, nicht ermöglicht wird, genau zu erkennen, ob er oder sein Leistungsempfänger Steuerschuldner ist.

48

bb) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG ist nicht dahingehend einschränkend auslegbar, dass es für den Wechsel in der Steuerschuldnerschaft darauf ankommt, dass der Leistungsempfänger "nachhaltig" (so aber Abschn. 182a Abs. 10 Satz 2 UStR) bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen erbringt und dabei die Summe dieser Leistungen mehr als 10 % seiner steuerbaren Umsätze beträgt (Abschn. 182a Abs. 10 UStR), wobei die Finanzverwaltung später präzisiert hat, dass dabei auf den "Weltumsatz" des Leistungsempfängers abzustellen sein soll (Abschn. 13b.3 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE-- in der Fassung des BMF-Schreibens vom 12. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1289).

49

Gegen die einschränkende Auslegung durch die Finanzverwaltung spricht, dass es auch hierdurch dem Leistenden nicht ermöglicht wird, zuverlässig zu beurteilen, ob er oder der Leistungsempfänger Steuerschuldner für die erbrachte Leistung ist. Dies zeigt sich nach den Verhältnissen des Streitfalles auch daran, dass die Klägerin selbst nicht in der Lage war, die nach der Verwaltungsauffassung maßgebliche 10 %-Grenze zutreffend zeitnah zu ermitteln, sodass auszuschließen ist, dass der Leistende diese Berechnung vornehmen kann. Der Senat schließt sich daher der von der Vorinstanz sowie im Schrifttum geäußerten Kritik an der sog. "10 % Regel" in Abschn. 182a Abs. 10 UStR an (vgl. Ahrens, Umsatzsteuerberater 2004, 331; Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 13b UStG Rz 57; Küffner/Zugmaier, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2004, 712; Kuplich, UR 2007, 369; Meyer in Anm. EFG 2010, 280; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 13b Rz 384; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 13b Rz 33.2).

50

cc) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG ist entgegen Abschn. 182a Abs. 11 UStR dahingehend einschränkend auszulegen, dass es für den Übergang der Steuerschuldnerschaft darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung selbst zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet.

51

Zwar vermag auch diese Auslegung nicht alle Schwierigkeiten, die für den Leistenden bei der Zuordnung der Steuerschuldnerschaft bestehen, auszuräumen. So ist im Hinblick auf das Erfordernis, dass der Leistungsempfänger selbst eine bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung erbringt, z.B. danach zu unterscheiden, ob der Leistungsempfänger ein Generalunternehmer oder Bauträger ist. Während der Generalunternehmer regelmäßig auf einem seinem Auftraggeber gehörenden Grundstück baut, bebaut der Bauträger in der Regel eigene Grundstücke (vgl. hierzu z.B. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2010  10 AZR 190/11, Monatsschrift für Deutsches Recht 2012, 1046, unter I.2.c bb). Dementsprechend erbringt im Hinblick auf das Erfordernis der Be- oder Verarbeitung einer fremden Sache nur der ein fremdes Grundstück bebauende Generalunternehmer, nicht aber der ein eigenes Grundstück bebauende Bauträger eine bauwerksbezogene Werklieferung, die zur Anwendung von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG führt (s. oben II.2.a und b aa). Gleichwohl gewährleistet die Auslegung nach der Verwendung der bauwerksbezogenen Werklieferung oder sonstigen Leistung durch den Leistungsempfänger auf der jeweiligen Baustelle noch am ehesten eine rechtssichere Beurteilung.

52

Für die auf die Verwendung durch den Leistungsempfänger abstellende Auslegung, nach der insbesondere zwischen Generalunternehmern, die selbst bauwerksbezogene Werklieferungen ausführen, und grundstücksveräußernden Bauträgern, bei deren Leistungen es sich umsatzsteuerrechtlich um Lieferungen handelt, sprechen zudem die für Bauträger bestehenden Sonderregelungen des Gewerberechts, auf deren Grundlage auch im Rechtsverkehr zwischen diesen beiden Unternehmergruppen zu unterscheiden ist. So war gemäß § 34c der Gewerbeordnung (GewO) in ihrer im Streitjahr geltenden Fassung die Tätigkeit als Makler, Bauträger oder Baubetreuer erlaubnispflichtig. Dies galt nach § 34c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GewO a.F. (später § 34c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a der GewO in der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 6. Dezember 2011, BGBl I 2011, 2481) insbesondere für diejenigen, die als Bauherr im eigenen Namen für eigene oder fremde Rechnung Bauvorhaben vorbereiten oder durchführen und dazu Vermögenswerte von Erwerbern, Mietern, Pächtern oder sonstigen Nutzungsberechtigten oder von Bewerbern um Erwerbs- oder Nutzungsrechte verwenden. Nach dem hierzu auf der Grundlage von § 34c Abs. 3 GewO ergangenen § 3 der Verordnung über die Pflichten der Makler, Darlehensvermittler, Bauträger und Baubetreuer (Makler- und Bauträgerverordnung) bestanden dabei besondere Sicherungspflichten für Bauträger, wenn in den Fällen des § 34c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GewO "dem Auftraggeber Eigentum an einem Grundstück übertragen werden soll".

53

dd) Nicht zu entscheiden hat der Senat im Streitfall, ob die Anordnung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers in § 13b Abs. 2 Sätze 2 und 3 UStG für Leistungen, die der Empfänger für seinen nichtunternehmerischen Bereich verwendet, mit dem Erfordernis der Leistungserbringung "an einen Steuerpflichtigen" i.S. von Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG vereinbar ist.

54

ee) Die hiergegen gerichteten Einwendungen des FA greifen nicht durch.

55

(1) Entgegen der Auffassung des FA (vgl. Abschn. 182a Abs. 17 UStR) ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Beteiligten über die Handhabung der Steuerschuldnerschaft ursprünglich einig waren oder nicht, denn das Gesetz stellt den Übergang der Steuerschuldnerschaft zur Sicherung des Steueranspruchs nicht zur Disposition der Vertragsparteien (zutreffend Küffner/Zugmaier, DStR 2004, 712; Mößlang in Sölch/Ringleb, UStG, § 13b Rz 11: bloße Billigkeitsregelung).

56

(2) Der mit § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG verfolgte Zweck der Bekämpfung von Steuerausfällen im Baugewerbe rechtfertigt im Hinblick auf die vorrangig zu beachtende rechtssichere Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift keine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung. Zwar mag es sein, dass durch die Entscheidung 2004/290/EG "Steuerhinterziehungen oder Umgehungen möglichst umfassend verhütet werden" sollten. Im Hinblick auf die nur eingeschränkte Ausübung der durch diese Entscheidung eingeräumten Befugnisse durch das nationale Recht (s. oben II.2.b) ergibt sich aus den weiter gehenden Befugnissen des Unionsrechts und den damit verfolgten Zwecken aber keine erweiternde Auslegung des nationalen Rechts.

57

Dass der nationale Gesetzgeber trotz der ihm durch das Unionsrecht eingeräumten Befugnisse bei der Umsetzung nicht auch eine Steuerschuldnerschaft für die Leistungsempfänger angeordnet hat, die Gebäude oder Gebäudeteile mit dazugehörigem Grund und Boden vor dem Erstbezug liefern (vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG) oder die --entsprechend § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG und in Übereinstimmung mit Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG-- Unternehmer sind, ist daher nicht im Wege der Gesetzesauslegung änderbar.

58

(3) Auch die Überlegungen des FA zu innergemeinschaftlichen Lieferungen rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Denn dem Lieferer ist es bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Hinblick auf das Bestätigungsverfahren zur Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (vgl. § 18e UStG) möglich, personenbezogene Merkmale seines Abnehmers zu überprüfen. Eine derartige Möglichkeit besteht bei § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG nicht.

59

c) Im Streitfall hat die Klägerin die von ihr empfangene bauwerksbezogene Werklieferung für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstückslieferungen, nicht aber zur Erbringung einer eigenen bauwerksbezogenen Werklieferung verwendet. Dabei scheitert die Annahme einer durch die Klägerin erbrachten Werklieferung bereits daran, dass die Klägerin ein eigenes, nicht aber ein fremdes Grundstück bebaut und sodann veräußert hat (s. oben II.2.a und b aa). Ohne Bedeutung ist daher, ob die Erwerber der von der Klägerin veräußerten Wohnungen entsprechend einer später veröffentlichten Verwaltungsregelung (Abschn. 13b.3 Abs. 8 Sätze 6 und 7 UStAE in der Fassung des BMF-Schreibens in BStBl I 2011, 1289) "Einfluss auf Bauausführung und Baugestaltung" genommen haben, da eine derartige Einflussnahme bei der Bebauung eines im Eigentum des Bauträgers stehenden Grundstücks nicht dazu führt, dass der Bauträger nunmehr für ihn fremde Gegenstände --als Voraussetzung der Werklieferung gemäß § 3 Abs. 4 UStG-- bearbeitet.

60

d) Die danach enge Auslegung von § 13b Abs. 2 Satz 1 UStG schränkt diesen Tatbestand nicht übermäßig ein.

61

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass § 13b UStG keine umfassende Steuerschuldnerschaft für an Unternehmer im Bausektor erbrachte Bauleistungen anordnet. So bestehen nach § 13b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Nr. 3 UStG und § 13b Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG jeweils eigenständige Regelungen für die Zuordnung der Steuerschuldnerschaft bei grunderwerbsteuerbaren Umsätzen und bei Bauleistungen. Daher sind z.B. Grundstücksverkäufer, die Grundstücke bebauen und nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei liefern, nicht Steuerschuldner für die von ihnen bezogenen Bauleistungen (insoweit zutreffend Abschn. 13b.3 Abs. 8 Satz 5 UStAE). Danach ist im Streitfall das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben.

(1) Für nach § 3a Absatz 2 im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind.

(2) Für folgende steuerpflichtige Umsätze entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats:

1.
Werklieferungen und nicht unter Absatz 1 fallende sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers;
2.
Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens;
3.
Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen;
4.
Bauleistungen, einschließlich Werklieferungen und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. Als Grundstücke gelten insbesondere auch Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern. Nummer 1 bleibt unberührt;
5.
Lieferungen
a)
der in § 3g Absatz 1 Satz 1 genannten Gegenstände eines im Ausland ansässigen Unternehmers unter den Bedingungen des § 3g und
b)
von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität, die nicht unter Buchstabe a fallen;
6.
Übertragung von Berechtigungen nach § 3 Nummer 3 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes, Emissionsreduktionseinheiten nach § 2 Nummer 20 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes, zertifizierten Emissionsreduktionen nach § 2 Nummer 21 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes, Emissionszertifikaten nach § 3 Nummer 2 des Brennstoffemissionshandelsgesetzes sowie von Gas- und Elektrizitätszertifikaten;
7.
Lieferungen der in der Anlage 3 bezeichneten Gegenstände;
8.
Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen. Nummer 1 bleibt unberührt;
9.
Lieferungen von Gold mit einem Feingehalt von mindestens 325 Tausendstel, in Rohform oder als Halbzeug (aus Position 7108 des Zolltarifs) und von Goldplattierungen mit einem Goldfeingehalt von mindestens 325 Tausendstel (aus Position 7109);
10.
Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern und Spielekonsolen sowie von integrierten Schaltkreisen vor Einbau in einen zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeigneten Gegenstand, wenn die Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 Euro beträgt; nachträgliche Minderungen des Entgelts bleiben dabei unberücksichtigt;
11.
Lieferungen der in der Anlage 4 bezeichneten Gegenstände, wenn die Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 Euro beträgt; nachträgliche Minderungen des Entgelts bleiben dabei unberücksichtigt;
12.
sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation. Nummer 1 bleibt unberührt.

(3) Abweichend von den Absatz 1 und 2 Nummer 1 entsteht die Steuer für sonstige Leistungen, die dauerhaft über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erbracht werden, spätestens mit Ablauf eines jeden Kalenderjahres, in dem sie tatsächlich erbracht werden.

(4) Bei der Anwendung der Absätze 1 bis 3 gilt § 13 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a Satz 2 und 3 entsprechend. Wird in den in den Absätzen 1 bis 3 sowie in den in Satz 1 genannten Fällen das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist.

(5) In den in den Absätzen 1 und 2 Nummer 1 bis 3 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person ist; in den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe a, Nummer 6, 7, 9 bis 11 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist. In den in Absatz 2 Nummer 4 Satz 1 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Leistung im Sinne des Absatzes 2 Nummer 4 Satz 1 verwendet, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Bei den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe b genannten Lieferungen von Erdgas schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Wiederverkäufer von Erdgas im Sinne des § 3g ist. Bei den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe b genannten Lieferungen von Elektrizität schuldet der Leistungsempfänger in den Fällen die Steuer, in denen der liefernde Unternehmer und der Leistungsempfänger Wiederverkäufer von Elektrizität im Sinne des § 3g sind. In den in Absatz 2 Nummer 8 Satz 1 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Leistung im Sinne des Absatzes 2 Nummer 8 Satz 1 verwendet, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Bei den in Absatz 2 Nummer 12 Satz 1 genannten Leistungen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Leistungen in deren Erbringung besteht und dessen eigener Verbrauch dieser Leistungen von untergeordneter Bedeutung ist; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Die Sätze 1 bis 6 gelten vorbehaltlich des Satzes 10 auch, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird. Sind Leistungsempfänger und leistender Unternehmer in Zweifelsfällen übereinstimmend vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 Nummer 4, 5 Buchstabe b, Nummer 7 bis 12 ausgegangen, obwohl dies nach der Art der Umsätze unter Anlegung objektiver Kriterien nicht zutreffend war, gilt der Leistungsempfänger dennoch als Steuerschuldner, sofern dadurch keine Steuerausfälle entstehen. Die Sätze 1 bis 7 gelten nicht, wenn bei dem Unternehmer, der die Umsätze ausführt, die Steuer nach § 19 Absatz 1 nicht erhoben wird. Die Sätze 1 bis 9 gelten nicht, wenn ein in Absatz 2 Nummer 2, 7 oder 9 bis 11 genannter Gegenstand von dem Unternehmer, der die Lieferung bewirkt, unter den Voraussetzungen des § 25a geliefert wird. In den in Absatz 2 Nummer 4, 5 Buchstabe b und Nummer 7 bis 12 genannten Fällen schulden juristische Personen des öffentlichen Rechts die Steuer nicht, wenn sie die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich beziehen.

(6) Die Absätze 1 bis 5 finden keine Anwendung, wenn die Leistung des im Ausland ansässigen Unternehmers besteht

1.
in einer Personenbeförderung, die der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Absatz 5) unterlegen hat,
2.
in einer Personenbeförderung, die mit einem Fahrzeug im Sinne des § 1b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 durchgeführt worden ist,
3.
in einer grenzüberschreitenden Personenbeförderung im Luftverkehr,
4.
in der Einräumung der Eintrittsberechtigung für Messen, Ausstellungen und Kongresse im Inland,
5.
in einer sonstigen Leistung einer Durchführungsgesellschaft an im Ausland ansässige Unternehmer, soweit diese Leistung im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Messen und Ausstellungen im Inland steht, oder
6.
in der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (Restaurationsleistung), wenn diese Abgabe an Bord eines Schiffs, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn erfolgt.

(7) Ein im Ausland ansässiger Unternehmer im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 und 5 ist ein Unternehmer, der im Inland, auf der Insel Helgoland und in einem der in § 1 Absatz 3 bezeichneten Gebiete weder einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung noch eine Betriebsstätte hat; dies gilt auch, wenn der Unternehmer ausschließlich einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Ausland hat. Ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer ist ein Unternehmer, der in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte hat; dies gilt nicht, wenn der Unternehmer ausschließlich einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Drittlandsgebiet hat. Hat der Unternehmer im Inland eine Betriebsstätte und führt er einen Umsatz nach Absatz 1 oder Absatz 2 Nummer 1 oder Nummer 5 aus, gilt er hinsichtlich dieses Umsatzes als im Ausland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig, wenn die Betriebsstätte an diesem Umsatz nicht beteiligt ist. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die Leistung ausgeführt wird. Ist es zweifelhaft, ob der Unternehmer diese Voraussetzungen erfüllt, schuldet der Leistungsempfänger die Steuer nur dann nicht, wenn ihm der Unternehmer durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständigen Finanzamts nachweist, dass er kein Unternehmer im Sinne der Sätze 1 und 2 ist.

(8) Bei der Berechnung der Steuer sind die §§ 19 und 24 nicht anzuwenden.

(9) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Absatz 1 Satz 3), der andere an Stelle des Leistungsempfängers Steuerschuldner nach Absatz 5 ist.

(10) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung den Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach den Absätzen 2 und 5 auf weitere Umsätze erweitern, wenn im Zusammenhang mit diesen Umsätzen in vielen Fällen der Verdacht auf Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall aufgetreten ist, die voraussichtlich zu erheblichen und unwiederbringlichen Steuermindereinnahmen führen. Voraussetzungen für eine solche Erweiterung sind, dass

1.
die Erweiterung frühestens zu dem Zeitpunkt in Kraft treten darf, zu dem die Europäische Kommission entsprechend Artikel 199b Absatz 3 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der Fassung von Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie 2013/42/EU (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 1) mitgeteilt hat, dass sie keine Einwände gegen die Erweiterung erhebt;
2.
die Bundesregierung einen Antrag auf eine Ermächtigung durch den Rat entsprechend Artikel 395 der Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 2013/42/EG (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 1) gestellt hat, durch die die Bundesrepublik Deutschland ermächtigt werden soll, in Abweichung von Artikel 193 der Richtlinie 2006/112/EG, die zuletzt durch die Richtlinie 2013/61/EU (ABl. L 353 vom 28.12.2013, S. 5) geändert worden ist, die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für die von der Erweiterung nach Nummer 1 erfassten Umsätze zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen einführen zu dürfen;
3.
die Verordnung nach neun Monaten außer Kraft tritt, wenn die Ermächtigung nach Nummer 2 nicht erteilt worden ist; wurde die Ermächtigung nach Nummer 2 erteilt, tritt die Verordnung außer Kraft, sobald die gesetzliche Regelung, mit der die Ermächtigung in nationales Recht umgesetzt wird, in Kraft tritt.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Finanzgerichts München vom 29. April 2014  2 K 1886/11, die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 25. Mai 2011, soweit diese die Umsatzsteuer 2000 bis 2002 betrifft, und die Umsatzsteuerbescheide 2000 bis 2002 des Beklagten vom 15. September 2010 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob gegenüber dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) geänderte Steuerfestsetzungen wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung ergehen durften.

2

Der Kläger führte in den Streitjahren als Einzelunternehmer steuerpflichtige Umsätze aus dem Betrieb einer Landwirtschaft sowie aus der Verpachtung von Gebäuden und Anlagen des landwirtschaftlichen Betriebs an die G-GmbH (GmbH) aus. Er war zu 51 % an der GmbH beteiligt und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH. Seine Ehefrau war zu 49 % an der GmbH beteiligt und ebenfalls einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin.

3

Die Umsätze des Klägers aus dem Betrieb der Landwirtschaft unterlagen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 des Umsatzsteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung. Seine Lieferungen an die GmbH wurden mit 9 % der Besteuerung unterworfen. Die Umsätze aus der Verpachtung unterlagen der Regelbesteuerung. Die in den gegenüber der GmbH ausgestellten Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge wurden von dieser als Vorsteuerbeträge abgezogen.

4

Im Anschluss an eine beim Kläger und bei der GmbH im Jahr 2005 begonnene Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) von einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zwischen dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers und der GmbH aus. Bei den Umsätzen zwischen dem Kläger und der GmbH habe es sich demnach um nicht steuerbare Innenumsätze gehandelt mit der Folge, dass die GmbH nicht zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Klägers berechtigt sei und die Umsätze der GmbH dem Kläger als Organträger zugerechnet werden müssten. Das FA erließ deshalb am 9. Januar 2009 gegenüber dem Kläger Umsatzsteueränderungsbescheide, mit denen es ihm für die Streitjahre (2000 bis 2002) insgesamt 542.096 € Umsatzsteuer zzgl. Zinsen erstattete. Im Gegenzug wurde mit Umsatzsteueränderungsbescheiden vom 20. Januar 2009 von der GmbH für die Streitjahre Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 672.165 € zzgl. Zinsen nachgefordert.

5

Während der Kläger keinen Einspruch einlegte, legte die GmbH gegen die Änderungsbescheide vom 20. Januar 2009 Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren erfolgte eine Einigung dahingehend, dass zwischen dem Kläger und der GmbH doch keine Organschaft vorliege. Das FA erstattete der GmbH mit Änderungsbescheiden vom 7. September 2010 Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 766.394 € zzgl. Zinsen, nachdem der Kläger zuvor mit Bescheid vom 24. August 2010 gemäß § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) zum Einspruchsverfahren der GmbH hinzugezogen worden war.

6

Am 15. September 2010 erließ das FA gegenüber dem Kläger nach § 174 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide, mit denen für die Streitjahre Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 527.119 € zzgl. Zinsen nachgefordert wurde.

7

Der Kläger legte sowohl gegen den Hinzuziehungsbescheid vom 24. August 2010 als auch gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide vom 15. September 2010 Einspruch ein. Das FA wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2011 als unbegründet zurück.

8

Gegen den Hinzuziehungsbescheid vom 24. August 2010 wandte sich der Kläger mit der Klage 2 K 1887/11 zum Finanzgericht (FG). Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Auf die hiergegen beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde V B 67/14 hat der BFH die unter dem Aktenzeichen V R 42/14 geführte Revision zugelassen.

9

Die gegen die Umsatzsteueränderungsbescheide 2000 bis 2002 vom 15. September 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2011 gerichtete Klage 2 K 1886/11 ist Gegenstand dieses Revisionsverfahrens.

10

Die Klage hatte keinen Erfolg.

11

Das FG begründete sein in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1450 veröffentlichtes Urteil im Wesentlichen wie folgt:

12

Das FA habe die Umsatzsteuerbescheide vom 15. September 2010 zu Recht gegenüber dem Kläger gemäß § 174 Abs. 4 und 5 AO geändert. Zwar seien die aufgrund der Außenprüfung erlassenen Umsatzsteuerbescheide mit Ablauf des 12. Februar 2009 unanfechtbar geworden, weil der Kläger gegen die Änderungsbescheide vom 9. Januar 2009 keinen Einspruch eingelegt habe und der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt gewesen sei.

13

Da die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Änderung der fehlerhaften Steuerbescheide gezogen worden seien, lägen die Voraussetzungen der Änderung nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO vor. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger Dritter i.S. des § 174 Abs. 5 AO sei, weil die Änderungsmöglichkeit auch gegenüber Dritten gelte, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides geführt habe, beteiligt gewesen seien. Ein Dritter sei in diesem Sinne aber nicht nur beteiligt, wenn er Einspruchsführer oder Hinzugezogener sei, sondern auch dann, wenn er durch eigene verfahrensrechtliche Initiative auf die Aufhebung oder Änderung der Bescheide hingewirkt habe. Dem liege die Überlegung zu Grunde, dass der Dritte, der nicht durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf eine Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Bescheides hingewirkt und typischerweise deshalb auch keine Kenntnisse von den Auswirkungen der Korrektur gehabt habe, mit Ablauf der ihn betreffenden Festsetzungsfrist endgültig auf die Bestandskraft der ihm gegenüber erfolgten oder ggf. unterbliebenen Besteuerung vertrauen dürfe. Das treffe angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Sachverhalts aber nicht auf den Kläger zu, der als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH eine verfahrensrechtliche Position innegehabt habe, die es ihm erlaubt habe, den Verlauf und den Ausgang des Einspruchsverfahrens der GmbH jederzeit wirksam zu beeinflussen.

14

Hiergegen wendet sich die Revision, mit der der Kläger Verletzung formellen Rechts geltend macht. Das FG habe zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen zur Änderung der Umsatzsteuerbescheide vom 15. September 2010 nach § 174 Abs. 4 und Abs. 5 AO bejaht. Er, der Kläger, sei nicht i.S. des § 174 Abs. 5 Satz 1 AO am Einspruchsverfahren der GmbH beteiligt gewesen. Die Hinzuziehung vom 24. August 2010 sei unwirksam gewesen, weil der Bescheid erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung bekannt gegeben worden sei. Auch die Voraussetzungen einer anderweitigen Beteiligung am Verfahren der GmbH seien nicht erfüllt.

15

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil, die Umsatzsteuerbescheide 2000 bis 2002 vom 15. September 2010 sowie die Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2011, soweit sie die Umsatzsteuerbescheide 2000 bis 2002 vom 15. September 2010 betrifft, aufzuheben.

16

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

17

Zur Begründung stützt es sich auf die Entscheidungsgründe des FG-Urteils.

Entscheidungsgründe

18

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Umsatzsteueränderungsbescheide 2000 bis 2002 vom 15. September 2010 sowie der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2011, soweit sie die Umsatzsteuerbescheide 2000 bis 2002 betrifft (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei, weil die Voraussetzungen einer Änderung der aufgrund der steuerlichen Außenprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheide vom 9. Januar 2009 nach § 174 Abs. 4 und 5 AO vorgelegen hätten. Einer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen 2000 bis 2002 durch die Bescheide vom 15. September 2010 steht entgegen, dass bereits zuvor, nämlich mit Ablauf des 12. Februar 2009, Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

19

1. Die Änderung einer Steuerfestsetzung ist nur bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist zulässig (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO).

20

a) Die reguläre Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 2000 und 2001 begann mit Ablauf des Jahres 2003, die für das Jahr 2002 mit Ablauf des Jahres 2004, weil der Kläger seine Umsatzsteuererklärungen 2000 und 2001 am 21. November 2003, die Umsatzsteuererklärung 2002 am 1. Juli 2004 abgegeben hatte. Die Festsetzungsfrist für die Jahre 2000 und 2001 endete daher regulär mit Ablauf des 31. Dezember 2007, die für 2002 mit Ablauf des 31. Dezember 2008 (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO i.V.m. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO).

21

b) Allerdings wurde der Fristablauf durch den Beginn der Außenprüfung im Jahr 2005 nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt bis zu dem Zeitpunkt, an dem die auf Grund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Da der Kläger gegen die auf Grund der Außenprüfung ergangenen Umsatzsteueränderungsbescheide 2000 bis 2002 vom 9. Januar 2009 keinen Einspruch eingelegt hat, sind diese mit Ablauf des 12. Februar 2009 unanfechtbar geworden (§§ 122 Abs. 2 Nr. 1, 355 Abs. 1 AO). Zu diesem Zeitpunkt und damit bereits vor Bekanntgabe der Änderungsbescheide vom 15. September 2010 war Festsetzungsverjährung eingetreten.

22

2. Eine Änderung der Umsatzsteuerbescheide 2000 bis 2002 nach § 174 Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 AO war gegenüber dem Kläger nicht zulässig.

23

a) Ob die Voraussetzungen einer Änderung nach § 174 Abs. 4 AO dem Grunde nach überhaupt vorliegen, kann der Senat aufgrund der Feststellungen des FG nicht entscheiden. Das FG hat keine Tatsachen festgestellt, die eine Entscheidung ermöglichen, ob die Bescheide vom 9. Januar 2009 aufgrund irriger Beurteilung der Voraussetzungen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft ergangen sind.

24

b) Der Senat kann gleichwohl durchentscheiden, weil eine Änderung nach § 174 Abs. 4 AO jedenfalls daran scheitert, dass es sich bei dem Kläger um einen Dritten handelt, der am Änderungsverfahren der GmbH nicht i.S. von § 174 Abs. 5 AO beteiligt war.

25

aa) Zwar ist der Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 174 Abs. 4 Satz 3 AO grundsätzlich unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides gezogen werden. Gegenüber Dritten gilt das gemäß § 174 Abs. 5 Satz 1 AO aber nur, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides geführt hat, beteiligt waren. Eine Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig (§ 174 Abs. 5 Satz 2 AO).

26

bb) Dritter i.S. des § 174 Abs. 5 Satz 1 AO ist jeder, der im zu ändernden fehlerhaften Bescheid nicht als Steuerschuldner angegeben wird. Darunter fällt jeder, der nicht aus eigenem Recht an dem Steuerfestsetzungs- und Rechtsbehelfsverfahren beteiligt ist. Maßgeblich ist dabei allein die formale Stellung im Verfahren (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2013 V R 5/12, BFHE 244, 494, m.w.N.). Danach war der Kläger im Verhältnis zur GmbH Dritter i.S. von § 174 Abs. 5 AO, denn in den an die GmbH gerichteten Umsatzsteuerbescheiden wird nur die GmbH als Steuerschuldnerin bezeichnet.

27

cc) Ein Dritter ist an dem zur Änderung oder Aufhebung führenden Verfahren beteiligt, wenn er Verfahrensbeteiligter i.S. des § 359 AO ist, also Einspruchsführer oder Hinzugezogener, oder wenn er durch eigene verfahrensrechtliche Initiative auf die Aufhebung oder Änderung der Bescheide hingewirkt hat.

28

(1) Der Kläger ist nicht Hinzugezogener i.S. des § 174 Abs. 5 i.V.m. § 360 AO. Insoweit wird auf das Urteil des Senats vom 12. Februar 2015 in dem Revisionsverfahren V R 42/14 verwiesen.

