Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf einer verbindlichen Zolltarifauskunft.

2

Am 25.01.2012 beantragte die Klägerin die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft für eine wie folgt beschriebene Ware: "Kontaktmatte aus Silikon (Silicon Keypad) für den Einbau in einen Schalter zum Verbinden von elektrischen Stromkreisen auf einer darunter liegenden Leiterplatte (nicht Gegenstand der vZTA) durch die Kontaktpunkte per Tastendruck. Die Spannung liegt unter 1000 V." Die Kontaktmatten werden in Autos zu verschiedenen Einsatzzwecken eingebaut. Sie dienen bestimmten Zusatzfunktionen, wie etwa der Verstellung elektrischer Außenspiegel oder der Einstellung von Datum und Zeit einer Uhr.

3

Am 10.08.2012 erteilte der Beklagte der Klägerin die verbindliche Zolltarifauskunft DE .../...-1. Die Kontaktmatte wurde der Codenummer 8536 9085 99 zugewiesenen. Zur Warenbeschreibung heißt es: "Kontaktmatte (Art.-Nr. ...) aus einer spezifisch (asymmetrisch) geformten, transparenten Silikonmatte (ca. 40 x 50 x 3 mm) mit fünf erhabenen Tasten auf der Oberseite sowie jeweils einem, darin eingebetteten, elektrisch leitenden Karbon-Kontaktpunkt auf der Unterseite, zum Verbinden von elektrischen Stromkreisen auf einer darunter liegenden Leiterplatte (nicht Gegenstand der vZTA) durch die Kontaktpunkte per Tastendruck (nach Einbau in einen Schalter), für eine Spannung von weniger als 24 V. Das Erzeugnis ist als "elektrisches Gerät zum Verbinden von elektrischen Stromkreisen für eine Spannung von weniger als 1000 V, nicht für bestimmte Luftfahrzeuge - Kontaktmatte" einzureihen." Zugrunde gelegt wurde die Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI.

4

Mit Bescheid vom 12.09.2012 widerrief der Beklagte die verbindliche Zolltarifauskunft gemäß Art. 9 Abs. 1 Zollkodex unter Hinweis auf die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 714/2012 vom 30.07.2012, wonach derartige Waren nicht mehr als "elektrisches Gerät zum Verbinden von elektrischen Stromkreisen" der Position 8563 zugewiesen, sondern als erkennbares Teil über die Anm. 2 b) zu Abschnitt XVI bzw. die Anm. 2 b) zu Kapitel 90 eingereiht würden (ggf. in die Position 8548, wenn nicht erkennbar für ein bestimmtes Gerät). Aus Gründen des Vertrauensschutzes wurde der Klägerin unter bestimmten Voraussetzungen eingeräumt, die verbindliche Zolltarifauskunft noch bis zum 18.03.2013 zu nutzen.

5

Am 11.10.2012 legte die Klägerin Einspruch gegen den Widerruf ein. Sie meinte, die von ihr eingeführte Ware sei nicht mit der in der VO Nr. 714/2012 beschriebenen Ware vergleichbar. Insbesondere sei sie nicht für ein Mobiltelefon bestimmt. Die VO Nr. 714/2012 sei nicht analogiefähig. Außerdem sei die VO Nr. 714/2012 bereits am 30.07.2012 und damit vor Erlass der verbindlichen Zolltarifauskunft vom 10.08.2012 verkündet worden. Auch in den Jahren zuvor seien die Matten in die Position 8536 eingereiht worden. Die Silikonmatten entsprächen genau der Codenummer 8536 9085 94, sie seien in der Erläuterung 09.9 KN zur Position 8536 ausdrücklich genannt.

6

Mit Schreiben vom 15.11.2012 nahm das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung zu dem Einspruch Stellung. In der Stellungnahme heißt es, in der VO 714/2012 sei eine Silikonmatte als Teil eines Mobiltelefons in die Unterposition 8517 7090 eingereiht worden, da sie aufgrund ihrer spezifischen Form und Bauart zum Einbau in ein bestimmtes Mobiltelefon bestimmt sei. Zwar handele es sich nicht um identische Waren, gleichwohl finde die Durchführungsverordnung analog auf vergleichbare Erzeugnisse Anwendung. Die in Rede stehende Kontaktmatte der Klägerin habe die gleiche Funktion, wie die in der Durchführungsverordnung aufgeführte Tastaturmatte, daher sei in analoger Anwendung eine Einreihung nach der Funktion in die Position 8536 nicht möglich, unabhängig davon, dass die Kontaktmatte nicht mit Tastenkappen versehen sei und nicht in ein Telefon eingebaut werden solle, da dies für die Funktion der Ware unerheblich sei. Auch eine hilfsweise angeführte Einreihung als erkennbares Teil eines Schalters in die Position 8538 schließe die Einreihungsverordnung aus. Die verbindliche Zolltarifauskunft sei erst nach Bekanntgabe der Durchführungsverordnung erteilt worden, weil sich die gutachterliche Stellungnahme zur Einreihung der Kontaktmatte in die Position 8536 und der Umlauf der besagten Durchführungsverordnung zeitlich überschnitten hätten.

