Finanzgericht Hamburg Beschluss, 10. Apr. 2018 - 4 V 194/16

bei uns veröffentlicht am10.04.2018

Tatbestand

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I. Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTAe) über die Einreihung von Instantnudelsuppen und -gerichten.

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Die Antragstellerin importiert regelmäßig in Vietnam hergestellte und für den Einzelverkauf vorgesehene asiatische Instantnudelsuppen und -gerichte mit einem Gewicht zwischen 60 und 85 g. Alle Waren bestehen aus einem Block in Pflanzenöl frittierter, trockener und ineinander verschlungener Nudeln, der ca. 51 bis 76 g wiegt und damit ca. 67 bis 94 % des Gesamtinhalts ausmacht. Geschmacklich ähneln die Nudeln in Fett gerösteten Teigwaren, z. B. frittiertem Knabbergebäck. Dem Block Nudeln liegt immer eine Tüte mit einem Würzpulver bei, das dem Gericht seinen jeweiligen Geschmack (z. B. Huhn, Ente oder Käse) verleiht. Diese Tüte wiegt in der Regel knapp über 3 g, im Einzelfall aber auch 7 g, 10 g oder in einem Fall (sogar) 23,8 g. Bis auf wenige Ausnahmen liegt den Gerichten eine weitere Tüte bei, in der sich Öl befindet. Diese Tüte wiegt zwischen 1 und ca. 5 g. Wenigen Gerichten liegt eine dritte Tüte mit Trockengemüse mit einem Gewicht zwischen 0,5 und 2,4 g bei. Zwei Waren ist eine vierte Tüte mit Beigaben mit einem Gewicht von 0,6 und 1,2 g beigefügt. Alle Bestandteile sind in der Regel in einer Schlauchfolie verpackt, die mit der Abbildung einer asiatischen Nudelsuppe, der Warenbezeichnung (z. B. "Instant XXX" und weiteren Angaben bedruckt ist. Nach dem Zubereitungshinweis sind die Nudeln zusammen mit dem Inhalt der jeweiligen Tüten in eine Schüssel zu geben und mit 300, 350 oder 400 ml kochendem Wasser zu übergießen. Das Ganze ist drei Minuten zugedeckt stehen zu lassen, anschließend umzurühren und kann danach verzehrt werden.

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Bei einigen Waren sind die Nudeln und die Beigabentüten nicht in einer Schlauchfolie verpackt, sondern liegen in einem Kunststoffbecher oder einem anderweitig beschichtetem Behältnis, in dem die Instantnudelsuppe oder das Instantnudelgericht zubereitet werden kann. Dies gilt insbesondere für die sog. "Lunch boxes" der Antragstellerin, denen zudem eine Plastikgabel beiliegt. Während die von der Antragstellerin bezeichneten Suppen nach dem Hinzufügen der empfohlenen Menge Wasser weitestgehend dadurch gekennzeichnet sind, dass der Anteil der Brühe über bzw. deutlich über dem Anteil der Nudeln liegt, zeichnen sich insbesondere die "Lunch boxes" durch ein umgekehrtes Verhältnis aus. Die Nudeln machen hier nach der Zubereitung zwischen 67,6 und 76 % des Gesamtinhalts aus, die Brühe hingegen nur zwischen 24 und 32,4 %. Die Herstellerbezeichnung der "Lunch boxes" ist auch nicht "Instant Noodle Soup", sondern "Instant Noodle Dish", also Instantnudelgericht.

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Im Februar 2015 beantragte die Antragstellerin vZTAe für 13 Instantnudelsuppen. Antragsgemäß reihte der Antragsgegner diese Waren mit vZTAen vom 26.03.2015 und 15.04.2015 in die Codenummer 1902 3090 00 ein (DE XXX-1, DE XXX-2 und DE XXX-3 bis DE XXX-13). Es liege jeweils eine Warenzusammenstellung in Aufmachung für den Einzelverkauf vor, die zur Herstellung einer Nudelsuppe vorgesehen sei. Der Charakter werde durch die Nudeln bestimmt, da diese den größten Teil der Ware ausmachten. Die Teigware sei durch Frittieren zubereitet, nicht getrocknet.

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Mit Bescheid vom 03.07.2015 widerrief der Antragsgegner diese 13 vZTAe. Das Frittieren der Nudeln sei eine Zubereitungsart, bei der einer Teigware das Wasser entzogen werde. Daher handele es sich bei den Nudeln um getrocknete Teigwaren i. S. d. Unterposition 1902 3010 KN. Dies folge aus den am 04.03.2015 veröffentlichten Erläuterungen zur Unterposition 1902 3010 KN. Danach beziehe sich der Ausdruck "getrocknet" u. a. auf Waren im trockenen Zustand mit einem geringen Feuchtigkeitsgehalt, die einem industriellen Trocknungsverfahren (z. B. Frittieren) unterzogen worden seien.

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Gegen den Widerrufsbescheid legte die Antragstellerin am 03.08.2015 Einspruch ein.

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Im März 2015 beantragte die Antragstellerin weitere vZTAe für 15 Instantnudelsuppen und ein Instantnudelgericht (Lunch box). Die Waren seien der Codenummer 1902 3090 00 0 zuzuordnen. Der Antragsgegner reihte die Waren mit vZTAen vom 22.05.2015 und 27.05.2015 als "Teigware, durch Frittieren zubereitet und getrocknet" in die Codenummer 1902 3010 80 ein (DE XXX-14, DE XXX-15 bis DE XXX-17, DE XXX-18 bis DE XXX-30). Es liege jeweils eine Warenzusammenstellung in Aufmachung für den Einzelverkauf vor, die "zur Herstellung eines Nudelgerichts" vorgesehen sei. Der Charakter werde durch die Nudeln bestimmt, da diese den größten Teil der Ware ausmachten.

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Gegen die vZTAe legte die Antragstellerin am 19.06.2015 Einspruch ein.

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Im April 2015 beantragte die Antragstellerin weitere 8 vZTAe für 5 Instantnudelsuppen und 3 Instantnudelgerichte (Lunch boxes) und schlug jeweils eine Einreihung in die Codenummer 1902 3090 00 0 vor. Mit vZTAen vom 09.07.2015 reihte der Antragsgegner die Waren wie im Mai 2015 jeweils in die Codenummer 1902 3010 80 ein (DE XXX-31, DE XXX-32 bis DE XXX-36, DE XXX-37, DE XXX-38).

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Gegen diese vZTAe legte die Antragstellerin am 29.07.2015 Einspruch ein.

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In der gemeinsamen Einspruchsbegründung beantragte die Antragstellerin, ihr vZTAe zu erteilen, in der alle streitgegenständlichen Waren in die Codenummer 2104 1000 90 0, hilfsweise in die Codenummer 1902 3090 00 0 eingereiht werden bzw. - hinsichtlich der widerrufenen 13 vZTAe - die Widerrufsentscheidung aufzuheben und die Waren weiterhin in die Codenummer 1902 3090 00 0 einzureihen. Alle Produkte seien dazu bestimmt, als asiatische Nudelsuppen verzehrt zu werden. Da die Waren neben Nudeln auch andere Zutaten zur Herstellung einer Nudelsuppe enthielten, seien sie gemäß der Allgemeinen Vorschrift (AV) 3 a) Satz 1 KN als "Zubereitungen zum Herstellen von Suppen" in die Position 2104 KN und nicht in die Position 1902 KN einzureihen. Dieser Einreihung stehe nicht die Einreihungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 vom 11.07.2014 entgegen. Einreihungsverordnungen gälten stets nur für die begutachteten Waren. Die streitgegenständlichen Waren seien nicht begutachtet worden. Die Verordnung sei auch nicht analog anzuwenden. Die streitgegenständlichen Produkte seien nicht mit der von der Verordnung erfassten Ware identisch bzw. austauschbar. Gegenstand der Verordnung sei ein Instantnudelprodukt gewesen, welches in zubereiteter Form den Charakter eines Nudelgerichts i. S. d. Position 1902 KN und nicht den Charakter einer Nudelsuppe i. S. d. Position 2104 KN gehabt habe. Dies folge aus dem Wortlaut der Verordnung, wonach es sich um eine "Warenzusammenstellung (zusammen verpackt) zur Zubereitung eines Nudelgerichts" handele. Damit fehle die Identität zwischen dem begutachteten und den streitgegenständlichen Produkten. Unter Beachtung der zutreffenden Rechtsprechung des Finanzgerichts Hamburg (4 K 108/06) hätten Letztere nicht den Charakter eines Nudelgerichts, sondern den einer Nudelsuppe. Nach ihrer Zubereitung - dieser Vortrag steht im Widerspruch zu den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen (insbes. Anlage AdV 10) - liege der Anteil an Brühe in der Regel über 60 %; nur bei einem Produkt liege er bei 54,4 %. Da der Anteil an Brühe stets oberhalb von 54,4 % liege, sei er im Verhältnis zum Anteil der Nudeln charakterbestimmend. Überdies gehe aus der Verordnung nicht hervor, wie viel Wasser zur bestimmungsgemäßen Zubereitung bei dem begutachteten Produkt beizugeben gewesen sei. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass bei dem eingereihten Produkt die beigegebene Wassermenge dazu geführt habe, dass der Anteil an Brühe unter 20 % gelegen habe, sodass die Nudeln und nicht die Brühe charakterbestimmend gewesen sei. Auch in anderer Hinsicht seien die streitgegenständlichen Produkte und das Produkt der Einreihungsverordnung unterschiedlich. Die Einreihungsverordnung beziehe sich auf getrocknete, nicht auf frittierte Nudeln. Die Zusammensetzung der Warenzusammenstellungen und die Anzahl und Gewichte der beigegebenen Beutel seien unterschiedlich. Dass die Einreihungsverordnung nur Produkte erfasse, die Nudelgerichte darstellten, folge auch daraus, dass andernfalls die Position 2104 KN keinen Anwendungsbereich mehr hätte. Die Position erfasse nach den Erläuterungen zum HS auch solche Zubereitung, denen nur Wasser zugesetzt werden müsse. Der Anwendungsbereich der Position 2104 KN liefe leer, sofern alle Suppenzubereitungen, die Nudeln enthielten, unter die Position 1902 KN fielen. Dies sei auch nicht vorgesehen. Nach den Erläuterungen zur Position 1902 HS seien Zubereitung zum Herstellen von Suppen, die Teigwaren enthielten, ausdrücklich aus der Position 1902 KN aus- und der Position 2104 KN zugewiesen. Vor diesem Hintergrund könne die Einreihungsverordnung nur so verstanden werden, dass sie sich auf ein Produkt beziehe, welches wegen des geringen Anteils an Brühe ein Nudelgericht darstelle. Die Verordnung sei andernfalls rechtswidrig, da sie mit dem Wortlaut einer durch das Harmonisierte System vorgegebenen Tarifposition nicht vereinbar wäre. Hilfsweise seien die Waren in die Codenummer 1902 3090 00 0 einzureihen. Die Nudeln seien nicht getrocknet, sondern frittiert. Das Frittieren habe nicht zum Zweck der Trocknung stattgefunden. Deshalb liege auch nach den Erläuterungen zur Unterposition 1902 3010 KN (EZT-Nr. 02.7) vorliegend keine Trocknung vor. Das Frittieren der Waren sei durchgeführt worden, um die Produkte im Geschmack zu verbessern. Der mit dem Frittieren verbundene Feuchtigkeitsentzug sei lediglich ein Nebenergebnis. Im Übrigen wird wegen des weiteren Vortrags zum Unterschied zwischen "Frittieren" und "Trocknen" auf die Einspruchsbegründung vom 15.01.2016 verwiesen. Die 13 widerrufenen vZTAe habe der Antragsgegner gemäß Art. 9 Abs. 1 ZK der Rechtslage anzupassen und seine ursprüngliche Einreihung zu ändern. Da die Waren fälschlicherweise nicht in die Position 2104 KN eingereiht worden seien, seien ihr, der Antragstellerin, neue vZTAe zu erteilen, die die Waren in diese Position einreihten; andernfalls sei die Widerrufsentscheidung jedenfalls aufzuheben.

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Der Antragsgegner wies darauf hin, dass unter "Zubereitungen zum Herstellen von Suppen" (Position 2104 KN) nur Erzeugnisse zu verstehen seien, denen zur Fertigstellung nur Wasser zugesetzt werden müsse. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs müsse es sich um einen einfachen Arbeitsgang wie das Erwärmen und/oder Hinzufügen von Flüssigkeiten handeln. Mithin müssten alle vorgesehenen Zutaten in vorgemischter Form vorliegen. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Vor der Wasserzugabe müssten die Tüten mit den würzenden Zutaten geöffnet und ihr Inhalt den Nudeln hinzugefügt werden. Aufgrund der getrennten Abpackung der Bestandteile handele es sich um eine zur Zubereitung einer asiatischen Nudelsuppe vorgesehene Warenzusammenstellung in Aufmachung für den Einzelverkauf i. S. d. AV 3 b) KN. Für die Einreihung der Produkte kämen grundsätzlich die Positionen 1902 KN und 2104 KN in Betracht, je nachdem, ob die Nudeln oder das separat verpackte Suppenpulver als charakterbestimmend angesehen werde. Das Pulver sei ausschlaggebend für die Verwendung zur Herstellung einer Suppe. Allerdings machten die Nudeln aufgrund ihres Gewichts den größten Bestandteil aus. Zur Entscheidung, welches Kriterium charakterbestimmend sei, sei die VO Nr. 767/2014 heranzuziehen. Danach sei auf die Nudeln abzustellen, wenn diese den größten Teil der Ware ausmachten. Die Verordnung sei nicht auf Nudelgerichte beschränkt, sondern gelte auch für Nudelsuppen. Eine Suppe sei ebenfalls ein Gericht. Bei dem Begriff "Nudelgericht" handele es sich um einen Oberbegriff für alle Gerichte aus Nudeln. Zudem sei offensichtlich, dass es sich bei der der Einreihungsverordnung zu Grunde liegenden Ware um eine Zusammenstellung zur Herstellung einer Nudelsuppe handeln müsse. Andernfalls hätte die Kommission keine Abgrenzung zur Position 2104 KN vorgenommen. Durch die auf die Nudelmenge abstellende Begründung werde impliziert, dass die zuzugebende Wassermenge für das Entstehen einer Nudelsuppe oder eines Nudelgerichts unerheblich sei. Die zitierte Rechtsprechung des Finanzgerichts Hamburg sei durch die Verordnung überholt. Die Verordnung sei analog anzuwenden, da die tarifierte Ware mit den streitgegenständlichen Produkten in ihren wesentlichen Punkten übereinstimme. Eine Einreihung in die hilfsweise begehrte Unterposition 1902 3090 KN komme nicht in Betracht. Nach den Erläuterungen zur Position 1902 KN sei das Frittieren ein Verfahren zur Herstellung getrockneter Nudeln. Damit lägen getrocknete Teigwaren vor. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die gleichlautenden Schreiben des Antragsgegners vom 12. und 18.05.2016 in den drei Einspruchsverfahren verwiesen.

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Die Antragstellerin erwiderte, dass das Öffnen einzelner Tüten und das Zusammenfügen der Warenbestandteile nur ein einfacher Arbeitsgang sei, der dem Vorliegen einer Zubereitung nicht entgegenstehe. Im Übrigen bestimme die AV 2 a) KN, dass eine Position auch für zerlegte oder noch nicht zusammengesetzte Waren gelte, solange sie zusammengestellt würden. Es komme auch nicht darauf an, welcher Bestandteil der Ware charakterbestimmend sei. Dieses Merkmal der AV 3 b) KN sei erst heranzuziehen, wenn eine Einreihung nach der AV 3 a) KN nicht möglich sei. Vorliegend seien jedoch alle Bestandteile der streitgegenständlichen Waren von der Position 2104 KN erfasst. Die Einreihungsverordnung sei nicht entsprechend heranzuziehen. Sie sei unter Verstoß gegen die o. g. Allgemeinen Vorschriften des Harmonisierten Systems ergangen und daher rechtswidrig. Auch erfasse die Verordnung lediglich Nudelgerichte in fester Form, nicht jedoch Nudelsuppen. Der Begriff "Nudelgericht" sei kein Oberbegriff für Nudelsuppen. Dies folge auch aus der englischen und französischen Sprachfassung der Verordnung. Nach der Warenbeschreibung in der Verordnung seien Instantnudeln zum Zwecke der Herstellung einer Nudelsuppe gar nicht Gegenstand des Verordnungsverfahrens gewesen. Die Normenklarheit hätte es geboten, deutlich zum Ausdruck zu bringen, wenn die Verordnung auch Zubereitungen zur Herstellung einer Suppe hätte umfassen sollen. Jedenfalls müsse die Verordnung in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht dergestalt ausgelegt werden, dass Waren zur Herstellung einer Nudelsuppe ausgeklammert seien. Dies folge aus der vorrangigen Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 3 a) KN. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der Antragstellerin vom 28.07.2016 verwiesen.

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Einspruchsentscheidungen hat der Antragsgegner bisher nicht getroffen.

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Am 04.05.2016 stellte die Antragstellerin einen "Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz" beim Antragsgegner und beantragte hinsichtlich der 16 vZTAe vom 22.05.2015 und 27.05.2015 und der 8 vZTAe vom 09.07.2015 anzuordnen, dass die Waren dieser vZTAe einstweilen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache in die "Unterposition 2104 1000 90 0" einzureihen seien; hilfsweise anzuordnen, dass die Waren dieser vZTAe einstweilen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache in die "Unterposition 1902 3090 00 0" einzureihen seien; hilfsweise rückwirkend zum 01.05.2016 die Vollziehung der vZTAe aufzuheben und die Vollziehung der vZTAe bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen. Hinsichtlich der 13 vZTAe vom 26.03.2015 und 15.04.2015 beantragte sie, anzuordnen, dass die Waren dieser vZTAe einstweilen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache in die "Unterposition 2104 1000 90 0" einzureihen seien; hilfsweise anzuordnen, dass die Waren dieser vZTAe einstweilen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache in die "Unterposition 1902 3090 00 0" einzureihen seien. VZTAe seien aufgrund der neuen Rechtslage seit dem 01.05.2016 sowohl für den Inhaber der Entscheidung als auch für die Zollbehörden verbindlich. Sie, die Antragstellerin, müsse eingeführte Waren daher entsprechend der vZTAe anmelden. Die eingelegten Einsprüche ließen die Benutzungspflicht mangels aufschiebender Wirkung nicht entfallen. Selbst wenn sie später in der Hauptsache obsiegen sollte, würde sich dies nicht auf die zwischenzeitlichen Einfuhrvorgänge auswirken, bei denen die vZTAe angegeben worden seien. Eine rückwirkende Aufhebung von vZTAen sei ausgeschlossen. Aus Art. 34 Abs. 3 und Abs. 6 UZK folge, dass grundsätzlich nur eine Aufhebung für die Zukunft erfolgen könne. Daher liefe auch ein Erstattungsantrag ins Leere. Insofern sei sie, die Antragstellerin, darauf angewiesen, dass bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache die Vollziehung der vZTAe mit der Einreihung in die Codenummer 1902 3010 80 ausgesetzt und aufgehoben werde. Da die Waren überdies in die Codenummer 2104 1000 90 0 einzureihen seien, sei vorrangig anzuordnen, ihr einstweilen vZTAe mit dieser Warentarifnummer für sämtliche streitgegenständliche Produkte zu erteilen. Ein Bedürfnis nach einer solchen Regelungsanordnung sei gegeben. Mit der Aussetzung der Vollziehung könne lediglich erreicht werden, die bestehenden vZTAe nicht mehr verwenden zu müssen. Das Begehren sei jedoch weitergehender darauf gerichtet, die Zollbehörden hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung eingeführter Waren in die Position 2104 KN einstweilen zu binden. Dies gewährleiste eine schnellere und verlässlichere Abfertigung. Andernfalls müsste gegen jeden Einfuhrabgabenbescheid Einspruch eingelegt und das Einspruchsverfahren durchgeführt werden, um den status quo zu sichern. Wegen des materiellen Anspruchs auf die Erteilung von vZTAen mit einer Einreihung in die Codenummer 2104 1000 90 0 verweist die Antragstellerin auf ihre Ausführungen in den Einspruchsverfahren. Hilfsweise werde die Aufhebung und Aussetzung der Vollziehung der im Antrag genannten vZTAe gemäß Art. 45 Abs. 2 UZK begehrt. Die Aufhebung der Vollziehung sei gemäß § 361 Abs. 2 Satz 3 AO rückwirkend zum 01.05.2016, jedenfalls ab Antragseingang anzuordnen. Begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vZTAe seien gemäß Art. 45 Abs. 2 UZK gegeben und es drohe auch ein unersetzbarer Schaden.

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Der Antragsgegner wies mit Schreiben vom 03.06.2016 darauf hin, dass er nicht befugt sei, einstweilige Anordnungen zu erlassen. Im Übrigen seien Anträge auf Aussetzung der Vollziehung statthaft. Solche Anträge würden keinen Erfolg haben. Begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vZTAe lägen nicht vor. Auch drohe kein unersetzbarer Schaden. Zwar habe die Antragstellerin die vZTAe bei der Einfuhrabfertigung anzugeben. Diese seien jedoch bislang nicht bestandskräftig. Sofern die Antragstellerin in einem Rechtsbehelfsverfahren obsiegen sollte, würden die vZTAe rückwirkend aufgehoben. Art. 34 Abs. 3 UZK erfasse lediglich bestandskräftige Entscheidungen. Überdies könne die Antragstellerin Eilrechtsschutz gegenüber den Einfuhrabgabenbescheiden geltend machen.

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Die Antragstellerin teilte mit, an ihren Anträgen festzuhalten. Es sei angesichts der neuen Rechtslage nicht verlässlich abzusehen, ob es zu der vom Antragsgegner behaupteten rückwirkenden Aufhebung der vZTAe im Fall eines erfolgreichen Rechtsbehelfsverfahrens kommen werde.

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Mit Bescheid vom 29.06.2016, zugestellt am 04.07.2016, lehnte der Antragsgegner den "Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz" unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 03.06.2016 umfassend ab. Dabei bekräftigte er, im Fall eines Obsiegens der Antragstellerin im Rechtsbehelfsverfahren die streitgegenständlichen vZTAe gemäß Art. 34 Abs. 5 i. V. m. Art. 23 Abs. 3 UZK ex tunc zu widerrufen.

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Hiergegen legte die Antragstellerin am 03.08.2016 Einspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde.

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Die Antragstellerin hat am 19.08.2016 den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und begehrt gemäß § 114 FGO den Erlass einer Anordnung zur einstweiligen Einreihung aller streitgegenständlichen Waren in die mit der geringsten Einfuhrabgabenlast verbundene Unterposition 2104 1000 KN, hilfsweise in die Unterposition 1902 3090 KN und - hinsichtlich der nicht widerrufenen vZTAe - hilfsweise gemäß § 69 FGO i. V. m. Art. 45 Abs. 2 UZK die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung. Sie habe gegen die aufgrund von zwischenzeitlichen Einfuhren der streitgegenständlichen Waren ergangenen Einfuhrabgabenbescheide jeweils Einspruch eingelegt und die Einspruchsverfahren bis zu einer Bestandskraft der angegriffenen vZTAe zum Ruhen gebracht. Es werde eine einstweilige Anordnung des Gerichts begehrt, durch die sie, die Antragstellerin, bis zu einer endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit der vZTAe ihre Waren im Rahmen der Abfertigung in die Position 2104 KN einreihen könne. Darüber hinaus werde die Aufhebung und Aussetzung der Vollziehung der vZTAe vom 22.05.2015, 27.05.2015 und 09.07.2015 gemäß § 69 FGO i. V. m. Art. 45 Abs. 2 UZK begehrt. Wie bereits im außergerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren dargelegt, drohe aufgrund der neuen Rechtslage ein unersetzbarer Schaden. Nach dem Willen des Verordnungsgebers solle eine vZTA unter der Geltung des UZK so lange für die Abfertigung Bindungs- und Präklusionswirkung erzeugen, bis sie ex nunc aufgehoben werde. Es sei überdies nicht gesichert, dass der Antragsgegner ggf. tatsächlich eine rückwirkende Aufhebung der vZTAe vornehme. Aus anderen Einspruchsverfahren sei bekannt, dass er bei Abhilfeentscheidungen neue vZTAe "aus technischen Gründen" stets nur ex nunc erlasse. Zudem bestünden die in den außergerichtlichen Verfahren dargelegten begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vZTAe.

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Die Antragstellerin beantragt,
1. hinsichtlich der vZTAe DE XXX-14, DE XXX-15 bis DE XXX-17, DE XXX-18 bis DE XXX-30, DE XXX-31, DE XXX-32 bis DE XXX-36, DE XXX-37, DE XXX-38
a. anzuordnen, dass der Antragsgegner dazu verpflichtet wird, einstweilen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vZTAe zu erlassen, mit denen die Waren in die Unterposition 2104 1000 90 0 eingereiht werden, damit sie ihre Waren unter dieser Unterposition abfertigen kann,
b. hilfsweise anzuordnen, dass der Antragsgegner dazu verpflichtet wird, einstweilen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vZTAe zu erlassen, mit denen die Waren in die Unterposition 1902 3090 00 0 einzureihen sind, damit sie ihre Waren unter dieser Unterposition abfertigen kann,
c. hilfsweise rückwirkend zum 01.05.2016 die Vollziehung der vZTAe aufzuheben und die Vollziehung der vZTAe bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen,
2. hinsichtlich der vZTAe DE XXX-1, DE XXX-2 und DE XXX-3 bis DE XXX-13
a. anzuordnen, dass der Antragsgegner dazu verpflichtet wird, einstweilen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vZTAe zu erlassen, mit denen die Waren in die Unterposition 2104 1000 90 0 eingereiht werden, damit sie ihre Waren unter dieser Unterposition abfertigen kann,
b. hilfsweise anzuordnen, dass der Antragsgegner dazu verpflichtet wird, einstweilen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vZTAe zu erlassen, mit denen die Waren in die Unterposition 1902 3090 00 0 einzureihen sind, damit sie ihre Waren unter dieser Unterposition abfertigen kann.

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Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.

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Die Antragstellerin habe gegen die auf Grundlage der streitbefangenen vZTAe ergangenen Einfuhrabgabenbescheide der Hauptzollämter jeweils Einspruch eingelegt. Diese Verfahren seien bis zum rechtskräftigen Abschluss der anhängigen Verfahren über die Rechtmäßigkeit der vZTAe zum Ruhen gebracht. Damit sei sichergestellt, dass die Entscheidungen in den vZTA-Verfahren bei einer Wiederaufnahme jener Verfahren berücksichtigt würden. Der Antragsgegner nimmt im Übrigen Bezug auf seine Ausführungen in den außergerichtlichen Verfahren und unterstreicht, dass nicht korrigierbare Folgen für die Antragstellerin nicht zu befürchten seien. Er, der Antragsgegner, würde vZTAe bei Abhilfeentscheidungen nicht lediglich ex nunc ändern. Richtig sei, dass das Erteilungsdatum einer vZTA aus technischen Gründen nicht rückwirkend änderbar sei. Es erfolge aber in jeder Abhilfeentscheidung der ausdrückliche Hinweis, dass die nunmehr getroffene Einreihung der Ware bereits im Zeitpunkt der ursprünglichen Erteilung der vZTA zutreffend gewesen sei. Damit werde sichergestellt, dass die Änderungen der Einreihung rückwirkend Berücksichtigung fänden. Hinsichtlich der Anwendbarkeit der VO Nr. 767/2004 habe das BWZ München am 02.09.2016 mitgeteilt, dass die Verordnung auf vier divergierende vZTAe (je zwei aus Polen und aus Deutschland) zurückgehe, deren Berechtigte jeweils die Antragstellerin gewesen sei. Auslöser sei ein schriftlicher Hinweis der polnischen Zollverwaltung im April 2013 an das Bundesfinanzministerium gewesen. Bei den in der Verordnung und den zugrundeliegenden vZTAen angesprochenen Waren habe es sich jeweils um gleichartige Zusammenstellungen zur Herstellung von Nudelsuppen in zwei verschiedenen Geschmacksrichtungen, bestehend aus einem Block aus frittierten Nudeln, dem ein Suppenpulver und ein bis zwei weitere geschmacksgebende Zutaten in separaten Tüten beigefügt gewesen sei, gehandelt. Zumindest in einem Fall habe es sich bei den divergierenden vZTAen um das gleiche Produkt gehandelt. Die Ware aus der Verordnung stimme in den einreihungsrelevanten Merkmalen mit allen streitgegenständlichen Erzeugnissen überein, lediglich in den Geschmacksrichtungen und der Anzahl der geschmacksverleihenden Zugaben beständen marginale Unterschiede. Die Verordnung sei daher analog anzuwenden. Sie führe eine einheitliche Einreihung von gleichartigen Warenzusammenstellungen herbei, die sich abhängig von der zuzugebenden Wassermenge sowohl zur Zubereitung einer Nudelsuppe als auch eines "nichtflüssigen" Nudelgerichts eigneten bzw. bei denen nach der Zubereitung die Grenze zwischen diesen beiden Gerichten im Einzelfall nur schwer zu ziehen sei. Infolge der getrennten Verpackung der Bestandteile seien die Waren mit durch Mischen hergestellten Zubereitungen zum Herstellen von Suppen der Position 2104 KN nicht vergleichbar, sondern es lägen Warenzusammenstellungen vor.

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Die Antragstellerin hat der Stellungnahme des BWZ München widersprochen. Die vom Antragsgegner herangezogenen vier vZTAe hätten in keinem Fall das gleiche Produkt betroffen. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsgegner von den Umständen des Zustandekommens der Einreihungsverordnung keine Kenntnisse habe. Sofern die Produkte dieser vZTAe tatsächlich Grundlage der Einreihungsverordnung gewesen sein sollten, spräche dies für eine Rechtswidrigkeit der Verordnung. Die Kommission hätte den Verwendungszweck der Produkte zur Herstellung einer Nudelsuppe verkannt und so den Sachverhalt vor Erlass der Einreihungsverordnung unzutreffend ermittelt. Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2015/183 habe die Kommission den Inhalt und die Tragweite der Tarifpositionen 2104 KN und 1902 KN erneut geändert. Dies sei von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht umfasst. Im Übrigen seien die Waren selbst bei der Anwendbarkeit der AV 3 b) KN in die Position 2104 KN einzureihen. Wenn man davon ausgehe, dass die frittierten Nudeln und nicht die sonstigen Bestandteile der Waren charakterbestimmend seien, so sei darauf abzustellen, dass es sich bei ihnen aufgrund ihrer objektiven Merkmale um Suppennudeln und nicht um bloße Teigwaren handele.

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Der Antragsgegner hat daraufhin bekräftigt, dass die Einreihungsverordnung auf dem dargestellten Wege zustande gekommen sei. Aufgrund des eigenen Vortrags der Antragstellerin bei der polnischen Zollverwaltung, sie habe für ihre Waren deutsche und polnische vZTA erhalten, die sich widersprächen, sei 2013 das Konsultationsverfahren zwischen den Finanzministerien eingeleitet worden. Im Verlauf dieses Verfahrens habe der Ausschuss für den Zollkodex in der Sitzung vom 04. bis 06.06.2014 beschlossen, dass der Begriff "Nudelgericht" als ein Oberbegriff anzusehen sei, der auch "Nudelsuppen" umfasse. Anschließend habe die Kommission am 11.07.2014 die Tarifierungsverordnung erlassen.

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Die Antragstellerin hat schließlich angesichts der Vorlagebeschlüsse des Finanzgerichts Hamburg in den Verfahren 4 K 161/15 vom 19.07.2017 und 4 K 129/17 vom 22.09.2017 angeregt, dem Europäischen Gerichtshof im beschleunigten Vorabentscheidungsverfahren die Frage vorzulegen, ob die Kombinierte Nomenklatur dahingehend auszulegen sei, dass Instantnudelsuppen wie die des Ausgangsverfahrens in die Position 2104 KN einzureihen seien.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Sachakten des Antragsgegners (je zwei Ordner und Hefter) verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe

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II. 1. Die Haupt- und Hilfsanträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bzw. auf Aussetzung der Vollziehung haben keinen Erfolg. Sie sind überwiegend unzulässig und im Übrigen unbegründet.

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a. Der Antrag zu Ziffer 1. a., den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig vZTAe zu erlassen, in denen die Waren der vZTAe vom 22.05.2015, 27.05.2015 und 09.07.2015 in die Codenummer 2104 1000 90 0 eingereiht werden, ist bereits unzulässig. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO ist nicht statthaft. Dies folgt aus § 114 Abs. 5 FGO. Danach gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 nicht für die Fälle des § 69 FGO. Die Vorschrift bringt den Vorrang der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO vor der einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO zum Ausdruck. Im Geltungsbereich der Aussetzung der Vollziehung kommt die einstweilige Anordnung nicht zur Anwendung, sondern ist subsidiär (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 146. EL Oktober 2016, § 114 FGO, Rn. 7; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, 33. EL Juni 2017, § 123 VwGO, Rn. 20 zur entsprechenden Abgrenzung zwischen § 80 Abs. 5 und § 123 VwGO).

30

Vorliegend kann vorläufiger Rechtsschutz über § 69 FGO gewährt werden. Gegen die streitgegenständlichen vZTAe ist der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 FGO i. V. m. Art. 45 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269/1, berichtigt durch ABl. 2016 L 267/2 - Unionszollkodex; im Folgenden: UZK) statthaft. Die Zulässigkeit eines solchen Antrags richtet sich auch unter Geltung des UZK nach mitgliedstaatlichem Recht, da Art. 45 Abs. 2 UZK lediglich die materiellen Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung abschließend bestimmt (FG Hamburg, Beschluss vom 12.04.2017, 4 V 16/17, juris Rn. 16, 18 und Rn. 19 zur Anwendbarkeit des Art. 45 UZK in zeitlicher Hinsicht). Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die streitgegenständlichen vZTAe stellen als zollrechtliche Entscheidungen gemäß Art. 33 UZK feststellende Verwaltungsakte dar. Die Einlegung eines Rechtsbehelfs - vorliegend die eingelegten Einsprüche - gegen solche Entscheidungen hat gemäß Art. 45 Abs. 1 UZK keine aufschiebende Wirkung. Bei vZTAen handelt es sich zudem um vollziehbare und aussetzungsfähige Verwaltungsakte. VZTAe sind seit dem 01.05.2016 gemäß Art. 33 Abs. 2 lit. a), b) UZK auch gegenüber dem Inhaber der Entscheidung verbindlich und bringen für diesen seitdem die belastende Verpflichtung mit sich, bei Einfuhrvorgängen entsprechender Waren die Referenznummer der vZTA in der Zollanmeldung anzugeben. Eine Aussetzung der Vollziehung ließe diese Verpflichtung entfallen (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 21.12.2017, 4 V 143/17, juris Rn. 3; Rinnert in Hübschmann/Hepp/Spitaler, 245. EL November 2017, Art. 33 UZK, Rn. 18). Dass alle streitgegenständlichen vZTAe bereits im Jahr 2015 und damit vor der Geltung des UZK erlassen wurden, ändert diese Verpflichtung vorliegend nicht. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 252 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28.07.2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (ABl. Nr. L 343/1, m. spät. Änd., bleiben Entscheidungen über verbindliche Auskünfte, die am 1. Mai 2016 bereits in Kraft waren, für den in ihnen genannten Zeitraum gültig. Solche Entscheidungen sind ab dem 1. Mai 2016 sowohl für die Zollbehörden als auch für den Inhaber der Entscheidung bindend.

31

Die Subsidiarität eines Antrags nach § 114 FGO wird vorliegend nicht dadurch berührt, dass das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin weitergehender ist als die Aussetzung der Vollziehung der vZTAe. Die Antragstellerin begehrt mittels einstweiliger Anordnung eine vorläufige Einreihung der streitgegenständlichen Waren in die Position 2104 KN, um eine schnellere und verlässlichere Abfertigung zu gewährleisten und nicht gegen jeden weiteren Einfuhrabgabenbescheid Einspruch einlegen zu müssen. Abgesehen davon, dass der UZK keine andere Form des Eilrechtsschutzes gegen zollrechtliche Entscheidungen als die Aussetzung der Vollziehung kennt, ist Letzteres der Antragstellerin zumutbar, da der Aussetzungsantrag einen hinreichend effektiven Rechtsschutz im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleistet. Sollte die Aussetzung der Vollziehung der vZTAe angeordnet werden, ließe dies die Pflicht der Antragstellerin, bei der erneuten Einfuhr streitgegenständlicher Waren auf die vZTAe hinzuweisen, entfallen. Es stünde ihr dann frei, die von ihr für zutreffend erachtete Codenummer im Rahmen der Abfertigung anzugeben. Sofern eine Zollbehörde diese nicht akzeptieren und höhere Einfuhrabgaben festsetzen sollte, könnte sie gegen diesen Bescheid nicht nur Einspruch einlegen, sondern ebenfalls die Aussetzung der Vollziehung beantragen.

32

b. Der Hilfsantrag zu Ziffer 1. b., der ebenfalls auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO gerichtet ist und sich vom vorherigen Hauptantrag nur dadurch unterscheidet, dass eine Einreihung in die Codenummer 1902 3090 00 0 begehrt wird, ist mit Verweis auf die obigen Ausführungen ebenfalls unzulässig.

33

c. Der Hilfsantrag zu Ziffer 1. c., rückwirkend zum 01.05.2016 die Vollziehung der vZTAe aufzuheben und die Vollziehung der vZTAe bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen, ist zulässig; insbesondere hat der Antragsgegner einen entsprechenden Antrag gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO abgelehnt. Der Antrag ist jedoch unbegründet, weshalb offen bleiben kann, ob und ggf. wie sich eine Aufhebung der Vollziehung von vZTAen auf bereits stattgefundene Einfuhrvorgänge auswirkt (vgl. hierzu FG Hamburg, Beschluss vom 21.12.2017, 4 V 143/17, juris Rn. 3).

34

Die materiellen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung ergeben sich auch im finanzgerichtlichen Verfahren aus Art. 45 Abs. 2 UZK. Danach setzen die Zollbehörden die Vollziehung einer Entscheidung, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt ist, ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Zwar benennt die Vorschrift als Adressaten lediglich die Zollbehörden, sie ist aber auch von den Gerichten auf dem Gebiet des Zollrechts als materieller Entscheidungsmaßstab anzuwenden. Aufgrund der Verweisung in § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 FGO auf § 69 Abs. 2 Satz 2 ff. FGO beschränken sich die gerichtlichen Befugnisse auf dasjenige, was die Zollbehörden selbst anordnen können. Werden die Befugnisse der Zollbehörden nach §§ 361 Abs. 2 AO, 69 Abs. 2 FGO durch unionsrechtliche Regelungen überlagert, muss dies auch für das gerichtliche Verfahren gelten (st. Rspr. des BFH zu Art. 244 ZK: Urteil vom 19.04.2011, VII B 234/10, BFH/NV 2011, 1202). Begründete Zweifel liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (BFH, Beschluss vom 26.08.2004, V B 243/03, juris Rn. 14). Die Aussetzung der Vollziehung setzt dabei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sprechenden Gründe überwiegen (BFH, Beschluss vom 26.04.2004, VI B 43/04, juris Rn. 11). Sie kann auch dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte (BFH, Beschluss vom 23.08.2004, IV S 7/04, juris Rn. 21). Die Umstände, die die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, 141. EL Juli 2015, § 69 FGO Rn. 94, 123).

35

Daran gemessen bestehen begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im Antrag genannten vZTAe. Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 der Kommission vom 11.07.2014 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. L 106/10; im Folgenden: VO Nr. 767/2014) ist auf die den vZTAen zu Grunde liegenden Waren entsprechend anwendbar und führt zu deren Einreihung in die Unterposition 1902 3010 KN (aa.). Zwar bestehen an der Gültigkeit dieser Tarifierungsverordnung erhebliche Zweifel (bb.). Gleichwohl kommt eine Aussetzung der Vollziehung der streitgegenständlichen vZTAe nicht in Betracht, da die vom EuGH für den Fall, dass die Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung auf Zweifeln an der Geltung des einschlägigen Unionsrechts beruhen, aufgestellten besonderen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die erforderliche Dringlichkeit des vorläufigen Rechtsschutzes ist vorliegend nicht gegeben (cc.).

36

aa. Die streitgegenständlichen Nudelsuppen und -gerichte sind im Wege der entsprechenden Anwendung der VO Nr. 767/2014 in die Unterposition 1902 3010 KN einzureihen. Die im August 2014 in Kraft getretene Verordnung ist in zeitlicher Hinsicht auf die Einreihung der streitgegenständlichen Waren anwendbar, da die Anträge auf Erteilung der vZTAe im Jahr 2015 gestellt wurden. Allerdings ist die Verordnung vorliegend sachlich nicht unmittelbar anwendbar. Die vom Ausschuss für den Zollkodex begutachtete Ware ist nicht mit den streitgegenständlichen Waren identisch. Sie weicht sowohl hinsichtlich des Gewichts der Nudeln und der Beigaben sowie deren mengenmäßigen Verhältnis zueinander und überwiegend auch hinsichtlich der Anzahl der Beigaben von den streitgegenständlichen Waren ab.

37

Die Verordnung ist jedoch entsprechend anwendbar. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Tarifierungsverordnungen aufgrund ihres Normcharakters nicht nur auf identische, sondern auch auf solche Produkte anzuwenden, die denjenigen entsprechen, die von der Tarifierungsverordnung erfasst werden. Dies gewährleistet eine kohärente Auslegung der Kombinierten Nomenklatur und eine Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer (EuGH, Urteil vom 22.03.2017, Grofa, C-435/15 und C-666/15, juris Rn. 37; Urteil vom 22.09.2016, Kawasaki Motors Europe, C-91/15, juris Rn. 39). Voraussetzung hierfür ist, dass sich die einzureihenden und die in der Einreihungsverordnung bezeichneten Waren einander hinreichend ähnlich sind (EuGH, Urteil vom 22.03.2017, Grofa, C-435/15 und C-666/15, juris Rn. 38). Die Warenbeschreibung muss in ihren wesentlichen Punkten mit derjenigen der einzureihenden Ware übereinstimmen (BFH, Urteil vom 12.04.2011, VII R 20/07, juris Rn. 13). Maßgeblich sind nur die einreihungsrelevanten Merkmale (EuGH, Urteil vom 13.07.2006, Anagram International, C-14/05, juris Rn. 33). Die Begründung der Verordnung ist insoweit zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 22.03.2017, Grofa, C-435/15 und C-666/15, juris Rn. 38).

38

Nach diesen Grundsätzen sind die streitgegenständlichen und die in der Einreihungsverordnung bezeichnete Waren einander hinreichend ähnlich. Die Warenbeschreibung in der VO Nr. 767/2014 lautet:
"Ware, bestehend aus einem Block aus getrockneten vorgekochten Nudeln (etwa 65 g), einem Beutel mit Würzmitteln (etwa 3,4 g), einem Beutel mit Speiseöl (etwa 2 g) und einem Beutel mit getrocknetem Gemüse (etwa 0,8 g). Bei der Ware handelt es sich um eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung (zusammen verpackt) zur Zubereitung eines Nudelgerichts. Gemäß den Angaben auf der Verpackung muss vor dem Verzehr kochendes Wasser hinzugegeben werden."
Die Begründung zur Einreihung in die Unterposition 1902 3010 KN lautet:
"Einreihung gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1, 3 b und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur sowie nach dem Wortlaut der KN-Codes 1902, 1902 30 und 1902 30 10. Bei der Ware handelt es sich um eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung im Sinne der Allgemeinen Vorschrift 3 b. Ihr wesentlicher Charakter wird der Ware durch die Nudeln verliehen, da diese den größten Teil der Ware ausmachen. Eine Einreihung der Ware in die Position 2104 als Suppen oder Brühen oder Zubereitungen zum Herstellen von Suppen oder Brühen ist somit ausgeschlossen. Die Ware ist als Teigwaren, auch gekocht oder gefüllt oder in anderer Weise zubereitet, in die Position 1902 einzureihen."

39

Die einreihungsrelevanten Merkmale der streitgegenständlichen Waren stimmen mit denen aus der Warenbeschreibung der VO Nr. 767/2014 überein. Alle Waren bestehen aus einem Block getrockneter Nudeln, der mit 67 bis 94 % des Gesamtinhalts den größten Teil der Ware ausmacht. Sowohl die streitgegenständlichen als auch die begutachteten Nudeln wurden frittiert. Dies ist hinsichtlich der streitgegenständlichen Nudeln unstreitig, hinsichtlich der in der Einreihungsverordnung genannten Nudeln aus den Verfahren 4 K 161/15 und 4 K 129/17 gerichtsbekannt und kommt im Wort "getrocknet", welches bereits eine rechtliche Wertung der Kommission beinhaltet, in der Warenbezeichnung der Verordnung zum Ausdruck. Die vom Antragsgegner nachvollziehbar dargelegten Umstände, die beginnend mit dem polnisch-deutschen Konsultationsverfahren zum Erlass der VO Nr. 767/2014 geführt haben, bestätigen erneut, dass die begutachtete Ware ebenfalls frittierte Nudeln enthielt. Augenscheinlich wurde der Verordnung die Ware aus der gegenüber der Antragstellerin ergangenen vZTA vom 31.07.2012 (DE XXX/12-1) der deutschen Zollbehörden zugrunde gelegt. Dieser lagen - exakt wie in der Warenbezeichnung der Verordnung wiedergegeben - 3,4 g Würzpulver, 2,0 g Öl und ein Beutel mit getrocknetem Gemüse von 0,8 g bei. Die Füllmenge betrug 70 g, sodass auch der Block Nudeln ca. 65 g gewogen haben muss. Da sich keine der fast 40 streitgegenständlichen Nudelprodukte in ihrer Zusammensetzung decken (...) und die genannte vZTA Gegenstand des Konsultationsverfahrens war, ist offenkundig, dass die Kommission diese Ware ("Instant xxx") der Verordnung zugrunde gelegt hat. Hierbei handelte es sich um eine klassische Instantnudelsuppe, der frittierte Nudeln beilagen.

40

Die verbleibenden Unterschiede zwischen der begutachteten und den streitgegenständlichen Waren sind nicht einreihungsrelevant. Die Verordnung stellt weder auf die sich aus den Würzmitteln ergebenden Geschmacksrichtungen ab noch auf die Anzahl der Beigaben bzw. deren jeweiliges Gewicht. Das Gewicht dieser sog. "generellen Suppenbasis" (...) spielt keine Rolle, soweit es - wie vorliegend - lediglich zwischen 6 % und ca. 32 % der Gesamtware ausmacht und damit immer deutlich unter dem Gewicht der Nudeln liegt. Schließlich sind Waren, die sich nach der empfohlenen Zubereitungsmethode als Nudelsuppe darstellen, nicht vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen. Zwar ist in der Warenbezeichnung der Verordnung von einem Nudelgericht die Rede. Dieser Begriff ist aber dahingehend auszulegen, dass er auch Waren umfasst, die in zubereiteter Form eine Nudelsuppe darstellen. Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass die der Verordnung zu Grunde liegende Ware in zubereiteter Form eine Nudelsuppe war. Deshalb hat die Kommission in der Begründung der Einreihungsverordnung eine Einreihung der Ware als Suppe oder Brühe bzw. als entsprechende Zubereitung auch ausdrücklich ausgeschlossen. Aus der klarstellenden Durchführungsverordnung (EU) 2015/183 der Kommission vom 02.02.2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (im Folgenden: VO Nr. 183/2015) folgt zudem, dass die Menge des hinzugefügten Wassers nicht als Kriterium für die Einreihung solcher Waren heranzuziehen ist. Diese Menge und ihr Verhältnis zu den festen Bestandteilen entscheiden aber, ob später ein flüssiges Nudelgericht (Suppe) oder ein festeres Nudelgericht vorliegt. Ausschlaggebend soll nach der VO Nr. 767/2014 und der VO Nr. 183/2015 allein die Menge der in der Ware enthaltenen Nudeln sein.

41

bb. An der Rechtmäßigkeit der damit auch für die Einreihung der streitgegenständlichen Waren maßgeblichen VO Nr. 767/2014 bestehen erhebliche Zweifel. Es ist zweifelhaft, ob frittierte Nudeln "getrocknete" Teigwaren im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN sind, weshalb der Senat diese Frage dem EuGH vorgelegt hat. Es spricht viel dafür, nur solche Teigwaren als "getrocknet" anzusehen, die lediglich das Konservierungsverfahren der Trocknung durchlaufen haben und keiner Garmethode wie dem Frittieren unterzogen wurden. Wegen der Einzelheiten wird auf die EuGH-Vorlagen des Senats vom 19.07.2017 und 22.09.2017 in den Verfahren 4 K 161/15 und 4 K 129/17 (beide veröffentlicht in juris) verwiesen. Zweifelhaft ist damit, ob Instantnudelsuppen entsprechend der VO Nr. 767/2014 "getrocknete" Teigwaren der Unterposition 1902 3010 KN darstellen oder als "andere" Teigwaren in die Unterposition 1902 3090 KN einzureihen sind.