29

(2) Über die formale Beteiligung i.S. des § 359 AO oder § 57 FGO hinaus ist ein Dritter auch dann "beteiligt" i.S. des § 174 Abs. 5 AO, wenn er durch eigene verfahrensrechtliche Initiative auf die Aufhebung oder Änderung des Bescheides hingewirkt hat, z.B. indem er den entsprechenden Aufhebungs- oder Änderungsantrag gestellt hatte; auch in diesem Fall ist eine schützenswerte Vertrauensposition nicht gegeben (BFH-Urteil vom 20. November 2013 X R 7/11, BFH/NV 2014, 482). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall ebenfalls nicht vor. Nicht der Kläger, sondern die GmbH hat eine Änderung der an sie gerichteten Umsatzsteuerfestsetzung 2000 bis 2002 betrieben. Dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Mitgesellschafter und Mitgeschäftsführer in das von der GmbH betriebene Verfahren eingeschaltet und dadurch auf die bevorstehenden Korrekturen tatsächlich vorbereitet war, ist unerheblich (BFH-Urteil vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817).

30

c) Entgegen der Auffassung des FG folgt eine Verfahrensbeteiligung des Klägers auch nicht aus den Grundsätzen von Treu und Glauben oder dem Verbot des Rechtsmissbrauchs.

31

aa) Zwar ist der Grundsatz von Treu und Glauben ein in allen Rechtsgebieten allgemein anerkannter Grundsatz. Er gebietet es innerhalb eines bestehenden Steuerrechtsverhältnisses für Steuergläubiger wie Steuerpflichtige gleichermaßen, dass jeder auf die Belange des anderen Teils Rücksicht nimmt. Mit diesem Grundsatz nicht zu vereinbaren ist insbesondere ein widersprüchliches Verhalten; das Verbot des "venire contra factum proprium" gilt auch im Steuerrecht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 244, 494; vom 5. November 2009 IV R 40/07, BFHE 227, 354, BStBl II 2010, 720; vom 29. Januar 2009 VI R 12/06, Rz 15, juris, m.w.N.; vom 18. April 2007 XI R 47/05, BFHE 217, 18, BStBl II 2007, 736).

32

bb) Allerdings haben diese Grundsätze lediglich rechtsbegrenzende Wirkung innerhalb bestehender Schuldverhältnisse und setzen demnach eine Identität der Rechtssubjekte voraus. Sie können nicht dazu führen, dass Steueransprüche oder -schulden überhaupt erst zum Entstehen oder Erlöschen gebracht werden (BFH-Urteile in BFHE 244, 494; vom 29. Januar 2009 VI R 12/06, BFH/NV 2009, 1105; vom 8. Februar 1996 V R 54/94, BFH/NV 1996, 733). Das Verhalten des Klägers im Besteuerungsverfahren der GmbH kann ihm deshalb nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben im eigenen Besteuerungsverfahren entgegengehalten werden, weil er insoweit nicht für sich, sondern für die GmbH gehandelt hat.

33

cc) Im Übrigen hat sich der Kläger nicht rechtsmissbräuchlich verhalten. Das Ergebnis widerstreitender Festsetzungen kann im Einzelfall hinzunehmen sein (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juli 1995 IV R 72/94, BFH/NV 1996, 209). Dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Mitgesellschafter und Mitgeschäftsführer der GmbH in das von dieser betriebene Verfahren eingeschaltet war und dadurch von den bevorstehenden Korrekturen Kenntnis gehabt und diese tatsächlich vorbereitet hat, kann ihm im Hinblick auf sein eigenes Besteuerungsverfahren nicht angelastet werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817).

34

Es ist auch nicht Aufgabe und Zweck der allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben, eine unvorteilhafte Verfahrensbehandlung durch die Finanzbehörde aufzufangen (BFH-Urteile in BFHE 244, 494; in BFHE 227, 354, BStBl II 2010, 720, unter II.1.b bb). Das FA konnte den Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsbescheide bestimmen und hatte damit auch den Zeitpunkt des Eintritts der Festsetzungsverjährung in der Hand.

35

Im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass das FA die entstandene Rechtsunsicherheit durch die im Zuge der steuerlichen Außenprüfung von ihm vertretenen wechselnden Rechtsansichten zumindest mitverursacht hat.

36

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Tenor

1. Die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2013 vom 25. Juni 2016 und die Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2016 werden dahingehend abgeändert, dass die Umsatzsteuer für 2011 auf 0 EUR, für 2012 auf 1.419,31 € und für 2013 auf 4.444,94 € festgesetzt wird.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin errichtete in den Streitjahren (2011 bis 2013) Gebäude. Ganz überwiegend veräußerte sie diese anschließend an Dritte. Diese Umsätze unterfielen der Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung der Streitjahre (UStG). Im geringen Umfang behielt sie Gebäudeteile für sich und vermietete sie steuerfrei.

Für die Errichtung der Gebäude bezog sie Bauleistungen von in Deutschland ansässigen Dritten, welche mit der Klägerin übereinstimmend davon ausgingen, dass die Klägerin als Leistungsempfängerin Steuerschuldnerin war, und ihr Nettorechnungen stellten.

In ihren Steuererklärungen für die Streitjahre erklärte sie dementsprechend Steuer nach § 13b UStG in Höhe von 31.688,06 EUR in 2011, in Höhe von 201.677,65 EUR in 2012 sowie in Höhe von 318.956,24 EUR in 2013. Darin enthalten war auch die Steuer für Leistungsbezüge von einem italienischen Unternehmen sowie für die Erstellung eines Einbau-Bücher-Regals von einem in Deutschland ansässigen Schreiner. Die Jahressteuer errechnete sie in Höhe von 31.688,06 EUR für 2011, in Höhe von 203.096 EUR für 2012 und in Höhe von 318.956,24 EUR für 2013. Diese Erklärungen führten zu Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Mit Bescheiden vom 25. Juni 2016 hob der Beklagte (das Finanzamt – FA -) jeweils den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Hiergegen legte die Klägerin mit der Begründung Einspruch ein, nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 V R 37/10 (BStBl II 2014, 128) sei sie nicht Steuerschuldnerin.

Mit Schreiben vom 30. Juli 2015 bat das FA die Klägerin u. a. darum, Name, Anschrift und Steuernummer des leistenden Unternehmers anzugeben. Dem kam die Klägerin nicht nach. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2016 als unbegründet zurück, weil die Klägerin angeforderte Unterlagen nicht vorgelegt habe.

Am 10. Februar 2016 erhob die Klägerin Klage, mit der sie ihr Ziel weiterverfolgt. Dabei stellt sie ihre Steuerschuld für den Leistungsbezug von dem in Italien ansässigen Unternehmer nicht infrage.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2013 vom 25. Juni 2016 und die Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2016 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer für 2011 auf 0 EUR, für 2012 auf 1.419,31 € und für 2013 auf 4.444,94 € festgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Da die Klägerin offenbar auch für ein Bücherregal beantragt habe, dieses nach den Grund-sätzen des § 13b UStG zu erfassen, seien die angeforderten Nachweis zwingend erforderlich gewesen. Die Klägerin führe auch Bauten auf fremde Rechnung aus. Im Wesentlichen vermarkte sie eigene Grundstücke. Würden aber die Verträge mit den Kunden bereits zu einem Zeitpunkt geschlossen, in dem der Kunde noch Einfluss auf die Bauausführung und Baugestaltung habe, lägen regelmäßig – unabhängig vom Umfang der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG – Werk- oder Werklieferungen mit der Folge vor, dass der Bauträger eine Bauleistung erbringe. Auch die Umsätze als Bauunternehmer seien im Hinblick auf eine Nettoabrede und einer gegebenenfalls erforderlichen Rechnungsberichtigung unter Anwendung von § 17 UStG zu prüfen (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 27. Januar 2016 V B 87/15, BFH/NV, 2016, 716).

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 10. Oktober 2017 Bezug genommen.

II.

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin schuldet die Steuer für die von ihr bezogenen Bauleistungen nicht gemäß § 13b UStG. Die Vorschrift des § 17 UStG ist – auch im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben – nicht entsprechend anzuwenden. Unerheblich ist, ob die Klägerin nachgewiesen hat, ob sie die Umsatzsteuer an den leistenden Unternehmer nachträglich bezahlt hat oder ob mit dem Erstattungsanspruch gegen nach § 27 Abs. 19 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25. Juli 2014 (BGBl I 2014, 1266 – UStG n. F. –) vom leistenden Unternehmer an die Finanzbehörde abgetretene (zivilrechtliche) Forderungen aufgerechnet werden kann (a.A. Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen – BMF – vom 26. Juli 2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a).

1. Die Klägerin ist nicht als Leistungsempfängerin Steuerschuldnerin nach § 13b UStG.

a) Gem. § 13b Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung bis 30. Juni 2010 (UStG 2008) schuldet in den in § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG 2008 genannten Fällen der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen im Sinne des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG 2008 erbringt. Letztere Vorschrift umfasst Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen (sog. Bauleistungen). Eine vergleichbare Regelung enthalten § 13b Abs. 5 Satz 2, Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung ab 1. Juli 2010 (UStG 2010).

Erforderlich ist, dass der Leistungsempfänger die bezogenen Bauleistungen seinerseits wieder für eine derartige Leistung verwendet (BFH-Urteil in BStBl II 2011, 842 für das Umsatzsteuergesetz in der Fassung des Jahres 2005; BFH-Urteil vom 11. Dezember 2013 XI R 21/11, BStBl II 2014, 425 für das Umsatzsteuergesetz in der Fassung des Jahres 2007; Urteil des Finanzgerichts – FG – Münster vom 31. Januar 2017 15 K 3998/15 U, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2017, 527; FG Düsseldorf vom 28. April 2017 1 K 2634/15 U, EFG 2017, 1217, Rev. XI R 21/17).

Der Begriff der Werklieferung in § 13b UStG entspricht dem in § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG. Danach sind Werklieferungen Lieferungen, bei denen der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen hat und hierbei Stoffe verwendet, die er selbst beschafft, wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt dies auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden. § 3 Abs. 4 UStG betrifft einheitliche, aus Liefer- und Dienstleistungselementen bestehende Leistungen in Form der Be- und Verarbeitung eines nicht dem Leistenden gehörenden Gegenstandes und ist richtlinienkonform entsprechend den unionsrechtlichen Grundsätzen zur Abgrenzung von Lieferung und Dienstleistung auszulegen. Dementsprechend ist zu unterscheiden, ob der Leistungsempfänger Generalunternehmer, welcher regelmäßig auf fremden Grund baut, oder Bauträger ist, welcher grundsätzlich eigene Grundstücke bebaut. Sind die Leistungen, für welche die Bauleistungen bezogen wurden, nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei, so erbringt der Leistungsempfänger eine Lieferung und er handelt als Bauträger. Dies gilt – entgegen der Auffassung des FA – unabhängig davon, ob die Erwerber der von der Klägerin veräußerten Immobilien entsprechend einer später veröffentlichten Verwaltungsregelung (Abschn. 13b.3 Abs. 8 Sätze 6 und 7 des Umsatzsteueranwendungserlasses – UStAE – in der Fassung des BMF-Schreibens vom 12. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1289) „Einfluss auf die Bauausführung und Baugestaltung“ genommen haben (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2011, 842, Rz 34 f., 51 f., 59).

b) Danach schuldet die Klägerin die hier streitigen Leistungen nicht nach § 13b UStG. Denn sie verwandte sie nicht für Bauleistungen, sondern ganz überwiegend für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstückslieferung, und im Übrigen für Vermietungen. Soweit die Klägerin hinsichtlich des Einbau-Bücher-Regals keine Bauleistungen von dem in Deutschland ansässigen Schreiner bezogen haben sollte, kommt von vornherein die Anwendung des § 13b UStG nicht in Betracht.

2. Die Vorschrift des § 17 UStG ist hier nicht anzuwenden.

a) Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG liegen nicht vor. Uneinbringlich i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG ist hier nicht das vereinbarte Entgelt, sondern allenfalls der sich auf die Leistung beziehende Steuerbetrag (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV, 2016,716, Rz 21; FG-Düsseldorf in EFG 2017, 1217, unter I.2.a. der Entscheidungsgründe).

b) Die Vorschrift des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG ist nicht entsprechend anzuwenden (FG Münster in EFG 2017, 527; FG Düsseldorf in EFG 2017, 1217; a.A. FG Baden-Württemberg vom 19. Mai 2016, 1 K 3504/15, EFG 2016, 1826). Der BFH hat dies in seinem Beschluss in BFH/NV, 2016,716, Rz 21, 25 für möglich gehalten, weil die Verwaltungsauffassung die Uneinbringlichkeit des materiell-rechtlich geschuldeten Steuerbetrags verursacht habe. Hinsichtlich der Begründung für die Ablehnung der entsprechenden Anwendung verweist der Senat zunächst auf das Urteil des FG Düsseldorf in EFG 2017, 1217 unter I.2.b. und I.2.c. der Entscheidungsgründe.

Hinzu kommt, dass der BFH nach Auffassung des Senats in seinem Urteil vom 23. Februar 2017 V R 16/16, V R 24/16 (BStBl II 2017, 760) die Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG inzident ausgeschlossen hat. Dort führte der BFH in Rz 62 aus, dass es auf eine mögliche Anwendung dieser Vorschrift nicht mehr ankomme. Nach dem Urteil war die Steuerfestsetzung durch Änderungsbescheid gegenüber dem Leistenden rechtmäßig. Dies setzt zum einen eine Änderungsbefugnis für das Finanzamt voraus, die sich gem. dem Urteil aus § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG n. F. ergab. Jedoch ist ebenso erforderlich, dass materiell-rechtlich ein Steueranspruch gegen den Leistenden bestand. Die Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG hätte diesen aber ausgeschlossen, so dass der Änderungsbescheid nur dann rechtmäßig ist, wenn diese Vorschrift nicht (entsprechend) gilt (vgl. Lippross Deutsches Steuerrecht –DStR – 2017, 1297, 1298).

3. Unerheblich ist, ob die Klägerin die Steuer nachträglich an die leistenden Unternehmer zahlte oder, ob das FA mit dem Erstattungsanspruch gegen nach § 27 Abs. 19 UStG n. F. vom leistenden Unternehmer an die Finanzbehörde abgetretene (zivilrechtliche) Forderungen aufrechnen kann (a.A. BMF-Schreiben vom 26. Juli 2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a).

Eine solches Erfordernis ergibt sich weder aus dem § 27 Abs. 19 UStG noch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben noch aus dem Unionsrecht.

a) Die Vorschrift des § 27 Abs. 19 UStG n. F. befasst sich nicht mit der Steuerschuld des Leistungsempfängers und erweitert sie deswegen nicht: Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15. Februar 2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein (§ 27 Abs. 19 Satz 1 UStG n. F.). § 176 der Abgabenordnung (AO) steht der Änderung nach Satz 1 nicht entgegen (§ 27 Abs. 19 Satz 2 UStG n. F.). Das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt kann auf Antrag zulassen, dass der leistende Unternehmer dem Finanzamt den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer abtritt, wenn die Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte und der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirkt (§ 27 Abs. 19 Satz 3 UStG n. F.). Satz 4 der Vorschrift enthält Regelungen, wann die Abtretung zu Gunsten des Leistenden an Zahlungs statt wirkt.

§ 27 Abs. 19 Satz 1 UStG n. F. ist eine Änderungsbefugnis für das FA bei der Festsetzung der Steuer des Leistenden. Sie kann zu dessen Lasten nur dann geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht. Das FA hat eine Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG auch dann anzunehmen, wenn der Steueranspruch bereits durch Zahlung getilgt war. Auf das Vorliegen einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis kommt es nicht an (BFH-Urteil in BStBl II 2017, 760).

Die gesamte Vorschrift des § 27 Abs. 19 UStG n. F. beschränkt sich somit auf Regelungen hinsichtlich des Leistenden, das Erstattungsverlangen des Leistungsempfängers wird lediglich in § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG n. F. erwähnt. Der Erstattungsanspruch des Leistungsempfängers ist der Grund für die Regelungen in § 27 Abs. 19 UStG n. F. hinsichtlich des Leistenden, er wird in der Vorschrift also vorausgesetzt (vgl. BT-Drucks. 18/1995, S. 99 f., 111).

b) Der Grundsatz von Treu und Glauben vermag keine Steuerschuld des Leistungsempfängers zu begründen. Zwar ist er in allen Rechtsgebieten allgemein anerkannt und gebietet es innerhalb eines bestehenden Steuerrechtsverhältnisses für Steuergläubiger wie Steuerpflichtige gleichermaßen, dass jeder auf die Belange des anderen Teils Rücksicht nimmt. Damit nicht zu vereinbaren ist insbesondere ein widersprüchliches Verhalten. Allerdings haben diese Grundsätze lediglich rechtsbegrenzende Wirkung innerhalb bestehender Schuldverhältnisse und setzen demnach eine Identität der Rechtssubjekte voraus. Sie können nicht dazu führen, dass Steueransprüche oder -schulden überhaupt erst zum Entstehen oder Erlöschen gebracht werden (BFH-Urteil vom 12. Februar 2015 V R 28/14, BStBl II 2017, 10, Rz 31 f.; FG Düsseldorf in EFG 2017, 1217 unter I.2.c. der Entscheidungsgründe).

c) Schließlich ergibt sich aus dem Unionsrecht keine Steuerschuld des Klägers.

aa) Das Unionsrecht verbietet es nicht, dass ein nationales Rechtssystem die Erstattung von zu Unrecht erhobenen Steuern unter Umständen ablehnt, die zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führen würden (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union – EuGH – vom 18. Juni 2009 C-566/07, Stadeco, BFH/NV 2009, 1371, ECLI:ECLI:EU:C:2009:380, Rn 48, m.w.N.; vom 16. Mai 2013 C-191/12, Alakor Gabonatermelö es Forgalmazo, Höchstrichterliche Rechtsprechung – HFR – 2013, 654, ECLI:ECLI:EU:C:2013:315, Rn 25, m.w.N.).

Unabhängig davon, ob diese Grundsätze im nationalen Recht das Festsetzungs- oder Erhebungsverfahren beträfen, setzen sie eine nationale Regelung voraus, die dies vorsieht. Das ist aber – wie dargelegt – nicht der Fall. Eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts ist insoweit nicht geboten, weil es sich nicht um eine zwingende Vorgabe des Unionsrechts handelt, vielmehr jenes eine solche Regelung den Mitgliedstaaten freistellt.

bb) Aus dem unionsrechtlichen Grundsatz der Neutralität ergibt sich nichts anderes. Danach soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden (BFH-Urteil in BStBl II 2017, 760, Rz 39, m.w.N.). Eine Belastung des Steuerpflichtigen sieht er nicht vor. Darüber hinaus hat der Grundsatz der Neutralität die Bedeutung, dass gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich zu behandeln sind (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2016 C-38/16, Mehrwertsteuer-Recht – MwStR – 2017, 663, ECLI:ECLI:EU:C:2017:454, Rn 21, m.w.N.). Einen Wettbewerbsvorteil erhielte aber zunächst der Leistende, wenn seine Steuer nicht festgesetzt würde. Die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Steuer des Leistungsempfängers würde bei diesem allenfalls dann (mittelbar) zu Wettbewerbsvorteilen führen, wenn er dem Leistenden seinerseits die diesem zustehende Umsatzsteuer nicht bezahlte. Diese Situation einer „ungerechtfertigten Bereicherung“ im weiteren Sinne setzt aber eine nationale Regelung voraus (vgl. II.3.c.aa. der Gründe). Ferner ist der Grundsatz der steuerlichen Neutralität keine Regel des Primärrechts, sondern ein Auslegungsgrundsatz, der neben dem Grundsatz anzuwenden ist, den er einschränkt. Er erlaubt es z. B. nicht, den Anwendungsbereich des Vorsteuerabzugsrechts gegenüber einer eindeutigen Bestimmung auszuweiten (EuGH-Urteil vom 13. März 2014 C-204/13, Marlburg, MwStR 2014, 270, ECLI:ECLI:EU:C:2014:147, Rn 43; BFH-Urteil vom 31. Mai 2017 XI R 40/14, DStR 2017, 1923, Rz 52). Daher ist der Senat der Auffassung, dass der Grundsatz der Neutralität für sich genommen keine Steuerschuld des Leistungsempfängers zu begründen vermag.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Anwendung des § 137 Abs. 1 Satz 1 FGO zu Lasten der Klägerin kommt nicht in Betracht, weil die Entscheidung des FA bei rechtzeitiger Vorlage der Namen und Adressen der Leistenden genauso ausgefallen wäre (vgl. BFH-Urteil vom 22. April 2004 V R 72/03, BStBl II 2004, 684, unter II.2.b. der Gründe). Die Namen und Adressen der Leistenden waren zwar zur Beurteilung einer Steuerpflicht der Klägerin nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 UStG 2008 oder § 13 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 UStG 2010 erforderlich gewesen. Das FA hätte aber dem Einspruch dennoch nicht stattgegeben. Denn es hat im Klageverfahren behauptet, die Klägerin errichte auch Bauten auf fremden Grund sowie für die Eigenschaft als Bauträgerin reiche eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG nicht aus, und auch deswegen insgesamt die Klageabweisung beantragt.

5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

6. Die Revision wird im Hinblick auf die bereits anhängige Revision XI R 21/17 und das Urteil des FG Baden-Württemberg in EFG 2016, 1826 gem. § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.

(1) Für nach § 3a Absatz 2 im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind.

(2) Für folgende steuerpflichtige Umsätze entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats:

1.
Werklieferungen und nicht unter Absatz 1 fallende sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers;
2.
Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens;
3.
Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen;
4.
Bauleistungen, einschließlich Werklieferungen und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. Als Grundstücke gelten insbesondere auch Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern. Nummer 1 bleibt unberührt;
5.
Lieferungen
a)
der in § 3g Absatz 1 Satz 1 genannten Gegenstände eines im Ausland ansässigen Unternehmers unter den Bedingungen des § 3g und
b)
von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität, die nicht unter Buchstabe a fallen;
6.
Übertragung von Berechtigungen nach § 3 Nummer 3 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes, Emissionsreduktionseinheiten nach § 2 Nummer 20 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes, zertifizierten Emissionsreduktionen nach § 2 Nummer 21 des Projekt-Mechanismen-Gesetzes, Emissionszertifikaten nach § 3 Nummer 2 des Brennstoffemissionshandelsgesetzes sowie von Gas- und Elektrizitätszertifikaten;
7.
Lieferungen der in der Anlage 3 bezeichneten Gegenstände;
8.
Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen. Nummer 1 bleibt unberührt;
9.
Lieferungen von Gold mit einem Feingehalt von mindestens 325 Tausendstel, in Rohform oder als Halbzeug (aus Position 7108 des Zolltarifs) und von Goldplattierungen mit einem Goldfeingehalt von mindestens 325 Tausendstel (aus Position 7109);
10.
Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern und Spielekonsolen sowie von integrierten Schaltkreisen vor Einbau in einen zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeigneten Gegenstand, wenn die Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 Euro beträgt; nachträgliche Minderungen des Entgelts bleiben dabei unberücksichtigt;
11.
Lieferungen der in der Anlage 4 bezeichneten Gegenstände, wenn die Summe der für sie in Rechnung zu stellenden Entgelte im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5 000 Euro beträgt; nachträgliche Minderungen des Entgelts bleiben dabei unberücksichtigt;
12.
sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation. Nummer 1 bleibt unberührt.

(3) Abweichend von den Absatz 1 und 2 Nummer 1 entsteht die Steuer für sonstige Leistungen, die dauerhaft über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erbracht werden, spätestens mit Ablauf eines jeden Kalenderjahres, in dem sie tatsächlich erbracht werden.

(4) Bei der Anwendung der Absätze 1 bis 3 gilt § 13 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a Satz 2 und 3 entsprechend. Wird in den in den Absätzen 1 bis 3 sowie in den in Satz 1 genannten Fällen das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist.

(5) In den in den Absätzen 1 und 2 Nummer 1 bis 3 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person ist; in den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe a, Nummer 6, 7, 9 bis 11 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist. In den in Absatz 2 Nummer 4 Satz 1 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Leistung im Sinne des Absatzes 2 Nummer 4 Satz 1 verwendet, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Bei den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe b genannten Lieferungen von Erdgas schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Wiederverkäufer von Erdgas im Sinne des § 3g ist. Bei den in Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe b genannten Lieferungen von Elektrizität schuldet der Leistungsempfänger in den Fällen die Steuer, in denen der liefernde Unternehmer und der Leistungsempfänger Wiederverkäufer von Elektrizität im Sinne des § 3g sind. In den in Absatz 2 Nummer 8 Satz 1 genannten Fällen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Leistung im Sinne des Absatzes 2 Nummer 8 Satz 1 verwendet, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Bei den in Absatz 2 Nummer 12 Satz 1 genannten Leistungen schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Leistungen in deren Erbringung besteht und dessen eigener Verbrauch dieser Leistungen von untergeordneter Bedeutung ist; davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung, die nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden kann, darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Die Sätze 1 bis 6 gelten vorbehaltlich des Satzes 10 auch, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird. Sind Leistungsempfänger und leistender Unternehmer in Zweifelsfällen übereinstimmend vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 Nummer 4, 5 Buchstabe b, Nummer 7 bis 12 ausgegangen, obwohl dies nach der Art der Umsätze unter Anlegung objektiver Kriterien nicht zutreffend war, gilt der Leistungsempfänger dennoch als Steuerschuldner, sofern dadurch keine Steuerausfälle entstehen. Die Sätze 1 bis 7 gelten nicht, wenn bei dem Unternehmer, der die Umsätze ausführt, die Steuer nach § 19 Absatz 1 nicht erhoben wird. Die Sätze 1 bis 9 gelten nicht, wenn ein in Absatz 2 Nummer 2, 7 oder 9 bis 11 genannter Gegenstand von dem Unternehmer, der die Lieferung bewirkt, unter den Voraussetzungen des § 25a geliefert wird. In den in Absatz 2 Nummer 4, 5 Buchstabe b und Nummer 7 bis 12 genannten Fällen schulden juristische Personen des öffentlichen Rechts die Steuer nicht, wenn sie die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich beziehen.

(6) Die Absätze 1 bis 5 finden keine Anwendung, wenn die Leistung des im Ausland ansässigen Unternehmers besteht

1.
in einer Personenbeförderung, die der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Absatz 5) unterlegen hat,
2.
in einer Personenbeförderung, die mit einem Fahrzeug im Sinne des § 1b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 durchgeführt worden ist,
3.
in einer grenzüberschreitenden Personenbeförderung im Luftverkehr,
4.
in der Einräumung der Eintrittsberechtigung für Messen, Ausstellungen und Kongresse im Inland,
5.
in einer sonstigen Leistung einer Durchführungsgesellschaft an im Ausland ansässige Unternehmer, soweit diese Leistung im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Messen und Ausstellungen im Inland steht, oder
6.
in der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (Restaurationsleistung), wenn diese Abgabe an Bord eines Schiffs, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn erfolgt.

(7) Ein im Ausland ansässiger Unternehmer im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 und 5 ist ein Unternehmer, der im Inland, auf der Insel Helgoland und in einem der in § 1 Absatz 3 bezeichneten Gebiete weder einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung noch eine Betriebsstätte hat; dies gilt auch, wenn der Unternehmer ausschließlich einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Ausland hat. Ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer ist ein Unternehmer, der in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte hat; dies gilt nicht, wenn der Unternehmer ausschließlich einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthaltsort in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, aber seinen Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte im Drittlandsgebiet hat. Hat der Unternehmer im Inland eine Betriebsstätte und führt er einen Umsatz nach Absatz 1 oder Absatz 2 Nummer 1 oder Nummer 5 aus, gilt er hinsichtlich dieses Umsatzes als im Ausland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig, wenn die Betriebsstätte an diesem Umsatz nicht beteiligt ist. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die Leistung ausgeführt wird. Ist es zweifelhaft, ob der Unternehmer diese Voraussetzungen erfüllt, schuldet der Leistungsempfänger die Steuer nur dann nicht, wenn ihm der Unternehmer durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständigen Finanzamts nachweist, dass er kein Unternehmer im Sinne der Sätze 1 und 2 ist.

(8) Bei der Berechnung der Steuer sind die §§ 19 und 24 nicht anzuwenden.

(9) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Absatz 1 Satz 3), der andere an Stelle des Leistungsempfängers Steuerschuldner nach Absatz 5 ist.

(10) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung den Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach den Absätzen 2 und 5 auf weitere Umsätze erweitern, wenn im Zusammenhang mit diesen Umsätzen in vielen Fällen der Verdacht auf Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall aufgetreten ist, die voraussichtlich zu erheblichen und unwiederbringlichen Steuermindereinnahmen führen. Voraussetzungen für eine solche Erweiterung sind, dass

1.
die Erweiterung frühestens zu dem Zeitpunkt in Kraft treten darf, zu dem die Europäische Kommission entsprechend Artikel 199b Absatz 3 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der Fassung von Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie 2013/42/EU (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 1) mitgeteilt hat, dass sie keine Einwände gegen die Erweiterung erhebt;
2.
die Bundesregierung einen Antrag auf eine Ermächtigung durch den Rat entsprechend Artikel 395 der Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 2013/42/EG (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 1) gestellt hat, durch die die Bundesrepublik Deutschland ermächtigt werden soll, in Abweichung von Artikel 193 der Richtlinie 2006/112/EG, die zuletzt durch die Richtlinie 2013/61/EU (ABl. L 353 vom 28.12.2013, S. 5) geändert worden ist, die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für die von der Erweiterung nach Nummer 1 erfassten Umsätze zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen einführen zu dürfen;
3.
die Verordnung nach neun Monaten außer Kraft tritt, wenn die Ermächtigung nach Nummer 2 nicht erteilt worden ist; wurde die Ermächtigung nach Nummer 2 erteilt, tritt die Verordnung außer Kraft, sobald die gesetzliche Regelung, mit der die Ermächtigung in nationales Recht umgesetzt wird, in Kraft tritt.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für Bauleistungen, die die Beigeladene an die Klägerin erbracht hat, im Streitjahr 2005 Steuerschuldnerin i.S. des § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geworden ist.