7

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 18.04.2013 zurück. Er wiederholte die Stellungnahme des Bildungs- und Wissenschaftszentrums der Bundesfinanzverwaltung und betonte die Vergleichbarkeit der streitgegenständlichen Ware mit der in der VO Nr. 714/2012 eingereihten Ware. Insofern sei die VO Nr. 714/2012 analog anwendbar. Danach sei eine Tastaturmatte nicht als Ware im Sinne der Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI - und damit möglicherweise als solche der Position 8536 - anzusehen, sondern als Teil eines Fernsprechapparats der Position 8517 in Anwendung von Anm. 2 b) zu Abschnitt XVI. Entsprechend könne auch bei der streitgegenständlichen Ware Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI nicht zur Anwendung kommen. Rn. 09.9 der Erläuterungen (KN) zur Position 8536 sei nicht anwendbar, da die dort genannten Schaltmatten über jeweils zwei Kontaktpunkte (leitende Kontaktpunkte und entsprechende Gegenkontakte) verfügten, die sich durch Drücken verbinden und so den elektrischen Kontakt herstellen würden. Die streitgegenständliche Ware verfüge jedoch nicht über Gegenkontakte.

8

Mit ihrer am 22.05.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hält eine analoge Anwendung der VO Nr. 714/2012 für unzulässig. Es liege keine planwidrige Regelungslücke vor. Die VO Nr. 714/2012 regele zudem eine Spezialmaterie (Telefonschaltmatten), diese Regelung könne auf die universell einsetzbaren streitgegenständlichen Schaltmatten nicht übertragen werden. Die VO Nr. 714/2012 regele nicht grundsätzlich die Einreihung von Schaltmatten, sondern ausschließlich die Einreihung von Schaltmatten, die in Mobiltelefone eingebaut würden.

9

Die Klägerin beantragt,

10

den Widerrufsbescheid vom 12.09.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.04.2013 aufzuheben.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Im Hinblick auf den Sachverhalt betont er, dass die Kontaktmatte über fünf Tasten auf der Oberseite mit jeweils einem, darin eingebetteten, elektrisch leitenden Kontaktpunkt auf der Unterseite verfüge. Elektrische Gegenkontakte zu den Kontaktpunkten seien nicht vorhanden. Die Kontaktmatte diene zum Einbau in einen Schalter, der wiederum in Komponenten eines Kraftfahrzeugs eingebaut werde. Die mit der VO Nr. 714/2012 eingereihte Ware sei zum Einbau in ein bestimmtes Mobiltelefon bestimmt und verfüge ebenfalls nicht über elektrische Gegenkontakte. Beide Waren hätten die Funktion, durch Hinzufügen eines entsprechenden Gegenkontaktes eine elektrische Verbindung herzustellen, insoweit seien sie vergleichbar. Die VO Nr. 714/2012 regele generell, dass Schaltmatten, die erkennbar für eine bestimmte Ware bestimmt seien, als erkennbares Teil unter Anwendung der Anm. 2 b) zu Abschnitt XVI einzureihen seien. Mit der Anwendung der Anm. 2 b) zu Abschnitt XVI verneine der Verordnungsgeber eine Anwendbarkeit der vorrangigen Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI für die Tastaturmatte und schließe damit eine Einreihung der Ware nach deren Funktion (als eigenständiges Gerät zum Verbinden von elektrischen Stromkreisen) in die Position 8536 aus. Die VO Nr. 714/2012 stelle somit klar, dass der Wortlaut der Position 8536 Tastaturmatten, die aufgrund des fehlenden Gegenkontaktes keine Schalter darstellten, nicht erfasse. Diese grundsätzliche Entscheidung sei auf jede Schaltmatte, Tastaturmatte oder Kontaktmatte mit leitfähigen Kontaktpunkten ohne Gegenkontakte anzuwenden. Daher sei für die Anwendung der Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI kein Raum.

14

Im Erörterungstermin vom 11.02.2011 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte einschließlich der vorgelegten Warenprobe (Gerichtsakte Bl. 42) sowie die Sachakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.

17

Die zulässige Klage ist begründet.

18

Der Widerruf der am 10.08.2012 erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft DE .../...-1 mit Bescheid vom 12.09.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.04.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.