42

Weitergehende Zweifel, ob solche Waren schon nicht unter die Position 1902 KN fallen, sondern als "Zubereitungen zum Herstellen von Suppen" in die Unterposition 2104 1000 KN einzureihen sind, hat der Senat nicht. Die streitgegenständlichen Waren stellen keine solche Zubereitungen i. S. d. Unterposition 2104 1000 KN dar. Unter "Zubereitung" ist die Verarbeitung eines Erzeugnisses oder seine Vermischung mit anderen Erzeugnissen zu verstehen (EuGH, Urteil vom 23.03.1972, Henck, Rs. 36/71, EuGHE 1972, 187, Rn. 4; EuGH, Urteil vom 03.03.2016, Customs Support Holland, C-144/15, juris Rn. 36 zur Position 2309 KN "Zubereitungen von der zur Fütterung verwendeten Art"). Vorliegend sind mit den Nudeln, dem Gewürzpulver, dem Öl und den sonstigen Beigaben jeweils mehrere Erzeugnisse (teilweise selbst verarbeitet oder gemischt) gegeben, die aber nicht miteinander vermischt sind, sondern als einzeln verpackte Zutaten eines Nudelgerichts nebeneinanderliegen. Damit liegt bereits keine Zubereitung, sondern eine Warenzusammenstellung vor, sodass es nicht darauf ankommt, ob die Ware als Zubereitung die unmittelbare Eignung zur angegebenen Zweckbestimmung besitzt (vgl. dazu BFH, Urteil vom 11.01.1977, VII R 83/73, juris Rn. 12). An seiner früheren Rechtsauffassung im Urteil von 05.11.2007 hält der Senat nicht mehr fest (4 K 108/06, juris Rn. 32).

43

Darüber hinaus liegt auch keine Zubereitung "zum Herstellen von Suppen oder Brühen vor". Solche Zweckbestimmungen sind nach der o. g. Rechtsprechung des EuGH objektive Merkmale, die voraussetzen, dass die Zubereitung ausschließlich zu der in der Tarifposition genannten Verwendung geeignet ist. Ausschlaggebend für die Einordnung sind die objektiven Merkmale und Eigenschaften der Erzeugnisse (EuGH, Urteil vom 23.03.1972, Henck, Rs. 36/71, EuGHE 1972, 187, Rn. 4; BFH, Urteil vom 03.02.2004, VII R 33/03, juris Rn. 11). Die streitgegenständlichen Waren sind, unterstellt sie wären Zubereitungen, nicht ausschließlich zur Herstellung von Suppen oder Brühen geeignet. Ihnen kann nach Belieben weniger als die im Zubereitungshinweis genannte Menge Wasser beigegeben werden mit der Folge, dass aufgrund des überwiegenden Nudelanteils kein flüssiges, sondern ein festeres, mit der Gabel zu essendes Nudelgericht (ähnlich den Lunch boxes der Antragstellerin) entsteht.

44

cc. Trotz der dargestellten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vZTAe ist die hilfsweise begehrte Aussetzung der Vollziehung nicht anzuordnen. Die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vZTAe beruhen auf Zweifeln an der Gültigkeit der VO Nr. 767/2014. Für den Fall, dass die Zweifel an einer zollbehördlichen Entscheidung auf Zweifeln an unionsrechtlichen Normen beruhen, hat der EuGH für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besondere Anforderungen aufgestellt, die über die in Art. 45 Abs. 2 UZK festgeschriebenen Voraussetzungen hinausgehen. Danach darf das nationale Gericht die Vollziehung nur aussetzen, wenn es erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der Verordnung hat. Die Gültigkeitsfrage muss dem Gerichtshof, sofern er noch nicht mit ihr befasst ist, vorgelegt werden. Die Aussetzungsentscheidung muss dringlich sein und das Interesse der Union angemessen berücksichtigt werden (EuGH, Urteil vom 21.02.1991, Zuckerfabrik Süderdithmarschen, C-143/88, juris Rn. 22 ff.; EuGH, Urteil vom 05.05.2011, C-305/09, juris Rn. 43; Rüsken in Dorsch, Zollrecht, 170. EL August 2017, Art. 45 UZK, Rn. 50 ff.).

45

Vorliegend ist die Aussetzungsentscheidung nicht dringlich. Eine Aussetzungsentscheidung ist dringlich, wenn sie erforderlich ist, um zu vermeiden, dass der Betroffene einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleidet, wobei ein reiner Geldschaden grundsätzlich nicht als nicht wiedergutzumachender Schaden anzusehen ist (EuGH, Urteil vom 21.02.1991, Zuckerfabrik Süderdithmarschen, C-143/88, juris Rn. 29). Ein solcher Schaden droht der Antragstellerin vorliegend nicht. Eine fortbestehende Vollziehbarkeit der streitgegenständlichen vZTAe hat zur Folge, dass die Antragstellerin bei der Einfuhr entsprechender Waren auf die vZTAe hinweisen muss. Als Konsequenz werden für diese Waren Einfuhrabgaben nach dem für die Unterposition 1902 3010 KN geltenden Zollsatz festgesetzt. Hiergegen kann die Antragstellerin Einspruch einlegen. Unabhängig vom Geltungsbereich des Art. 34 UZK und der Befugnis der Zollbehörden, vZTAe ex tunc aufzuheben, würde das Gericht die vZTAe, sofern sie sich im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen sollten, rückwirkend ab dem Zeitpunkt ihrer Erteilung aufheben und den Antragsgegner zur Erteilung von vZTAen mit der von der Antragstellerin begehrten Einreihung gegebenenfalls auch rückwirkend ab dem Erteilungsdatum verpflichten. Für noch nicht bestandskräftig abgeschlossene oder zumindest innerhalb der Erstattungsfristen liegende Einfuhrabgabenfestsetzungen wäre eine Erstattung zu viel gezahlter Einfuhrabgaben damit ohne weiteres möglich (FG Hamburg, Beschluss vom 21.12.2017, 4 V 143/17, juris Rn. 24). Damit ist auch der Eintritt eines Geldschadens nicht zu befürchten. Sonstige schwere und nicht wiedergutzumachende Schäden hat die Antragstellerin nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich.

46

d. Der Antrag zu Ziffer 2. a., den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig vZTAe zu erlassen, in denen die Waren der vZTAe vom 26.03.2015 und 15.04.2015 in die Codenummer 2104 1000 90 0 eingereiht werden, ist unzulässig. Diese vZTAe waren bereits bestandskräftig als der Antragsgegner sie mit Bescheid vom 03.07.2015 nach Art. 9 Abs. 1 ZK widerrufen hat. Gegen bestandkräftige und später durch Widerruf ungültig (vgl. Art. 12 Abs. 5 lit. a) iii) ZK) gewordene Bescheide ist kein Rechtsschutz, erst recht kein Eilrechtsschutz mehr gegeben. Vorliegend war lediglich der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Widerrufsbescheids gemäß § 69 FGO i. V. m. Art. 45 Abs. 2 UZK statthaft. Einen solchen hat die Antragstellerin nicht - auch nicht hilfsweise - gestellt.

47

e. Der Hilfsantrag zu Ziffer 2. b., der ebenfalls auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO gerichtet ist und sich vom vorherigen Hauptantrag (Ziffer 2. a.) nur dadurch unterscheidet, dass eine Einreihung in die Codenummer 1902 3090 00 0 begehrt wird, ist mit Verweis auf die obigen Ausführungen zur Bestandskraft und zum Ungültigwerden der vZTAe ebenfalls unzulässig. Dem Begehren der Antragstellerin, die Waren hilfsweise in die Codenummer 1902 3090 00 0 einzureihen, hätte ein - vorliegend statthafter - Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Widerrufsbescheids gemäß § 69 FGO i.V.m. Art. 45 Abs. 2 UZK entsprochen. Die Aussetzung der Vollziehung des Widerrufsbescheids hätte zu einem Wiederaufleben der widerrufenen vZTAe, in denen die streitgegenständlichen Waren der Codenummer 1902 3090 00 zugeordnet waren, geführt. Einen solchen Antrag hat die Antragstellerin nicht gestellt. Ob der vorliegende Hilfsantrag in einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Widerrufsbescheids umgedeutet werden kann, kann offenbleiben. Auch dieser bliebe ohne Erfolg, da die Antragstellerin zuvor keinen entsprechenden Antrag beim Antragsgegner gestellt hat (§ 69 Abs. 4 Satz 1 FGO).

48

2. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 135 Abs. 1 und 128 Abs. 3 i. V. m. 115 Abs. 2 FGO.

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Tatbestand 1 I. Die Beteiligten streiten um die Einreihung von Instantnudelgerichten. 2 Die Klägerin importiert Instantnudelgerichte. Eine ihr im Jahr 2010 erteilte verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) reihte "XXX, ... Instant Noodles, ...,

Finanzgericht Hamburg Beschluss, 12. Apr. 2017 - 4 V 16/17

bei uns veröffentlicht am 12.04.2017

Tatbestand 1 I. Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Einfuhrabgabenbescheides ohne Sicherheitsleistung. 2 Die Antragstellerin importierte in den Jahren 2013 bis 2016 in 25 Fällen in Asien hergestellte Planen und me

Bundesfinanzhof Urteil, 12. Apr. 2011 - VII R 20/07

bei uns veröffentlicht am 12.04.2011

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte im Januar 2003 eine Sendung "Drosselspulen mit einer Induktivität von nicht mehr als 62 mH" unter An
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Finanzgericht Hamburg Beschluss, 30. Okt. 2018 - 4 V 27/18

bei uns veröffentlicht am 30.10.2018

Tatbestand 1 I. Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) über die Einreihung von Zierleisten für Pkw-Innenräume. 2 Mit Schreiben vom 19.05.2016 beantragte die Antragstellerin die

Referenzen

(1) Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 4 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die Finanzbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für die betroffene Person eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

(3) Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheids bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheids zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.

(4) Durch Einlegung eines Einspruchs gegen die Untersagung des Gewerbebetriebs oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß.

(5) Gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung kann das Gericht nur nach § 69 Abs. 3 und 5 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung angerufen werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tatbestand

1

I.
Die Beteiligten streiten um die Einreihung von Instantnudelgerichten.

2

Die Klägerin importiert Instantnudelgerichte. Eine ihr im Jahr 2010 erteilte verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) reihte "XXX, ... Instant Noodles, ..., 60g" als Warenzusammenstellung, nicht getrocknet, in die Position 1902 3090 KN ein. In der vZTA heißt es: "Charakterbestimmend sind die Nudeln. Diese sind vorgegart und frittiert. Ein Trocknen im herkömmlichen Sinn hat nicht stattgefunden. Eine Zubereitung zum Herstellen von Suppen im Sinne der Pos 2104 liegt nicht vor." Auf dieser Grundlage überführte die Klägerin über lange Zeit Instantnudelgerichte beanstandungslos in den zollrechtlich freien Verkehr.

3

Nachdem dem Beklagten im Jahr 2012 aufgefallen war, dass das Finanzgericht Hamburg mit Gerichtsbescheid vom 05.11.2007 (4 K 108/06) vergleichbare Instantnudelgerichte als Suppen in die Unterposition 2104 1000 KN eingereiht hatte, fertigte der Beklagte Instantnudelgerichte nur noch unter dieser Unterposition ab. Dementsprechend akzeptierte der Beklagte auch bei der hier in Rede stehenden ergänzenden Zollanmeldung AT/F/...-1 vom 04.02.2013 zum Abrechnungszeitraum 01.01.-31.01.2013 die angemeldete Warentarifnummer 1902 3090 KN nicht, sondern setzte für die Positionen 429, 430, 480, 492, 498-506 dieser Zollanmeldung mit Einfuhrabgabenbescheid AT/F/...-1 vom 06.02.2013 einen Zoll auf der Grundlage der Unterposition 2104 1000 KN fest. Dieser Zollanmeldung lagen Instantnudelgerichte in 60 Gramm-Plastikpackungen zugrunde, die jeweils aus einem Block frittierten Instantnudeln sowie einem oder mehreren Plastikbeuteln, die Gewürze, Pasten, Öle oder getrocknete Zutaten enthalten, bestehen. Die geringelten und vorgegarten (gedämpften) Nudeln haben nach dem Frittieren einen Fettgehalt von ca. 20%. Nach dem auf der Verpackung angegebenen "Zubereitungsbeispiel" werden dem in eine Schüssel gegebenen Inhalt der Packung etwa 320 ml kochendes Wasser zugegeben. Die mit der genannten ergänzenden Zollanmeldung eingeführten Instantnudelgerichte der Geschmacksrichtungen Kim Chi (Position 429, 503), Curry (Position 430, 505), Huhn (Position 480, 499), Ente (Position 492, 498), Shrimps (Position 500, 506), Rind (Position 501), vegetarisch (Position 502) und Thai Suki (Position 504) unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der beigefügten Gewürze, Pasten und Öle. Die Instantnudeln sind jeweils identisch. Auch wenn die Nudeln nach der Verpackungsangabe mit heißem Wasser übergossen zu einer Suppe zubereitet werden sollen, können sie auch ohne weitere Zubereitung, gleichsam wie Kartoffelchips, verzehrt werden.

4

Gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 06.02.2013 legte die Klägerin Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens erließ die Kommission am 11.07.2014 die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014, mit der vergleichbare Instantnudelgerichte nicht als Suppen oder Brühe (Position 2104 KN) sondern als Teigwaren in die Position 1902 KN eintarifiert wurden. Innerhalb dieser Position reihte die Verordnung die frittierten Nudeln als "getrocknet" (1902 3010 KN) ein. Im Zuge der sich anschließenden Diskussion zwischen der deutschen Zollverwaltung und der Kommission veröffentlichte die Kommission am 04.03.2015 eine neue Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN, nach der als "getrocknet" im Sinne dieser Unterposition auch das Rösten und Frittieren zu verstehen sei.

5

Nach Veröffentlichung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 und der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN erließ der Beklagte den Einfuhrabgabenbescheid AT/S/...-2 vom 27.08.2015. Hiermit erhob er im Hinblick auf die Einfuhren von Instantnudelgerichten aus den oben genannten 13 Positionen der ergänzenden Zollanmeldung AT/11/...-3 gemäß Art. 220 ZK auf Grundlage der Unterposition 1902 3010 KN - unter gleichzeitiger Erstattung der aufgrund der Einreihung in die Position 2104 KN mit Einfuhrabgabenbescheid AT/F/...-1 vom 06.02.2013 festgesetzten Zölle - 4.084,70 € Zoll nach.

6

Den hiergegen eingelegten Einspruch (RL ...) begründete die Klägerin wie folgt: Da es in der KN keine Definition des Begriffs "getrocknet" gebe, müsse auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückgegriffen werden. Hier seien beispielsweise die "Leitsätze für Teigwaren" der deutschen Lebensmittel-Kommission heranzuziehen. Danach seien Instantteigwaren zwar als Teigwaren zu bezeichnen; dies gelte jedoch ausdrücklich nicht für frittierte Waren.

7

Mit Einspruchsentscheidung vom 13.11.2015 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Aus der Einreihungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 gehe ausdrücklich hervor, dass der Charakter der Ware - anders als das Finanzgericht Hamburg entschieden habe - durch die im Einfuhrzeitpunkt gewichtsmäßig vorherrschenden Nudeln bestimmt werde. Daher handele es sich nicht um eine Zubereitung zur Herstellung einer Suppe (Position 2104 KN), sondern die Position 1902 KN sei einschlägig. Da die Einreihungsverordnung keine Änderung des Zolltarifs bewirken könne, sondern nur der Klarstellung diene, sei sie auch bei der Einreihung von Waren, die vor ihrem Erlass eingeführt worden seien, zu berücksichtigen. Außerdem müsse die nach den hier in Rede stehenden Einfuhren erlassene Erläuterung zur Kombinierten Nomenklatur ebenfalls sinngemäß berücksichtigt werden. Auf Vertrauensschutz gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) ZK könne sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil sie die ursprüngliche Abgabenerhebung vom 06.02.2013 von vornherein für fehlerhaft gehalten habe und hiergegen Einspruch eingelegt habe.

8

Mit der am 27.11.2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie meint, dass die frittierten Teigwaren, die den Instantnudelgerichten ihren wesentlichen Charakter verliehen, nicht getrocknet seien im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN, sondern dass es sich um andere Teigwaren im Sinne der Unterposition 1902 3090 KN handele. Das Gericht sei an die gegenteilige Rechtsansicht der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN nicht gebunden. Von der Unterposition 1902 3010 KN seien nur Waren erfasst, die einen Trocknungsprozess durchlaufen hätten. Hierbei müsse der Feuchtigkeitsentzug der Hauptzweck der Behandlung sein. Trocknen und Frittieren seien physikalisch unterschiedliche Prozesse. Das Frittieren sei eine Garmethode, um das Lebensmittel in einen verzehrfähigen Zustand zu überführen. Die Waren erhielten durch das Frittieren ihren würzig-aromatischen Geschmack, so dass sie ohne weitere Zubereitung gegessen werden können. Das Trocknen diene dagegen in erster Linie der Haltbarmachung; getrocknete Nudeln müssten vor dem Verzehr noch weiter gegart werden. Beim Trocknen werde durch thermische Umwandlung der Flüssigkeit in ihren gasförmigen Zustand der Feuchtigkeitsgehalt der Ware verringert. Der Austausch von Stoffen sei nicht vorgesehen. Beim Frittieren sei der Feuchtigkeitsentzug dagegen nur ein notwendiger Zwischenschritt, um einen Stoffaustausch zu ermöglichen. Beim Frittieren führe die Maillard-Reaktion - eine Reaktion von Zuckern mit Aminosäuren - dazu, dass das Eiweiß denaturiere, die Stärke verkleistere und sich Aromen bildeten. Hierbei könnten auch potentiell gefährliche Stoffe wie Acrylamid entstehen. Gleichzeitig nehme das Lebensmittel das Frittierfett auf. Die Instantnudeln hätten einen Fettgehalt von 17-20 %, getrocknete Nudeln dagegen von ca. 2 %.Diese physikalischen Unterschiede zwischen getrockneten und frittierten Waren würden auch in der Kombinierten Nomenklatur nachvollzogen. An keiner anderen Stelle würden nämlich frittierte Produkte unter "getrocknete" Produkte subsumiert. Sie würden vielmehr immer als zubereitete Waren angesehen. So würden etwa frittierte Bananen und Erbsen nicht als getrocknete Bananen oder getrocknete Hülsenfrüchte (Unterpositionen 0803 3909 und 0713 1090 KN) eingereiht. Frittierte Bananenchips seien vielmehr in die Unterposition 2008 9967 KN als in anderer Weise zubereitete oder haltbar gemachte Früchte einzutarifieren. Frittierte Erbsen seien als anderes Gemüse, anders als mit Essig zubereitet oder haltbar gemacht (Unterposition 2005 4000 KN), einzureihen.

9

Außerhalb des Zollrechts unterscheide die Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 im Anhang II Teil I Nr. 04.2.6 Gruppe I zwischen "getrockneten Kartoffelprodukten" einerseits und "vorfrittierten gefrorenen oder tiefgefrorenen Kartoffeln" andererseits. Die Verordnung (EG) 1333/2008 differenziere im Anhang II Teil D "Lebensmittelkategorien" zwischen "trockene[n] Teigwaren" (Nr. 06.4.2) und "Noodles (Nudeln asiatischer Art)" (Nr. 06.5). Unerheblich sei die Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN. Sie widerspreche nämlich dem Wortlaut dieser Unterposition. Daher ändere sie die Rechtslage. Außerdem sei sie zeitlich nicht anwendbar auf Einfuhren vor dem 04.03.2015. Der EuGH habe in den Verfahren C-106/75, C-393/93 und C-165/07 festgestellt, dass Erläuterungen nicht auf Einfuhren anzuwenden seien, die vor ihrem Erlass stattgefunden hätten. Wenn Erläuterungen erst ab ihrem Erlass gälten, müsse eine andere rechtliche Bewertung für den davorliegenden Zeitraum möglich sein.

10

Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid AT/S/...-2 vom 27.08.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.11.2015 dahingehend abzuändern, dass die Abgabenerhebung auf der Grundlage der Unterposition 1902 3090 KN erfolgt.

11

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

12

Klärungsbedürftig sei zwischen den Beteiligten nur, ob es sich bei Instantnudelgerichten, deren wesentliche Bestandteile unstreitig frittierte Nudeln seien, um getrocknete Teigwaren (Unterposition 1902 3010 KN) oder andere als getrocknete Teigwaren (Unterposition 1902 3090 KN) handele. Die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur seien für die Zollbehörde bindende Dienstanweisungen. Daher seien sie auch auf den hier in Rede stehenden Sachverhalt anwendbar. Die Erläuterungen könnten nie zu einer Änderung der Rechtslage führen, nur das Verständnis einer bestehenden Rechtslage ändern. Nach Veröffentlichung der Erläuterung habe die deutsche Zollverwaltung ihre Auffassung geändert. Sie gehe nunmehr davon aus, dass auch das Frittieren ein Trocknen im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN darstelle. Auch ohne die Erläuterung sei das Frittieren ein Trocknen im genannten Sinne. Die Unterposition 1902 3010 KN stelle allein darauf ab, dass die Teigwaren "getrocknet" seien, also durch eine Behandlung einen trockenen Zustand erreichten. Welche anderen Eigenschaften sie darüber hinaus hätten, sei für die Einreihung nicht relevant. Es sei unerheblich, ob die Trocknung der Hauptzweck der Behandlung sei. Auch im Codex Alimentarius der UN werde das Frittieren ("frying") als Trocknung ("dehydration") bezeichnet.

13

Ergänzend wird auf die Sachakte des Beklagten sowie das Protokoll des Erörterungstermins vom 27.06.2017 verwiesen.

14

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung über das Vorlageersuchen ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

15

II.
Der Senat setzt das Verfahren in analoger Anwendung des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 S. 1 Buchst. b) des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die im Tenor genannte Frage zur Vorabentscheidung vor, weil die rechtliche Würdigung des Falles unionsrechtlich zweifelhaft ist.

16

1. Rechtlicher Rahmen

17

Den rechtlichen Rahmen für die Entscheidung bildet die im maßgeblichen Zeitpunkt der Einfuhr (dazu 1.1) gültige Unterposition 1902 30 KN ("andere Teigwaren") mit ihren TARIC-Untergliederungen sowie die Anmerkung Nr. 2 zum Abschnitt I KN (dazu 1.2). In den Blick zu nehmen sind weiter die Verordnung (EG) Nr. 635/2005 (dazu 1.3), die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 (dazu 1.4) sowie die Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN (dazu 1.5). Schließlich sind die Erläuterungen zur Position 1902 HS zu beachten (dazu 1.6). Im Einzelnen:

18

1.1 Die Klägerin hat eine Abänderungsklage (§ 100 Abs. 2 FGO) erhoben. Das vorlegende Gericht würde den angefochtenen Einfuhrabgabenbescheid abändern, wenn die Einfuhrabgaben auf der Grundlage der Unterposition 1902 3090 KN festgesetzt werden müssten. Hierfür ist nach mitgliedstaatlichem Verfahrensrecht unter Berücksichtigung des materiellen Rechts auf den Zeitpunkt der Einfuhr abzustellen. Dies ist hier Januar 2013.

19

1.2 Damit gilt Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif vom 23.07.1987 (ABl. EG L 256/1; im Folgenden: Kombinierte Nomenklatur [KN]) in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 927/2012 vom 09.10.2012 (ABl. EU L 304/1), sowie die hierauf aufbauenden Unterpositionen des Integrierten Tarifs der Europäischen Gemeinschaften (TARIC) gemäß Art. 2 Verordnung (EWG) Nr. 2658/87.

20

Die Position 1902 KN lautet wie folgt:

21

Teigwaren, auch gekocht oder gefüllt (mit Fleisch oder anderen Stoffen) oder in anderer Weise zubereitet, z. B. Spaghetti, Makkaroni, Nudeln, Lasagne, Gnocchi, Ravioli, Cannelloni; Couscous, auch zubereitet[.]

22

Während die Unterpositionen 1902 11 und 1902 19 KN nicht zubereitete Teigwaren und die Unterposition 1902 20 KN gefüllte Teigwaren erfassen, befasst sich die hier relevante Unterposition 1902 30 KN mit "anderen Teigwaren". Diese Unterposition lautet:

23

KN-Code

Warenbezeichnung

vertragsmäßiger Zollsatz (%)

1902 30

- - andere Teigwaren:

        

1902 3010    

- - getrocknet

6,4 + 24,6 €/     100 kg/net

1902 3090

- - andere:

6,4 + 9,7 €/       100 kg/net

24

Die Unterposition 1902 30 10 KN wird im TARIC wie folgt weiter untergliedert:

25

1902 3010 10 0

durchsichtige Nudeln, in Stücke geschnitten, hergestellt aus Bohnen der Art Vigna radiata (L.) Wilczek, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf

1902 3010 91

andere

26

Die Unterposition 1902 3090 KN wird im TARIC nicht weiter untergliedert.

27

Die Anmerkung Nr. 2 zum Abschnitt I KN lautet:

28

Soweit nichts anderes bestimmt ist, gilt in der Nomenklatur jede Bezugnahme auf getrocknete Waren auch für entwässerte, eingedampfte oder gefriergetrocknete Waren.

29

1.3 Die Verordnung (EG) Nr. 635/2005 der Kommission vom 26.04.2005 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. L 106/10) reihte eine Warenzusammenstellung von ca. 80 g Instantnudeln mit Gewürzen, die nach Packungsangaben mit 200 ml Wasser übergossen werden sollen, in die Unterposition 1902 3010 ein. Warenbezeichnung und Begründung für die Einreihung lauten gemäß Nr. 1 des Anhangs der Verordnung wie folgt:

30

Warenbezeichnung

Begründung

Erzeugnis, bestehend aus vorgekochten, getrockneten Teigwaren aus Weizenmehl (ungefähr 80 g) Gewürzen (ungefähr 11 g).
Das Erzeugnis ist aufgemacht für den Einzelhandel in einer 250 ml fassenden Schale aus geschäumtem Polystyrol, in der sich neben den Teigwaren ein kleiner Beutel mit den Gewürzen befindet.
Gemäß den Angaben auf der Verpackung sind die Gewürze und kochendes Wasser (max. 200 ml) den Teigwaren in der Schale hinzuzufügen; nach drei Minuten sind die Teigwaren zum Verzehr bereit.
[...]

Die Einreihung erfolgt gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1, 3 b und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur sowie dem Wortlaut der KN-Positionen 1902, 1902 30 und 1902 30 10.
Das Erzeugnis stellt eine für den Einzelhandel aufgemachte Warenzusammenstellung dar. Der hohe Anteil an Teigwaren verleiht der Ware ihren wesentlichen Charakter.
Das Erzeugnis kann nicht in Position 2104 eingereiht werden, weil die in die Schale hinzugefügte Menge an Wasser nicht ausreichend ist, um eine Suppe oder Brühe herzustellen, sondern ihm den Charakter eines Nudelgerichts verleiht.

31

1.4 Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 der Kommission vom 11.07.2014 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. EU L 209/12) wurde eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung zur Zubereitung eines Nudelgerichts ebenfalls in die Unterposition 1902 3010 KN eingereiht. Warenbezeichnung und Begründung der Einreihung lauten wie folgt:

32

Warenbezeichnung

Begründung

Ware, bestehend aus einem Block aus getrockneten vorgekochten Nudeln (etwa 65 g), einem Beutel mit Würzmitteln (etwa 3,4 g), einem Beutel mit Speiseöl (etwa 2 g) und einem Beutel mit getrocknetem Gemüse (etwa 0,8 g).
Bei der Ware handelt es sich um eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung (zusammen verpackt) zur Zubereitung eines Nudelgerichts.
Gemäß den Angaben auf der Verpackung muss vor dem Verzehr kochendes Wasser hinzugegeben werden.

Einreihung gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1, 3 b und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur sowie nach dem Wortlaut der KN- Codes 1902, 1902 30 und 1902 30 10.
Bei der Ware handelt es sich um eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung im Sinne der Allgemeinen Vorschrift 3 b. Ihr wesentlicher Charakter wird der Ware durch die Nudeln verliehen, da diese den größten Teil der Ware ausmachen. Eine Einreihung der Ware in die Position 2104 als Suppen oder Brühen oder Zubereitungen zum Herstellen von Suppen oder Brühen ist somit ausgeschlossen.
Die Ware ist als Teigwaren, auch gekocht oder gefüllt oder in anderer Weise zubereitet, in die Position 1902 einzureihen.

33

Darüber hinaus wurde mit der Durchführungsverordnung (EU) 2015/183 der Kommission vom 02.02.2015 (ABl. EU L 31/5) die Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 gestrichen. Im 3. Erwägungsgrund der Durchführungsverordnung (EU) 2015/183 wird zur Begründung dieser Streichung ausgeführt:

34

Zwar sind beide Waren [d.h. die der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014] in dieselbe Position eingereiht, doch die Einreihung der Waren in Position 2104 der Kombinierten Nomenklatur wird mit unterschiedlichen Begründungen ausgeschlossen. Bei der erstgenannten Ware [der Verordnung (EG) Nr. 635/2005] stellt die Begründung der Einreihung auf die Menge des hinzugefügten Wassers ab, bei der letztgenannten Ware [der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014] hingegen auf die Menge der enthaltenen Nudeln. Die Heranziehung der hinzugefügten Menge Wasser als Kriterium für die Einreihung solcher Waren kann jedoch zu Abweichungen bei der Einreihung führen, die angesichts der Tatsache, dass beide Waren die gleichen Merkmale und Eigenschaften aufweisen, nicht gerechtfertigt wären. Das einzige anwendbare Kriterium sollte daher die Menge der in der Ware enthaltenen Nudeln sein.

35

1.5 Nach Auffassung der deutschen Zollverwaltung war auch nach Erlass der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 noch nicht abschließend geklärt, welche Nudeln als "getrocknet" im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN gelten. Zur Klärung dieser Frage hat die Kommission eine Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN erlassen, die erstmals in der konsolidierten Fassung der Erläuterungen der Europäischen Kommission zur Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Union (im Folgenden: Erläuterungen zur KN), die am 04.03.2015 veröffentlicht wurde (ABl. EU C 76/1), enthalten ist. Diese neue Erläuterung lautet:

36

Der Ausdruck "getrocknet" im Sinne dieser Unterposition bezieht sich auf Waren in trockenem und brüchigem Zustand mit einem geringen Feuchtigkeitsgehalt (bis etwa 12%), die entweder direkt in der Sonne getrocknet oder einem industriellen Trocknungsverfahren (z. B. Tunneltrocknung, Rösten oder Frittieren) unterzogen wurden.

37

1.6 Die Erläuterungen zur Position 1902 HS lauten in der deutschen Übersetzung (Europäischer Zolltarif [EZT] Nr. 04.0):

38

Die Waren werden im allgemeinen vor dem Verkauf getrocknet, um ihren Transport und ihre Lagerung zu erleichtern und ihre Haltbarkeit zu verlängern. In diesem Zustand sind sie zerbrechlich. Zu dieser Position gehören auch nichtgetrocknete (d. h. feuchte oder frische) und gefrorene Waren, z. B. frische Gnocchi und gefrorene Ravioli.

39

2. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage

40

2.1 "Getrocknet" im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN

41

Die Klägerin begehrt die Änderung eines Einfuhrabgabenbescheids, mit dem für die Einfuhr von Instantnudeln im Januar 2013 Zoll gemäß Art. 220 ZK nacherhoben wurde. Die Klägerin hatte diese Nudeln als "andere" als "getrocknet[e] andere Teigwaren" unter der Unterposition 1902 3090 KN (vertragsmäßiger Zollsatz: 6,4 % + 9,7 €/100 kg/net) zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet. Der Beklagte akzeptierte diese Einreihung nicht, sondern nahm die Zollanmeldung unter der Unterposition 2104 1000 KN (vertragsmäßiger Zollsatz: 11,5 %) an. Nachdem der Beklagte aufgrund des Erlasses der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 seine Einreihungsauffassung geändert hatte, reihte er im Nacherhebungsbescheid vom 27.08.2015, der mit der Klage angegriffen wird, die Instantnudelgerichte nunmehr als "andere Teigwaren", "getrocknet" in die Unterposition 1902 3010 KN ein. Für diese Unterposition ist ein vertragsmäßiger Zollsatz in Höhe von 6,4 % + 24,6 €/100 kg/net vorgesehen. Die auf Abänderung des Nacherhebungsbescheids gerichtete Klage hätte Erfolg, wenn die Instantnudeln - innerhalb der einzig in Betracht kommenden Unterposition 1902 30 KN für "andere Teigwaren" - nicht in die Unterposition 1902 3010 KN, sondern in die Unterposition 1902 3090 KN einzureihen wären. Hierfür kommt es darauf an, ob die hier in Rede stehenden Instantnudeln, die frittiert sind, als getrocknete Teigwaren (Unterposition 1902 3010 KN) oder als andere, d. h. nicht getrocknete, Teigwaren (Unterposition1902 3090 KN) anzusehen sind. Konziser formuliert kommt es darauf an, ob frittiert getrocknet ist.

42

Eine Einreihung in die Unterposition 2104 1000 KN zieht das vorlegende Gericht in Übereinstimmung mit den Verfahrensbeteiligten nicht mehr in Betracht. Die im Gerichtsbescheid vom 05.11.2007 (4 K 108/06) vertretene Rechtsauffassung basierte auf einer Auslegung der Begründung von Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 der Kommission vom 26.04.2005. Wie die Begründung der Aufhebung von Nr. 1 dieser Verordnung durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/183 zeigt (siehe oben 1.4), hält die Kommission an dieser Rechtsauffassung nicht mehr fest.

43

2.2 Verordnung (EG) Nr. 635/2005

44

Das vorlegende Gericht fragt nicht nach der Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 635/2005, soweit es um die Einreihung der in Nr. 1 des Anhangs genannten Ware geht, weil es hierauf für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht ankommt. Zwar sind Einreihungsverordnungen als gegenüber der KN speziellere Regelung mit Normcharakter (EuGH, Urt. v. 13.07.2006, C-14/05, ECLI:EU:C:2006:465, Rn. 29 - Anagram; Urt. v. 15.12.1971, Rs. 77/71, ECLI:EU:C:1971:129, Rn. 8 - Gervais-Danone), durch die die Einreihung der von ihr erfassten Produkte verbindlich geregelt wird, im Rahmen ihres Anwendungsbereichs vorrangig heranzuziehen. Da die Verordnung (EG) Nr. 635/2005 erst durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/183 mit Wirkung vom 27.02.2015 aufgehoben wurde, war sie im hier maßgeblichen Zeitpunkt - Januar 2013 - auch zeitlich anwendbar.

45

Die Verordnung (EG) Nr. 635/2005 ist im Hinblick auf die in Nr. 1 des Anhangs geregelte Ware jedoch sachlich nicht auf die hier in Rede stehenden Instantnudelgerichte anwendbar. Da Letztere nicht identisch mit dem in der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 tarifierten Instantnudelgericht sind, käme allenfalls eine entsprechende Anwendung dieser Verordnung in Betracht. Hierzu müssten die einzureihenden und die in der Einreihungsverordnung bezeichneten Waren einander hinreichend ähnlich sein (EuGH, Urt. v. 22.03.2017, C-435/15 und C-666/15, ECLI:EU:C:2017:232, Rn. 38 m. w. N. - Grofa). Für die Beantwortung der Frage, ob Waren einander hinreichend ähnlich sind, ist auch die Begründung der Einreihungsverordnung zu berücksichtigen (a. a. O.). In der Entscheidung Grofa hatte der EuGH die entsprechende Anwendung einer Einreihungsverordnung trotz gewisser Produktähnlichkeiten abgelehnt, weil gerade das tatsächliche Merkmal, das nach der Einreihungsverordnung für die Tarifierung ausschlaggebend war, bei dem einzureihenden Produkt fehlte (Rn. 39).

46

Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die hier in Rede stehenden Instantnudelgerichte und das in Nr. 1 des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 tarifierte Instantnudelgericht nicht hinreichend ähnlich. Zwar bestehen beide Warenzusammenstellungen aus frittierten Nudeln (die Beschreibung "getrocknet" in der Warenbeschreibung der Verordnung [EG] Nr. 635/2005 enthält bereits eine rechtliche Wertung) und Gewürzen. Auch muss nach den jeweiligen Verpackungsangaben kochendes Wasser hinzugefügt werden. Aus dem letzten Absatz der Begründung in Nr. 1 des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 wird jedoch deutlich, dass es für die Einreihung des durch sie erfassten Instantnudelgerichts im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen den Positionen 2104 KN und 1902 KN entscheidend darauf ankommt, wie groß die den Nudeln hinzugefügte Menge an Wasser ist. Auf Grundlage dieser rechtlichen Prämisse konnte die Einreihung in eine Unterposition der Position 1902 KN nur deshalb erfolgen, weil bei einem Verhältnis von 80 g Nudeln zu 200 ml hinzugefügtem Wasser (Verhältnis von 2:5) der Nudelanteil überwiegt und damit dem Gericht insgesamt den Charakter eines Nudelgerichts verleiht.

47

Dieselbe Schlussfolgerung lässt sich für die hier in Rede stehenden Instantnudelgerichte gerade nicht ziehen. Sie bestehen nämlich lediglich aus 60 g Nudeln, denen nach der Verpackungsangabe etwa 320 ml kochendes Wasser zugefügt werden können. Bei einem solchen Nudel-Wasser-Verhältnis von ca. 1:5 lässt sich nicht mehr davon sprechen, dass die Nudeln charakterbestimmend seien (In diesem Sinne auch die Einreihungsgutachten der Zollverwaltung vom 07.11.2012 für die Instantnudeln mit den Geschmacksrichtungen Rind, Ente, Huhn und Shrimp, Teil I Bl. 1-4 der Sachakte).

48

Da die hier in Rede stehenden Instantnudelgerichte bezüglich des - aus Sicht der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 - entscheidenden Tarifierungsmerkmals des Wasser-Nudel-Verhältnisses einen erheblichen Unterschied aufweisen, der eine Einreihung in verschiedene KN-Positionen erfordert, sind sie dem durch diese Verordnung eingereihten Instantnudelgericht nicht hinreichend ähnlich, so dass eine entsprechende Anwendung der Verordnung auf sie ausscheidet.

49

2.3 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014

50

Das vorlegende Gericht fragt nicht nach der Gültigkeit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014, weil es hierauf für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits ebenfalls nicht ankommt. Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 dürfte zwar in sachlicher Hinsicht auf die hier in Rede stehenden Instantnudeln anwendbar sein. Sie ist jedoch in zeitlicher Hinsicht nicht auf den Streitfall anwendbar, weil Einreihungsverordnungen nicht rückwirkend angewandt werden dürfen (EuGH, Urt. v. 17.07.2014, Rs. C-472/12, ECLI:EU:C:2014:2082, Rn. 58 - Panasonic/Scerni Logistics; Urt. v. 24.11.1971, Rs. 30/71, ECLI:EU:C:1971:111, Rn. 8 - Siemers; Urt. v. 15.12.1971, Rs. 77/71, ECLI:EU:C:1971:129, Rn. 8 - Gervais-Danone; Urt. v. 28.03.1979, Rs. 158/78, ECLI:EU:C:1979:87, Rn. 11 - Biegi; BFH, Urt. v. 21.02.2017, VII R 2/15, juris Rn. 14). Die dem angefochtenen Einfuhrabgabenbescheid zu Grunde liegenden Einfuhren fanden im Januar 2013 statt, also bevor die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 im August 2014 in Kraft getreten ist. Dies bedeutet, dass diese Verordnung bei der hier in Rede stehenden Einreihungsfrage - unabhängig davon, ob sie ihrerseits gültig ist - unberücksichtigt gelassen werden muss. Mit anderen Worten: Das vorlegende Gericht wäre, sollte der EuGH die Vorlagefrage verneinen, nicht gehindert, die im Januar 2013 eingeführten Instantnudeln in die Unterposition 1902 3090 KN einzureihen, obwohl die Durchführungsverordnung vergleichbare Waren in die Unterposition 1902 3010 KN einreiht.

51

2.4 Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN

52

Das vorlegende Gericht fragt auch nicht nach der Auslegung oder Gültigkeit der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN, weil es hierauf für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht ankommt.

53

Die Erläuterungen zur KN sind ein wichtiges, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der Tragweite der einzelnen Tarifpositionen (EuGH, Urt. v. 15.12.2016, C-700/15, ECLI:EU:C:2016:95, Rn. 41 - LEK; Urt. v. 17.2.2016, C-124/15, EU:C:2016:87, Rn. 31 - Salutas Pharma; Urt. v. 20.11.2014, Rs. C-666/13, ECLI:EU:C:2014:2388, Rn. 25 - Rohm Semiconductor; Urt. v. 15.04.2014, C-297/13, ECLI:EU:C:2014:331, Rn. 31 - Data I/O; Urt. v. 17.07.2014, Rs. C-480/13, ECLI:EU:C:2014:2097, Rn. 30 m. w. N. - Sysmex Europe). Ihre Anwendung würde im vorliegenden Fall dazu führen, dass die Vorlagefrage eindeutig bejaht werden müsste, weil sie insbesondere das Frittieren als Beispiel für ein industrielles Trocknungsverfahren nennt.

54

Gleichwohl muss das vorlegende Gericht nicht nach der Auslegung oder Gültigkeit der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN fragen. Sie ist nämlich in zeitlicher Hinsicht nicht auf den Streitfall anwendbar. Auch Erläuterungen zur KN sind nur zu berücksichtigen, wenn sie im maßgeblichen Zeitpunkt - hier der Einfuhr der Instantnudelgerichte im Januar 2013 - schon in Kraft getreten sind (vgl. EuGH, Urt. v. 08.04.1976, Rs.106/75, ECLI:EU:C:1976:59, Rn. 4 - Merkur-Außenhandel; Urt. v. 09.08.1994, C-393/93, ECLI:EU:C:1994:258, Rn. 19 - Stanner; Urt. v. 22.05.2008, C-165/07, ECLI:EU:C:2008:302, Rn. 40 - Ecco; BFH, Urt. v. 30.08.1988, VII R 178/85, juris Rn. 12). Dies ist nicht der Fall, da die Erläuterung erst im Jahr 2015 veröffentlicht wurde.

55

Sofern zeitlich nicht anwendbare Erläuterungen zur KN zur Bestätigung eines bereits gefundenen Einreihungsergebnisses herangezogen (so EuGH, Urt. v. 08.04.1976, Rs.106/75, ECLI:EU:C:1976:59, Rn. 4 - Merkur-Außenhandel; Urt. v. 09.08.1994, C-393/93, ECLI:EU:C:1994:258, Rn. 19 - Stanner; Urt. v. 22.05.2008, C-165/07, ECLI:EU:C:2008:302, Rn. 40 - Ecco) oder bei "unveränderter Tariflage" zur Klärung "noch bestehende[r] Einreihungszweifel" angewendet wurden (so BFH, Urt. v. 01.03.2001, VII R 90/99, juris Rn. 22), ergibt sich hieraus im Ausgangsrechtsstreit keine Entscheidungserheblichkeit der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN. Eine solche "bestätigende" Anwendung von Erläuterungen außerhalb ihres zeitlichen Anwendungsbereichs hat nämlich zur Prämisse, dass sie ihrerseits mit der KN im Einklang stehen und deren Bedeutung nicht verändern (zu diesem Erfordernis: EuGH, Urt. v. 15.09.2005, C-495/03, ECLI:EU:C:2005:754:552 Rn. 48 - Intermodal Transports, Urt. v. 08.12.2005, C-445/04, ECLI:EU:C:2005:754, Rn. 20 - Possehl Erzkontor, Urt. v. 16.02.2006, C-500/04, ECLI:EU:C:2006:111, Rn. 22 - Proxxon; Urt. v. 05.06.2008, Rs. C-312/07, ECLI:EU:C:2008:324, Rn. 34 - JVC France). Diese Frage muss notwendigerweise allein durch Auslegung der Unterposition 1902 3010 KN geklärt werden.

56

3. Rechtliche Erwägungen des Senats

57

Im vorliegenden Rechtsstreit geht es einzig um die Frage, ob frittierte Nudeln "getrocknet" im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN sind. Im Ausgangspunkt ist festzustellen, dass der Begriff "getrocknet" vielfach in der KN verwendet, jedoch an keiner Stelle definiert wird. Das Wort "frittiert" findet sich in der KN nicht. In einer solchen Situation kann für die Ermittlung des tarifrechtlichen Bedeutungsgehalts eines Begriffs auch auf die Verkehrsauffassung und das allgemeine Sprachverständnis zurückgegriffen werden (vgl. Lux, in: Dorsch, Zollrecht, 80. EL März 2001, VO KN Einführung Rn. 194; Alexander, in: Witte, Zollkodex, 5. Auflage 2013, Art. 20 Rn. 48).

58

Vorab ist für die Auslegung des Begriffs "getrocknet" zunächst zu klären, ob es tarifrechtlich überhaupt zulässig wäre, für die Einreihung auf die Art der Herstellung - hier: die Anwendung eines Trocknungsverfahrens - abzustellen. Es ist in der Rechtsprechung nämlich hinlänglich geklärt, dass grundsätzlich für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein nur auf die objektiven Merkmale und Eigenschaften abzustellen ist, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (siehe nur EuGH, Urt. v. 15.12.2016, C-700/15, ECLI:EU:C:2016:95, Rn. 39 - LEK m. w. N.). Auf die Art und Weise der Herstellung eines Erzeugnisses kann es nur dann ankommen, wenn die betreffende Tarifposition dies ausdrücklich vorschreibt (EuGH, Urt. v. 25.05.1989, Rs. 40/88, ECLI:EU:C:1989:214, Rn. 15 - Weber; Urt. v. 08.12.1987, Rs 42/86, ECLI:EU:C:1987:526, Rn. 13 - Artimport; Urt. v. 28.07.2011, C-215/10, ECLI:EU:C:2011:528, Rn. 40 - Pacific World/FDD International). Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist dies vorliegend der Fall. Wie noch darzulegen sein wird (dazu 3.1), deutet die Verwendung des Partizips Perfekt "getrocknet" darauf hin, dass die Ware ein Verfahren durchlaufen haben muss, bei dem es Feuchtigkeit verloren hat, mithin getrocknet wurde. Wenn allein auf die Beschaffenheit abgestellt werden sollte, hätte das Adjektiv "trocken" (wie bspw. in der Unterposition 1302 2010 KN [Pektinstoffe, Pektinate und Pektate, trocken]; Zusätzliche Anmerkung Nr. 3 zu Kapitel 19 KN [Unter die Unterposition 1905 90 20 fallen nur trockene und spröde Erzeugnisse]; Unterpositions-Anmerkung Nr. 1 zu Kapitel 27 KN [trockene, mineralstofffreie Substanz]) verwendet werden können.

59

Vor diesem Hintergrund soll zunächst die allgemeine Bedeutung des Wortes "getrocknet" beschrieben werden (dazu 3.1). Sodann ist auf die lebensmittelchemischen Unterschiede zwischen dem Trocknen und dem Frittieren einzugehen (dazu 3.2). Hiervon ausgehend soll dargelegt werden, welche Erkenntnisse sich über die Auslegung des Begriffs "getrocknet" aus der Systematik der KN ableiten lassen (dazu 3.3). Weiter sollen die Erläuterungen zur Position 1902 HS in den Blick genommen werden (dazu 3.4).

60

3.1 Allgemeines Wortverständnis

61

In seiner - hier einzig in Betracht kommenden - intransitiven Bedeutung heißt "trocknen" im allgemeinen Sprachgebrauch "vom nassen in den trockenen Zustand übergehen; Feuchtigkeit verlieren" (https://de.wiktionary.org/wiki/trocknen; ähnlich die Definition in www.duden.de). Zu beachten sein dürfte, dass in der KN nicht der Infinitiv, sondern das Adjektiv "getrocknet", das aus dem Partizip Perfekt von "trocknen" gebildet wird, Verwendung findet. Mit diesem Begriff wird demnach ein Gegenstand bezeichnet, der Feuchtigkeit verloren hat. Auch das englische Verb "dry" hat eine sehr allgemeine Bedeutung. So wird es definiert als "free or relatively free from a liquid and especially water" (www.merriam-webster.com/dictionary/dried). Nach diesem Wortverständnis sind alle Gegenstände getrocknet, die Flüssigkeit verloren haben. Dies trifft auch auf frittierte Teigwaren zu, da Lebensmittel beim Frittieren zwingend Wasser verlieren. Im Zusammenhang mit Lebensmitteln hat das Wort "getrocknet" jedoch auch im allgemeinen Sprachgebrauch eine engere Bedeutung. So sind getrocknete Bananen, Äpfel oder Mangos Früchte, die ein Trocknungsverfahren durchlaufen haben, um die Früchte haltbar zu machen. Das englische Adjektiv "dried" hat ebenfalls diese Bedeutung von "[to p]reserve by allowing or encouraging evaporation of moisture from." (Oxford Dictionary of English, 3. Auflage 2010, S. 539, Stichwort: "dried"). Das Adjektiv "getrocknet" im Sinne von "ein Trocknungsverfahren durchlaufen habend" ist abzugrenzen vom Adjektiv "trocken", das allgemeiner die Abwesenheit von Feuchtigkeit bezeichnet. Wenn getrocknete Lebensmittel solche Lebensmittel sind, die ein Trocknungsverfahren durchlaufen haben, stellt sich die Frage, ob nach dem allgemeinen Wortverständnis das Frittieren ein Trocknungsverfahren ist. Es könnte sich hierbei um jedes Verfahren handeln, das dazu führt, dass die Ware nach Anwendung des Verfahrens trocken ist. Nach diesem Wortverständnis kann auch das Frittieren ein Trocknungsverfahren sein, weil man - wie auch bei den hier in Rede stehenden Instantnudeln - eine Ware so lange frittieren kann, bis sie trocken ist. Dieses Verständnis des Begriffs "Trocknung" scheint einer Publikation der World Instant Noodles Association - einem Branchenverband - zugrunde zu liegen. Dort wird die Behandlung, die auch die hier in Rede stehenden Instantnudeln erfahren, als "rapidly drying noodles through flash-frying in oil" (Sachakte Teil 3, Bl. 15) bezeichnet. Danach stellt das Schnellfrittieren (flash-frying) eine Trocknungsmethode dar.