2

Die Klägerin betreibt laut Handelsregistereintrag ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Erwerb, die Erschließung und die Bebauung von Grundstücken ist.

3

Am 13. September 2004 beauftragte die Klägerin die nach § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung Beigeladene als Generalunternehmer zur Erstellung eines Wohnhauses mit sechs Wohnungen zum Pauschalpreis von... € brutto. Laut Vertrag war die Beigeladene bei der Abrechnung von Abschlagszahlungen und der Schlussrechnung verpflichtet, die Umsatzsteuer gesondert auszuweisen.

4

Nachdem die Beigeladene in 2004 und 2005 Bauleistungen an die Klägerin erbracht hatte, kam es zur Kündigung des Vertrages durch die Klägerin. Am 17. November 2005 erteilte die Beigeladene eine Schlussrechnung ohne Umsatzsteuerausweis, in dem auf die Steuerschuldnerschaft der Klägerin nach § 13b UStG hingewiesen wurde.

5

In ihrer Umsatzsteuererklärung 2004 und in den Voranmeldungen 2005 erklärte die Klägerin zunächst gemäß § 13b UStG auf die von der Beigeladenen erhaltenen Bauleistungen Umsatzsteuer in Höhe von... € und führte die Umsatzsteuer an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ab.

6

In ihrer Jahreserklärung 2005 erklärte sie jedoch diese Umsatzsteuerbeträge nicht mehr mit der Begründung, sie erbringe keine Bauleistungen, denn nach Abschn. 182a Abs. 10 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) sei dazu erforderlich, dass sie "nachhaltige" Bauleistungen erbringe, was nur vorliege, wenn die Bauleistungen im Vorjahr mehr als 10 % der Gesamtumsätze betrügen. Wegen schwankender Umsätze habe sie diese Voraussetzung zwar noch im Jahre 2003, nicht aber 2004 erfüllt. Dies sei nachträglich im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten 2004 aufgefallen. Entgegen dem Vortrag der Beigeladenen habe sie dieser keine Bescheinigung nach § 48b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgehändigt. Eine vertragliche Einigung gemäß Abschn. 182a Abs. 17 UStR über den gesetzlichen Übergang der Steuerschuldnerschaft habe ebenfalls nicht vorgelegen.

7

Das FA ging zwar ebenfalls davon aus, dass die Klägerin die 10 %-Grenze nach Abschn. 182a Abs. 10 UStR im Vorjahr nicht überschritten habe. Gleichwohl sei von einer Einigung i.S. des Abschn. 182a Abs. 17 UStR auszugehen, weil die Klägerin die Änderung der Verhältnisse nicht mitgeteilt habe. Daraufhin setzte das FA mit Umsatzsteuerbescheid vom 14. November 2006 die Umsatzsteuer 2005 auf ... € fest.

8

Nach Zurückweisung des Einspruchs wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 278). Zur Begründung führte es aus, das FA habe den Übergang der Steuerschuld nach § 13b UStG im Ergebnis zu Recht angenommen. Das FG folge zwar nicht den Regelungen der UStR in Abschn. 182a Abs. 10 Sätze 2 und 3, wonach dies nur dann der Fall sei, wenn im vorangegangenen Jahr der Anteil an Bauleistungen mindestens 10 % betragen habe oder wenn der Leistungsempfänger dem Leistenden eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG "für Umsatzsteuerzwecke" vorgelegt habe (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 16. Oktober 2009, BStBl I 2009, 1298 Rz 2, 3, 5). Das Erfordernis der Nachhaltigkeit der Bauleistungsumsätze sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Zudem könne der leistende Unternehmer nicht verlässlich beurteilen, ob die Voraussetzungen des Übergangs der Steuerschuldnerschaft vorlägen, weil dies von dem ihm unbekannten Verhältnis der Bauleistungen zu den sonstigen Umsätzen des Leistungsempfängers abhänge. Es genüge daher, wenn der Leistungsempfänger nur gelegentlich Bauleistungen erbringe. Der Übergang der Steuerschuldnerschaft sei nur dann ausgeschlossen, wenn ein Unternehmer überhaupt keine Bauleistungen erbringe. Ebenso wenig überzeugend sei die Regelung des Abschn. 182a Abs. 12 Satz 2 UStR, wonach der Übergang der Steuerschuldnerschaft von der Vorlage einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG "für umsatzsteuerliche Zwecke" abhänge, weil dann der Übergang entgegen der gesetzlichen Regelung in das Belieben des Leistungsempfängers gestellt werde. Maßgebend für den Übergang der Steuerschuldnerschaft sei vielmehr, ob der Leistungsempfänger Unternehmer sei, der zumindest gelegentlich selbst Bauleistungen erbringe und ob dies für den Leistenden erkennbar sei.

9

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und verteidigt die 10 %-Grenze. Sie habe auch keine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG der Beigeladenen vorgelegt.

10

Die Klägerin beantragt, die Umsatzsteuerfestsetzung 2005 vom 14. November 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2008 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um ... € herabgesetzt wird.

11

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

12

Die Klägerin habe zwar zutreffend ausgeführt, dass ihr Anteil der Bauleistungen an den Gesamtumsätzen unter 10 % liege. Sie verfüge aber für 2005 über eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin für das Jahr 2004 als Bauleistender und für das Streitjahr 2005 nicht mehr als Bauleistender anzusehen sei. Die Klage sei dennoch unbegründet, weil die Klägerin mit der Beigeladenen eine Vereinbarung über die Umkehr der Steuerschuldnerschaft getroffen habe, was sich daraus ergebe, dass die Klägerin im Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren 2005 die Umsatzsteuer erklärt und abgeführt habe.

13

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

14

Der Senat hat mit Beschluss vom 30. Juni 2011 V R 37/10 (BFHE 233, 477, BStBl II 2011, 842) dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

15

"1. Umfasst der Begriff der Bauleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Ermächtigung 2004/290/EG neben Dienstleistungen auch Lieferungen?

16

2. Falls sich die Ermächtigung zur Bestimmung des Leistungsempfängers als Steuerschuldner auch auf Lieferungen erstreckt:

17

Ist der ermächtigte Mitgliedstaat berechtigt, die Ermächtigung nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben?

18

3. Falls der Mitgliedstaat zu einer Untergruppenbildung berechtigt ist: Bestehen für den Mitgliedstaat Beschränkungen bei der Untergruppenbildung?

19

4. Falls der Mitgliedstaat zu einer Untergruppenbildung allgemein (siehe oben, Frage 2) oder aufgrund nicht beachteter Beschränkungen (siehe oben, Frage 3) nicht berechtigt ist:

20

a) Welche Rechtsfolgen ergeben sich aus einer unzulässigen Untergruppenbildung?

21

b) Führt eine unzulässige Untergruppenbildung dazu, dass die Vorschrift des nationalen Rechts nur zugunsten einzelner Steuerpflichtiger oder allgemein nicht anzuwenden ist?"

22

Diese Fragen hat der EuGH am 13. Dezember 2012 C-395/11, BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 63) wie folgt beantwortet:

23

"1. Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG des Rates vom 30. März 2004 zur Ermächtigung Deutschlands zur Anwendung einer von Artikel 21 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichenden Regelung ist dahin auszulegen, dass der Begriff der 'Bauleistungen' in dieser Bestimmung neben den als Dienstleistungen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2004/7/EG des Rates vom 20. Januar 2004 geänderten Fassung eingestuften Umsätzen auch die Umsätze umfasst, die in der Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie bestehen.

24

2. Die Entscheidung 2004/290 ist dahin auszulegen, dass die Bundesrepublik Deutschland berechtigt ist, die ihr mit dieser Entscheidung erteilte Ermächtigung nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben. Bei der Bildung dieser Untergruppen hat dieser Mitgliedstaat den Grundsatz der steuerlichen Neutralität sowie die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, wie insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit, zu beachten. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu überprüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist, und gegebenenfalls die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die nachteiligen Folgen einer gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit oder der Rechtssicherheit verstoßenden Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften auszugleichen."

Entscheidungsgründe

II.

25

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil des FG war die Klägerin für die von ihr bezogenen Leistungen nicht als Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Nr. 4 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung.

26

1. Die Steuerschuld des Leistungsempfängers gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG setzt in Ausübung einer durch das Unionsrecht eingeräumten Ermächtigung voraus, dass er eine der in § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG genannten Leistungen bezieht und diese auch selbst erbringt.

27

a) Nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG in der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung schuldet in "den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 genannten Fällen... der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbringt".

28

§ 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG hat folgenden Wortlaut:
"(1) Für folgende steuerpflichtige Umsätze entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats: ...

4. Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. ..."

29

§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erfasst somit im Gegensatz zu § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht alle "Bauleistungen", die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, sondern nur Werklieferungen und sonstige Leistungen, die diesen Bauwerksbezug aufweisen.

30

b) Die durch § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 UStG nicht für alle Bauleistungen, sondern nur für bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen angeordnete Steuerschuld des Leistungsempfängers beruht unionsrechtlich auf Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG des Rates vom 30. März 2004 zur Ermächtigung Deutschlands zur Anwendung einer von Artikel 21 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichenden Regelung (Entscheidung 2004/290/EG). Danach besteht "bei der Erbringung von Bauleistungen an einen Steuerpflichtigen" für die Bundesrepublik Deutschland die Befugnis, den "Empfänger der Gegenstände oder Dienstleistungen als Mehrwertsteuerschuldner" zu bestimmen.

31

Dass diese Ermächtigung im nationalen Recht nicht für alle Bauleistungen und zu Lasten aller Steuerpflichtigen (Unternehmer), sondern nur für bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen und dabei nur zu Lasten der Unternehmer ausgeübt wurde, die selbst derartige Leistungen erbringen, ist nach dem im Streitfall ergangenen EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 unbeachtlich. Denn nach den Leitsätzen dieser Entscheidung umfasst "der Begriff der Bauleistungen in dieser Bestimmung neben den als Dienstleistungen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG... eingestuften Umsätzen auch die Umsätze, die in der Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie bestehen". Darüber hinaus ist "die Bundesrepublik Deutschland berechtigt ..., die ihr mit dieser Entscheidung erteilte Ermächtigung nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben".

32

2. Im Streitfall hat die Beigeladene an die Klägerin eine bauwerksbezogene Werklieferung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbracht.

33

a) Der Begriff der Werklieferung in § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG entspricht dem in § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG. Danach sind Werklieferungen Lieferungen, bei denen der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen hat und hierbei Stoffe verwendet, die er selbst beschafft, wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt dies auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

34

§ 3 Abs. 4 UStG betrifft nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats einheitliche, aus Liefer- und Dienstleistungselementen bestehende Leistungen in Form der Be- und Verarbeitung eines nicht dem Leistenden gehörenden Gegenstandes und ist richtlinienkonform entsprechend den unionsrechtlichen Grundsätzen zur Abgrenzung von Lieferung (Art. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Richtlinie 77/388/EWG--) und Dienstleistung (Art. 6 der Richtlinie 77/388/EWG) auszulegen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Juni 2005 V R 50/02, BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98, unter II.2.b cc).

35

Werklieferungen liegen danach vor, wenn der Unternehmer dem Abnehmer nicht nur die Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft (§ 3 Abs. 1 UStG), sondern zusätzlich einen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet. So können z.B. Buchbinderarbeiten als Bearbeitung von nicht dem Leistenden gehörenden Gegenständen Werklieferungen sein (BFH-Urteil vom 29. April 1982 V R 132/75, nicht veröffentlicht --n.v.--). Nicht ausreichend für die Annahme einer Werklieferung ist demgegenüber die Be- oder Verarbeitung eigener Gegenstände des Leistenden. Zwar kann z.B. die Zubereitung von Speisen in einem Imbissstand als Lieferung anzusehen sein (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. Juni 2011 V R 35/08, BFHE 234, 491, BStBl II 2013, 244, Leitsatz). Bei der durch den Imbissstandbetreiber ausgeführten Lieferung handelt es sich aber mangels Be- oder Verarbeitung von für den Standbetreiber fremden Gegenständen nicht um Werklieferungen i.S. von § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG. Ebenso führt die Herstellung anderer beweglicher Gegenstände wie z.B. PKW nicht aufgrund der Vereinbarung besonderer Spezifikationen wie Sonderausstattungen zu einer Werklieferung.

36

b) Im Streitfall hat die Beigeladene mit der Erstellung eines Wohnhauses eine Werklieferung i.S. von § 3 Abs. 4 UStG an die Klägerin erbracht.

37

aa) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 24. Juli 1969 V R 9/66 (BFHE 97, 196, BStBl II 1970, 71) entschieden hat, bewirkt der Unternehmer dadurch, dass er auf dem ihm nicht gehörenden Grundstück ein Gebäude errichtet und das Gebäude dem Grundstückseigentümer übergibt, eine Werklieferung. Im Rahmen von § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG tritt dabei die feste Verbindung mit Grund und Boden an die Stelle der Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstandes. Der BFH hat an dieser Rechtsprechung in der Folgezeit festgehalten und entschieden, dass Bauhandwerker bei der Errichtung eines Gebäudes für den Grundstückseigentümer Werklieferungen ausführen (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1974 V R 29/74, BFHE 114, 512, BStBl II 1975, 396), dass der Mieter, der Ausbauten, Umbauten und Einbauten auf eigene Kosten durchführt oder auf dem gemieteten Grundstück ein Gebäude errichtet, an den Vermieter eine Werklieferung ausführt (BFH-Urteile vom 15. September 1983 V R 154/75, n.v. zu Einbauten, und vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634 zur Gebäudeerrichtung), und dass der Unternehmer mit der Herstellung von Erschließungsanlagen auf öffentlichen Flächen einer Gemeinde gegenüber der Gemeinde eine entgeltliche Werklieferung ausführt (BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 V R 14/09, BFHE 231, 273, BStBl II 2012, 428, Leitsatz 1). In Übereinstimmung hiermit kann sich die zur bloßen Verschaffung der Verfügungsmacht hinzutretende Bearbeitung auch aus dem Einbau des gelieferten Gegenstandes in ein Gebäude ergeben (zutreffend Abschn. 182a Abs. 3 Satz 2 UStR 2005 zum Einbau von Fenstern, Türen, Bodenbelägen, Aufzügen etc.).

38

bb) Danach erbrachte der Beigeladene im Streitfall mit der Errichtung des Wohnhauses auf dem für ihn fremden Grundstück eine Werklieferung i.S. von § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG.

39

3. Die Klägerin ist aber gleichwohl nicht Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG, da sie die von der Beigeladenen empfangene Leistung nicht selbst zur Erbringung einer bauwerksbezogenen Werklieferung oder sonstigen Leistung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG verwendet hat. Das Urteil des FG war somit aufzuheben und der Klage stattzugeben.

40

a) Im Hinblick auf das sich aus dem Unionsrecht ergebende Erfordernis der Rechtssicherheit ist § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG teleologisch einschränkend auszulegen.

41

aa) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG setzt nach seinem Wortlaut voraus, dass der Leistungsempfänger selbst bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbringt.

42

bb) Bei der Auslegung des nationalen Rechts ist, soweit es auf einer unionsrechtlichen Harmonisierung durch Richtlinien der Europäischen Union beruht, das Unionsrecht und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 30/09, BFHE 237, 263, BStBl II 2012, 623). Daher ist im Streitfall nicht nur zu beachten, dass der EuGH in dem den Streitfall betreffenden Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 dem nationalen Gesetzgeber das Recht zugebilligt hat, Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben (s. oben II.1.b), sondern auch, dass der so ermächtigte Mitgliedstaat "bei der Bildung dieser Untergruppen ... den Grundsatz der steuerlichen Neutralität sowie die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, wie insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit, zu beachten" hat und es "Sache des vorlegenden Gerichts [ist], unter Berücksichtigung aller maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu überprüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist, und gegebenenfalls die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die nachteiligen Folgen einer gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit oder Rechtssicherheit verstoßenden Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften auszugleichen (EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63, 2. Leitsatz).

43

Der EuGH betont dabei, dass "Rechtsakte der Union ... eindeutig sein müssen und dass ihre Anwendung für die Betroffenen vorhersehbar sein muss". Der sich hieraus ergebende Grundsatz der Rechtssicherheit ist von jeder mit der Anwendung des Unionsrechts betrauten innerstaatlichen Stelle zu beachten und "gilt in besonderem Maße, wenn es sich um eine Regelung handelt, die sich finanziell belastend auswirken kann, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen" (EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 Rdnr. 47).

44

b) Das EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 führt im Rahmen einer teleologischen Reduktion zu einer den Wortlaut von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG einschränkenden Auslegung.

45

aa) Hat der Unternehmer eine bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG bezogen, lässt es § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG für die an die Stelle der Steuerschuld des Leistenden tretende Steuerschuld des Leistungsempfängers ausreichen, dass der Leistungsempfänger selbst derartige Leistungen erbringt.

46

§ 13b Abs. 2 Satz 2 UStG schränkt das Erfordernis einer Leistungserbringung i.S. von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG in keiner Weise und dabei weder gegenständlich noch in zeitlicher Hinsicht ein. Nach dem Wortlaut der Vorschrift würde es für den von dieser Vorschrift angeordneten Wechsel in der Steuerschuldnerschaft z.B. ausreichen, dass an den Leistungsempfänger im Inland eine bauwerksbezogene Werklieferung erbracht wird, während er selbst lediglich im Ausland ohne Zusammenhang mit diesem Leistungsbezug eine derartige Werklieferung erbringt. Insoweit ist zu beachten, dass sich "eine solche finanzielle Belastung gleichwohl, wie dies in einem Sachverhalt wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen der Fall sein kann, aus der Anwendung dieser Regelung durch die zuständigen nationalen Behörden ergeben [könnte], wenn es diese Anwendung den betreffenden Steuerpflichtigen, zumindest vorübergehend, nicht erlaubt, den Umfang ihrer Verpflichtungen auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer genau zu erkennen" (EuGH-Urteil BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH in UR 2013, 63 Rdnr. 48).

47

Eine derartige, dem Wortlaut von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG einschränkungslos folgende Auslegung ist mit den Erfordernissen des Unionsrechts nicht zu vereinbaren, da es durch das Abstellen auf Umstände, die der Leistende im Regelfall nicht erkennt und auch nicht erkennen kann, nicht ermöglicht wird, genau zu erkennen, ob er oder sein Leistungsempfänger Steuerschuldner ist.

48

bb) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG ist nicht dahingehend einschränkend auslegbar, dass es für den Wechsel in der Steuerschuldnerschaft darauf ankommt, dass der Leistungsempfänger "nachhaltig" (so aber Abschn. 182a Abs. 10 Satz 2 UStR) bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen erbringt und dabei die Summe dieser Leistungen mehr als 10 % seiner steuerbaren Umsätze beträgt (Abschn. 182a Abs. 10 UStR), wobei die Finanzverwaltung später präzisiert hat, dass dabei auf den "Weltumsatz" des Leistungsempfängers abzustellen sein soll (Abschn. 13b.3 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE-- in der Fassung des BMF-Schreibens vom 12. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1289).

49

Gegen die einschränkende Auslegung durch die Finanzverwaltung spricht, dass es auch hierdurch dem Leistenden nicht ermöglicht wird, zuverlässig zu beurteilen, ob er oder der Leistungsempfänger Steuerschuldner für die erbrachte Leistung ist. Dies zeigt sich nach den Verhältnissen des Streitfalles auch daran, dass die Klägerin selbst nicht in der Lage war, die nach der Verwaltungsauffassung maßgebliche 10 %-Grenze zutreffend zeitnah zu ermitteln, sodass auszuschließen ist, dass der Leistende diese Berechnung vornehmen kann. Der Senat schließt sich daher der von der Vorinstanz sowie im Schrifttum geäußerten Kritik an der sog. "10 % Regel" in Abschn. 182a Abs. 10 UStR an (vgl. Ahrens, Umsatzsteuerberater 2004, 331; Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 13b UStG Rz 57; Küffner/Zugmaier, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2004, 712; Kuplich, UR 2007, 369; Meyer in Anm. EFG 2010, 280; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 13b Rz 384; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 13b Rz 33.2).

50

cc) § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG ist entgegen Abschn. 182a Abs. 11 UStR dahingehend einschränkend auszulegen, dass es für den Übergang der Steuerschuldnerschaft darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung selbst zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet.

51

Zwar vermag auch diese Auslegung nicht alle Schwierigkeiten, die für den Leistenden bei der Zuordnung der Steuerschuldnerschaft bestehen, auszuräumen. So ist im Hinblick auf das Erfordernis, dass der Leistungsempfänger selbst eine bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung erbringt, z.B. danach zu unterscheiden, ob der Leistungsempfänger ein Generalunternehmer oder Bauträger ist. Während der Generalunternehmer regelmäßig auf einem seinem Auftraggeber gehörenden Grundstück baut, bebaut der Bauträger in der Regel eigene Grundstücke (vgl. hierzu z.B. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2010  10 AZR 190/11, Monatsschrift für Deutsches Recht 2012, 1046, unter I.2.c bb). Dementsprechend erbringt im Hinblick auf das Erfordernis der Be- oder Verarbeitung einer fremden Sache nur der ein fremdes Grundstück bebauende Generalunternehmer, nicht aber der ein eigenes Grundstück bebauende Bauträger eine bauwerksbezogene Werklieferung, die zur Anwendung von § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG führt (s. oben II.2.a und b aa). Gleichwohl gewährleistet die Auslegung nach der Verwendung der bauwerksbezogenen Werklieferung oder sonstigen Leistung durch den Leistungsempfänger auf der jeweiligen Baustelle noch am ehesten eine rechtssichere Beurteilung.

52

Für die auf die Verwendung durch den Leistungsempfänger abstellende Auslegung, nach der insbesondere zwischen Generalunternehmern, die selbst bauwerksbezogene Werklieferungen ausführen, und grundstücksveräußernden Bauträgern, bei deren Leistungen es sich umsatzsteuerrechtlich um Lieferungen handelt, sprechen zudem die für Bauträger bestehenden Sonderregelungen des Gewerberechts, auf deren Grundlage auch im Rechtsverkehr zwischen diesen beiden Unternehmergruppen zu unterscheiden ist. So war gemäß § 34c der Gewerbeordnung (GewO) in ihrer im Streitjahr geltenden Fassung die Tätigkeit als Makler, Bauträger oder Baubetreuer erlaubnispflichtig. Dies galt nach § 34c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GewO a.F. (später § 34c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a der GewO in der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 6. Dezember 2011, BGBl I 2011, 2481) insbesondere für diejenigen, die als Bauherr im eigenen Namen für eigene oder fremde Rechnung Bauvorhaben vorbereiten oder durchführen und dazu Vermögenswerte von Erwerbern, Mietern, Pächtern oder sonstigen Nutzungsberechtigten oder von Bewerbern um Erwerbs- oder Nutzungsrechte verwenden. Nach dem hierzu auf der Grundlage von § 34c Abs. 3 GewO ergangenen § 3 der Verordnung über die Pflichten der Makler, Darlehensvermittler, Bauträger und Baubetreuer (Makler- und Bauträgerverordnung) bestanden dabei besondere Sicherungspflichten für Bauträger, wenn in den Fällen des § 34c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GewO "dem Auftraggeber Eigentum an einem Grundstück übertragen werden soll".

53

dd) Nicht zu entscheiden hat der Senat im Streitfall, ob die Anordnung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers in § 13b Abs. 2 Sätze 2 und 3 UStG für Leistungen, die der Empfänger für seinen nichtunternehmerischen Bereich verwendet, mit dem Erfordernis der Leistungserbringung "an einen Steuerpflichtigen" i.S. von Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG vereinbar ist.

54

ee) Die hiergegen gerichteten Einwendungen des FA greifen nicht durch.

55

(1) Entgegen der Auffassung des FA (vgl. Abschn. 182a Abs. 17 UStR) ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Beteiligten über die Handhabung der Steuerschuldnerschaft ursprünglich einig waren oder nicht, denn das Gesetz stellt den Übergang der Steuerschuldnerschaft zur Sicherung des Steueranspruchs nicht zur Disposition der Vertragsparteien (zutreffend Küffner/Zugmaier, DStR 2004, 712; Mößlang in Sölch/Ringleb, UStG, § 13b Rz 11: bloße Billigkeitsregelung).

56

(2) Der mit § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG verfolgte Zweck der Bekämpfung von Steuerausfällen im Baugewerbe rechtfertigt im Hinblick auf die vorrangig zu beachtende rechtssichere Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift keine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung. Zwar mag es sein, dass durch die Entscheidung 2004/290/EG "Steuerhinterziehungen oder Umgehungen möglichst umfassend verhütet werden" sollten. Im Hinblick auf die nur eingeschränkte Ausübung der durch diese Entscheidung eingeräumten Befugnisse durch das nationale Recht (s. oben II.2.b) ergibt sich aus den weiter gehenden Befugnissen des Unionsrechts und den damit verfolgten Zwecken aber keine erweiternde Auslegung des nationalen Rechts.

57

Dass der nationale Gesetzgeber trotz der ihm durch das Unionsrecht eingeräumten Befugnisse bei der Umsetzung nicht auch eine Steuerschuldnerschaft für die Leistungsempfänger angeordnet hat, die Gebäude oder Gebäudeteile mit dazugehörigem Grund und Boden vor dem Erstbezug liefern (vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG) oder die --entsprechend § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG und in Übereinstimmung mit Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG-- Unternehmer sind, ist daher nicht im Wege der Gesetzesauslegung änderbar.

58

(3) Auch die Überlegungen des FA zu innergemeinschaftlichen Lieferungen rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Denn dem Lieferer ist es bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Hinblick auf das Bestätigungsverfahren zur Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (vgl. § 18e UStG) möglich, personenbezogene Merkmale seines Abnehmers zu überprüfen. Eine derartige Möglichkeit besteht bei § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG nicht.

59

c) Im Streitfall hat die Klägerin die von ihr empfangene bauwerksbezogene Werklieferung für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstückslieferungen, nicht aber zur Erbringung einer eigenen bauwerksbezogenen Werklieferung verwendet. Dabei scheitert die Annahme einer durch die Klägerin erbrachten Werklieferung bereits daran, dass die Klägerin ein eigenes, nicht aber ein fremdes Grundstück bebaut und sodann veräußert hat (s. oben II.2.a und b aa). Ohne Bedeutung ist daher, ob die Erwerber der von der Klägerin veräußerten Wohnungen entsprechend einer später veröffentlichten Verwaltungsregelung (Abschn. 13b.3 Abs. 8 Sätze 6 und 7 UStAE in der Fassung des BMF-Schreibens in BStBl I 2011, 1289) "Einfluss auf Bauausführung und Baugestaltung" genommen haben, da eine derartige Einflussnahme bei der Bebauung eines im Eigentum des Bauträgers stehenden Grundstücks nicht dazu führt, dass der Bauträger nunmehr für ihn fremde Gegenstände --als Voraussetzung der Werklieferung gemäß § 3 Abs. 4 UStG-- bearbeitet.

60

d) Die danach enge Auslegung von § 13b Abs. 2 Satz 1 UStG schränkt diesen Tatbestand nicht übermäßig ein.

61

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass § 13b UStG keine umfassende Steuerschuldnerschaft für an Unternehmer im Bausektor erbrachte Bauleistungen anordnet. So bestehen nach § 13b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Nr. 3 UStG und § 13b Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG jeweils eigenständige Regelungen für die Zuordnung der Steuerschuldnerschaft bei grunderwerbsteuerbaren Umsätzen und bei Bauleistungen. Daher sind z.B. Grundstücksverkäufer, die Grundstücke bebauen und nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei liefern, nicht Steuerschuldner für die von ihnen bezogenen Bauleistungen (insoweit zutreffend Abschn. 13b.3 Abs. 8 Satz 5 UStAE). Danach ist im Streitfall das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten sich über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer für 2004 bis 2007 für den Verzinsungszeitraum 1. April 2006 (Umsatzsteuer 2004), 1. April 2007 (Umsatzsteuer 2005), 1. April 2008 (Umsatzsteuer 2006) sowie 1. April 2009 (Umsatzsteuer 2007) bis jeweils 29. April 2010.

2

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 1. Juni 1990 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist ausweislich der Eintragungen im Handelsregister die Entwicklung, Herstellung, der Vertrieb von Förderanlagen und Baugruppen aller Art im Bereich Umwelttechnik. Die Klägerin vertreibt weltweit verschiedene Recyclingmaschinen.

3

Die Maschinen werden in der Regel über Zwischenhändler verkauft. Die Leistungsbeziehungen zwischen der Klägerin, den Händlern und dem Endkunden sind häufig im Rahmen eines Reihengeschäftes gestaltet.

4

Der Beklagte führte bei der Klägerin in der Zeit vom 6. Oktober 2009 bis Ende 2010 eine steuerliche Betriebsprüfung für die bereits unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagten Jahre 2004 bis 2007 durch. Der Zwischenbericht der Betriebsprüfung datiert auf den 1. April 2010. Die Betriebsprüfung kam zu dem Ergebnis, dass der Klägerin in den Streitjahren 2004 bis 2007 bei bestimmten Reihengeschäften mit ausländischen Händlern die ruhende Lieferung zuzuordnen sei und daher keine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 Umsatzsteuergesetz (UStG) oder nach § 4 Nr. 1 die i.V.m. § 6a UStG in Anspruch genommen werden könne. Die insoweit bisher von der Klägerin als steuerfrei behandelten und erklärten Lieferungen seien umsatzsteuerpflichtig.

