Finanzgericht Hamburg Urteil, 04. Sept. 2015 - 4 K 122/14

bei uns veröffentlicht am04.09.2015

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf von zwei verbindlichen Zolltarifauskünften (vZTAe).

2

Die Klägerin importiert Einmaldecken für den Einsatz im Rettungsdienst und in Krankenhäusern. Sie beantragte unter dem 27.08.2012 für vier unterschiedliche Einmaldecken VZTAe und regte die Einreihung in die TARIC-Code-Nr. 4818 9090 00 an. Die Decken, die einzeln in einem Kunststoffbeutel für den Einzelverkauf aufgemacht sind, bestehen aus Außenlagen aus synthetischem Vliesstoff und mehreren Innenlagen aus Papier. Mit vier vZTAen vom 01.10.2012 wurden alle Einmaldecken antragsgemäß eingereiht. Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Auskünfte:

vZTA   

Anzahl der Innenlagen, Gesamtgewicht

DE XXX-1

6 Innenlagen, 500 g

DE XXX-2

4 Innenlagen, 340 g

DE XXX-3

2 Innenlagen, 250 g

DE XXX-4

2 Innenlagen, 190 g

3

Die Einmaldecken seien in Anwendung der Allgemeinen Vorschrift (AV) 3 b) antragsgemäß einzureihen, da es sich um eine aus verschiedenen Stoffen zusammengesetzte Ware handele, deren wesentlicher Charakter nach dem Umfang (Dicke) sowie im Hinblick auf die Bedeutung für die Verwendung durch die Papierlagen bestimmt werde.

4

Die Decken, für die die später widerrufenen vZTAe DE XXX-3 und DE XXX-4 erteilt wurden, haben die folgenden Produkteigenschaften: Sie sind ca. 107-109 cm breit und ca. 189-190 cm lang und bestehen aus mehreren Lagen, die an den Rändern zusammengenäht sind. Die beiden äußeren Lagen bestehen aus fast transparentem synthetischem Vliesstoff, die beiden inneren Lagen aus gekrepptem Papier aus Zellstoff. Die Einmaldecken unterscheiden sich hinsichtlich der Dicke und dem Gewicht der Lagen: Die Außenlagen der 250 g-Einmaldecke sind jeweils 0,25 mm dick und haben ein Gewicht von 24,8 Gramm pro Quadratmeter (g/m2). Die inneren Lagen sind jeweils 0,15 mm dick und haben ein Gewicht von ca. 28,5 g/m2. Die Außenlagen der 190 g-Einmaldecke sind jeweils 0,2 mm dick und haben ein Gewicht von 28,1 g/m2. Die inneren Lagen sind jeweils 0,1 mm dick und haben ein Gewicht von 21,1 g/m2.

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Mit E-Mail vom 04.12.2012 bat das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung (BWZ) A den Beklagten, die vZTAe für die Einmaldecken mit 190 g und 250 g zu widerrufen. Ursprünglich seien als Kriterien zur Ermittlung des charakterverleihenden Stoffes Anzahl, Dicke, Gewicht und Bedeutung der Lagen im Hinblick auf den Verwendungszweck der Waren herangezogen worden. Die Anzahl der Lagen sei nicht ausschlaggebend gewesen, weil die Ware aus je zwei Lagen Zellstoff und synthetischem Vliesstoff bestehe. Da die Papierlagen dicker und schwerer seien als die Außenlagen aus Vliesstoff und im Hinblick auf den Verwendungszweck der Ware - dem Warmhalten von Patienten - als charakterbestimmend angesehen worden seien, sei die Ware in die Pos. 4818 KN eingereiht worden.

6

Das BWZ B, dem eine 250 g-Einmaldecke der Klägerin im Rahmen eines Einspruchsverfahrens vorgelegen habe, habe diese Decke jedoch in die Position 6301 KN eingereiht. Anders als das BWZ A habe es den Verwendungszweck auch darin gesehen, dass ein "kuscheliges Gefühl auf der Haut" vermittelt werden solle. Hinsichtlich der Verwendung bestimme nach Ansicht des BWZ B kein Stoff den Charakter, da die Wärmefunktion von den Papierlagen, das angenehme Hautgefühl jedoch von den Außenlagen ausgehe. Das äußere Erscheinungsbild der Decken werde ebenfalls von den Außenlagen geprägt.