62

Das vorlegende Gericht neigt allerdings zu einem engeren Verständnis dessen, was ein Trocknungsverfahren ist. Das Trocknen von Lebensmitteln stellt nach der Verkehrsauffassung ein Verfahren zur Haltbarmachung dar. Es ist abzugrenzen von Garmethoden (z. B. kochen, grillen, braten), zu denen auch das Frittieren gehört (siehe die Übersicht bei https://de.wikipedia.org/wiki/Grundzu-bereitungsart). Das Garen wiederum ist eine Behandlung, die der Zubereitung von Lebensmitteln dient. Zubereiten bedeutet, die Lebensmittel in einen verzehrfähigen Zustand zu überführen. Zwar führen die meisten Garmethoden auch dazu, dass Lebensmittel haltbarer sind. Dies ist jedoch nicht der Hauptzweck des Garens. Versteht man "getrocknet" als Beschreibung einer Ware, die einen Trocknungsprozess durchlaufen hat, könnten frittierte (oder gegrillte oder gebratene) Teigwaren knusprig oder fettig oder - wenn sie lange genug frittiert werden - auch trocken sein. Sie könnten jedoch nie "getrocknet" sein, weil das Frittieren eine Garmethode, jedoch keine Trocknungsmethode ist. Diese Differenzierung findet sich auch im deutschen Recht der Lebensmittelkennzeichnung. So finden die "Leitsätze für Teigwaren" vom 02.12.1998 (BAnz. Nr. 66a vom 09.04.1999), die von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission - einer vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eingesetzten Expertenkommission (§§ 15 f. LFGB) - herausgegeben werden, ausdrücklich auf frittierte Erzeugnisse keine Anwendung (Ziff. I.A.1. a. E.). Teigwaren im Sinne dieser Leitsätze sind damit alle Teigwaren, die ohne Anwendung eines Gärungs- oder Backverfahrens hergestellt werden.

63

Außerhalb des Zollrechts unterscheidet die Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 (ABl. 2011 L 295/1), die sich mit Lebensmittelzusatzstoffen befasst, im Anhang II Teil I Nr. 04.2.6 Gruppe I zwischen "getrockneten Kartoffelprodukten" einerseits und "vorfrittierten gefrorenen oder tiefgefrorenen Kartoffeln" andererseits.

64

Der Codex Standard for Instant Noodles der Codex Alimentarius-Kommission der UN, auf den der Beklagte verwiesen hat, scheint diesem engen Trocknungsbegriff nur auf den ersten Blick entgegenzustehen. Nach diesem Codex Standard werden Instantnudeln einer Vor-Verkleisterung (pregelatinization) und einer Dehydration (dehydration) unterzogen, die durch Frittieren oder durch andere Methoden erfolgen können. Wenn also das Frittieren zu einem Wasserentzug führt, könnte man das Frittieren auch als Trocknung bezeichnen. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts beschreibt der Codex Standard jedoch lediglich die chemischen Vorgänge, die beim Frittieren (auch) stattfinden. Es kommt nämlich insbesondere zu einer Verkleisterung und zu einem Wasserentzug. Zur Frage, ob das Frittieren auch ein Trocknungsverfahren ist, verhält sich der Codex Standard dagegen wohl nicht.

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3.2 Lebensmittelchemische Unterschiede

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Für das engere Verständnis von "getrocknet", zu dem das vorlegende Gericht neigt, sprechen auch die fundamentalen lebensmittelchemischen Unterschiede zwischen dem Frittieren und dem Trocknen. Während das Frittieren ein Garverfahren ist, bei dem neben dem beiläufig erfolgenden Wasserentzug zahlreiche komplexe chemische Reaktionen ablaufen, ist das Trocknen ein Trennverfahren, das lediglich zum Feuchtigkeitsentzug führt. Im Einzelnen:

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Das Frittieren ist ein Garen im heißen Fettbad bei Temperaturen zwischen 150 und 175 Grad Celsius (Ternes/Täufel/Tunger/Zobel [Hrsg.], Lebensmittellexikon, 4. Auflage 2005 [Lebensmittellexikon], S. 602; Kurzhals [Hrsg.], Lexikon Lebensmitteltechnik, 2003, [Lexikon Lebensmitteltechnik], S. 437, Stichwort: Frittieren). Durch die Zuführung thermischer Energie werden komplexe chemische Prozesse angestoßen. So führt das Frittieren
* zum Denaturieren der Proteine (Eiweißgerinnung),
* zum Zellaufschluss,
* zur Stärkeverkleisterung,
* zur Freisetzung von Aromen durch nichtenzymatische Bräunung (Maillard-Reaktion) und
* zum Abtöten von Mikroorganismen.

68

Das Trocknen ist dagegen kein Garverfahren, sondern ein thermisches oder mechanisches Trennverfahren (Lexikon Lebensmitteltechnik, S. 1115, Stichwort: Trocknen). Es dient der Konservierung und beruht auf der Unterbindung des Mikroorganismenwachstums und der Hemmung chemischer und enzymatischer Vorgänge durch Entfernung des hierfür notwendigen Wassers (Lebensmittellexikon, S. 1929, Stichwort: Trocknung). Anders als das Frittieren muss beim Trocknen nicht zwingend thermische Energie eingesetzt werden; sie kann auch mechanisch erfolgen.

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Während beim Frittieren zahlreiche chemische Reaktionen angestoßen werden, beruht die Trocknung darauf, dass derartige Vorgänge unterbunden und Mikroorganismen abgetötet werden. Beim Trocknen kommt es weder zur Eiweißgerinnung oder zum Zellaufschluss noch zur Stärkeverkleisterung. Es werden auch keine neuen Aromen gebildet, die nicht schon in dem zu trocknenden Lebensmittel vorhanden sind. Mikroorganismen werden nicht durch Hitzeeinwirkung abgetötet. Durch den Wasserentzug wird Ihnen vielmehr lediglich die Lebensgrundlage entzogen.

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3.3 Systematik der KN

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Die KN definiert nicht, was genau unter dem Begriff "getrocknet" im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN zu verstehen ist. Mithin muss dies durch Auslegung ermittelt werden. Hierbei ist nach Auffassung des vorlegenden Gerichts zu beachten, dass die KN an verschiedenen Stellen zwischen zubereiteten und haltbar gemachten Lebensmitteln unterscheidet. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass ihr insgesamt eine Dichotomie von zubereiteten Lebensmitteln einerseits und haltbar gemachten Lebensmitteln andererseits zu Grunde liegt, und das Frittieren keine Behandlung zur Haltbarmachung, sondern zum Zubereiten ist (dazu 3.3.1). Für diese Lesart des Begriffs "getrocknet" spricht auch die Anmerkung 2 zum Abschnitt I KN (dazu 3.3.2). Die Einreihung anderer frittierter Lebensmittel deutet ebenfalls darauf hin, dass das Frittieren nicht als Trocknungsverfahren zu betrachten ist (dazu 3.3.3). Im Einzelnen:

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3.3.1 Die KN unterscheidet an verschiedenen Stellen zwischen zubereiteten Lebensmitteln einerseits und haltbar gemachten Lebensmitteln andererseits (z. B. Anmerkung 1 Buchst. d) zu Kapitel 11 KN, Anmerkung 1 zu Kapitel 16, Anmerkung 1 Buchst. a) zu Kapitel. 20, Zusätzliche Anmerkung 2 zu Kap. 16).

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Auch wenn das Wort "frittieren" in der KN nicht erwähnt wird, enthält die KN - dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend - Anhaltspunkte dafür, dass das Frittieren eine Zubereitungsart - und damit keine Form der Haltbarmachung - darstellt. So heißt es in den Unterpositionen der Position 0306 KN (Krebstiere) an verschiedenen Stellen (z. B. Unterposition 0306 1105 KN): "geräuchert, auch ohne Panzer, auch vor oder während des Räucherns gegart, jedoch nicht weiter zubereitet". Hierin kommt zum Ausdruck, dass das Garen von Lebensmitteln eine Art der Zubereitung ist. Da - wie oben bereits dargelegt - auch das Frittieren eine Garmethode ist, kann aus den Unterpositionen der Position 0306 KN abgeleitet werden, dass das Frittieren ebenfalls eine Zubereitungsart ist. Die verschiedenen Unterpositionen der Position 1902 KN sprechen dafür, dass die ansonsten in der KN verwendeten Begriffe des Zubereitens (Beispiel: Frittieren) und des Haltbarmachens (Beispiel: Trocknen) auch dort zur Anwendung kommen sollen. Dort werden nämlich die Begriffe "gekocht" (Unterposition 1902 2091 KN), "getrocknet" (Unterposition 1902 30 10 KN) sowie "nicht zubereitet" (Unterposition 1902 4010 KN) verwendet. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass mit "gekocht" eine Zubereitungsmethode, mit "getrocknet" eine Methode der Haltbarmachung gemeint ist.

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3.3.2 Die Anmerkung Nr. 2 zum Abschnitt I KN spricht gegen die vom Beklagten vertretene Auffassung, dass frittierte Nudeln getrocknete Teigwaren seien. In dieser Anmerkung, die nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nicht nur für Waren des Abschnitts I KN, sondern für die gesamte Nomenklatur gilt, wird für bestimmte Behandlungen, nämlich das Entwässern, Eindampfen und Gefriertrocknen klargestellt, dass es sich auch hierbei - vorbehaltlich einer anderweitigen Bestimmung - um Trocknungsverfahren handelt. Entwässern bedeutet das Abtrennen von Flüssigkeit von einem Stoff (Lexikon Lebensmitteltechnik, S. 337, Stichwort: Entwässern [dewatering]). Eindampfen, das auch Eindicken genannt wird, ist der "Entzug von Wasser zum Zweck der Haltbarmachung und der Gewinnung von konzentrierten Lebensmitteln" (Lebensmittellexikon, S. 454; siehe auch Lexikon Lebensmitteltechnik, S. 264 f., Stichwort: Eindampfen [evaporating]). Durch das Eindicken werden lagerfähige, wirtschaftlich transportable und standardisierte Lebensmittel gewonnen. Als Beispiele werden Kondensmilch, Molkeerzeugnisse, Fruchtsaft- und Gemüsekonzentrate, Sirupe, Fleisch- und Malzextrakte, Würzen, Hefeextrakte und Pektinpräparate genannt (Lebensmittellexikon, S. 454). Die Gefriertrocknung ist ein schonendes Trocknungsverfahren, das auf der Sublimationstrocknung beruht und in Vakuumkammern durchgeführt wird. Dabei wird das gefrorene Wasser dem Trocknungsgut dergestalt entzogen, dass es direkt in den gasförmigen Zustand übergeht (Lebensmittellexikon, S. 657, Stichwort: Gefriertrocknung; https://de.wikipedia.org/wiki/Gefriertrocknung).

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Den drei genannten Verfahren ist gemein, dass sie der Ware, die dem Verfahren unterliegt, ausschließlich Wasser entziehen. Anders als beim Frittieren werden der Ware keine Stoffe (Fett) hinzugefügt und es werden keine komplexen chemischen Prozesse angestoßen. Sie dienen auch in erster Linie der Haltbarmachung. Zwar führt das Eindampfen beispielsweise von Frischmilch zu Kondensmilch dazu, dass ein nach der Verkehrsauffassung neues Produkt entsteht, und man insoweit auch von einer Zubereitung sprechen könnte. Möglicherweise ist gerade aus diesem Grund das Eindampfen in die Anmerkung aufgenommen worden. Es bleibt jedoch dabei, dass beim Eindampfen von Frischmilch nichts weiter passiert, als das ihr Wasser entzogen wird. Auch das Gefriertrocknen dient in erster Linie der Haltbarmachung. Zwar führt die Gefriertrocknung bei manchen Produkten wie etwa Kaffee dazu, dass sie instantisiert, also ohne Kochen verzehrfähig werden. Dies trifft auch auf die hier in Rede stehenden Nudeln zu; auch sie werden durch das Frittieren instantisiert. Wie beim Eindampfen besteht jedoch der entscheidende Unterschied zwischen dem Gefriertrocknen und dem Frittieren darin, dass bei Ersterem dem Trockengut lediglich Wasser entzogen wird.

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Bei den in der Anmerkung genannten Verfahren handelt es sich um Trocknungsverfahren, bei denen der Trocknungsvorgang durch den Einsatz zusätzlicher Energie beschleunigt wird. Angesichts der Tatsache, dass für diese drei Verfahren klargestellt wurde, dass Waren, die sie durchlaufen haben, "getrocknet" sind, würde man erwarten, dass der Verordnungsgeber ausdrücklich geregelt hätte, wenn er den Trocknungsbegriff auch auf Verfahren hätte ausdehnen wollen, die - wie das Frittieren - über die Haltbarmachung hinaus in erster Linie der Zubereitung von Lebensmitteln dienen und bei denen gänzlich andere chemische Prozesse ablaufen als beim Trocknen. Dass dies nicht geschehen ist, spricht dagegen, frittierte Waren als getrocknet im Sinne der KN zu betrachten.

77

3.3.3 Zu dem vom vorlegenden Gericht favorisierten Verständnis des Begriffs "getrocknet" passt, dass einige andere frittierte Lebensmittel nicht als getrocknete Waren eingereiht werden. So werden frittierte Erbsen nicht als "getrocknete ausgelöste Hülsenfrüchte" (Unterposition 0713 1090 KN), sondern als "anderes Gemüse, anders als mit Essig oder Essigsäure zubereitet oder haltbar gemacht" (Erbsen der Unterposition 2005 4000 KN) eingereiht, wobei das Frittieren eine andere Form der Zubereitung als mit (Essig-)Säure ist. Frittierte Bananen werden nicht als getrocknete Bananen (Unterpositionen 0803 1090 bzw. 0803 9090 KN), sondern als zubereitete andere Früchte in eine Position der Unterposition 2008 99 KN eingereiht.

78

3.3.4 Vor diesem Hintergrund spricht nach Auffassung des vorlegenden Gerichts viel dafür, den Begriff "getrocknet" im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN so zu verstehen, dass diese Charakterisierung nur auf solche Teigwaren zutrifft, die das Konservierungsverfahren der Trocknung durchlaufen haben.

79

Für diese Auslegung streitet auch der allgemeine Rechtsgrundsatz der Kohärenz des Unionsrechts (vgl. Art. 7 AEUV), der der Zersplitterung einer Rechtsordnung entgegenwirken soll (Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim [Hrsg.], Das Recht der Europäischen Union, 51. EL Sept. 2013, Art. 7 AEUV Rn. 9). Dieser Grundsatz gebietet eine Auslegung des Unionsrechts, bei der Begriffe möglichst einheitlich ausgelegt werden (siehe das Urteil des EuGH vom 28.02.2013, C-334/12 - Jaramillo, in dem es um die einheitliche Auslegung des prozessrechtlichen Begriffs "angemessene Frist" ging), soweit sich aus dem anzuwendenden Recht nicht eine abweichende Begriffsbildung ableiten lässt. Da sich der KN kein teigwarenspezifischer Trocknungsbegriff entnehmen lässt, dürfte viel dafür sprechen, ihn im vorgeschlagenen Sinne zu verstehen.

80

3.4 Erläuterungen zur Position 1902 HS

81

Da es vorliegend um eine Einreihung innerhalb der autonom von der Europäischen Union festgesetzten Unterpositionen der Kombinierten Nomenklatur geht, können die Erläuterungen zum Harmonisierten System nur indirekte Hinweise für die Beantwortung der Einreihungsfrage geben. In den Erläuterungen zur Position 1902 HS heißt es in der deutschen Übersetzung:

82

Die Waren werden im allgemeinen vor dem Verkauf getrocknet, um ihren Transport und ihre Lagerung zu erleichtern und ihre Haltbarkeit zu verlängern. ... Zu dieser Position gehören auch nichtgetrocknete (d. h. feuchte oder frische) und gefrorene Waren, ....

83

Hieraus kann man zum einen schließen, dass das Trocknen keine Form der Zubereitung ist, sondern dazu dient, die Ware haltbarer und leichter umschlagbar zu machen. Ein Verfahren wie das Frittieren, das auch der Zubereitung einer Ware zum Verzehr dient, könnte nach dieser Lesart kein Trocknen sein. Gleichzeitig differenziert die Erläuterung zwischen getrockneten, nichtgetrockneten (feuchten oder frischen) und gefrorenen Produkten. Versteht man die Erläuterung so, dass es sich um eine abschließende Aufzählung handelt, und frittierte Waren weder frisch noch gefroren sind, könnte die Erläuterung dafür sprechen, dass das Frittieren unter den Begriff "getrocknet" fällt. Hiergegen wiederum spricht die Überschrift der Position 1902 HS/KN, nach der neben gekochten und gefüllten Teigwaren ausdrücklich auch auf andere Weise zubereitete Teigwaren erfasst sind. Vor diesem Hintergrund kann man die zitierte Erläuterung zum Harmonisierten System auch so verstehen, dass sie die Zustände beschreibt, in denen sich Teigwaren vor ihrer Zubereitung befinden können, nämlich getrocknet, nichtgetrocknet und gefroren. Nach dieser Lesart stünde die genannte Erläuterung zum Harmonisierten System einer Einordnung von frittierten Teigwaren als zubereitete Teigwaren nicht im Wege.

84

4. Angesichts dieser Zweifel an der Auslegung des einschlägigen Unionsrechts hat der Senat beschlossen, dem EuGH die im Tenor genannte Frage im Wege des Vorabentscheidungsersuchens vorzulegen.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Einfuhrabgabenbescheides ohne Sicherheitsleistung.

2

Die Antragstellerin importierte in den Jahren 2013 bis 2016 in 25 Fällen in Asien hergestellte Planen und meldete diese unter der Codenummer 3926 9092 90 0 zu einem Präferenzzollsatz von 0 % zur Überführung in den freien Verkehr an. Die Einfuhrzollstelle übernahm diese Angaben.

3

Aufgrund einer im Jahr 2016 durchgeführten Zollprüfung holte der Antragsgegner ein Einreihungsgutachten ein, nach dem die eingeführten Planen in die Codenummer 6306 1900 00 0 mit einem Präferenzzollsatz von 9,6 % einzureihen seien.

4

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 02.08.2016 erhob der Antragsgegner daraufhin Zoll i. H. v. ... € nach.

5

Hiergegen legte die Antragstellerin am 19.08.2016 Einspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist, und beantragte am 22.08.2016 die Aussetzung der Vollziehung des Einfuhrabgabenbescheides ohne Sicherheitsleistung. Es bestünden ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Die streitgegenständlichen Planen seien nicht unter das Kapitel 39 KN einzureihen. Überdies könne die Einschätzung aus dem Einreihungsgutachten, das sich lediglich zu einer eingeführten und für die sonstigen Einfuhren nicht repräsentativen Planenart verhalte, nicht auf die anderen importierten Planen übertragen werden. Der Antragsgegner habe diese Planen gar nicht begutachtet. Daher sei der Einfuhrabgabenbescheid mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Die große Wahrscheinlichkeit der Rechtswidrigkeit des Bescheides genüge für eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung. Die Zahlung der Einfuhrabgaben würde für sie, die Antragstellerin, außerdem eine unzumutbare Härte darstellen, da zurzeit die liquiden Mittel zur sofortigen Begleichung der vollständigen Einfuhrabgaben nicht als Kassenmittel zur Verfügung stünden. Die nötigen Barmittel könnten angesichts der wirtschaftlichen Gesamtumstände auch nicht zu zumutbaren Bedingungen, z. B. im Wege einer Kreditvereinbarung mit der Hausbank, beschafft werden. Die Hausbank habe zudem mit Schreiben vom 29.09.2016 mitgeteilt, dass sie nicht bereit sei, vorliegend eine Bürgschaft zur Verfügung zu stellen.

6

Der Antragsgegner erwiderte am 25.10.2016, dass auf eine Sicherheitsleistung gemäß Art. 45 Abs. 3 UZK nur verzichtet werden könne, wenn auf der Grundlage einer dokumentierten Bewertung festgestellt werde, dass durch die Leistung einer solchen Sicherheit dem Schuldner ernste wirtschaftliche oder soziale Schwierigkeiten entstehen könnten. Bisher sei lediglich das Schreiben der Hausbank vorgelegt worden und keine sonstigen Unterlagen, anhand derer eine entsprechende Dokumentation möglich wäre.

7

Entsprechende Unterlagen legte die Antragstellerin im Folgenden nicht vor, auch nicht auf eine erneute Aufforderung des Antragsgegners vom 21.12.2016.

8

Mit Bescheid vom 16.01.2017 setzte der Antragsgegner gemäß Art. 45 Abs. 2 UZK die Vollziehung des Einfuhrabgabenbescheides ab Antragseingang bis auf Widerruf, längstens bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder einer anderweitigen Beendigung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens aus. Aufgrund der von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Die Aussetzung der Vollziehung werde ab dem 22.08.2016 unter der Bedingung gewährt, dass bis zum 03.02.2017 eine Sicherheit i. H. v. ... € geleistet werde. Auf eine Sicherheitsleistung könne nicht verzichtet werden, weil entsprechende Nachweise nicht beigebracht worden seien. Werde die Sicherheit nicht fristgemäß geleistet, werde die Aussetzung der Vollziehung nicht wirksam und der Einfuhrabgabenbescheid ab Fälligkeit vollziehbar.

9

Zu einer Leistung der Sicherheit kam es im Folgenden nicht.

10

Die Antragstellerin hat am 01.02.2017 den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Sie trägt vor, dass Art. 45 UZK nicht anwendbar sein dürfte. Die Vorschrift ziele nicht auf vor dem 01.05.2016 entstandene Einfuhrabgaben ab. Sie sei im gerichtlichen Verfahren zudem nicht maßgebend, da sie lediglich das behördliche Aussetzungsverfahren regele. Überdies verlange Art. 45 Abs. 3 UZK die Anforderung der Sicherheitsleistung vor der Entscheidung über die Aussetzung. Diese Reihenfolge sei vorliegend nicht eingehalten worden. Bereits deshalb könne die Vorschrift nicht als Rechtsgrundlage für die Anforderung der Sicherheitsleistung nach positiver Bescheidung des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung herangezogen werden. Vielmehr sei auf § 361 Abs. 2 S. 5 AO abzustellen. Hieraus ergebe sich aber nur, dass die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden könne. Mithin sei das Verlangen einer Sicherheitsleistung regelmäßig der Ausnahmefall. Ein Ausschluss der Sicherheitsleistung komme jedenfalls dann in Betracht, soweit der Rechtsbehelf gegen den Bescheid mit Sicherheit oder mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein werde. Dies sei vorliegend der Fall. Die Nacherhebung der Einfuhrabgaben sei grob rechtsfehlerhaft. Zudem brächte die Sicherheitsleistung das Unternehmen in die Gefahr einer Insolvenz. Insoweit verweist die Antragstellerin auf eine schriftliche Stellungnahme ihres Steuerberaters vom 08.09.2016, in der es u. a. heißt, dass die Antragstellerin derzeit nicht über ausreichend freie Guthabenstände für die Erbringung der Sicherheitsleistung verfüge. Die Sicherheit müsste aus der bereits zum Teil in Anspruch genommenen Kontokorrentlinie verfügt werden. In diesem Fall könnte es zu Zahlungsstockungen im laufenden Betrieb kommen.

11

Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung des Nacherhebungsbescheides AT/S/00/... vom 02.08.2016 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung i. H. v. ... € ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

12

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

13

Auf die Erhebung einer Sicherheitsleistung könne nicht verzichtet werden. Dies könne nur auf Grundlage einer dokumentierten Bewertung erfolgen. Die bisher vorgelegten Unterlagen reichten für eine solche Feststellung nicht aus. Dem Schreiben der Hausbank sei nicht zu entnehmen, dass die Antragstellerin trotz zumutbarer Anstrengungen ohne Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Lage nicht imstande sei, Sicherheit zu leisten, oder dass ihr durch die Anforderung der Sicherheitsleistung ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen würde, der über einen bloßen Geldschaden hinausginge. Weitere beweiskräftige Unterlagen zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen habe sie auch auf wiederholte Anforderung nicht vorgelegt. Die nachgereichte Erklärung des Steuerberaters begründe keine andere Entscheidung. Danach stünde der Antragstellerin sogar eine zumindest teilweise offene Kontokorrentlinie zur Verfügung.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Sachakten des Antragsgegners (2 Hefter) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

II. 1. Der gem. § 69 Abs. 3 FGO i. V. m. Art. 45 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK) zulässige Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung ist unbegründet.

16

Der Antrag ist zulässig. Das finanzgerichtliche Aussetzungsverfahren richtet sich in verfahrensrechtlicher Hinsicht auch soweit Einfuhrabgaben betroffen sind nach einzelstaatlichem Recht, vorliegend nach § 69 Abs. 3 FGO. Die vorrangig anwendbare Norm des Art. 45 UZK regelt lediglich die materiellen Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung abschließend und geht nur insoweit nationalen Bestimmungen vor (vgl. Seer in Tipke/Kruse, EL 141 Juli 2015, § 69 FGO, Rn. 15). Nach § 69 Abs. 3 S. 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen; Abs. 2 S. 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 S. 2 FGO gelten sinngemäß. Antragsgegenstand ist vorliegend nicht lediglich die sicherheitslose Aussetzung der Vollziehung (vgl. dazu Seer in Tipke/Kruse, EL 141 Juli 2015, § 69 FGO, Rn. 73, 112), da die vom Antragsgegner im Bescheid vom 16.01.2017 gewährte Aussetzung der Vollziehung keinen Bestand (mehr) hat. Der Antragsgegner hatte die Aussetzung der Vollziehung darin nicht nur unter die aufschiebende Bedingung einer Sicherheitsleistung gestellt, sondern für diese Leistung auch eine Frist bis zum 03.02.2017 gesetzt, die mittlerweile abgelaufen ist. Damit liegt keine aufschiebend bedingte (aus Seite 2 des Bescheides vom 16.01.2017 offensichtlich versehentlich als "auflösende" Bedingung bezeichnete) Aussetzung der Vollziehung mehr vor, die durch eine spätere Sicherheitsleistung noch wirksam werden könnte. Sofern die Finanz- oder Zollbehörde bei beantragter Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes nur die Frage der Sicherheitsleistung zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens machen will, so muss es die Vollziehung ohne Fristsetzung für eine Sicherheitsleistung von einer solchen abhängig machen (vgl. BFH, Beschluss vom 30.08.1989, I B 39/89, Juris).

17

Der Antrag ist unbegründet. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung nicht vor.

18

Diese Voraussetzungen folgen auch im finanzgerichtlichen Verfahren aus Art. 45 UZK. Nach dessen Abs. 2 setzen die Zollbehörden die Vollziehung einer Entscheidung, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt ist, ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Zwar benennt die Vorschrift als Adressaten lediglich die Zollbehörden, sie ist aber auch von den Gerichten auf dem Gebiet des Zollrechts als materieller Entscheidungsmaßstab anzuwenden. Aufgrund der Verweisung in § 69 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 FGO auf § 69 Abs. 2 S. 2 ff. FGO beschränken sich die gerichtlichen Befugnisse auf dasjenige, was die Zollbehörden selbst anordnen können. Werden die Befugnisse der Zollbehörden nach §§ 361 Abs. 2 AO, 69 Abs. 2 FGO durch unionsrechtliche Regelung überlagert, muss dies auch für das gerichtliche Verfahren gelten (st. Rspr. des BFH zur Vorgängernorm des Art. 244 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK), vgl. Urteil vom 19.04.2011, VII B 234/10, BFH/NV 2011, 1202; zu Art. 45 UZK vgl. Schoenfeld in Krenzler/Herrmann/ Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, EL 8 September 2016, Art. 45 UZK, Rn. 34).

19

Art. 45 UZK ist im vorliegenden Fall auch anwendbar, obwohl die nachgeforderten Einfuhrabgaben vor dem Inkrafttreten des UZK am 01.05.2016 entstanden sind. Art. 45 UZK findet nicht nur auf Sachverhalte Anwendung, die sich nach dem Inkrafttreten des UZK verwirklichen. Hat sich der zur Entscheidung stehende Vorfall bereits vor dem 01.05.2016 ereignet, ist Art. 45 UZK ebenfalls anwendbar. Das Verfahren richtet sich nach dem jeweils im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Verfahrensrecht (so bereits zur Anwendbarkeit des ZK BFH, Beschluss vom 11.07.2000, VII B 41/00, BFH/NV 2000, 1512).

20

Der Senat hat ebenso wie die Beteiligten aufgrund des Vorbringens der Antragstellerin begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Nacherhebungsbescheides vom 02.08.2016 i. S. d. Art. 45 Abs. 2 UZK.

21

Die von der Antragstellerin beantragte Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung kommt dennoch nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des insoweit maßgeblichen Art. 45 Abs. 3 UZK liegen nicht vor. Danach wird in den in Art. 45 Abs. 2 UZK genannten Fällen, in denen aus der angefochtenen Entscheidung die Pflicht zur Entrichtung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben erwächst, die Vollziehung der Entscheidung nur gegen Sicherheitsleistung ausgesetzt, es sei denn, es wird auf der Grundlage einer dokumentierten Bewertung festgestellt, dass durch die Leistung einer solchen Sicherheit dem Schuldner ernste wirtschaftliche oder soziale Schwierigkeiten entstehen könnten.

22

Dies kann vorliegend nicht festgestellt werden. Ernste Schwierigkeiten wirtschaftlicher oder sozialer Art sind anzunehmen, wenn der Schuldner trotz zumutbarer Anstrengungen ohne Gefährdung seiner wirtschaftlichen Lage nicht imstande ist, Sicherheit zu leisten bzw. ihm durch die Anforderung der Sicherheitsleistung ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen würde, der über einen reinen Geldschaden hinausgeht. Die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast liegt insoweit beim Schuldner. Dies hat der Unionsgesetzgeber durch die Aufnahme der Formulierung "auf der Grundlage der dokumentierten Bewertung" in Art. 45 Abs. 3 UZK klargestellt (vgl. Schoenfeld in Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, EL 8 September 2016, Art. 45 UZK, Rn. 40).

23

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Antragstellerin nicht. Sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass eine Sicherheitsleistung mit einer Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Lage einhergehen oder einen irreparablen Schaden nach sich ziehen würde. Dem Schreiben der Hausbank vom 29.09.2016 ist lediglich zu entnehmen, dass diese nicht bereit ist, eine Bürgschaft für die streitgegenständliche Abgabenschuld zu erteilen. Nach der Auskunft des Steuerberaters vom 08.09.2016 stünden der Antragstellerin zwar nicht ausreichend freie Guthabenstände zur Erbringung der geforderten Sicherheit zur Verfügung. Allerdings könnte die Sicherheitsleistung aus der bereits zum Teil in Anspruch genommenen Kontokorrentlinie verfügt werden. In diesem Fall könnte es zu Zahlungsstockungen im laufenden Betrieb kommen. Insoweit steht fest, dass es der Antragstellerin grundsätzlich möglich wäre, die geforderte Sicherheit zu leisten. Dass hierdurch eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Lage entstehen könnte, hat sie weder schlüssig dargelegt noch durch Vorlage aussagekräftiger Unterlagen glaubhaft gemacht. Gleiches gilt für das Entstehen eines irreparablen Schadens. Zu ihrer (gesamt-) wirtschaftlichen Situation hat sie nichts Näheres vorgetragen. In der Auskunft des Steuerberaters ist von Zahlungsstockungen und nicht von einer Insolvenzgefahr die Rede. Die für möglich gehaltenen Zahlungsstockungen sind durch keine belastbaren Zahlen untermauert, mit denen ihre Wahrscheinlichkeit nachvollzogen werden könnte. Eine "dokumentierte Bewertung" im Sinne von Art. 45 Abs. 3 UZK, die die geforderte Feststellung ermöglichen würde, liegt damit nicht vor. Überdies hat die Antragstellerin auch nicht vorgetragen, warum es ihr unzumutbar sein sollte, zumindest bis zu einem gewissen Teilbetrag Sicherheit zu leisten.

24

Für das Absehen von der Anforderung einer Sicherheitsleistung ist auch nicht von Bedeutung, mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit der gegen den streitgegenständlichen Einfuhrabgabenbescheid eingelegte Einspruch voraussichtlich Erfolg haben wird bzw. welches Ausmaß an Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheides besteht. Bereits der Wortlaut des Art. 45 Abs. 3 UZK spricht nicht für solch eine Auslegung der Norm. Vielmehr heißt es dort, dass in den in Absatz 2 genannten Fällen, also auch beim Vorliegen begründeter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung, die Vollziehung der Entscheidung nur gegen Sicherheitsleistung ausgesetzt wird, sofern kein Ausnahmefall gegeben ist. Überdies hat der Europäische Gerichtshof zur im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängernorm des Art. 244 Abs. 3 ZK festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anforderung einer Sicherheitsleistung unabhängig vom jeweiligen Aussetzungsgrund, also den begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit oder der Gefahr eines unersetzbaren Schadens, sind (EuGH, Urteil vom 17.07.1997, C-130/95, Rz. 45, Juris). Anhaltspunkte dafür, dass im Rahmen des Art. 45 Abs. 3 UZK etwas anderes gelten sollte, sind nicht gegeben.

25

2. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 135 Abs. 1 und 128 Abs. 3 i. V. m. 115 Abs. 2 FGO.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Gründe

1

Der Antrag gemäß § 69 FGO i. V. m. Art. 45 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269/1, berichtigt durch ABl. 2016 L 267/2 - Unionszollkodex) - im Folgenden: UZK - auf Aussetzung bzw. - rückwirkend ab dem 11.05.2016 - Aufhebung der Vollziehung der verbindlichen Zolltarifauskünfte DE ...-1 vom 11.05.2016, DE ...-2 vom 11.05.2016 und DE ...-3 vom 11.05.2016 bleibt ohne Erfolg.

1.1

2

Der Antrag, dessen Zulässigkeit sich auch unter Geltung des Unionszollkodex nach mitgliedstaatlichem Recht richtet (FG Hamburg, Beschluss vom 12.04.2017, 4 V 16/17, in: juris, Rn. 16 m. w. N.), ist zulässig.

3

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einer verbindlichen Zolltarifauskunft, die - wie bei den streitgegenständlichen verbindlichen Zolltarifauskünften vom 11.05.2016 gegeben - nach Art. 33 Abs. 1, 1. Alt. UZK erlassen wird, ist statthaft, da Einspruch und Anfechtungsklage gegen eine verbindliche Zolltarifauskunft gemäß Art. 45 Abs. 1 UZK keine aufschiebende Wirkung haben und eine verbindliche Zolltarifauskunft unter der Geltung des Unionszollkodex ein vollziehbarer und damit aussetzungsfähiger Verwaltungsakt ist. Gemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. a), b) UZK ist die verbindliche Zolltarifauskunft hinsichtlich der zolltariflichen Entscheidung hinsichtlich der Waren, für die die Zollformalitäten nach dem Zeitpunkt erfüllt werden, zu dem die Entscheidung wirksam wird, und ab dem Tag, an dem die Entscheidung dem Inhaber zugestellt wird bzw. als ihm zugestellt gilt, sowohl für die Zollbehörden als auch gegenüber dem Inhaber der Entscheidung verbindlich. Damit hat, anders als nach der vormaligen Rechtslage auf der Grundlage der Vorschriften des Zollkodex (vgl. dazu FG Hamburg, Beschluss vom 20.02.2014, 4 V 140/13, in: juris), die verbindliche Zolltarifauskunft nunmehr eine für den Inhaber nicht nur begünstigende, sondern auch belastende Rechtswirkung. Dies hat zur Folge, dass die verbindliche Zolltarifauskunft - ungeachtet ihres Charakters eines (bloß) feststellenden Verwaltungsakts - aufgrund der bei nicht antragsgemäßer Einreihung gegebenen nachteiligen Beeinflussung des Status quo des Inhabers verbunden mit der Verpflichtung des Inhabers, die verbindliche Zolltarifauskunft bei Einfuhrvorgängen anzugeben, als ein vollziehbarer und damit aussetzungsfähiger Verwaltungsakt anzusehen ist (vgl. dazu auch Schoenfeld, ZfZ 2017, S. 226, 229). Soweit neben der Aussetzung der Vollziehung auch die Aufhebung der Vollziehung, vgl. § 69 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz i. V. m. Abs. 3 Satz 7 FGO, begehrt wird, kann wegen der nachfolgend dargelegten Unbegründetheit des Antrags offen bleiben, ob in Bezug auf eine verbindliche Zolltarifauskunft sich die aufzuhebende Vollziehung auf die - insoweit nicht mehr rückgängig zu machende - Vorlage der verbindlichen Zolltarifauskunft bei etwaig bereits stattgefundenen Einfuhrvorgängen beschränkt und die Aufhebung der Vollziehung insoweit ohne Bedeutung bleibt oder weitergehende Auswirkungen dahin gehend hat, dass die auf der Grundlage der vorgelegten verbindlichen Zolltarifauskunft erfolgte Berechnung und Festsetzung von Einfuhrabgaben unter Berücksichtigung einschlägiger Anfechtungs- bzw. Erstattungsantragsfristen zu suspendieren ist.

4

Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben, insbesondere ist die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO erfüllt, weil der Antragsgegner mit Bescheid vom 15.08.2017 die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hat.

1.2

5

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

6

Die materiellen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung ergeben sich auch im finanzgerichtlichen Verfahren aus Art. 45 UZK. Nach dessen Abs. 2 setzen die Zollbehörden die Vollziehung einer Entscheidung, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt ist, ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Zwar benennt die Vorschrift als Adressaten lediglich die Zollbehörden, sie ist aber auch von den Gerichten auf dem Gebiet des Zollrechts als materieller Entscheidungsmaßstab anzuwenden. Aufgrund der Verweisung in § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 FGO auf § 69 Abs. 2 Satz 2 ff. FGO beschränken sich die gerichtlichen Befugnisse auf dasjenige, was die Zollbehörden selbst anordnen können. Werden die Befugnisse der Zollbehörden nach §§ 361 Abs. 2 AO, 69 Abs. 2 FGO durch unionsrechtliche Regelungen überlagert, muss dies auch für das gerichtliche Verfahren gelten (st. Rspr. des BFH zu Art. 244 ZK: Urteil vom 19.04.2011, VII B 234/10, BFH/NV 2011, 1202; zu Art. 45 UZK vgl. Schoenfeld, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, 8. EL Sept. 2016, Art. 45 UZK Rn. 34).

7

Da sich die Begriffe der begründeten Zweifel im Sinne von Art. 244 Abs. 2 ZK bzw. 45 Abs. 2 UZK und der ernstlichen Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 2 S. 2 FGO im Wesentlichen decken (Schoenfeld, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, a. a. O., Art. 45 UZK Rn. 18), liegen begründete Zweifel vor, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (st. Rspr. des BFH, Beschluss vom 26.08.2004, V B 243/03, in: juris, Rn. 14 unter Bezugnahme auf Beschluss vom 10.02.1967, III B 9/66, BFHE 87, 447). Die Aussetzung der Vollziehung setzt dabei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH, Beschluss vom 26.04.2004, VI B 43/04, in: juris, Rn. 11; Beschluss vom 20.05.1997, VIII B 108/96, in: juris, Rn. 41). Sie kann auch dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte (vgl. BFH, Beschluss vom 23.08.2004, IV S 7/04, in: juris, Rn. 21). Die Umstände, die die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 123. EL Mai 2010, § 69 FGO Rn. 94, 123).

8

Keine der in Art. 45 Abs. 2 UZK aufgeführten Alternativen ist im Streitfall gegeben:

a)

9

Nach dem Prüfungsmaßstab dieses vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vermag der Senat nicht festzustellen, dass begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der verbindlichen Zolltarifauskünfte DE ...-1 vom 11.05.2016, DE ...-2 vom 11.05.2016 und DE ...-3 vom 11.05.2016, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.07.2017, im Sinne von Art. 45 Abs. 2, 1. Alt. UZK vorliegen. Die von dem Antragsgegner vorgenommene Einreihung der streitgegenständlichen Waren - das sind: verschiedene Panels für Röntgengeräte mit CMOS-Bildsensor mit Szintillator und Bildsignalelektronik zum Erzeugen eines Rohdatenbildes durch Umwandeln von Röntgenstrahlen in Lichtimpulse (vertrieben unter den Bezeichnungen "XX ..., ... bzw. ...", "YY" und "ZZ"), sog. Röntgenflachdetektoren - jeweils in die Warennummer 8525 8019 90 (Fernsehkamera mit CMOS-Bildsensor, nicht von den TARIC-Codes 8525 8019 20 bis 8512 8019 65 erfasst) dürfte rechtlich nicht zu beanstanden sein.

10

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union sowie des Bundesfinanzhofes (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 20.06.1996, Rs. C-121/95, EuGHE 1996, I-3047 Rn. 13; BFH, Urteile vom 18.12.2001, VII R 78/00, vom 09.10.2001, VII R 69/00, vom 14.11.2000, VII R 83/99, vom 05.10.1999, VII R 42/98, und vom 23.07.1998, VII R 36/97, jeweils in: juris) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur, AV). Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System (HS) Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. EuGH, Urteile vom 09.12.1997, Rs. C-143/96, EuGHE 1997, I-7039 Rn. 14, und vom 19.05.1994, Rs. C-11/93, EuGHE 1994, I-1945 Rn. 11 und 12; zu den für die Erläuterungen allein verbindlichen Vertragssprachen Englisch und Französisch siehe Bender, ZfZ 2016, 30, 31). Daneben werden "Nationale Entscheidungen und Hinweise" (NEH) zur Kombinierten Nomenklatur und zum Harmonisierten System veröffentlicht, die jedoch lediglich Verwaltungsanweisungen sind, die den deutschen Zollstellen bei Schwierigkeiten mit der Einordnung von Waren eine Tarifierungshilfe geben sollen und nur unverbindlichen Charakter haben (BFH, Urteil vom 09.05.2000, VII R 14/99, in: juris). Auf den Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. BFH, Urteile vom 14.11.2000, VII R 83/99, und vom 05.10.1999, VII R 42/98, jeweils in: juris; Beschluss vom 24.10.2002, VII B 17/02, in: juris).

11

Die objektiven Merkmale und Eigenschaften der streitgegenständlichen Waren sprechen dem Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und der Anmerkungen zu Kapitel 90 folgend sowie unter Berücksichtigung der Erläuterungen zu Positionen 9022 HS und 8525 HS, die zur Auslegung der in den Positionen 9022 und 8525 und den dazugehörigen Unterpositionen verwendeten Begriffe heranzuziehen sind, nicht für eine Einreihung der Waren in die vom Antragsteller angesprochene Position 9022 (u. a. Röntgenapparate und -geräte) - und innerhalb dieser Position nach Auffassung des Antragstellers vorrangig in die Unterposition 9022 12 (Röntgenapparate und -geräte, auch für medizinische, chirurgische, zahnärztliche oder tierärztliche Zwecke, einschließlich Apparate und Geräte für Schirmbildfotographie und Strahlentherapie), dort wiederum in die Unterposition 9022 1200 000, hilfsweise Unterposition 9022 1300 000, weiter hilfsweise Unterposition 9022 1400 000, weiter hilfsweise Unterposition 9022 1900 000, bzw. hilfsweise in die Unterposition 9022 90 (andere, einschließlich Teile und Zubehör), dort wiederum in die Unterposition 9022 9020 000 (Teile und Zubehör für Röntgenapparate und -geräte) -, sondern für die Einreihung der Waren in die von dem Antragsgegner angesprochene Position 8525 (u. a. Fernsehkameras), Unterposition 8525 8019 900 (Fernsehkameras, andere als von der Unterposition 8525 8011 000 oder den TARIC-Positionen 8525 8019 200 bis 8525 8019 700 erfasst).

12

Die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren stellen sich nicht als Röntgenapparate und -geräte im Sinne der Unterposition 9022 12, Unterpositionen 9022 1200 00 bis 1900 00, mit einem Drittlandszollsatz von jeweils 0 % dar. Was unter einem Röntgenapparat und -gerät zu verstehen ist, ist durch die Kombinierte Nomenklatur nicht näher definiert. Der Wortlaut der Position 9022 bzw. der Unterposition 9022 12 ist insoweit offen, als er den Begriff des Apparats bzw. Geräts beinhaltet und dieser zwar vorgibt, dass es sich um einen Gegenstand handeln muss, der bestimmte Funktionen auszuführen in der Lage ist, jedoch nicht zugleich vorgibt, ob ein Röntgenapparat bzw. -gerät bereits dann gegeben ist, wenn ein Gegenstand sinnvoll nur im Zusammenhang mit der Erzeugung und dem Einsatz von Röntgenstrahlung zur Anwendung kommen kann und derartige Funktionen unterstützt, ohne jedoch selbst sämtliche Bestandteile zu beinhalten, die erforderlich sind, um Röntgenstrahlen zu erzeugen und einzusetzen, oder sich ein Röntgenapparat bzw. -gerät dadurch auszeichnet, dass der Apparat bzw. das Gerät bestimmte Bestandteile und Funktionen zwingend aufweisen muss, die ihn bzw. es als Röntgenapparat bzw. -gerät charakterisieren, insbesondere auch eine Vorrichtung zur Erzeugung von Röntgenstrahlen. Da auch der Wortlaut der Anmerkungen zu dem das Kapitel 90 umfassenden Abschnitt XVIII und zu Kapitel 90 keine Hinweise auf die nähere Bedeutung des Begriffs Röntgenapparate und -geräte enthält, ist die Bedeutung der hier in Rede stehenden Position 9022 und der dazugehörigen Unterpositionen nach den üblichen Auslegungskriterien festzustellen. Es ist daher auf die Erläuterungen zum Harmonisierten System und die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur als maßgebliches Erkenntnismittel zurückzugreifen (vgl. auch BFH, Urteil vom 18.12.2001, VII R 78/00, in: juris). Die Erläuterungen in ihrer deutschen Übersetzung zu Position 9022 HS in EZT-online Rz. 02.0, Sätze 1 und 2, sehen vor, dass der Hauptbestandteil dieser Apparate und Geräte das Gehäuse ist, das die Röhre oder die Röhren enthält, welche die Röntgenstrahlung erzeugen, und dieses Gehäuse, das in der Regel an einer Säule oder an einer anderen Halterung mit Schwenk- und Hebevorrichtungen befestigt ist, eine Spezialvorrichtung für die Stromzufuhr besitzt, die den Strom von einer beliebigen Stromquelle abnimmt und auf die erforderliche Spannung bringt. Nach Satz 3 der genannten Erläuterung ist im Übrigen die Bauart der Röntgenapparate und -geräte je nach ihrem Verwendungszweck verschieden, wobei im Folgenden in EZT-online Rz. 03.0-11.0 nach ihrem Verwendungszweck zu unterscheidende Röntgenapparate und -geräte aufgeführt werden. Danach ergibt sich eindeutig, dass ein Röntgenapparat bzw. -gerät im Sinne der Position 9022 jedenfalls ein Gehäuse mit einer Röhre oder mehreren Röhren, welche Röntgenstrahlen erzeugen, beinhalten, mithin über eine derartige Strahlenquelle verfügen muss. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist eine Strahlenquelle als Bestandteil nicht ausschließlich bei den unter Position 9022 des Weiteren aufgeführten "Apparaten und Geräten, die Alpha-, Beta- oder Gammastrahlen verwenden" erforderlich. Derartige Apparate und Geräte erfordern zwar eine Strahlenquelle, allerdings in der besonderen Form, dass die Strahlung von einer in einem Behälter befindlichen radioaktiven Substanz ausgeht, die die Eigenschaft hat, durch Eigenumwandlung ihrer Atome Strahlen auszusenden (vgl. Erläuterung zu Position 9022 HS in EZT-online Rz. 13.0). Daneben gibt es u. a. die in den Erläuterungen zu Position 9022 HS in EZT-online Rz. 02.0 sowie Rz.22.0-23.0 beschriebene Strahlenquelle in Form der Röntgenröhre, bei der elektrische Energie in Röntgenstrahlen umgewandelt wird, und die Hauptbestandteil der Röntgenapparate und -geräte im Sinne der Position 9022, Unterposition 9022 12, ist. Der Annahme, dass Röntgenapparate und -geräte im Sinne der Position 9022 zwingend eine solche Strahlenquelle in Form einer oder mehrerer Röntgenröhren enthalten müssen, steht auch nicht die Erläuterung zu Position 9022 HS in EZT-online Rz. 05.0 entgegen. Danach gehören zu den nach ihrem Verwendungszweck zur Diagnose eigesetzten Röntgenapparaten und -geräten auch Röntgenaufnahme-Apparate und -geräte, bei denen die Strahlen beim Austritt aus dem aufgenommenen Körperteil auf eine fotografische Platte oder einen Film auftreffen und diese belichten, wobei ein derartiger Apparat auch zur Durchleuchtung und Aufnahme eingerichtet sein kann. Anders als der Antragsteller meint, ist der Formulierung "kann auch zur Durchleuchtung und Aufnahme eingerichtet sein" nicht zu entnehmen, dass auch Apparate und Geräte, die allein die Funktion haben, Röntgenstrahlen beim Austritt aus dem aufgenommenen Körperteil "aufzunehmen", ohne jedoch eine eigene Strahlenquelle zu haben, Röntgenapparate und -geräte im Sinne der Position 9022 sein können. Die unter der in EZT-online Rz. 05.0 beschriebenen Röntgenaufnahme-Apparate und -geräte zeichnen sich dadurch aus, dass die Röntgenstrahlen, die durch eben diese Apparate und Geräte selbst erzeugt und sodann zur Durchdringung eines lichtundurchlässigen Körpers eingesetzt werden, durch denselben Apparat bzw. dasselbe Gerät beim Austritt aus dem Körperteil auf einer fotografischen Platte oder einen Film auftreffen und diese belichten und insofern eine Röntgenaufnahme hergestellt wird. Wenn es in Satz 2 der Rz. 05.0 in EZT-online heißt, dass ein derartiger Apparat auch zur Durchleuchtung und Aufnahme eingerichtet sein kann, so bezieht sich diese Aussage auf die in der vorangehenden Rz. 04.0 in EZT-online beschriebenen Röntgendurchleuchtungsapparate und -geräte, bei denen die Röntgenstrahlen dazu verwendet werden, das innere Bild des von ihnen durchdrungenen Körperteils in Schatten auf einen geeigneten Bildschirm zu werfen, ohne jedoch eine dauerhafte Aufnahme des durchdrungenen Körperteils zu erzeugen. Die in Rz. 05.0 in EZT-online beschriebenen Röntgenaufnahme-Apparate und -geräte können daher so ausgestaltet sein, dass sie die von Röntgenstrahlen durchdrungenen Körperteile entweder nur in fotografischer oder filmischer Form aufnehmen ("zur Aufnahme eingerichtet") oder die Körperteile daneben wahlweise auch in Schatten auf einen geeigneten Bildschirm werfen ("zur Durchleuchtung eingerichtet"). Aus diesem Zusammenhang wird deutlich, dass "zur Durchleuchtung eingerichtet" in Satz 2 der Rz.05.0 in EZT-online nicht meint, dass nur für Apparate "zur Durchleuchtung" eine Strahlenquelle vorhanden sein muss. Schließlich wird auch in den Erläuterungen zu Position 9022 HS in Rz. 06.0 in EZT-online, die Apparate und Geräte für Schirmbildfotographien, bei denen das Bild, das auf dem Durchleuchtungsschirm entstanden ist, fotografiert wird, betreffen, deutlich, dass eine Strahlenquelle unabdingbarer Bestandteil eines Röntgenapparats bzw. -geräts ist. Denn in Satz 4 der genannten Rz. 06.0 in EZT-online ist ausdrücklich klargestellt, dass gesondert gestellte fotografische Spezialapparate in Position 9006 einzureihen sind.