5

In Auswertung des Betriebsprüfungsberichtes erließ der Beklagte am 26. April 2010 gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide über Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2007, in denen er die Steuer entsprechend heraufsetzte. Gleichzeitig erließ der Beklagte mit den Umsatzsteuerbescheiden verbundene Bescheide über Zinsen zur Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2007.

6

In den Bescheiden vom 26. April 2010 berechnete der Beklagte die Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2007 wie folgt:

7

2004: 

590.350,00 €

vom 1.04.2006
bis 29.04.2010 =  

48 Monate x 0,5 v.H. =

   141.684,00 €

2005: 

620.850,00 €

vom 1.04.2007
bis 29.04.2010=

36 Monate x 0,5 v.H. =

111.753,00 €

2006: 

891.600,00 €    

vom 1.04.2008
bis 29.04.2010=

24 Monate x 0,5 v.H. =

106.992,00 €

2007: 

1.084.250,00 €

vom 1.04.2009
bis 29.04.2010=

12 Monate x 0,5 v.H. =

65.055,00 €

8

Mit Schreiben vom 28. Mai 2010 legte die Klägerin sowohl gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2007 vom 26. April 2010 als auch gegen die Bescheide über die Festsetzung von Zinsen zur Umsatzsteuer für 2004 bis 2007 vom 26. April 2010 Einspruch ein.

9

Zur Begründung führte sie aus, dass sie die Feststellungen der Betriebsprüfung umgehend in berichtigten Rechnungen an die ausländischen Händler umgesetzt habe. Die betreffenden Rechnungen im Prüfungszeitraum seien pro Jahr korrigiert worden. Die jeweilige Korrekturmeldung (Gutschrift) enthalte eine Anlage mit detaillierten Angaben der betreffenden Rechnungen und die neuen Rechnungen seien mit gesondertem Ausweis deutscher Umsatzsteuer erteilt worden. Die korrigierten Rechnungen seien in der Umsatzsteuervoranmeldung für April 2010 berücksichtigt worden. Die Leistungsempfänger (Händler) hätten bei dem Bundeszentralamt für Steuern Anträge auf Vergütung der deutschen Vorsteuer gestellt. In diesem Zusammenhang sei zudem die Abtretung des Vergütungsanspruches der Händler an den Beklagten zwecks Verrechnung mit den Umsatzsteuernachzahlungen für die Jahre 2004 bis 2007 gestellt worden. Aus diesem Grund sei der Klägerin die technische Stundung hinsichtlich der betreffenden Umsatzsteuerzahlungen gewährt worden.

10

Im Ergebnis seien die Zinsbescheide bereits deshalb rechtswidrig, weil die Festsetzung der Zinsen nicht mehr von dem Gesetzeszweck des § 233a AO gedeckt sei. Dieser Vorschrift liege der Zweck zu Grunde, einen Liquiditätsvorteil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige durch eine spätere Festsetzung der Steuer erziele. Die Klägerin habe aber einen derartigen Liquiditätsvorteil nicht erzielt, denn sie habe in den ursprünglichen Rechnungen über die Maschinenlieferungen keinerlei Umsatzsteuer ausgewiesen und diese somit auch nicht als Teil des Kaufpreises vereinnahmt. Vielmehr habe sie selbst erst durch korrigierte Rechnungen gegenüber den Händlern die Umsatzsteuer als Teil des zivilrechtlichen Kaufpreises nachträglich vereinnahmt und auch an das Finanzamt entrichtet. Zwar genüge es nach dem Gesetzeszweck des § 233a Abs. 1 AO, dass der Steuerpflichtige keinen tatsächlichen, sondern nur einen möglichen Zinsvorteil durch die spätere Festsetzung innehabe. Die Klägerin habe aber auch keine solche abstrakte Möglichkeit gehabt, einen Liquiditätsvorteil zu erzielen. Denn die ursprünglichen Rechnungen enthielten ausschließlich den mit den Händlern vereinnahmten Nettokaufpreis für die jeweilige Maschine. Weiteres Geld habe die Klägerin nicht erhalten. Vor der Rechnungskorrektur habe für die Klägerin auch keine Möglichkeit bestanden, weiteres Geld von den Händlern mit der Begründung einzufordern, diese hätten noch Umsatzsteuer als Teil des zivilrechtlichen Bruttokaufpreises zu zahlen. Die jeweiligen Händler hätten dies, wie jeder andere Unternehmer, davon abhängig gemacht, zuvor korrigierte Rechnungen zu erhalten, in denen die Umsatzsteuer ausgewiesen sei. Sowohl die Klägerin als auch die Händler seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Maschinenlieferungen umsatzsteuerfrei seien. Da im Ergebnis der Zweck des § 233a AO darin bestehe, Liquiditätsvorteile abzuschöpfen, sei die Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass Zinsen nur dann festzusetzen seien, wenn ein solcher Liquiditätsvorteil auf Seiten des Steuerpflichtigen bestanden habe oder möglich sei. Beides sei im Falle der Klägerin nicht gegeben so dass die angefochtenen Zinsbescheide rechtswidrig seien.

11

Dies ergebe sich auch bereits aus dem Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, der bei einer dem Gesetzeszweck widersprechenden Festsetzung von Zinsen verletzt sei.

12

Bei der Verzinsung von Umsatzsteuer gemäß § 233a AO liege zudem ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 1 sowie Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der für den fraglichen Zeitraum maßgeblichen 6. EG-Richtlinie vor. Denn zum einen stellten die Zinsen auf die Umsatzsteuer eine gemäß diesen Vorschriften nicht zulässige Zusatzsteuer dar. Zum anderen verstoße die Verzinsung auch gegen die von der 6. EG-Richtlinie vorgegebene Belastungsneutralität auf Ebene des Unternehmers. Obwohl die Klägerin die Umsatzsteuer erst im Jahr 2010 in Rechnung gestellt habe und sogleich abgeführt habe und obwohl der Händler den Vorsteuerabzug bei früherer Rechnungsstellung auch zu einem früheren Zeitpunkt hätte vollumfänglich geltend machen können, werden Zinsen auf die Umsatzsteuer erhoben. Diesen Zinsen ständen keine auf die Vorsteuer entfallenden Zinsen in entsprechender Höhe gegenüber. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des EG Rechtes als höherrangigem Recht sei daher vorliegend § 233a AO nicht anzuwenden. Denn bei einem Verstoß einer nationalen Vorschrift gegen EG-Recht bestehe, anders als bei der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift, keine alleinige Prüfungs- und Verwerfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts. Vielmehr hätten die nationalen Behörden und Gerichte die EG-Rechtswidrigkeit der nationalen Vorschrift selbst durch Nichtanwendung der dem EG- Recht entgegenstehenden nationalen Vorschrift zu beseitigen.

13

Hinzu komme, dass die Zinsfestsetzung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der sich sowohl aus der 6. EG-Richtlinie als auch aus den Art. 1 Abs. 3 sowie Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) ergebe, verstoße. Auch aus diesem Grund sei die Zinsfestsetzung ersatzlos aufzuheben. Denn die Festsetzung der Zinsen gegenüber der Klägerin genüge bereits deshalb nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil sie schon nicht geeignet sei, Ziel und Zweck der nationalen Vorschrift zu erreichen. Der Sinn und Zweck des § 233a AO bestehe darin, einen tatsächlichen oder möglichen Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen abzuschöpfen. Da ein derartiger Vorteil aber auf Seiten der Klägerin nicht bestanden habe, könne der Zweck der Vorschrift durch die Festsetzung von Zinsen nicht erreicht werden. Die Festsetzung sei aber auch deshalb nicht verhältnismäßig, da sie nicht angemessen sei. Denn die Anwendung der Nichterfüllung einer Verpflichtung, hier die unterstellt nicht rechtzeitige Erklärung und Abführung der Umsatzsteuer aus den Maschinenlieferungen, müsse in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verstoßes stehen. Dieses sei bei der Festsetzung der Zinsen gegenüber der Klägerin nicht beachtet worden. Es sei zu berücksichtigen, dass auf dem Gebiet der Umsatzsteuer der liefernde Unternehmer letztlich als Steuereinnehmer für Rechnung des Staates tätig sei. Er schulde die Umsatzsteuer, obwohl diese als indirekte Steuer vom Endverbraucher zu tragen sei. Dem sei durch Verteilung des Risikos eines Steuerausfalls Rechnung zu tragen, wobei die Risikoverteilung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen müsse. Die Umstände, dass der liefernde Unternehmer gutgläubig sei und dass er alle ihm zu Gebote stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, seien daher gewichtige Kriterien im Rahmen der Feststellung, ob der leistende Unternehmer nachträglich von der Finanzverwaltung herangezogen werden könne. Vorliegend sei eine Bösgläubigkeit der Klägerin nicht anzunehmen. Dies ergebe sich daraus, dass die Rechtslage bezüglich der Umsatzsteuerpflichtigkeit der Maschinenlieferungen im Rahmen des Reihengeschäftes nicht eindeutig gewesen sei. Wie sich bereits aus dem Betriebsprüfungsbericht ergebe, erbringe die Klägerin verschiedenste Geschäfte über ausländische Händler, deren umsatzsteuerliche Beurteilung aufgrund diverser Besonderheiten, wie z.B. Ver- oder Bearbeitung der Ware, Zwischenlagerung der Ware, Einschaltung von Finanzierungs- und Leasinggesellschaften sowie gebrochene Lieferungen, schwierig sei. Oftmals werden Lieferungen an ausländische Händler erbracht, bei denen der Spediteur durch den jeweiligen Händler oder die Klägerin beauftragt werde. In einer Vielzahl von Fällen sei daher eine Ausfuhr bzw. eine innergemeinschaftliche Lieferung und somit eine Umsatzsteuerbefreiung für die Klägerin tatsächlich gegeben. Dagegen sei in einigen Fällen die Rechtslage hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Beurteilung aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Geschäftsvorfälle nicht eindeutig. In dem Reihengeschäft mit der B und der C. ging die Klägerin zunächst davon aus, dass wie üblich der Händler, d.h. die B den Spediteur beauftrage. Aufgrund besserer Lieferbedingungen habe aber letztlich der Kunde, d.h. die C., den Spediteur beauftragt, ohne dass die Klägerin hierüber Kenntnis erlangt habe. Die Klägerin sei auch davon ausgegangen, dass die Beauftragung des Spediteurs und damit die Zuordnung der bewegten Lieferung in dieser Fallkonstellation nicht von ausschlaggebender Bedeutung sei, da die Ware zunächst im Hafen von Z zwischengelagert worden sei und damit eine gebrochene Lieferung vorliege. Wie aus dem Betriebsprüfungsbericht hervorgehe, sei in dem Reihengeschäft mit der B in einer Vielzahl von Fällen die Steuerbefreiung auch tatsächlich zu gewähren. Dieses gelte sowohl in der Leistungsbeziehung mit dem Endkunden D als auch mit der C., da die Klägerin selbst den Spediteur mit dem Transport der Ware beauftragt und die erforderlichen Buch und Belegnachweise erbracht habe. Ähnlich komplex sowohl hinsichtlich des Sachverhaltes als auch hinsichtlich der Rechtslage seien die betreffenden Reihengeschäfte mit der E und dem niederländischen Händler F, die von der Klägerin trotz der erforderlichen Sorgfalt nicht als Reihengeschäfte erkannt worden seien. In der Regel habe die Klägerin aber eine korrekte Beurteilung der Geschäftsvorfälle vorgenommen und zudem auch aufgrund der verschiedenen Fallvarianten Vorsorge getragen, die Vielzahl von Reihengeschäften durch abteilungsübergreifende Abstimmungen und Rücksprachen umsatzsteuerlich korrekt darzustellen. Dass sich dennoch manche der rechtlichen Beurteilungen als unzutreffend herausgestellt hätten, sei damit unter dem Maßstab der im Geschäftsverkehr anzulegenden erforderlichen Sorgfalt aufgrund der dargelegten bestätigten Schwierigkeiten und der Komplexität der Sach- und Rechtslage nicht vorwerfbar. Zudem habe die Klägerin insbesondere dafür Sorge getragen, dass die für die steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen bzw. für die Ausfuhrlieferungen erforderlichen Buch und Belegnachweise in Y vorgelegen hätten.

14

Die Klägerin selbst habe auch zu keinem Zeitpunkt das Umsatzsteueraufkommen gefährdet, da sie für den streitbefangenen Zeitraum ausschließlich Rechnungen ohne Umsatzsteuerausweis ausgestellt habe. Dem Umstand, dass die Klägerin keinerlei Umsatzsteuer abgeführt habe, stehe somit gegenüber, dass die betreffenden Händler als Leistungsempfänger auch keinerlei Vorsteuer geltend machen konnten, da sie über keine entsprechenden Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis verfügt hätten. Es fehle daher für die Anwendung des § 233a AO nicht nur am Liquiditätsvorteil der Klägerin. Es liege vielmehr auch keinerlei Gefährdung des Steueraufkommens und kein Zinsschaden des Fiskus vor. Es werde auch darauf hingewiesen, dass in dem vom EuGH entschiedenen Fall Netto Supermarkt GmbH & Co. KG (EuGH-Urteil vom 21. Februar 2008 C-271/06) die Nichterhebung der Umsatzsteuer in Betracht gekommen sei, obwohl anders als im Falle der Klägerin, dem Fiskus ein finanzieller Nachteil wegen des vollen Ausfalls der Umsatzsteuer entstanden sei. Demgemäß gebiete es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Falle der Klägerin erst recht, Zinsen nicht festzusetzen. Denn zum einen handele es sich nicht um die Umsatzsteuer selbst, sondern „nur“ um Nebenleistungen. Zum anderen sei die Umsatzsteuer gar nicht ausgefallen, sondern sei vollumfänglich entrichtet worden.

15

Im Ergebnis ergebe sich aus dem Umstand, dass der Gesetzeszweck des § 233a AO durch die Zinsfestsetzung nicht erreicht werden könne, keinerlei Gefährdung des Steueraufkommens bestanden habe, der Fiskus keinen Zinsnachteil erlitten habe und zudem die Klägerin gutgläubig gewesen sei, dass die angefochtene Zinsfestsetzungen nicht verhältnismäßig und daher aufzuheben seien. Es sei darüber hinaus zu beachten, dass, wie der BFH mit Urteil vom 30. Juli 2008 (V R 7/03) entschieden habe, die Umsatzsteuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung nicht versagt werden dürfe, wenn der liefernde Unternehmer bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht habe erkennen können, dass die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit nicht vorliegen. Wenn dieses aber sogar für die Umsatzsteuer selbst gelte, dann müsse es erst recht für Zinsen gelten, die nur eine Nebenleistung zur Umsatzsteuer darstellen. Hilfsweise werde ein Erlass der streitbefangenen Zinsen aus Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO beantragt.

16

Der Beklagte wies die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2007 mit Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2010 als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Klägerin keine Klage erhoben.

17

Den von der Klägerin mit der Einspruchsbegründung hilfsweise gem. § 227 AO gestellten Erlassantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2011 ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Einspruchsentscheidung, mit der der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen wurde, datiert auf den 08. Dezember 2011. Über die hiergegen am 23. Dezember 2011 bei Gericht eingegangene Klage (3 K 1526/11) hat das Gericht noch nicht entschieden.

18

Mit Einspruchsentscheidung vom 3. August 2011, einem Mittwoch, wies der Beklagte auch die Einsprüche gegen die Bescheide über die Festsetzung von Zinsen zur Umsatzsteuer für 2004 bis 2007 als unbegründet zurück. Er führte aus, dass eine Steuernachforderung gemäß § 233a Abs. 1 AO zu verzinsen sei. Die Verzinsung solle einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern trotz des gleichen gesetzlichen Entstehungszeitpunktes, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und erhoben werden. Die Verzinsung sei gesetzlich vorgeschrieben und stehe nicht im Ermessen der Finanzbehörde. Sie soll mögliche Zinsvorteile des Schuldners bzw. Zinsnachteile des Gläubigers ausgleichen, ohne dass es auf eine konkrete Berechnung der tatsächlich eingetretenen Zinsvor- und Nachteile ankomme. Sinn und Zweck sei nicht nur die Abschöpfung von Liquiditätsvorteile auf Seiten des Steuerpflichtigen. Die Verzinsung solle auch Liquiditätsnachteile auf Seiten des Steuergläubigers ausgleichen. Dieses gelte auch für die Fälle, in denen dem Steuerpflichtigen tatsächlich keine Zinsvorteile erwachsen seien.

19

Auch eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO könne nicht erfolgen, auch wenn sie mit der Entscheidung über die Steuerfestsetzung gemäß § 163 Satz 3 AO verbunden werden könne. Zwar finde die Vorschrift nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auch für Zinsen Anwendung, jedoch seien keine sachlichen Billigkeitsgründe gegeben, die eine abweichende Festsetzung rechtfertigen würden. So widerspreche die Zinsfestsetzung insbesondere nicht dem Gesetzeszweck des § 233a AO. So sei es zur Annahme eines Liquiditätsvorteils insbesondere nicht notwendig, dass die Klägerin auch tatsächlich Umsatzsteuer vereinnahmt habe, die sie dem Finanzamt hätte vorenthalten können. Entscheidend sei, dass die Steuer auf Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes entstanden sei, in dem die Lieferung oder Leistung ausgeführt wurde. Der Zinslauf habe damit gemäß § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden sei, begonnen und habe erst mit Bekanntgabe der geänderten Steuerfestsetzung am 29. April 2010 geendet.

20

Auch ein Verstoß gegen die 6. EG-Richtlinie liege nicht vor. Der vorliegende Sachverhalt sei insoweit nicht mit den von der Klägerin genannten Fällen vergleichbar. Auch dort sei noch zu prüfen, ob die dortige Klägerin, die G, alles nur Erdenkliche getan habe, wenn letztlich auch erfolglos, um einen Umsatzsteuerbetrug auszuschließen. Dieses sei jedenfalls vorliegend nicht erkennbar, denn die Klägerin habe die zutreffende umsatzsteuerliche Einordnung der Reihengeschäfte erkennen können. Es sei zwar unbestritten, dass es sich bei Reihengeschäften um umsatzsteuerlich komplizierte Sachverhalte handele. Es sei aber keineswegs so, dass die Rechtslage unklar war oder sei. Nach Kenntnis des gesamten Sachverhaltes sei durchaus zu bestimmen, welche Lieferung im Reihengeschäft die ruhende und welche die bewegte und damit steuerfreie Lieferung sei. Die Ausführungen der Klägerin, dass die zuständigen Mitarbeiter im Vertrieb und in der Finanzbuchhaltung nicht davon ausgegangen seien, dass die Beauftragung des Spediteurs durch den Kunden keine Auswirkung auf die umsatzsteuerliche Beurteilung haben könne, entschuldige die unrichtige Behandlung der Umsätze nicht. Gerade weil gemäß den Ausführungen der Klägerin regelmäßige Schulungen durchgeführt worden seien, hätten die Mitarbeiter bei der Beurteilung der veränderten Lieferkette sensibler sein müssen. Dem Betriebsprüfer sei es nach Kenntnis des gesamten Sachverhaltes ohne weiteres möglich gewesen, die betreffenden Geschäftsvorfälle zu erkennen und zu bewerten. Dieses wäre für die Klägerin gegebenenfalls unter Einschaltung eines Steuerberaters auch möglich gewesen. Sie hätte die Möglichkeit gehabt, nach Kenntnis von der Beauftragung des Spediteurs durch den Kunden, die Umsätze richtig zu beurteilen und dann die entsprechenden Umsatzsteuervoranmeldungen zu berichtigen und entsprechend berichtigte Ausgangsrechnungen auszustellen.

21

Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege ebenfalls nicht vor. Ein solcher Verstoß werde ohnehin von der Klägerin lediglich behauptet. Insbesondere in den Besprechungen zur Abwicklung der entstandenen Umsatzsteuerzahllast am Ende der Betriebsprüfung sei keine Zusage erteilt worden, dass die Zinsen nicht erhoben oder erlassen werden würden.

22

Die hiergegen gerichtete Klage ist bei Gericht am 7. September 2011 eingegangen.

23

Zur Begründung ihrer Klage wiederholt die Klägerin im Wesentlichen Ihren Vortrag aus dem Einspruchsverfahren.

24

Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über Zinsen zur Umsatzsteuer für 2004, 2005 2006 und 2007 vom 26. April 2010 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. August 2011 ersatzlos aufzuheben.

25

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

26

Er trägt vor, dass die Klagebegründung der Einspruchsbegründung vom 16. Juni 2010 entspreche, so dass er zur Vermeidung von Wiederholungen zur Klageerwiderung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 3. August 2011 verweise.

Entscheidungsgründe

27

1. Die Klage ist unbegründet.

28

Die Bescheide über Zinsen zur Umsatzsteuer für 2004, 2005 2006 und 2007 vom 26. April 2010 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. August 2011 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung –FGO–).

29

a) Nach Maßgabe des § 233a AO sind die streitgegenständlichen Bescheide, auch hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Beträge, rechtmäßig.

30

aa) Führt die Festsetzung der Umsatzsteuer zu einem Unterschiedsbetrag – resultierend aus der festgesetzten Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge sowie um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (§ 233a Abs. 3 Satz 1 AO) – ist dieser unabhängig davon, zu wessen Gunsten er ausfällt, nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO) und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird. Wird die Steuerfestsetzung – wie im Streitfall – geändert, ist gemäß § 233a Abs. 5 AO eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern. Falls bisher (wie im Streitfall) keine Zinsfestsetzung erfolgt ist, ist nach der Korrektur der Steuerfestsetzung nach den Grundsätzen des § 233a Abs. 5 AO eine Zinsfestsetzung erstmals vorzunehmen (BFH-Urteil vom 18. Mai 2005 VIII R 100/02, BFHE 210, 1, BStBl II 2005, 735; BFH-Beschluss vom 30. August 2010 VIII B 66/10, BFH/NV 2011, 1825). Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer (§ 233a Abs. 5 Satz 2 AO). Durch § 238 Abs. 1 Satz 1 AO wird der Zinssatz typisierend auf 0,5 v.H. pro Monat festgelegt.

31

bb) Die Verzinsung ist wegen ihres typisierenden Charakters unabhängig von einem Verschulden des Finanzamts oder des Steuerpflichtigen; sie ist durch ihre Abschöpfungswirkung gekennzeichnet. Zweck der Regelungen in § 233a AO ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden (Begründung zum Gesetzentwurf, BTDrucks 11/2157, 194). Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Steuerbescheides objektiv oder typischerweise entstanden sind, sollen mit Hilfe der sog. Vollverzinsung ausgeglichen werden. Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, ist für die Festsetzung grundsätzlich unbeachtlich (vgl. BFH-Urteile vom 16. November 2005 X R 3/04, BStBl II 2006, 155; vom 19. März 1997 I R 7/96, BStBl II 1997, 446 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf 0,5 v.H. pro Monat festgesetzt. Daraus folgt, dass es auf den im Einzelfall vom Steuerpflichtigen konkret erzielten bzw. vom Steuergläubiger erlittenen Zinsvorteil oder -nachteil nicht ankommen soll (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1995 X R 86/94, BFHE 178, 555, BStBl II 1996, 53). Der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil soll für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. In vielen Fällen wäre eine solche Ermittlung auch gar nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert bzw. das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. Ebenso wenig soll es darauf ankommen, welcher Zinsnachteil im konkreten Einzelfall dem Steuergläubiger entsteht und inwieweit Zinsvorteil und -nachteil voneinander abweichen (BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 7/96, BFHE 182, 293, BStBl II 1997, 446).

32

Weil die Entstehung des Zinsanspruchs dem Grunde und der Höhe nach gemäß dem durch die Gesetzesbegründung (BTDrucks 11/2157, S. 194) bestätigten Wortsinn, dem Zusammenhang und dem Zweck des Gesetzes eindeutig unabhängig von der konkreten Einzelfallsituation geregelt ist und allein vom Eintritt objektiver Daten (Fristablauf i.S. des § 233a Abs. 2 AO; Unterschiedsbetrag i.S. des § 233a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 AO) abhängt, sind für die Anwendung des § 233a AO die Ursachen und Begleitumstände im Einzelfall grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Beschluss vom 2. August 2005 X B 139/04, juris). Prinzipiell ist ein Verschulden irrelevant, und zwar auf beiden Seiten des Steuerschuldverhältnisses (s. BFH-Entscheidungen vom 15. April 1999 V R 63/97, BFH/NV 1999, 1392, und vom 30. November 2000 V B 169/00, BFH/NV 2001, 656, 657 einerseits, sowie vom 4. November 1996 I B 67/96, BFH/NV 1997, 458, und vom 3. Mai 2000 II B 124/99, BFH/NV 2000, 1441, 1442 andererseits). Die Rechtsprechung hat es jedenfalls auf Ebene der Festsetzung der Zinsen als unerheblich angesehen, ob der – typisierend vom Gesetz unterstellte – Zinsvorteil des Steuerpflichtigen auf einer verzögerten Einreichung der Steuererklärung durch den Steuerpflichtigen oder einer verzögerten Bearbeitung durch das Finanzamt beruht (BFH-Beschluss vom 3. Mai 2000 II B 124/99, BFH/NV 2000, 1441).

33

Unter Berücksichtigung des o.g. Gesetzeswecks und des klaren unmissverständlichen Wortlautes des § 233a AO ist eine Auslegungsbedürftigkeit des Gesetzes für den Senat auf der Ebene des Festsetzungsverfahrens nicht zu erkennen. Die Vorschrift ist hinreichend klar und nicht weiter auslegungsbedürftig. Ob der Gesetzeszweck ggf. bei der Überprüfung der im Parallelverfahren zu beurteilenden Billigkeitsmaßnahme weiter zu berücksichtigen ist, kann für das vorliegende Verfahren dahingestellt bleiben.

34

cc) An die Vorgaben des § 233a AO hat der Beklagte sich bei der Zinsfestsetzung gehalten. Insoweit hat auch die Klägerin keine Einwände vorgebracht. Die Berechnung der Zinsen ist zutreffend erfolgt.

35

dd) Auch die in § 238 Abs. 1 AO festgelegte Zinshöhe von 0,5 v.H. pro Monat, die Beklagte der Berechnung der Zinsen zu Grunde gelegt hat, begegnet trotz der seit mehreren Jahren hiervon stark abweichenden Marktzinsen für Geldanlagen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

36

Dieses gilt nach Rechtsprechung des BFH jedenfalls für Verzinsungszeiträume bis 2013 (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Februar 2016 X S 38/15, BFH/NV 2016, 940). Mit Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009  1 BvR 2539/07 (BFH/NV 2009, 2115, dort unter III.1.b bb) hat das BVerfG entschieden, dass der durch den Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung typisierend auf 0,5 v.H. pro Monat festgesetzte Zinssatz, der immerhin zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen gilt, rechtsstaatlich unbedenklich ist und keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot darstellt. Es entspricht gerade der Absicht des Gesetzgebers, dass der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden muss. Entsprechend haben sowohl der I. Senat des BFH (Urteil vom 20. April 2011 I R 80/10, BFH/NV 2011, 1654, unter II.2.) als auch der IX. Senat des BFH (Urteil vom 1. Juli 2014 IX R 31/13, BFHE 246, 193, BStBl II 2014, 925, dort unter II.2.a bis c; bestätigt durch Urteil vom 14. April 2015 IX R 5/14, BFHE 250, 483, BStBl II 2015, 986) entschieden. Der IX. Senat hatte für einen Zinszeitraum bis zum Jahre 2011 sinngemäß näher ausgeführt, dass es zwar unter praktischen Gesichtspunkten unter Einsatz moderner EDV durchaus denkbar sei, eine Anpassung der Zinshöhe an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i.S. des § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vorzunehmen, dass aber weitere Gesichtspunkte existieren, die die grundsätzliche Abkopplung von diesen beiden Zinsfüßen rechtfertigen und den geltenden Zinssatz von 6 v.H. nicht als so hoch erscheinen lassen, wie er auf den ersten Blick scheint. So wäre es unangemessen, als Vergleichsmaßstab lediglich den jeweils aktuellen Zinssatz für Geldanlagen heranzuziehen, da sowohl die bei der Verwendung von Kapital erzielbaren als auch bei der Finanzierung von Steuernachzahlungen aufzubringenden Zinsen bzw. Renditen von individuellen Finanzierungsentscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig sind. Das bedeutet, dass bei einer Beurteilung des gesetzlichen Zinssatzes anhand der Marktverhältnisse einerseits die üblichen Zinssätze etwa für Dispositionskredite und andere unbesicherte Konsumentenkredite, andererseits die Renditemöglichkeiten von Anlageformen außerhalb der reinen Geldanlage zu berücksichtigen sind. Die Abkopplung des gesetzlichen Zinssatzes von dem individuellen Zinsvorteil oder -nachteil ist letztlich ein grundlegendes Prinzip, das nicht von dem Zeitraum abhängt, um den es geht. Es zeigt vielmehr, dass der gesetzliche Zinssatz grundsätzlich auch und gerade gerechtfertigt ist, wenn er signifikant von dem Marktzins abweicht, der seinerseits die tatsächlichen Zinsvorteile oder -nachteile prägt. Eine einschneidende Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, die so weit ginge, dass selbst bei Einbeziehung der für den Kreditnehmer ungünstigsten Sollzinssätze namentlich bei unbesicherten Kreditformen oder Dispositionskrediten bzw. der für den Vermögensanleger günstigsten Renditen ein Zinsfuß von 6 v.H. p.a. gänzlich markt- und realitätsfremd erschiene, ist nicht zu erkennen.