7

Mit Bescheid vom 07.12.2012 widerrief der Beklagte die vZTAe für die 190g-Decke (vZTA DE XXX-4) und die 250g-Decke (vZTA DE XXX-3) unter Berufung auf Art. 9 Abs. 1 ZK. Es handele sich bei den Einmaldecken um zusammengesetzte Erzeugnisse, deren Einreihung nach dem Stoff erfolge, der dem Ganzen den wesentlichen Charakter verleihe. Hierbei sei neben Gewicht, Anzahl, Dicke und Bedeutung der einzelnen Lagen für die Verwendung auch das äußere Erscheinungsbild heranzuziehen. Unter Einbeziehung des zuletzt genannten Kriteriums komme er - der Beklagte - nunmehr zu dem Schluss, dass die Außenlagen charakterbestimmend seien. Im Gegensatz zu den sechs- bzw. achtlagigen Decken, für die ebenfalls vZTAe erteilt worden seien, die nicht widerrufen würden, hätten die streitgegenständlichen Decken die gleiche Anzahl von Außen- und Innenlagen. Beide Lagen hätten die gleiche Bedeutung: Die Papierlagen dienten zum Warmhalten der Patienten, durch die Spinnstofflagen solle sich der Patient wohl fühlen. Das äußere Erscheinungsbild der Decken werde von den Außenlagen aus Spinnstoff geprägt.

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Gegen den Widerrufsbescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 19.12.2012 Einspruch ein, den sie wie folgt begründete: Die Einmaldecken würden vom Wortlaut der Unterposition 4818 9090 KN erfasst, weil es sich um andere Waren als "Waren für chirurgische, medizinische oder hygienische Zwecke, nicht in Aufmachung für den Einzelverkauf" handele. Sie würden maßgeblich durch die innenliegenden Zellstoffschichten gekennzeichnet. Die Decken würden auch von der TARIC-Unterposition 6301 4090 10 erfasst, da die Außenhülle aus synthetischen Vliesstoffen bestehe.

9

Nach den Erläuterungen zur Position 4818 des Harmonisierten Systems (HS) gehörten in diese Position auch Waren insbesondere zum Gebrauch im Krankenhaus oder zu hygienischen Zwecken aus Vliesen oder Zellstofffasern. Hierunter fielen auch die Einmaldecken. Sie seien für eine einmalige Verwendung konzipiert und nicht wie die Decken der Position 6301 KN für eine Daueranwendung.

10

Ausweislich der Erläuterung zu Kapitel 63 HS seien die Positionen 6301 bis 6307 HS Auffangpositionen. Aus der Erläuterung Nr. 01.0 zur Position 6301 HS würden Decken im Prinzip aus ziemlich dicken Geweben hergestellt, um einen guten Kälteschutz zu gewährleisten. Dies sei bei den Einmaldecken gerade nicht der Fall. Sie seien auch nicht aus den Stoffen, die in den Erläuterungen zur Position 6301 HS genannt seien. Vor diesem Hintergrund sei es nicht nachvollziehbar, dass gerade die dünnste Decke, bei der der Kälteschutz eine untergeordnete Rolle spiele, in die Position 6301 KN eingereiht werde, während die dickeren Decken in der Position 4818 KN verblieben.

11

Auch die AV 3 b) stütze ihre Einreihungsauffassung. Der wesentliche Charakter der Decken sei das Aufsaugen von Blut und anderen Körperflüssigkeiten sowie der Sichtschutz. Dies werde ausschließlich durch den Zellstoff und gerade nicht durch die transparente Außenhülle erreicht. Dies gelte unabhängig von der Anzahl der Zellstofflagen.

12

Die Voraussetzungen von Art. 9 Abs. 1 ZK seien nicht erfüllt. Das erstmals im Widerrufsbescheid als maßgeblich angesehene äußere Erscheinungsbild sei keine Voraussetzung für den Erlass der vZTAe gewesen. Weder habe sich die Gesetzeslage geändert noch sei gegen die maßgeblichen Erkenntnismittel verstoßen worden.