13

Die Erläuterung zu Position 9022 HS in Rz. 02.0 EZT-online, wonach Hauptbestandteil von Röntgenapparaten und -geräten das Gehäuse mit der Röntgenröhre ist, steht nicht im Widerspruch zu dem Wortlaut der Position 9022 und den dort genannten Unterpositionen. Auf die vom Antragsteller insoweit angeführte stoffliche Eignung eines Gegenstands zum Einsatz im Zusammenhang mit - von einer auch anderweitigen Strahlenquelle erzeugten - Röntgenstrahlen und eine entsprechende Verwendungsbestimmung allein kann es nämlich nicht ankommen, weil sich aus der Position 9022 und den dort genannten Unterpositionen nichts dafür ergibt, dass hier der Unionsgesetzgeber eine derartige Verwendungseignung und -bestimmung als das allein maßgebende Kriterium angesehen und somit eine vom Vorhandensein einer eigenen Strahlenquelle unabhängige Definition des Röntgenapparats bzw. -geräts geschaffen hätte.

14

Ist mithin nach den Erläuterungen zu Position 9022 HS, Rz. 02.0 EZT-online, für einen Röntgenapparat bzw. -gerät zwingend ein Gehäuse, das die Röhre oder die Röhren enthält, welche die Röntgenstrahlung erzeugen, erforderlich, so sind die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren keine Röntgenapparate bzw. -geräte im Sinne der Position 9022, Unterposition 9022 12, da sie jeweils keine eigene Röntgenröhre als Strahlenquelle besitzen. Die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren wandeln, je nach Modell, mittels einer Szintillatorschicht oder Cäsiumjodid Röntgenstrahlen entsprechend ihrer Intensität in Lichtsignale um, die wiederum mittels eines CMOS-Sensors in eine Spannung umgewandelt und elektronisch ausgelesen werden und sodann als Information an einen PC zur bildlichen Darstellung und Auswertung übertragen werden können. Die von den streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren umgewandelten Röntgenstrahlen werden aber nicht von den Röntgenflachdetektoren selbst erzeugt, sondern stammen von Röntgenstrahlen erzeugenden Röntgenapparaten und -geräten oder anderen Strahlenquellen, in deren Zusammenhang die Röntgenflachdetektoren jeweils eingesetzt werden.

15

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es sich bei den streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren - wenn diese, wie vorstehend aufgezeigt, nicht im Sinne des Antragstellers als eigenständiger Röntgenapparat bzw. eigenständiges Röntgengerät einzureihen sind - aufgrund ihrer Verwendungseignung und -bestimmung, insbesondere der zum Umwandeln von Röntgenstrahlen in Lichtsignale vorgesehenen Szintillatorschicht bzw. Cäsiumjodid und der zum Umwandeln der Lichtsignale in Spannung vorgesehenen CMOS-Sensoren und der Einbaubarkeit in Röntgenapparate und -geräte, die beispielsweise zu medizinischen oder industriellen Zwecken eingesetzt werden, grundsätzlich um Teile oder Zubehör für Röntgenapparate und -geräte der Unterposition 9022 12 handeln kann. Eine Zuordnung zu der von dem Antragsteller insoweit hilfsweise angesprochenen Unterposition 9022 90, Unterposition 9022 9020 000, mit einem Drittlandzollsatz von 2,1 % (Teile und Zubehör für Röntgenapparate und -geräte) ist allerdings gleichwohl nicht vorzunehmen. Denn die streitgegenständlichen Waren sind nach Anmerkung 1 h), 2 zum Kapitel 90 aus dem Kapitel 90 ausgewiesen. Nach Anmerkung 2 sind Teile und Zubehör für u. a. Apparate und Geräte des Kapitels 90 vorbehaltlich der vorstehenden Anmerkung 1 nach den unter 2 a) bis c) genannten Regeln einzureihen, nach Anmerkung 1 h) zum Kapitel 90 gehören zum Kapitel 90 u. a. nicht Fernsehkameras der Position 8528.

16

Mit dem Antragsgegner ist davon auszugehen, dass es sich bei den Röntgenflachdetektoren um Kameras im Sinne der Position 8525 handelt und diese damit von der Position 90 ausgewiesen sind.

17

Die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren stellen sich als Fernsehkameras der Position 8525, Unterposition 8525 8019 900 mit einem Drittlandszollsatz von 3,3 % (Fernsehkameras, andere als von der Unterposition 8525 8011 000 oder den TARIC-Positionen 8525 8019 200 bis 8525 8019 700 erfasst) dar. Mangels weiterführender Hinweise zum Begriff der Fernsehkamera im Wortlaut der Position bzw. Unterpositionen und in den Anmerkungen zur Kombinierten Nomenklatur ist auch hier auf die Erläuterungen zum Harmonisierten System und die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur als maßgebliches Erkenntnismittel zurückzugreifen. In den Erläuterungen zu Position 8525 HS, Rz. 08.-11.0 in EZT-online, heißt es, dass zu der Gruppe "Fernsehkameras, digitale Fotoapparate und Videoaufnahmegeräte" solche Kameras gehören, die ein Bild aufnehmen und in ein elektronisches Signal umwandeln, das 1) als Videobild zu einem Ort außerhalb der Kamera gesendet wird, um es zu betrachten oder aufzuzeichnen (z. B. Fernsehkameras); oder das 2) in der Kamera als Einzelbild oder Bewegtbild aufgezeichnet wird (z. B. digitale Fotoapparate und Videoaufnahmegeräte). In Rz. 12.0 EZT-online, Sätze 2 und 3, der genannten Erläuterungen heißt es weiter, dass die Kameras der Position 8525 und die Kameras des Kapitels 90 optische Linsen zum Fokussieren des Bildes auf einem lichtempfindlichen Träger und Vorrichtungen zum Regeln des Lichts, das in die Kamera einfällt, enthalten, jedoch die Fotoapparate und Filmkameras des Kapitels 90 die Bilder auf einen fotografischen Film des Kapitels 37 belichten, während die Kameras dieser Position die Bilder in analoge oder digitale Daten umwandeln. In Rz. 13.0, Sätze 1 und 2, EZT-online der genannten Erläuterungen heißt es, dass die Kameras dieser Position ein Bild aufnehmen, indem sie das Bild auf ein lichtempfindliches Bauteil, wie einen Komplementären Metall-Oxid-Halbleiter (CMOS) oder eine ladungsgekoppelte Vorrichtung (charge coupled device - CCD-Sensor) fokussieren, und das lichtempfindliche Bauteil ein den Bildern entsprechendes Signal sendet, das in eine analoge oder digitale Bildaufzeichnung weiterverarbeitet wird.

18

Die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren erfüllen diese in den Erläuterungen genannten Voraussetzungen. Sie nehmen ein Bild, nämlich die in unterschiedlicher Intensität auf einer bestimmten Fläche des Röntgenflachdetektors auftreffenden Röntgenstrahlen, auf und wandeln es in entsprechende elektronische Signale um, die zu einem Ort außerhalb des Röntgenflachdetektors gesendet werden, um es zu betrachten oder aufzuzeichnen. Dabei nehmen sie das Bild auf, indem sie - nach der Umwandlung der Röntgenstrahlen in sichtbare Lichtimpulse - das Bild auf ein lichtempfindliches Bauteil, hier einen Komplementären Metall-Oxid-Halbleiter (CMOS), fokussieren und das lichtempfindliche Bauteil ein den Bildern entsprechendes Signal sendet, das in eine digitale Bildaufzeichnung weiterverarbeitet wird. Das aufzunehmende Bild im Sinne der genannten Erläuterungen muss dabei nicht zwingend ein bereits im Ausgangszustand von einem menschlichen Auge wahrnehmbares Bild sein. Wie sich aus der Formulierung in den Erläuterungen zu Position 8525 HS, Rz. 09.0 bis 11.0 in EZT-online, ergibt, ist vielmehr entscheidend, dass das aufgenommene Bild nach der Umwandlung in ein elektronisches Signal als Videobild bzw. Einzelbild oder Bewegtbild aufgezeichnet und durch das menschliche Auge betrachtet werden kann. Dass die Erläuterungen zu Position 8525 HS in diesem Sinne zu verstehen sind, wird durch die Erläuterungen zu Position 8525 KN, Rz. 00.5 in EZT-online, Satz 1, unterstützt. In dieser Erläuterung heißt es, dass zur Position 8525 auch Wärmebildkameras mit Infrarot-Bildaufnehmern gehören, die Wärmestrahlung aufnehmen und sie in Bilder umwandeln, die die Temperaturen einzelner Flächen oder Objekte als unterschiedliche Grautöne oder Farben darstellen. Dieser Vorgang ist dem Aufnehmen von Röntgenstrahlung unterschiedlicher Intensität und deren Umwandlung in eine bildliche Darstellung, wie es die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren tun, vergleichbar. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich ferner, dass es unerheblich ist, dass das durch das menschliche Auge zu betrachtende Bild erst außerhalb des Röntgenflachdetektors nach Weiterleitung der elektronischen Signale an einen PC betrachtet werden kann. Entscheidend ist, dass die Fernsehkamera im Sinne der Position 8525 in der Lage ist, das aufgenommene Bild in elektronische Signale umzuwandeln, die ein Aufzeichnen bzw. Betrachten des Bildes an einem Ort außerhalb der Kamera ermöglichen. Dass das betrachtbare Videobild bereits in der Kamera erzeugt und als solches an einen Ort außerhalb der Kamera weitergeleitet werden müsste, ergibt sich aus der Erläuterung hingegen nicht. Schließlich steht auch der Umstand, dass die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren nicht über eine "optische Linse" zum Fokussieren des Bildes auf einem lichtempfindlichen Träger und Vorrichtungen zum Regeln des Lichts, das in die Kamera einfällt, verfügen, der Einreihung als Fernsehkamera im Sinne der Position 8525 nicht entgegen. Die entsprechende Formulierung in den Erläuterungen zu Position 8525 HS, Rz. 12.0 in EZT-online, Satz 2, ist in Zusammenhang mit dem Folgesatz 3 zu lesen. Es wird dort zunächst beschrieben, welche Charakteristika typischerweise die Kameras sowohl der Position 8525 als auch des Kapitels 90 aufweisen (optische Linse, Vorrichtungen zum Regeln des Lichts), während sodann im Satz 3 die Besonderheiten der Kameras der Position 8525 (Umwandlung der Bilder in analoge oder digitale Dateien) in Abgrenzung zu denen des Kapitels 90 (Belichtung der Bilder auf einen fotografischen Film des Kapitels 37) herausgestellt werden. Ein darüber hinaus gehender Aussagegehalt dahin gehend, dass nur Kameras mit einer optischen Linse und Vorrichtungen zum Regeln des Lichts Kameras im Sinne der Position 8525 sein können, kommt der genannten Erläuterung nicht zu. Vielmehr kommt es darauf an, dass das in eine analoge oder digitale Datei umzuwandelnde Bild in Form der Lichtimpulse in geeigneter Weise auf den lichtempfindlichen Träger auftreffen kann und insoweit "fokussiert" wird. Dies ist bei den streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren gewährleistet, da durch die Anordnung der entsprechenden Bauteile die maßgeblichen Lichtimpulse auf den CMOS-Sensor gelenkt werden.

19

Entgegen der Auffassung des Antragstellers handelt es sich bei den Fernsehkameras im Sinne der Position 8525 nicht ausschließlich um solche, die im oder für "das Fernsehen", so wie es im allgemeinen Sprachgebrauch verstanden wird, verwendet werden. Dies ergibt sich aus den Erläuterungen zu Position 8525 HS, Rz. 14.0 in EZT-online, in denen, nicht abschließend, Beispiele für Fernsehkameras aufgezählt und neben Fernsehkameras zur Verwendung in Fernsehstudios und zur Berichterstattung auch Kameras für industrielle oder wissenschaftliche Zwecke, in geschlossenen Fernsehsystemen zur Videoüberwachung oder Kameras für die Verkehrsüberwachung genannt werden.

20

Dass nach Anmerkung 1 m) Waren des Kapitels 90 aus dem Abschnitt XVI, der die Kapitel 84 und 85 umfasst, ausgewiesen sind, steht dem vorliegend gefundenen Einreihungsergebnis nicht entgegen, da es sich, wie aufgezeigt, bei den streitgegenständlichen Waren gerade nicht um Waren des Kapitels 90 handelt.

21

Auf die vom Antragsteller ferner angeführten Auslegungsregelungen der AV 3 Buchst. a) bis c) kommt es angesichts der nach vorstehenden Ausführungen gemäß AV 1 Satz 2 vorrangig vorzunehmenden Einreihung nach dem Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nicht an.

22

Eine dem Antragsteller günstigere Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht aus dem Umstand, dass vom 01.01. bis zum 31.12.2016 unter dem TARIC-Code 9022 9000 100 eine autonome Zollaussetzung für den streitgegenständlichen Waren sehr ähnliche Röntgendetektoren gewährt wurde. Diese Zollaussetzung betraf "Panel für Röntgengeräte (Röntgenflachdetektor/X-Ray Sensors) bestehend aus einer Glasplatte mit einer Matrix aus Dünnfilmtransistoren, beschichtet mit einem Film aus amorphen Silizium, welcher mit einer Cäsiumjodid-Schicht (Scintillator) und einer metallisierenden Schutzschicht belegt wurde, oder beschichtet mit einem Film aus amorphem Selen". Die beschriebenen Panels unterscheiden sich von den streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren im Wesentlichen dadurch, dass letztere mit CMOS-Bildsensoren statt mit einer Matrix aus Dünnfilmtransistoren ausgestattet sind. Aus der Festlegung einer Zollaussetzung für bestimmte Waren unter Zuordnung zu einer bestimmten Tarifposition kann jedoch keine Bindungswirkung dahin gehend abgeleitet werden, dass derartige oder sehr ähnliche vergleichbare Waren stets unter der entsprechenden Tarifposition, in Bezug auf die hier in Rede stehenden Waren also als Teile/Zubehör für Röntgengeräte und nicht als Fernsehkameras, einzureihen sind. Vielmehr erschöpft sich der Aussagegehalt des genannten TARIC-Codes in der zeitlich begrenzten Gewährung einer Zollaussetzung für ganz bestimmte Teile von Röntgengeräten, unabhängig davon, ob diese Teile, für sich betrachtet, richtigerweise nicht als Teile und Zubehör für Röntgengeräte im Sinne der Unterposition 9022 90, sondern als Fernsehkameras im Sinne der Position 8525 einzureihen gewesen wären.

23

Im Übrigen stützt auch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1109/2012 der Kommission vom 23.11.2012 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. L 329/3) die Auffassung, dass die streitgegenständlichen Waren als Fernsehkameras im Sinne der Position 8525 einzureihen sind. Im Anhang der genannten Durchführungsverordnung wird ein elektronisches Gerät in einem Keramikgehäuse mit 60 Anschlussstiften, bestehend aus drei Chips mit ladungsgekoppelten Halbleiterelementen (CCD-Chips), die mit einer röntgenempfindlichen aktiven Fläche etwa 220 x 6 mm linear angeordnet sind, und drei auf die Chips aufgebrachten Glasfaserplatten mit Szintillatoren, das zur Bilderzeugung in Röntgenkameras eingebaut wird, als Teil von Fernsehkameras der Unterposition 8525 8019 in den KN-Code 8529 9092 eingereiht. Damit wird deutlich, dass die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren, die mit vergleichbaren Sensoren mit Faserplatte und Szintillator und darüber hinaus mit der Signalverarbeitungstechnik ausgestattet sind und zur Röntgenbildgebung dienen, ihrerseits als Fernsehkameras im Sinne der Position 8525 einzureihen sind.

b)

24

Auch eine Aussetzung der Vollziehung nach Art. 45 Abs. 2, 2. Alt. UZK kommt im Streitfall nicht in Betracht. Es bestehen nämlich nach der derzeitigen Sachlage keinerlei Anhaltspunkte, dass dem Antragsteller durch die Vollziehung der verbindlichen Zolltarifauskünfte DE ...-1 vom 11.05.2016, DE ...-2 vom 11.05.2016 und DE ...-3 vom 11.05.2016 ein unersetzbarer Schaden im Sinne der genannten Vorschrift entstehen könnte. Zwar sind verbindliche Zolltarifauskünfte nach Art. 33 Abs. 2 UZK auch für den Inhaber verbindlich mit der Folge, dass der Antragsteller die genannten verbindlichen Zolltarifauskünfte bei Einfuhrvorgängen angeben muss, was wiederum eine entsprechende Einfuhrabgabenerhebung nach einem Drittlandszollsatz von 3,3 % durch die an die verbindliche Zolltarifauskunft ebenfalls gebundenen Zollbehörden nach sich zieht. Dass jedoch, wie der Antragsteller befürchtet, eine Erstattung von etwaig zu viel erhobenen Einfuhrabgaben für den Fall, dass sich im Hauptsacheverfahren die verbindlichen Zolltarifauskünfte als rechtswidrig erweisen sollten, ausgeschlossen sein könnte, und insofern ein nicht wieder rückgängig zu machender finanzieller Schaden in Form materiell zu Unrecht erhobener Einfuhrabgaben drohen könnte, hält der beschließende Senat für ausgeschlossen. Denn für den Fall, dass sich im Hauptsacheverfahren die verbindlichen Zolltarifauskünfte als rechtswidrig erweisen sollten, wären die verbindlichen Zolltarifauskünfte nicht nur mit Wirkung für die Zukunft, sondern - unbeschadet der nur für die Zollbehörden geltenden Einschränkungen des Art. 34 UZK bei der Verwaltung von Entscheidungen über verbindliche Zolltarifauskünfte - rückwirkend ab dem Zeitpunkt ihrer Erteilung durch das Gericht aufzuheben und der Antragsgegner zur Erteilung von verbindlichen Zolltarifauskünften mit der von dem Antragsteller begehrten Einreihung gegebenenfalls auch rückwirkend ab dem Erteilungsdatum zu verpflichten. Damit wäre für noch nicht bestandskräftig abgeschlossene oder zumindest innerhalb der Erstattungsfristen liegende Einfuhrabgabenfestsetzungen eine Erstattung der gezahlten Einfuhrabgaben ohne weiteres möglich. Dass die bis zur endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen verbindlichen Zolltarifauskünfte für entsprechende Wareneinfuhren des Antragstellers anfallenden Einfuhrabgaben zu einer aktuellen Existenzgefährdung des Antragstellers führen und insofern die Vollziehung der verbindlichen Zolltarifauskünfte unabhängig von einer etwaigen späteren Erstattung zu einem unersetzbaren Schaden führen könnte, ist nicht ersichtlich und hat auch der Antragsteller weder behauptet noch näher dargelegt.

2.

25

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 135 Abs. 1 und 128 Abs. 3 i. V. m. 115 Abs. 2 FGO.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Die Abgeordneten sind berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Soweit dieses Zeugnisverweigerungsrecht reicht, ist die Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Gründe

1

Der Antrag gemäß § 69 FGO i. V. m. Art. 45 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269/1, berichtigt durch ABl. 2016 L 267/2 - Unionszollkodex) - im Folgenden: UZK - auf Aussetzung bzw. - rückwirkend ab dem 11.05.2016 - Aufhebung der Vollziehung der verbindlichen Zolltarifauskünfte DE ...-1 vom 11.05.2016, DE ...-2 vom 11.05.2016 und DE ...-3 vom 11.05.2016 bleibt ohne Erfolg.

1.1

2

Der Antrag, dessen Zulässigkeit sich auch unter Geltung des Unionszollkodex nach mitgliedstaatlichem Recht richtet (FG Hamburg, Beschluss vom 12.04.2017, 4 V 16/17, in: juris, Rn. 16 m. w. N.), ist zulässig.

3

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einer verbindlichen Zolltarifauskunft, die - wie bei den streitgegenständlichen verbindlichen Zolltarifauskünften vom 11.05.2016 gegeben - nach Art. 33 Abs. 1, 1. Alt. UZK erlassen wird, ist statthaft, da Einspruch und Anfechtungsklage gegen eine verbindliche Zolltarifauskunft gemäß Art. 45 Abs. 1 UZK keine aufschiebende Wirkung haben und eine verbindliche Zolltarifauskunft unter der Geltung des Unionszollkodex ein vollziehbarer und damit aussetzungsfähiger Verwaltungsakt ist. Gemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. a), b) UZK ist die verbindliche Zolltarifauskunft hinsichtlich der zolltariflichen Entscheidung hinsichtlich der Waren, für die die Zollformalitäten nach dem Zeitpunkt erfüllt werden, zu dem die Entscheidung wirksam wird, und ab dem Tag, an dem die Entscheidung dem Inhaber zugestellt wird bzw. als ihm zugestellt gilt, sowohl für die Zollbehörden als auch gegenüber dem Inhaber der Entscheidung verbindlich. Damit hat, anders als nach der vormaligen Rechtslage auf der Grundlage der Vorschriften des Zollkodex (vgl. dazu FG Hamburg, Beschluss vom 20.02.2014, 4 V 140/13, in: juris), die verbindliche Zolltarifauskunft nunmehr eine für den Inhaber nicht nur begünstigende, sondern auch belastende Rechtswirkung. Dies hat zur Folge, dass die verbindliche Zolltarifauskunft - ungeachtet ihres Charakters eines (bloß) feststellenden Verwaltungsakts - aufgrund der bei nicht antragsgemäßer Einreihung gegebenen nachteiligen Beeinflussung des Status quo des Inhabers verbunden mit der Verpflichtung des Inhabers, die verbindliche Zolltarifauskunft bei Einfuhrvorgängen anzugeben, als ein vollziehbarer und damit aussetzungsfähiger Verwaltungsakt anzusehen ist (vgl. dazu auch Schoenfeld, ZfZ 2017, S. 226, 229). Soweit neben der Aussetzung der Vollziehung auch die Aufhebung der Vollziehung, vgl. § 69 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz i. V. m. Abs. 3 Satz 7 FGO, begehrt wird, kann wegen der nachfolgend dargelegten Unbegründetheit des Antrags offen bleiben, ob in Bezug auf eine verbindliche Zolltarifauskunft sich die aufzuhebende Vollziehung auf die - insoweit nicht mehr rückgängig zu machende - Vorlage der verbindlichen Zolltarifauskunft bei etwaig bereits stattgefundenen Einfuhrvorgängen beschränkt und die Aufhebung der Vollziehung insoweit ohne Bedeutung bleibt oder weitergehende Auswirkungen dahin gehend hat, dass die auf der Grundlage der vorgelegten verbindlichen Zolltarifauskunft erfolgte Berechnung und Festsetzung von Einfuhrabgaben unter Berücksichtigung einschlägiger Anfechtungs- bzw. Erstattungsantragsfristen zu suspendieren ist.

4

Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben, insbesondere ist die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO erfüllt, weil der Antragsgegner mit Bescheid vom 15.08.2017 die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hat.

1.2

5

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

6

Die materiellen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung ergeben sich auch im finanzgerichtlichen Verfahren aus Art. 45 UZK. Nach dessen Abs. 2 setzen die Zollbehörden die Vollziehung einer Entscheidung, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt ist, ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Zwar benennt die Vorschrift als Adressaten lediglich die Zollbehörden, sie ist aber auch von den Gerichten auf dem Gebiet des Zollrechts als materieller Entscheidungsmaßstab anzuwenden. Aufgrund der Verweisung in § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 FGO auf § 69 Abs. 2 Satz 2 ff. FGO beschränken sich die gerichtlichen Befugnisse auf dasjenige, was die Zollbehörden selbst anordnen können. Werden die Befugnisse der Zollbehörden nach §§ 361 Abs. 2 AO, 69 Abs. 2 FGO durch unionsrechtliche Regelungen überlagert, muss dies auch für das gerichtliche Verfahren gelten (st. Rspr. des BFH zu Art. 244 ZK: Urteil vom 19.04.2011, VII B 234/10, BFH/NV 2011, 1202; zu Art. 45 UZK vgl. Schoenfeld, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, 8. EL Sept. 2016, Art. 45 UZK Rn. 34).

7

Da sich die Begriffe der begründeten Zweifel im Sinne von Art. 244 Abs. 2 ZK bzw. 45 Abs. 2 UZK und der ernstlichen Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 2 S. 2 FGO im Wesentlichen decken (Schoenfeld, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, a. a. O., Art. 45 UZK Rn. 18), liegen begründete Zweifel vor, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (st. Rspr. des BFH, Beschluss vom 26.08.2004, V B 243/03, in: juris, Rn. 14 unter Bezugnahme auf Beschluss vom 10.02.1967, III B 9/66, BFHE 87, 447). Die Aussetzung der Vollziehung setzt dabei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH, Beschluss vom 26.04.2004, VI B 43/04, in: juris, Rn. 11; Beschluss vom 20.05.1997, VIII B 108/96, in: juris, Rn. 41). Sie kann auch dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte (vgl. BFH, Beschluss vom 23.08.2004, IV S 7/04, in: juris, Rn. 21). Die Umstände, die die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 123. EL Mai 2010, § 69 FGO Rn. 94, 123).

8

Keine der in Art. 45 Abs. 2 UZK aufgeführten Alternativen ist im Streitfall gegeben:

a)

9

Nach dem Prüfungsmaßstab dieses vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vermag der Senat nicht festzustellen, dass begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der verbindlichen Zolltarifauskünfte DE ...-1 vom 11.05.2016, DE ...-2 vom 11.05.2016 und DE ...-3 vom 11.05.2016, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.07.2017, im Sinne von Art. 45 Abs. 2, 1. Alt. UZK vorliegen. Die von dem Antragsgegner vorgenommene Einreihung der streitgegenständlichen Waren - das sind: verschiedene Panels für Röntgengeräte mit CMOS-Bildsensor mit Szintillator und Bildsignalelektronik zum Erzeugen eines Rohdatenbildes durch Umwandeln von Röntgenstrahlen in Lichtimpulse (vertrieben unter den Bezeichnungen "XX ..., ... bzw. ...", "YY" und "ZZ"), sog. Röntgenflachdetektoren - jeweils in die Warennummer 8525 8019 90 (Fernsehkamera mit CMOS-Bildsensor, nicht von den TARIC-Codes 8525 8019 20 bis 8512 8019 65 erfasst) dürfte rechtlich nicht zu beanstanden sein.

10

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union sowie des Bundesfinanzhofes (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 20.06.1996, Rs. C-121/95, EuGHE 1996, I-3047 Rn. 13; BFH, Urteile vom 18.12.2001, VII R 78/00, vom 09.10.2001, VII R 69/00, vom 14.11.2000, VII R 83/99, vom 05.10.1999, VII R 42/98, und vom 23.07.1998, VII R 36/97, jeweils in: juris) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur, AV). Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System (HS) Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. EuGH, Urteile vom 09.12.1997, Rs. C-143/96, EuGHE 1997, I-7039 Rn. 14, und vom 19.05.1994, Rs. C-11/93, EuGHE 1994, I-1945 Rn. 11 und 12; zu den für die Erläuterungen allein verbindlichen Vertragssprachen Englisch und Französisch siehe Bender, ZfZ 2016, 30, 31). Daneben werden "Nationale Entscheidungen und Hinweise" (NEH) zur Kombinierten Nomenklatur und zum Harmonisierten System veröffentlicht, die jedoch lediglich Verwaltungsanweisungen sind, die den deutschen Zollstellen bei Schwierigkeiten mit der Einordnung von Waren eine Tarifierungshilfe geben sollen und nur unverbindlichen Charakter haben (BFH, Urteil vom 09.05.2000, VII R 14/99, in: juris). Auf den Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. BFH, Urteile vom 14.11.2000, VII R 83/99, und vom 05.10.1999, VII R 42/98, jeweils in: juris; Beschluss vom 24.10.2002, VII B 17/02, in: juris).

11

Die objektiven Merkmale und Eigenschaften der streitgegenständlichen Waren sprechen dem Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und der Anmerkungen zu Kapitel 90 folgend sowie unter Berücksichtigung der Erläuterungen zu Positionen 9022 HS und 8525 HS, die zur Auslegung der in den Positionen 9022 und 8525 und den dazugehörigen Unterpositionen verwendeten Begriffe heranzuziehen sind, nicht für eine Einreihung der Waren in die vom Antragsteller angesprochene Position 9022 (u. a. Röntgenapparate und -geräte) - und innerhalb dieser Position nach Auffassung des Antragstellers vorrangig in die Unterposition 9022 12 (Röntgenapparate und -geräte, auch für medizinische, chirurgische, zahnärztliche oder tierärztliche Zwecke, einschließlich Apparate und Geräte für Schirmbildfotographie und Strahlentherapie), dort wiederum in die Unterposition 9022 1200 000, hilfsweise Unterposition 9022 1300 000, weiter hilfsweise Unterposition 9022 1400 000, weiter hilfsweise Unterposition 9022 1900 000, bzw. hilfsweise in die Unterposition 9022 90 (andere, einschließlich Teile und Zubehör), dort wiederum in die Unterposition 9022 9020 000 (Teile und Zubehör für Röntgenapparate und -geräte) -, sondern für die Einreihung der Waren in die von dem Antragsgegner angesprochene Position 8525 (u. a. Fernsehkameras), Unterposition 8525 8019 900 (Fernsehkameras, andere als von der Unterposition 8525 8011 000 oder den TARIC-Positionen 8525 8019 200 bis 8525 8019 700 erfasst).

12

Die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren stellen sich nicht als Röntgenapparate und -geräte im Sinne der Unterposition 9022 12, Unterpositionen 9022 1200 00 bis 1900 00, mit einem Drittlandszollsatz von jeweils 0 % dar. Was unter einem Röntgenapparat und -gerät zu verstehen ist, ist durch die Kombinierte Nomenklatur nicht näher definiert. Der Wortlaut der Position 9022 bzw. der Unterposition 9022 12 ist insoweit offen, als er den Begriff des Apparats bzw. Geräts beinhaltet und dieser zwar vorgibt, dass es sich um einen Gegenstand handeln muss, der bestimmte Funktionen auszuführen in der Lage ist, jedoch nicht zugleich vorgibt, ob ein Röntgenapparat bzw. -gerät bereits dann gegeben ist, wenn ein Gegenstand sinnvoll nur im Zusammenhang mit der Erzeugung und dem Einsatz von Röntgenstrahlung zur Anwendung kommen kann und derartige Funktionen unterstützt, ohne jedoch selbst sämtliche Bestandteile zu beinhalten, die erforderlich sind, um Röntgenstrahlen zu erzeugen und einzusetzen, oder sich ein Röntgenapparat bzw. -gerät dadurch auszeichnet, dass der Apparat bzw. das Gerät bestimmte Bestandteile und Funktionen zwingend aufweisen muss, die ihn bzw. es als Röntgenapparat bzw. -gerät charakterisieren, insbesondere auch eine Vorrichtung zur Erzeugung von Röntgenstrahlen. Da auch der Wortlaut der Anmerkungen zu dem das Kapitel 90 umfassenden Abschnitt XVIII und zu Kapitel 90 keine Hinweise auf die nähere Bedeutung des Begriffs Röntgenapparate und -geräte enthält, ist die Bedeutung der hier in Rede stehenden Position 9022 und der dazugehörigen Unterpositionen nach den üblichen Auslegungskriterien festzustellen. Es ist daher auf die Erläuterungen zum Harmonisierten System und die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur als maßgebliches Erkenntnismittel zurückzugreifen (vgl. auch BFH, Urteil vom 18.12.2001, VII R 78/00, in: juris). Die Erläuterungen in ihrer deutschen Übersetzung zu Position 9022 HS in EZT-online Rz. 02.0, Sätze 1 und 2, sehen vor, dass der Hauptbestandteil dieser Apparate und Geräte das Gehäuse ist, das die Röhre oder die Röhren enthält, welche die Röntgenstrahlung erzeugen, und dieses Gehäuse, das in der Regel an einer Säule oder an einer anderen Halterung mit Schwenk- und Hebevorrichtungen befestigt ist, eine Spezialvorrichtung für die Stromzufuhr besitzt, die den Strom von einer beliebigen Stromquelle abnimmt und auf die erforderliche Spannung bringt. Nach Satz 3 der genannten Erläuterung ist im Übrigen die Bauart der Röntgenapparate und -geräte je nach ihrem Verwendungszweck verschieden, wobei im Folgenden in EZT-online Rz. 03.0-11.0 nach ihrem Verwendungszweck zu unterscheidende Röntgenapparate und -geräte aufgeführt werden. Danach ergibt sich eindeutig, dass ein Röntgenapparat bzw. -gerät im Sinne der Position 9022 jedenfalls ein Gehäuse mit einer Röhre oder mehreren Röhren, welche Röntgenstrahlen erzeugen, beinhalten, mithin über eine derartige Strahlenquelle verfügen muss. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist eine Strahlenquelle als Bestandteil nicht ausschließlich bei den unter Position 9022 des Weiteren aufgeführten "Apparaten und Geräten, die Alpha-, Beta- oder Gammastrahlen verwenden" erforderlich. Derartige Apparate und Geräte erfordern zwar eine Strahlenquelle, allerdings in der besonderen Form, dass die Strahlung von einer in einem Behälter befindlichen radioaktiven Substanz ausgeht, die die Eigenschaft hat, durch Eigenumwandlung ihrer Atome Strahlen auszusenden (vgl. Erläuterung zu Position 9022 HS in EZT-online Rz. 13.0). Daneben gibt es u. a. die in den Erläuterungen zu Position 9022 HS in EZT-online Rz. 02.0 sowie Rz.22.0-23.0 beschriebene Strahlenquelle in Form der Röntgenröhre, bei der elektrische Energie in Röntgenstrahlen umgewandelt wird, und die Hauptbestandteil der Röntgenapparate und -geräte im Sinne der Position 9022, Unterposition 9022 12, ist. Der Annahme, dass Röntgenapparate und -geräte im Sinne der Position 9022 zwingend eine solche Strahlenquelle in Form einer oder mehrerer Röntgenröhren enthalten müssen, steht auch nicht die Erläuterung zu Position 9022 HS in EZT-online Rz. 05.0 entgegen. Danach gehören zu den nach ihrem Verwendungszweck zur Diagnose eigesetzten Röntgenapparaten und -geräten auch Röntgenaufnahme-Apparate und -geräte, bei denen die Strahlen beim Austritt aus dem aufgenommenen Körperteil auf eine fotografische Platte oder einen Film auftreffen und diese belichten, wobei ein derartiger Apparat auch zur Durchleuchtung und Aufnahme eingerichtet sein kann. Anders als der Antragsteller meint, ist der Formulierung "kann auch zur Durchleuchtung und Aufnahme eingerichtet sein" nicht zu entnehmen, dass auch Apparate und Geräte, die allein die Funktion haben, Röntgenstrahlen beim Austritt aus dem aufgenommenen Körperteil "aufzunehmen", ohne jedoch eine eigene Strahlenquelle zu haben, Röntgenapparate und -geräte im Sinne der Position 9022 sein können. Die unter der in EZT-online Rz. 05.0 beschriebenen Röntgenaufnahme-Apparate und -geräte zeichnen sich dadurch aus, dass die Röntgenstrahlen, die durch eben diese Apparate und Geräte selbst erzeugt und sodann zur Durchdringung eines lichtundurchlässigen Körpers eingesetzt werden, durch denselben Apparat bzw. dasselbe Gerät beim Austritt aus dem Körperteil auf einer fotografischen Platte oder einen Film auftreffen und diese belichten und insofern eine Röntgenaufnahme hergestellt wird. Wenn es in Satz 2 der Rz. 05.0 in EZT-online heißt, dass ein derartiger Apparat auch zur Durchleuchtung und Aufnahme eingerichtet sein kann, so bezieht sich diese Aussage auf die in der vorangehenden Rz. 04.0 in EZT-online beschriebenen Röntgendurchleuchtungsapparate und -geräte, bei denen die Röntgenstrahlen dazu verwendet werden, das innere Bild des von ihnen durchdrungenen Körperteils in Schatten auf einen geeigneten Bildschirm zu werfen, ohne jedoch eine dauerhafte Aufnahme des durchdrungenen Körperteils zu erzeugen. Die in Rz. 05.0 in EZT-online beschriebenen Röntgenaufnahme-Apparate und -geräte können daher so ausgestaltet sein, dass sie die von Röntgenstrahlen durchdrungenen Körperteile entweder nur in fotografischer oder filmischer Form aufnehmen ("zur Aufnahme eingerichtet") oder die Körperteile daneben wahlweise auch in Schatten auf einen geeigneten Bildschirm werfen ("zur Durchleuchtung eingerichtet"). Aus diesem Zusammenhang wird deutlich, dass "zur Durchleuchtung eingerichtet" in Satz 2 der Rz.05.0 in EZT-online nicht meint, dass nur für Apparate "zur Durchleuchtung" eine Strahlenquelle vorhanden sein muss. Schließlich wird auch in den Erläuterungen zu Position 9022 HS in Rz. 06.0 in EZT-online, die Apparate und Geräte für Schirmbildfotographien, bei denen das Bild, das auf dem Durchleuchtungsschirm entstanden ist, fotografiert wird, betreffen, deutlich, dass eine Strahlenquelle unabdingbarer Bestandteil eines Röntgenapparats bzw. -geräts ist. Denn in Satz 4 der genannten Rz. 06.0 in EZT-online ist ausdrücklich klargestellt, dass gesondert gestellte fotografische Spezialapparate in Position 9006 einzureihen sind.

13

Die Erläuterung zu Position 9022 HS in Rz. 02.0 EZT-online, wonach Hauptbestandteil von Röntgenapparaten und -geräten das Gehäuse mit der Röntgenröhre ist, steht nicht im Widerspruch zu dem Wortlaut der Position 9022 und den dort genannten Unterpositionen. Auf die vom Antragsteller insoweit angeführte stoffliche Eignung eines Gegenstands zum Einsatz im Zusammenhang mit - von einer auch anderweitigen Strahlenquelle erzeugten - Röntgenstrahlen und eine entsprechende Verwendungsbestimmung allein kann es nämlich nicht ankommen, weil sich aus der Position 9022 und den dort genannten Unterpositionen nichts dafür ergibt, dass hier der Unionsgesetzgeber eine derartige Verwendungseignung und -bestimmung als das allein maßgebende Kriterium angesehen und somit eine vom Vorhandensein einer eigenen Strahlenquelle unabhängige Definition des Röntgenapparats bzw. -geräts geschaffen hätte.

14

Ist mithin nach den Erläuterungen zu Position 9022 HS, Rz. 02.0 EZT-online, für einen Röntgenapparat bzw. -gerät zwingend ein Gehäuse, das die Röhre oder die Röhren enthält, welche die Röntgenstrahlung erzeugen, erforderlich, so sind die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren keine Röntgenapparate bzw. -geräte im Sinne der Position 9022, Unterposition 9022 12, da sie jeweils keine eigene Röntgenröhre als Strahlenquelle besitzen. Die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren wandeln, je nach Modell, mittels einer Szintillatorschicht oder Cäsiumjodid Röntgenstrahlen entsprechend ihrer Intensität in Lichtsignale um, die wiederum mittels eines CMOS-Sensors in eine Spannung umgewandelt und elektronisch ausgelesen werden und sodann als Information an einen PC zur bildlichen Darstellung und Auswertung übertragen werden können. Die von den streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren umgewandelten Röntgenstrahlen werden aber nicht von den Röntgenflachdetektoren selbst erzeugt, sondern stammen von Röntgenstrahlen erzeugenden Röntgenapparaten und -geräten oder anderen Strahlenquellen, in deren Zusammenhang die Röntgenflachdetektoren jeweils eingesetzt werden.

15

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es sich bei den streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren - wenn diese, wie vorstehend aufgezeigt, nicht im Sinne des Antragstellers als eigenständiger Röntgenapparat bzw. eigenständiges Röntgengerät einzureihen sind - aufgrund ihrer Verwendungseignung und -bestimmung, insbesondere der zum Umwandeln von Röntgenstrahlen in Lichtsignale vorgesehenen Szintillatorschicht bzw. Cäsiumjodid und der zum Umwandeln der Lichtsignale in Spannung vorgesehenen CMOS-Sensoren und der Einbaubarkeit in Röntgenapparate und -geräte, die beispielsweise zu medizinischen oder industriellen Zwecken eingesetzt werden, grundsätzlich um Teile oder Zubehör für Röntgenapparate und -geräte der Unterposition 9022 12 handeln kann. Eine Zuordnung zu der von dem Antragsteller insoweit hilfsweise angesprochenen Unterposition 9022 90, Unterposition 9022 9020 000, mit einem Drittlandzollsatz von 2,1 % (Teile und Zubehör für Röntgenapparate und -geräte) ist allerdings gleichwohl nicht vorzunehmen. Denn die streitgegenständlichen Waren sind nach Anmerkung 1 h), 2 zum Kapitel 90 aus dem Kapitel 90 ausgewiesen. Nach Anmerkung 2 sind Teile und Zubehör für u. a. Apparate und Geräte des Kapitels 90 vorbehaltlich der vorstehenden Anmerkung 1 nach den unter 2 a) bis c) genannten Regeln einzureihen, nach Anmerkung 1 h) zum Kapitel 90 gehören zum Kapitel 90 u. a. nicht Fernsehkameras der Position 8528.

16

Mit dem Antragsgegner ist davon auszugehen, dass es sich bei den Röntgenflachdetektoren um Kameras im Sinne der Position 8525 handelt und diese damit von der Position 90 ausgewiesen sind.

17

Die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren stellen sich als Fernsehkameras der Position 8525, Unterposition 8525 8019 900 mit einem Drittlandszollsatz von 3,3 % (Fernsehkameras, andere als von der Unterposition 8525 8011 000 oder den TARIC-Positionen 8525 8019 200 bis 8525 8019 700 erfasst) dar. Mangels weiterführender Hinweise zum Begriff der Fernsehkamera im Wortlaut der Position bzw. Unterpositionen und in den Anmerkungen zur Kombinierten Nomenklatur ist auch hier auf die Erläuterungen zum Harmonisierten System und die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur als maßgebliches Erkenntnismittel zurückzugreifen. In den Erläuterungen zu Position 8525 HS, Rz. 08.-11.0 in EZT-online, heißt es, dass zu der Gruppe "Fernsehkameras, digitale Fotoapparate und Videoaufnahmegeräte" solche Kameras gehören, die ein Bild aufnehmen und in ein elektronisches Signal umwandeln, das 1) als Videobild zu einem Ort außerhalb der Kamera gesendet wird, um es zu betrachten oder aufzuzeichnen (z. B. Fernsehkameras); oder das 2) in der Kamera als Einzelbild oder Bewegtbild aufgezeichnet wird (z. B. digitale Fotoapparate und Videoaufnahmegeräte). In Rz. 12.0 EZT-online, Sätze 2 und 3, der genannten Erläuterungen heißt es weiter, dass die Kameras der Position 8525 und die Kameras des Kapitels 90 optische Linsen zum Fokussieren des Bildes auf einem lichtempfindlichen Träger und Vorrichtungen zum Regeln des Lichts, das in die Kamera einfällt, enthalten, jedoch die Fotoapparate und Filmkameras des Kapitels 90 die Bilder auf einen fotografischen Film des Kapitels 37 belichten, während die Kameras dieser Position die Bilder in analoge oder digitale Daten umwandeln. In Rz. 13.0, Sätze 1 und 2, EZT-online der genannten Erläuterungen heißt es, dass die Kameras dieser Position ein Bild aufnehmen, indem sie das Bild auf ein lichtempfindliches Bauteil, wie einen Komplementären Metall-Oxid-Halbleiter (CMOS) oder eine ladungsgekoppelte Vorrichtung (charge coupled device - CCD-Sensor) fokussieren, und das lichtempfindliche Bauteil ein den Bildern entsprechendes Signal sendet, das in eine analoge oder digitale Bildaufzeichnung weiterverarbeitet wird.

18

Die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren erfüllen diese in den Erläuterungen genannten Voraussetzungen. Sie nehmen ein Bild, nämlich die in unterschiedlicher Intensität auf einer bestimmten Fläche des Röntgenflachdetektors auftreffenden Röntgenstrahlen, auf und wandeln es in entsprechende elektronische Signale um, die zu einem Ort außerhalb des Röntgenflachdetektors gesendet werden, um es zu betrachten oder aufzuzeichnen. Dabei nehmen sie das Bild auf, indem sie - nach der Umwandlung der Röntgenstrahlen in sichtbare Lichtimpulse - das Bild auf ein lichtempfindliches Bauteil, hier einen Komplementären Metall-Oxid-Halbleiter (CMOS), fokussieren und das lichtempfindliche Bauteil ein den Bildern entsprechendes Signal sendet, das in eine digitale Bildaufzeichnung weiterverarbeitet wird. Das aufzunehmende Bild im Sinne der genannten Erläuterungen muss dabei nicht zwingend ein bereits im Ausgangszustand von einem menschlichen Auge wahrnehmbares Bild sein. Wie sich aus der Formulierung in den Erläuterungen zu Position 8525 HS, Rz. 09.0 bis 11.0 in EZT-online, ergibt, ist vielmehr entscheidend, dass das aufgenommene Bild nach der Umwandlung in ein elektronisches Signal als Videobild bzw. Einzelbild oder Bewegtbild aufgezeichnet und durch das menschliche Auge betrachtet werden kann. Dass die Erläuterungen zu Position 8525 HS in diesem Sinne zu verstehen sind, wird durch die Erläuterungen zu Position 8525 KN, Rz. 00.5 in EZT-online, Satz 1, unterstützt. In dieser Erläuterung heißt es, dass zur Position 8525 auch Wärmebildkameras mit Infrarot-Bildaufnehmern gehören, die Wärmestrahlung aufnehmen und sie in Bilder umwandeln, die die Temperaturen einzelner Flächen oder Objekte als unterschiedliche Grautöne oder Farben darstellen. Dieser Vorgang ist dem Aufnehmen von Röntgenstrahlung unterschiedlicher Intensität und deren Umwandlung in eine bildliche Darstellung, wie es die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren tun, vergleichbar. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich ferner, dass es unerheblich ist, dass das durch das menschliche Auge zu betrachtende Bild erst außerhalb des Röntgenflachdetektors nach Weiterleitung der elektronischen Signale an einen PC betrachtet werden kann. Entscheidend ist, dass die Fernsehkamera im Sinne der Position 8525 in der Lage ist, das aufgenommene Bild in elektronische Signale umzuwandeln, die ein Aufzeichnen bzw. Betrachten des Bildes an einem Ort außerhalb der Kamera ermöglichen. Dass das betrachtbare Videobild bereits in der Kamera erzeugt und als solches an einen Ort außerhalb der Kamera weitergeleitet werden müsste, ergibt sich aus der Erläuterung hingegen nicht. Schließlich steht auch der Umstand, dass die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren nicht über eine "optische Linse" zum Fokussieren des Bildes auf einem lichtempfindlichen Träger und Vorrichtungen zum Regeln des Lichts, das in die Kamera einfällt, verfügen, der Einreihung als Fernsehkamera im Sinne der Position 8525 nicht entgegen. Die entsprechende Formulierung in den Erläuterungen zu Position 8525 HS, Rz. 12.0 in EZT-online, Satz 2, ist in Zusammenhang mit dem Folgesatz 3 zu lesen. Es wird dort zunächst beschrieben, welche Charakteristika typischerweise die Kameras sowohl der Position 8525 als auch des Kapitels 90 aufweisen (optische Linse, Vorrichtungen zum Regeln des Lichts), während sodann im Satz 3 die Besonderheiten der Kameras der Position 8525 (Umwandlung der Bilder in analoge oder digitale Dateien) in Abgrenzung zu denen des Kapitels 90 (Belichtung der Bilder auf einen fotografischen Film des Kapitels 37) herausgestellt werden. Ein darüber hinaus gehender Aussagegehalt dahin gehend, dass nur Kameras mit einer optischen Linse und Vorrichtungen zum Regeln des Lichts Kameras im Sinne der Position 8525 sein können, kommt der genannten Erläuterung nicht zu. Vielmehr kommt es darauf an, dass das in eine analoge oder digitale Datei umzuwandelnde Bild in Form der Lichtimpulse in geeigneter Weise auf den lichtempfindlichen Träger auftreffen kann und insoweit "fokussiert" wird. Dies ist bei den streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren gewährleistet, da durch die Anordnung der entsprechenden Bauteile die maßgeblichen Lichtimpulse auf den CMOS-Sensor gelenkt werden.