37

b) Eine Rechtswidrigkeit der Zinsfestsetzungen ergibt sich auch nicht unter Heranziehung der von der Klägerin dargestellten Grundsätze aus Treu und Glauben.

38

aa) Das Finanzamt ist grundsätzlich verpflichtet, die nach dem Gesetz entstandenen Steuer- und Zinsansprüche geltend zu machen. Ausnahmsweise kann es aber nach dem allgemein gültigen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) an der Geltendmachung und Durchsetzung entstandener Ansprüche gehindert sein (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. April 1991 V R 67/86, BFH/NV 1992, 217 m.w.N.; vom 18. Dezember 1991 X R 38/90, BFHE 167, 1, BStBl II 1992, 504; vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990). Welche Anforderungen der Grundsatz von Treu und Glauben an die Beteiligten eines Steuerrechtsverhältnisses stellt, ist jeweils anhand der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Im Allgemeinen wird die Ausübung eines Rechts oder die Geltendmachung eines Anspruchs als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen sein, wenn der Berechtigte diese durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges, d.h. unredliches Verhalten erworben hat. Auf den Grundsatz von Treu und Glauben kann sich aber nur der Beteiligte berufen, dem aus dem schuldhaften Verhalten des anderen ein Nachteil entsteht oder zu entstehen droht. Zieht derjenige, der sich auf Gesetz- oder Pflichtverletzungen eines anderen beruft, aus der Gesetz- oder Pflichtverletzung nur Vorteile, so ist es aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht zu beanstanden, wenn der andere aufgrund entsprechender vertraglicher oder gesetzlicher Rechtsgrundlage die Herausgabe dieses Vorteils verlangt (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 1993 I R 30/93, BFHE 172, 304, BStBl II 1994, 81, m.w.N.). Der Grundsatz von Treu und Glauben steht einer Festsetzung von Nachforderungszinsen grundsätzlich auch dann nicht entgegen, wenn dem Finanzamt bei der Bearbeitung einer Steuererklärung Fehler unterlaufen sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. Mai 2000 II B 124/99, BFH/NV 2000, 1441; vom 30. Oktober 2001 X B 147/01, BFH/NV 2002, 505 und vom 2. August 2005 X B 139/04, juris).

39

bb) Derartige Umstände, die zu Gunsten der Klägerin im Hinblick auf die Nichtfestsetzung von Nachzahlungszinsen einen Vertrauenstatbestand begründen könnten, wie etwa eine schuldhaft verzögerte Bearbeitung der Steuererklärung, sind nicht ersichtlich. Der Beklagte hatte die Umsatzsteuer für die Streitjahre zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Einen Hinweis darauf, dass eine Zinsfestsetzung auch bei späteren Änderungen nicht erfolgen werde, ist nicht ersichtlich. Im Hinblick auf die Festsetzungen der Grundlagenbescheide (Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2007) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und der damit verbundenen erleichterten Änderbarkeit der Bescheide konnte die Klägerin auch gerade nicht davon ausgehen, dass eine spätere Änderung mit der gesetzlichen Folge der Festsetzung von Nachzahlungszinsen nicht erfolgen werde.

40

c) Zwar ist nach der Rechtsprechung des BFH für einen Ausgleich in Form einer Verzinsung der Steuernachforderung kein Raum, wenn zweifelsfrei feststeht, dass ein Steuerpflichtiger durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil erlangt hatte (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 12. April 2000 XI R 21/97 in BFH/NV 2000, 1178). Diese Umstände sind hingegen bei der Frage einer möglichen Billigkeitsmaßnahme und nicht auf der Ebene des Festsetzungsverfahrens zu berücksichtigen. Festgesetzte Nachzahlungszinsen sind dann ggf. wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen (BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2001  X B 147/01,  juris). Allgemein ist eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen dann anzunehmen, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht zu rechtfertigen ist (BFH-Urteil vom 16. November 2005 X R 3/04, BStBl II 2005, 155; BFH-Beschluss vom 26. Juli 2006 VI B 134/05, BFH/NV 2006, 2029). In diese Richtung geht die überwiegende Argumentation der Klägerin, die vorträgt, dass sie auf Grund der erst nach Rechnungskorrektur erfolgten Vereinnahmung der Umsatzsteuer einen Liquiditätsvorteil nicht gehabt habe. Über den Erlass ist aber vorliegend nicht zu entscheiden. Im Rahmen des Festsetzungsverfahrens muss daher ein etwaiger nicht vorhandener Liquiditätsvorteil auf Grund der gesetzlich vorgesehenen Typisierung unberücksichtigt bleiben.

41

Es kommt daher im Ergebnis auf Ebene der Festsetzung nicht darauf an, ob die Klägerin tatsächlich, wie sie es darstellt, keinen Vorteil aus der erst späteren Festsetzung gezogen hat oder nicht. Anders als die Klägerin vorträgt, hat sie hingegen einen Teil der abzuführenden Umsatzsteuer bereits ursprünglich als Teil der (geringeren) Gegenleistung vereinnahmt und diesen Teil jedenfalls nicht abgeführt. Hierin ist, auch wenn es für die Entscheidung nicht darauf ankommt, jedenfalls ein Vorteil der Klägerin zu sehen. Denn gem. § 10 Abs. 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen und Leistungen nach dem Entgelt bemessen, wobei Entgelt alles ist, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu enthalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer.

42

d) Auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 15. September 2016 in der Rechtssache Senatex (C-518/14, MwStR 2016, 792) ergibt sich nach Auffassung des Senats keine Rechtswidrigkeit der Zinsfestsetzungen.

43

Zunächst betrifft das Urteil mit der Besteuerung des Leistungsempfängers, der im Besitz einer nachträglich korrigierten Rechnung war, einen anderen, mit dem vorliegenden Fall lediglich „spiegelbildlich“ vergleichbaren Fall. Der dortige Leistungsempfänger sollte nach Auffassung des Finanzamtes wegen formeller Mängel der den Vorsteuerabzug begründenden Eingangsrechnungen (es fehlten die Steuernummer bzw. die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistenden) trotz während der Betriebsprüfung vorgelegter korrigierter Rechnungen Nachzahlungszinsen wegen fehlender Rückwirkung der Rechnungsberichtigungen zahlen. Diese Auffassung wurde vom EuGH nicht geteilt. Hiernach sind Art. 176, Art. 178 Buchst. a, Art. 179 und Art. 226 Nr. 3 der ab dem 1. Januar 2007 geltenden Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gesamte Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe, nämlich der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer, keine Rückwirkung zukommt, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf die berichtigte Rechnung nicht für das Jahr ausgeübt werden kann, in dem diese Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde, sondern für das Jahr, in dem sie berichtigt wurde. In Rn. 37 des o.g. Urteils führt der EuGH aus, dass durch die Regelung über den Vorsteuerabzug  der Unternehmer vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuerentlastet werden soll. Eine nationale Regelung, nach der Nachzahlungszinsen auf die vor einer Berichtigung der ursprünglich ausgestellten Rechnung als geschuldet angesehenen Mehrwertsteuerbeträge zu entrichten sind, belegt diese wirtschaftlichen Tätigkeiten jedoch mit einer aus der Mehrwertsteuer resultierenden Belastung, obwohl das gemeinsame Mehrwertsteuersystem die Neutralität dieser Steuer garantiert.

44

Ob auch beim Leistenden, bei dem für die Entstehung der Umsatzsteuer weder die Erstellung einer Rechnung noch formelle Rechnungsangaben von Bedeutung sind, der Neutralitätsgrundsatz durch die Festsetzung von Nachzahlungszinsen verletzt sein kann, wenn feststeht, dass, wie vorliegend, der Leistungsempfänger in der Vergangenheit gerade keinen Vorsteuerabzug aus den fraglichen Rechnungen (mangels ausgewiesener Umsatzsteuer) geltend gemacht hat, hat der EuGH nicht entschieden. Auch hat der EuGH nicht darüber befunden, ob der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer bei der Festsetzung von Nachzahlungszinsen gewahrt ist, wenn es durch den rückwirkenden Vorsteuerabzug auf Seiten des Leistungsempfängers zur Festsetzung von Guthabenzinsen kommt, sich damit Nachzahlungs- und Guthabenzinsen gegenüber stehen.

45

Im Ergebnis können diese Fragen aber nach Auffassung des Senats für das vorliegende Verfahren offen bleiben. Ob die Zinsfestsetzung auch gegenüber dem Leistenden ggf. dem Neutralitätsgrundsatz widerspricht, kann nur einer Entscheidung im Billigkeitsverfahren vorbehalten bleiben, da es der gesetzlich vorgesehen Typisierung des Festsetzungsverfahrens widersprechen würde, bereits bei der Festsetzung zu prüfen, ob und ggf. in welcher Höhe der Leistungsempfänger einen Vorsteuerabzug geltend gemacht hat bzw. dieses rückwirkend könnte, was ggf. zu einer mit der Zinsfestsetzung gegenüber dem Leistenden korrespondierenden Zinsfestsetzung zu Gunsten des Leistungsempfängers führen würde. Andererseits wäre es ggf. unbillig, die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gegenüber dem Leistenden davon abhängig zu machen, gegenüber wem er die Leistungen ausführt (ggf. einer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Person) und wie diese sich steuerlich verhalten hat. Diese Frage bleibt jedoch einer Entscheidung im parallelen Verfahren wegen Ablehnung des Erlasses der Zinsen gem. § 227 AO vorbehalten. Dass die Herstellung der Neutralität der Umsatzsteuer im Billigkeitsverfahren erfolgen kann, ist höchstrichterlich zu § 14 Abs. 3 UStG a.F. entschieden (BFH-Urteil vom 17. Mai 2001 V R 77/99, BFHE 194, 552, BStBl II 2004, 370).

46

2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

47

3. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 15. September 2016 (C-518/14 –Senatex–) auf die hier streitgegenständliche „spiegelbildliche Situation“ der Festsetzung von Nachzahlungszinsen gegenüber dem rechnungskorrigierenden Leistenden zuzulassen.


Im Einvernehmen mit der Finanzbehörde, die nach den Vorschriften der Steuergesetze örtlich zuständig ist, kann eine andere Finanzbehörde die Besteuerung übernehmen, wenn die betroffene Person zustimmt. Eine der Finanzbehörden nach Satz 1 kann die betroffene Person auffordern, innerhalb einer angemessenen Frist die Zustimmung zu erklären. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die betroffene Person nicht innerhalb dieser Frist widerspricht. Die betroffene Person ist auf die Wirkung ihres Schweigens ausdrücklich hinzuweisen.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt den Erlass von Nachzahlungszinsen und Aussetzungszinsen zur Umsatzsteuer für 2002.

2

Mit Bescheiden vom 25. Februar 2010 und vom 1. April 2010 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) Nachzahlungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) und Aussetzungszinsen gemäß § 237 AO in Höhe von insgesamt 3.220.844 € fest. Die zugrunde liegende Umsatzsteuernachforderung beruht auf dem im Jahr 2009 erklärten Verzicht auf die Steuerbefreiung der im Jahr 2002 erfolgten Veräußerung eines bebauten Grundstücks.

3

Das FA lehnte den Erlassantrag des Klägers mit Bescheid vom 18. Februar 2011 ab. Die Sprungklage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg.

4

Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision und macht geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob die Festsetzung von Nachzahlungszinsen auf verspätet festgesetzte Umsatzsteuerbeträge bei einem Leistungsaustausch zwischen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen mit Sinn und Zweck des § 233a AO vereinbar sei. Zudem erfordere die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zu dieser Frage.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

6

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Eine Rechtssache hat nur grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 3. März 2011 V B 17/10, BFH/NV 2011, 1105, unter II.B.2.a; vom 27. Mai 2009 VI B 162/08, BFH/NV 2009, 1435, unter 1.). Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage ist jedoch bereits durch die Rechtsprechung des Senats geklärt.

7

a) Der Kläger stützt die Beschwerde darauf, dass der BFH zwar bereits entschieden habe, dass die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO im Fall einer nachträglich festgesetzten Umsatzsteuer grundsätzlich rechtmäßig sei (BFH-Urteil vom 28. November 2002 V R 54/00, BFHE 200, 38, BStBl II 2003, 175). Jedoch seien zwischenzeitlich neue rechtliche Gesichtspunkte im Schrifttum vorgebracht worden, die einer neuen Klärung durch den BFH bedürften. So habe sich der BFH noch nicht mit der im Aufsatz von Englisch in Umsatzsteuer-Rund-schau (UR) 2011, 648 dargelegten Bedeutung des mehrwertsteuer-pflichtigen Neutralitätsprinzips für die Verzinsung nach § 233a AO auseinandergesetzt.

8

b) Es ist durch die BFH-Rechtsprechung geklärt, dass eine Umsatzsteuernachforderung auch dann der Vollverzinsung nach § 233a AO unterliegt, wenn die Steuererhöhung --wie im Streitfall-- allein darauf beruht, dass der Steuerpflichtige nachträglich auf die Steuerfreiheit der von ihm erbrachten Leistungen verzichtet hat (BFH-Urteil vom 5. Mai 2011 V R 39/10, BFH/NV 2011, 1474). Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Regelungen in § 233a AO, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Steuerbescheids typischerweise entstanden sind, sollen mit Hilfe der sog. Vollverzinsung ausgeglichen werden. Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich bestanden, ist grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Urteile vom 23. Oktober 2003 V R 2/02, BFHE 203, 410, BStBl II 2004, 39, und in BFH/NV 2011, 1474). Unerheblich ist deshalb, dass der Kläger dem Leistungsempfänger die Umsatzsteuer erst später aufgrund des Verzichts in Rechnung stellen konnte.

9

Hieran ist weiter festzuhalten. Weder aus dem vom Kläger angeführten Aufsatz von Englisch in UR 2011, 648 noch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Entlastung wegen rechtmäßigem Alternativverhalten im Organhaftungsrecht (BGH-Urteile vom 21. Juli 2008 II ZR 39/07, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 1974; vom 11. Dezember 2006 II ZR 166/05, DStR 2007, 310) ergibt sich neuer Klärungsbedarf.

10

c) Entgegen der Auffassung von Englisch in UR 2011, 648 folgt aus dem mehrwertsteuerrechtlichen Neutralitätsprinzip nicht, dass bei einem Leistungsaustausch zwischen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen eine Verzinsung nach § 233a AO ausscheidet. Insbesondere lässt sich dem Neutralitätsprinzip nicht entnehmen, dass ein (potentieller) Liquiditätsvorteil des nachträglich zur Umsatzsteuerpflicht optierenden Unternehmers generell zu verneinen ist.

11

aa) Dies ergibt sich bereits daraus, dass Zinsen zur Umsatzsteuer keinen umsatzsteuerähnlichen Charakter i.S. von Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) haben (vgl. zu Art. 33 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG; BFH-Urteil in BFHE 200, 38, BStBl II 2003, 175, m.w.N.). Der in der MwStSystRL verankerte Auslegungsgrundsatz der steuerlichen Neutralität (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 19. Juli 2012 C-44/11, Deutsche Bank AG, UR 2012, 667) findet daher auf diese --nicht in der MwStSystRL geregelten-- steuerlichen Nebenleistungen keine Anwendung (vgl. zum Aspekt der Belastungsneutralität BFH-Urteil in BFHE 200, 38, BStBl II 2003, 175).

12

bb) Darüber hinaus führt der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht dazu, dass Umsatzsteuer nur erhoben werden darf, wenn diese tatsächlich abgewälzt worden ist. Ebenso wie § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes sieht auch Art. 63 der MwStSystRL die sog. Sollbesteuerung als Regelfall vor. Danach treten Steuertatbestand und Steueranspruch --unabhängig von der Erteilung einer Rechnung und der Entrichtung der Gegenleistung-- zum Zeitpunkt der Leistungserbringung ein. Daraus ergibt sich, dass eine fehlende Abwälzung die Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Umsatzsteuerbescheids typischerweise entstehen, nicht zu beseitigen vermag.

13

d) In der Rechtsprechung geklärt ist auch die Frage, ob § 233a AO die Berücksichtigung eines fiktiven Sachverhalts vorsieht (verneinend BFH-Urteil vom 24. Februar 2005 V R 62/03, BFH/NV 2005, 1220, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2005, 627, unter II.2.c). Mit Urteil vom 30. März 2006 V R 60/04 (BFH/NV 2006, 1434) hat der Senat insbesondere entschieden, dass ein Vergleich der Liquidität des Steuerpflichtigen aufgrund seines "vorschriftswidrigen" Verhaltens mit der fiktiven Liquidität, die er besessen hätte, wenn er sich "vorschriftsmäßig" verhalten hätte, nicht erfolgen kann.

14

In der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des BGH in DStR 2008, 1974 und DStR 2007, 310 vermag der Senat keine neuen Gesichtspunkte zu erkennen, die zu einer geänderten Beurteilung führen könnten. Die --zur zivilrechtlichen Haftung eines Gesellschafter-Geschäftsführers angestellten-- Erwägungen des BGH zur Frage, ob trotz des Verstoßes gegen die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung ein Schadensersatzansprüche begründender unzulässiger Sondervorteil fehlt, sind auf die Verzinsung von Steueransprüchen nach § 233a AO nicht übertragbar.

15

2. Auch die Fortbildung des Rechts erfordert keine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO), weil auch dieser Zulassungsgrund eine klärungsbedürftige Rechtsfrage voraussetzt (BFH-Beschlüsse vom 29. September 2011 IV B 56/10, BFH/NV 2012, 266, unter 1.b; vom 24. September 2009 IV B 126/08, BFH/NV 2010, 37, Leitsatz 1).

16

3. Die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens gemäß § 74 FGO und die Vorlage der vom Kläger formulierten Vorlagefragen an den EuGH kommen nicht in Betracht.

17

a) Eine Vorlage an den EuGH zur Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union zur Frage, "ob die Festsetzung von Nachzahlungszinsen auf verspätet festgesetzte Umsatzsteuerbeträge gemäß einer nationalen Norm wie § 233a AO bei einem Leistungsaustausch zwischen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen mit dem unionsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität vereinbar ist", ist nicht erforderlich. Die Rechtslage ist --entgegen der Auffassung des Klägers-- auch aus unionsrechtlicher Sicht eindeutig.

18

b) Der Grundsatz steuerlicher Neutralität steht einer Erhebung steuerlicher Nebenleistungen nicht entgegen (s. II.2.c). In Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, die Bedingungen für die Zahlung von Zinsen festzulegen (vgl. zu Erstattungszinsen EuGH-Urteil vom 19. Juli 2012 C-591/10, Littlewoods Retail Ltd u.a., BFH/NV 2012, 1563 Rdnr. 27). Die nach der EuGH-Rechtsprechung insoweit maßgeblichen Grundsätze der Effektivität und Neutralität wurden durch § 233a AO nicht verletzt.

19

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten sich über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer für 2004 bis 2007 für den Verzinsungszeitraum 1. April 2006 (Umsatzsteuer 2004), 1. April 2007 (Umsatzsteuer 2005), 1. April 2008 (Umsatzsteuer 2006) sowie 1. April 2009 (Umsatzsteuer 2007) bis jeweils 29. April 2010.

2

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 1. Juni 1990 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist ausweislich der Eintragungen im Handelsregister die Entwicklung, Herstellung, der Vertrieb von Förderanlagen und Baugruppen aller Art im Bereich Umwelttechnik. Die Klägerin vertreibt weltweit verschiedene Recyclingmaschinen.

3

Die Maschinen werden in der Regel über Zwischenhändler verkauft. Die Leistungsbeziehungen zwischen der Klägerin, den Händlern und dem Endkunden sind häufig im Rahmen eines Reihengeschäftes gestaltet.

4

Der Beklagte führte bei der Klägerin in der Zeit vom 6. Oktober 2009 bis Ende 2010 eine steuerliche Betriebsprüfung für die bereits unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagten Jahre 2004 bis 2007 durch. Der Zwischenbericht der Betriebsprüfung datiert auf den 1. April 2010. Die Betriebsprüfung kam zu dem Ergebnis, dass der Klägerin in den Streitjahren 2004 bis 2007 bei bestimmten Reihengeschäften mit ausländischen Händlern die ruhende Lieferung zuzuordnen sei und daher keine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 Umsatzsteuergesetz (UStG) oder nach § 4 Nr. 1 die i.V.m. § 6a UStG in Anspruch genommen werden könne. Die insoweit bisher von der Klägerin als steuerfrei behandelten und erklärten Lieferungen seien umsatzsteuerpflichtig.

5

In Auswertung des Betriebsprüfungsberichtes erließ der Beklagte am 26. April 2010 gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide über Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2007, in denen er die Steuer entsprechend heraufsetzte. Gleichzeitig erließ der Beklagte mit den Umsatzsteuerbescheiden verbundene Bescheide über Zinsen zur Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2007.

6

In den Bescheiden vom 26. April 2010 berechnete der Beklagte die Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2007 wie folgt:

7

2004: 

590.350,00 €

vom 1.04.2006
bis 29.04.2010 =  

48 Monate x 0,5 v.H. =

   141.684,00 €

2005: 

620.850,00 €

vom 1.04.2007
bis 29.04.2010=

36 Monate x 0,5 v.H. =

111.753,00 €

2006: 

891.600,00 €    

vom 1.04.2008
bis 29.04.2010=

24 Monate x 0,5 v.H. =

106.992,00 €

2007: 

1.084.250,00 €

vom 1.04.2009
bis 29.04.2010=

12 Monate x 0,5 v.H. =

65.055,00 €

8

Mit Schreiben vom 28. Mai 2010 legte die Klägerin sowohl gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2007 vom 26. April 2010 als auch gegen die Bescheide über die Festsetzung von Zinsen zur Umsatzsteuer für 2004 bis 2007 vom 26. April 2010 Einspruch ein.

9

Zur Begründung führte sie aus, dass sie die Feststellungen der Betriebsprüfung umgehend in berichtigten Rechnungen an die ausländischen Händler umgesetzt habe. Die betreffenden Rechnungen im Prüfungszeitraum seien pro Jahr korrigiert worden. Die jeweilige Korrekturmeldung (Gutschrift) enthalte eine Anlage mit detaillierten Angaben der betreffenden Rechnungen und die neuen Rechnungen seien mit gesondertem Ausweis deutscher Umsatzsteuer erteilt worden. Die korrigierten Rechnungen seien in der Umsatzsteuervoranmeldung für April 2010 berücksichtigt worden. Die Leistungsempfänger (Händler) hätten bei dem Bundeszentralamt für Steuern Anträge auf Vergütung der deutschen Vorsteuer gestellt. In diesem Zusammenhang sei zudem die Abtretung des Vergütungsanspruches der Händler an den Beklagten zwecks Verrechnung mit den Umsatzsteuernachzahlungen für die Jahre 2004 bis 2007 gestellt worden. Aus diesem Grund sei der Klägerin die technische Stundung hinsichtlich der betreffenden Umsatzsteuerzahlungen gewährt worden.

10

Im Ergebnis seien die Zinsbescheide bereits deshalb rechtswidrig, weil die Festsetzung der Zinsen nicht mehr von dem Gesetzeszweck des § 233a AO gedeckt sei. Dieser Vorschrift liege der Zweck zu Grunde, einen Liquiditätsvorteil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige durch eine spätere Festsetzung der Steuer erziele. Die Klägerin habe aber einen derartigen Liquiditätsvorteil nicht erzielt, denn sie habe in den ursprünglichen Rechnungen über die Maschinenlieferungen keinerlei Umsatzsteuer ausgewiesen und diese somit auch nicht als Teil des Kaufpreises vereinnahmt. Vielmehr habe sie selbst erst durch korrigierte Rechnungen gegenüber den Händlern die Umsatzsteuer als Teil des zivilrechtlichen Kaufpreises nachträglich vereinnahmt und auch an das Finanzamt entrichtet. Zwar genüge es nach dem Gesetzeszweck des § 233a Abs. 1 AO, dass der Steuerpflichtige keinen tatsächlichen, sondern nur einen möglichen Zinsvorteil durch die spätere Festsetzung innehabe. Die Klägerin habe aber auch keine solche abstrakte Möglichkeit gehabt, einen Liquiditätsvorteil zu erzielen. Denn die ursprünglichen Rechnungen enthielten ausschließlich den mit den Händlern vereinnahmten Nettokaufpreis für die jeweilige Maschine. Weiteres Geld habe die Klägerin nicht erhalten. Vor der Rechnungskorrektur habe für die Klägerin auch keine Möglichkeit bestanden, weiteres Geld von den Händlern mit der Begründung einzufordern, diese hätten noch Umsatzsteuer als Teil des zivilrechtlichen Bruttokaufpreises zu zahlen. Die jeweiligen Händler hätten dies, wie jeder andere Unternehmer, davon abhängig gemacht, zuvor korrigierte Rechnungen zu erhalten, in denen die Umsatzsteuer ausgewiesen sei. Sowohl die Klägerin als auch die Händler seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Maschinenlieferungen umsatzsteuerfrei seien. Da im Ergebnis der Zweck des § 233a AO darin bestehe, Liquiditätsvorteile abzuschöpfen, sei die Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass Zinsen nur dann festzusetzen seien, wenn ein solcher Liquiditätsvorteil auf Seiten des Steuerpflichtigen bestanden habe oder möglich sei. Beides sei im Falle der Klägerin nicht gegeben so dass die angefochtenen Zinsbescheide rechtswidrig seien.

11

Dies ergebe sich auch bereits aus dem Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, der bei einer dem Gesetzeszweck widersprechenden Festsetzung von Zinsen verletzt sei.

12

Bei der Verzinsung von Umsatzsteuer gemäß § 233a AO liege zudem ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 1 sowie Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der für den fraglichen Zeitraum maßgeblichen 6. EG-Richtlinie vor. Denn zum einen stellten die Zinsen auf die Umsatzsteuer eine gemäß diesen Vorschriften nicht zulässige Zusatzsteuer dar. Zum anderen verstoße die Verzinsung auch gegen die von der 6. EG-Richtlinie vorgegebene Belastungsneutralität auf Ebene des Unternehmers. Obwohl die Klägerin die Umsatzsteuer erst im Jahr 2010 in Rechnung gestellt habe und sogleich abgeführt habe und obwohl der Händler den Vorsteuerabzug bei früherer Rechnungsstellung auch zu einem früheren Zeitpunkt hätte vollumfänglich geltend machen können, werden Zinsen auf die Umsatzsteuer erhoben. Diesen Zinsen ständen keine auf die Vorsteuer entfallenden Zinsen in entsprechender Höhe gegenüber. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des EG Rechtes als höherrangigem Recht sei daher vorliegend § 233a AO nicht anzuwenden. Denn bei einem Verstoß einer nationalen Vorschrift gegen EG-Recht bestehe, anders als bei der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift, keine alleinige Prüfungs- und Verwerfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts. Vielmehr hätten die nationalen Behörden und Gerichte die EG-Rechtswidrigkeit der nationalen Vorschrift selbst durch Nichtanwendung der dem EG- Recht entgegenstehenden nationalen Vorschrift zu beseitigen.