13

Mit zwei Schreiben vom 11.07.2013 bzw. 15.07.2013 gab das BWZ B, an das das BWZ A die Ware zur Begutachtung abgegeben hatte, eine Stellungnahme zur Einreihung der Einmaldecken ab: Da die Voraussetzungen der Einreihung in die Position 9404 KN nicht erfüllt und auch keine andere zweckbezogene Position in Betracht komme, sei die Ware nach ihrer stofflichen Beschaffenheit einzureihen. Da die Ware aus Spinnstoff und aus Zellstoff bestehe und die Gesamtware von keinem der für die einzelnen Stoffen in Frage kommenden Positionswortlauten erfasst werde, müsse die Einreihung nach der AV 3 b) nach dem charakterverleihenden Stoff erfolgen, sofern dieser ermittelt werden könne. Nach der Erläuterung Nr. 19.1 zur AV 3 HS könne sich das charakterbestimmende Merkmal aus der Art und Beschaffenheit des Stoffes aus dem Umfang, seiner Menge, seinem Gewicht, seinem Wert oder aus der Bedeutung des Stoffes in Bezug auf die Verwendung der Ware ergeben.

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Da die 250 g-Decke, die Grundlage für die Erteilung der VZTAe gewesen sei, nur zwei und nicht - wie die Klägerin ursprünglich behauptet habe - vier Innenlagen habe, sei keine der Lagen hinsichtlich ihrer Anzahl charakterbestimmend. Bezüglich des Flächengewichts sei der Zellstoff charakterbestimmend. Die Außenlagen seien dicker als die Innenlagen und für das äußere Erscheinungsbild der Ware charakterbestimmend. Zum Wärmen der Patienten trügen alle Lagen bei. Der Vliesstoff habe außerdem nicht wundverklebende Eigenschaften. Der Zellstoff sei zwar saugfähig, allerdings sorgten die Außenlagen dafür, dass die Einmaldecke reißfest und auch im nassen Zustand haltbar bleibe. Insofern sei der Vliesstoff im Hinblick auf die Verwendung zum Aufsaugen von Körperflüssigkeiten genauso wichtig wie der Zellstoff. Hinsichtlich der Sichtschutzfunktion seien die Innenlagen charakterbestimmend. Zusammenfassend seien Innen- und Außenlagen hinsichtlich der Anzahl der Lagen und der Verwendung gleichermaßen charakterbestimmend; hinsichtlich des Gewichts herrschten die Innenlagen vor. Jedoch seien die Außenlagen dicker und für das äußere Erscheinungsbild charakterbestimmend.

15

Durch das Zusammennähen der Lagen sei die Einmaldecke gemäß Anmerkung 7 f) zu Abschnitt XI konfektioniert und gehöre daher nach Anmerkung 8 a) zu Abschnitt XI nicht in die Kapitel 50-60 KN. Da es sich bei der Ware weder um Kleidung noch um Bekleidungszubehör handele, sei sie in Kapitel 63 KN einzureihen. Die Einmaldecken erfüllten die Voraussetzungen der Position 6301 KN. Dass sie zum einmaligen Gebrauch gedacht seien, ändere hieran nichts.

16

Mit Schreiben vom 17.10.2013 erwiderte die Klägerin auf die Stellungnahmen des BWZ B: Die AV 3 b) sei nicht anwendbar. Aus der Erläuterung Nr. 02.0 zur AV 3 ergebe sich, dass sie nur angewendet werde, wenn sie dem Wortlaut der Positionen und der Anmerkung zu den Abschnitten nicht widerspreche. Sie habe bereits dargelegt, dass die Einreihung wegen der Anmerkungen und Erläuterungen zur Position 4818 KN nur in diese Position erfolgen könne. Ein Rückgriff auf die AV 3 b) scheide daher aus. Der Beklagte habe sich insbesondere nicht mit der Erläuterung Nr. 01.0 zur Position 6301 KN auseinandergesetzt. Hieraus ergebe sich, dass die Decken der Position 6301 KN für eine Daueranwendung konzipiert seien. Unzutreffend sei, dass der Spinnstoff charakterbestimmend sein solle. Das äußere Erscheinungsbild werde schon deshalb nicht von der Außenlage geprägt, weil diese durchsichtig sei. Hinsichtlich der Wärmefunktion sei festzuhalten, dass Zellstoff eine wesentlich geringere Wärmeleitfähigkeit habe als die Außenlagen.