19

Der Widerruf stützt sich auf Art. 9 Abs. 1 Zollkodex, wonach eine begünstigende Entscheidung widerrufen oder geändert wird, wenn in anderen als den in Art. 8 Zollkodex bezeichneten Fällen eine oder mehrere der Voraussetzungen für ihren Erlass nicht erfüllt waren oder nicht mehr erfüllt sind. Art. 12 Abs. 5 lit. a) iii) Zollkodex verweist ausdrücklich auf die Widerrufsmöglichkeit und bestimmt, dass eine verbindliche Zolltarifauskunft ungültig wird, wenn sie nach Art. 9 Zollkodex widerrufen wird. Die Zollbehörde ist bereits dann zum Widerruf einer von ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft - dabei handelt es sich um eine begünstigende Entscheidung (BFH, Urteil vom 11.03.2004, VII R 20/01) - berechtigt, wenn sie nachträglich die Unrichtigkeit der Auskunft feststellt, auch wenn der Antragsteller für die Unrichtigkeit der Tarifierung keine Ursache gesetzt hat (BFH, Beschluss vom 06.03.2013, VII R 26/11 und Urteil vom 11.03.2004, VII R 20/01; Witte, Zollkodex, Art. 12 Rn. 46). Vorliegend hat der Beklagte die verbindliche Zolltarifauskunft als unrichtig bewertet, nachdem er Kenntnis von der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 714/2012 der Kommission vom 30.07.2012 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (VO Nr. 714/2012) genommen hatte.

20

Die verbindliche Zolltarifauskunft DE .../...-1 ist richtig und hätte insofern nicht widerrufen werden dürfen. Insbesondere ergibt sich die Unrichtigkeit nicht aus der VO Nr. 714/2012.

21

Mit der verbindlichen Zolltarifauskunft DE .../...-1 wurde eine Kontaktmatte aus Silikon mit fünf erhabenen Tasten auf der Oberseite sowie jeweils einem, darin eingebetteten elektrisch leitenden Karbon-Kontaktpunkt auf der Unterseite, die zum Verbinden von elektrischen Stromkreisen auf einer darunter liegenden Leiterplatte, die nicht Gegenstand der verbindlichen Zolltarifauskunft war, dient und die zu verschiedenen Einsatzzwecken in Autos eingebaut wird, in die Warennummer 8536 9085 99 eingereiht. Ausweislich der Warenbeschreibung gehören in die Position 8536 u. a. Geräte zum Schließen oder Verbinden von elektrischen Stromkreisen (z. B. Schalter und andere Verbindungselemente). Nach Rn. 03.1 der Erläuterungen (HS) zur Position 8536 bestehen Geräte zum Schließen oder Unterbrechen von elektrischen Stromkreisen im Wesentlichen aus einer Vorrichtung, die dazu bestimmt ist, die Stromkreise, in die sie eingebaut sind, zu schließen oder zu unterbrechen. Auch im Erörterungstermin vom 11.02.2014 wurde deutlich, dass mit der streitgegenständlichen Kontaktmatte Stromkreise verbunden werden können, indem der Karbon-Kontaktpunkt mit dem Gegenkontakt auf der Leiterplatte verbunden und damit der Stromfluss ermöglicht wird. Damit kann zum Beispiel ein elektrischer Fensterheber in einem Auto betätigt werden. Da die Kontaktmatte dafür bestimmt ist, in ein Gerät - wie zum Beispiel einen elektrischen Fensterheber - eingebaut zu werden, und insofern lediglich einen Teil eines solchen Geräts darstellt, mag man sie nicht unmittelbar in die Position 8536 einreihen können. So passt auch die Rn. 09.9 der Erläuterungen (KN) zur Position 8536 nicht, da die dort genannten Schaltmatten über jeweils zwei Kontaktpunkte (leitende Kontaktpunkte und entsprechende Gegenkontakte) verfügen, die sich durch Drücken verbinden und so den elektrischen Kontakt herstellen. Jedenfalls kommt eine Einreihung in die Position 8536 jedoch in Anwendung von Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI in Betracht, wie dies auch in der verbindlichen Zolltarifauskunft DE-.../...-1 zum Ausdruck kommt. Nach der Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI sind Teile, die sich als Waren einer Position des Kapitels 84 oder 85 (ausgenommen sind verschiedene, hier ersichtlich nicht in Betracht kommende Positionen) darstellen, dieser Position zuzuweisen, ohne Rücksicht darauf, für welche Maschine sie bestimmt sind. Die Kontaktmatten stellen, wie der Beklagte auch im Erörterungstermin vom 11.02.2013 in Bestätigung der mit der verbindlichen Zolltarifauskunft DE-.../...-1 zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung ausgeführt hat, für sich genommen bereits andere Verbindungselemente im Sinne der Position 8536 dar. Die Kontaktmatten sind - wenn auch nur im Zusammenspiel mit den auf der Leiterplatte befindlichen Gegenkontakten - dazu bestimmt, den Stromkreis, in den sie eingebaut werden, zu schließen oder zu unterbrechen, wie dies die Rn. 03.1 der Erläuterungen (HS) zur Position 8536 vorsieht.