13

Hinzu komme, dass die Zinsfestsetzung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der sich sowohl aus der 6. EG-Richtlinie als auch aus den Art. 1 Abs. 3 sowie Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) ergebe, verstoße. Auch aus diesem Grund sei die Zinsfestsetzung ersatzlos aufzuheben. Denn die Festsetzung der Zinsen gegenüber der Klägerin genüge bereits deshalb nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil sie schon nicht geeignet sei, Ziel und Zweck der nationalen Vorschrift zu erreichen. Der Sinn und Zweck des § 233a AO bestehe darin, einen tatsächlichen oder möglichen Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen abzuschöpfen. Da ein derartiger Vorteil aber auf Seiten der Klägerin nicht bestanden habe, könne der Zweck der Vorschrift durch die Festsetzung von Zinsen nicht erreicht werden. Die Festsetzung sei aber auch deshalb nicht verhältnismäßig, da sie nicht angemessen sei. Denn die Anwendung der Nichterfüllung einer Verpflichtung, hier die unterstellt nicht rechtzeitige Erklärung und Abführung der Umsatzsteuer aus den Maschinenlieferungen, müsse in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verstoßes stehen. Dieses sei bei der Festsetzung der Zinsen gegenüber der Klägerin nicht beachtet worden. Es sei zu berücksichtigen, dass auf dem Gebiet der Umsatzsteuer der liefernde Unternehmer letztlich als Steuereinnehmer für Rechnung des Staates tätig sei. Er schulde die Umsatzsteuer, obwohl diese als indirekte Steuer vom Endverbraucher zu tragen sei. Dem sei durch Verteilung des Risikos eines Steuerausfalls Rechnung zu tragen, wobei die Risikoverteilung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen müsse. Die Umstände, dass der liefernde Unternehmer gutgläubig sei und dass er alle ihm zu Gebote stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, seien daher gewichtige Kriterien im Rahmen der Feststellung, ob der leistende Unternehmer nachträglich von der Finanzverwaltung herangezogen werden könne. Vorliegend sei eine Bösgläubigkeit der Klägerin nicht anzunehmen. Dies ergebe sich daraus, dass die Rechtslage bezüglich der Umsatzsteuerpflichtigkeit der Maschinenlieferungen im Rahmen des Reihengeschäftes nicht eindeutig gewesen sei. Wie sich bereits aus dem Betriebsprüfungsbericht ergebe, erbringe die Klägerin verschiedenste Geschäfte über ausländische Händler, deren umsatzsteuerliche Beurteilung aufgrund diverser Besonderheiten, wie z.B. Ver- oder Bearbeitung der Ware, Zwischenlagerung der Ware, Einschaltung von Finanzierungs- und Leasinggesellschaften sowie gebrochene Lieferungen, schwierig sei. Oftmals werden Lieferungen an ausländische Händler erbracht, bei denen der Spediteur durch den jeweiligen Händler oder die Klägerin beauftragt werde. In einer Vielzahl von Fällen sei daher eine Ausfuhr bzw. eine innergemeinschaftliche Lieferung und somit eine Umsatzsteuerbefreiung für die Klägerin tatsächlich gegeben. Dagegen sei in einigen Fällen die Rechtslage hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Beurteilung aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Geschäftsvorfälle nicht eindeutig. In dem Reihengeschäft mit der B und der C. ging die Klägerin zunächst davon aus, dass wie üblich der Händler, d.h. die B den Spediteur beauftrage. Aufgrund besserer Lieferbedingungen habe aber letztlich der Kunde, d.h. die C., den Spediteur beauftragt, ohne dass die Klägerin hierüber Kenntnis erlangt habe. Die Klägerin sei auch davon ausgegangen, dass die Beauftragung des Spediteurs und damit die Zuordnung der bewegten Lieferung in dieser Fallkonstellation nicht von ausschlaggebender Bedeutung sei, da die Ware zunächst im Hafen von Z zwischengelagert worden sei und damit eine gebrochene Lieferung vorliege. Wie aus dem Betriebsprüfungsbericht hervorgehe, sei in dem Reihengeschäft mit der B in einer Vielzahl von Fällen die Steuerbefreiung auch tatsächlich zu gewähren. Dieses gelte sowohl in der Leistungsbeziehung mit dem Endkunden D als auch mit der C., da die Klägerin selbst den Spediteur mit dem Transport der Ware beauftragt und die erforderlichen Buch und Belegnachweise erbracht habe. Ähnlich komplex sowohl hinsichtlich des Sachverhaltes als auch hinsichtlich der Rechtslage seien die betreffenden Reihengeschäfte mit der E und dem niederländischen Händler F, die von der Klägerin trotz der erforderlichen Sorgfalt nicht als Reihengeschäfte erkannt worden seien. In der Regel habe die Klägerin aber eine korrekte Beurteilung der Geschäftsvorfälle vorgenommen und zudem auch aufgrund der verschiedenen Fallvarianten Vorsorge getragen, die Vielzahl von Reihengeschäften durch abteilungsübergreifende Abstimmungen und Rücksprachen umsatzsteuerlich korrekt darzustellen. Dass sich dennoch manche der rechtlichen Beurteilungen als unzutreffend herausgestellt hätten, sei damit unter dem Maßstab der im Geschäftsverkehr anzulegenden erforderlichen Sorgfalt aufgrund der dargelegten bestätigten Schwierigkeiten und der Komplexität der Sach- und Rechtslage nicht vorwerfbar. Zudem habe die Klägerin insbesondere dafür Sorge getragen, dass die für die steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen bzw. für die Ausfuhrlieferungen erforderlichen Buch und Belegnachweise in Y vorgelegen hätten.

14

Die Klägerin selbst habe auch zu keinem Zeitpunkt das Umsatzsteueraufkommen gefährdet, da sie für den streitbefangenen Zeitraum ausschließlich Rechnungen ohne Umsatzsteuerausweis ausgestellt habe. Dem Umstand, dass die Klägerin keinerlei Umsatzsteuer abgeführt habe, stehe somit gegenüber, dass die betreffenden Händler als Leistungsempfänger auch keinerlei Vorsteuer geltend machen konnten, da sie über keine entsprechenden Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis verfügt hätten. Es fehle daher für die Anwendung des § 233a AO nicht nur am Liquiditätsvorteil der Klägerin. Es liege vielmehr auch keinerlei Gefährdung des Steueraufkommens und kein Zinsschaden des Fiskus vor. Es werde auch darauf hingewiesen, dass in dem vom EuGH entschiedenen Fall Netto Supermarkt GmbH & Co. KG (EuGH-Urteil vom 21. Februar 2008 C-271/06) die Nichterhebung der Umsatzsteuer in Betracht gekommen sei, obwohl anders als im Falle der Klägerin, dem Fiskus ein finanzieller Nachteil wegen des vollen Ausfalls der Umsatzsteuer entstanden sei. Demgemäß gebiete es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Falle der Klägerin erst recht, Zinsen nicht festzusetzen. Denn zum einen handele es sich nicht um die Umsatzsteuer selbst, sondern „nur“ um Nebenleistungen. Zum anderen sei die Umsatzsteuer gar nicht ausgefallen, sondern sei vollumfänglich entrichtet worden.

15

Im Ergebnis ergebe sich aus dem Umstand, dass der Gesetzeszweck des § 233a AO durch die Zinsfestsetzung nicht erreicht werden könne, keinerlei Gefährdung des Steueraufkommens bestanden habe, der Fiskus keinen Zinsnachteil erlitten habe und zudem die Klägerin gutgläubig gewesen sei, dass die angefochtene Zinsfestsetzungen nicht verhältnismäßig und daher aufzuheben seien. Es sei darüber hinaus zu beachten, dass, wie der BFH mit Urteil vom 30. Juli 2008 (V R 7/03) entschieden habe, die Umsatzsteuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung nicht versagt werden dürfe, wenn der liefernde Unternehmer bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht habe erkennen können, dass die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit nicht vorliegen. Wenn dieses aber sogar für die Umsatzsteuer selbst gelte, dann müsse es erst recht für Zinsen gelten, die nur eine Nebenleistung zur Umsatzsteuer darstellen. Hilfsweise werde ein Erlass der streitbefangenen Zinsen aus Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO beantragt.

16

Der Beklagte wies die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2007 mit Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2010 als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Klägerin keine Klage erhoben.

17

Den von der Klägerin mit der Einspruchsbegründung hilfsweise gem. § 227 AO gestellten Erlassantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2011 ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Einspruchsentscheidung, mit der der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen wurde, datiert auf den 08. Dezember 2011. Über die hiergegen am 23. Dezember 2011 bei Gericht eingegangene Klage (3 K 1526/11) hat das Gericht noch nicht entschieden.

18

Mit Einspruchsentscheidung vom 3. August 2011, einem Mittwoch, wies der Beklagte auch die Einsprüche gegen die Bescheide über die Festsetzung von Zinsen zur Umsatzsteuer für 2004 bis 2007 als unbegründet zurück. Er führte aus, dass eine Steuernachforderung gemäß § 233a Abs. 1 AO zu verzinsen sei. Die Verzinsung solle einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern trotz des gleichen gesetzlichen Entstehungszeitpunktes, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und erhoben werden. Die Verzinsung sei gesetzlich vorgeschrieben und stehe nicht im Ermessen der Finanzbehörde. Sie soll mögliche Zinsvorteile des Schuldners bzw. Zinsnachteile des Gläubigers ausgleichen, ohne dass es auf eine konkrete Berechnung der tatsächlich eingetretenen Zinsvor- und Nachteile ankomme. Sinn und Zweck sei nicht nur die Abschöpfung von Liquiditätsvorteile auf Seiten des Steuerpflichtigen. Die Verzinsung solle auch Liquiditätsnachteile auf Seiten des Steuergläubigers ausgleichen. Dieses gelte auch für die Fälle, in denen dem Steuerpflichtigen tatsächlich keine Zinsvorteile erwachsen seien.

19

Auch eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO könne nicht erfolgen, auch wenn sie mit der Entscheidung über die Steuerfestsetzung gemäß § 163 Satz 3 AO verbunden werden könne. Zwar finde die Vorschrift nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auch für Zinsen Anwendung, jedoch seien keine sachlichen Billigkeitsgründe gegeben, die eine abweichende Festsetzung rechtfertigen würden. So widerspreche die Zinsfestsetzung insbesondere nicht dem Gesetzeszweck des § 233a AO. So sei es zur Annahme eines Liquiditätsvorteils insbesondere nicht notwendig, dass die Klägerin auch tatsächlich Umsatzsteuer vereinnahmt habe, die sie dem Finanzamt hätte vorenthalten können. Entscheidend sei, dass die Steuer auf Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes entstanden sei, in dem die Lieferung oder Leistung ausgeführt wurde. Der Zinslauf habe damit gemäß § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden sei, begonnen und habe erst mit Bekanntgabe der geänderten Steuerfestsetzung am 29. April 2010 geendet.

20

Auch ein Verstoß gegen die 6. EG-Richtlinie liege nicht vor. Der vorliegende Sachverhalt sei insoweit nicht mit den von der Klägerin genannten Fällen vergleichbar. Auch dort sei noch zu prüfen, ob die dortige Klägerin, die G, alles nur Erdenkliche getan habe, wenn letztlich auch erfolglos, um einen Umsatzsteuerbetrug auszuschließen. Dieses sei jedenfalls vorliegend nicht erkennbar, denn die Klägerin habe die zutreffende umsatzsteuerliche Einordnung der Reihengeschäfte erkennen können. Es sei zwar unbestritten, dass es sich bei Reihengeschäften um umsatzsteuerlich komplizierte Sachverhalte handele. Es sei aber keineswegs so, dass die Rechtslage unklar war oder sei. Nach Kenntnis des gesamten Sachverhaltes sei durchaus zu bestimmen, welche Lieferung im Reihengeschäft die ruhende und welche die bewegte und damit steuerfreie Lieferung sei. Die Ausführungen der Klägerin, dass die zuständigen Mitarbeiter im Vertrieb und in der Finanzbuchhaltung nicht davon ausgegangen seien, dass die Beauftragung des Spediteurs durch den Kunden keine Auswirkung auf die umsatzsteuerliche Beurteilung haben könne, entschuldige die unrichtige Behandlung der Umsätze nicht. Gerade weil gemäß den Ausführungen der Klägerin regelmäßige Schulungen durchgeführt worden seien, hätten die Mitarbeiter bei der Beurteilung der veränderten Lieferkette sensibler sein müssen. Dem Betriebsprüfer sei es nach Kenntnis des gesamten Sachverhaltes ohne weiteres möglich gewesen, die betreffenden Geschäftsvorfälle zu erkennen und zu bewerten. Dieses wäre für die Klägerin gegebenenfalls unter Einschaltung eines Steuerberaters auch möglich gewesen. Sie hätte die Möglichkeit gehabt, nach Kenntnis von der Beauftragung des Spediteurs durch den Kunden, die Umsätze richtig zu beurteilen und dann die entsprechenden Umsatzsteuervoranmeldungen zu berichtigen und entsprechend berichtigte Ausgangsrechnungen auszustellen.

21

Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege ebenfalls nicht vor. Ein solcher Verstoß werde ohnehin von der Klägerin lediglich behauptet. Insbesondere in den Besprechungen zur Abwicklung der entstandenen Umsatzsteuerzahllast am Ende der Betriebsprüfung sei keine Zusage erteilt worden, dass die Zinsen nicht erhoben oder erlassen werden würden.

22

Die hiergegen gerichtete Klage ist bei Gericht am 7. September 2011 eingegangen.

23

Zur Begründung ihrer Klage wiederholt die Klägerin im Wesentlichen Ihren Vortrag aus dem Einspruchsverfahren.

24

Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über Zinsen zur Umsatzsteuer für 2004, 2005 2006 und 2007 vom 26. April 2010 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. August 2011 ersatzlos aufzuheben.

25

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

26

Er trägt vor, dass die Klagebegründung der Einspruchsbegründung vom 16. Juni 2010 entspreche, so dass er zur Vermeidung von Wiederholungen zur Klageerwiderung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 3. August 2011 verweise.

Entscheidungsgründe

27

1. Die Klage ist unbegründet.

28

Die Bescheide über Zinsen zur Umsatzsteuer für 2004, 2005 2006 und 2007 vom 26. April 2010 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. August 2011 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung –FGO–).

29

a) Nach Maßgabe des § 233a AO sind die streitgegenständlichen Bescheide, auch hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Beträge, rechtmäßig.

30

aa) Führt die Festsetzung der Umsatzsteuer zu einem Unterschiedsbetrag – resultierend aus der festgesetzten Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge sowie um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (§ 233a Abs. 3 Satz 1 AO) – ist dieser unabhängig davon, zu wessen Gunsten er ausfällt, nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO) und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird. Wird die Steuerfestsetzung – wie im Streitfall – geändert, ist gemäß § 233a Abs. 5 AO eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern. Falls bisher (wie im Streitfall) keine Zinsfestsetzung erfolgt ist, ist nach der Korrektur der Steuerfestsetzung nach den Grundsätzen des § 233a Abs. 5 AO eine Zinsfestsetzung erstmals vorzunehmen (BFH-Urteil vom 18. Mai 2005 VIII R 100/02, BFHE 210, 1, BStBl II 2005, 735; BFH-Beschluss vom 30. August 2010 VIII B 66/10, BFH/NV 2011, 1825). Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer (§ 233a Abs. 5 Satz 2 AO). Durch § 238 Abs. 1 Satz 1 AO wird der Zinssatz typisierend auf 0,5 v.H. pro Monat festgelegt.

31

bb) Die Verzinsung ist wegen ihres typisierenden Charakters unabhängig von einem Verschulden des Finanzamts oder des Steuerpflichtigen; sie ist durch ihre Abschöpfungswirkung gekennzeichnet. Zweck der Regelungen in § 233a AO ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden (Begründung zum Gesetzentwurf, BTDrucks 11/2157, 194). Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Steuerbescheides objektiv oder typischerweise entstanden sind, sollen mit Hilfe der sog. Vollverzinsung ausgeglichen werden. Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, ist für die Festsetzung grundsätzlich unbeachtlich (vgl. BFH-Urteile vom 16. November 2005 X R 3/04, BStBl II 2006, 155; vom 19. März 1997 I R 7/96, BStBl II 1997, 446 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf 0,5 v.H. pro Monat festgesetzt. Daraus folgt, dass es auf den im Einzelfall vom Steuerpflichtigen konkret erzielten bzw. vom Steuergläubiger erlittenen Zinsvorteil oder -nachteil nicht ankommen soll (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1995 X R 86/94, BFHE 178, 555, BStBl II 1996, 53). Der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil soll für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. In vielen Fällen wäre eine solche Ermittlung auch gar nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert bzw. das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. Ebenso wenig soll es darauf ankommen, welcher Zinsnachteil im konkreten Einzelfall dem Steuergläubiger entsteht und inwieweit Zinsvorteil und -nachteil voneinander abweichen (BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 7/96, BFHE 182, 293, BStBl II 1997, 446).

32

Weil die Entstehung des Zinsanspruchs dem Grunde und der Höhe nach gemäß dem durch die Gesetzesbegründung (BTDrucks 11/2157, S. 194) bestätigten Wortsinn, dem Zusammenhang und dem Zweck des Gesetzes eindeutig unabhängig von der konkreten Einzelfallsituation geregelt ist und allein vom Eintritt objektiver Daten (Fristablauf i.S. des § 233a Abs. 2 AO; Unterschiedsbetrag i.S. des § 233a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 AO) abhängt, sind für die Anwendung des § 233a AO die Ursachen und Begleitumstände im Einzelfall grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Beschluss vom 2. August 2005 X B 139/04, juris). Prinzipiell ist ein Verschulden irrelevant, und zwar auf beiden Seiten des Steuerschuldverhältnisses (s. BFH-Entscheidungen vom 15. April 1999 V R 63/97, BFH/NV 1999, 1392, und vom 30. November 2000 V B 169/00, BFH/NV 2001, 656, 657 einerseits, sowie vom 4. November 1996 I B 67/96, BFH/NV 1997, 458, und vom 3. Mai 2000 II B 124/99, BFH/NV 2000, 1441, 1442 andererseits). Die Rechtsprechung hat es jedenfalls auf Ebene der Festsetzung der Zinsen als unerheblich angesehen, ob der – typisierend vom Gesetz unterstellte – Zinsvorteil des Steuerpflichtigen auf einer verzögerten Einreichung der Steuererklärung durch den Steuerpflichtigen oder einer verzögerten Bearbeitung durch das Finanzamt beruht (BFH-Beschluss vom 3. Mai 2000 II B 124/99, BFH/NV 2000, 1441).

33

Unter Berücksichtigung des o.g. Gesetzeswecks und des klaren unmissverständlichen Wortlautes des § 233a AO ist eine Auslegungsbedürftigkeit des Gesetzes für den Senat auf der Ebene des Festsetzungsverfahrens nicht zu erkennen. Die Vorschrift ist hinreichend klar und nicht weiter auslegungsbedürftig. Ob der Gesetzeszweck ggf. bei der Überprüfung der im Parallelverfahren zu beurteilenden Billigkeitsmaßnahme weiter zu berücksichtigen ist, kann für das vorliegende Verfahren dahingestellt bleiben.

34

cc) An die Vorgaben des § 233a AO hat der Beklagte sich bei der Zinsfestsetzung gehalten. Insoweit hat auch die Klägerin keine Einwände vorgebracht. Die Berechnung der Zinsen ist zutreffend erfolgt.

35

dd) Auch die in § 238 Abs. 1 AO festgelegte Zinshöhe von 0,5 v.H. pro Monat, die Beklagte der Berechnung der Zinsen zu Grunde gelegt hat, begegnet trotz der seit mehreren Jahren hiervon stark abweichenden Marktzinsen für Geldanlagen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

36

Dieses gilt nach Rechtsprechung des BFH jedenfalls für Verzinsungszeiträume bis 2013 (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Februar 2016 X S 38/15, BFH/NV 2016, 940). Mit Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009  1 BvR 2539/07 (BFH/NV 2009, 2115, dort unter III.1.b bb) hat das BVerfG entschieden, dass der durch den Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung typisierend auf 0,5 v.H. pro Monat festgesetzte Zinssatz, der immerhin zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen gilt, rechtsstaatlich unbedenklich ist und keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot darstellt. Es entspricht gerade der Absicht des Gesetzgebers, dass der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden muss. Entsprechend haben sowohl der I. Senat des BFH (Urteil vom 20. April 2011 I R 80/10, BFH/NV 2011, 1654, unter II.2.) als auch der IX. Senat des BFH (Urteil vom 1. Juli 2014 IX R 31/13, BFHE 246, 193, BStBl II 2014, 925, dort unter II.2.a bis c; bestätigt durch Urteil vom 14. April 2015 IX R 5/14, BFHE 250, 483, BStBl II 2015, 986) entschieden. Der IX. Senat hatte für einen Zinszeitraum bis zum Jahre 2011 sinngemäß näher ausgeführt, dass es zwar unter praktischen Gesichtspunkten unter Einsatz moderner EDV durchaus denkbar sei, eine Anpassung der Zinshöhe an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i.S. des § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vorzunehmen, dass aber weitere Gesichtspunkte existieren, die die grundsätzliche Abkopplung von diesen beiden Zinsfüßen rechtfertigen und den geltenden Zinssatz von 6 v.H. nicht als so hoch erscheinen lassen, wie er auf den ersten Blick scheint. So wäre es unangemessen, als Vergleichsmaßstab lediglich den jeweils aktuellen Zinssatz für Geldanlagen heranzuziehen, da sowohl die bei der Verwendung von Kapital erzielbaren als auch bei der Finanzierung von Steuernachzahlungen aufzubringenden Zinsen bzw. Renditen von individuellen Finanzierungsentscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig sind. Das bedeutet, dass bei einer Beurteilung des gesetzlichen Zinssatzes anhand der Marktverhältnisse einerseits die üblichen Zinssätze etwa für Dispositionskredite und andere unbesicherte Konsumentenkredite, andererseits die Renditemöglichkeiten von Anlageformen außerhalb der reinen Geldanlage zu berücksichtigen sind. Die Abkopplung des gesetzlichen Zinssatzes von dem individuellen Zinsvorteil oder -nachteil ist letztlich ein grundlegendes Prinzip, das nicht von dem Zeitraum abhängt, um den es geht. Es zeigt vielmehr, dass der gesetzliche Zinssatz grundsätzlich auch und gerade gerechtfertigt ist, wenn er signifikant von dem Marktzins abweicht, der seinerseits die tatsächlichen Zinsvorteile oder -nachteile prägt. Eine einschneidende Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, die so weit ginge, dass selbst bei Einbeziehung der für den Kreditnehmer ungünstigsten Sollzinssätze namentlich bei unbesicherten Kreditformen oder Dispositionskrediten bzw. der für den Vermögensanleger günstigsten Renditen ein Zinsfuß von 6 v.H. p.a. gänzlich markt- und realitätsfremd erschiene, ist nicht zu erkennen.

37

b) Eine Rechtswidrigkeit der Zinsfestsetzungen ergibt sich auch nicht unter Heranziehung der von der Klägerin dargestellten Grundsätze aus Treu und Glauben.

38

aa) Das Finanzamt ist grundsätzlich verpflichtet, die nach dem Gesetz entstandenen Steuer- und Zinsansprüche geltend zu machen. Ausnahmsweise kann es aber nach dem allgemein gültigen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) an der Geltendmachung und Durchsetzung entstandener Ansprüche gehindert sein (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. April 1991 V R 67/86, BFH/NV 1992, 217 m.w.N.; vom 18. Dezember 1991 X R 38/90, BFHE 167, 1, BStBl II 1992, 504; vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990). Welche Anforderungen der Grundsatz von Treu und Glauben an die Beteiligten eines Steuerrechtsverhältnisses stellt, ist jeweils anhand der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Im Allgemeinen wird die Ausübung eines Rechts oder die Geltendmachung eines Anspruchs als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen sein, wenn der Berechtigte diese durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges, d.h. unredliches Verhalten erworben hat. Auf den Grundsatz von Treu und Glauben kann sich aber nur der Beteiligte berufen, dem aus dem schuldhaften Verhalten des anderen ein Nachteil entsteht oder zu entstehen droht. Zieht derjenige, der sich auf Gesetz- oder Pflichtverletzungen eines anderen beruft, aus der Gesetz- oder Pflichtverletzung nur Vorteile, so ist es aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht zu beanstanden, wenn der andere aufgrund entsprechender vertraglicher oder gesetzlicher Rechtsgrundlage die Herausgabe dieses Vorteils verlangt (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 1993 I R 30/93, BFHE 172, 304, BStBl II 1994, 81, m.w.N.). Der Grundsatz von Treu und Glauben steht einer Festsetzung von Nachforderungszinsen grundsätzlich auch dann nicht entgegen, wenn dem Finanzamt bei der Bearbeitung einer Steuererklärung Fehler unterlaufen sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. Mai 2000 II B 124/99, BFH/NV 2000, 1441; vom 30. Oktober 2001 X B 147/01, BFH/NV 2002, 505 und vom 2. August 2005 X B 139/04, juris).

39

bb) Derartige Umstände, die zu Gunsten der Klägerin im Hinblick auf die Nichtfestsetzung von Nachzahlungszinsen einen Vertrauenstatbestand begründen könnten, wie etwa eine schuldhaft verzögerte Bearbeitung der Steuererklärung, sind nicht ersichtlich. Der Beklagte hatte die Umsatzsteuer für die Streitjahre zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Einen Hinweis darauf, dass eine Zinsfestsetzung auch bei späteren Änderungen nicht erfolgen werde, ist nicht ersichtlich. Im Hinblick auf die Festsetzungen der Grundlagenbescheide (Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2007) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und der damit verbundenen erleichterten Änderbarkeit der Bescheide konnte die Klägerin auch gerade nicht davon ausgehen, dass eine spätere Änderung mit der gesetzlichen Folge der Festsetzung von Nachzahlungszinsen nicht erfolgen werde.

40

c) Zwar ist nach der Rechtsprechung des BFH für einen Ausgleich in Form einer Verzinsung der Steuernachforderung kein Raum, wenn zweifelsfrei feststeht, dass ein Steuerpflichtiger durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil erlangt hatte (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 12. April 2000 XI R 21/97 in BFH/NV 2000, 1178). Diese Umstände sind hingegen bei der Frage einer möglichen Billigkeitsmaßnahme und nicht auf der Ebene des Festsetzungsverfahrens zu berücksichtigen. Festgesetzte Nachzahlungszinsen sind dann ggf. wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen (BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2001  X B 147/01,  juris). Allgemein ist eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen dann anzunehmen, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht zu rechtfertigen ist (BFH-Urteil vom 16. November 2005 X R 3/04, BStBl II 2005, 155; BFH-Beschluss vom 26. Juli 2006 VI B 134/05, BFH/NV 2006, 2029). In diese Richtung geht die überwiegende Argumentation der Klägerin, die vorträgt, dass sie auf Grund der erst nach Rechnungskorrektur erfolgten Vereinnahmung der Umsatzsteuer einen Liquiditätsvorteil nicht gehabt habe. Über den Erlass ist aber vorliegend nicht zu entscheiden. Im Rahmen des Festsetzungsverfahrens muss daher ein etwaiger nicht vorhandener Liquiditätsvorteil auf Grund der gesetzlich vorgesehenen Typisierung unberücksichtigt bleiben.

41

Es kommt daher im Ergebnis auf Ebene der Festsetzung nicht darauf an, ob die Klägerin tatsächlich, wie sie es darstellt, keinen Vorteil aus der erst späteren Festsetzung gezogen hat oder nicht. Anders als die Klägerin vorträgt, hat sie hingegen einen Teil der abzuführenden Umsatzsteuer bereits ursprünglich als Teil der (geringeren) Gegenleistung vereinnahmt und diesen Teil jedenfalls nicht abgeführt. Hierin ist, auch wenn es für die Entscheidung nicht darauf ankommt, jedenfalls ein Vorteil der Klägerin zu sehen. Denn gem. § 10 Abs. 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen und Leistungen nach dem Entgelt bemessen, wobei Entgelt alles ist, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu enthalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer.

42

d) Auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 15. September 2016 in der Rechtssache Senatex (C-518/14, MwStR 2016, 792) ergibt sich nach Auffassung des Senats keine Rechtswidrigkeit der Zinsfestsetzungen.

43

Zunächst betrifft das Urteil mit der Besteuerung des Leistungsempfängers, der im Besitz einer nachträglich korrigierten Rechnung war, einen anderen, mit dem vorliegenden Fall lediglich „spiegelbildlich“ vergleichbaren Fall. Der dortige Leistungsempfänger sollte nach Auffassung des Finanzamtes wegen formeller Mängel der den Vorsteuerabzug begründenden Eingangsrechnungen (es fehlten die Steuernummer bzw. die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistenden) trotz während der Betriebsprüfung vorgelegter korrigierter Rechnungen Nachzahlungszinsen wegen fehlender Rückwirkung der Rechnungsberichtigungen zahlen. Diese Auffassung wurde vom EuGH nicht geteilt. Hiernach sind Art. 176, Art. 178 Buchst. a, Art. 179 und Art. 226 Nr. 3 der ab dem 1. Januar 2007 geltenden Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gesamte Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe, nämlich der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer, keine Rückwirkung zukommt, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf die berichtigte Rechnung nicht für das Jahr ausgeübt werden kann, in dem diese Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde, sondern für das Jahr, in dem sie berichtigt wurde. In Rn. 37 des o.g. Urteils führt der EuGH aus, dass durch die Regelung über den Vorsteuerabzug  der Unternehmer vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuerentlastet werden soll. Eine nationale Regelung, nach der Nachzahlungszinsen auf die vor einer Berichtigung der ursprünglich ausgestellten Rechnung als geschuldet angesehenen Mehrwertsteuerbeträge zu entrichten sind, belegt diese wirtschaftlichen Tätigkeiten jedoch mit einer aus der Mehrwertsteuer resultierenden Belastung, obwohl das gemeinsame Mehrwertsteuersystem die Neutralität dieser Steuer garantiert.

44

Ob auch beim Leistenden, bei dem für die Entstehung der Umsatzsteuer weder die Erstellung einer Rechnung noch formelle Rechnungsangaben von Bedeutung sind, der Neutralitätsgrundsatz durch die Festsetzung von Nachzahlungszinsen verletzt sein kann, wenn feststeht, dass, wie vorliegend, der Leistungsempfänger in der Vergangenheit gerade keinen Vorsteuerabzug aus den fraglichen Rechnungen (mangels ausgewiesener Umsatzsteuer) geltend gemacht hat, hat der EuGH nicht entschieden. Auch hat der EuGH nicht darüber befunden, ob der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer bei der Festsetzung von Nachzahlungszinsen gewahrt ist, wenn es durch den rückwirkenden Vorsteuerabzug auf Seiten des Leistungsempfängers zur Festsetzung von Guthabenzinsen kommt, sich damit Nachzahlungs- und Guthabenzinsen gegenüber stehen.