17

Die Klägerin verweist auf die Stellungnahme eines Notarztes des Klinikum C vom 15.10.2013, in dem die Verwendung der Einmaldecken erläutert wird: Sie würden an der Unfallstelle und beim Transport im Rettungswagen bis ins Krankenhaus verwendet. Bei der Anwendung beim Transport direkt am Patienten diene die Decke als Schutz vor Wärmeverlust und Witterungseinflüssen sowie der Wahrung der Intimsphäre. Sie könne Patienten auch vor UV-Strahlen schützen. Die Papierdecke eigne sich hervorragend zum Aufsaugen von Körperflüssigkeiten oder zum Auffangen von Motoröl. Sie könne auch als Trageschutzauflage unter dem Patienten und beim Transport im Tragestuhl verwendet werden. Der steife Charakter der Decken helfe außerdem bei der Stabilisierung von Extremitäten, z. B. könne sie bei Brüchen passend geformt untergelegt werden. Allgemein könne diese Art der Anwendung vor Dekubitus (Druckgeschwüren) schützen. In der Pädiatrie würden die Decken auch zu einem stabilen schlauchförmigen Gebilde geformt, welches das Zurückrollen des Kindes in der Seitenlage verhindere. Da die Decke nicht steril sei, müssten Wundkontakte vermieden werden. Unbehandelte Vliesstoffe, wie die Außenhülle der Einmaldecke, seien immer wundverklebend, solange sie nicht entsprechend behandelt worden seien. Die Isolationswirkung werde durch Erzeugen eines Luftpolsters zwischen Körper und Umgebungsluft erzielt. Dies könne am besten durch möglichst luftundurchlässige Stoffe mit niedriger Wärmeleitfähigkeit erreicht werden. Dies werde durch die Füllung aus Zellstoff in der Papiereinmaldecke gewährleistet. Hinsichtlich der Reißfähigkeit sei zu bemerken, dass, sobald die Decke zum Aufsaugen von Flüssigkeiten verwendet würde, sie nicht mehr auf den Patienten angewandt werden dürfe. Sie müsse dann durch eine neue Decke ersetzt werden. Damit spiele die Reißfestigkeit einer vollgesaugten Decke keine Rolle.

18

Mit Schreiben vom 27.01.2014 nahm das BWZ B ergänzend Stellung: Die von der Klägerin zitierten Erläuterungen zur Position 4818 enthielten keine über den Wortlaut dieser Position hinausgehende Informationen. Da die streitgegenständliche Ware aus Papier und aus Spinnstoff bestehe, führe die Anwendung der AV 1 und 6 zu keinem Ergebnis, so dass die AV 3 b) heranzuziehen sei. Dass die äußere Lage halbtransparent sei, sei unerheblich. Das äußere Erscheinungsbild einer Ware werde durch den Stoff bestimmt, den man beim "bloßen Draufschauen" wahrnehme; dies sei in der Regel der Stoff, der die äußeren Lagen bilde. Allein die Tatsache, dass die Außenlagen durchscheinend seien, bedeute nicht, dass diese selbst nicht wahrnehmbar seien. Der Vliesstoff sei als weiße Lage wahrnehmbar. Diese Wahrnehmbarkeit werde durch die Struktur des Vliesstoffes verstärkt. Der die Innenlagen bildende Zellstoff sei jedoch nur insoweit wahrnehmbar, als er die "weiße Lage farblich verdichte".

19

Hinsichtlich des Wärmeerhalts ergebe sich aus der Fachliteratur, dass neben der Leitfähigkeit der Faser das Ausmaß der Hohlraumbildung im Stoff, also die im Stoff eingeschlossene Luftmenge, entscheidend für die Isolationswirkung sei. Für die Einmaldecken bedeute dies, dass der gesamte Warenaufbau entscheidend sei. Durch das Zusammennähen der Innenlagen mit den Außenlagen entstehe die Einmaldecke, zwischen deren Lagen Luft eingeschlossen werde. Somit seien alle vier Lagen für den Wärmeerhalt gleichermaßen charakterbestimmend.