19

Entgegen der Auffassung des Antragstellers handelt es sich bei den Fernsehkameras im Sinne der Position 8525 nicht ausschließlich um solche, die im oder für "das Fernsehen", so wie es im allgemeinen Sprachgebrauch verstanden wird, verwendet werden. Dies ergibt sich aus den Erläuterungen zu Position 8525 HS, Rz. 14.0 in EZT-online, in denen, nicht abschließend, Beispiele für Fernsehkameras aufgezählt und neben Fernsehkameras zur Verwendung in Fernsehstudios und zur Berichterstattung auch Kameras für industrielle oder wissenschaftliche Zwecke, in geschlossenen Fernsehsystemen zur Videoüberwachung oder Kameras für die Verkehrsüberwachung genannt werden.

20

Dass nach Anmerkung 1 m) Waren des Kapitels 90 aus dem Abschnitt XVI, der die Kapitel 84 und 85 umfasst, ausgewiesen sind, steht dem vorliegend gefundenen Einreihungsergebnis nicht entgegen, da es sich, wie aufgezeigt, bei den streitgegenständlichen Waren gerade nicht um Waren des Kapitels 90 handelt.

21

Auf die vom Antragsteller ferner angeführten Auslegungsregelungen der AV 3 Buchst. a) bis c) kommt es angesichts der nach vorstehenden Ausführungen gemäß AV 1 Satz 2 vorrangig vorzunehmenden Einreihung nach dem Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nicht an.

22

Eine dem Antragsteller günstigere Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht aus dem Umstand, dass vom 01.01. bis zum 31.12.2016 unter dem TARIC-Code 9022 9000 100 eine autonome Zollaussetzung für den streitgegenständlichen Waren sehr ähnliche Röntgendetektoren gewährt wurde. Diese Zollaussetzung betraf "Panel für Röntgengeräte (Röntgenflachdetektor/X-Ray Sensors) bestehend aus einer Glasplatte mit einer Matrix aus Dünnfilmtransistoren, beschichtet mit einem Film aus amorphen Silizium, welcher mit einer Cäsiumjodid-Schicht (Scintillator) und einer metallisierenden Schutzschicht belegt wurde, oder beschichtet mit einem Film aus amorphem Selen". Die beschriebenen Panels unterscheiden sich von den streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren im Wesentlichen dadurch, dass letztere mit CMOS-Bildsensoren statt mit einer Matrix aus Dünnfilmtransistoren ausgestattet sind. Aus der Festlegung einer Zollaussetzung für bestimmte Waren unter Zuordnung zu einer bestimmten Tarifposition kann jedoch keine Bindungswirkung dahin gehend abgeleitet werden, dass derartige oder sehr ähnliche vergleichbare Waren stets unter der entsprechenden Tarifposition, in Bezug auf die hier in Rede stehenden Waren also als Teile/Zubehör für Röntgengeräte und nicht als Fernsehkameras, einzureihen sind. Vielmehr erschöpft sich der Aussagegehalt des genannten TARIC-Codes in der zeitlich begrenzten Gewährung einer Zollaussetzung für ganz bestimmte Teile von Röntgengeräten, unabhängig davon, ob diese Teile, für sich betrachtet, richtigerweise nicht als Teile und Zubehör für Röntgengeräte im Sinne der Unterposition 9022 90, sondern als Fernsehkameras im Sinne der Position 8525 einzureihen gewesen wären.

23

Im Übrigen stützt auch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1109/2012 der Kommission vom 23.11.2012 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. L 329/3) die Auffassung, dass die streitgegenständlichen Waren als Fernsehkameras im Sinne der Position 8525 einzureihen sind. Im Anhang der genannten Durchführungsverordnung wird ein elektronisches Gerät in einem Keramikgehäuse mit 60 Anschlussstiften, bestehend aus drei Chips mit ladungsgekoppelten Halbleiterelementen (CCD-Chips), die mit einer röntgenempfindlichen aktiven Fläche etwa 220 x 6 mm linear angeordnet sind, und drei auf die Chips aufgebrachten Glasfaserplatten mit Szintillatoren, das zur Bilderzeugung in Röntgenkameras eingebaut wird, als Teil von Fernsehkameras der Unterposition 8525 8019 in den KN-Code 8529 9092 eingereiht. Damit wird deutlich, dass die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren, die mit vergleichbaren Sensoren mit Faserplatte und Szintillator und darüber hinaus mit der Signalverarbeitungstechnik ausgestattet sind und zur Röntgenbildgebung dienen, ihrerseits als Fernsehkameras im Sinne der Position 8525 einzureihen sind.

b)

24

Auch eine Aussetzung der Vollziehung nach Art. 45 Abs. 2, 2. Alt. UZK kommt im Streitfall nicht in Betracht. Es bestehen nämlich nach der derzeitigen Sachlage keinerlei Anhaltspunkte, dass dem Antragsteller durch die Vollziehung der verbindlichen Zolltarifauskünfte DE ...-1 vom 11.05.2016, DE ...-2 vom 11.05.2016 und DE ...-3 vom 11.05.2016 ein unersetzbarer Schaden im Sinne der genannten Vorschrift entstehen könnte. Zwar sind verbindliche Zolltarifauskünfte nach Art. 33 Abs. 2 UZK auch für den Inhaber verbindlich mit der Folge, dass der Antragsteller die genannten verbindlichen Zolltarifauskünfte bei Einfuhrvorgängen angeben muss, was wiederum eine entsprechende Einfuhrabgabenerhebung nach einem Drittlandszollsatz von 3,3 % durch die an die verbindliche Zolltarifauskunft ebenfalls gebundenen Zollbehörden nach sich zieht. Dass jedoch, wie der Antragsteller befürchtet, eine Erstattung von etwaig zu viel erhobenen Einfuhrabgaben für den Fall, dass sich im Hauptsacheverfahren die verbindlichen Zolltarifauskünfte als rechtswidrig erweisen sollten, ausgeschlossen sein könnte, und insofern ein nicht wieder rückgängig zu machender finanzieller Schaden in Form materiell zu Unrecht erhobener Einfuhrabgaben drohen könnte, hält der beschließende Senat für ausgeschlossen. Denn für den Fall, dass sich im Hauptsacheverfahren die verbindlichen Zolltarifauskünfte als rechtswidrig erweisen sollten, wären die verbindlichen Zolltarifauskünfte nicht nur mit Wirkung für die Zukunft, sondern - unbeschadet der nur für die Zollbehörden geltenden Einschränkungen des Art. 34 UZK bei der Verwaltung von Entscheidungen über verbindliche Zolltarifauskünfte - rückwirkend ab dem Zeitpunkt ihrer Erteilung durch das Gericht aufzuheben und der Antragsgegner zur Erteilung von verbindlichen Zolltarifauskünften mit der von dem Antragsteller begehrten Einreihung gegebenenfalls auch rückwirkend ab dem Erteilungsdatum zu verpflichten. Damit wäre für noch nicht bestandskräftig abgeschlossene oder zumindest innerhalb der Erstattungsfristen liegende Einfuhrabgabenfestsetzungen eine Erstattung der gezahlten Einfuhrabgaben ohne weiteres möglich. Dass die bis zur endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen verbindlichen Zolltarifauskünfte für entsprechende Wareneinfuhren des Antragstellers anfallenden Einfuhrabgaben zu einer aktuellen Existenzgefährdung des Antragstellers führen und insofern die Vollziehung der verbindlichen Zolltarifauskünfte unabhängig von einer etwaigen späteren Erstattung zu einem unersetzbaren Schaden führen könnte, ist nicht ersichtlich und hat auch der Antragsteller weder behauptet noch näher dargelegt.

2.

25

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 135 Abs. 1 und 128 Abs. 3 i. V. m. 115 Abs. 2 FGO.

(1) Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 4 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die Finanzbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für die betroffene Person eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

(3) Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheids bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheids zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.

(4) Durch Einlegung eines Einspruchs gegen die Untersagung des Gewerbebetriebs oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß.

(5) Gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung kann das Gericht nur nach § 69 Abs. 3 und 5 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung angerufen werden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte im Januar 2003 eine Sendung "Drosselspulen mit einer Induktivität von nicht mehr als 62 mH" unter Angabe des Taric-Codes 8504 50 80 300 und unter Inanspruchnahme der für Waren dieser Art bestehenden Zollaussetzung (Verordnung (EG) Nr. 1255/96 des Rates vom 27. Juni 1996 zur zeitweiligen Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte gewerbliche und landwirtschaftliche Waren sowie Fischereierzeugnisse, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 158/1, in der seinerzeit geltenden Fassung) in das Zollgebiet der Gemeinschaft ein. Die Warensendung wurde wie angemeldet zum freien Verkehr abgefertigt.

2

Bei der Ware handelt es sich um einen auf einer Kunststoffplatte befestigten ringförmigen Spulenkern aus Metall, der mit zwei voneinander getrennten Wicklungen aus Kupferdraht mit jeweils der gleichen Anzahl von Windungen versehen ist, deren Enden zu Anschlussstiften an der Unterseite der Kunststoffplatte führen, so dass sich insgesamt vier Anschlüsse ergeben.

3

Die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) kam aufgrund der Untersuchung einer der Sendung entnommenen Probe zu dem Ergebnis, dass die Ware in die Unterpos. 8548 90 90 der Kombinierten Nomenklatur (KN) in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABlEG Nr. L 256/1) in der Fassung des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1832/2002 der Kommission vom 1. August 2002 (ABlEG Nr. L  290/1) einzureihen sei, woraufhin der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) den auf die Warensendung entfallenden Zoll nach einem Zollsatz von 2,7 % nacherhob. Im anschließenden Einspruchsverfahren änderte die ZPLA ihre Tarifauffassung, indem sie die Ware als einen elektrischen Transformator ansah und in die Unterpos. 8504 32 90 KN einreihte. Das HZA wies daraufhin --nach Ankündigung einer entsprechenden Verböserung-- den Einspruch der Klägerin mit der Maßgabe zurück, dass der Zoll nach einem Zollsatz von 3,7 % nachzuerheben sei.

4

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage aus den in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern (ZfZ) 2008, Beilage 2, 21 veröffentlichten Gründen ab.

5

Mit ihrer Revision macht die Klägerin unter Beifügung eines Kurzgutachtens eines Ingenieurs, dessen Ausführungen sie sich in vollem Umfang zu eigen macht, geltend, dass die Auffassung des FG, dass Drosselspulen und andere Selbstinduktionsspulen aus einer einzigen stromleitenden Wicklung bestünden, unzutreffend sei. Anders als das FG meine, stehe es der Einordnung der streitigen sog. stromkompensierten Drosseln als Drosselspulen auch nicht entgegen, dass durch sie lediglich asymmetrische Ströme gedrosselt würden. Als Transformatoren könnten stromkompensierte Drosseln nicht angesehen werden, weil Transformatoren zwei oder mehr Spulen besäßen, deren Wicklungen verschiedenartig angeordnet seien und die Wechselstrom in einem festgelegten oder regelbaren Verhältnis in Wechselstrom anderer Stärke oder Spannung umwandelten, was hinsichtlich der streitigen Ware nicht zutreffe.

6

Das HZA trägt vor, dass eine Drosselspule bzw. Selbstinduktionsspule zwar auch mehrere Wicklungen aufweisen könne, die aber --wie auch in dem von der Klägerin vorgelegten Kurzgutachten ausgeführt-- in Reihe geschaltet seien; dies sei bei den streitigen Waren nicht der Fall. Nach den Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zur Pos. 8504 würden von dieser Position alle Transformatoren erfasst, unabhängig davon, ob sie verschiedenartige oder gleichartige Wicklungen aufwiesen. Dies sei technikkonform, da es verschiedene Anwendungen gebe, bei denen ein Übersetzungsverhältnis von 1:1 verwendet werde.

7

Die Klägerin hat im Revisionsverfahren in anderen Mitgliedstaaten der Union erteilte verbindliche Zolltarifauskünfte vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass der streitigen Ware vergleichbare Waren in der Union bisher unterschiedlich zolltariflich eingereiht wurden. Die deutsche Zollverwaltung hat die uneinheitlich beantwortete Tariffrage deshalb über das Bundesministerium der Finanzen der Kommission vorgelegt, damit diese Maßnahmen zur Gewährleistung einer unionseinheitlichen Anwendung des Zolltarifs treffe. Daraufhin hat der beschließende Senat das Ruhen des vorliegenden Revisionsverfahrens bis zum Abschluss des zolltariflichen Klärungsverfahrens angeordnet.

8

Jenes Verfahren wurde durch die am 14. Dezember 2010 in Kraft getretene Verordnung (EU) Nr. 1076/2010 (VO Nr. 1076/2010) der Kommission vom 22. November 2010 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 308/3) abgeschlossen, mit der Waren, deren in der Verordnung beschriebene Beschaffenheitsmerkmale denen der im vorliegenden Fall streitigen Ware entsprechen, in die Unterpos. 8504 50 95 KN (entspricht der Unterpos. 8504 50 80 KN im Streitjahr 2003) eingereiht worden sind.

9

Die Klägerin sieht ihre Tarifauffassung durch die VO Nr. 1076/2010 bestätigt.

10

Das HZA verweist darauf, dass die VO Nr. 1076/2010 keine Rückwirkung entfalte und für den Streitfall daher nicht verbindlich sei.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie des angefochtenen Einfuhrabgabenbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Dieser Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), denn der für die Einfuhrwaren geschuldete Abgabenbetrag ist bei der Einfuhr in zutreffender Weise buchmäßig erfasst worden. Die eingeführten Waren sind zu Recht als Drosselspulen mit einer Induktivität von nicht mehr als 62 mH des Taric-Codes 8504 50 80 300 angemeldet und abgefertigt worden. Für Waren dieser Art waren die Zölle seinerzeit ausgesetzt.

12

1. Der Senat folgt nicht der Ansicht des FG, dass eine Ware der vorliegenden Art als Transformator entweder in die Unterpos. 8504 31 90 KN oder die Unterpos. 8504 32 90 KN einzureihen sei, sondern schließt sich der mit der VO Nr. 1076/2010 vertretenen Tarifauffassung der Kommission an, wonach eine Ware der im Anhang der VO Nr. 1076/2010 beschriebenen Art, welche --was zwischen den Beteiligten nicht im Streit ist-- der Einfuhrware des Streitfalls entspricht, als andere Drossel- bzw. Selbstinduktionsspule in die Pos. 8504 50 80 KN (in der damaligen Fassung, jetzt Pos. 8504 50 95 KN) einzureihen ist.

13

Einreihungsverordnungen der Kommission dürfen zwar grundsätzlich nicht analog bei der Einreihung von Waren angewendet werden, die vor ihrem Inkrafttreten eingeführt worden sind. Sofern sie jedoch wie im Regelfall lediglich zur Klarstellung der Rechtslage zum Zweck der einheitlichen Anwendung der KN und nicht zur Änderung des bestehenden Rechts ergehen, bestehen keine Bedenken, solche Verordnungen als Indiz zur Bestätigung tariflicher Einreihungen heranzuziehen, sofern die Warenbeschreibung --wie im Streitfall-- in ihren wesentlichen Punkten mit derjenigen der einzureihenden Ware übereinstimmt (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2004 VII R 20/01, BFH/NV 2004, 1305, m.w.N.). Die Einreihungs-VO Nr. 1076/2010 steht im Einklang mit dem Wortlaut der Positionen und Unterpositionen des Gemeinsamen Zolltarifs und verändert diesen nicht.

14

Wie das FG zutreffend erkannt hat, lassen sich dem Wortlaut der Pos. 8504 KN und ihrer Unterpositionen sowie den Anmerkungen zum Abschnitt XVI oder zu Kap. 85 KN keine Anhaltspunkte für die Abgrenzung elektrischer Transformatoren von Drossel- und anderen Selbstinduktionsspulen entnehmen. Die vom FG als weiteres Erkenntnismittel herangezogenen ErlHS sind zwar keine verbindlichen Rechtsnormen, tragen aber erheblich zur Auslegung der einzelnen Tarifpositionen bei, (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 12. Januar 2006 C-311/04 --Algemene Scheeps Agentuur Dordrecht--, Slg. 2006, I-609, ZfZ 2006, 89; vom 5. Juni 2008 C-312/07 --JVC France--, Slg. 2008, I-4165).

15

Nach den ErlHS zur Pos. 8504 Rz 02.0, auf die auch die Kommission ihre Einreihungsverordnung Nr. 1076/2010 gestützt hat, sind Transformatoren Geräte, die mit Hilfe verschiedenartiger Wicklungen um einen Eisenkern Wechselstrom durch Induktion in einem festgelegten oder regelbaren Verhältnis in Wechselstrom anderer Stärke oder Spannung umwandeln. Diese Voraussetzungen, die sich zum Teil bereits aus der Übersetzung des Wortes "transformieren" ergeben, erfüllt die im Streitfall zu tarifierende Ware nicht. Ihre beiden auf dem Spulenkern vorhandenen Wicklungen sind nicht verschiedenartig, sondern von gleicher Anzahl. Selbst wenn man also eine solche Spule derart in einen Stromkreislauf einschaltete, dass zwei voneinander getrennte Stromkreise entstehen und der Strom durch Induktion vom Primärstromkreis der einen Wicklung auf den Sekundärstromkreis der anderen Wicklung übertragen wird, entstünde eine 1:1-Übertragung und keine Umwandlung in einen Strom anderer Stärke oder Spannung. Nach den ErlHS zur Pos. 8504 in Rz 04.0 (jetzt: Rz 04.1) gehören zur Pos. 8504 zwar Transformatoren aller Art ohne Rücksicht auf ihre Bauart und ihren Verwendungszweck; jedoch fußt diese ErlHS auf der vorgenannten Definition des Transformators in der ErlHS zur Pos. 8504 Rz 02.0. Es mag zwar --wie das HZA geltend macht-- für bestimmte Anwendungen als "1:1-Transformatoren" bezeichnete Spulen mit zwei gleichartigen Wicklungen geben, jedoch handelt es sich hierbei nicht um Transformatoren im zolltariflichen Sinn.

16

Da sich den Vorschriften des Zolltarifs --wie ausgeführt-- keine Anhaltspunkte entnehmen lassen, durch welche Beschaffenheitsmerkmale sich Transformatoren von stromkompensierten Drosselspulen unterscheiden lassen, bestehen keine Bedenken, die ErlHS zu diesem Zweck heranzuziehen. Die auf die genannten ErlHS gestützte Auslegung der Tarifpositionen ist tarifrechtlich zulässig, weil der Inhalt der ErlHS mit den Bestimmungen der KN in Einklang steht und deren Bedeutung nicht verändert (vgl. EuGH-Urteil vom 18. Juli 2007 C-142/06 --Olicom--, Slg. 2007, I-6675, ZfZ 2007, 268, Rz 31).

17

2. Eine Einreihung in die Unterpos. 8504 31 KN oder die Unterpos. 8504 32 KN ließe sich im Streitfall auch dann nicht rechtfertigen, wenn man die erwähnten "1:1-Transformatoren" mit zwei gleichartigen Wicklungen als Transformatoren im zolltariflichen Sinn ansähe und davon ausginge, dass das für einen Transformator charakteristische Merkmal allein das Vorhandensein zwei oder mehr galvanisch getrennter, d.h. nicht durch eine elektrisch leitfähige Verbindung, sondern allein induktiv miteinander verbundener, auf magnetisch leitfähigem Material angebrachter Spulen ist, so dass bei Einschaltung in einen Stromkreis eine der Spulen den sog. Primärstromkreis bildet, der im Wege der Induktion elektrische Energie auf den sog. Sekundärstromkreis bzw. die Sekundärstromkreise überträgt.

18

Drosselspulen oder Selbstinduktionsspulen haben demgegenüber --wie sich aus der ErlHS zur Pos. 8504 Rz 37.0 ergibt-- nur eine stromleitende Wicklung, was --worüber zwischen den Beteiligten Einigkeit besteht-- im Sinne von "nur einen Stromkreis bildend" zu verstehen ist, weil Drosselspulen oder Selbstinduktionsspulen zwar durchaus mehrere (Teil-) Wicklungen aufweisen können, die aber --wie sich aus dem auf das vorgelegte Kurzgutachten gestützten Vorbringen der Revision sowie dem Vortrag des HZA ergibt-- ausnahmslos in Reihe geschaltet sind, so dass durch diese Wicklungen nur ein Strom fließt und sie deshalb auch nur wie eine Wicklung wirken.

19

Dass die streitige Ware lediglich eines dieser vorgenannten Merkmale aufweist --entweder dasjenige eines "1:1-Transformators" oder dasjenige einer Drossel- oder Selbstinduktionsspule--, lässt sich allerdings nicht feststellen, weil in dem Zustand, in dem die Ware eingeführt wurde, die insgesamt vier Anschlüsse der beiden Wicklungen auf dem Spulenkern nicht beschaltet waren. Welche Funktion eine Ware der vorliegenden Art ausführt, ergibt sich daher erst aus der Art und Weise ihrer elektrischen Beschaltung und Verwendung in einem bestimmten Gerät. Werden die Anschlüsse so beschaltet, dass die beiden Wicklungen zu voneinander getrennten Stromkreisen gehören, der Strom von der einen auf die andere Wicklung somit durch Induktion übertragen wird, handelt es sich um einen "1:1-Transformator". Liegt dagegen eine Beschaltung vor, die dazu führt, dass sich beide Wicklungen in einem Stromkreis befinden und durch sie nur ein Strom fließt, handelt es sich um eine Drosselspule.

20

Bei dieser Betrachtungsweise hätte die streitige Ware sowohl die objektiven Beschaffenheitsmerkmale eines Transformators als auch einer Drosselspule und ließe sich daher gleichermaßen in die Unterpos. 8504 31 KN (bzw. bei größerer Leistung die Unterpos. 8504 32 KN) als auch in die Unterpos. 8504 50 KN einreihen. In einem solchen Fall ist eine Ware gemäß der Allgemeinen Vorschrift für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV) 6 Satz 1 i.V.m. AV 3 Buchst. c (die AV 3 Buchst. a und b scheiden aus) der in der KN zuletzt genannten Unterposition zuzuweisen.

21

3. Dass die streitige Ware als Drosselspule der Unterpos. 8504 50 80 KN die übrigen Voraussetzungen für eine Zollaussetzung des Taric-Codes 8504 50 80 300 erfüllt, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

Tatbestand

1

I.
Die Beteiligten streiten um die Einreihung von Instantnudelgerichten.

2

Die Klägerin importiert Instantnudelgerichte. Eine ihr im Jahr 2010 erteilte verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) reihte "XXX, ... Instant Noodles, ..., 60g" als Warenzusammenstellung, nicht getrocknet, in die Position 1902 3090 KN ein. In der vZTA heißt es: "Charakterbestimmend sind die Nudeln. Diese sind vorgegart und frittiert. Ein Trocknen im herkömmlichen Sinn hat nicht stattgefunden. Eine Zubereitung zum Herstellen von Suppen im Sinne der Pos 2104 liegt nicht vor." Auf dieser Grundlage überführte die Klägerin über lange Zeit Instantnudelgerichte beanstandungslos in den zollrechtlich freien Verkehr.

3

Nachdem dem Beklagten im Jahr 2012 aufgefallen war, dass das Finanzgericht Hamburg mit Gerichtsbescheid vom 05.11.2007 (4 K 108/06) vergleichbare Instantnudelgerichte als Suppen in die Unterposition 2104 1000 KN eingereiht hatte, fertigte der Beklagte Instantnudelgerichte nur noch unter dieser Unterposition ab. Dementsprechend akzeptierte der Beklagte auch bei der hier in Rede stehenden ergänzenden Zollanmeldung AT/F/...-1 vom 04.02.2013 zum Abrechnungszeitraum 01.01.-31.01.2013 die angemeldete Warentarifnummer 1902 3090 KN nicht, sondern setzte für die Positionen 429, 430, 480, 492, 498-506 dieser Zollanmeldung mit Einfuhrabgabenbescheid AT/F/...-1 vom 06.02.2013 einen Zoll auf der Grundlage der Unterposition 2104 1000 KN fest. Dieser Zollanmeldung lagen Instantnudelgerichte in 60 Gramm-Plastikpackungen zugrunde, die jeweils aus einem Block frittierten Instantnudeln sowie einem oder mehreren Plastikbeuteln, die Gewürze, Pasten, Öle oder getrocknete Zutaten enthalten, bestehen. Die geringelten und vorgegarten (gedämpften) Nudeln haben nach dem Frittieren einen Fettgehalt von ca. 20%. Nach dem auf der Verpackung angegebenen "Zubereitungsbeispiel" werden dem in eine Schüssel gegebenen Inhalt der Packung etwa 320 ml kochendes Wasser zugegeben. Die mit der genannten ergänzenden Zollanmeldung eingeführten Instantnudelgerichte der Geschmacksrichtungen Kim Chi (Position 429, 503), Curry (Position 430, 505), Huhn (Position 480, 499), Ente (Position 492, 498), Shrimps (Position 500, 506), Rind (Position 501), vegetarisch (Position 502) und Thai Suki (Position 504) unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der beigefügten Gewürze, Pasten und Öle. Die Instantnudeln sind jeweils identisch. Auch wenn die Nudeln nach der Verpackungsangabe mit heißem Wasser übergossen zu einer Suppe zubereitet werden sollen, können sie auch ohne weitere Zubereitung, gleichsam wie Kartoffelchips, verzehrt werden.

4

Gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 06.02.2013 legte die Klägerin Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens erließ die Kommission am 11.07.2014 die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014, mit der vergleichbare Instantnudelgerichte nicht als Suppen oder Brühe (Position 2104 KN) sondern als Teigwaren in die Position 1902 KN eintarifiert wurden. Innerhalb dieser Position reihte die Verordnung die frittierten Nudeln als "getrocknet" (1902 3010 KN) ein. Im Zuge der sich anschließenden Diskussion zwischen der deutschen Zollverwaltung und der Kommission veröffentlichte die Kommission am 04.03.2015 eine neue Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN, nach der als "getrocknet" im Sinne dieser Unterposition auch das Rösten und Frittieren zu verstehen sei.

5

Nach Veröffentlichung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 und der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN erließ der Beklagte den Einfuhrabgabenbescheid AT/S/...-2 vom 27.08.2015. Hiermit erhob er im Hinblick auf die Einfuhren von Instantnudelgerichten aus den oben genannten 13 Positionen der ergänzenden Zollanmeldung AT/11/...-3 gemäß Art. 220 ZK auf Grundlage der Unterposition 1902 3010 KN - unter gleichzeitiger Erstattung der aufgrund der Einreihung in die Position 2104 KN mit Einfuhrabgabenbescheid AT/F/...-1 vom 06.02.2013 festgesetzten Zölle - 4.084,70 € Zoll nach.

6

Den hiergegen eingelegten Einspruch (RL ...) begründete die Klägerin wie folgt: Da es in der KN keine Definition des Begriffs "getrocknet" gebe, müsse auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückgegriffen werden. Hier seien beispielsweise die "Leitsätze für Teigwaren" der deutschen Lebensmittel-Kommission heranzuziehen. Danach seien Instantteigwaren zwar als Teigwaren zu bezeichnen; dies gelte jedoch ausdrücklich nicht für frittierte Waren.

7

Mit Einspruchsentscheidung vom 13.11.2015 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Aus der Einreihungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 gehe ausdrücklich hervor, dass der Charakter der Ware - anders als das Finanzgericht Hamburg entschieden habe - durch die im Einfuhrzeitpunkt gewichtsmäßig vorherrschenden Nudeln bestimmt werde. Daher handele es sich nicht um eine Zubereitung zur Herstellung einer Suppe (Position 2104 KN), sondern die Position 1902 KN sei einschlägig. Da die Einreihungsverordnung keine Änderung des Zolltarifs bewirken könne, sondern nur der Klarstellung diene, sei sie auch bei der Einreihung von Waren, die vor ihrem Erlass eingeführt worden seien, zu berücksichtigen. Außerdem müsse die nach den hier in Rede stehenden Einfuhren erlassene Erläuterung zur Kombinierten Nomenklatur ebenfalls sinngemäß berücksichtigt werden. Auf Vertrauensschutz gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) ZK könne sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil sie die ursprüngliche Abgabenerhebung vom 06.02.2013 von vornherein für fehlerhaft gehalten habe und hiergegen Einspruch eingelegt habe.

8

Mit der am 27.11.2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie meint, dass die frittierten Teigwaren, die den Instantnudelgerichten ihren wesentlichen Charakter verliehen, nicht getrocknet seien im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN, sondern dass es sich um andere Teigwaren im Sinne der Unterposition 1902 3090 KN handele. Das Gericht sei an die gegenteilige Rechtsansicht der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN nicht gebunden. Von der Unterposition 1902 3010 KN seien nur Waren erfasst, die einen Trocknungsprozess durchlaufen hätten. Hierbei müsse der Feuchtigkeitsentzug der Hauptzweck der Behandlung sein. Trocknen und Frittieren seien physikalisch unterschiedliche Prozesse. Das Frittieren sei eine Garmethode, um das Lebensmittel in einen verzehrfähigen Zustand zu überführen. Die Waren erhielten durch das Frittieren ihren würzig-aromatischen Geschmack, so dass sie ohne weitere Zubereitung gegessen werden können. Das Trocknen diene dagegen in erster Linie der Haltbarmachung; getrocknete Nudeln müssten vor dem Verzehr noch weiter gegart werden. Beim Trocknen werde durch thermische Umwandlung der Flüssigkeit in ihren gasförmigen Zustand der Feuchtigkeitsgehalt der Ware verringert. Der Austausch von Stoffen sei nicht vorgesehen. Beim Frittieren sei der Feuchtigkeitsentzug dagegen nur ein notwendiger Zwischenschritt, um einen Stoffaustausch zu ermöglichen. Beim Frittieren führe die Maillard-Reaktion - eine Reaktion von Zuckern mit Aminosäuren - dazu, dass das Eiweiß denaturiere, die Stärke verkleistere und sich Aromen bildeten. Hierbei könnten auch potentiell gefährliche Stoffe wie Acrylamid entstehen. Gleichzeitig nehme das Lebensmittel das Frittierfett auf. Die Instantnudeln hätten einen Fettgehalt von 17-20 %, getrocknete Nudeln dagegen von ca. 2 %.Diese physikalischen Unterschiede zwischen getrockneten und frittierten Waren würden auch in der Kombinierten Nomenklatur nachvollzogen. An keiner anderen Stelle würden nämlich frittierte Produkte unter "getrocknete" Produkte subsumiert. Sie würden vielmehr immer als zubereitete Waren angesehen. So würden etwa frittierte Bananen und Erbsen nicht als getrocknete Bananen oder getrocknete Hülsenfrüchte (Unterpositionen 0803 3909 und 0713 1090 KN) eingereiht. Frittierte Bananenchips seien vielmehr in die Unterposition 2008 9967 KN als in anderer Weise zubereitete oder haltbar gemachte Früchte einzutarifieren. Frittierte Erbsen seien als anderes Gemüse, anders als mit Essig zubereitet oder haltbar gemacht (Unterposition 2005 4000 KN), einzureihen.

9

Außerhalb des Zollrechts unterscheide die Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 im Anhang II Teil I Nr. 04.2.6 Gruppe I zwischen "getrockneten Kartoffelprodukten" einerseits und "vorfrittierten gefrorenen oder tiefgefrorenen Kartoffeln" andererseits. Die Verordnung (EG) 1333/2008 differenziere im Anhang II Teil D "Lebensmittelkategorien" zwischen "trockene[n] Teigwaren" (Nr. 06.4.2) und "Noodles (Nudeln asiatischer Art)" (Nr. 06.5). Unerheblich sei die Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN. Sie widerspreche nämlich dem Wortlaut dieser Unterposition. Daher ändere sie die Rechtslage. Außerdem sei sie zeitlich nicht anwendbar auf Einfuhren vor dem 04.03.2015. Der EuGH habe in den Verfahren C-106/75, C-393/93 und C-165/07 festgestellt, dass Erläuterungen nicht auf Einfuhren anzuwenden seien, die vor ihrem Erlass stattgefunden hätten. Wenn Erläuterungen erst ab ihrem Erlass gälten, müsse eine andere rechtliche Bewertung für den davorliegenden Zeitraum möglich sein.

10

Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid AT/S/...-2 vom 27.08.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.11.2015 dahingehend abzuändern, dass die Abgabenerhebung auf der Grundlage der Unterposition 1902 3090 KN erfolgt.

11

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

12

Klärungsbedürftig sei zwischen den Beteiligten nur, ob es sich bei Instantnudelgerichten, deren wesentliche Bestandteile unstreitig frittierte Nudeln seien, um getrocknete Teigwaren (Unterposition 1902 3010 KN) oder andere als getrocknete Teigwaren (Unterposition 1902 3090 KN) handele. Die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur seien für die Zollbehörde bindende Dienstanweisungen. Daher seien sie auch auf den hier in Rede stehenden Sachverhalt anwendbar. Die Erläuterungen könnten nie zu einer Änderung der Rechtslage führen, nur das Verständnis einer bestehenden Rechtslage ändern. Nach Veröffentlichung der Erläuterung habe die deutsche Zollverwaltung ihre Auffassung geändert. Sie gehe nunmehr davon aus, dass auch das Frittieren ein Trocknen im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN darstelle. Auch ohne die Erläuterung sei das Frittieren ein Trocknen im genannten Sinne. Die Unterposition 1902 3010 KN stelle allein darauf ab, dass die Teigwaren "getrocknet" seien, also durch eine Behandlung einen trockenen Zustand erreichten. Welche anderen Eigenschaften sie darüber hinaus hätten, sei für die Einreihung nicht relevant. Es sei unerheblich, ob die Trocknung der Hauptzweck der Behandlung sei. Auch im Codex Alimentarius der UN werde das Frittieren ("frying") als Trocknung ("dehydration") bezeichnet.

13

Ergänzend wird auf die Sachakte des Beklagten sowie das Protokoll des Erörterungstermins vom 27.06.2017 verwiesen.

14

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung über das Vorlageersuchen ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

15

II.
Der Senat setzt das Verfahren in analoger Anwendung des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 S. 1 Buchst. b) des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die im Tenor genannte Frage zur Vorabentscheidung vor, weil die rechtliche Würdigung des Falles unionsrechtlich zweifelhaft ist.

16

1. Rechtlicher Rahmen

17

Den rechtlichen Rahmen für die Entscheidung bildet die im maßgeblichen Zeitpunkt der Einfuhr (dazu 1.1) gültige Unterposition 1902 30 KN ("andere Teigwaren") mit ihren TARIC-Untergliederungen sowie die Anmerkung Nr. 2 zum Abschnitt I KN (dazu 1.2). In den Blick zu nehmen sind weiter die Verordnung (EG) Nr. 635/2005 (dazu 1.3), die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 (dazu 1.4) sowie die Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN (dazu 1.5). Schließlich sind die Erläuterungen zur Position 1902 HS zu beachten (dazu 1.6). Im Einzelnen:

18

1.1 Die Klägerin hat eine Abänderungsklage (§ 100 Abs. 2 FGO) erhoben. Das vorlegende Gericht würde den angefochtenen Einfuhrabgabenbescheid abändern, wenn die Einfuhrabgaben auf der Grundlage der Unterposition 1902 3090 KN festgesetzt werden müssten. Hierfür ist nach mitgliedstaatlichem Verfahrensrecht unter Berücksichtigung des materiellen Rechts auf den Zeitpunkt der Einfuhr abzustellen. Dies ist hier Januar 2013.

19

1.2 Damit gilt Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif vom 23.07.1987 (ABl. EG L 256/1; im Folgenden: Kombinierte Nomenklatur [KN]) in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 927/2012 vom 09.10.2012 (ABl. EU L 304/1), sowie die hierauf aufbauenden Unterpositionen des Integrierten Tarifs der Europäischen Gemeinschaften (TARIC) gemäß Art. 2 Verordnung (EWG) Nr. 2658/87.

20

Die Position 1902 KN lautet wie folgt:

21

Teigwaren, auch gekocht oder gefüllt (mit Fleisch oder anderen Stoffen) oder in anderer Weise zubereitet, z. B. Spaghetti, Makkaroni, Nudeln, Lasagne, Gnocchi, Ravioli, Cannelloni; Couscous, auch zubereitet[.]

22

Während die Unterpositionen 1902 11 und 1902 19 KN nicht zubereitete Teigwaren und die Unterposition 1902 20 KN gefüllte Teigwaren erfassen, befasst sich die hier relevante Unterposition 1902 30 KN mit "anderen Teigwaren". Diese Unterposition lautet:

23

KN-Code

Warenbezeichnung

vertragsmäßiger Zollsatz (%)

1902 30

- - andere Teigwaren:

        

1902 3010    

- - getrocknet

6,4 + 24,6 €/     100 kg/net

1902 3090

- - andere:

6,4 + 9,7 €/       100 kg/net

24

Die Unterposition 1902 30 10 KN wird im TARIC wie folgt weiter untergliedert:

25

1902 3010 10 0

durchsichtige Nudeln, in Stücke geschnitten, hergestellt aus Bohnen der Art Vigna radiata (L.) Wilczek, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf

1902 3010 91

andere

26

Die Unterposition 1902 3090 KN wird im TARIC nicht weiter untergliedert.

27

Die Anmerkung Nr. 2 zum Abschnitt I KN lautet:

28

Soweit nichts anderes bestimmt ist, gilt in der Nomenklatur jede Bezugnahme auf getrocknete Waren auch für entwässerte, eingedampfte oder gefriergetrocknete Waren.

29

1.3 Die Verordnung (EG) Nr. 635/2005 der Kommission vom 26.04.2005 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. L 106/10) reihte eine Warenzusammenstellung von ca. 80 g Instantnudeln mit Gewürzen, die nach Packungsangaben mit 200 ml Wasser übergossen werden sollen, in die Unterposition 1902 3010 ein. Warenbezeichnung und Begründung für die Einreihung lauten gemäß Nr. 1 des Anhangs der Verordnung wie folgt:

30

Warenbezeichnung

Begründung

Erzeugnis, bestehend aus vorgekochten, getrockneten Teigwaren aus Weizenmehl (ungefähr 80 g) Gewürzen (ungefähr 11 g).
Das Erzeugnis ist aufgemacht für den Einzelhandel in einer 250 ml fassenden Schale aus geschäumtem Polystyrol, in der sich neben den Teigwaren ein kleiner Beutel mit den Gewürzen befindet.
Gemäß den Angaben auf der Verpackung sind die Gewürze und kochendes Wasser (max. 200 ml) den Teigwaren in der Schale hinzuzufügen; nach drei Minuten sind die Teigwaren zum Verzehr bereit.
[...]

Die Einreihung erfolgt gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1, 3 b und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur sowie dem Wortlaut der KN-Positionen 1902, 1902 30 und 1902 30 10.
Das Erzeugnis stellt eine für den Einzelhandel aufgemachte Warenzusammenstellung dar. Der hohe Anteil an Teigwaren verleiht der Ware ihren wesentlichen Charakter.
Das Erzeugnis kann nicht in Position 2104 eingereiht werden, weil die in die Schale hinzugefügte Menge an Wasser nicht ausreichend ist, um eine Suppe oder Brühe herzustellen, sondern ihm den Charakter eines Nudelgerichts verleiht.

31

1.4 Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 der Kommission vom 11.07.2014 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. EU L 209/12) wurde eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung zur Zubereitung eines Nudelgerichts ebenfalls in die Unterposition 1902 3010 KN eingereiht. Warenbezeichnung und Begründung der Einreihung lauten wie folgt:

32

Warenbezeichnung

Begründung

Ware, bestehend aus einem Block aus getrockneten vorgekochten Nudeln (etwa 65 g), einem Beutel mit Würzmitteln (etwa 3,4 g), einem Beutel mit Speiseöl (etwa 2 g) und einem Beutel mit getrocknetem Gemüse (etwa 0,8 g).
Bei der Ware handelt es sich um eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung (zusammen verpackt) zur Zubereitung eines Nudelgerichts.
Gemäß den Angaben auf der Verpackung muss vor dem Verzehr kochendes Wasser hinzugegeben werden.

Einreihung gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1, 3 b und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur sowie nach dem Wortlaut der KN- Codes 1902, 1902 30 und 1902 30 10.
Bei der Ware handelt es sich um eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung im Sinne der Allgemeinen Vorschrift 3 b. Ihr wesentlicher Charakter wird der Ware durch die Nudeln verliehen, da diese den größten Teil der Ware ausmachen. Eine Einreihung der Ware in die Position 2104 als Suppen oder Brühen oder Zubereitungen zum Herstellen von Suppen oder Brühen ist somit ausgeschlossen.
Die Ware ist als Teigwaren, auch gekocht oder gefüllt oder in anderer Weise zubereitet, in die Position 1902 einzureihen.

33

Darüber hinaus wurde mit der Durchführungsverordnung (EU) 2015/183 der Kommission vom 02.02.2015 (ABl. EU L 31/5) die Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 gestrichen. Im 3. Erwägungsgrund der Durchführungsverordnung (EU) 2015/183 wird zur Begründung dieser Streichung ausgeführt:

34

Zwar sind beide Waren [d.h. die der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014] in dieselbe Position eingereiht, doch die Einreihung der Waren in Position 2104 der Kombinierten Nomenklatur wird mit unterschiedlichen Begründungen ausgeschlossen. Bei der erstgenannten Ware [der Verordnung (EG) Nr. 635/2005] stellt die Begründung der Einreihung auf die Menge des hinzugefügten Wassers ab, bei der letztgenannten Ware [der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014] hingegen auf die Menge der enthaltenen Nudeln. Die Heranziehung der hinzugefügten Menge Wasser als Kriterium für die Einreihung solcher Waren kann jedoch zu Abweichungen bei der Einreihung führen, die angesichts der Tatsache, dass beide Waren die gleichen Merkmale und Eigenschaften aufweisen, nicht gerechtfertigt wären. Das einzige anwendbare Kriterium sollte daher die Menge der in der Ware enthaltenen Nudeln sein.

35

1.5 Nach Auffassung der deutschen Zollverwaltung war auch nach Erlass der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 noch nicht abschließend geklärt, welche Nudeln als "getrocknet" im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN gelten. Zur Klärung dieser Frage hat die Kommission eine Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN erlassen, die erstmals in der konsolidierten Fassung der Erläuterungen der Europäischen Kommission zur Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Union (im Folgenden: Erläuterungen zur KN), die am 04.03.2015 veröffentlicht wurde (ABl. EU C 76/1), enthalten ist. Diese neue Erläuterung lautet:

36

Der Ausdruck "getrocknet" im Sinne dieser Unterposition bezieht sich auf Waren in trockenem und brüchigem Zustand mit einem geringen Feuchtigkeitsgehalt (bis etwa 12%), die entweder direkt in der Sonne getrocknet oder einem industriellen Trocknungsverfahren (z. B. Tunneltrocknung, Rösten oder Frittieren) unterzogen wurden.

37

1.6 Die Erläuterungen zur Position 1902 HS lauten in der deutschen Übersetzung (Europäischer Zolltarif [EZT] Nr. 04.0):

38

Die Waren werden im allgemeinen vor dem Verkauf getrocknet, um ihren Transport und ihre Lagerung zu erleichtern und ihre Haltbarkeit zu verlängern. In diesem Zustand sind sie zerbrechlich. Zu dieser Position gehören auch nichtgetrocknete (d. h. feuchte oder frische) und gefrorene Waren, z. B. frische Gnocchi und gefrorene Ravioli.

39

2. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage

40

2.1 "Getrocknet" im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN

41

Die Klägerin begehrt die Änderung eines Einfuhrabgabenbescheids, mit dem für die Einfuhr von Instantnudeln im Januar 2013 Zoll gemäß Art. 220 ZK nacherhoben wurde. Die Klägerin hatte diese Nudeln als "andere" als "getrocknet[e] andere Teigwaren" unter der Unterposition 1902 3090 KN (vertragsmäßiger Zollsatz: 6,4 % + 9,7 €/100 kg/net) zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet. Der Beklagte akzeptierte diese Einreihung nicht, sondern nahm die Zollanmeldung unter der Unterposition 2104 1000 KN (vertragsmäßiger Zollsatz: 11,5 %) an. Nachdem der Beklagte aufgrund des Erlasses der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 seine Einreihungsauffassung geändert hatte, reihte er im Nacherhebungsbescheid vom 27.08.2015, der mit der Klage angegriffen wird, die Instantnudelgerichte nunmehr als "andere Teigwaren", "getrocknet" in die Unterposition 1902 3010 KN ein. Für diese Unterposition ist ein vertragsmäßiger Zollsatz in Höhe von 6,4 % + 24,6 €/100 kg/net vorgesehen. Die auf Abänderung des Nacherhebungsbescheids gerichtete Klage hätte Erfolg, wenn die Instantnudeln - innerhalb der einzig in Betracht kommenden Unterposition 1902 30 KN für "andere Teigwaren" - nicht in die Unterposition 1902 3010 KN, sondern in die Unterposition 1902 3090 KN einzureihen wären. Hierfür kommt es darauf an, ob die hier in Rede stehenden Instantnudeln, die frittiert sind, als getrocknete Teigwaren (Unterposition 1902 3010 KN) oder als andere, d. h. nicht getrocknete, Teigwaren (Unterposition1902 3090 KN) anzusehen sind. Konziser formuliert kommt es darauf an, ob frittiert getrocknet ist.

42

Eine Einreihung in die Unterposition 2104 1000 KN zieht das vorlegende Gericht in Übereinstimmung mit den Verfahrensbeteiligten nicht mehr in Betracht. Die im Gerichtsbescheid vom 05.11.2007 (4 K 108/06) vertretene Rechtsauffassung basierte auf einer Auslegung der Begründung von Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 der Kommission vom 26.04.2005. Wie die Begründung der Aufhebung von Nr. 1 dieser Verordnung durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/183 zeigt (siehe oben 1.4), hält die Kommission an dieser Rechtsauffassung nicht mehr fest.

43

2.2 Verordnung (EG) Nr. 635/2005

44

Das vorlegende Gericht fragt nicht nach der Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 635/2005, soweit es um die Einreihung der in Nr. 1 des Anhangs genannten Ware geht, weil es hierauf für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht ankommt. Zwar sind Einreihungsverordnungen als gegenüber der KN speziellere Regelung mit Normcharakter (EuGH, Urt. v. 13.07.2006, C-14/05, ECLI:EU:C:2006:465, Rn. 29 - Anagram; Urt. v. 15.12.1971, Rs. 77/71, ECLI:EU:C:1971:129, Rn. 8 - Gervais-Danone), durch die die Einreihung der von ihr erfassten Produkte verbindlich geregelt wird, im Rahmen ihres Anwendungsbereichs vorrangig heranzuziehen. Da die Verordnung (EG) Nr. 635/2005 erst durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/183 mit Wirkung vom 27.02.2015 aufgehoben wurde, war sie im hier maßgeblichen Zeitpunkt - Januar 2013 - auch zeitlich anwendbar.

45

Die Verordnung (EG) Nr. 635/2005 ist im Hinblick auf die in Nr. 1 des Anhangs geregelte Ware jedoch sachlich nicht auf die hier in Rede stehenden Instantnudelgerichte anwendbar. Da Letztere nicht identisch mit dem in der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 tarifierten Instantnudelgericht sind, käme allenfalls eine entsprechende Anwendung dieser Verordnung in Betracht. Hierzu müssten die einzureihenden und die in der Einreihungsverordnung bezeichneten Waren einander hinreichend ähnlich sein (EuGH, Urt. v. 22.03.2017, C-435/15 und C-666/15, ECLI:EU:C:2017:232, Rn. 38 m. w. N. - Grofa). Für die Beantwortung der Frage, ob Waren einander hinreichend ähnlich sind, ist auch die Begründung der Einreihungsverordnung zu berücksichtigen (a. a. O.). In der Entscheidung Grofa hatte der EuGH die entsprechende Anwendung einer Einreihungsverordnung trotz gewisser Produktähnlichkeiten abgelehnt, weil gerade das tatsächliche Merkmal, das nach der Einreihungsverordnung für die Tarifierung ausschlaggebend war, bei dem einzureihenden Produkt fehlte (Rn. 39).