45

Im Ergebnis können diese Fragen aber nach Auffassung des Senats für das vorliegende Verfahren offen bleiben. Ob die Zinsfestsetzung auch gegenüber dem Leistenden ggf. dem Neutralitätsgrundsatz widerspricht, kann nur einer Entscheidung im Billigkeitsverfahren vorbehalten bleiben, da es der gesetzlich vorgesehen Typisierung des Festsetzungsverfahrens widersprechen würde, bereits bei der Festsetzung zu prüfen, ob und ggf. in welcher Höhe der Leistungsempfänger einen Vorsteuerabzug geltend gemacht hat bzw. dieses rückwirkend könnte, was ggf. zu einer mit der Zinsfestsetzung gegenüber dem Leistenden korrespondierenden Zinsfestsetzung zu Gunsten des Leistungsempfängers führen würde. Andererseits wäre es ggf. unbillig, die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gegenüber dem Leistenden davon abhängig zu machen, gegenüber wem er die Leistungen ausführt (ggf. einer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Person) und wie diese sich steuerlich verhalten hat. Diese Frage bleibt jedoch einer Entscheidung im parallelen Verfahren wegen Ablehnung des Erlasses der Zinsen gem. § 227 AO vorbehalten. Dass die Herstellung der Neutralität der Umsatzsteuer im Billigkeitsverfahren erfolgen kann, ist höchstrichterlich zu § 14 Abs. 3 UStG a.F. entschieden (BFH-Urteil vom 17. Mai 2001 V R 77/99, BFHE 194, 552, BStBl II 2004, 370).

46

2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

47

3. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 15. September 2016 (C-518/14 –Senatex–) auf die hier streitgegenständliche „spiegelbildliche Situation“ der Festsetzung von Nachzahlungszinsen gegenüber dem rechnungskorrigierenden Leistenden zuzulassen.


Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten. Der Kläger (Ehemann) erzielte gewerbliche Einkünfte aus der Beteiligung an einer inländischen KG. Infolge einer steuerlichen Betriebsprüfung erhöhten sich die ihm zuzurechnenden Beteiligungsergebnisse der Jahre 1997 bis 1999. Die Änderungen beruhten auf einer im Rahmen der Betriebsprüfung erzielten tatsächlichen Verständigung über die Frage, in welcher Höhe im Rahmen der Geschäftsbeziehungen zu einer österreichischen Schwestergesellschaft in der Rechtsform einer GesmbH zu Lasten des inländischen Ergebnisses unangemessene Vermögensvorteile zugewendet worden waren und ob insoweit eine Verrechnungspreiskorrektur durchzuführen sei.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ im Februar 2007 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1997, 1998 und 1999. Die zugleich festgesetzten Nachzahlungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) wurden im März 2007 wegen freiwilliger Zahlungen zu einem geringen Teil erlassen.

3

Die Kläger beantragten im März 2007, weitere Teilbeträge der Nachzahlungszinsen in Höhe von 310.991 € für 1997, 244.487 € für 1998 und 244.344 € für 1999, die auf die Verrechnungspreiskorrektur zurückzuführen waren, aus Billigkeitsgründen (§ 227 AO) zu erlassen. Zur Begründung trugen sie vor, § 233a AO bezwecke die Abschöpfung von Zins- und Liquiditätsvorteilen. Sie --die Kläger-- hätten aber durch die verspätete Festsetzung keinen Vorteil erlangt, denn die durch die Betriebsprüfung veranlassten Verrechnungspreiskorrekturen hätten nicht zu einem steuerlichen Mehrergebnis geführt, sondern lediglich zu einer Verschiebung des Steuerzugriffs zwischen Deutschland und Österreich. Die Gewinne der Streitjahre seien insgesamt in zutreffender Höhe der Besteuerung zugrunde gelegt worden. Österreich habe aber eine dem § 233a AO entsprechende Verzinsung erst 2001 eingeführt, so dass den in Deutschland entstandenen Nachzahlungszinsen keine korrespondierenden Erstattungszinsen gegenüberstünden.

4

Das FA lehnte den beantragten Teilerlass ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch als unbegründet zurück.

5

Die Klage hatte keinen Erfolg.

6

Die Kläger rügen die Verletzung materiellen Rechts.

7

Die Kläger beantragen sinngemäß, den Ablehnungsbescheid vom 2. August 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2009 aufzuheben und das FA zu verpflichten, Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer für das Jahr 1997 in Höhe von 310.991 €, für 1998 in Höhe von 244.487 € und für 1999 in Höhe von 244.344 € gemäß § 227 AO zu erlassen.

8

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet. Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht entschieden, dass das FA den Erlass ermessensfehlerfrei abgelehnt hat.

10

1. Die Finanzbehörden können nach § 227 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

11

a) Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehören nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 4 AO (im Streitzeitraum § 3 Abs. 3 AO) auch Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen wie z.B. Zinsen nach den §§ 233 bis 237 AO. Dem Erlass von Zinsen nach § 233a AO steht nicht entgegen, dass § 233a AO --anders als § 234 Abs. 2 AO für Stundungszinsen und § 237 Abs. 4 AO für Aussetzungszinsen-- keine ausdrückliche Ermächtigung zu Billigkeitsmaßnahmen enthält (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Juni 1996 X R 234/93, BFHE 180, 240, BStBl II 1996, 503; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO Rz 89).

12

b) Die Entscheidung über den Erlass ist eine Ermessensentscheidung der Behörde, die gemäß § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann. Im Einzelfall kann der Ermessensspielraum aber so eingeengt sein, dass nur eine Entscheidung ermessensgerecht ist (sog. Ermessensreduzierung auf Null). Ist nur der Erlass eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ermessensgerecht, kann das Gericht gemäß § 101 Satz 1 FGO die Verpflichtung zum Erlass aussprechen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 26. August 2010 III R 80/07, BFH/NV 2011, 401; vom 16. November 2005 X R 28/04, BFH/NV 2006, 697; vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259).

13

c) Sachlich unbillig ist die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis vor allem dann, wenn sie im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft (Senatsurteil in BFH/NV 2011, 401). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber eine andere Regelung getroffen hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (BFH-Urteil vom 21. Oktober 2009 I R 112/08, BFH/NV 2010, 606). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt daher keine Billigkeitsmaßnahme; die Billigkeitsprüfung darf nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen. Diese Grundsätze gelten auch im Zusammenhang mit der Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO (BFH-Urteil vom 16. November 2005 X R 3/04, BFHE 211, 30, BStBl II 2006, 155).

14

2. Das FG hat zu Recht entschieden, dass das FA den Erlass von Nachzahlungszinsen ermessensfehlerfrei abgelehnt hat. Eine Billigkeitsmaßnahme ist nicht geboten, weil die Verrechnungspreiskorrektur dazu geführt hat, dass die Erhöhung der Einkommensteuerschuld der Kläger zu Nachzahlungszinsen geführt hat, während die österreichische GesmbH keine Erstattungszinsen beanspruchen kann.

15

a) Die in § 233a AO angeordnete Verzinsung bezweckt, den möglichen Liquiditätsvorteil abzuschöpfen, der einem einzelnen Steuerpflichtigen durch die verspätete Festsetzung der Steuer entsteht. Auf die Frage, ob dem Steuergläubiger insgesamt ein Schaden entstanden ist, kommt es insoweit nicht an. Deshalb ist bei der Frage, ob die Festsetzung von Zinsen unbillig ist, nur auf die Verhältnisse des jeweiligen Zinsschuldners abzustellen; die Verhältnisse eines anderen Rechtssubjekts bleiben insoweit außer Betracht (BFH-Urteile in BFH/NV 2010, 606; vom 12. April 2000 XI R 21/97, BFH/NV 2000, 1178; vom 20. Januar 1997 V R 28/95, BFHE 183, 353, BStBl II 1997, 716).

16

Die Verrechnungspreiskorrektur hat sich jedoch im Streitfall einerseits --erhöhend-- auf die Besteuerung des zu versteuernden Einkommens der Kläger und andererseits --mindernd-- auf die Besteuerung der GesmbH ausgewirkt. Die Kläger sind indessen natürliche Personen, die österreichische GesmbH ist jedoch eine juristische Person des Privatrechts, die ihr Einkommen selbst der österreichischen Körperschaftsteuer zu unterwerfen hat. Eine Minderung ihres Einkommens wirkt sich mithin nicht unmittelbar auf die Besteuerung ihrer Anteilseigner aus.

17

Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob --wie das FG in Übereinstimmung mit dem BFH-Beschluss vom 15. Januar 2008 VIII B 222/06 (BFH/NV 2008, 753) meint-- Auswirkungen im Steuerrechtsverhältnis einer Person zu einem anderen EU-Mitgliedstaat stets außer Betracht zu lassen sind, oder ob die aufgrund der Erhöhung der deutschen Einkommensteuer entstandenen Nachzahlungszinsen (teilweise) zu erlassen gewesen wären, wenn den Klägern gegen sie festgesetzte österreichische Einkommensteuer infolge der Verrechnungspreiskorrektur erstattet worden wäre, ohne dass sie insoweit Zinsen beanspruchen könnten.

18

b) Diese Entscheidung steht nicht im Widerspruch zum BFH-Beschluss vom 28. Juli 2009 I B 42/09 (BFH/NV 2010, 5) und dem diesem zugrunde liegenden Urteil des FG des Saarlandes vom 12. Februar 2009  2 K 2058/04 (juris). In jener Sache hatte das FA eine Zahlung der klagenden GmbH an eine neu eingetretene Gesellschafterin nicht als Gewinnausschüttung, sondern als Darlehensrückzahlung behandelt, wodurch einerseits Kapitalertragsteuer erstattet und andererseits Körperschaftsteuer nachgefordert wurde, die das FA sodann verrechnete (§ 226 AO). Insoweit handelt es sich zwar grundsätzlich um die Steuerrechtsverhältnisse verschiedener Personen, da eine Kapitalgesellschaft Schuldnerin der Körperschaftsteuer, nicht aber der Kapitalertragsteuer ist, die sie als Steuerentrichtungspflichtige für ihre Anteilseigner anzumelden und abzuführen hat. Da sie die Kapitalertragsteuer aber zu Unrecht angemeldet hatte, war die klagende GmbH nach § 37 Abs. 2 AO erstattungsberechtigt, was den Erlass der Nachzahlungszinsen auf ihre Körperschaftsteuerschuld rechtfertigte.

19

c) Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Entscheidung mit Gemeinschaftsrecht bestehen nicht, weil die Kläger einen Zinserlass auch bei einem reinen Inlandssachverhalt nicht beanspruchen könnten.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten sich über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer für 2004 bis 2007 für den Verzinsungszeitraum 1. April 2006 (Umsatzsteuer 2004), 1. April 2007 (Umsatzsteuer 2005), 1. April 2008 (Umsatzsteuer 2006) sowie 1. April 2009 (Umsatzsteuer 2007) bis jeweils 29. April 2010.

2

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 1. Juni 1990 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist ausweislich der Eintragungen im Handelsregister die Entwicklung, Herstellung, der Vertrieb von Förderanlagen und Baugruppen aller Art im Bereich Umwelttechnik. Die Klägerin vertreibt weltweit verschiedene Recyclingmaschinen.

3

Die Maschinen werden in der Regel über Zwischenhändler verkauft. Die Leistungsbeziehungen zwischen der Klägerin, den Händlern und dem Endkunden sind häufig im Rahmen eines Reihengeschäftes gestaltet.

4

Der Beklagte führte bei der Klägerin in der Zeit vom 6. Oktober 2009 bis Ende 2010 eine steuerliche Betriebsprüfung für die bereits unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagten Jahre 2004 bis 2007 durch. Der Zwischenbericht der Betriebsprüfung datiert auf den 1. April 2010. Die Betriebsprüfung kam zu dem Ergebnis, dass der Klägerin in den Streitjahren 2004 bis 2007 bei bestimmten Reihengeschäften mit ausländischen Händlern die ruhende Lieferung zuzuordnen sei und daher keine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 Umsatzsteuergesetz (UStG) oder nach § 4 Nr. 1 die i.V.m. § 6a UStG in Anspruch genommen werden könne. Die insoweit bisher von der Klägerin als steuerfrei behandelten und erklärten Lieferungen seien umsatzsteuerpflichtig.

5

In Auswertung des Betriebsprüfungsberichtes erließ der Beklagte am 26. April 2010 gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide über Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2007, in denen er die Steuer entsprechend heraufsetzte. Gleichzeitig erließ der Beklagte mit den Umsatzsteuerbescheiden verbundene Bescheide über Zinsen zur Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2007.

6

In den Bescheiden vom 26. April 2010 berechnete der Beklagte die Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2007 wie folgt:

7

2004: 

590.350,00 €

vom 1.04.2006
bis 29.04.2010 =  

48 Monate x 0,5 v.H. =

   141.684,00 €

2005: 

620.850,00 €

vom 1.04.2007
bis 29.04.2010=

36 Monate x 0,5 v.H. =

111.753,00 €

2006: 

891.600,00 €    

vom 1.04.2008
bis 29.04.2010=

24 Monate x 0,5 v.H. =

106.992,00 €

2007: 

1.084.250,00 €

vom 1.04.2009
bis 29.04.2010=

12 Monate x 0,5 v.H. =

65.055,00 €

8

Mit Schreiben vom 28. Mai 2010 legte die Klägerin sowohl gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2007 vom 26. April 2010 als auch gegen die Bescheide über die Festsetzung von Zinsen zur Umsatzsteuer für 2004 bis 2007 vom 26. April 2010 Einspruch ein.

9

Zur Begründung führte sie aus, dass sie die Feststellungen der Betriebsprüfung umgehend in berichtigten Rechnungen an die ausländischen Händler umgesetzt habe. Die betreffenden Rechnungen im Prüfungszeitraum seien pro Jahr korrigiert worden. Die jeweilige Korrekturmeldung (Gutschrift) enthalte eine Anlage mit detaillierten Angaben der betreffenden Rechnungen und die neuen Rechnungen seien mit gesondertem Ausweis deutscher Umsatzsteuer erteilt worden. Die korrigierten Rechnungen seien in der Umsatzsteuervoranmeldung für April 2010 berücksichtigt worden. Die Leistungsempfänger (Händler) hätten bei dem Bundeszentralamt für Steuern Anträge auf Vergütung der deutschen Vorsteuer gestellt. In diesem Zusammenhang sei zudem die Abtretung des Vergütungsanspruches der Händler an den Beklagten zwecks Verrechnung mit den Umsatzsteuernachzahlungen für die Jahre 2004 bis 2007 gestellt worden. Aus diesem Grund sei der Klägerin die technische Stundung hinsichtlich der betreffenden Umsatzsteuerzahlungen gewährt worden.

10

Im Ergebnis seien die Zinsbescheide bereits deshalb rechtswidrig, weil die Festsetzung der Zinsen nicht mehr von dem Gesetzeszweck des § 233a AO gedeckt sei. Dieser Vorschrift liege der Zweck zu Grunde, einen Liquiditätsvorteil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige durch eine spätere Festsetzung der Steuer erziele. Die Klägerin habe aber einen derartigen Liquiditätsvorteil nicht erzielt, denn sie habe in den ursprünglichen Rechnungen über die Maschinenlieferungen keinerlei Umsatzsteuer ausgewiesen und diese somit auch nicht als Teil des Kaufpreises vereinnahmt. Vielmehr habe sie selbst erst durch korrigierte Rechnungen gegenüber den Händlern die Umsatzsteuer als Teil des zivilrechtlichen Kaufpreises nachträglich vereinnahmt und auch an das Finanzamt entrichtet. Zwar genüge es nach dem Gesetzeszweck des § 233a Abs. 1 AO, dass der Steuerpflichtige keinen tatsächlichen, sondern nur einen möglichen Zinsvorteil durch die spätere Festsetzung innehabe. Die Klägerin habe aber auch keine solche abstrakte Möglichkeit gehabt, einen Liquiditätsvorteil zu erzielen. Denn die ursprünglichen Rechnungen enthielten ausschließlich den mit den Händlern vereinnahmten Nettokaufpreis für die jeweilige Maschine. Weiteres Geld habe die Klägerin nicht erhalten. Vor der Rechnungskorrektur habe für die Klägerin auch keine Möglichkeit bestanden, weiteres Geld von den Händlern mit der Begründung einzufordern, diese hätten noch Umsatzsteuer als Teil des zivilrechtlichen Bruttokaufpreises zu zahlen. Die jeweiligen Händler hätten dies, wie jeder andere Unternehmer, davon abhängig gemacht, zuvor korrigierte Rechnungen zu erhalten, in denen die Umsatzsteuer ausgewiesen sei. Sowohl die Klägerin als auch die Händler seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Maschinenlieferungen umsatzsteuerfrei seien. Da im Ergebnis der Zweck des § 233a AO darin bestehe, Liquiditätsvorteile abzuschöpfen, sei die Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass Zinsen nur dann festzusetzen seien, wenn ein solcher Liquiditätsvorteil auf Seiten des Steuerpflichtigen bestanden habe oder möglich sei. Beides sei im Falle der Klägerin nicht gegeben so dass die angefochtenen Zinsbescheide rechtswidrig seien.

11

Dies ergebe sich auch bereits aus dem Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, der bei einer dem Gesetzeszweck widersprechenden Festsetzung von Zinsen verletzt sei.

12

Bei der Verzinsung von Umsatzsteuer gemäß § 233a AO liege zudem ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 1 sowie Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der für den fraglichen Zeitraum maßgeblichen 6. EG-Richtlinie vor. Denn zum einen stellten die Zinsen auf die Umsatzsteuer eine gemäß diesen Vorschriften nicht zulässige Zusatzsteuer dar. Zum anderen verstoße die Verzinsung auch gegen die von der 6. EG-Richtlinie vorgegebene Belastungsneutralität auf Ebene des Unternehmers. Obwohl die Klägerin die Umsatzsteuer erst im Jahr 2010 in Rechnung gestellt habe und sogleich abgeführt habe und obwohl der Händler den Vorsteuerabzug bei früherer Rechnungsstellung auch zu einem früheren Zeitpunkt hätte vollumfänglich geltend machen können, werden Zinsen auf die Umsatzsteuer erhoben. Diesen Zinsen ständen keine auf die Vorsteuer entfallenden Zinsen in entsprechender Höhe gegenüber. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des EG Rechtes als höherrangigem Recht sei daher vorliegend § 233a AO nicht anzuwenden. Denn bei einem Verstoß einer nationalen Vorschrift gegen EG-Recht bestehe, anders als bei der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift, keine alleinige Prüfungs- und Verwerfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts. Vielmehr hätten die nationalen Behörden und Gerichte die EG-Rechtswidrigkeit der nationalen Vorschrift selbst durch Nichtanwendung der dem EG- Recht entgegenstehenden nationalen Vorschrift zu beseitigen.

13

Hinzu komme, dass die Zinsfestsetzung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der sich sowohl aus der 6. EG-Richtlinie als auch aus den Art. 1 Abs. 3 sowie Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) ergebe, verstoße. Auch aus diesem Grund sei die Zinsfestsetzung ersatzlos aufzuheben. Denn die Festsetzung der Zinsen gegenüber der Klägerin genüge bereits deshalb nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil sie schon nicht geeignet sei, Ziel und Zweck der nationalen Vorschrift zu erreichen. Der Sinn und Zweck des § 233a AO bestehe darin, einen tatsächlichen oder möglichen Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen abzuschöpfen. Da ein derartiger Vorteil aber auf Seiten der Klägerin nicht bestanden habe, könne der Zweck der Vorschrift durch die Festsetzung von Zinsen nicht erreicht werden. Die Festsetzung sei aber auch deshalb nicht verhältnismäßig, da sie nicht angemessen sei. Denn die Anwendung der Nichterfüllung einer Verpflichtung, hier die unterstellt nicht rechtzeitige Erklärung und Abführung der Umsatzsteuer aus den Maschinenlieferungen, müsse in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verstoßes stehen. Dieses sei bei der Festsetzung der Zinsen gegenüber der Klägerin nicht beachtet worden. Es sei zu berücksichtigen, dass auf dem Gebiet der Umsatzsteuer der liefernde Unternehmer letztlich als Steuereinnehmer für Rechnung des Staates tätig sei. Er schulde die Umsatzsteuer, obwohl diese als indirekte Steuer vom Endverbraucher zu tragen sei. Dem sei durch Verteilung des Risikos eines Steuerausfalls Rechnung zu tragen, wobei die Risikoverteilung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen müsse. Die Umstände, dass der liefernde Unternehmer gutgläubig sei und dass er alle ihm zu Gebote stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, seien daher gewichtige Kriterien im Rahmen der Feststellung, ob der leistende Unternehmer nachträglich von der Finanzverwaltung herangezogen werden könne. Vorliegend sei eine Bösgläubigkeit der Klägerin nicht anzunehmen. Dies ergebe sich daraus, dass die Rechtslage bezüglich der Umsatzsteuerpflichtigkeit der Maschinenlieferungen im Rahmen des Reihengeschäftes nicht eindeutig gewesen sei. Wie sich bereits aus dem Betriebsprüfungsbericht ergebe, erbringe die Klägerin verschiedenste Geschäfte über ausländische Händler, deren umsatzsteuerliche Beurteilung aufgrund diverser Besonderheiten, wie z.B. Ver- oder Bearbeitung der Ware, Zwischenlagerung der Ware, Einschaltung von Finanzierungs- und Leasinggesellschaften sowie gebrochene Lieferungen, schwierig sei. Oftmals werden Lieferungen an ausländische Händler erbracht, bei denen der Spediteur durch den jeweiligen Händler oder die Klägerin beauftragt werde. In einer Vielzahl von Fällen sei daher eine Ausfuhr bzw. eine innergemeinschaftliche Lieferung und somit eine Umsatzsteuerbefreiung für die Klägerin tatsächlich gegeben. Dagegen sei in einigen Fällen die Rechtslage hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Beurteilung aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Geschäftsvorfälle nicht eindeutig. In dem Reihengeschäft mit der B und der C. ging die Klägerin zunächst davon aus, dass wie üblich der Händler, d.h. die B den Spediteur beauftrage. Aufgrund besserer Lieferbedingungen habe aber letztlich der Kunde, d.h. die C., den Spediteur beauftragt, ohne dass die Klägerin hierüber Kenntnis erlangt habe. Die Klägerin sei auch davon ausgegangen, dass die Beauftragung des Spediteurs und damit die Zuordnung der bewegten Lieferung in dieser Fallkonstellation nicht von ausschlaggebender Bedeutung sei, da die Ware zunächst im Hafen von Z zwischengelagert worden sei und damit eine gebrochene Lieferung vorliege. Wie aus dem Betriebsprüfungsbericht hervorgehe, sei in dem Reihengeschäft mit der B in einer Vielzahl von Fällen die Steuerbefreiung auch tatsächlich zu gewähren. Dieses gelte sowohl in der Leistungsbeziehung mit dem Endkunden D als auch mit der C., da die Klägerin selbst den Spediteur mit dem Transport der Ware beauftragt und die erforderlichen Buch und Belegnachweise erbracht habe. Ähnlich komplex sowohl hinsichtlich des Sachverhaltes als auch hinsichtlich der Rechtslage seien die betreffenden Reihengeschäfte mit der E und dem niederländischen Händler F, die von der Klägerin trotz der erforderlichen Sorgfalt nicht als Reihengeschäfte erkannt worden seien. In der Regel habe die Klägerin aber eine korrekte Beurteilung der Geschäftsvorfälle vorgenommen und zudem auch aufgrund der verschiedenen Fallvarianten Vorsorge getragen, die Vielzahl von Reihengeschäften durch abteilungsübergreifende Abstimmungen und Rücksprachen umsatzsteuerlich korrekt darzustellen. Dass sich dennoch manche der rechtlichen Beurteilungen als unzutreffend herausgestellt hätten, sei damit unter dem Maßstab der im Geschäftsverkehr anzulegenden erforderlichen Sorgfalt aufgrund der dargelegten bestätigten Schwierigkeiten und der Komplexität der Sach- und Rechtslage nicht vorwerfbar. Zudem habe die Klägerin insbesondere dafür Sorge getragen, dass die für die steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen bzw. für die Ausfuhrlieferungen erforderlichen Buch und Belegnachweise in Y vorgelegen hätten.

14

Die Klägerin selbst habe auch zu keinem Zeitpunkt das Umsatzsteueraufkommen gefährdet, da sie für den streitbefangenen Zeitraum ausschließlich Rechnungen ohne Umsatzsteuerausweis ausgestellt habe. Dem Umstand, dass die Klägerin keinerlei Umsatzsteuer abgeführt habe, stehe somit gegenüber, dass die betreffenden Händler als Leistungsempfänger auch keinerlei Vorsteuer geltend machen konnten, da sie über keine entsprechenden Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis verfügt hätten. Es fehle daher für die Anwendung des § 233a AO nicht nur am Liquiditätsvorteil der Klägerin. Es liege vielmehr auch keinerlei Gefährdung des Steueraufkommens und kein Zinsschaden des Fiskus vor. Es werde auch darauf hingewiesen, dass in dem vom EuGH entschiedenen Fall Netto Supermarkt GmbH & Co. KG (EuGH-Urteil vom 21. Februar 2008 C-271/06) die Nichterhebung der Umsatzsteuer in Betracht gekommen sei, obwohl anders als im Falle der Klägerin, dem Fiskus ein finanzieller Nachteil wegen des vollen Ausfalls der Umsatzsteuer entstanden sei. Demgemäß gebiete es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Falle der Klägerin erst recht, Zinsen nicht festzusetzen. Denn zum einen handele es sich nicht um die Umsatzsteuer selbst, sondern „nur“ um Nebenleistungen. Zum anderen sei die Umsatzsteuer gar nicht ausgefallen, sondern sei vollumfänglich entrichtet worden.

15

Im Ergebnis ergebe sich aus dem Umstand, dass der Gesetzeszweck des § 233a AO durch die Zinsfestsetzung nicht erreicht werden könne, keinerlei Gefährdung des Steueraufkommens bestanden habe, der Fiskus keinen Zinsnachteil erlitten habe und zudem die Klägerin gutgläubig gewesen sei, dass die angefochtene Zinsfestsetzungen nicht verhältnismäßig und daher aufzuheben seien. Es sei darüber hinaus zu beachten, dass, wie der BFH mit Urteil vom 30. Juli 2008 (V R 7/03) entschieden habe, die Umsatzsteuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung nicht versagt werden dürfe, wenn der liefernde Unternehmer bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht habe erkennen können, dass die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit nicht vorliegen. Wenn dieses aber sogar für die Umsatzsteuer selbst gelte, dann müsse es erst recht für Zinsen gelten, die nur eine Nebenleistung zur Umsatzsteuer darstellen. Hilfsweise werde ein Erlass der streitbefangenen Zinsen aus Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO beantragt.

16

Der Beklagte wies die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2007 mit Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2010 als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Klägerin keine Klage erhoben.

17

Den von der Klägerin mit der Einspruchsbegründung hilfsweise gem. § 227 AO gestellten Erlassantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2011 ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Einspruchsentscheidung, mit der der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen wurde, datiert auf den 08. Dezember 2011. Über die hiergegen am 23. Dezember 2011 bei Gericht eingegangene Klage (3 K 1526/11) hat das Gericht noch nicht entschieden.

18

Mit Einspruchsentscheidung vom 3. August 2011, einem Mittwoch, wies der Beklagte auch die Einsprüche gegen die Bescheide über die Festsetzung von Zinsen zur Umsatzsteuer für 2004 bis 2007 als unbegründet zurück. Er führte aus, dass eine Steuernachforderung gemäß § 233a Abs. 1 AO zu verzinsen sei. Die Verzinsung solle einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern trotz des gleichen gesetzlichen Entstehungszeitpunktes, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und erhoben werden. Die Verzinsung sei gesetzlich vorgeschrieben und stehe nicht im Ermessen der Finanzbehörde. Sie soll mögliche Zinsvorteile des Schuldners bzw. Zinsnachteile des Gläubigers ausgleichen, ohne dass es auf eine konkrete Berechnung der tatsächlich eingetretenen Zinsvor- und Nachteile ankomme. Sinn und Zweck sei nicht nur die Abschöpfung von Liquiditätsvorteile auf Seiten des Steuerpflichtigen. Die Verzinsung solle auch Liquiditätsnachteile auf Seiten des Steuergläubigers ausgleichen. Dieses gelte auch für die Fälle, in denen dem Steuerpflichtigen tatsächlich keine Zinsvorteile erwachsen seien.

19

Auch eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO könne nicht erfolgen, auch wenn sie mit der Entscheidung über die Steuerfestsetzung gemäß § 163 Satz 3 AO verbunden werden könne. Zwar finde die Vorschrift nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auch für Zinsen Anwendung, jedoch seien keine sachlichen Billigkeitsgründe gegeben, die eine abweichende Festsetzung rechtfertigen würden. So widerspreche die Zinsfestsetzung insbesondere nicht dem Gesetzeszweck des § 233a AO. So sei es zur Annahme eines Liquiditätsvorteils insbesondere nicht notwendig, dass die Klägerin auch tatsächlich Umsatzsteuer vereinnahmt habe, die sie dem Finanzamt hätte vorenthalten können. Entscheidend sei, dass die Steuer auf Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes entstanden sei, in dem die Lieferung oder Leistung ausgeführt wurde. Der Zinslauf habe damit gemäß § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden sei, begonnen und habe erst mit Bekanntgabe der geänderten Steuerfestsetzung am 29. April 2010 geendet.