20

Damit die Ware überhaupt als Decke verwendet werden könne, müsse sie eine gewisse Reißfestigkeit aufweisen, die erst durch den Vliesstoff erreicht werde. Beim Aufsaugen von Flüssigkeiten sei die Reißfestigkeit erforderlich, da die Decke sonst auseinanderfallen würde. Der Vliesstoff sorge zusätzlich dafür, dass die Flüssigkeit schnell zur Saugschicht transportiert werde und unterbinde eine Rücknässung. Daher seien beide Lagen gleichermaßen für die Saugfähigkeit von Bedeutung. Der vom Klinikum C erwähnte UV-Schutz sei von untergeordneter Bedeutung, da dies nur an der Unfallstelle nötig sei. Im Hinblick auf den steifen Charakter der Einmaldecke werde auf die Ausführungen verwiesen, nach denen die Decke nur deshalb als solche verwendet werden könne, weil sie mit zwei Vlieslagen vernäht sei.

21

Mit Einspruchsentscheidung vom 20.05.2014, zugestellt am 24.05.2014, wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er auf die Argumentation des BWZ B. Zusammenfassend sei festzustellen, dass
* hinsichtlich der Anzahl der Lagen keine der Lagen charakterbestimmend sei;
* beim Flächengewicht bei der 250 g-Decke die Zellstofflage und bei der 190 g-Decke der Vliesstoff charakterbestimmend sei;
* hinsichtlich der Dicke der Lagen
* und dem äußeren Erscheinungsbild die Außenlagen charakterbestimmend seien.

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Mit der am 24.06.2014 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung führt sie ergänzend aus: Die AV 3 b) könne erst Anwendung finden, wenn auch eine Einreihung mithilfe der Anmerkungen zum HS und den Erläuterungen zur KN nicht möglich sei. Doch selbst wenn man die AV 3 b) anwende, müssten die Einmaldecken in die Position 4818 KN eingereiht werden. Der wesentliche Charakter der Decken werde ausschließlich durch die Zellstofflagen und nicht die transparente Außenhülle erreicht. Es komme somit nicht auf die Anzahl der Innenlagen an. Anders als der Beklagte - ohne nähere Begründung - behaupte, werde das äußere Erscheinungsbild nicht durch den durchsichtigen Spinnstoff, sondern durch den optisch wahrnehmbaren Zellstoff geprägt. Zum Wärmeerhalt trügen die Zellstoffschichten wegen ihrer geringeren Wärmeleitfähigkeit mehr bei als die luftdurchlässigen Vlieslagen.

23

Die Einmaldecken erfüllten nicht die Voraussetzungen einer konfektionierten Ware im Sinne der Anmerkung 7 f) zu Abschnitt XI, weil sie als Meterware hergestellt würden. Aus den aktuellsten Erläuterungen zu den Unterpositionen 4818 9010 und 4818 9090, nach denen ausdrücklich Krankenunterlagen in diese Unterpositionen eingereiht würden, ergebe sich, dass auch die Einmaldecken hierunter fielen, weil auch sie auch als Unterlage eingesetzt würden.

24

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 07.12.2012 (ZT XXX-1) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.05.2014 (ZT XXX-2) aufzuheben.

25

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

26

Er verweist auf seinen bisherigen Vortrag und trägt ergänzend vor: Die Erläuterungen zur Position 4818 KN gäben zwar eine Hilfestellung im Hinblick auf die Verwendung der dort genannten Waren. Ihnen lasse sich jedoch nicht entnehmen, dass die Waren dieser Position nicht ausschließlich aus Papier bestehen müssten.

27

Dass die Decken zum einmaligen Gebrauch bestimmt seien, stehe einer Einreihung in der Position 6301 KN nicht entgegen. Dies ergebe sich auch aus zwei britischen VZTAen, mit denen eine dreilagige Einmaldecke, die bei Operationen benutzt werde, in die Position 6301 KN eingereiht worden sei. Bei der Einreihung als Decke werde keine Mindestdicke gefordert, so dass es auch kein Widerspruch sei, dass ausgerechnet die dünsten Decken in die Position 6301 KN, die dickeren Decken dagegen in die Position 4818 KN eingereiht würden.