22

Gegen die Richtigkeit der der Klägerin erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft spricht entgegen der Auffassung des Beklagten insbesondere nicht die VO Nr. 714/2012, mit der flexible Tastaturmatten, die bedruckte Tastenkappen und nur auf einer Seite Kontaktpunkte aufweisen und die aufgrund von Form und Bauart zum Einbau in ein bestimmtes Mobiltelefon bestimmt sind, in die Unterposition 8517 7090 eingereiht werden.

23

Diese Einreihungsverordnung lässt sich nicht entsprechend auf die streitgegenständlichen Kontaktmatten anwenden.

24

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im Zusammenhang mit der Analogiefähigkeit von Einreihungs- bzw. Tarifierungsverordnungen ausgeführt, dass eine Tarifierungsverordnung von allgemeiner Tragweite sei, da sie nicht für einen bestimmten Wirtschaftsteilnehmer gelte, sondern für die Gesamtheit der Erzeugnisse, die mit denen identisch seien, die vom Ausschuss für den Zollkodex, der vor dem Erlass einer Tarifierungsverordnung Stellung nehme, geprüft worden sei; dabei sei die Begründung der Verordnung zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 17.05.2001, C-119/99). In jener Entscheidung ging es um die Einreihung eines multifunktionalen Gerätes, das die Funktionen eines Druckers, eines Kopierers und eines Fernkopierers in sich vereinigte, und um die Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 2184/97 der Kommission vom 03.11.1997 über die Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (VO Nr. 2184/97). In dieser Verordnung wurde u. a. die Einreihung von multifunktionalen Fernkopierergeräten geregelt, wobei in der Begründung darauf abgestellt wurde, dass die Telekommunikation (Fernkopieren) die das Ganze kennzeichnende Haupttätigkeit des Gerätes sei. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die entsprechende Anwendbarkeit der VO Nr. 2184/97 davon abhängig gemacht, dass bei dem zu tarifierenden multifunktionalen Gerät das Fernkopieren ebenfalls die das Ganze kennzeichnende Haupttätigkeit ist. In seinem Urteil vom 04.03.2004 (C-130/02) hat der Gerichtshof der Europäischen Union die entsprechende Anwendung einer Tarifierungsverordnung betreffend Zubereitungen auf der Grundlage von Auszügen und Konzentraten aus Tee angenommen, obwohl die im dortigen Streitfall einzureihende Ware einen geringfügig niedrigeren Anteil an Teeauszug hatte, als die in der Tarifierungsverordnung beschriebene. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dies damit begründet, dass die entsprechende Anwendung einer Tarifierungsverordnung auf Erzeugnisse, die denjenigen entsprächen, die von der Verordnung erfasst würden, eine kohärente Auslegung der Kombinierten Nomenklatur und die Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer fördere.

25

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung gelangt der Senat nicht zur analogen Anwendbarkeit der VO Nr. 714/2012. Der Senat geht davon aus, dass Tarifierungsverordnungen grundsätzlich analog angewandt werden können, dass dies allerdings voraussetzt, dass die einzureihende Ware mit der von der Tarifierungsverordnung erfassten Ware identisch bzw. - wie es in den Schlussanträgen des Generalanwalts Mengozzi vom 17.07.2008 im Vorabentscheidungsverfahren C-362/07 heißt - austauschbar ist und dass die sich aus der Begründung der Tarifierungsverordnung ergebenden Voraussetzungen für die Einreihung auch bei der Ware gegeben sind, auf die die Tarifierungsverordnung analog angewandt werden soll. Im Streitfall entsprechen die Kontaktmatten nicht hinreichend den Tastaturmatten, die Gegenstand der VO Nr. 714/2012 sind.