20

Auch ein Verstoß gegen die 6. EG-Richtlinie liege nicht vor. Der vorliegende Sachverhalt sei insoweit nicht mit den von der Klägerin genannten Fällen vergleichbar. Auch dort sei noch zu prüfen, ob die dortige Klägerin, die G, alles nur Erdenkliche getan habe, wenn letztlich auch erfolglos, um einen Umsatzsteuerbetrug auszuschließen. Dieses sei jedenfalls vorliegend nicht erkennbar, denn die Klägerin habe die zutreffende umsatzsteuerliche Einordnung der Reihengeschäfte erkennen können. Es sei zwar unbestritten, dass es sich bei Reihengeschäften um umsatzsteuerlich komplizierte Sachverhalte handele. Es sei aber keineswegs so, dass die Rechtslage unklar war oder sei. Nach Kenntnis des gesamten Sachverhaltes sei durchaus zu bestimmen, welche Lieferung im Reihengeschäft die ruhende und welche die bewegte und damit steuerfreie Lieferung sei. Die Ausführungen der Klägerin, dass die zuständigen Mitarbeiter im Vertrieb und in der Finanzbuchhaltung nicht davon ausgegangen seien, dass die Beauftragung des Spediteurs durch den Kunden keine Auswirkung auf die umsatzsteuerliche Beurteilung haben könne, entschuldige die unrichtige Behandlung der Umsätze nicht. Gerade weil gemäß den Ausführungen der Klägerin regelmäßige Schulungen durchgeführt worden seien, hätten die Mitarbeiter bei der Beurteilung der veränderten Lieferkette sensibler sein müssen. Dem Betriebsprüfer sei es nach Kenntnis des gesamten Sachverhaltes ohne weiteres möglich gewesen, die betreffenden Geschäftsvorfälle zu erkennen und zu bewerten. Dieses wäre für die Klägerin gegebenenfalls unter Einschaltung eines Steuerberaters auch möglich gewesen. Sie hätte die Möglichkeit gehabt, nach Kenntnis von der Beauftragung des Spediteurs durch den Kunden, die Umsätze richtig zu beurteilen und dann die entsprechenden Umsatzsteuervoranmeldungen zu berichtigen und entsprechend berichtigte Ausgangsrechnungen auszustellen.

21

Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege ebenfalls nicht vor. Ein solcher Verstoß werde ohnehin von der Klägerin lediglich behauptet. Insbesondere in den Besprechungen zur Abwicklung der entstandenen Umsatzsteuerzahllast am Ende der Betriebsprüfung sei keine Zusage erteilt worden, dass die Zinsen nicht erhoben oder erlassen werden würden.

22

Die hiergegen gerichtete Klage ist bei Gericht am 7. September 2011 eingegangen.

23

Zur Begründung ihrer Klage wiederholt die Klägerin im Wesentlichen Ihren Vortrag aus dem Einspruchsverfahren.

24

Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über Zinsen zur Umsatzsteuer für 2004, 2005 2006 und 2007 vom 26. April 2010 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. August 2011 ersatzlos aufzuheben.

25

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

26

Er trägt vor, dass die Klagebegründung der Einspruchsbegründung vom 16. Juni 2010 entspreche, so dass er zur Vermeidung von Wiederholungen zur Klageerwiderung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 3. August 2011 verweise.

Entscheidungsgründe

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1. Die Klage ist unbegründet.

28

Die Bescheide über Zinsen zur Umsatzsteuer für 2004, 2005 2006 und 2007 vom 26. April 2010 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. August 2011 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung –FGO–).

29

a) Nach Maßgabe des § 233a AO sind die streitgegenständlichen Bescheide, auch hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Beträge, rechtmäßig.

30

aa) Führt die Festsetzung der Umsatzsteuer zu einem Unterschiedsbetrag – resultierend aus der festgesetzten Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge sowie um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (§ 233a Abs. 3 Satz 1 AO) – ist dieser unabhängig davon, zu wessen Gunsten er ausfällt, nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO) und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird. Wird die Steuerfestsetzung – wie im Streitfall – geändert, ist gemäß § 233a Abs. 5 AO eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern. Falls bisher (wie im Streitfall) keine Zinsfestsetzung erfolgt ist, ist nach der Korrektur der Steuerfestsetzung nach den Grundsätzen des § 233a Abs. 5 AO eine Zinsfestsetzung erstmals vorzunehmen (BFH-Urteil vom 18. Mai 2005 VIII R 100/02, BFHE 210, 1, BStBl II 2005, 735; BFH-Beschluss vom 30. August 2010 VIII B 66/10, BFH/NV 2011, 1825). Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer (§ 233a Abs. 5 Satz 2 AO). Durch § 238 Abs. 1 Satz 1 AO wird der Zinssatz typisierend auf 0,5 v.H. pro Monat festgelegt.

31

bb) Die Verzinsung ist wegen ihres typisierenden Charakters unabhängig von einem Verschulden des Finanzamts oder des Steuerpflichtigen; sie ist durch ihre Abschöpfungswirkung gekennzeichnet. Zweck der Regelungen in § 233a AO ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden (Begründung zum Gesetzentwurf, BTDrucks 11/2157, 194). Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Steuerbescheides objektiv oder typischerweise entstanden sind, sollen mit Hilfe der sog. Vollverzinsung ausgeglichen werden. Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, ist für die Festsetzung grundsätzlich unbeachtlich (vgl. BFH-Urteile vom 16. November 2005 X R 3/04, BStBl II 2006, 155; vom 19. März 1997 I R 7/96, BStBl II 1997, 446 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf 0,5 v.H. pro Monat festgesetzt. Daraus folgt, dass es auf den im Einzelfall vom Steuerpflichtigen konkret erzielten bzw. vom Steuergläubiger erlittenen Zinsvorteil oder -nachteil nicht ankommen soll (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1995 X R 86/94, BFHE 178, 555, BStBl II 1996, 53). Der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil soll für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. In vielen Fällen wäre eine solche Ermittlung auch gar nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert bzw. das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. Ebenso wenig soll es darauf ankommen, welcher Zinsnachteil im konkreten Einzelfall dem Steuergläubiger entsteht und inwieweit Zinsvorteil und -nachteil voneinander abweichen (BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 7/96, BFHE 182, 293, BStBl II 1997, 446).

32

Weil die Entstehung des Zinsanspruchs dem Grunde und der Höhe nach gemäß dem durch die Gesetzesbegründung (BTDrucks 11/2157, S. 194) bestätigten Wortsinn, dem Zusammenhang und dem Zweck des Gesetzes eindeutig unabhängig von der konkreten Einzelfallsituation geregelt ist und allein vom Eintritt objektiver Daten (Fristablauf i.S. des § 233a Abs. 2 AO; Unterschiedsbetrag i.S. des § 233a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 AO) abhängt, sind für die Anwendung des § 233a AO die Ursachen und Begleitumstände im Einzelfall grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Beschluss vom 2. August 2005 X B 139/04, juris). Prinzipiell ist ein Verschulden irrelevant, und zwar auf beiden Seiten des Steuerschuldverhältnisses (s. BFH-Entscheidungen vom 15. April 1999 V R 63/97, BFH/NV 1999, 1392, und vom 30. November 2000 V B 169/00, BFH/NV 2001, 656, 657 einerseits, sowie vom 4. November 1996 I B 67/96, BFH/NV 1997, 458, und vom 3. Mai 2000 II B 124/99, BFH/NV 2000, 1441, 1442 andererseits). Die Rechtsprechung hat es jedenfalls auf Ebene der Festsetzung der Zinsen als unerheblich angesehen, ob der – typisierend vom Gesetz unterstellte – Zinsvorteil des Steuerpflichtigen auf einer verzögerten Einreichung der Steuererklärung durch den Steuerpflichtigen oder einer verzögerten Bearbeitung durch das Finanzamt beruht (BFH-Beschluss vom 3. Mai 2000 II B 124/99, BFH/NV 2000, 1441).

33

Unter Berücksichtigung des o.g. Gesetzeswecks und des klaren unmissverständlichen Wortlautes des § 233a AO ist eine Auslegungsbedürftigkeit des Gesetzes für den Senat auf der Ebene des Festsetzungsverfahrens nicht zu erkennen. Die Vorschrift ist hinreichend klar und nicht weiter auslegungsbedürftig. Ob der Gesetzeszweck ggf. bei der Überprüfung der im Parallelverfahren zu beurteilenden Billigkeitsmaßnahme weiter zu berücksichtigen ist, kann für das vorliegende Verfahren dahingestellt bleiben.

34

cc) An die Vorgaben des § 233a AO hat der Beklagte sich bei der Zinsfestsetzung gehalten. Insoweit hat auch die Klägerin keine Einwände vorgebracht. Die Berechnung der Zinsen ist zutreffend erfolgt.

35

dd) Auch die in § 238 Abs. 1 AO festgelegte Zinshöhe von 0,5 v.H. pro Monat, die Beklagte der Berechnung der Zinsen zu Grunde gelegt hat, begegnet trotz der seit mehreren Jahren hiervon stark abweichenden Marktzinsen für Geldanlagen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

36

Dieses gilt nach Rechtsprechung des BFH jedenfalls für Verzinsungszeiträume bis 2013 (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Februar 2016 X S 38/15, BFH/NV 2016, 940). Mit Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009  1 BvR 2539/07 (BFH/NV 2009, 2115, dort unter III.1.b bb) hat das BVerfG entschieden, dass der durch den Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung typisierend auf 0,5 v.H. pro Monat festgesetzte Zinssatz, der immerhin zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen gilt, rechtsstaatlich unbedenklich ist und keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot darstellt. Es entspricht gerade der Absicht des Gesetzgebers, dass der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden muss. Entsprechend haben sowohl der I. Senat des BFH (Urteil vom 20. April 2011 I R 80/10, BFH/NV 2011, 1654, unter II.2.) als auch der IX. Senat des BFH (Urteil vom 1. Juli 2014 IX R 31/13, BFHE 246, 193, BStBl II 2014, 925, dort unter II.2.a bis c; bestätigt durch Urteil vom 14. April 2015 IX R 5/14, BFHE 250, 483, BStBl II 2015, 986) entschieden. Der IX. Senat hatte für einen Zinszeitraum bis zum Jahre 2011 sinngemäß näher ausgeführt, dass es zwar unter praktischen Gesichtspunkten unter Einsatz moderner EDV durchaus denkbar sei, eine Anpassung der Zinshöhe an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i.S. des § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vorzunehmen, dass aber weitere Gesichtspunkte existieren, die die grundsätzliche Abkopplung von diesen beiden Zinsfüßen rechtfertigen und den geltenden Zinssatz von 6 v.H. nicht als so hoch erscheinen lassen, wie er auf den ersten Blick scheint. So wäre es unangemessen, als Vergleichsmaßstab lediglich den jeweils aktuellen Zinssatz für Geldanlagen heranzuziehen, da sowohl die bei der Verwendung von Kapital erzielbaren als auch bei der Finanzierung von Steuernachzahlungen aufzubringenden Zinsen bzw. Renditen von individuellen Finanzierungsentscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig sind. Das bedeutet, dass bei einer Beurteilung des gesetzlichen Zinssatzes anhand der Marktverhältnisse einerseits die üblichen Zinssätze etwa für Dispositionskredite und andere unbesicherte Konsumentenkredite, andererseits die Renditemöglichkeiten von Anlageformen außerhalb der reinen Geldanlage zu berücksichtigen sind. Die Abkopplung des gesetzlichen Zinssatzes von dem individuellen Zinsvorteil oder -nachteil ist letztlich ein grundlegendes Prinzip, das nicht von dem Zeitraum abhängt, um den es geht. Es zeigt vielmehr, dass der gesetzliche Zinssatz grundsätzlich auch und gerade gerechtfertigt ist, wenn er signifikant von dem Marktzins abweicht, der seinerseits die tatsächlichen Zinsvorteile oder -nachteile prägt. Eine einschneidende Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, die so weit ginge, dass selbst bei Einbeziehung der für den Kreditnehmer ungünstigsten Sollzinssätze namentlich bei unbesicherten Kreditformen oder Dispositionskrediten bzw. der für den Vermögensanleger günstigsten Renditen ein Zinsfuß von 6 v.H. p.a. gänzlich markt- und realitätsfremd erschiene, ist nicht zu erkennen.

37

b) Eine Rechtswidrigkeit der Zinsfestsetzungen ergibt sich auch nicht unter Heranziehung der von der Klägerin dargestellten Grundsätze aus Treu und Glauben.

38

aa) Das Finanzamt ist grundsätzlich verpflichtet, die nach dem Gesetz entstandenen Steuer- und Zinsansprüche geltend zu machen. Ausnahmsweise kann es aber nach dem allgemein gültigen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) an der Geltendmachung und Durchsetzung entstandener Ansprüche gehindert sein (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. April 1991 V R 67/86, BFH/NV 1992, 217 m.w.N.; vom 18. Dezember 1991 X R 38/90, BFHE 167, 1, BStBl II 1992, 504; vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990). Welche Anforderungen der Grundsatz von Treu und Glauben an die Beteiligten eines Steuerrechtsverhältnisses stellt, ist jeweils anhand der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Im Allgemeinen wird die Ausübung eines Rechts oder die Geltendmachung eines Anspruchs als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen sein, wenn der Berechtigte diese durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges, d.h. unredliches Verhalten erworben hat. Auf den Grundsatz von Treu und Glauben kann sich aber nur der Beteiligte berufen, dem aus dem schuldhaften Verhalten des anderen ein Nachteil entsteht oder zu entstehen droht. Zieht derjenige, der sich auf Gesetz- oder Pflichtverletzungen eines anderen beruft, aus der Gesetz- oder Pflichtverletzung nur Vorteile, so ist es aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht zu beanstanden, wenn der andere aufgrund entsprechender vertraglicher oder gesetzlicher Rechtsgrundlage die Herausgabe dieses Vorteils verlangt (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 1993 I R 30/93, BFHE 172, 304, BStBl II 1994, 81, m.w.N.). Der Grundsatz von Treu und Glauben steht einer Festsetzung von Nachforderungszinsen grundsätzlich auch dann nicht entgegen, wenn dem Finanzamt bei der Bearbeitung einer Steuererklärung Fehler unterlaufen sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. Mai 2000 II B 124/99, BFH/NV 2000, 1441; vom 30. Oktober 2001 X B 147/01, BFH/NV 2002, 505 und vom 2. August 2005 X B 139/04, juris).

39

bb) Derartige Umstände, die zu Gunsten der Klägerin im Hinblick auf die Nichtfestsetzung von Nachzahlungszinsen einen Vertrauenstatbestand begründen könnten, wie etwa eine schuldhaft verzögerte Bearbeitung der Steuererklärung, sind nicht ersichtlich. Der Beklagte hatte die Umsatzsteuer für die Streitjahre zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Einen Hinweis darauf, dass eine Zinsfestsetzung auch bei späteren Änderungen nicht erfolgen werde, ist nicht ersichtlich. Im Hinblick auf die Festsetzungen der Grundlagenbescheide (Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2007) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und der damit verbundenen erleichterten Änderbarkeit der Bescheide konnte die Klägerin auch gerade nicht davon ausgehen, dass eine spätere Änderung mit der gesetzlichen Folge der Festsetzung von Nachzahlungszinsen nicht erfolgen werde.

40

c) Zwar ist nach der Rechtsprechung des BFH für einen Ausgleich in Form einer Verzinsung der Steuernachforderung kein Raum, wenn zweifelsfrei feststeht, dass ein Steuerpflichtiger durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil erlangt hatte (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 12. April 2000 XI R 21/97 in BFH/NV 2000, 1178). Diese Umstände sind hingegen bei der Frage einer möglichen Billigkeitsmaßnahme und nicht auf der Ebene des Festsetzungsverfahrens zu berücksichtigen. Festgesetzte Nachzahlungszinsen sind dann ggf. wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen (BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2001  X B 147/01,  juris). Allgemein ist eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen dann anzunehmen, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht zu rechtfertigen ist (BFH-Urteil vom 16. November 2005 X R 3/04, BStBl II 2005, 155; BFH-Beschluss vom 26. Juli 2006 VI B 134/05, BFH/NV 2006, 2029). In diese Richtung geht die überwiegende Argumentation der Klägerin, die vorträgt, dass sie auf Grund der erst nach Rechnungskorrektur erfolgten Vereinnahmung der Umsatzsteuer einen Liquiditätsvorteil nicht gehabt habe. Über den Erlass ist aber vorliegend nicht zu entscheiden. Im Rahmen des Festsetzungsverfahrens muss daher ein etwaiger nicht vorhandener Liquiditätsvorteil auf Grund der gesetzlich vorgesehenen Typisierung unberücksichtigt bleiben.

41

Es kommt daher im Ergebnis auf Ebene der Festsetzung nicht darauf an, ob die Klägerin tatsächlich, wie sie es darstellt, keinen Vorteil aus der erst späteren Festsetzung gezogen hat oder nicht. Anders als die Klägerin vorträgt, hat sie hingegen einen Teil der abzuführenden Umsatzsteuer bereits ursprünglich als Teil der (geringeren) Gegenleistung vereinnahmt und diesen Teil jedenfalls nicht abgeführt. Hierin ist, auch wenn es für die Entscheidung nicht darauf ankommt, jedenfalls ein Vorteil der Klägerin zu sehen. Denn gem. § 10 Abs. 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen und Leistungen nach dem Entgelt bemessen, wobei Entgelt alles ist, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu enthalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer.

42

d) Auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 15. September 2016 in der Rechtssache Senatex (C-518/14, MwStR 2016, 792) ergibt sich nach Auffassung des Senats keine Rechtswidrigkeit der Zinsfestsetzungen.

43

Zunächst betrifft das Urteil mit der Besteuerung des Leistungsempfängers, der im Besitz einer nachträglich korrigierten Rechnung war, einen anderen, mit dem vorliegenden Fall lediglich „spiegelbildlich“ vergleichbaren Fall. Der dortige Leistungsempfänger sollte nach Auffassung des Finanzamtes wegen formeller Mängel der den Vorsteuerabzug begründenden Eingangsrechnungen (es fehlten die Steuernummer bzw. die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistenden) trotz während der Betriebsprüfung vorgelegter korrigierter Rechnungen Nachzahlungszinsen wegen fehlender Rückwirkung der Rechnungsberichtigungen zahlen. Diese Auffassung wurde vom EuGH nicht geteilt. Hiernach sind Art. 176, Art. 178 Buchst. a, Art. 179 und Art. 226 Nr. 3 der ab dem 1. Januar 2007 geltenden Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gesamte Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe, nämlich der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer, keine Rückwirkung zukommt, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf die berichtigte Rechnung nicht für das Jahr ausgeübt werden kann, in dem diese Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde, sondern für das Jahr, in dem sie berichtigt wurde. In Rn. 37 des o.g. Urteils führt der EuGH aus, dass durch die Regelung über den Vorsteuerabzug  der Unternehmer vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuerentlastet werden soll. Eine nationale Regelung, nach der Nachzahlungszinsen auf die vor einer Berichtigung der ursprünglich ausgestellten Rechnung als geschuldet angesehenen Mehrwertsteuerbeträge zu entrichten sind, belegt diese wirtschaftlichen Tätigkeiten jedoch mit einer aus der Mehrwertsteuer resultierenden Belastung, obwohl das gemeinsame Mehrwertsteuersystem die Neutralität dieser Steuer garantiert.

44

Ob auch beim Leistenden, bei dem für die Entstehung der Umsatzsteuer weder die Erstellung einer Rechnung noch formelle Rechnungsangaben von Bedeutung sind, der Neutralitätsgrundsatz durch die Festsetzung von Nachzahlungszinsen verletzt sein kann, wenn feststeht, dass, wie vorliegend, der Leistungsempfänger in der Vergangenheit gerade keinen Vorsteuerabzug aus den fraglichen Rechnungen (mangels ausgewiesener Umsatzsteuer) geltend gemacht hat, hat der EuGH nicht entschieden. Auch hat der EuGH nicht darüber befunden, ob der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer bei der Festsetzung von Nachzahlungszinsen gewahrt ist, wenn es durch den rückwirkenden Vorsteuerabzug auf Seiten des Leistungsempfängers zur Festsetzung von Guthabenzinsen kommt, sich damit Nachzahlungs- und Guthabenzinsen gegenüber stehen.

45

Im Ergebnis können diese Fragen aber nach Auffassung des Senats für das vorliegende Verfahren offen bleiben. Ob die Zinsfestsetzung auch gegenüber dem Leistenden ggf. dem Neutralitätsgrundsatz widerspricht, kann nur einer Entscheidung im Billigkeitsverfahren vorbehalten bleiben, da es der gesetzlich vorgesehen Typisierung des Festsetzungsverfahrens widersprechen würde, bereits bei der Festsetzung zu prüfen, ob und ggf. in welcher Höhe der Leistungsempfänger einen Vorsteuerabzug geltend gemacht hat bzw. dieses rückwirkend könnte, was ggf. zu einer mit der Zinsfestsetzung gegenüber dem Leistenden korrespondierenden Zinsfestsetzung zu Gunsten des Leistungsempfängers führen würde. Andererseits wäre es ggf. unbillig, die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gegenüber dem Leistenden davon abhängig zu machen, gegenüber wem er die Leistungen ausführt (ggf. einer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Person) und wie diese sich steuerlich verhalten hat. Diese Frage bleibt jedoch einer Entscheidung im parallelen Verfahren wegen Ablehnung des Erlasses der Zinsen gem. § 227 AO vorbehalten. Dass die Herstellung der Neutralität der Umsatzsteuer im Billigkeitsverfahren erfolgen kann, ist höchstrichterlich zu § 14 Abs. 3 UStG a.F. entschieden (BFH-Urteil vom 17. Mai 2001 V R 77/99, BFHE 194, 552, BStBl II 2004, 370).

46

2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

47

3. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 15. September 2016 (C-518/14 –Senatex–) auf die hier streitgegenständliche „spiegelbildliche Situation“ der Festsetzung von Nachzahlungszinsen gegenüber dem rechnungskorrigierenden Leistenden zuzulassen.


(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt den Erlass von Nachzahlungszinsen und Aussetzungszinsen zur Umsatzsteuer für 2002.

2

Mit Bescheiden vom 25. Februar 2010 und vom 1. April 2010 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) Nachzahlungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) und Aussetzungszinsen gemäß § 237 AO in Höhe von insgesamt 3.220.844 € fest. Die zugrunde liegende Umsatzsteuernachforderung beruht auf dem im Jahr 2009 erklärten Verzicht auf die Steuerbefreiung der im Jahr 2002 erfolgten Veräußerung eines bebauten Grundstücks.

3

Das FA lehnte den Erlassantrag des Klägers mit Bescheid vom 18. Februar 2011 ab. Die Sprungklage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg.

4

Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision und macht geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob die Festsetzung von Nachzahlungszinsen auf verspätet festgesetzte Umsatzsteuerbeträge bei einem Leistungsaustausch zwischen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen mit Sinn und Zweck des § 233a AO vereinbar sei. Zudem erfordere die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zu dieser Frage.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

6

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Eine Rechtssache hat nur grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 3. März 2011 V B 17/10, BFH/NV 2011, 1105, unter II.B.2.a; vom 27. Mai 2009 VI B 162/08, BFH/NV 2009, 1435, unter 1.). Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage ist jedoch bereits durch die Rechtsprechung des Senats geklärt.

7

a) Der Kläger stützt die Beschwerde darauf, dass der BFH zwar bereits entschieden habe, dass die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO im Fall einer nachträglich festgesetzten Umsatzsteuer grundsätzlich rechtmäßig sei (BFH-Urteil vom 28. November 2002 V R 54/00, BFHE 200, 38, BStBl II 2003, 175). Jedoch seien zwischenzeitlich neue rechtliche Gesichtspunkte im Schrifttum vorgebracht worden, die einer neuen Klärung durch den BFH bedürften. So habe sich der BFH noch nicht mit der im Aufsatz von Englisch in Umsatzsteuer-Rund-schau (UR) 2011, 648 dargelegten Bedeutung des mehrwertsteuer-pflichtigen Neutralitätsprinzips für die Verzinsung nach § 233a AO auseinandergesetzt.

8

b) Es ist durch die BFH-Rechtsprechung geklärt, dass eine Umsatzsteuernachforderung auch dann der Vollverzinsung nach § 233a AO unterliegt, wenn die Steuererhöhung --wie im Streitfall-- allein darauf beruht, dass der Steuerpflichtige nachträglich auf die Steuerfreiheit der von ihm erbrachten Leistungen verzichtet hat (BFH-Urteil vom 5. Mai 2011 V R 39/10, BFH/NV 2011, 1474). Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Regelungen in § 233a AO, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Steuerbescheids typischerweise entstanden sind, sollen mit Hilfe der sog. Vollverzinsung ausgeglichen werden. Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich bestanden, ist grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Urteile vom 23. Oktober 2003 V R 2/02, BFHE 203, 410, BStBl II 2004, 39, und in BFH/NV 2011, 1474). Unerheblich ist deshalb, dass der Kläger dem Leistungsempfänger die Umsatzsteuer erst später aufgrund des Verzichts in Rechnung stellen konnte.

9

Hieran ist weiter festzuhalten. Weder aus dem vom Kläger angeführten Aufsatz von Englisch in UR 2011, 648 noch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Entlastung wegen rechtmäßigem Alternativverhalten im Organhaftungsrecht (BGH-Urteile vom 21. Juli 2008 II ZR 39/07, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 1974; vom 11. Dezember 2006 II ZR 166/05, DStR 2007, 310) ergibt sich neuer Klärungsbedarf.

10

c) Entgegen der Auffassung von Englisch in UR 2011, 648 folgt aus dem mehrwertsteuerrechtlichen Neutralitätsprinzip nicht, dass bei einem Leistungsaustausch zwischen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen eine Verzinsung nach § 233a AO ausscheidet. Insbesondere lässt sich dem Neutralitätsprinzip nicht entnehmen, dass ein (potentieller) Liquiditätsvorteil des nachträglich zur Umsatzsteuerpflicht optierenden Unternehmers generell zu verneinen ist.

11

aa) Dies ergibt sich bereits daraus, dass Zinsen zur Umsatzsteuer keinen umsatzsteuerähnlichen Charakter i.S. von Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) haben (vgl. zu Art. 33 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG; BFH-Urteil in BFHE 200, 38, BStBl II 2003, 175, m.w.N.). Der in der MwStSystRL verankerte Auslegungsgrundsatz der steuerlichen Neutralität (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 19. Juli 2012 C-44/11, Deutsche Bank AG, UR 2012, 667) findet daher auf diese --nicht in der MwStSystRL geregelten-- steuerlichen Nebenleistungen keine Anwendung (vgl. zum Aspekt der Belastungsneutralität BFH-Urteil in BFHE 200, 38, BStBl II 2003, 175).

12

bb) Darüber hinaus führt der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht dazu, dass Umsatzsteuer nur erhoben werden darf, wenn diese tatsächlich abgewälzt worden ist. Ebenso wie § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes sieht auch Art. 63 der MwStSystRL die sog. Sollbesteuerung als Regelfall vor. Danach treten Steuertatbestand und Steueranspruch --unabhängig von der Erteilung einer Rechnung und der Entrichtung der Gegenleistung-- zum Zeitpunkt der Leistungserbringung ein. Daraus ergibt sich, dass eine fehlende Abwälzung die Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Umsatzsteuerbescheids typischerweise entstehen, nicht zu beseitigen vermag.

13

d) In der Rechtsprechung geklärt ist auch die Frage, ob § 233a AO die Berücksichtigung eines fiktiven Sachverhalts vorsieht (verneinend BFH-Urteil vom 24. Februar 2005 V R 62/03, BFH/NV 2005, 1220, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2005, 627, unter II.2.c). Mit Urteil vom 30. März 2006 V R 60/04 (BFH/NV 2006, 1434) hat der Senat insbesondere entschieden, dass ein Vergleich der Liquidität des Steuerpflichtigen aufgrund seines "vorschriftswidrigen" Verhaltens mit der fiktiven Liquidität, die er besessen hätte, wenn er sich "vorschriftsmäßig" verhalten hätte, nicht erfolgen kann.

14

In der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des BGH in DStR 2008, 1974 und DStR 2007, 310 vermag der Senat keine neuen Gesichtspunkte zu erkennen, die zu einer geänderten Beurteilung führen könnten. Die --zur zivilrechtlichen Haftung eines Gesellschafter-Geschäftsführers angestellten-- Erwägungen des BGH zur Frage, ob trotz des Verstoßes gegen die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung ein Schadensersatzansprüche begründender unzulässiger Sondervorteil fehlt, sind auf die Verzinsung von Steueransprüchen nach § 233a AO nicht übertragbar.

15

2. Auch die Fortbildung des Rechts erfordert keine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO), weil auch dieser Zulassungsgrund eine klärungsbedürftige Rechtsfrage voraussetzt (BFH-Beschlüsse vom 29. September 2011 IV B 56/10, BFH/NV 2012, 266, unter 1.b; vom 24. September 2009 IV B 126/08, BFH/NV 2010, 37, Leitsatz 1).

16

3. Die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens gemäß § 74 FGO und die Vorlage der vom Kläger formulierten Vorlagefragen an den EuGH kommen nicht in Betracht.

17

a) Eine Vorlage an den EuGH zur Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union zur Frage, "ob die Festsetzung von Nachzahlungszinsen auf verspätet festgesetzte Umsatzsteuerbeträge gemäß einer nationalen Norm wie § 233a AO bei einem Leistungsaustausch zwischen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen mit dem unionsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität vereinbar ist", ist nicht erforderlich. Die Rechtslage ist --entgegen der Auffassung des Klägers-- auch aus unionsrechtlicher Sicht eindeutig.

18

b) Der Grundsatz steuerlicher Neutralität steht einer Erhebung steuerlicher Nebenleistungen nicht entgegen (s. II.2.c). In Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, die Bedingungen für die Zahlung von Zinsen festzulegen (vgl. zu Erstattungszinsen EuGH-Urteil vom 19. Juli 2012 C-591/10, Littlewoods Retail Ltd u.a., BFH/NV 2012, 1563 Rdnr. 27). Die nach der EuGH-Rechtsprechung insoweit maßgeblichen Grundsätze der Effektivität und Neutralität wurden durch § 233a AO nicht verletzt.

19

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.