46

Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die hier in Rede stehenden Instantnudelgerichte und das in Nr. 1 des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 tarifierte Instantnudelgericht nicht hinreichend ähnlich. Zwar bestehen beide Warenzusammenstellungen aus frittierten Nudeln (die Beschreibung "getrocknet" in der Warenbeschreibung der Verordnung [EG] Nr. 635/2005 enthält bereits eine rechtliche Wertung) und Gewürzen. Auch muss nach den jeweiligen Verpackungsangaben kochendes Wasser hinzugefügt werden. Aus dem letzten Absatz der Begründung in Nr. 1 des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 wird jedoch deutlich, dass es für die Einreihung des durch sie erfassten Instantnudelgerichts im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen den Positionen 2104 KN und 1902 KN entscheidend darauf ankommt, wie groß die den Nudeln hinzugefügte Menge an Wasser ist. Auf Grundlage dieser rechtlichen Prämisse konnte die Einreihung in eine Unterposition der Position 1902 KN nur deshalb erfolgen, weil bei einem Verhältnis von 80 g Nudeln zu 200 ml hinzugefügtem Wasser (Verhältnis von 2:5) der Nudelanteil überwiegt und damit dem Gericht insgesamt den Charakter eines Nudelgerichts verleiht.

47

Dieselbe Schlussfolgerung lässt sich für die hier in Rede stehenden Instantnudelgerichte gerade nicht ziehen. Sie bestehen nämlich lediglich aus 60 g Nudeln, denen nach der Verpackungsangabe etwa 320 ml kochendes Wasser zugefügt werden können. Bei einem solchen Nudel-Wasser-Verhältnis von ca. 1:5 lässt sich nicht mehr davon sprechen, dass die Nudeln charakterbestimmend seien (In diesem Sinne auch die Einreihungsgutachten der Zollverwaltung vom 07.11.2012 für die Instantnudeln mit den Geschmacksrichtungen Rind, Ente, Huhn und Shrimp, Teil I Bl. 1-4 der Sachakte).

48

Da die hier in Rede stehenden Instantnudelgerichte bezüglich des - aus Sicht der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 - entscheidenden Tarifierungsmerkmals des Wasser-Nudel-Verhältnisses einen erheblichen Unterschied aufweisen, der eine Einreihung in verschiedene KN-Positionen erfordert, sind sie dem durch diese Verordnung eingereihten Instantnudelgericht nicht hinreichend ähnlich, so dass eine entsprechende Anwendung der Verordnung auf sie ausscheidet.

49

2.3 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014

50

Das vorlegende Gericht fragt nicht nach der Gültigkeit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014, weil es hierauf für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits ebenfalls nicht ankommt. Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 dürfte zwar in sachlicher Hinsicht auf die hier in Rede stehenden Instantnudeln anwendbar sein. Sie ist jedoch in zeitlicher Hinsicht nicht auf den Streitfall anwendbar, weil Einreihungsverordnungen nicht rückwirkend angewandt werden dürfen (EuGH, Urt. v. 17.07.2014, Rs. C-472/12, ECLI:EU:C:2014:2082, Rn. 58 - Panasonic/Scerni Logistics; Urt. v. 24.11.1971, Rs. 30/71, ECLI:EU:C:1971:111, Rn. 8 - Siemers; Urt. v. 15.12.1971, Rs. 77/71, ECLI:EU:C:1971:129, Rn. 8 - Gervais-Danone; Urt. v. 28.03.1979, Rs. 158/78, ECLI:EU:C:1979:87, Rn. 11 - Biegi; BFH, Urt. v. 21.02.2017, VII R 2/15, juris Rn. 14). Die dem angefochtenen Einfuhrabgabenbescheid zu Grunde liegenden Einfuhren fanden im Januar 2013 statt, also bevor die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 im August 2014 in Kraft getreten ist. Dies bedeutet, dass diese Verordnung bei der hier in Rede stehenden Einreihungsfrage - unabhängig davon, ob sie ihrerseits gültig ist - unberücksichtigt gelassen werden muss. Mit anderen Worten: Das vorlegende Gericht wäre, sollte der EuGH die Vorlagefrage verneinen, nicht gehindert, die im Januar 2013 eingeführten Instantnudeln in die Unterposition 1902 3090 KN einzureihen, obwohl die Durchführungsverordnung vergleichbare Waren in die Unterposition 1902 3010 KN einreiht.

51

2.4 Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN

52

Das vorlegende Gericht fragt auch nicht nach der Auslegung oder Gültigkeit der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN, weil es hierauf für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht ankommt.

53

Die Erläuterungen zur KN sind ein wichtiges, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der Tragweite der einzelnen Tarifpositionen (EuGH, Urt. v. 15.12.2016, C-700/15, ECLI:EU:C:2016:95, Rn. 41 - LEK; Urt. v. 17.2.2016, C-124/15, EU:C:2016:87, Rn. 31 - Salutas Pharma; Urt. v. 20.11.2014, Rs. C-666/13, ECLI:EU:C:2014:2388, Rn. 25 - Rohm Semiconductor; Urt. v. 15.04.2014, C-297/13, ECLI:EU:C:2014:331, Rn. 31 - Data I/O; Urt. v. 17.07.2014, Rs. C-480/13, ECLI:EU:C:2014:2097, Rn. 30 m. w. N. - Sysmex Europe). Ihre Anwendung würde im vorliegenden Fall dazu führen, dass die Vorlagefrage eindeutig bejaht werden müsste, weil sie insbesondere das Frittieren als Beispiel für ein industrielles Trocknungsverfahren nennt.

54

Gleichwohl muss das vorlegende Gericht nicht nach der Auslegung oder Gültigkeit der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN fragen. Sie ist nämlich in zeitlicher Hinsicht nicht auf den Streitfall anwendbar. Auch Erläuterungen zur KN sind nur zu berücksichtigen, wenn sie im maßgeblichen Zeitpunkt - hier der Einfuhr der Instantnudelgerichte im Januar 2013 - schon in Kraft getreten sind (vgl. EuGH, Urt. v. 08.04.1976, Rs.106/75, ECLI:EU:C:1976:59, Rn. 4 - Merkur-Außenhandel; Urt. v. 09.08.1994, C-393/93, ECLI:EU:C:1994:258, Rn. 19 - Stanner; Urt. v. 22.05.2008, C-165/07, ECLI:EU:C:2008:302, Rn. 40 - Ecco; BFH, Urt. v. 30.08.1988, VII R 178/85, juris Rn. 12). Dies ist nicht der Fall, da die Erläuterung erst im Jahr 2015 veröffentlicht wurde.

55

Sofern zeitlich nicht anwendbare Erläuterungen zur KN zur Bestätigung eines bereits gefundenen Einreihungsergebnisses herangezogen (so EuGH, Urt. v. 08.04.1976, Rs.106/75, ECLI:EU:C:1976:59, Rn. 4 - Merkur-Außenhandel; Urt. v. 09.08.1994, C-393/93, ECLI:EU:C:1994:258, Rn. 19 - Stanner; Urt. v. 22.05.2008, C-165/07, ECLI:EU:C:2008:302, Rn. 40 - Ecco) oder bei "unveränderter Tariflage" zur Klärung "noch bestehende[r] Einreihungszweifel" angewendet wurden (so BFH, Urt. v. 01.03.2001, VII R 90/99, juris Rn. 22), ergibt sich hieraus im Ausgangsrechtsstreit keine Entscheidungserheblichkeit der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN. Eine solche "bestätigende" Anwendung von Erläuterungen außerhalb ihres zeitlichen Anwendungsbereichs hat nämlich zur Prämisse, dass sie ihrerseits mit der KN im Einklang stehen und deren Bedeutung nicht verändern (zu diesem Erfordernis: EuGH, Urt. v. 15.09.2005, C-495/03, ECLI:EU:C:2005:754:552 Rn. 48 - Intermodal Transports, Urt. v. 08.12.2005, C-445/04, ECLI:EU:C:2005:754, Rn. 20 - Possehl Erzkontor, Urt. v. 16.02.2006, C-500/04, ECLI:EU:C:2006:111, Rn. 22 - Proxxon; Urt. v. 05.06.2008, Rs. C-312/07, ECLI:EU:C:2008:324, Rn. 34 - JVC France). Diese Frage muss notwendigerweise allein durch Auslegung der Unterposition 1902 3010 KN geklärt werden.

56

3. Rechtliche Erwägungen des Senats

57

Im vorliegenden Rechtsstreit geht es einzig um die Frage, ob frittierte Nudeln "getrocknet" im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN sind. Im Ausgangspunkt ist festzustellen, dass der Begriff "getrocknet" vielfach in der KN verwendet, jedoch an keiner Stelle definiert wird. Das Wort "frittiert" findet sich in der KN nicht. In einer solchen Situation kann für die Ermittlung des tarifrechtlichen Bedeutungsgehalts eines Begriffs auch auf die Verkehrsauffassung und das allgemeine Sprachverständnis zurückgegriffen werden (vgl. Lux, in: Dorsch, Zollrecht, 80. EL März 2001, VO KN Einführung Rn. 194; Alexander, in: Witte, Zollkodex, 5. Auflage 2013, Art. 20 Rn. 48).

58

Vorab ist für die Auslegung des Begriffs "getrocknet" zunächst zu klären, ob es tarifrechtlich überhaupt zulässig wäre, für die Einreihung auf die Art der Herstellung - hier: die Anwendung eines Trocknungsverfahrens - abzustellen. Es ist in der Rechtsprechung nämlich hinlänglich geklärt, dass grundsätzlich für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein nur auf die objektiven Merkmale und Eigenschaften abzustellen ist, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (siehe nur EuGH, Urt. v. 15.12.2016, C-700/15, ECLI:EU:C:2016:95, Rn. 39 - LEK m. w. N.). Auf die Art und Weise der Herstellung eines Erzeugnisses kann es nur dann ankommen, wenn die betreffende Tarifposition dies ausdrücklich vorschreibt (EuGH, Urt. v. 25.05.1989, Rs. 40/88, ECLI:EU:C:1989:214, Rn. 15 - Weber; Urt. v. 08.12.1987, Rs 42/86, ECLI:EU:C:1987:526, Rn. 13 - Artimport; Urt. v. 28.07.2011, C-215/10, ECLI:EU:C:2011:528, Rn. 40 - Pacific World/FDD International). Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist dies vorliegend der Fall. Wie noch darzulegen sein wird (dazu 3.1), deutet die Verwendung des Partizips Perfekt "getrocknet" darauf hin, dass die Ware ein Verfahren durchlaufen haben muss, bei dem es Feuchtigkeit verloren hat, mithin getrocknet wurde. Wenn allein auf die Beschaffenheit abgestellt werden sollte, hätte das Adjektiv "trocken" (wie bspw. in der Unterposition 1302 2010 KN [Pektinstoffe, Pektinate und Pektate, trocken]; Zusätzliche Anmerkung Nr. 3 zu Kapitel 19 KN [Unter die Unterposition 1905 90 20 fallen nur trockene und spröde Erzeugnisse]; Unterpositions-Anmerkung Nr. 1 zu Kapitel 27 KN [trockene, mineralstofffreie Substanz]) verwendet werden können.

59

Vor diesem Hintergrund soll zunächst die allgemeine Bedeutung des Wortes "getrocknet" beschrieben werden (dazu 3.1). Sodann ist auf die lebensmittelchemischen Unterschiede zwischen dem Trocknen und dem Frittieren einzugehen (dazu 3.2). Hiervon ausgehend soll dargelegt werden, welche Erkenntnisse sich über die Auslegung des Begriffs "getrocknet" aus der Systematik der KN ableiten lassen (dazu 3.3). Weiter sollen die Erläuterungen zur Position 1902 HS in den Blick genommen werden (dazu 3.4).

60

3.1 Allgemeines Wortverständnis

61

In seiner - hier einzig in Betracht kommenden - intransitiven Bedeutung heißt "trocknen" im allgemeinen Sprachgebrauch "vom nassen in den trockenen Zustand übergehen; Feuchtigkeit verlieren" (https://de.wiktionary.org/wiki/trocknen; ähnlich die Definition in www.duden.de). Zu beachten sein dürfte, dass in der KN nicht der Infinitiv, sondern das Adjektiv "getrocknet", das aus dem Partizip Perfekt von "trocknen" gebildet wird, Verwendung findet. Mit diesem Begriff wird demnach ein Gegenstand bezeichnet, der Feuchtigkeit verloren hat. Auch das englische Verb "dry" hat eine sehr allgemeine Bedeutung. So wird es definiert als "free or relatively free from a liquid and especially water" (www.merriam-webster.com/dictionary/dried). Nach diesem Wortverständnis sind alle Gegenstände getrocknet, die Flüssigkeit verloren haben. Dies trifft auch auf frittierte Teigwaren zu, da Lebensmittel beim Frittieren zwingend Wasser verlieren. Im Zusammenhang mit Lebensmitteln hat das Wort "getrocknet" jedoch auch im allgemeinen Sprachgebrauch eine engere Bedeutung. So sind getrocknete Bananen, Äpfel oder Mangos Früchte, die ein Trocknungsverfahren durchlaufen haben, um die Früchte haltbar zu machen. Das englische Adjektiv "dried" hat ebenfalls diese Bedeutung von "[to p]reserve by allowing or encouraging evaporation of moisture from." (Oxford Dictionary of English, 3. Auflage 2010, S. 539, Stichwort: "dried"). Das Adjektiv "getrocknet" im Sinne von "ein Trocknungsverfahren durchlaufen habend" ist abzugrenzen vom Adjektiv "trocken", das allgemeiner die Abwesenheit von Feuchtigkeit bezeichnet. Wenn getrocknete Lebensmittel solche Lebensmittel sind, die ein Trocknungsverfahren durchlaufen haben, stellt sich die Frage, ob nach dem allgemeinen Wortverständnis das Frittieren ein Trocknungsverfahren ist. Es könnte sich hierbei um jedes Verfahren handeln, das dazu führt, dass die Ware nach Anwendung des Verfahrens trocken ist. Nach diesem Wortverständnis kann auch das Frittieren ein Trocknungsverfahren sein, weil man - wie auch bei den hier in Rede stehenden Instantnudeln - eine Ware so lange frittieren kann, bis sie trocken ist. Dieses Verständnis des Begriffs "Trocknung" scheint einer Publikation der World Instant Noodles Association - einem Branchenverband - zugrunde zu liegen. Dort wird die Behandlung, die auch die hier in Rede stehenden Instantnudeln erfahren, als "rapidly drying noodles through flash-frying in oil" (Sachakte Teil 3, Bl. 15) bezeichnet. Danach stellt das Schnellfrittieren (flash-frying) eine Trocknungsmethode dar.

62

Das vorlegende Gericht neigt allerdings zu einem engeren Verständnis dessen, was ein Trocknungsverfahren ist. Das Trocknen von Lebensmitteln stellt nach der Verkehrsauffassung ein Verfahren zur Haltbarmachung dar. Es ist abzugrenzen von Garmethoden (z. B. kochen, grillen, braten), zu denen auch das Frittieren gehört (siehe die Übersicht bei https://de.wikipedia.org/wiki/Grundzu-bereitungsart). Das Garen wiederum ist eine Behandlung, die der Zubereitung von Lebensmitteln dient. Zubereiten bedeutet, die Lebensmittel in einen verzehrfähigen Zustand zu überführen. Zwar führen die meisten Garmethoden auch dazu, dass Lebensmittel haltbarer sind. Dies ist jedoch nicht der Hauptzweck des Garens. Versteht man "getrocknet" als Beschreibung einer Ware, die einen Trocknungsprozess durchlaufen hat, könnten frittierte (oder gegrillte oder gebratene) Teigwaren knusprig oder fettig oder - wenn sie lange genug frittiert werden - auch trocken sein. Sie könnten jedoch nie "getrocknet" sein, weil das Frittieren eine Garmethode, jedoch keine Trocknungsmethode ist. Diese Differenzierung findet sich auch im deutschen Recht der Lebensmittelkennzeichnung. So finden die "Leitsätze für Teigwaren" vom 02.12.1998 (BAnz. Nr. 66a vom 09.04.1999), die von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission - einer vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eingesetzten Expertenkommission (§§ 15 f. LFGB) - herausgegeben werden, ausdrücklich auf frittierte Erzeugnisse keine Anwendung (Ziff. I.A.1. a. E.). Teigwaren im Sinne dieser Leitsätze sind damit alle Teigwaren, die ohne Anwendung eines Gärungs- oder Backverfahrens hergestellt werden.

63

Außerhalb des Zollrechts unterscheidet die Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 (ABl. 2011 L 295/1), die sich mit Lebensmittelzusatzstoffen befasst, im Anhang II Teil I Nr. 04.2.6 Gruppe I zwischen "getrockneten Kartoffelprodukten" einerseits und "vorfrittierten gefrorenen oder tiefgefrorenen Kartoffeln" andererseits.

64

Der Codex Standard for Instant Noodles der Codex Alimentarius-Kommission der UN, auf den der Beklagte verwiesen hat, scheint diesem engen Trocknungsbegriff nur auf den ersten Blick entgegenzustehen. Nach diesem Codex Standard werden Instantnudeln einer Vor-Verkleisterung (pregelatinization) und einer Dehydration (dehydration) unterzogen, die durch Frittieren oder durch andere Methoden erfolgen können. Wenn also das Frittieren zu einem Wasserentzug führt, könnte man das Frittieren auch als Trocknung bezeichnen. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts beschreibt der Codex Standard jedoch lediglich die chemischen Vorgänge, die beim Frittieren (auch) stattfinden. Es kommt nämlich insbesondere zu einer Verkleisterung und zu einem Wasserentzug. Zur Frage, ob das Frittieren auch ein Trocknungsverfahren ist, verhält sich der Codex Standard dagegen wohl nicht.

65

3.2 Lebensmittelchemische Unterschiede

66

Für das engere Verständnis von "getrocknet", zu dem das vorlegende Gericht neigt, sprechen auch die fundamentalen lebensmittelchemischen Unterschiede zwischen dem Frittieren und dem Trocknen. Während das Frittieren ein Garverfahren ist, bei dem neben dem beiläufig erfolgenden Wasserentzug zahlreiche komplexe chemische Reaktionen ablaufen, ist das Trocknen ein Trennverfahren, das lediglich zum Feuchtigkeitsentzug führt. Im Einzelnen:

67

Das Frittieren ist ein Garen im heißen Fettbad bei Temperaturen zwischen 150 und 175 Grad Celsius (Ternes/Täufel/Tunger/Zobel [Hrsg.], Lebensmittellexikon, 4. Auflage 2005 [Lebensmittellexikon], S. 602; Kurzhals [Hrsg.], Lexikon Lebensmitteltechnik, 2003, [Lexikon Lebensmitteltechnik], S. 437, Stichwort: Frittieren). Durch die Zuführung thermischer Energie werden komplexe chemische Prozesse angestoßen. So führt das Frittieren
* zum Denaturieren der Proteine (Eiweißgerinnung),
* zum Zellaufschluss,
* zur Stärkeverkleisterung,
* zur Freisetzung von Aromen durch nichtenzymatische Bräunung (Maillard-Reaktion) und
* zum Abtöten von Mikroorganismen.

68

Das Trocknen ist dagegen kein Garverfahren, sondern ein thermisches oder mechanisches Trennverfahren (Lexikon Lebensmitteltechnik, S. 1115, Stichwort: Trocknen). Es dient der Konservierung und beruht auf der Unterbindung des Mikroorganismenwachstums und der Hemmung chemischer und enzymatischer Vorgänge durch Entfernung des hierfür notwendigen Wassers (Lebensmittellexikon, S. 1929, Stichwort: Trocknung). Anders als das Frittieren muss beim Trocknen nicht zwingend thermische Energie eingesetzt werden; sie kann auch mechanisch erfolgen.

69

Während beim Frittieren zahlreiche chemische Reaktionen angestoßen werden, beruht die Trocknung darauf, dass derartige Vorgänge unterbunden und Mikroorganismen abgetötet werden. Beim Trocknen kommt es weder zur Eiweißgerinnung oder zum Zellaufschluss noch zur Stärkeverkleisterung. Es werden auch keine neuen Aromen gebildet, die nicht schon in dem zu trocknenden Lebensmittel vorhanden sind. Mikroorganismen werden nicht durch Hitzeeinwirkung abgetötet. Durch den Wasserentzug wird Ihnen vielmehr lediglich die Lebensgrundlage entzogen.

70

3.3 Systematik der KN

71

Die KN definiert nicht, was genau unter dem Begriff "getrocknet" im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN zu verstehen ist. Mithin muss dies durch Auslegung ermittelt werden. Hierbei ist nach Auffassung des vorlegenden Gerichts zu beachten, dass die KN an verschiedenen Stellen zwischen zubereiteten und haltbar gemachten Lebensmitteln unterscheidet. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass ihr insgesamt eine Dichotomie von zubereiteten Lebensmitteln einerseits und haltbar gemachten Lebensmitteln andererseits zu Grunde liegt, und das Frittieren keine Behandlung zur Haltbarmachung, sondern zum Zubereiten ist (dazu 3.3.1). Für diese Lesart des Begriffs "getrocknet" spricht auch die Anmerkung 2 zum Abschnitt I KN (dazu 3.3.2). Die Einreihung anderer frittierter Lebensmittel deutet ebenfalls darauf hin, dass das Frittieren nicht als Trocknungsverfahren zu betrachten ist (dazu 3.3.3). Im Einzelnen:

72

3.3.1 Die KN unterscheidet an verschiedenen Stellen zwischen zubereiteten Lebensmitteln einerseits und haltbar gemachten Lebensmitteln andererseits (z. B. Anmerkung 1 Buchst. d) zu Kapitel 11 KN, Anmerkung 1 zu Kapitel 16, Anmerkung 1 Buchst. a) zu Kapitel. 20, Zusätzliche Anmerkung 2 zu Kap. 16).

73

Auch wenn das Wort "frittieren" in der KN nicht erwähnt wird, enthält die KN - dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend - Anhaltspunkte dafür, dass das Frittieren eine Zubereitungsart - und damit keine Form der Haltbarmachung - darstellt. So heißt es in den Unterpositionen der Position 0306 KN (Krebstiere) an verschiedenen Stellen (z. B. Unterposition 0306 1105 KN): "geräuchert, auch ohne Panzer, auch vor oder während des Räucherns gegart, jedoch nicht weiter zubereitet". Hierin kommt zum Ausdruck, dass das Garen von Lebensmitteln eine Art der Zubereitung ist. Da - wie oben bereits dargelegt - auch das Frittieren eine Garmethode ist, kann aus den Unterpositionen der Position 0306 KN abgeleitet werden, dass das Frittieren ebenfalls eine Zubereitungsart ist. Die verschiedenen Unterpositionen der Position 1902 KN sprechen dafür, dass die ansonsten in der KN verwendeten Begriffe des Zubereitens (Beispiel: Frittieren) und des Haltbarmachens (Beispiel: Trocknen) auch dort zur Anwendung kommen sollen. Dort werden nämlich die Begriffe "gekocht" (Unterposition 1902 2091 KN), "getrocknet" (Unterposition 1902 30 10 KN) sowie "nicht zubereitet" (Unterposition 1902 4010 KN) verwendet. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass mit "gekocht" eine Zubereitungsmethode, mit "getrocknet" eine Methode der Haltbarmachung gemeint ist.

74

3.3.2 Die Anmerkung Nr. 2 zum Abschnitt I KN spricht gegen die vom Beklagten vertretene Auffassung, dass frittierte Nudeln getrocknete Teigwaren seien. In dieser Anmerkung, die nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nicht nur für Waren des Abschnitts I KN, sondern für die gesamte Nomenklatur gilt, wird für bestimmte Behandlungen, nämlich das Entwässern, Eindampfen und Gefriertrocknen klargestellt, dass es sich auch hierbei - vorbehaltlich einer anderweitigen Bestimmung - um Trocknungsverfahren handelt. Entwässern bedeutet das Abtrennen von Flüssigkeit von einem Stoff (Lexikon Lebensmitteltechnik, S. 337, Stichwort: Entwässern [dewatering]). Eindampfen, das auch Eindicken genannt wird, ist der "Entzug von Wasser zum Zweck der Haltbarmachung und der Gewinnung von konzentrierten Lebensmitteln" (Lebensmittellexikon, S. 454; siehe auch Lexikon Lebensmitteltechnik, S. 264 f., Stichwort: Eindampfen [evaporating]). Durch das Eindicken werden lagerfähige, wirtschaftlich transportable und standardisierte Lebensmittel gewonnen. Als Beispiele werden Kondensmilch, Molkeerzeugnisse, Fruchtsaft- und Gemüsekonzentrate, Sirupe, Fleisch- und Malzextrakte, Würzen, Hefeextrakte und Pektinpräparate genannt (Lebensmittellexikon, S. 454). Die Gefriertrocknung ist ein schonendes Trocknungsverfahren, das auf der Sublimationstrocknung beruht und in Vakuumkammern durchgeführt wird. Dabei wird das gefrorene Wasser dem Trocknungsgut dergestalt entzogen, dass es direkt in den gasförmigen Zustand übergeht (Lebensmittellexikon, S. 657, Stichwort: Gefriertrocknung; https://de.wikipedia.org/wiki/Gefriertrocknung).

75

Den drei genannten Verfahren ist gemein, dass sie der Ware, die dem Verfahren unterliegt, ausschließlich Wasser entziehen. Anders als beim Frittieren werden der Ware keine Stoffe (Fett) hinzugefügt und es werden keine komplexen chemischen Prozesse angestoßen. Sie dienen auch in erster Linie der Haltbarmachung. Zwar führt das Eindampfen beispielsweise von Frischmilch zu Kondensmilch dazu, dass ein nach der Verkehrsauffassung neues Produkt entsteht, und man insoweit auch von einer Zubereitung sprechen könnte. Möglicherweise ist gerade aus diesem Grund das Eindampfen in die Anmerkung aufgenommen worden. Es bleibt jedoch dabei, dass beim Eindampfen von Frischmilch nichts weiter passiert, als das ihr Wasser entzogen wird. Auch das Gefriertrocknen dient in erster Linie der Haltbarmachung. Zwar führt die Gefriertrocknung bei manchen Produkten wie etwa Kaffee dazu, dass sie instantisiert, also ohne Kochen verzehrfähig werden. Dies trifft auch auf die hier in Rede stehenden Nudeln zu; auch sie werden durch das Frittieren instantisiert. Wie beim Eindampfen besteht jedoch der entscheidende Unterschied zwischen dem Gefriertrocknen und dem Frittieren darin, dass bei Ersterem dem Trockengut lediglich Wasser entzogen wird.

76

Bei den in der Anmerkung genannten Verfahren handelt es sich um Trocknungsverfahren, bei denen der Trocknungsvorgang durch den Einsatz zusätzlicher Energie beschleunigt wird. Angesichts der Tatsache, dass für diese drei Verfahren klargestellt wurde, dass Waren, die sie durchlaufen haben, "getrocknet" sind, würde man erwarten, dass der Verordnungsgeber ausdrücklich geregelt hätte, wenn er den Trocknungsbegriff auch auf Verfahren hätte ausdehnen wollen, die - wie das Frittieren - über die Haltbarmachung hinaus in erster Linie der Zubereitung von Lebensmitteln dienen und bei denen gänzlich andere chemische Prozesse ablaufen als beim Trocknen. Dass dies nicht geschehen ist, spricht dagegen, frittierte Waren als getrocknet im Sinne der KN zu betrachten.

77

3.3.3 Zu dem vom vorlegenden Gericht favorisierten Verständnis des Begriffs "getrocknet" passt, dass einige andere frittierte Lebensmittel nicht als getrocknete Waren eingereiht werden. So werden frittierte Erbsen nicht als "getrocknete ausgelöste Hülsenfrüchte" (Unterposition 0713 1090 KN), sondern als "anderes Gemüse, anders als mit Essig oder Essigsäure zubereitet oder haltbar gemacht" (Erbsen der Unterposition 2005 4000 KN) eingereiht, wobei das Frittieren eine andere Form der Zubereitung als mit (Essig-)Säure ist. Frittierte Bananen werden nicht als getrocknete Bananen (Unterpositionen 0803 1090 bzw. 0803 9090 KN), sondern als zubereitete andere Früchte in eine Position der Unterposition 2008 99 KN eingereiht.

78

3.3.4 Vor diesem Hintergrund spricht nach Auffassung des vorlegenden Gerichts viel dafür, den Begriff "getrocknet" im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN so zu verstehen, dass diese Charakterisierung nur auf solche Teigwaren zutrifft, die das Konservierungsverfahren der Trocknung durchlaufen haben.

79

Für diese Auslegung streitet auch der allgemeine Rechtsgrundsatz der Kohärenz des Unionsrechts (vgl. Art. 7 AEUV), der der Zersplitterung einer Rechtsordnung entgegenwirken soll (Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim [Hrsg.], Das Recht der Europäischen Union, 51. EL Sept. 2013, Art. 7 AEUV Rn. 9). Dieser Grundsatz gebietet eine Auslegung des Unionsrechts, bei der Begriffe möglichst einheitlich ausgelegt werden (siehe das Urteil des EuGH vom 28.02.2013, C-334/12 - Jaramillo, in dem es um die einheitliche Auslegung des prozessrechtlichen Begriffs "angemessene Frist" ging), soweit sich aus dem anzuwendenden Recht nicht eine abweichende Begriffsbildung ableiten lässt. Da sich der KN kein teigwarenspezifischer Trocknungsbegriff entnehmen lässt, dürfte viel dafür sprechen, ihn im vorgeschlagenen Sinne zu verstehen.

80

3.4 Erläuterungen zur Position 1902 HS

81

Da es vorliegend um eine Einreihung innerhalb der autonom von der Europäischen Union festgesetzten Unterpositionen der Kombinierten Nomenklatur geht, können die Erläuterungen zum Harmonisierten System nur indirekte Hinweise für die Beantwortung der Einreihungsfrage geben. In den Erläuterungen zur Position 1902 HS heißt es in der deutschen Übersetzung:

82

Die Waren werden im allgemeinen vor dem Verkauf getrocknet, um ihren Transport und ihre Lagerung zu erleichtern und ihre Haltbarkeit zu verlängern. ... Zu dieser Position gehören auch nichtgetrocknete (d. h. feuchte oder frische) und gefrorene Waren, ....

83

Hieraus kann man zum einen schließen, dass das Trocknen keine Form der Zubereitung ist, sondern dazu dient, die Ware haltbarer und leichter umschlagbar zu machen. Ein Verfahren wie das Frittieren, das auch der Zubereitung einer Ware zum Verzehr dient, könnte nach dieser Lesart kein Trocknen sein. Gleichzeitig differenziert die Erläuterung zwischen getrockneten, nichtgetrockneten (feuchten oder frischen) und gefrorenen Produkten. Versteht man die Erläuterung so, dass es sich um eine abschließende Aufzählung handelt, und frittierte Waren weder frisch noch gefroren sind, könnte die Erläuterung dafür sprechen, dass das Frittieren unter den Begriff "getrocknet" fällt. Hiergegen wiederum spricht die Überschrift der Position 1902 HS/KN, nach der neben gekochten und gefüllten Teigwaren ausdrücklich auch auf andere Weise zubereitete Teigwaren erfasst sind. Vor diesem Hintergrund kann man die zitierte Erläuterung zum Harmonisierten System auch so verstehen, dass sie die Zustände beschreibt, in denen sich Teigwaren vor ihrer Zubereitung befinden können, nämlich getrocknet, nichtgetrocknet und gefroren. Nach dieser Lesart stünde die genannte Erläuterung zum Harmonisierten System einer Einordnung von frittierten Teigwaren als zubereitete Teigwaren nicht im Wege.

84

4. Angesichts dieser Zweifel an der Auslegung des einschlägigen Unionsrechts hat der Senat beschlossen, dem EuGH die im Tenor genannte Frage im Wege des Vorabentscheidungsersuchens vorzulegen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Einreihung von Instantnudelgerichten.

2

Die Klägerin importiert Instantnudelgerichte. Eine ihr im Jahr 2010 erteilte verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) reihte „XX ... Instant Noodles, Vegetable Flavour, 60g“ als Warenzusammenstellung, nicht getrocknet, in die Position 1902 3090 KN ein. In der vZTA heißt es: „Charakterbestimmend sind die Nudeln. Diese sind vorgegart und frittiert. Ein Trocknen im herkömmlichen Sinn hat nicht stattgefunden. Eine Zubereitung zum Herstellen von Suppen im Sinne der Pos 2104 liegt nicht vor.“ Auf dieser Grundlage überführte die Klägerin über lange Zeit Instantnudelgerichte beanstandungslos in den zollrechtlich freien Verkehr.

3

Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 vom 11.07.2014 wurden Instantnudelgerichte, die mit den im vorliegenden Verfahren eingeführten Waren vergleichbar sind, als getrocknete Teigwaren in die Unterposition 1902 3010 KN eintarifiert. Im Zuge der sich anschließenden Diskussion zwischen der deutschen Zollverwaltung und der Kommission veröffentlichte die Kommission am 04.03.2015 eine neue Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN, nach der als „getrocknet“ im Sinne dieser Unterposition auch das Rösten und Frittieren zu verstehen sei.

4

Entsprechend der früheren Einreihungspraxis meldete die Klägerin auch im Juni 2015 mit verschiedenen vereinfachten Zollanmeldungen Instantnudelgerichte zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Nach Abgabe der ergänzenden Zollanmeldung AT/F/40/... vom 10.06.2015 zum Abrechnungszeitraum 01.06.–30.06.2015 setze der Beklagte zunächst mit Bescheid vom 09.07.2015 (Registrierkennzeichen ATF-40-...) die Abgaben für die Einfuhr der Instantnudelgerichte auf der Grundlage der angegebenen Unterposition 1902 3090 KN abschließend fest.

5

Nachdem dem Beklagten aufgefallen war, dass die angemeldete Zolltarifposition von der Position abweicht, die durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 vorgegeben war, erhob er mit Einfuhrabgabenbescheid vom 05.08.2015 (Registrierkennzeichen ATF-11-…) für die Positionen 51, 91, 113-117, 154-157, 174-177, 237-242, 247,272-276, 372 und 373 der ergänzenden Zollanmeldung auf der Grundlage der Unterposition 1902 3010 KN weiteren Zoll i. H. v. 17.550,71 € nach. Den Zollanmeldungen zu diesen Positionen lagen Instantnudelgerichte in 55, 60, 70, 75 bzw. 85 Gramm-Plastikpackungen zugrunde, die jeweils aus einem Block frittierten Instantnudeln sowie einem oder mehreren Plastikbeuteln, die Gewürze, Pasten, Öle oder getrocknete Zutaten enthalten, bestehen. Die geringelten und vorgegarten (gedämpften) Nudeln haben nach dem Frittieren einen Fettgehalt von ca. 20%. Nach dem auf der Verpackung angegebenen „Zubereitungsbeispiel“ werden dem in eine Schüssel gegebenen Inhalt der Packung etwa 320 ml kochendes Wasser zugegeben. Die mit der genannten ergänzenden Zollanmeldung eingeführten Instantnudelgerichte der Geschmacksrichtungen vegetarisch (Positionen 51, 114, 274), Shrimp (Positionen 91, 113, 156, 174, 273), Rind (Positionen 115, 117), Kim Chi (Position 116), Huhn (Positionen 154, 157, 247, 276, 372), Curry (Positionen 175, 238), Gemüse (Positionen 176, 177, 240), Schwein (Position 237), geschmortes Rind (Position 239), Wasabi (Position 272), Meeresfrüchte (Position 275) und Beef + Lime (Position 373) unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der beigefügten Gewürze, Pasten und Öle. Die Instantnudeln sind jeweils identisch. Auch wenn die Nudeln nach der Verpackungsangabe mit heißem Wasser übergossen zu einer Suppe zubereitet werden sollen, können sie auch ohne weitere Zubereitung, gleichsam wie Kartoffelchips, verzehrt werden.

6

Gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 05.08.2015 legte die Klägerin mit Schreiben vom 11.08.2015 Einspruch ein (RL ...), den sie wie folgt begründete: Frittierte Instantnudeln seien keine getrockneten Teigwaren. Diese Auffassung habe die deutsche Zollverwaltung bis zum Erlass der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 und der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN vertreten. Das Frittieren sei kein Trocknungsverfahren, sondern eine Zubereitungsmethode. Da es in der Kombinierten Nomenklatur keine Definition des Begriffs „getrocknet“ gebe, müsse auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückgegriffen werden. Hier seien beispielsweise die „Leitsätze für Teigwaren“ der deutschen Lebensmittel-Kommission heranzuziehen. Danach seien Instantteigwaren zwar als Teigwaren zu bezeichnen; dies gelte jedoch ausdrücklich nicht für frittierte Waren. Verschiedene Mitgliedstaaten hätten auf der Sitzung des Ausschusses für den Zollkodex am 27./28.10.2014 Bedenken gegen den Erlass der Erläuterung zur Position 1902 3010 KN geäußert.

7

Mit Einspruchsentscheidung vom 12.07.2017 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Da die Einfuhr vor dem 01.05.2016 stattgefunden habe, sei der Zollkodex anzuwenden. Die Zollschuld sei gemäß Art. 201 Abs. 3 ZK entstanden und auf der Grundlage der Unterposition 1902 3010 KN zu berechnen. Der Beklagte sei an die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 sowie die Erläuterungen zur Unterposition 1902 3010 KN gebunden, die diese Einreihung vorsähen. Sie stünden auch mit dem Wortlaut der Unterposition 1902 3010 KN im Einklang. Danach sei einzig entscheidend, ob die Teigware durch die Behandlung eine Trocknung erfahren habe. Welche anderen Beschaffenheitsmerkmale sie durch das Trocknen erhalten habe, spiele keine Rolle.

8

Mit der am 25.07.2017 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Unterposition 1902 3010 KN könne nicht so ausgelegt werden, dass auch frittierte Nudeln darunter fielen. Sie verweist insoweit auf ihren Vortrag im Verfahren 4 K 161/15 sowie das Vorabentscheidungsersuchen, das der beschließende Senat in jenem Verfahren an den Europäischen Gerichtshof gerichtet hat (Rechtssache C-471/17). Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 stehe nicht im Einklang mit dem so verstandenen Wortlaut der Unterposition 1902 3010 KN und sei daher nichtig. Aus denselben Gründen sei die hier in Rede stehende Erläuterung zu dieser Unterposition unbeachtlich.

9

Die Klägerin beantragt,
1. den Einfuhrabgabenbescheid vom 05.08.2015 (Registrierkennzeichen ATF-11-...) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.07.2017 aufzuheben;
2. die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

10

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

11

Er verweist auf die Einspruchsentscheidung.

12

Ergänzend wird auf die Sachakte des Beklagten Bezug genommen.

13

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (Bl. 16 f., 25 der Akte) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

II.

14

Der Senat setzt das Verfahren in analoger Anwendung des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aus und legt dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 S. 1 Buchst. b) des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die im Tenor genannten Fragen zur Vorabentscheidung vor, weil die rechtliche Würdigung des Falles unionsrechtlich zweifelhaft ist.

15

1. Rechtlicher Rahmen
Den rechtlichen Ausgangspunkt für die Entscheidung bildet die im maßgeblichen Zeitpunkt der Einfuhr (dazu 1.1) gültige Unterposition 1902 30 KN („andere Teigwaren“) mit ihren TARIC-Untergliederungen (dazu 1.2). Von Bedeutung sind weiter die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 (dazu 1.3) sowie die Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN (dazu 1.4). Im Einzelnen:

16

1.1 Die Klägerin hat eine Anfechtungsklage (§ 100 Abs. 1 FGO) erhoben. Das vorlegende Gericht würde den angefochtenen Nacherhebungsbescheid aufheben, wenn die Einfuhrabgaben auf der Grundlage der Unterposition 1902 3090 KN festgesetzt werden müssten. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage ist nach mitgliedstaatlichem Verfahrensrecht unter Berücksichtigung des materiellen Rechts der Zeitpunkt der Einfuhr. Dies ist hier Juni 2015.

17

1.2 Damit gilt Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif vom 23.07.1987 (ABl. EG L 256/1; im Folgenden: Kombinierte Nomenklatur [KN]) in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1101/2014 vom 16.10.2014 (ABl. EU L 312/1) sowie die hierauf aufbauenden Unterpositionen des Integrierten Tarifs der Europäischen Gemeinschaften (TARIC) gemäß Art. 2 Verordnung (EWG) Nr. 2658/87.

18

Die Position 1902 KN lautet:
Teigwaren, auch gekocht oder gefüllt (mit Fleisch oder anderen Stoffen) oder in anderer Weise zubereitet, z. B. Spaghetti, Makkaroni, Nudeln, Lasagne, Gnocchi, Ravioli, Cannelloni; Couscous, auch zubereitet[.]

19

Während die Unterpositionen 1902 11 und 1902 19 KN nicht zubereitete Teigwaren und die Unterposition 1902 20 KN gefüllte Teigwaren erfassen, befasst sich die hier relevante Unterposition 1902 30 KN mit „anderen Teigwaren“. Diese Unterposition lautet:

20

KN-Code

Warenbezeichnung

vertragsmäßiger Zollsatz (%)

1902 30

– andere Teigwaren:

        

1902 3010

– –  getrocknet

6,4 + 24,6 €/

                 

100 kg/net

1902 3090

– – andere:

6,4 + 9,7 €/

                 

100 kg/net

21

Die Unterposition 1902 3010 KN wird im TARIC wie folgt weiter untergliedert:

                 

1902 3010 10 0  

durchsichtige Nudeln, in Stücke geschnitten, hergestellt aus Bohnen der Art Vigna radiata (L.) Wilczek, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf

1902 3010 91

andere

22

Die Unterposition 1902 3090 KN wird im TARIC nicht weiter untergliedert.

23

1.3 Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 der Kommission vom 11.07.2014 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. EU L 209/12) wurde eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung zur Zubereitung eines Nudelgerichts in die Unterposition 1902 3010 KN eingereiht. Dort heißt es:

24

Warenbezeichnung

Begründung

Ware, bestehend aus einem Block aus getrockneten vorgekochten Nudeln (etwa 65 g), einem Beutel mit Würzmitteln (etwa 3,4 g), einem Beutel mit Speiseöl (etwa 2 g) und einem Beutel mit getrocknetem Gemüse (etwa 0,8 g).

Einreihung gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1, 3 b und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur sowie nach dem Wortlaut der KN-Codes 1902, 1902 30 und 1902 30 10.

Bei der Ware handelt es sich um eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung (zusammen verpackt) zur Zubereitung eines Nudelgerichts.

Bei der Ware handelt es sich um eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung im Sinne der Allgemeinen Vorschrift 3 b. Ihr wesentlicher Charakter wird der Ware durch die Nudeln verliehen, da diese den größten Teil der Ware ausmachen. Eine Einreihung der Ware in die Position 2104 als Suppen oder Brühen oder Zubereitungen zum Herstellen von Suppen oder Brühen ist somit ausgeschlossen.

Gemäß den Angaben auf der Verpackung muss vor dem Verzehr kochendes Wasser hinzugegeben werden.

Die Ware ist als Teigwaren, auch gekocht oder gefüllt oder in anderer - Weise zubereitet, in die Position 1902 einzureihen.

25

1.4 Nach Auffassung der deutschen Zollverwaltung war auch nach Erlass der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 noch nicht abschließend geklärt, welche Nudeln als „getrocknet“ im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN gelten. Zur Klärung dieser Frage hat die Kommission eine Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN erlassen, die erstmals in der konsolidierten Fassung der Erläuterungen der Europäischen Kommission zur Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Union (im Folgenden: Erläuterungen zur KN), die am 04.03.2015 veröffentlicht wurde (ABl. EU C 76/1), enthalten ist. Diese neue Erläuterung lautet:
Der Ausdruck „getrocknet“ im Sinne dieser Unterposition bezieht sich auf Waren in trockenem und brüchigem Zustand mit einem geringen Feuchtigkeitsgehalt (bis etwa 12%), die entweder direkt in der Sonne getrocknet oder einem industriellen Trocknungsverfahren (z. B. Tunneltrocknung, Rösten oder Frittieren) unterzogen wurden.

26

2. Erste Vorlagefrage
2.1 Entscheidungserheblichkeit
2.1.1 „Getrocknet“ im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN
Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Nacherhebungsbescheids, mit dem für die Einfuhr von Instantnudeln im Juni 2015 Zoll nacherhoben wurde. Die Klägerin hatte diese Nudeln als „andere“ als „getrocknet[e] andere Teigwaren“ unter der Unterposition 1902 3090 KN (vertragsmäßiger Zollsatz: 6,4 % + 9,7 €/100 kg/net) zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet. Der Beklagte akzeptierte diese Einreihung zunächst, erhob wenig später jedoch den Zoll nach, der sich aus der Differenz zwischen der Unterposition 1902 3090 KN und der Unterposition 1902 3010 KN (6,4 % + 24,6 €/100 kg/net) ergibt. Die Klage hätte Erfolg, wenn die Instantnudeln – innerhalb der einzig in Betracht kommenden Unterposition 1902 30 KN für „andere Teigwaren“ – nicht in die Unterposition 1902 3010 KN, sondern in die Unterposition 1902 3090 KN einzureihen wären. Hierfür kommt es darauf an, ob die hier in Rede stehenden Instantnudeln, die frittiert sind, als getrocknete Teigwaren (Unterposition 1902 3010 KN) oder als andere, d. h. nicht getrocknete, Teigwaren (Unterposition1902 3090 KN) anzusehen sind. Konziser formuliert kommt es darauf an, ob frittiert getrocknet ist.

27

Ob dies allein auf der Grundlage der Auslegung der Unterposition 1902 3010 KN der Fall ist, ist Gegenstand des Vorlageersuchens in der Rechtssache C-471/17, für das die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 sowie die Erläuterungen zur Unterposition 1902 3010 KN zeitlich noch nicht anwendbar sind (siehe S. 15-17 des Vorlagebeschlusses).

28

2.1.2 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014

29

Im vorliegenden Verfahren ist die Gültigkeit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 streitentscheidend. Als gegenüber der Kombinierten Nomenklatur speziellere Regelungen mit Normcharakter (EuGH, Urt. v. 13.07.2006, C-14/05, EU:C:2006:465, Rn. 29 – Anagram; Urt. v. 15.12.1971, Rs. 77/71, EU:C:1971:129, Rn. 8 – Gervais-Danone) sind Einreihungsverordnungen, durch die die Einreihung der von ihr erfassten Produkte verbindlich geregelt wird, vorrangig heranzuziehen (EuGH, Urt. v. 22.03.2017, C-435/15 und C-666/15, EU:C:2017:232, Rn. 35 m. w. N. – Grofa). Dies gilt auch im vorliegenden Fall, weil die Durchführungsverordnung zeitlich und sachlich anwendbar ist. Zeitlich ist sie anwendbar, weil sie seit dem 05.08.2014 – dem 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung am 16.07.2014 (Art. 3 der Verordnung) – gilt und die hier in Rede stehenden Einfuhren im Juni 2015 stattfanden. Sachlich ist sie anwendbar, weil sich die eingeführten Waren und die durch die Verordnung erfassten Waren hinreichend ähnlich sind (zu diesem Maßstab: EuGH, Urt. v. 22.03.2017, C-435/15 und C-666/15, EU:C:2017:232, Rn. 38 m. w. N. – Grofa). Für die Beantwortung der Frage, ob Waren einander hinreichend ähnlich sind, ist auch die Begründung der Einreihungsverordnung zu berücksichtigen (a. a. O.). Die eingeführten Instantnudelgerichte wiegen zwischen 55 und 85 g. Sie machen daher, wie bei der Ware der Einreihungsverordnung, die 65 g Nudeln enthält, den weitaus größten Warenanteil aus. Soweit die Warenbezeichnung der Einreihungsverordnung von getrockneten Nudeln spricht, handelt es sich hierbei bereits um eine rechtliche Wertung. Die Beteiligten des Verfahrens sind sich einig, dass diese Nudeln – genau wie die hier in Rede stehenden Nudeln – frittiert wurden. Bei Anwendung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 wären die Instantnudelgerichte in die Unterposition 1902 3010 KN einzureihen, weil die Verordnung derartige Waren dieser Unterposition zuweist.

30

2.2 Rechtliche Erwägungen des Senats
Der Senat hat jedoch Zweifel, ob die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 wirksam ist.

31

Zwar hat nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Kommission ein weites Ermessen bei der näheren Bestimmung des Inhalts der Tarifpositionen, die für die Einreihung einer bestimmten Ware in Frage kommen. Dennoch hat sie aufgrund ihrer Befugnis zum Erlass von Maßnahmen gemäß Art. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 nicht das Recht, den Inhalt oder die Tragweite der Tarifpositionen zu ändern (EuGH, Urt. v. 22.03.2017, C-435/15 und C-666/15, EU:C:2017:232, Rn. 49 – Grofa; Urt. v. 04.03.2004, C-130/02, EU:C:2004:122, Rn. 26 – Krings; Urt. v. 13.12.1994, C-401/93, EU:C:1994:411, Rn. 19 m. w. N. – Goldstar).

32

Der Senat hat Bedenken, ob durch die Einreihung von frittierten Instantnudeln in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 die Reichweite des Begriffs „getrocknet“ im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN verändert wird. Wie der Senat im Vorlageersuchen in der Rechtssache C-471/17 (S. 17 ff.) dargelegt hat, ist zweifelhaft, ob frittierte Nudeln getrocknete Teigwaren im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN sind. Sollte der Europäische Gerichtshof die dortige Vorlagefrage verneinen, wäre geklärt, dass frittierte Teigwaren nicht „getrocknet“ im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN sind. Da die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 frittierte Teigwaren als getrocknete Teigwaren behandelt, würde in diesem Fall die Durchführungsverordnung die Reichweite der genannten Unterposition verändern. Sollte der Europäische Gerichtshof die Vorlagefrage dagegen bejahen, wäre gleichzeitig geklärt, dass keine Zweifel an der Wirksamkeit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 bestehen.