26

Dem Beklagten ist zuzugeben, dass die technische Grundkonzeption beider Waren insoweit vergleichbar ist, als es sich um Matten aus Silikon handelt, die über verschiedene elektrische Kontaktelemente ohne die entsprechenden Gegenkontakte verfügen und zum Einbau in ein Gerät bestimmt sind. Ansonsten handelt es sich jedoch um grundsätzlich verschiedene Waren. Die Tastaturmatte, die Gegenstand der VO Nr. 714/2012 ist, weist bedruckte Tastenkappen auf, die einer alphanumerischen Tastatur, Ruftasten und anderen für Mobiltelefone typischen Tasten entsprechen. In der Begründung wird darauf abgestellt, dass die Ware ein wesentlicher Bestandteil für den Betrieb eines Mobiltelefonen sei, speziell für die Verwendung in ein bestimmtes Mobiltelefonmodell konstruiert sei und nicht unabhängig davon für andere Zwecke verwendet werden könne. Die streitgegenständliche Ware ist jedoch unstreitig nicht für den Einbau in ein Mobiltelefon konzipiert bzw. geeignet, sie weist keine Tastenkappen oder sonstige auf eine bestimmte Verwendung hindeutende Bestandteile auf und ist auch sonst nicht in gleicher Weise erkennbar für den Einbau in ein bestimmtes Gerät konstruiert. Zwischen der Tastaturmatte gemäß der VO Nr. 714/2012 und der streitgegenständlichen Kontaktmatte bestehen daher grundlegende Unterschiede, die eine analoge Anwendung der VO Nr. 714/2012 ausschließen.

27

Dem Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, dass die VO Nr. 714/2012 eine verbindliche Regelung treffe, wonach Kontaktmatten generell nicht in Anwendung von Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI in die Position 8536 eingereiht werden könnten. Richtig ist zwar, dass die Anwendung von Anm. 2 b) zu Abschnitt XVI in der VO Nr. 714/2012 impliziert, dass eine Einreihung nach der systematisch vorrangigen Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI ausscheiden soll, im Streitfall ist dies jedoch nicht erheblich. Wie dargelegt, befasst sich die VO Nr. 714/2012 nicht generell mit der Einreihung von Kontaktmatten, sondern ganz speziell mit der von Tastaturmatten von Mobiltelefonen. Sie ist im Streitfall weder direkt noch analog anwendbar. Sofern sich einer Tarifierungsverordnung ein verallgemeinerungsfähiger Rechtssatz entnehmen lässt, kann dieser außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Verordnung allenfalls zur Auslegung herangezogen werden. Im Streitfall führt die Auslegung im Lichte der VO Nr. 714/2012 nicht zu dem Ergebnis, dass die der Klägerin erteilte verbindliche Zolltarifauskunft unrichtig ist. Die Einreihung der streitgegenständlichen Kontaktmatten in die Position 8536 hält der Senat angesichts des Positionswortlauts, der zu dieser Position vorliegende Erläuterungen und der Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI für eindeutig. Die VO Nr. 714/12 weckt daran keinen Zweifel, sie äußert sich nicht ausdrücklich zur Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI und begründet insbesondere nicht, weshalb diese Anmerkung nicht zur Anwendung kommen soll.

II.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist im Hinblick auf die Einreihung von Kontaktmatten und die Analogiefähigkeit der VO Nr. 714/2012, die höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärt ist, wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 100


(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

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(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; §

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 90


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Ger

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Bundesfinanzhof Beschluss, 06. März 2013 - VII R 26/11

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führt seit 1992 ein als entfluoriertes Calciumphosphat bezeichnetes Produkt in die Europäische Union ein. Die Warenbeschreibung in der zuletzt erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) lautet:

2

"Die als entfluoriertes Calciumphosphat bezeichnete Ware wird aus Naturphosphat mit Apatitstruktur durch Glühen im Drehrohrofen bei Temperaturen oberhalb 1250°C unter Zusatz geringer Mengen Phosphorsäure und Soda hergestellt. Zusammensetzung (Angaben): min. 41,5 % P2O5, min. 42-44 % CaO, ca. 6,5-7,2 % Na2O, max. 0,2 % F. Der Glühverlust beträgt weniger als 1 %. Weitere vertrauliche Angaben liegen vor. Die Ware kann als mineralisches Einzelfuttermittel, Düngemittel und als Rohstoff (Phosphorträger) in der chemischen Industrie verwendet werden. Sie wird in feinkörniger und in mehliger Form mit grauer bis brauner Farbe gehandelt. Danach handelt es sich um ein natürliches Phosphat, geröstet, gebrannt oder weitergehend thermisch behandelt, als zum Entfernen von Verunreinigungen erforderlich. Derartige Erzeugnisse gehören als andere mineralische oder chemische Phosphatdüngemittel zur Pos. 3103, auch wenn sie nicht als Düngemittel verwendet werden. Handelsbezeichnung (...) Entfluoriertes Calciumphosphat; Hauptbestandteil Ca5Na2(PO4)4 Phase A".