28

Bei der Entscheidung haben die Sachakten des Beklagten (1 Ordner zum Einspruchsverfahren sowie 2 Hefter zum Antragsverfahren) vorgelegen, auf die - neben dem Protokoll des Erörterungstermins - ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

29

Im Einverständnis der Beteiligten (Bl. 61 der Akte) ergeht die Entscheidung im schriftlichen Verfahren (§ 90 Abs. 2 FGO) und durch den Berichterstatter anstelle des Senats (§ 79a Abs. 3, 4 FGO).

II.

30

Die zulässige Klage ist begründet. Der Widerrufsbescheid vom 07.12.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.05.2014, mit dem die VZTAe DE XXX-3 und DE XXX-4 widerrufen wurden, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

31

Als Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf der VZTAe kommt allein Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. EG L 302/1; Zollkodex - ZK) in Betracht. Danach wird eine begünstigende Entscheidung widerrufen oder geändert, wenn in anderen als den in Art. 8 ZK bezeichneten Fällen eine oder mehrere der Voraussetzungen für ihren Erlass nicht erfüllt waren oder nicht mehr erfüllt sind. Eine vZTAe ist eine derartige begünstigende Entscheidung (siehe Art. 12 Abs. 5 lit. a) iii) ZK). Es stellt - anders als die Klägerin meint - auch einen Widerrufsgrund dar, wenn die Zollverwaltung das geltende Zolltarifrecht falsch angewandt hat, d. h. bei einer richtigen Auslegung eine VZTA nicht hätte erteilt werden dürfen (EuGH, Urt. v. 22.01.2004, verb. Rs. C-133/02 und C-134/02, Rn. 25; FG Hamburg, Urt. v. 18.02.2014,4 K 69/13, juris, Rn. 19 m. w. N.; Lux, in: Dorsch, Zollrecht, der 32. EL, September 2011, Art. 12 ZK, Rn. 84). Ein solcher Widerrufsgrund liegt im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (Brandis, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 138. EL, Oktober 2014, § 100 FGO, Rn. 6) nicht vor. Die Voraussetzungen für den Erlass der widerrufenen VZTAe sind (noch immer) erfüllt.

32

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen sowie in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der Kombinierten Nomenklatur (KN) festgelegt sind (EuGH, Urt. v. 20.11.2014, Rs. C-666/13, Rn. 24; Urt. v. 17.07.2014, Rs. C-480/13, Rn. 29 m. w. N.; BFH, Beschl. v. 28.04.2014, VII R 48/13, Rn. 29; Urt. v. 04.11.2003, VII R 58/02, Rn. 9; Urt. v. 30.07.2003, VII R 40/01, Rn. 12 - jeweils zitiert nach juris). Darüber hinaus sind die Erläuterungen zum Harmonisierten System (HS) und zur KN ein maßgebendes, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen (st. Rspr., siehe nur: EuGH, Urt. v. 20.11.2014 Rs. C-666/13, Rn. 25; Urt. v. 17.07.2014, Rs. C-480/13, Rn. 30 m. w. N.; BFH, Urt. v. 04.11.2003, VII R 58/02, Rn. 9; Urt. v. 30.07.2003, VII R 40/01, Rn. 12 - jeweils zitiert nach juris).

33

Gemessen an diesen Maßstäben sind die Einmaldecken, auf die sich die widerrufenen vZTAe beziehen, in die TARIC-Code-Nr. 4818 9090 00 einzureihen. Die Einmaldecken unterfallen sowohl dem Wortlaut dieser Zolltarifposition (dazu 1.) als auch dem der Unterposition 6301 4090 KN (dazu 2.). Bei Anwendung der Allgemeinen Vorschrift (AV) 2 b) S. 2 i. V. m. der AV 3 sind sie - entsprechend den widerrufenen vZTAe - in die erstgenannte Position einzureihen (dazu 3.).

34

1. Die Einmaldecken sind vom Wortlaut der Position 4818 KN erfasst. Es handelt sich um Waren, die Betttüchern ähnlich sind und im Krankenhaus zu hygienischen Zwecken gebraucht werden. Sie bestehen zwar nicht vollständig aus Papier. Nach der AV 2 b) S. 1 gilt jedoch jede Anführung eines Stoffs in einer Position auch in Verbindung mit anderen Stoffen.