33

3. Zweite Vorlagefrage
3.1 Entscheidungserheblichkeit
Falls die erste Vorlagefrage verneint werden sollte, die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 also ungültig wäre, würde die Einreihung allein anhand des Wortlautes der Unterposition 1902 3010 KN erfolgen. Bei der Auslegung der Tragweite der einzelnen Tarifpositionen sind die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur ein wichtiges, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel (EuGH, Urt. v. 15.12.2016, C-700/15, EU:C:2016:95, Rn. 41 – LEK; Urt. v. 17.02.2016, C-124/15, EU:C:2016:87, Rn. 31 – Salutas Pharma; Urt. v. 20.11.2014, C-666/13, EU:C:2014:2388, Rn. 25 – Rohm Semiconductor; Urt. v. 15.05.2014, C-297/13, EU:C:2014:331, Rn. 31 – Data I/O; Urt. v. 17.07.2014, C-480/13, EU:C:2014:2097, Rn. 30 m. w. N. – Sysmex Europe). Die Anwendung der Erläuterung der Europäischen Kommission zur Unterposition 1902 3010 KN (ABl. EU 2015 C 76/1), die vor den hier in Rede stehenden Einfuhren veröffentlicht wurde und daher zeitlich anwendbar ist, würde im vorliegenden Fall dazu führen, dass frittierte Teigwaren als getrocknete Teigwaren im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN betrachtet werden müssen, weil die Erläuterung insbesondere das Frittieren als Beispiel für ein industrielles Trocknungsverfahren nennt.

34

3.2 Rechtliche Erwägungen des Senats
3.2.1 Der Europäische Gerichtshof ist für die Auslegung der Erläuterungen zuständig, auch wenn diese nicht rechtsverbindlich sind. Er darf nämlich über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Union ohne jede Ausnahme im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens entscheiden (EuGH, Urt. v. 13.12.1989, Rs. 322/88, EU:C:1989:646, Slg. 1989, 4407, Rn. 8 – Grimaldi). Hierzu gehört auch die Auslegung der Erläuterungen (EuGH, Urt. v. 05.06.2008, C-312/07, EU:C:2008:324, Rn. 33-37 – JVC France).

35

3.2.2 Der beschließende Senat geht davon aus, dass – falls über die zweite Vorlagefrage entschieden werden muss – diese nur bejaht werden kann. Der Inhalt der Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur muss mit den Bestimmungen der Kombinierten Nomenklatur in Einklang stehen und darf dessen Bedeutung nicht verändern. Die Erläuterungen sind nicht zu berücksichtigen, wenn sich herausstellt, dass sie dem Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln zuwiderlaufen (EuGH, Urt. v. 05.03.2015, C-178/14, EU:C:2015:152, Rn. 22 – Vario Tek). Die erste Vorlagefrage würde nur verneint werden, wenn frittierte Teigwaren keine getrockneten Teigwaren im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN wären. Da sich aus der hier in Rede stehenden Erläuterung zur KN das Gegenteil ergibt, würde sie in diesem Fall die Tragweite der Unterposition 1902 3010 KN verändern. Sie wäre daher bei der Auslegung dieser Unterposition nicht zu berücksichtigen. Dabei ist es unerheblich, dass die Erläuterung neben dem Frittieren auch das Rösten als Beispiel für ein industrielles Trocknungsverfahren nennt. Hinsichtlich des Röstens – einer Garmethode wie dem Frittieren – gelten nämlich dieselben Bedenken wie beim Frittieren.

36

4. Angesichts dieser Zweifel an der Gültigkeit sowie der Auslegung des einschlägigen Unionsrechts hat der Senat beschlossen, dem Europäischen Gerichtshof die im Tenor genannten Fragen im Wege des Vorabentscheidungsersuchens vorzulegen.

Tatbestand

1

I.
Die Beteiligten streiten um die Einreihung von Instantnudelgerichten.

2

Die Klägerin importiert Instantnudelgerichte. Eine ihr im Jahr 2010 erteilte verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) reihte "XXX, ... Instant Noodles, ..., 60g" als Warenzusammenstellung, nicht getrocknet, in die Position 1902 3090 KN ein. In der vZTA heißt es: "Charakterbestimmend sind die Nudeln. Diese sind vorgegart und frittiert. Ein Trocknen im herkömmlichen Sinn hat nicht stattgefunden. Eine Zubereitung zum Herstellen von Suppen im Sinne der Pos 2104 liegt nicht vor." Auf dieser Grundlage überführte die Klägerin über lange Zeit Instantnudelgerichte beanstandungslos in den zollrechtlich freien Verkehr.

3

Nachdem dem Beklagten im Jahr 2012 aufgefallen war, dass das Finanzgericht Hamburg mit Gerichtsbescheid vom 05.11.2007 (4 K 108/06) vergleichbare Instantnudelgerichte als Suppen in die Unterposition 2104 1000 KN eingereiht hatte, fertigte der Beklagte Instantnudelgerichte nur noch unter dieser Unterposition ab. Dementsprechend akzeptierte der Beklagte auch bei der hier in Rede stehenden ergänzenden Zollanmeldung AT/F/...-1 vom 04.02.2013 zum Abrechnungszeitraum 01.01.-31.01.2013 die angemeldete Warentarifnummer 1902 3090 KN nicht, sondern setzte für die Positionen 429, 430, 480, 492, 498-506 dieser Zollanmeldung mit Einfuhrabgabenbescheid AT/F/...-1 vom 06.02.2013 einen Zoll auf der Grundlage der Unterposition 2104 1000 KN fest. Dieser Zollanmeldung lagen Instantnudelgerichte in 60 Gramm-Plastikpackungen zugrunde, die jeweils aus einem Block frittierten Instantnudeln sowie einem oder mehreren Plastikbeuteln, die Gewürze, Pasten, Öle oder getrocknete Zutaten enthalten, bestehen. Die geringelten und vorgegarten (gedämpften) Nudeln haben nach dem Frittieren einen Fettgehalt von ca. 20%. Nach dem auf der Verpackung angegebenen "Zubereitungsbeispiel" werden dem in eine Schüssel gegebenen Inhalt der Packung etwa 320 ml kochendes Wasser zugegeben. Die mit der genannten ergänzenden Zollanmeldung eingeführten Instantnudelgerichte der Geschmacksrichtungen Kim Chi (Position 429, 503), Curry (Position 430, 505), Huhn (Position 480, 499), Ente (Position 492, 498), Shrimps (Position 500, 506), Rind (Position 501), vegetarisch (Position 502) und Thai Suki (Position 504) unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der beigefügten Gewürze, Pasten und Öle. Die Instantnudeln sind jeweils identisch. Auch wenn die Nudeln nach der Verpackungsangabe mit heißem Wasser übergossen zu einer Suppe zubereitet werden sollen, können sie auch ohne weitere Zubereitung, gleichsam wie Kartoffelchips, verzehrt werden.

4

Gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 06.02.2013 legte die Klägerin Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens erließ die Kommission am 11.07.2014 die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014, mit der vergleichbare Instantnudelgerichte nicht als Suppen oder Brühe (Position 2104 KN) sondern als Teigwaren in die Position 1902 KN eintarifiert wurden. Innerhalb dieser Position reihte die Verordnung die frittierten Nudeln als "getrocknet" (1902 3010 KN) ein. Im Zuge der sich anschließenden Diskussion zwischen der deutschen Zollverwaltung und der Kommission veröffentlichte die Kommission am 04.03.2015 eine neue Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN, nach der als "getrocknet" im Sinne dieser Unterposition auch das Rösten und Frittieren zu verstehen sei.

5

Nach Veröffentlichung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 und der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN erließ der Beklagte den Einfuhrabgabenbescheid AT/S/...-2 vom 27.08.2015. Hiermit erhob er im Hinblick auf die Einfuhren von Instantnudelgerichten aus den oben genannten 13 Positionen der ergänzenden Zollanmeldung AT/11/...-3 gemäß Art. 220 ZK auf Grundlage der Unterposition 1902 3010 KN - unter gleichzeitiger Erstattung der aufgrund der Einreihung in die Position 2104 KN mit Einfuhrabgabenbescheid AT/F/...-1 vom 06.02.2013 festgesetzten Zölle - 4.084,70 € Zoll nach.

6

Den hiergegen eingelegten Einspruch (RL ...) begründete die Klägerin wie folgt: Da es in der KN keine Definition des Begriffs "getrocknet" gebe, müsse auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückgegriffen werden. Hier seien beispielsweise die "Leitsätze für Teigwaren" der deutschen Lebensmittel-Kommission heranzuziehen. Danach seien Instantteigwaren zwar als Teigwaren zu bezeichnen; dies gelte jedoch ausdrücklich nicht für frittierte Waren.

7

Mit Einspruchsentscheidung vom 13.11.2015 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Aus der Einreihungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 gehe ausdrücklich hervor, dass der Charakter der Ware - anders als das Finanzgericht Hamburg entschieden habe - durch die im Einfuhrzeitpunkt gewichtsmäßig vorherrschenden Nudeln bestimmt werde. Daher handele es sich nicht um eine Zubereitung zur Herstellung einer Suppe (Position 2104 KN), sondern die Position 1902 KN sei einschlägig. Da die Einreihungsverordnung keine Änderung des Zolltarifs bewirken könne, sondern nur der Klarstellung diene, sei sie auch bei der Einreihung von Waren, die vor ihrem Erlass eingeführt worden seien, zu berücksichtigen. Außerdem müsse die nach den hier in Rede stehenden Einfuhren erlassene Erläuterung zur Kombinierten Nomenklatur ebenfalls sinngemäß berücksichtigt werden. Auf Vertrauensschutz gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) ZK könne sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil sie die ursprüngliche Abgabenerhebung vom 06.02.2013 von vornherein für fehlerhaft gehalten habe und hiergegen Einspruch eingelegt habe.

8

Mit der am 27.11.2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie meint, dass die frittierten Teigwaren, die den Instantnudelgerichten ihren wesentlichen Charakter verliehen, nicht getrocknet seien im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN, sondern dass es sich um andere Teigwaren im Sinne der Unterposition 1902 3090 KN handele. Das Gericht sei an die gegenteilige Rechtsansicht der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN nicht gebunden. Von der Unterposition 1902 3010 KN seien nur Waren erfasst, die einen Trocknungsprozess durchlaufen hätten. Hierbei müsse der Feuchtigkeitsentzug der Hauptzweck der Behandlung sein. Trocknen und Frittieren seien physikalisch unterschiedliche Prozesse. Das Frittieren sei eine Garmethode, um das Lebensmittel in einen verzehrfähigen Zustand zu überführen. Die Waren erhielten durch das Frittieren ihren würzig-aromatischen Geschmack, so dass sie ohne weitere Zubereitung gegessen werden können. Das Trocknen diene dagegen in erster Linie der Haltbarmachung; getrocknete Nudeln müssten vor dem Verzehr noch weiter gegart werden. Beim Trocknen werde durch thermische Umwandlung der Flüssigkeit in ihren gasförmigen Zustand der Feuchtigkeitsgehalt der Ware verringert. Der Austausch von Stoffen sei nicht vorgesehen. Beim Frittieren sei der Feuchtigkeitsentzug dagegen nur ein notwendiger Zwischenschritt, um einen Stoffaustausch zu ermöglichen. Beim Frittieren führe die Maillard-Reaktion - eine Reaktion von Zuckern mit Aminosäuren - dazu, dass das Eiweiß denaturiere, die Stärke verkleistere und sich Aromen bildeten. Hierbei könnten auch potentiell gefährliche Stoffe wie Acrylamid entstehen. Gleichzeitig nehme das Lebensmittel das Frittierfett auf. Die Instantnudeln hätten einen Fettgehalt von 17-20 %, getrocknete Nudeln dagegen von ca. 2 %.Diese physikalischen Unterschiede zwischen getrockneten und frittierten Waren würden auch in der Kombinierten Nomenklatur nachvollzogen. An keiner anderen Stelle würden nämlich frittierte Produkte unter "getrocknete" Produkte subsumiert. Sie würden vielmehr immer als zubereitete Waren angesehen. So würden etwa frittierte Bananen und Erbsen nicht als getrocknete Bananen oder getrocknete Hülsenfrüchte (Unterpositionen 0803 3909 und 0713 1090 KN) eingereiht. Frittierte Bananenchips seien vielmehr in die Unterposition 2008 9967 KN als in anderer Weise zubereitete oder haltbar gemachte Früchte einzutarifieren. Frittierte Erbsen seien als anderes Gemüse, anders als mit Essig zubereitet oder haltbar gemacht (Unterposition 2005 4000 KN), einzureihen.

9

Außerhalb des Zollrechts unterscheide die Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 im Anhang II Teil I Nr. 04.2.6 Gruppe I zwischen "getrockneten Kartoffelprodukten" einerseits und "vorfrittierten gefrorenen oder tiefgefrorenen Kartoffeln" andererseits. Die Verordnung (EG) 1333/2008 differenziere im Anhang II Teil D "Lebensmittelkategorien" zwischen "trockene[n] Teigwaren" (Nr. 06.4.2) und "Noodles (Nudeln asiatischer Art)" (Nr. 06.5). Unerheblich sei die Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN. Sie widerspreche nämlich dem Wortlaut dieser Unterposition. Daher ändere sie die Rechtslage. Außerdem sei sie zeitlich nicht anwendbar auf Einfuhren vor dem 04.03.2015. Der EuGH habe in den Verfahren C-106/75, C-393/93 und C-165/07 festgestellt, dass Erläuterungen nicht auf Einfuhren anzuwenden seien, die vor ihrem Erlass stattgefunden hätten. Wenn Erläuterungen erst ab ihrem Erlass gälten, müsse eine andere rechtliche Bewertung für den davorliegenden Zeitraum möglich sein.

10

Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid AT/S/...-2 vom 27.08.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.11.2015 dahingehend abzuändern, dass die Abgabenerhebung auf der Grundlage der Unterposition 1902 3090 KN erfolgt.

11

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

12

Klärungsbedürftig sei zwischen den Beteiligten nur, ob es sich bei Instantnudelgerichten, deren wesentliche Bestandteile unstreitig frittierte Nudeln seien, um getrocknete Teigwaren (Unterposition 1902 3010 KN) oder andere als getrocknete Teigwaren (Unterposition 1902 3090 KN) handele. Die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur seien für die Zollbehörde bindende Dienstanweisungen. Daher seien sie auch auf den hier in Rede stehenden Sachverhalt anwendbar. Die Erläuterungen könnten nie zu einer Änderung der Rechtslage führen, nur das Verständnis einer bestehenden Rechtslage ändern. Nach Veröffentlichung der Erläuterung habe die deutsche Zollverwaltung ihre Auffassung geändert. Sie gehe nunmehr davon aus, dass auch das Frittieren ein Trocknen im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN darstelle. Auch ohne die Erläuterung sei das Frittieren ein Trocknen im genannten Sinne. Die Unterposition 1902 3010 KN stelle allein darauf ab, dass die Teigwaren "getrocknet" seien, also durch eine Behandlung einen trockenen Zustand erreichten. Welche anderen Eigenschaften sie darüber hinaus hätten, sei für die Einreihung nicht relevant. Es sei unerheblich, ob die Trocknung der Hauptzweck der Behandlung sei. Auch im Codex Alimentarius der UN werde das Frittieren ("frying") als Trocknung ("dehydration") bezeichnet.

13

Ergänzend wird auf die Sachakte des Beklagten sowie das Protokoll des Erörterungstermins vom 27.06.2017 verwiesen.

14

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung über das Vorlageersuchen ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

15

II.
Der Senat setzt das Verfahren in analoger Anwendung des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 S. 1 Buchst. b) des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die im Tenor genannte Frage zur Vorabentscheidung vor, weil die rechtliche Würdigung des Falles unionsrechtlich zweifelhaft ist.

16

1. Rechtlicher Rahmen

17

Den rechtlichen Rahmen für die Entscheidung bildet die im maßgeblichen Zeitpunkt der Einfuhr (dazu 1.1) gültige Unterposition 1902 30 KN ("andere Teigwaren") mit ihren TARIC-Untergliederungen sowie die Anmerkung Nr. 2 zum Abschnitt I KN (dazu 1.2). In den Blick zu nehmen sind weiter die Verordnung (EG) Nr. 635/2005 (dazu 1.3), die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 (dazu 1.4) sowie die Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN (dazu 1.5). Schließlich sind die Erläuterungen zur Position 1902 HS zu beachten (dazu 1.6). Im Einzelnen:

18

1.1 Die Klägerin hat eine Abänderungsklage (§ 100 Abs. 2 FGO) erhoben. Das vorlegende Gericht würde den angefochtenen Einfuhrabgabenbescheid abändern, wenn die Einfuhrabgaben auf der Grundlage der Unterposition 1902 3090 KN festgesetzt werden müssten. Hierfür ist nach mitgliedstaatlichem Verfahrensrecht unter Berücksichtigung des materiellen Rechts auf den Zeitpunkt der Einfuhr abzustellen. Dies ist hier Januar 2013.

19

1.2 Damit gilt Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif vom 23.07.1987 (ABl. EG L 256/1; im Folgenden: Kombinierte Nomenklatur [KN]) in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 927/2012 vom 09.10.2012 (ABl. EU L 304/1), sowie die hierauf aufbauenden Unterpositionen des Integrierten Tarifs der Europäischen Gemeinschaften (TARIC) gemäß Art. 2 Verordnung (EWG) Nr. 2658/87.

20

Die Position 1902 KN lautet wie folgt:

21

Teigwaren, auch gekocht oder gefüllt (mit Fleisch oder anderen Stoffen) oder in anderer Weise zubereitet, z. B. Spaghetti, Makkaroni, Nudeln, Lasagne, Gnocchi, Ravioli, Cannelloni; Couscous, auch zubereitet[.]

22

Während die Unterpositionen 1902 11 und 1902 19 KN nicht zubereitete Teigwaren und die Unterposition 1902 20 KN gefüllte Teigwaren erfassen, befasst sich die hier relevante Unterposition 1902 30 KN mit "anderen Teigwaren". Diese Unterposition lautet:

23

KN-Code

Warenbezeichnung

vertragsmäßiger Zollsatz (%)

1902 30

- - andere Teigwaren:

        

1902 3010    

- - getrocknet

6,4 + 24,6 €/     100 kg/net

1902 3090

- - andere:

6,4 + 9,7 €/       100 kg/net

24

Die Unterposition 1902 30 10 KN wird im TARIC wie folgt weiter untergliedert:

25

1902 3010 10 0

durchsichtige Nudeln, in Stücke geschnitten, hergestellt aus Bohnen der Art Vigna radiata (L.) Wilczek, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf

1902 3010 91

andere

26

Die Unterposition 1902 3090 KN wird im TARIC nicht weiter untergliedert.

27

Die Anmerkung Nr. 2 zum Abschnitt I KN lautet:

28

Soweit nichts anderes bestimmt ist, gilt in der Nomenklatur jede Bezugnahme auf getrocknete Waren auch für entwässerte, eingedampfte oder gefriergetrocknete Waren.

29

1.3 Die Verordnung (EG) Nr. 635/2005 der Kommission vom 26.04.2005 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. L 106/10) reihte eine Warenzusammenstellung von ca. 80 g Instantnudeln mit Gewürzen, die nach Packungsangaben mit 200 ml Wasser übergossen werden sollen, in die Unterposition 1902 3010 ein. Warenbezeichnung und Begründung für die Einreihung lauten gemäß Nr. 1 des Anhangs der Verordnung wie folgt:

30

Warenbezeichnung

Begründung

Erzeugnis, bestehend aus vorgekochten, getrockneten Teigwaren aus Weizenmehl (ungefähr 80 g) Gewürzen (ungefähr 11 g).
Das Erzeugnis ist aufgemacht für den Einzelhandel in einer 250 ml fassenden Schale aus geschäumtem Polystyrol, in der sich neben den Teigwaren ein kleiner Beutel mit den Gewürzen befindet.
Gemäß den Angaben auf der Verpackung sind die Gewürze und kochendes Wasser (max. 200 ml) den Teigwaren in der Schale hinzuzufügen; nach drei Minuten sind die Teigwaren zum Verzehr bereit.
[...]

Die Einreihung erfolgt gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1, 3 b und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur sowie dem Wortlaut der KN-Positionen 1902, 1902 30 und 1902 30 10.
Das Erzeugnis stellt eine für den Einzelhandel aufgemachte Warenzusammenstellung dar. Der hohe Anteil an Teigwaren verleiht der Ware ihren wesentlichen Charakter.
Das Erzeugnis kann nicht in Position 2104 eingereiht werden, weil die in die Schale hinzugefügte Menge an Wasser nicht ausreichend ist, um eine Suppe oder Brühe herzustellen, sondern ihm den Charakter eines Nudelgerichts verleiht.

31

1.4 Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 der Kommission vom 11.07.2014 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. EU L 209/12) wurde eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung zur Zubereitung eines Nudelgerichts ebenfalls in die Unterposition 1902 3010 KN eingereiht. Warenbezeichnung und Begründung der Einreihung lauten wie folgt:

32

Warenbezeichnung

Begründung

Ware, bestehend aus einem Block aus getrockneten vorgekochten Nudeln (etwa 65 g), einem Beutel mit Würzmitteln (etwa 3,4 g), einem Beutel mit Speiseöl (etwa 2 g) und einem Beutel mit getrocknetem Gemüse (etwa 0,8 g).
Bei der Ware handelt es sich um eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung (zusammen verpackt) zur Zubereitung eines Nudelgerichts.
Gemäß den Angaben auf der Verpackung muss vor dem Verzehr kochendes Wasser hinzugegeben werden.

Einreihung gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1, 3 b und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur sowie nach dem Wortlaut der KN- Codes 1902, 1902 30 und 1902 30 10.
Bei der Ware handelt es sich um eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung im Sinne der Allgemeinen Vorschrift 3 b. Ihr wesentlicher Charakter wird der Ware durch die Nudeln verliehen, da diese den größten Teil der Ware ausmachen. Eine Einreihung der Ware in die Position 2104 als Suppen oder Brühen oder Zubereitungen zum Herstellen von Suppen oder Brühen ist somit ausgeschlossen.
Die Ware ist als Teigwaren, auch gekocht oder gefüllt oder in anderer Weise zubereitet, in die Position 1902 einzureihen.

33

Darüber hinaus wurde mit der Durchführungsverordnung (EU) 2015/183 der Kommission vom 02.02.2015 (ABl. EU L 31/5) die Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 gestrichen. Im 3. Erwägungsgrund der Durchführungsverordnung (EU) 2015/183 wird zur Begründung dieser Streichung ausgeführt:

34

Zwar sind beide Waren [d.h. die der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014] in dieselbe Position eingereiht, doch die Einreihung der Waren in Position 2104 der Kombinierten Nomenklatur wird mit unterschiedlichen Begründungen ausgeschlossen. Bei der erstgenannten Ware [der Verordnung (EG) Nr. 635/2005] stellt die Begründung der Einreihung auf die Menge des hinzugefügten Wassers ab, bei der letztgenannten Ware [der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014] hingegen auf die Menge der enthaltenen Nudeln. Die Heranziehung der hinzugefügten Menge Wasser als Kriterium für die Einreihung solcher Waren kann jedoch zu Abweichungen bei der Einreihung führen, die angesichts der Tatsache, dass beide Waren die gleichen Merkmale und Eigenschaften aufweisen, nicht gerechtfertigt wären. Das einzige anwendbare Kriterium sollte daher die Menge der in der Ware enthaltenen Nudeln sein.

35

1.5 Nach Auffassung der deutschen Zollverwaltung war auch nach Erlass der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 noch nicht abschließend geklärt, welche Nudeln als "getrocknet" im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN gelten. Zur Klärung dieser Frage hat die Kommission eine Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN erlassen, die erstmals in der konsolidierten Fassung der Erläuterungen der Europäischen Kommission zur Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Union (im Folgenden: Erläuterungen zur KN), die am 04.03.2015 veröffentlicht wurde (ABl. EU C 76/1), enthalten ist. Diese neue Erläuterung lautet:

36

Der Ausdruck "getrocknet" im Sinne dieser Unterposition bezieht sich auf Waren in trockenem und brüchigem Zustand mit einem geringen Feuchtigkeitsgehalt (bis etwa 12%), die entweder direkt in der Sonne getrocknet oder einem industriellen Trocknungsverfahren (z. B. Tunneltrocknung, Rösten oder Frittieren) unterzogen wurden.

37

1.6 Die Erläuterungen zur Position 1902 HS lauten in der deutschen Übersetzung (Europäischer Zolltarif [EZT] Nr. 04.0):

38

Die Waren werden im allgemeinen vor dem Verkauf getrocknet, um ihren Transport und ihre Lagerung zu erleichtern und ihre Haltbarkeit zu verlängern. In diesem Zustand sind sie zerbrechlich. Zu dieser Position gehören auch nichtgetrocknete (d. h. feuchte oder frische) und gefrorene Waren, z. B. frische Gnocchi und gefrorene Ravioli.

39

2. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage

40

2.1 "Getrocknet" im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN

41

Die Klägerin begehrt die Änderung eines Einfuhrabgabenbescheids, mit dem für die Einfuhr von Instantnudeln im Januar 2013 Zoll gemäß Art. 220 ZK nacherhoben wurde. Die Klägerin hatte diese Nudeln als "andere" als "getrocknet[e] andere Teigwaren" unter der Unterposition 1902 3090 KN (vertragsmäßiger Zollsatz: 6,4 % + 9,7 €/100 kg/net) zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet. Der Beklagte akzeptierte diese Einreihung nicht, sondern nahm die Zollanmeldung unter der Unterposition 2104 1000 KN (vertragsmäßiger Zollsatz: 11,5 %) an. Nachdem der Beklagte aufgrund des Erlasses der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 seine Einreihungsauffassung geändert hatte, reihte er im Nacherhebungsbescheid vom 27.08.2015, der mit der Klage angegriffen wird, die Instantnudelgerichte nunmehr als "andere Teigwaren", "getrocknet" in die Unterposition 1902 3010 KN ein. Für diese Unterposition ist ein vertragsmäßiger Zollsatz in Höhe von 6,4 % + 24,6 €/100 kg/net vorgesehen. Die auf Abänderung des Nacherhebungsbescheids gerichtete Klage hätte Erfolg, wenn die Instantnudeln - innerhalb der einzig in Betracht kommenden Unterposition 1902 30 KN für "andere Teigwaren" - nicht in die Unterposition 1902 3010 KN, sondern in die Unterposition 1902 3090 KN einzureihen wären. Hierfür kommt es darauf an, ob die hier in Rede stehenden Instantnudeln, die frittiert sind, als getrocknete Teigwaren (Unterposition 1902 3010 KN) oder als andere, d. h. nicht getrocknete, Teigwaren (Unterposition1902 3090 KN) anzusehen sind. Konziser formuliert kommt es darauf an, ob frittiert getrocknet ist.

42

Eine Einreihung in die Unterposition 2104 1000 KN zieht das vorlegende Gericht in Übereinstimmung mit den Verfahrensbeteiligten nicht mehr in Betracht. Die im Gerichtsbescheid vom 05.11.2007 (4 K 108/06) vertretene Rechtsauffassung basierte auf einer Auslegung der Begründung von Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 der Kommission vom 26.04.2005. Wie die Begründung der Aufhebung von Nr. 1 dieser Verordnung durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/183 zeigt (siehe oben 1.4), hält die Kommission an dieser Rechtsauffassung nicht mehr fest.

43

2.2 Verordnung (EG) Nr. 635/2005

44

Das vorlegende Gericht fragt nicht nach der Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 635/2005, soweit es um die Einreihung der in Nr. 1 des Anhangs genannten Ware geht, weil es hierauf für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht ankommt. Zwar sind Einreihungsverordnungen als gegenüber der KN speziellere Regelung mit Normcharakter (EuGH, Urt. v. 13.07.2006, C-14/05, ECLI:EU:C:2006:465, Rn. 29 - Anagram; Urt. v. 15.12.1971, Rs. 77/71, ECLI:EU:C:1971:129, Rn. 8 - Gervais-Danone), durch die die Einreihung der von ihr erfassten Produkte verbindlich geregelt wird, im Rahmen ihres Anwendungsbereichs vorrangig heranzuziehen. Da die Verordnung (EG) Nr. 635/2005 erst durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/183 mit Wirkung vom 27.02.2015 aufgehoben wurde, war sie im hier maßgeblichen Zeitpunkt - Januar 2013 - auch zeitlich anwendbar.

45

Die Verordnung (EG) Nr. 635/2005 ist im Hinblick auf die in Nr. 1 des Anhangs geregelte Ware jedoch sachlich nicht auf die hier in Rede stehenden Instantnudelgerichte anwendbar. Da Letztere nicht identisch mit dem in der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 tarifierten Instantnudelgericht sind, käme allenfalls eine entsprechende Anwendung dieser Verordnung in Betracht. Hierzu müssten die einzureihenden und die in der Einreihungsverordnung bezeichneten Waren einander hinreichend ähnlich sein (EuGH, Urt. v. 22.03.2017, C-435/15 und C-666/15, ECLI:EU:C:2017:232, Rn. 38 m. w. N. - Grofa). Für die Beantwortung der Frage, ob Waren einander hinreichend ähnlich sind, ist auch die Begründung der Einreihungsverordnung zu berücksichtigen (a. a. O.). In der Entscheidung Grofa hatte der EuGH die entsprechende Anwendung einer Einreihungsverordnung trotz gewisser Produktähnlichkeiten abgelehnt, weil gerade das tatsächliche Merkmal, das nach der Einreihungsverordnung für die Tarifierung ausschlaggebend war, bei dem einzureihenden Produkt fehlte (Rn. 39).

46

Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die hier in Rede stehenden Instantnudelgerichte und das in Nr. 1 des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 tarifierte Instantnudelgericht nicht hinreichend ähnlich. Zwar bestehen beide Warenzusammenstellungen aus frittierten Nudeln (die Beschreibung "getrocknet" in der Warenbeschreibung der Verordnung [EG] Nr. 635/2005 enthält bereits eine rechtliche Wertung) und Gewürzen. Auch muss nach den jeweiligen Verpackungsangaben kochendes Wasser hinzugefügt werden. Aus dem letzten Absatz der Begründung in Nr. 1 des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 wird jedoch deutlich, dass es für die Einreihung des durch sie erfassten Instantnudelgerichts im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen den Positionen 2104 KN und 1902 KN entscheidend darauf ankommt, wie groß die den Nudeln hinzugefügte Menge an Wasser ist. Auf Grundlage dieser rechtlichen Prämisse konnte die Einreihung in eine Unterposition der Position 1902 KN nur deshalb erfolgen, weil bei einem Verhältnis von 80 g Nudeln zu 200 ml hinzugefügtem Wasser (Verhältnis von 2:5) der Nudelanteil überwiegt und damit dem Gericht insgesamt den Charakter eines Nudelgerichts verleiht.

47

Dieselbe Schlussfolgerung lässt sich für die hier in Rede stehenden Instantnudelgerichte gerade nicht ziehen. Sie bestehen nämlich lediglich aus 60 g Nudeln, denen nach der Verpackungsangabe etwa 320 ml kochendes Wasser zugefügt werden können. Bei einem solchen Nudel-Wasser-Verhältnis von ca. 1:5 lässt sich nicht mehr davon sprechen, dass die Nudeln charakterbestimmend seien (In diesem Sinne auch die Einreihungsgutachten der Zollverwaltung vom 07.11.2012 für die Instantnudeln mit den Geschmacksrichtungen Rind, Ente, Huhn und Shrimp, Teil I Bl. 1-4 der Sachakte).

48

Da die hier in Rede stehenden Instantnudelgerichte bezüglich des - aus Sicht der Verordnung (EG) Nr. 635/2005 - entscheidenden Tarifierungsmerkmals des Wasser-Nudel-Verhältnisses einen erheblichen Unterschied aufweisen, der eine Einreihung in verschiedene KN-Positionen erfordert, sind sie dem durch diese Verordnung eingereihten Instantnudelgericht nicht hinreichend ähnlich, so dass eine entsprechende Anwendung der Verordnung auf sie ausscheidet.

49

2.3 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014

50

Das vorlegende Gericht fragt nicht nach der Gültigkeit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014, weil es hierauf für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits ebenfalls nicht ankommt. Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 dürfte zwar in sachlicher Hinsicht auf die hier in Rede stehenden Instantnudeln anwendbar sein. Sie ist jedoch in zeitlicher Hinsicht nicht auf den Streitfall anwendbar, weil Einreihungsverordnungen nicht rückwirkend angewandt werden dürfen (EuGH, Urt. v. 17.07.2014, Rs. C-472/12, ECLI:EU:C:2014:2082, Rn. 58 - Panasonic/Scerni Logistics; Urt. v. 24.11.1971, Rs. 30/71, ECLI:EU:C:1971:111, Rn. 8 - Siemers; Urt. v. 15.12.1971, Rs. 77/71, ECLI:EU:C:1971:129, Rn. 8 - Gervais-Danone; Urt. v. 28.03.1979, Rs. 158/78, ECLI:EU:C:1979:87, Rn. 11 - Biegi; BFH, Urt. v. 21.02.2017, VII R 2/15, juris Rn. 14). Die dem angefochtenen Einfuhrabgabenbescheid zu Grunde liegenden Einfuhren fanden im Januar 2013 statt, also bevor die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 im August 2014 in Kraft getreten ist. Dies bedeutet, dass diese Verordnung bei der hier in Rede stehenden Einreihungsfrage - unabhängig davon, ob sie ihrerseits gültig ist - unberücksichtigt gelassen werden muss. Mit anderen Worten: Das vorlegende Gericht wäre, sollte der EuGH die Vorlagefrage verneinen, nicht gehindert, die im Januar 2013 eingeführten Instantnudeln in die Unterposition 1902 3090 KN einzureihen, obwohl die Durchführungsverordnung vergleichbare Waren in die Unterposition 1902 3010 KN einreiht.

51

2.4 Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN

52

Das vorlegende Gericht fragt auch nicht nach der Auslegung oder Gültigkeit der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN, weil es hierauf für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht ankommt.

53

Die Erläuterungen zur KN sind ein wichtiges, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der Tragweite der einzelnen Tarifpositionen (EuGH, Urt. v. 15.12.2016, C-700/15, ECLI:EU:C:2016:95, Rn. 41 - LEK; Urt. v. 17.2.2016, C-124/15, EU:C:2016:87, Rn. 31 - Salutas Pharma; Urt. v. 20.11.2014, Rs. C-666/13, ECLI:EU:C:2014:2388, Rn. 25 - Rohm Semiconductor; Urt. v. 15.04.2014, C-297/13, ECLI:EU:C:2014:331, Rn. 31 - Data I/O; Urt. v. 17.07.2014, Rs. C-480/13, ECLI:EU:C:2014:2097, Rn. 30 m. w. N. - Sysmex Europe). Ihre Anwendung würde im vorliegenden Fall dazu führen, dass die Vorlagefrage eindeutig bejaht werden müsste, weil sie insbesondere das Frittieren als Beispiel für ein industrielles Trocknungsverfahren nennt.

54

Gleichwohl muss das vorlegende Gericht nicht nach der Auslegung oder Gültigkeit der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN fragen. Sie ist nämlich in zeitlicher Hinsicht nicht auf den Streitfall anwendbar. Auch Erläuterungen zur KN sind nur zu berücksichtigen, wenn sie im maßgeblichen Zeitpunkt - hier der Einfuhr der Instantnudelgerichte im Januar 2013 - schon in Kraft getreten sind (vgl. EuGH, Urt. v. 08.04.1976, Rs.106/75, ECLI:EU:C:1976:59, Rn. 4 - Merkur-Außenhandel; Urt. v. 09.08.1994, C-393/93, ECLI:EU:C:1994:258, Rn. 19 - Stanner; Urt. v. 22.05.2008, C-165/07, ECLI:EU:C:2008:302, Rn. 40 - Ecco; BFH, Urt. v. 30.08.1988, VII R 178/85, juris Rn. 12). Dies ist nicht der Fall, da die Erläuterung erst im Jahr 2015 veröffentlicht wurde.

55

Sofern zeitlich nicht anwendbare Erläuterungen zur KN zur Bestätigung eines bereits gefundenen Einreihungsergebnisses herangezogen (so EuGH, Urt. v. 08.04.1976, Rs.106/75, ECLI:EU:C:1976:59, Rn. 4 - Merkur-Außenhandel; Urt. v. 09.08.1994, C-393/93, ECLI:EU:C:1994:258, Rn. 19 - Stanner; Urt. v. 22.05.2008, C-165/07, ECLI:EU:C:2008:302, Rn. 40 - Ecco) oder bei "unveränderter Tariflage" zur Klärung "noch bestehende[r] Einreihungszweifel" angewendet wurden (so BFH, Urt. v. 01.03.2001, VII R 90/99, juris Rn. 22), ergibt sich hieraus im Ausgangsrechtsstreit keine Entscheidungserheblichkeit der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN. Eine solche "bestätigende" Anwendung von Erläuterungen außerhalb ihres zeitlichen Anwendungsbereichs hat nämlich zur Prämisse, dass sie ihrerseits mit der KN im Einklang stehen und deren Bedeutung nicht verändern (zu diesem Erfordernis: EuGH, Urt. v. 15.09.2005, C-495/03, ECLI:EU:C:2005:754:552 Rn. 48 - Intermodal Transports, Urt. v. 08.12.2005, C-445/04, ECLI:EU:C:2005:754, Rn. 20 - Possehl Erzkontor, Urt. v. 16.02.2006, C-500/04, ECLI:EU:C:2006:111, Rn. 22 - Proxxon; Urt. v. 05.06.2008, Rs. C-312/07, ECLI:EU:C:2008:324, Rn. 34 - JVC France). Diese Frage muss notwendigerweise allein durch Auslegung der Unterposition 1902 3010 KN geklärt werden.

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3. Rechtliche Erwägungen des Senats

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Im vorliegenden Rechtsstreit geht es einzig um die Frage, ob frittierte Nudeln "getrocknet" im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN sind. Im Ausgangspunkt ist festzustellen, dass der Begriff "getrocknet" vielfach in der KN verwendet, jedoch an keiner Stelle definiert wird. Das Wort "frittiert" findet sich in der KN nicht. In einer solchen Situation kann für die Ermittlung des tarifrechtlichen Bedeutungsgehalts eines Begriffs auch auf die Verkehrsauffassung und das allgemeine Sprachverständnis zurückgegriffen werden (vgl. Lux, in: Dorsch, Zollrecht, 80. EL März 2001, VO KN Einführung Rn. 194; Alexander, in: Witte, Zollkodex, 5. Auflage 2013, Art. 20 Rn. 48).

58

Vorab ist für die Auslegung des Begriffs "getrocknet" zunächst zu klären, ob es tarifrechtlich überhaupt zulässig wäre, für die Einreihung auf die Art der Herstellung - hier: die Anwendung eines Trocknungsverfahrens - abzustellen. Es ist in der Rechtsprechung nämlich hinlänglich geklärt, dass grundsätzlich für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein nur auf die objektiven Merkmale und Eigenschaften abzustellen ist, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (siehe nur EuGH, Urt. v. 15.12.2016, C-700/15, ECLI:EU:C:2016:95, Rn. 39 - LEK m. w. N.). Auf die Art und Weise der Herstellung eines Erzeugnisses kann es nur dann ankommen, wenn die betreffende Tarifposition dies ausdrücklich vorschreibt (EuGH, Urt. v. 25.05.1989, Rs. 40/88, ECLI:EU:C:1989:214, Rn. 15 - Weber; Urt. v. 08.12.1987, Rs 42/86, ECLI:EU:C:1987:526, Rn. 13 - Artimport; Urt. v. 28.07.2011, C-215/10, ECLI:EU:C:2011:528, Rn. 40 - Pacific World/FDD International). Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist dies vorliegend der Fall. Wie noch darzulegen sein wird (dazu 3.1), deutet die Verwendung des Partizips Perfekt "getrocknet" darauf hin, dass die Ware ein Verfahren durchlaufen haben muss, bei dem es Feuchtigkeit verloren hat, mithin getrocknet wurde. Wenn allein auf die Beschaffenheit abgestellt werden sollte, hätte das Adjektiv "trocken" (wie bspw. in der Unterposition 1302 2010 KN [Pektinstoffe, Pektinate und Pektate, trocken]; Zusätzliche Anmerkung Nr. 3 zu Kapitel 19 KN [Unter die Unterposition 1905 90 20 fallen nur trockene und spröde Erzeugnisse]; Unterpositions-Anmerkung Nr. 1 zu Kapitel 27 KN [trockene, mineralstofffreie Substanz]) verwendet werden können.

59

Vor diesem Hintergrund soll zunächst die allgemeine Bedeutung des Wortes "getrocknet" beschrieben werden (dazu 3.1). Sodann ist auf die lebensmittelchemischen Unterschiede zwischen dem Trocknen und dem Frittieren einzugehen (dazu 3.2). Hiervon ausgehend soll dargelegt werden, welche Erkenntnisse sich über die Auslegung des Begriffs "getrocknet" aus der Systematik der KN ableiten lassen (dazu 3.3). Weiter sollen die Erläuterungen zur Position 1902 HS in den Blick genommen werden (dazu 3.4).

60

3.1 Allgemeines Wortverständnis

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In seiner - hier einzig in Betracht kommenden - intransitiven Bedeutung heißt "trocknen" im allgemeinen Sprachgebrauch "vom nassen in den trockenen Zustand übergehen; Feuchtigkeit verlieren" (https://de.wiktionary.org/wiki/trocknen; ähnlich die Definition in www.duden.de). Zu beachten sein dürfte, dass in der KN nicht der Infinitiv, sondern das Adjektiv "getrocknet", das aus dem Partizip Perfekt von "trocknen" gebildet wird, Verwendung findet. Mit diesem Begriff wird demnach ein Gegenstand bezeichnet, der Feuchtigkeit verloren hat. Auch das englische Verb "dry" hat eine sehr allgemeine Bedeutung. So wird es definiert als "free or relatively free from a liquid and especially water" (www.merriam-webster.com/dictionary/dried). Nach diesem Wortverständnis sind alle Gegenstände getrocknet, die Flüssigkeit verloren haben. Dies trifft auch auf frittierte Teigwaren zu, da Lebensmittel beim Frittieren zwingend Wasser verlieren. Im Zusammenhang mit Lebensmitteln hat das Wort "getrocknet" jedoch auch im allgemeinen Sprachgebrauch eine engere Bedeutung. So sind getrocknete Bananen, Äpfel oder Mangos Früchte, die ein Trocknungsverfahren durchlaufen haben, um die Früchte haltbar zu machen. Das englische Adjektiv "dried" hat ebenfalls diese Bedeutung von "[to p]reserve by allowing or encouraging evaporation of moisture from." (Oxford Dictionary of English, 3. Auflage 2010, S. 539, Stichwort: "dried"). Das Adjektiv "getrocknet" im Sinne von "ein Trocknungsverfahren durchlaufen habend" ist abzugrenzen vom Adjektiv "trocken", das allgemeiner die Abwesenheit von Feuchtigkeit bezeichnet. Wenn getrocknete Lebensmittel solche Lebensmittel sind, die ein Trocknungsverfahren durchlaufen haben, stellt sich die Frage, ob nach dem allgemeinen Wortverständnis das Frittieren ein Trocknungsverfahren ist. Es könnte sich hierbei um jedes Verfahren handeln, das dazu führt, dass die Ware nach Anwendung des Verfahrens trocken ist. Nach diesem Wortverständnis kann auch das Frittieren ein Trocknungsverfahren sein, weil man - wie auch bei den hier in Rede stehenden Instantnudeln - eine Ware so lange frittieren kann, bis sie trocken ist. Dieses Verständnis des Begriffs "Trocknung" scheint einer Publikation der World Instant Noodles Association - einem Branchenverband - zugrunde zu liegen. Dort wird die Behandlung, die auch die hier in Rede stehenden Instantnudeln erfahren, als "rapidly drying noodles through flash-frying in oil" (Sachakte Teil 3, Bl. 15) bezeichnet. Danach stellt das Schnellfrittieren (flash-frying) eine Trocknungsmethode dar.

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Das vorlegende Gericht neigt allerdings zu einem engeren Verständnis dessen, was ein Trocknungsverfahren ist. Das Trocknen von Lebensmitteln stellt nach der Verkehrsauffassung ein Verfahren zur Haltbarmachung dar. Es ist abzugrenzen von Garmethoden (z. B. kochen, grillen, braten), zu denen auch das Frittieren gehört (siehe die Übersicht bei https://de.wikipedia.org/wiki/Grundzu-bereitungsart). Das Garen wiederum ist eine Behandlung, die der Zubereitung von Lebensmitteln dient. Zubereiten bedeutet, die Lebensmittel in einen verzehrfähigen Zustand zu überführen. Zwar führen die meisten Garmethoden auch dazu, dass Lebensmittel haltbarer sind. Dies ist jedoch nicht der Hauptzweck des Garens. Versteht man "getrocknet" als Beschreibung einer Ware, die einen Trocknungsprozess durchlaufen hat, könnten frittierte (oder gegrillte oder gebratene) Teigwaren knusprig oder fettig oder - wenn sie lange genug frittiert werden - auch trocken sein. Sie könnten jedoch nie "getrocknet" sein, weil das Frittieren eine Garmethode, jedoch keine Trocknungsmethode ist. Diese Differenzierung findet sich auch im deutschen Recht der Lebensmittelkennzeichnung. So finden die "Leitsätze für Teigwaren" vom 02.12.1998 (BAnz. Nr. 66a vom 09.04.1999), die von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission - einer vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eingesetzten Expertenkommission (§§ 15 f. LFGB) - herausgegeben werden, ausdrücklich auf frittierte Erzeugnisse keine Anwendung (Ziff. I.A.1. a. E.). Teigwaren im Sinne dieser Leitsätze sind damit alle Teigwaren, die ohne Anwendung eines Gärungs- oder Backverfahrens hergestellt werden.

63

Außerhalb des Zollrechts unterscheidet die Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 (ABl. 2011 L 295/1), die sich mit Lebensmittelzusatzstoffen befasst, im Anhang II Teil I Nr. 04.2.6 Gruppe I zwischen "getrockneten Kartoffelprodukten" einerseits und "vorfrittierten gefrorenen oder tiefgefrorenen Kartoffeln" andererseits.

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Der Codex Standard for Instant Noodles der Codex Alimentarius-Kommission der UN, auf den der Beklagte verwiesen hat, scheint diesem engen Trocknungsbegriff nur auf den ersten Blick entgegenzustehen. Nach diesem Codex Standard werden Instantnudeln einer Vor-Verkleisterung (pregelatinization) und einer Dehydration (dehydration) unterzogen, die durch Frittieren oder durch andere Methoden erfolgen können. Wenn also das Frittieren zu einem Wasserentzug führt, könnte man das Frittieren auch als Trocknung bezeichnen. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts beschreibt der Codex Standard jedoch lediglich die chemischen Vorgänge, die beim Frittieren (auch) stattfinden. Es kommt nämlich insbesondere zu einer Verkleisterung und zu einem Wasserentzug. Zur Frage, ob das Frittieren auch ein Trocknungsverfahren ist, verhält sich der Codex Standard dagegen wohl nicht.

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3.2 Lebensmittelchemische Unterschiede

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Für das engere Verständnis von "getrocknet", zu dem das vorlegende Gericht neigt, sprechen auch die fundamentalen lebensmittelchemischen Unterschiede zwischen dem Frittieren und dem Trocknen. Während das Frittieren ein Garverfahren ist, bei dem neben dem beiläufig erfolgenden Wasserentzug zahlreiche komplexe chemische Reaktionen ablaufen, ist das Trocknen ein Trennverfahren, das lediglich zum Feuchtigkeitsentzug führt. Im Einzelnen:

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Das Frittieren ist ein Garen im heißen Fettbad bei Temperaturen zwischen 150 und 175 Grad Celsius (Ternes/Täufel/Tunger/Zobel [Hrsg.], Lebensmittellexikon, 4. Auflage 2005 [Lebensmittellexikon], S. 602; Kurzhals [Hrsg.], Lexikon Lebensmitteltechnik, 2003, [Lexikon Lebensmitteltechnik], S. 437, Stichwort: Frittieren). Durch die Zuführung thermischer Energie werden komplexe chemische Prozesse angestoßen. So führt das Frittieren
* zum Denaturieren der Proteine (Eiweißgerinnung),
* zum Zellaufschluss,
* zur Stärkeverkleisterung,
* zur Freisetzung von Aromen durch nichtenzymatische Bräunung (Maillard-Reaktion) und
* zum Abtöten von Mikroorganismen.

68

Das Trocknen ist dagegen kein Garverfahren, sondern ein thermisches oder mechanisches Trennverfahren (Lexikon Lebensmitteltechnik, S. 1115, Stichwort: Trocknen). Es dient der Konservierung und beruht auf der Unterbindung des Mikroorganismenwachstums und der Hemmung chemischer und enzymatischer Vorgänge durch Entfernung des hierfür notwendigen Wassers (Lebensmittellexikon, S. 1929, Stichwort: Trocknung). Anders als das Frittieren muss beim Trocknen nicht zwingend thermische Energie eingesetzt werden; sie kann auch mechanisch erfolgen.