3

Seit dem Jahr 2000 waren der Klägerin drei vZTA erteilt worden, mit denen diese Ware in die Pos. 3103 der Kombinierten Nomenklatur (KN) eingereiht worden war.

4

Unter dem 24. Oktober 2000 erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 2354/2000 (VO Nr. 2354/2000) zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 272/10). Danach ist in die Unterpos. 2309 90 97 KN einzureihen eine "Tierfutterzubereitung, hergestellt durch eine bei hoher Temperatur erfolgte chemische Reaktion eines Apatit-, Phosphorsäure- und Natriumcarbonat- oder Natriumhydroxid-Gemisches. Das Erzeugnis ist entfluoriert und besteht hauptsächlich aus einer Mischung von Calcium- und Calcium-Natrium-Phosphaten."

5

Am 16. November 2007 erteilte die Oberfinanzdirektion (OFD) A der Klägerin eine vZTA, mit der sie die Ware in die Unterpos. 3103 90 00 KN einreihte.

6

Im Februar 2009 wies das Bundesfinanzministerium auf die VO Nr. 2354/2000 hin und forderte die Zollbehörden auf, die vZTA, die Erzeugnisse beträfen, die mit denen der VO Nr. 2354/2000 vergleichbar seien, zu überprüfen. Daraufhin widerrief der inzwischen zuständige Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) mit Bescheid vom 28. Mai 2009 die vZTA vom 16. November 2007 gemäß Art. 9 Abs. 1 des Zollkodex (ZK) mit der Begründung, die Einreihungsauffassung habe sich geändert und wies darauf hin, dass ggf. eine neue vZTA beantragt werden könne.

7

Einspruch und Klage gegen den Widerruf stützte die Klägerin darauf, dass die streitgegenständliche nicht mit der in der VO Nr. 2354/2000 beschriebenen Ware identisch sei. Insbesondere handele es sich nicht um eine Mischung nach chemischen Grundsätzen, vielmehr liege eine nichtstöchiometrische Verbindung vor, die nicht wieder durch physikalische Methoden in ihre einzelnen Komponenten zerlegt werden könne. Als mineralisches Düngemittel, das auch als Einzelfuttermittel oder als Rohstoff in der chemischen Industrie verwendet werden könne, falle das Erzeugnis unter die Pos. 3103 KN.

8

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Der Widerruf der unter dem 16. November 2007 erteilten vZTA sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen für den Erlass der vZTA seien von Anfang an nicht erfüllt gewesen, weil die OFD A als erteilende Zollbehörde die VO Nr. 2354/2000 nicht beachtet habe und sich die Tarifierung vor dem Hintergrund dieser Verordnung als unzutreffend darstelle. Die streitgegenständliche Ware entspreche der in der Verordnung beschriebenen Tierfutterzubereitung. Das Endprodukt, entfluoriertes Calciumphosphat, Hauptbestandteil Ca5Na2(PO4)4 Phase A, sei bei hoher Temperatur durch eine chemische Reaktion i.S. der VO Nr. 2354/2000 aus drei verschiedenen chemischen Substanzen entstanden. Die verwendeten Begriffe (Mischung, Gemisch) seien nur im untechnischen Sinne als Zusammenfügung von Bestandteilen zu verstehen, die sodann chemisch miteinander reagieren.

9

Die Klägerin hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor: Das FG habe die Klage gegen den Widerruf der vZTA zu Unrecht abgewiesen. In der vZTA vom 16. November 2007 sei die Ware zutreffend in die Pos. 3103 KN eingereiht worden. Die streitige Ware entspreche der Beschreibung in der Anm. 3 Buchst. a Nr. 2 zu Kap. 31 KN, wonach zur Pos. 3103 KN natürliche Phosphate der Pos. 2510 KN gehörten, die geröstet, gebrannt oder weitergehend thermisch behandelt seien, als zum Entfernen von Verunreinigungen erforderlich. Anders als das in VO Nr. 2354/2000 beschriebene Produkt werde das vorliegende Erzeugnis nicht durch eine chemische Reaktion von Apatit mit Natriumverbindungen und Phosphorsäure, sondern in einem Glühvorgang durch Einlagerung in einer Vorstufe gebildeter Natriumphosphate in die Apatitstruktur hergestellt. Auch entstehe es nicht durch eine Reaktion eines Apatit-, Phosphorsäure- und Natriumcarbonat- oder Natriumhydroxid-Gemisches und es handele sich bei der Ware nicht um eine Mischung von Calcium- und Calcium-Natrium-Phosphaten. Es handele sich vielmehr um ein gesintertes homogenes Produkt, eine nichtstöchiometrische Verbindung. Schließlich sei das Endprodukt trotz der Zuführung geringer Mengen von Natriumphosphat ein "natürliches" Phosphat. "Natürlich" i.S. der Pos. 3103 KN sei nicht als "naturbelassen" zu verstehen. Auch die niederländische Tarifkommission (Rechtssache Nr. 0266/95 TC vom 24. August 1999) habe die nämliche Ware in die Unterpos. 3103 90 00 KN und nicht gemäß der seinerzeit geltenden VO (EG) Nr. 1533/92 in die Pos. 2309 KN eingereiht.

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Das HZA verweist zur Begründung zunächst darauf, dass nach Anm. 3 Buchst. a Nr. 2 zu Kap. 31 KN nur natürliche Phosphate ohne Zusätze gehörten, so dass das zu tarifierende entfluorierte Calciumphosphat, das aus Naturphosphat mit Apatitstruktur unter Zusatz von Phosphorsäure und Soda hergestellt werde, nicht darunter fallen könne. Die EinreihungsVO Nr. 2354/2000 hält es für einschlägig, zumal die Ware nicht nur als Düngemittel, sondern auch als Futtermittel verwendbar sei. Im Übrigen hält es dem Revisionsvorbringen sinngemäß entgegen, die VO Nr. 2354/2000 enthalte keine ausführliche Beschreibung der Reaktionsführung, der Herstellungsvorgang werde nicht in seine einzelnen Schritte aufgeteilt, sondern ganzheitlich als eine Reaktion angesehen. Den Begriff "Mischung" verwende die VO Nr. 2354/2000 nicht ausschließlich im Sinne einer mechanischen Mischung, vielmehr erfasse er auch nichtstöchiometrische Verbindungen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

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Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Widerruf der vZTA rechtmäßig war, weil die als entfluoriertes Calciumphosphat bezeichnete Ware nicht, wie in der vZTA festgelegt, in die Unterpos. 3103 90 00 der hier maßgeblichen VO (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1549/2006 der Kommission vom 17. Oktober 2006 (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 301/1) einzureihen war.

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1. Das HZA und das FG haben die Rechtsgrundlage für den Widerruf der vZTA zutreffend in Art. 9 Abs. 1 ZK gesehen.

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Hiernach wird eine begünstigende Entscheidung widerrufen, wenn in anderen als in den in Art. 8 ZK bezeichneten Fällen eine oder mehrere Voraussetzungen für ihren Erlass nicht erfüllt waren oder nicht mehr erfüllt sind. Die vZTA, ein Unterfall der verbindlichen Auskunft i.S. des Art. 12 ZK, erfüllt die Begriffsmerkmale einer Entscheidung i.S. des Art. 4 Nr. 5 ZK. Ihre begünstigende Wirkung für den Berechtigten ergibt sich aus der Bindung der Zollbehörden aller Mitgliedstaaten der Gemeinschaft hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung (Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 1 ZK). Erweist sich eine vZTA nach ihrer Erteilung als fehlerhaft, ohne dass eine Rücknahme nach Art. 8 ZK in Betracht kommt, ist die erteilende Zollbehörde verpflichtet, sie zu widerrufen, auch wenn der Antragsteller für die Unrichtigkeit der Tarifierung keine Ursache gesetzt hat (vgl. den Senatsbeschluss vom 11. März 2004 VII R 20/01, BFH/NV 2004, 1305).

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2. Das FG hat weiter zutreffend entschieden, dass die der Klägerin erteilte vZTA von Anfang an so nicht hätte ergehen dürfen, weil das streitgegenständliche Erzeugnis nicht in die Unterpos. 3103 90 00 KN eingereiht werden kann.

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Unbeschadet der EinreihungsVO Nr. 2354/2000 wird die zu tarifierende Ware von der Pos. 3103 KN nicht erfasst, weil sie nicht den Anforderungen der Anm. 3 Buchst. a zu Kap. 31 KN entspricht.

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Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- (vgl. Urteil vom 7. Februar 2002 C-276/00, Slg. 2002, I-1389, Rz 21) und des erkennenden Senats (z.B. Senatsurteil vom 28. März 2006 VII R 50/04, BFHE 213, 169, m.w.N., Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2006, 293) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der KN festgelegt sind. Daneben stellen die vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens für das Harmonisierte System bzw. die von der Europäischen Kommission für die KN ausgearbeiteten Erläuterungen ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen dar.