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Während beim Frittieren zahlreiche chemische Reaktionen angestoßen werden, beruht die Trocknung darauf, dass derartige Vorgänge unterbunden und Mikroorganismen abgetötet werden. Beim Trocknen kommt es weder zur Eiweißgerinnung oder zum Zellaufschluss noch zur Stärkeverkleisterung. Es werden auch keine neuen Aromen gebildet, die nicht schon in dem zu trocknenden Lebensmittel vorhanden sind. Mikroorganismen werden nicht durch Hitzeeinwirkung abgetötet. Durch den Wasserentzug wird Ihnen vielmehr lediglich die Lebensgrundlage entzogen.

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3.3 Systematik der KN

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Die KN definiert nicht, was genau unter dem Begriff "getrocknet" im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN zu verstehen ist. Mithin muss dies durch Auslegung ermittelt werden. Hierbei ist nach Auffassung des vorlegenden Gerichts zu beachten, dass die KN an verschiedenen Stellen zwischen zubereiteten und haltbar gemachten Lebensmitteln unterscheidet. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass ihr insgesamt eine Dichotomie von zubereiteten Lebensmitteln einerseits und haltbar gemachten Lebensmitteln andererseits zu Grunde liegt, und das Frittieren keine Behandlung zur Haltbarmachung, sondern zum Zubereiten ist (dazu 3.3.1). Für diese Lesart des Begriffs "getrocknet" spricht auch die Anmerkung 2 zum Abschnitt I KN (dazu 3.3.2). Die Einreihung anderer frittierter Lebensmittel deutet ebenfalls darauf hin, dass das Frittieren nicht als Trocknungsverfahren zu betrachten ist (dazu 3.3.3). Im Einzelnen:

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3.3.1 Die KN unterscheidet an verschiedenen Stellen zwischen zubereiteten Lebensmitteln einerseits und haltbar gemachten Lebensmitteln andererseits (z. B. Anmerkung 1 Buchst. d) zu Kapitel 11 KN, Anmerkung 1 zu Kapitel 16, Anmerkung 1 Buchst. a) zu Kapitel. 20, Zusätzliche Anmerkung 2 zu Kap. 16).

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Auch wenn das Wort "frittieren" in der KN nicht erwähnt wird, enthält die KN - dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend - Anhaltspunkte dafür, dass das Frittieren eine Zubereitungsart - und damit keine Form der Haltbarmachung - darstellt. So heißt es in den Unterpositionen der Position 0306 KN (Krebstiere) an verschiedenen Stellen (z. B. Unterposition 0306 1105 KN): "geräuchert, auch ohne Panzer, auch vor oder während des Räucherns gegart, jedoch nicht weiter zubereitet". Hierin kommt zum Ausdruck, dass das Garen von Lebensmitteln eine Art der Zubereitung ist. Da - wie oben bereits dargelegt - auch das Frittieren eine Garmethode ist, kann aus den Unterpositionen der Position 0306 KN abgeleitet werden, dass das Frittieren ebenfalls eine Zubereitungsart ist. Die verschiedenen Unterpositionen der Position 1902 KN sprechen dafür, dass die ansonsten in der KN verwendeten Begriffe des Zubereitens (Beispiel: Frittieren) und des Haltbarmachens (Beispiel: Trocknen) auch dort zur Anwendung kommen sollen. Dort werden nämlich die Begriffe "gekocht" (Unterposition 1902 2091 KN), "getrocknet" (Unterposition 1902 30 10 KN) sowie "nicht zubereitet" (Unterposition 1902 4010 KN) verwendet. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass mit "gekocht" eine Zubereitungsmethode, mit "getrocknet" eine Methode der Haltbarmachung gemeint ist.

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3.3.2 Die Anmerkung Nr. 2 zum Abschnitt I KN spricht gegen die vom Beklagten vertretene Auffassung, dass frittierte Nudeln getrocknete Teigwaren seien. In dieser Anmerkung, die nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nicht nur für Waren des Abschnitts I KN, sondern für die gesamte Nomenklatur gilt, wird für bestimmte Behandlungen, nämlich das Entwässern, Eindampfen und Gefriertrocknen klargestellt, dass es sich auch hierbei - vorbehaltlich einer anderweitigen Bestimmung - um Trocknungsverfahren handelt. Entwässern bedeutet das Abtrennen von Flüssigkeit von einem Stoff (Lexikon Lebensmitteltechnik, S. 337, Stichwort: Entwässern [dewatering]). Eindampfen, das auch Eindicken genannt wird, ist der "Entzug von Wasser zum Zweck der Haltbarmachung und der Gewinnung von konzentrierten Lebensmitteln" (Lebensmittellexikon, S. 454; siehe auch Lexikon Lebensmitteltechnik, S. 264 f., Stichwort: Eindampfen [evaporating]). Durch das Eindicken werden lagerfähige, wirtschaftlich transportable und standardisierte Lebensmittel gewonnen. Als Beispiele werden Kondensmilch, Molkeerzeugnisse, Fruchtsaft- und Gemüsekonzentrate, Sirupe, Fleisch- und Malzextrakte, Würzen, Hefeextrakte und Pektinpräparate genannt (Lebensmittellexikon, S. 454). Die Gefriertrocknung ist ein schonendes Trocknungsverfahren, das auf der Sublimationstrocknung beruht und in Vakuumkammern durchgeführt wird. Dabei wird das gefrorene Wasser dem Trocknungsgut dergestalt entzogen, dass es direkt in den gasförmigen Zustand übergeht (Lebensmittellexikon, S. 657, Stichwort: Gefriertrocknung; https://de.wikipedia.org/wiki/Gefriertrocknung).

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Den drei genannten Verfahren ist gemein, dass sie der Ware, die dem Verfahren unterliegt, ausschließlich Wasser entziehen. Anders als beim Frittieren werden der Ware keine Stoffe (Fett) hinzugefügt und es werden keine komplexen chemischen Prozesse angestoßen. Sie dienen auch in erster Linie der Haltbarmachung. Zwar führt das Eindampfen beispielsweise von Frischmilch zu Kondensmilch dazu, dass ein nach der Verkehrsauffassung neues Produkt entsteht, und man insoweit auch von einer Zubereitung sprechen könnte. Möglicherweise ist gerade aus diesem Grund das Eindampfen in die Anmerkung aufgenommen worden. Es bleibt jedoch dabei, dass beim Eindampfen von Frischmilch nichts weiter passiert, als das ihr Wasser entzogen wird. Auch das Gefriertrocknen dient in erster Linie der Haltbarmachung. Zwar führt die Gefriertrocknung bei manchen Produkten wie etwa Kaffee dazu, dass sie instantisiert, also ohne Kochen verzehrfähig werden. Dies trifft auch auf die hier in Rede stehenden Nudeln zu; auch sie werden durch das Frittieren instantisiert. Wie beim Eindampfen besteht jedoch der entscheidende Unterschied zwischen dem Gefriertrocknen und dem Frittieren darin, dass bei Ersterem dem Trockengut lediglich Wasser entzogen wird.

76

Bei den in der Anmerkung genannten Verfahren handelt es sich um Trocknungsverfahren, bei denen der Trocknungsvorgang durch den Einsatz zusätzlicher Energie beschleunigt wird. Angesichts der Tatsache, dass für diese drei Verfahren klargestellt wurde, dass Waren, die sie durchlaufen haben, "getrocknet" sind, würde man erwarten, dass der Verordnungsgeber ausdrücklich geregelt hätte, wenn er den Trocknungsbegriff auch auf Verfahren hätte ausdehnen wollen, die - wie das Frittieren - über die Haltbarmachung hinaus in erster Linie der Zubereitung von Lebensmitteln dienen und bei denen gänzlich andere chemische Prozesse ablaufen als beim Trocknen. Dass dies nicht geschehen ist, spricht dagegen, frittierte Waren als getrocknet im Sinne der KN zu betrachten.

77

3.3.3 Zu dem vom vorlegenden Gericht favorisierten Verständnis des Begriffs "getrocknet" passt, dass einige andere frittierte Lebensmittel nicht als getrocknete Waren eingereiht werden. So werden frittierte Erbsen nicht als "getrocknete ausgelöste Hülsenfrüchte" (Unterposition 0713 1090 KN), sondern als "anderes Gemüse, anders als mit Essig oder Essigsäure zubereitet oder haltbar gemacht" (Erbsen der Unterposition 2005 4000 KN) eingereiht, wobei das Frittieren eine andere Form der Zubereitung als mit (Essig-)Säure ist. Frittierte Bananen werden nicht als getrocknete Bananen (Unterpositionen 0803 1090 bzw. 0803 9090 KN), sondern als zubereitete andere Früchte in eine Position der Unterposition 2008 99 KN eingereiht.

78

3.3.4 Vor diesem Hintergrund spricht nach Auffassung des vorlegenden Gerichts viel dafür, den Begriff "getrocknet" im Sinne der Unterposition 1902 3010 KN so zu verstehen, dass diese Charakterisierung nur auf solche Teigwaren zutrifft, die das Konservierungsverfahren der Trocknung durchlaufen haben.

79

Für diese Auslegung streitet auch der allgemeine Rechtsgrundsatz der Kohärenz des Unionsrechts (vgl. Art. 7 AEUV), der der Zersplitterung einer Rechtsordnung entgegenwirken soll (Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim [Hrsg.], Das Recht der Europäischen Union, 51. EL Sept. 2013, Art. 7 AEUV Rn. 9). Dieser Grundsatz gebietet eine Auslegung des Unionsrechts, bei der Begriffe möglichst einheitlich ausgelegt werden (siehe das Urteil des EuGH vom 28.02.2013, C-334/12 - Jaramillo, in dem es um die einheitliche Auslegung des prozessrechtlichen Begriffs "angemessene Frist" ging), soweit sich aus dem anzuwendenden Recht nicht eine abweichende Begriffsbildung ableiten lässt. Da sich der KN kein teigwarenspezifischer Trocknungsbegriff entnehmen lässt, dürfte viel dafür sprechen, ihn im vorgeschlagenen Sinne zu verstehen.

80

3.4 Erläuterungen zur Position 1902 HS

81

Da es vorliegend um eine Einreihung innerhalb der autonom von der Europäischen Union festgesetzten Unterpositionen der Kombinierten Nomenklatur geht, können die Erläuterungen zum Harmonisierten System nur indirekte Hinweise für die Beantwortung der Einreihungsfrage geben. In den Erläuterungen zur Position 1902 HS heißt es in der deutschen Übersetzung:

82

Die Waren werden im allgemeinen vor dem Verkauf getrocknet, um ihren Transport und ihre Lagerung zu erleichtern und ihre Haltbarkeit zu verlängern. ... Zu dieser Position gehören auch nichtgetrocknete (d. h. feuchte oder frische) und gefrorene Waren, ....

83

Hieraus kann man zum einen schließen, dass das Trocknen keine Form der Zubereitung ist, sondern dazu dient, die Ware haltbarer und leichter umschlagbar zu machen. Ein Verfahren wie das Frittieren, das auch der Zubereitung einer Ware zum Verzehr dient, könnte nach dieser Lesart kein Trocknen sein. Gleichzeitig differenziert die Erläuterung zwischen getrockneten, nichtgetrockneten (feuchten oder frischen) und gefrorenen Produkten. Versteht man die Erläuterung so, dass es sich um eine abschließende Aufzählung handelt, und frittierte Waren weder frisch noch gefroren sind, könnte die Erläuterung dafür sprechen, dass das Frittieren unter den Begriff "getrocknet" fällt. Hiergegen wiederum spricht die Überschrift der Position 1902 HS/KN, nach der neben gekochten und gefüllten Teigwaren ausdrücklich auch auf andere Weise zubereitete Teigwaren erfasst sind. Vor diesem Hintergrund kann man die zitierte Erläuterung zum Harmonisierten System auch so verstehen, dass sie die Zustände beschreibt, in denen sich Teigwaren vor ihrer Zubereitung befinden können, nämlich getrocknet, nichtgetrocknet und gefroren. Nach dieser Lesart stünde die genannte Erläuterung zum Harmonisierten System einer Einordnung von frittierten Teigwaren als zubereitete Teigwaren nicht im Wege.

84

4. Angesichts dieser Zweifel an der Auslegung des einschlägigen Unionsrechts hat der Senat beschlossen, dem EuGH die im Tenor genannte Frage im Wege des Vorabentscheidungsersuchens vorzulegen.

Gründe

1

Der Antrag gemäß § 69 FGO i. V. m. Art. 45 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269/1, berichtigt durch ABl. 2016 L 267/2 - Unionszollkodex) - im Folgenden: UZK - auf Aussetzung bzw. - rückwirkend ab dem 11.05.2016 - Aufhebung der Vollziehung der verbindlichen Zolltarifauskünfte DE ...-1 vom 11.05.2016, DE ...-2 vom 11.05.2016 und DE ...-3 vom 11.05.2016 bleibt ohne Erfolg.

1.1

2

Der Antrag, dessen Zulässigkeit sich auch unter Geltung des Unionszollkodex nach mitgliedstaatlichem Recht richtet (FG Hamburg, Beschluss vom 12.04.2017, 4 V 16/17, in: juris, Rn. 16 m. w. N.), ist zulässig.

3

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einer verbindlichen Zolltarifauskunft, die - wie bei den streitgegenständlichen verbindlichen Zolltarifauskünften vom 11.05.2016 gegeben - nach Art. 33 Abs. 1, 1. Alt. UZK erlassen wird, ist statthaft, da Einspruch und Anfechtungsklage gegen eine verbindliche Zolltarifauskunft gemäß Art. 45 Abs. 1 UZK keine aufschiebende Wirkung haben und eine verbindliche Zolltarifauskunft unter der Geltung des Unionszollkodex ein vollziehbarer und damit aussetzungsfähiger Verwaltungsakt ist. Gemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. a), b) UZK ist die verbindliche Zolltarifauskunft hinsichtlich der zolltariflichen Entscheidung hinsichtlich der Waren, für die die Zollformalitäten nach dem Zeitpunkt erfüllt werden, zu dem die Entscheidung wirksam wird, und ab dem Tag, an dem die Entscheidung dem Inhaber zugestellt wird bzw. als ihm zugestellt gilt, sowohl für die Zollbehörden als auch gegenüber dem Inhaber der Entscheidung verbindlich. Damit hat, anders als nach der vormaligen Rechtslage auf der Grundlage der Vorschriften des Zollkodex (vgl. dazu FG Hamburg, Beschluss vom 20.02.2014, 4 V 140/13, in: juris), die verbindliche Zolltarifauskunft nunmehr eine für den Inhaber nicht nur begünstigende, sondern auch belastende Rechtswirkung. Dies hat zur Folge, dass die verbindliche Zolltarifauskunft - ungeachtet ihres Charakters eines (bloß) feststellenden Verwaltungsakts - aufgrund der bei nicht antragsgemäßer Einreihung gegebenen nachteiligen Beeinflussung des Status quo des Inhabers verbunden mit der Verpflichtung des Inhabers, die verbindliche Zolltarifauskunft bei Einfuhrvorgängen anzugeben, als ein vollziehbarer und damit aussetzungsfähiger Verwaltungsakt anzusehen ist (vgl. dazu auch Schoenfeld, ZfZ 2017, S. 226, 229). Soweit neben der Aussetzung der Vollziehung auch die Aufhebung der Vollziehung, vgl. § 69 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz i. V. m. Abs. 3 Satz 7 FGO, begehrt wird, kann wegen der nachfolgend dargelegten Unbegründetheit des Antrags offen bleiben, ob in Bezug auf eine verbindliche Zolltarifauskunft sich die aufzuhebende Vollziehung auf die - insoweit nicht mehr rückgängig zu machende - Vorlage der verbindlichen Zolltarifauskunft bei etwaig bereits stattgefundenen Einfuhrvorgängen beschränkt und die Aufhebung der Vollziehung insoweit ohne Bedeutung bleibt oder weitergehende Auswirkungen dahin gehend hat, dass die auf der Grundlage der vorgelegten verbindlichen Zolltarifauskunft erfolgte Berechnung und Festsetzung von Einfuhrabgaben unter Berücksichtigung einschlägiger Anfechtungs- bzw. Erstattungsantragsfristen zu suspendieren ist.

4

Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben, insbesondere ist die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO erfüllt, weil der Antragsgegner mit Bescheid vom 15.08.2017 die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hat.

1.2

5

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

6

Die materiellen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung ergeben sich auch im finanzgerichtlichen Verfahren aus Art. 45 UZK. Nach dessen Abs. 2 setzen die Zollbehörden die Vollziehung einer Entscheidung, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt ist, ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Zwar benennt die Vorschrift als Adressaten lediglich die Zollbehörden, sie ist aber auch von den Gerichten auf dem Gebiet des Zollrechts als materieller Entscheidungsmaßstab anzuwenden. Aufgrund der Verweisung in § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 FGO auf § 69 Abs. 2 Satz 2 ff. FGO beschränken sich die gerichtlichen Befugnisse auf dasjenige, was die Zollbehörden selbst anordnen können. Werden die Befugnisse der Zollbehörden nach §§ 361 Abs. 2 AO, 69 Abs. 2 FGO durch unionsrechtliche Regelungen überlagert, muss dies auch für das gerichtliche Verfahren gelten (st. Rspr. des BFH zu Art. 244 ZK: Urteil vom 19.04.2011, VII B 234/10, BFH/NV 2011, 1202; zu Art. 45 UZK vgl. Schoenfeld, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, 8. EL Sept. 2016, Art. 45 UZK Rn. 34).

7

Da sich die Begriffe der begründeten Zweifel im Sinne von Art. 244 Abs. 2 ZK bzw. 45 Abs. 2 UZK und der ernstlichen Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 2 S. 2 FGO im Wesentlichen decken (Schoenfeld, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, a. a. O., Art. 45 UZK Rn. 18), liegen begründete Zweifel vor, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (st. Rspr. des BFH, Beschluss vom 26.08.2004, V B 243/03, in: juris, Rn. 14 unter Bezugnahme auf Beschluss vom 10.02.1967, III B 9/66, BFHE 87, 447). Die Aussetzung der Vollziehung setzt dabei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH, Beschluss vom 26.04.2004, VI B 43/04, in: juris, Rn. 11; Beschluss vom 20.05.1997, VIII B 108/96, in: juris, Rn. 41). Sie kann auch dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte (vgl. BFH, Beschluss vom 23.08.2004, IV S 7/04, in: juris, Rn. 21). Die Umstände, die die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 123. EL Mai 2010, § 69 FGO Rn. 94, 123).

8

Keine der in Art. 45 Abs. 2 UZK aufgeführten Alternativen ist im Streitfall gegeben:

a)

9

Nach dem Prüfungsmaßstab dieses vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vermag der Senat nicht festzustellen, dass begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der verbindlichen Zolltarifauskünfte DE ...-1 vom 11.05.2016, DE ...-2 vom 11.05.2016 und DE ...-3 vom 11.05.2016, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.07.2017, im Sinne von Art. 45 Abs. 2, 1. Alt. UZK vorliegen. Die von dem Antragsgegner vorgenommene Einreihung der streitgegenständlichen Waren - das sind: verschiedene Panels für Röntgengeräte mit CMOS-Bildsensor mit Szintillator und Bildsignalelektronik zum Erzeugen eines Rohdatenbildes durch Umwandeln von Röntgenstrahlen in Lichtimpulse (vertrieben unter den Bezeichnungen "XX ..., ... bzw. ...", "YY" und "ZZ"), sog. Röntgenflachdetektoren - jeweils in die Warennummer 8525 8019 90 (Fernsehkamera mit CMOS-Bildsensor, nicht von den TARIC-Codes 8525 8019 20 bis 8512 8019 65 erfasst) dürfte rechtlich nicht zu beanstanden sein.

10

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union sowie des Bundesfinanzhofes (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 20.06.1996, Rs. C-121/95, EuGHE 1996, I-3047 Rn. 13; BFH, Urteile vom 18.12.2001, VII R 78/00, vom 09.10.2001, VII R 69/00, vom 14.11.2000, VII R 83/99, vom 05.10.1999, VII R 42/98, und vom 23.07.1998, VII R 36/97, jeweils in: juris) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur, AV). Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System (HS) Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. EuGH, Urteile vom 09.12.1997, Rs. C-143/96, EuGHE 1997, I-7039 Rn. 14, und vom 19.05.1994, Rs. C-11/93, EuGHE 1994, I-1945 Rn. 11 und 12; zu den für die Erläuterungen allein verbindlichen Vertragssprachen Englisch und Französisch siehe Bender, ZfZ 2016, 30, 31). Daneben werden "Nationale Entscheidungen und Hinweise" (NEH) zur Kombinierten Nomenklatur und zum Harmonisierten System veröffentlicht, die jedoch lediglich Verwaltungsanweisungen sind, die den deutschen Zollstellen bei Schwierigkeiten mit der Einordnung von Waren eine Tarifierungshilfe geben sollen und nur unverbindlichen Charakter haben (BFH, Urteil vom 09.05.2000, VII R 14/99, in: juris). Auf den Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. BFH, Urteile vom 14.11.2000, VII R 83/99, und vom 05.10.1999, VII R 42/98, jeweils in: juris; Beschluss vom 24.10.2002, VII B 17/02, in: juris).

11

Die objektiven Merkmale und Eigenschaften der streitgegenständlichen Waren sprechen dem Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und der Anmerkungen zu Kapitel 90 folgend sowie unter Berücksichtigung der Erläuterungen zu Positionen 9022 HS und 8525 HS, die zur Auslegung der in den Positionen 9022 und 8525 und den dazugehörigen Unterpositionen verwendeten Begriffe heranzuziehen sind, nicht für eine Einreihung der Waren in die vom Antragsteller angesprochene Position 9022 (u. a. Röntgenapparate und -geräte) - und innerhalb dieser Position nach Auffassung des Antragstellers vorrangig in die Unterposition 9022 12 (Röntgenapparate und -geräte, auch für medizinische, chirurgische, zahnärztliche oder tierärztliche Zwecke, einschließlich Apparate und Geräte für Schirmbildfotographie und Strahlentherapie), dort wiederum in die Unterposition 9022 1200 000, hilfsweise Unterposition 9022 1300 000, weiter hilfsweise Unterposition 9022 1400 000, weiter hilfsweise Unterposition 9022 1900 000, bzw. hilfsweise in die Unterposition 9022 90 (andere, einschließlich Teile und Zubehör), dort wiederum in die Unterposition 9022 9020 000 (Teile und Zubehör für Röntgenapparate und -geräte) -, sondern für die Einreihung der Waren in die von dem Antragsgegner angesprochene Position 8525 (u. a. Fernsehkameras), Unterposition 8525 8019 900 (Fernsehkameras, andere als von der Unterposition 8525 8011 000 oder den TARIC-Positionen 8525 8019 200 bis 8525 8019 700 erfasst).

12

Die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren stellen sich nicht als Röntgenapparate und -geräte im Sinne der Unterposition 9022 12, Unterpositionen 9022 1200 00 bis 1900 00, mit einem Drittlandszollsatz von jeweils 0 % dar. Was unter einem Röntgenapparat und -gerät zu verstehen ist, ist durch die Kombinierte Nomenklatur nicht näher definiert. Der Wortlaut der Position 9022 bzw. der Unterposition 9022 12 ist insoweit offen, als er den Begriff des Apparats bzw. Geräts beinhaltet und dieser zwar vorgibt, dass es sich um einen Gegenstand handeln muss, der bestimmte Funktionen auszuführen in der Lage ist, jedoch nicht zugleich vorgibt, ob ein Röntgenapparat bzw. -gerät bereits dann gegeben ist, wenn ein Gegenstand sinnvoll nur im Zusammenhang mit der Erzeugung und dem Einsatz von Röntgenstrahlung zur Anwendung kommen kann und derartige Funktionen unterstützt, ohne jedoch selbst sämtliche Bestandteile zu beinhalten, die erforderlich sind, um Röntgenstrahlen zu erzeugen und einzusetzen, oder sich ein Röntgenapparat bzw. -gerät dadurch auszeichnet, dass der Apparat bzw. das Gerät bestimmte Bestandteile und Funktionen zwingend aufweisen muss, die ihn bzw. es als Röntgenapparat bzw. -gerät charakterisieren, insbesondere auch eine Vorrichtung zur Erzeugung von Röntgenstrahlen. Da auch der Wortlaut der Anmerkungen zu dem das Kapitel 90 umfassenden Abschnitt XVIII und zu Kapitel 90 keine Hinweise auf die nähere Bedeutung des Begriffs Röntgenapparate und -geräte enthält, ist die Bedeutung der hier in Rede stehenden Position 9022 und der dazugehörigen Unterpositionen nach den üblichen Auslegungskriterien festzustellen. Es ist daher auf die Erläuterungen zum Harmonisierten System und die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur als maßgebliches Erkenntnismittel zurückzugreifen (vgl. auch BFH, Urteil vom 18.12.2001, VII R 78/00, in: juris). Die Erläuterungen in ihrer deutschen Übersetzung zu Position 9022 HS in EZT-online Rz. 02.0, Sätze 1 und 2, sehen vor, dass der Hauptbestandteil dieser Apparate und Geräte das Gehäuse ist, das die Röhre oder die Röhren enthält, welche die Röntgenstrahlung erzeugen, und dieses Gehäuse, das in der Regel an einer Säule oder an einer anderen Halterung mit Schwenk- und Hebevorrichtungen befestigt ist, eine Spezialvorrichtung für die Stromzufuhr besitzt, die den Strom von einer beliebigen Stromquelle abnimmt und auf die erforderliche Spannung bringt. Nach Satz 3 der genannten Erläuterung ist im Übrigen die Bauart der Röntgenapparate und -geräte je nach ihrem Verwendungszweck verschieden, wobei im Folgenden in EZT-online Rz. 03.0-11.0 nach ihrem Verwendungszweck zu unterscheidende Röntgenapparate und -geräte aufgeführt werden. Danach ergibt sich eindeutig, dass ein Röntgenapparat bzw. -gerät im Sinne der Position 9022 jedenfalls ein Gehäuse mit einer Röhre oder mehreren Röhren, welche Röntgenstrahlen erzeugen, beinhalten, mithin über eine derartige Strahlenquelle verfügen muss. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist eine Strahlenquelle als Bestandteil nicht ausschließlich bei den unter Position 9022 des Weiteren aufgeführten "Apparaten und Geräten, die Alpha-, Beta- oder Gammastrahlen verwenden" erforderlich. Derartige Apparate und Geräte erfordern zwar eine Strahlenquelle, allerdings in der besonderen Form, dass die Strahlung von einer in einem Behälter befindlichen radioaktiven Substanz ausgeht, die die Eigenschaft hat, durch Eigenumwandlung ihrer Atome Strahlen auszusenden (vgl. Erläuterung zu Position 9022 HS in EZT-online Rz. 13.0). Daneben gibt es u. a. die in den Erläuterungen zu Position 9022 HS in EZT-online Rz. 02.0 sowie Rz.22.0-23.0 beschriebene Strahlenquelle in Form der Röntgenröhre, bei der elektrische Energie in Röntgenstrahlen umgewandelt wird, und die Hauptbestandteil der Röntgenapparate und -geräte im Sinne der Position 9022, Unterposition 9022 12, ist. Der Annahme, dass Röntgenapparate und -geräte im Sinne der Position 9022 zwingend eine solche Strahlenquelle in Form einer oder mehrerer Röntgenröhren enthalten müssen, steht auch nicht die Erläuterung zu Position 9022 HS in EZT-online Rz. 05.0 entgegen. Danach gehören zu den nach ihrem Verwendungszweck zur Diagnose eigesetzten Röntgenapparaten und -geräten auch Röntgenaufnahme-Apparate und -geräte, bei denen die Strahlen beim Austritt aus dem aufgenommenen Körperteil auf eine fotografische Platte oder einen Film auftreffen und diese belichten, wobei ein derartiger Apparat auch zur Durchleuchtung und Aufnahme eingerichtet sein kann. Anders als der Antragsteller meint, ist der Formulierung "kann auch zur Durchleuchtung und Aufnahme eingerichtet sein" nicht zu entnehmen, dass auch Apparate und Geräte, die allein die Funktion haben, Röntgenstrahlen beim Austritt aus dem aufgenommenen Körperteil "aufzunehmen", ohne jedoch eine eigene Strahlenquelle zu haben, Röntgenapparate und -geräte im Sinne der Position 9022 sein können. Die unter der in EZT-online Rz. 05.0 beschriebenen Röntgenaufnahme-Apparate und -geräte zeichnen sich dadurch aus, dass die Röntgenstrahlen, die durch eben diese Apparate und Geräte selbst erzeugt und sodann zur Durchdringung eines lichtundurchlässigen Körpers eingesetzt werden, durch denselben Apparat bzw. dasselbe Gerät beim Austritt aus dem Körperteil auf einer fotografischen Platte oder einen Film auftreffen und diese belichten und insofern eine Röntgenaufnahme hergestellt wird. Wenn es in Satz 2 der Rz. 05.0 in EZT-online heißt, dass ein derartiger Apparat auch zur Durchleuchtung und Aufnahme eingerichtet sein kann, so bezieht sich diese Aussage auf die in der vorangehenden Rz. 04.0 in EZT-online beschriebenen Röntgendurchleuchtungsapparate und -geräte, bei denen die Röntgenstrahlen dazu verwendet werden, das innere Bild des von ihnen durchdrungenen Körperteils in Schatten auf einen geeigneten Bildschirm zu werfen, ohne jedoch eine dauerhafte Aufnahme des durchdrungenen Körperteils zu erzeugen. Die in Rz. 05.0 in EZT-online beschriebenen Röntgenaufnahme-Apparate und -geräte können daher so ausgestaltet sein, dass sie die von Röntgenstrahlen durchdrungenen Körperteile entweder nur in fotografischer oder filmischer Form aufnehmen ("zur Aufnahme eingerichtet") oder die Körperteile daneben wahlweise auch in Schatten auf einen geeigneten Bildschirm werfen ("zur Durchleuchtung eingerichtet"). Aus diesem Zusammenhang wird deutlich, dass "zur Durchleuchtung eingerichtet" in Satz 2 der Rz.05.0 in EZT-online nicht meint, dass nur für Apparate "zur Durchleuchtung" eine Strahlenquelle vorhanden sein muss. Schließlich wird auch in den Erläuterungen zu Position 9022 HS in Rz. 06.0 in EZT-online, die Apparate und Geräte für Schirmbildfotographien, bei denen das Bild, das auf dem Durchleuchtungsschirm entstanden ist, fotografiert wird, betreffen, deutlich, dass eine Strahlenquelle unabdingbarer Bestandteil eines Röntgenapparats bzw. -geräts ist. Denn in Satz 4 der genannten Rz. 06.0 in EZT-online ist ausdrücklich klargestellt, dass gesondert gestellte fotografische Spezialapparate in Position 9006 einzureihen sind.

13

Die Erläuterung zu Position 9022 HS in Rz. 02.0 EZT-online, wonach Hauptbestandteil von Röntgenapparaten und -geräten das Gehäuse mit der Röntgenröhre ist, steht nicht im Widerspruch zu dem Wortlaut der Position 9022 und den dort genannten Unterpositionen. Auf die vom Antragsteller insoweit angeführte stoffliche Eignung eines Gegenstands zum Einsatz im Zusammenhang mit - von einer auch anderweitigen Strahlenquelle erzeugten - Röntgenstrahlen und eine entsprechende Verwendungsbestimmung allein kann es nämlich nicht ankommen, weil sich aus der Position 9022 und den dort genannten Unterpositionen nichts dafür ergibt, dass hier der Unionsgesetzgeber eine derartige Verwendungseignung und -bestimmung als das allein maßgebende Kriterium angesehen und somit eine vom Vorhandensein einer eigenen Strahlenquelle unabhängige Definition des Röntgenapparats bzw. -geräts geschaffen hätte.

14

Ist mithin nach den Erläuterungen zu Position 9022 HS, Rz. 02.0 EZT-online, für einen Röntgenapparat bzw. -gerät zwingend ein Gehäuse, das die Röhre oder die Röhren enthält, welche die Röntgenstrahlung erzeugen, erforderlich, so sind die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren keine Röntgenapparate bzw. -geräte im Sinne der Position 9022, Unterposition 9022 12, da sie jeweils keine eigene Röntgenröhre als Strahlenquelle besitzen. Die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren wandeln, je nach Modell, mittels einer Szintillatorschicht oder Cäsiumjodid Röntgenstrahlen entsprechend ihrer Intensität in Lichtsignale um, die wiederum mittels eines CMOS-Sensors in eine Spannung umgewandelt und elektronisch ausgelesen werden und sodann als Information an einen PC zur bildlichen Darstellung und Auswertung übertragen werden können. Die von den streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren umgewandelten Röntgenstrahlen werden aber nicht von den Röntgenflachdetektoren selbst erzeugt, sondern stammen von Röntgenstrahlen erzeugenden Röntgenapparaten und -geräten oder anderen Strahlenquellen, in deren Zusammenhang die Röntgenflachdetektoren jeweils eingesetzt werden.

15

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es sich bei den streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren - wenn diese, wie vorstehend aufgezeigt, nicht im Sinne des Antragstellers als eigenständiger Röntgenapparat bzw. eigenständiges Röntgengerät einzureihen sind - aufgrund ihrer Verwendungseignung und -bestimmung, insbesondere der zum Umwandeln von Röntgenstrahlen in Lichtsignale vorgesehenen Szintillatorschicht bzw. Cäsiumjodid und der zum Umwandeln der Lichtsignale in Spannung vorgesehenen CMOS-Sensoren und der Einbaubarkeit in Röntgenapparate und -geräte, die beispielsweise zu medizinischen oder industriellen Zwecken eingesetzt werden, grundsätzlich um Teile oder Zubehör für Röntgenapparate und -geräte der Unterposition 9022 12 handeln kann. Eine Zuordnung zu der von dem Antragsteller insoweit hilfsweise angesprochenen Unterposition 9022 90, Unterposition 9022 9020 000, mit einem Drittlandzollsatz von 2,1 % (Teile und Zubehör für Röntgenapparate und -geräte) ist allerdings gleichwohl nicht vorzunehmen. Denn die streitgegenständlichen Waren sind nach Anmerkung 1 h), 2 zum Kapitel 90 aus dem Kapitel 90 ausgewiesen. Nach Anmerkung 2 sind Teile und Zubehör für u. a. Apparate und Geräte des Kapitels 90 vorbehaltlich der vorstehenden Anmerkung 1 nach den unter 2 a) bis c) genannten Regeln einzureihen, nach Anmerkung 1 h) zum Kapitel 90 gehören zum Kapitel 90 u. a. nicht Fernsehkameras der Position 8528.

16

Mit dem Antragsgegner ist davon auszugehen, dass es sich bei den Röntgenflachdetektoren um Kameras im Sinne der Position 8525 handelt und diese damit von der Position 90 ausgewiesen sind.

17

Die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren stellen sich als Fernsehkameras der Position 8525, Unterposition 8525 8019 900 mit einem Drittlandszollsatz von 3,3 % (Fernsehkameras, andere als von der Unterposition 8525 8011 000 oder den TARIC-Positionen 8525 8019 200 bis 8525 8019 700 erfasst) dar. Mangels weiterführender Hinweise zum Begriff der Fernsehkamera im Wortlaut der Position bzw. Unterpositionen und in den Anmerkungen zur Kombinierten Nomenklatur ist auch hier auf die Erläuterungen zum Harmonisierten System und die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur als maßgebliches Erkenntnismittel zurückzugreifen. In den Erläuterungen zu Position 8525 HS, Rz. 08.-11.0 in EZT-online, heißt es, dass zu der Gruppe "Fernsehkameras, digitale Fotoapparate und Videoaufnahmegeräte" solche Kameras gehören, die ein Bild aufnehmen und in ein elektronisches Signal umwandeln, das 1) als Videobild zu einem Ort außerhalb der Kamera gesendet wird, um es zu betrachten oder aufzuzeichnen (z. B. Fernsehkameras); oder das 2) in der Kamera als Einzelbild oder Bewegtbild aufgezeichnet wird (z. B. digitale Fotoapparate und Videoaufnahmegeräte). In Rz. 12.0 EZT-online, Sätze 2 und 3, der genannten Erläuterungen heißt es weiter, dass die Kameras der Position 8525 und die Kameras des Kapitels 90 optische Linsen zum Fokussieren des Bildes auf einem lichtempfindlichen Träger und Vorrichtungen zum Regeln des Lichts, das in die Kamera einfällt, enthalten, jedoch die Fotoapparate und Filmkameras des Kapitels 90 die Bilder auf einen fotografischen Film des Kapitels 37 belichten, während die Kameras dieser Position die Bilder in analoge oder digitale Daten umwandeln. In Rz. 13.0, Sätze 1 und 2, EZT-online der genannten Erläuterungen heißt es, dass die Kameras dieser Position ein Bild aufnehmen, indem sie das Bild auf ein lichtempfindliches Bauteil, wie einen Komplementären Metall-Oxid-Halbleiter (CMOS) oder eine ladungsgekoppelte Vorrichtung (charge coupled device - CCD-Sensor) fokussieren, und das lichtempfindliche Bauteil ein den Bildern entsprechendes Signal sendet, das in eine analoge oder digitale Bildaufzeichnung weiterverarbeitet wird.

18

Die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren erfüllen diese in den Erläuterungen genannten Voraussetzungen. Sie nehmen ein Bild, nämlich die in unterschiedlicher Intensität auf einer bestimmten Fläche des Röntgenflachdetektors auftreffenden Röntgenstrahlen, auf und wandeln es in entsprechende elektronische Signale um, die zu einem Ort außerhalb des Röntgenflachdetektors gesendet werden, um es zu betrachten oder aufzuzeichnen. Dabei nehmen sie das Bild auf, indem sie - nach der Umwandlung der Röntgenstrahlen in sichtbare Lichtimpulse - das Bild auf ein lichtempfindliches Bauteil, hier einen Komplementären Metall-Oxid-Halbleiter (CMOS), fokussieren und das lichtempfindliche Bauteil ein den Bildern entsprechendes Signal sendet, das in eine digitale Bildaufzeichnung weiterverarbeitet wird. Das aufzunehmende Bild im Sinne der genannten Erläuterungen muss dabei nicht zwingend ein bereits im Ausgangszustand von einem menschlichen Auge wahrnehmbares Bild sein. Wie sich aus der Formulierung in den Erläuterungen zu Position 8525 HS, Rz. 09.0 bis 11.0 in EZT-online, ergibt, ist vielmehr entscheidend, dass das aufgenommene Bild nach der Umwandlung in ein elektronisches Signal als Videobild bzw. Einzelbild oder Bewegtbild aufgezeichnet und durch das menschliche Auge betrachtet werden kann. Dass die Erläuterungen zu Position 8525 HS in diesem Sinne zu verstehen sind, wird durch die Erläuterungen zu Position 8525 KN, Rz. 00.5 in EZT-online, Satz 1, unterstützt. In dieser Erläuterung heißt es, dass zur Position 8525 auch Wärmebildkameras mit Infrarot-Bildaufnehmern gehören, die Wärmestrahlung aufnehmen und sie in Bilder umwandeln, die die Temperaturen einzelner Flächen oder Objekte als unterschiedliche Grautöne oder Farben darstellen. Dieser Vorgang ist dem Aufnehmen von Röntgenstrahlung unterschiedlicher Intensität und deren Umwandlung in eine bildliche Darstellung, wie es die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren tun, vergleichbar. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich ferner, dass es unerheblich ist, dass das durch das menschliche Auge zu betrachtende Bild erst außerhalb des Röntgenflachdetektors nach Weiterleitung der elektronischen Signale an einen PC betrachtet werden kann. Entscheidend ist, dass die Fernsehkamera im Sinne der Position 8525 in der Lage ist, das aufgenommene Bild in elektronische Signale umzuwandeln, die ein Aufzeichnen bzw. Betrachten des Bildes an einem Ort außerhalb der Kamera ermöglichen. Dass das betrachtbare Videobild bereits in der Kamera erzeugt und als solches an einen Ort außerhalb der Kamera weitergeleitet werden müsste, ergibt sich aus der Erläuterung hingegen nicht. Schließlich steht auch der Umstand, dass die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren nicht über eine "optische Linse" zum Fokussieren des Bildes auf einem lichtempfindlichen Träger und Vorrichtungen zum Regeln des Lichts, das in die Kamera einfällt, verfügen, der Einreihung als Fernsehkamera im Sinne der Position 8525 nicht entgegen. Die entsprechende Formulierung in den Erläuterungen zu Position 8525 HS, Rz. 12.0 in EZT-online, Satz 2, ist in Zusammenhang mit dem Folgesatz 3 zu lesen. Es wird dort zunächst beschrieben, welche Charakteristika typischerweise die Kameras sowohl der Position 8525 als auch des Kapitels 90 aufweisen (optische Linse, Vorrichtungen zum Regeln des Lichts), während sodann im Satz 3 die Besonderheiten der Kameras der Position 8525 (Umwandlung der Bilder in analoge oder digitale Dateien) in Abgrenzung zu denen des Kapitels 90 (Belichtung der Bilder auf einen fotografischen Film des Kapitels 37) herausgestellt werden. Ein darüber hinaus gehender Aussagegehalt dahin gehend, dass nur Kameras mit einer optischen Linse und Vorrichtungen zum Regeln des Lichts Kameras im Sinne der Position 8525 sein können, kommt der genannten Erläuterung nicht zu. Vielmehr kommt es darauf an, dass das in eine analoge oder digitale Datei umzuwandelnde Bild in Form der Lichtimpulse in geeigneter Weise auf den lichtempfindlichen Träger auftreffen kann und insoweit "fokussiert" wird. Dies ist bei den streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren gewährleistet, da durch die Anordnung der entsprechenden Bauteile die maßgeblichen Lichtimpulse auf den CMOS-Sensor gelenkt werden.

19

Entgegen der Auffassung des Antragstellers handelt es sich bei den Fernsehkameras im Sinne der Position 8525 nicht ausschließlich um solche, die im oder für "das Fernsehen", so wie es im allgemeinen Sprachgebrauch verstanden wird, verwendet werden. Dies ergibt sich aus den Erläuterungen zu Position 8525 HS, Rz. 14.0 in EZT-online, in denen, nicht abschließend, Beispiele für Fernsehkameras aufgezählt und neben Fernsehkameras zur Verwendung in Fernsehstudios und zur Berichterstattung auch Kameras für industrielle oder wissenschaftliche Zwecke, in geschlossenen Fernsehsystemen zur Videoüberwachung oder Kameras für die Verkehrsüberwachung genannt werden.

20

Dass nach Anmerkung 1 m) Waren des Kapitels 90 aus dem Abschnitt XVI, der die Kapitel 84 und 85 umfasst, ausgewiesen sind, steht dem vorliegend gefundenen Einreihungsergebnis nicht entgegen, da es sich, wie aufgezeigt, bei den streitgegenständlichen Waren gerade nicht um Waren des Kapitels 90 handelt.

21

Auf die vom Antragsteller ferner angeführten Auslegungsregelungen der AV 3 Buchst. a) bis c) kommt es angesichts der nach vorstehenden Ausführungen gemäß AV 1 Satz 2 vorrangig vorzunehmenden Einreihung nach dem Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nicht an.

22

Eine dem Antragsteller günstigere Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht aus dem Umstand, dass vom 01.01. bis zum 31.12.2016 unter dem TARIC-Code 9022 9000 100 eine autonome Zollaussetzung für den streitgegenständlichen Waren sehr ähnliche Röntgendetektoren gewährt wurde. Diese Zollaussetzung betraf "Panel für Röntgengeräte (Röntgenflachdetektor/X-Ray Sensors) bestehend aus einer Glasplatte mit einer Matrix aus Dünnfilmtransistoren, beschichtet mit einem Film aus amorphen Silizium, welcher mit einer Cäsiumjodid-Schicht (Scintillator) und einer metallisierenden Schutzschicht belegt wurde, oder beschichtet mit einem Film aus amorphem Selen". Die beschriebenen Panels unterscheiden sich von den streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren im Wesentlichen dadurch, dass letztere mit CMOS-Bildsensoren statt mit einer Matrix aus Dünnfilmtransistoren ausgestattet sind. Aus der Festlegung einer Zollaussetzung für bestimmte Waren unter Zuordnung zu einer bestimmten Tarifposition kann jedoch keine Bindungswirkung dahin gehend abgeleitet werden, dass derartige oder sehr ähnliche vergleichbare Waren stets unter der entsprechenden Tarifposition, in Bezug auf die hier in Rede stehenden Waren also als Teile/Zubehör für Röntgengeräte und nicht als Fernsehkameras, einzureihen sind. Vielmehr erschöpft sich der Aussagegehalt des genannten TARIC-Codes in der zeitlich begrenzten Gewährung einer Zollaussetzung für ganz bestimmte Teile von Röntgengeräten, unabhängig davon, ob diese Teile, für sich betrachtet, richtigerweise nicht als Teile und Zubehör für Röntgengeräte im Sinne der Unterposition 9022 90, sondern als Fernsehkameras im Sinne der Position 8525 einzureihen gewesen wären.

23

Im Übrigen stützt auch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1109/2012 der Kommission vom 23.11.2012 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. L 329/3) die Auffassung, dass die streitgegenständlichen Waren als Fernsehkameras im Sinne der Position 8525 einzureihen sind. Im Anhang der genannten Durchführungsverordnung wird ein elektronisches Gerät in einem Keramikgehäuse mit 60 Anschlussstiften, bestehend aus drei Chips mit ladungsgekoppelten Halbleiterelementen (CCD-Chips), die mit einer röntgenempfindlichen aktiven Fläche etwa 220 x 6 mm linear angeordnet sind, und drei auf die Chips aufgebrachten Glasfaserplatten mit Szintillatoren, das zur Bilderzeugung in Röntgenkameras eingebaut wird, als Teil von Fernsehkameras der Unterposition 8525 8019 in den KN-Code 8529 9092 eingereiht. Damit wird deutlich, dass die streitgegenständlichen Röntgenflachdetektoren, die mit vergleichbaren Sensoren mit Faserplatte und Szintillator und darüber hinaus mit der Signalverarbeitungstechnik ausgestattet sind und zur Röntgenbildgebung dienen, ihrerseits als Fernsehkameras im Sinne der Position 8525 einzureihen sind.

b)

24

Auch eine Aussetzung der Vollziehung nach Art. 45 Abs. 2, 2. Alt. UZK kommt im Streitfall nicht in Betracht. Es bestehen nämlich nach der derzeitigen Sachlage keinerlei Anhaltspunkte, dass dem Antragsteller durch die Vollziehung der verbindlichen Zolltarifauskünfte DE ...-1 vom 11.05.2016, DE ...-2 vom 11.05.2016 und DE ...-3 vom 11.05.2016 ein unersetzbarer Schaden im Sinne der genannten Vorschrift entstehen könnte. Zwar sind verbindliche Zolltarifauskünfte nach Art. 33 Abs. 2 UZK auch für den Inhaber verbindlich mit der Folge, dass der Antragsteller die genannten verbindlichen Zolltarifauskünfte bei Einfuhrvorgängen angeben muss, was wiederum eine entsprechende Einfuhrabgabenerhebung nach einem Drittlandszollsatz von 3,3 % durch die an die verbindliche Zolltarifauskunft ebenfalls gebundenen Zollbehörden nach sich zieht. Dass jedoch, wie der Antragsteller befürchtet, eine Erstattung von etwaig zu viel erhobenen Einfuhrabgaben für den Fall, dass sich im Hauptsacheverfahren die verbindlichen Zolltarifauskünfte als rechtswidrig erweisen sollten, ausgeschlossen sein könnte, und insofern ein nicht wieder rückgängig zu machender finanzieller Schaden in Form materiell zu Unrecht erhobener Einfuhrabgaben drohen könnte, hält der beschließende Senat für ausgeschlossen. Denn für den Fall, dass sich im Hauptsacheverfahren die verbindlichen Zolltarifauskünfte als rechtswidrig erweisen sollten, wären die verbindlichen Zolltarifauskünfte nicht nur mit Wirkung für die Zukunft, sondern - unbeschadet der nur für die Zollbehörden geltenden Einschränkungen des Art. 34 UZK bei der Verwaltung von Entscheidungen über verbindliche Zolltarifauskünfte - rückwirkend ab dem Zeitpunkt ihrer Erteilung durch das Gericht aufzuheben und der Antragsgegner zur Erteilung von verbindlichen Zolltarifauskünften mit der von dem Antragsteller begehrten Einreihung gegebenenfalls auch rückwirkend ab dem Erteilungsdatum zu verpflichten. Damit wäre für noch nicht bestandskräftig abgeschlossene oder zumindest innerhalb der Erstattungsfristen liegende Einfuhrabgabenfestsetzungen eine Erstattung der gezahlten Einfuhrabgaben ohne weiteres möglich. Dass die bis zur endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen verbindlichen Zolltarifauskünfte für entsprechende Wareneinfuhren des Antragstellers anfallenden Einfuhrabgaben zu einer aktuellen Existenzgefährdung des Antragstellers führen und insofern die Vollziehung der verbindlichen Zolltarifauskünfte unabhängig von einer etwaigen späteren Erstattung zu einem unersetzbaren Schaden führen könnte, ist nicht ersichtlich und hat auch der Antragsteller weder behauptet noch näher dargelegt.

2.

25

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 135 Abs. 1 und 128 Abs. 3 i. V. m. 115 Abs. 2 FGO.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.