18

Nach Anm. 3 Buchst. a Nr. 2 zu Kap. 31 KN gehören zu Pos. 3103 KN ausdrücklich nur natürliche Phosphate der Pos. 2510, die weitergehend thermisch behandelt wurden, als zum Entfernen von Verunreinigungen erforderlich. Die Pos. 2510 KN erfasst "Natürliche Calciumphosphate, natürliche Aluminiumcalciumphosphate und Phosphatkreiden" und die dazu ergangenen Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zu Pos. 2510 KN präzisieren unter Rz 01.0 "Zu dieser Position gehören nur Apatit und andere natürliche Calciumphosphate ...". Nach der ErlHS zu Pos. 3103 KN Rz 08.0 erfasst diese Position nicht andere als die vorstehend aufgeführten Phosphaterzeugnisse (chemische oder andere).

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Bei der Ware, die von der Klägerin zur Tarifierung gestellt wurde, handelt es sich weder um Apatit noch um ein anderes natürliches Calciumphosphat, das (lediglich) thermisch behandelt wurde. Laut Warenbeschreibung wird sie "aus Naturphosphat mit Apatitstruktur ... unter Zusatz geringer Mengen Phosphorsäure und Soda hergestellt". In der Revisionsbegründung erläutert die Klägerin, das Natriumphosphat werde in die Kristallstruktur des Apatit eingelagert, bei einer Glühtemperatur verbänden sich die Komponenten durch eine Festkörperreaktion. Und nach den Feststellungen des FG, die --weil mit der Revision nicht angegriffen-- für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, handelt es sich bei den in der Strukturformel des Hauptbestandteils der Ware CA5Na2(PO4)4 genannten Stoffen Phosphorpentoxid und Natriumoxid um Anteile am Endprodukt und nicht lediglich um bei der Herstellung eingesetzte Substanzen. Ob die Herstellung des Endprodukts auf eine chemische Reaktion oder eine thermische Behandlung zurückzuführen ist, ist demgegenüber nicht entscheidend. Denn der von der Klägerin eingehend beschriebene Prozess des (thermischen) Aufschlusses der Apatitstruktur ist untrennbar verbunden mit der Einlagerung von Natriumphosphat in diese Struktur und damit dem Entstehen der gewünschten, zur Verwendung als Futtermittel geeigneten nichtstöchiometrischen Verbindung. Das heißt, eine thermische Behandlung des Naturphosphats allein hat nicht zur Herstellung des zu tarifierenden Produkts geführt, sondern erst die Zuführung von Phosphorpentoxid und Natriumoxid hat die Veränderung der Kristallstruktur des Naturphosphats und damit die Entstehung des Endprodukts bewirkt. Daran scheitert die Einreihung der Ware in die Pos. 3103 KN. Denn es handelt sich um ein anderes als von der Beschreibung in Anm. 3 Buchst. a Nr. 2 zu Kap. 31 KN und in ErlHS zu Pos. 3103 Rz 05.0 erfasstes Phosphaterzeugnis und wird damit nach der ErlHS zu Pos. 3103 Rz 08.0 von der Pos. 3103 KN nicht erfasst. Die Auffassung der Klägerin, die in der Anm. 3 Buchst. a Nr. 2 zu Kap. 31 KN beschriebene "weitergehende thermische Behandlung", welche zur Einreihung der natürlichen Phosphate in die Pos. 3103 KN führt, erfasse auch den Aufschluss der Apatitstruktur unter Einlagerung des Natriumphosphats, findet weder in der genannten Anmerkung noch in den ErlHS zu Pos. 3103 KN eine Stütze.

20

3. Da die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der vZTA nicht davon abhängt, in welche Position der KN die Ware zutreffend einzureihen ist, lässt der Senat offen, ob das zu tarifierende entfluorierte Calciumphosphat von der VO Nr. 2354/2000 erfasst wird und damit in die dort genannte Unterpos. 2309 90 97 KN, bzw. in die im Jahr 2007 geltende Unterpos. 2309 90 99 KN einzureihen ist.

21

Damit erübrigt sich auch eine Vorlage an den EuGH zur Prüfung der Vereinbarkeit der VO Nr. 2354/2000 mit den einschlägigen Positionen der KN.

22

4. Die von der Klägerin vorgelegte Entscheidung der niederländischen Tarifkommission in der Rechtssache Nr. 0266/95 TC vom 24. August 1999 ist für den Streitfall unergiebig. Denn sie enthält keine Aussage darüber, ob die zu beurteilende Ware entsprechend der Vorgaben der Pos. 3103 KN und der Anm. 3 zu Kap. 31 KN in die Unterpos. 3103 90 00 KN einzureihen ist. Wie sich aus Tz 6.1.2. der Entscheidung ergibt, erfolgte die Einreihung in diese Unterposition in jenem Streitfall, weil sich die dortige Klägerin auf eine dänische vZTA berufen konnte, in der die nämliche Ware in diese Tarifposition eingereiht worden war.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.