35

Die von der Klägerin zitierten Erläuterungen Nr. 54.1 und 55.0 zu Kapitel 48 HS sind unergiebig, da sie sich nicht zu der Frage verhalten, wie Waren, die aus unterschiedlichen Stoffen bestehen, eingereiht werden sollen. Die Erläuterung Nr. 01.5 zu Kapitel 4818 HS führt ebenfalls nicht weiter, da sie nur den Wortlaut der Position teilweise wiedergibt. Auch die Erläuterungen zu den Unterpositionen 4818 9010 und 4818 9090 KN (ABl. EU 2015 C 76/1), nach denen auch Krankenunterlagen in diese Unterpositionen gehören, sind nicht einschlägig, da es jedenfalls nicht der Hauptzweck der Einmaldecken ist, als Unterlage zu dienen.

36

Innerhalb der Position 4818 KN sind die Einmaldecken als andere Waren für chirurgische, medizinische oder hygienische Zwecke, in Aufmachung für den Einzelverkauf (Unterposition 4818 9090 KN bzw. TARIC-Code-Nr. 4818 9090 00) einzureihen.

37

2. Die Voraussetzungen der Unterposition 6301 4090 KN (andere Decken aus synthetischen Chemiefasern, außer Heizdecken) sind ebenfalls erfüllt. In der Position 6301 KN werden Decken eingereiht. Hierbei handelt es sich um ein Auffangkapitel für Spinnstofferzeugnisse aller Art, die nicht in anderen Kapiteln der Nomenklatur genauer erfasst sind (Erläuterung Nr. 02.0 zu Kapitel 63 HS). Nach der Erläuterung Nr. 01.0 zur Position 6301 HS sollen Decken in erster Linie einen Kälteschutz bieten. Dies ist bei den Einmaldecken der Fall, auch wenn es sich um Sommerdecken handelt, da es auch im Sommer kühl sein kann und gerade kranke oder verletzte Menschen vor Auskühlung geschützt werden müssen. Dass die Decken nicht nur aus Chemiefasern bestehen ist nach der oben (1.) erwähnten AV 2 b) S. 1 unbeachtlich. Aus dem Wortlaut ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Decken, die zum einmaligen Gebrauch bestimmt sind, von vornherein aus der Position 6301 KN ausgeschlossen sein sollten.

38

3. Nach der AV 2 b) S. 2 richtet sich die Einreihung von Waren, die - wie die Einmaldecken - aus mehr als einem Stoff bestehen, nach der AV 3. Da die AV 3 a) S. 1 nicht anwendbar ist (dazu 3.1), hat die Einreihung zunächst auf der Grundlage der AV 3 b) zu erfolgen. Bei Anwendung dieser Vorschrift sind die Decken in die Unterposition 4818 9090 KN einzureihen (dazu 3.2).

39

3.1 Die AV 3 a) S. 1, nach der die Position mit der genaueren Warenbezeichnung den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vorgeht, ist nicht anwendbar. Es kann damit offenbleiben, ob die Position "Decken" (6301 KN) spezieller ist als die Position "Waren, die Betttüchern ähnlich sind, zum Gebrauch im Krankenhaus zu hygienischen Zwecken" (4818 KN). Die Anwendung dieser Kollisionsregel ist nämlich durch die AV 3 a) S. 2 ausgeschlossen. Danach werden für den Fall, dass zwei Positionen, die sich jeweils nur auf einen Teil der in einer zusammengesetzten Ware enthaltenen Stoffe beziehen, im Hinblick auf die einzureihenden Waren als gleich genau betrachtet, selbst wenn eine von ihnen eine genauere Warenbezeichnung enthält. Die Einmaldecke ist eine zusammengesetzte Ware, die aus Papier- und Synthetiklagen besteht. Die Position 4818 KN erfasst die Papierlage und die Position 6301 KN die Synthetiklage.

40

3.2 Somit richtet sich die Einreihung nach der AV 3 b) S. 2. Danach sind Waren, die aus verschiedenen Stoffen bestehen, die nach der AV 3 a) nicht eingereiht werden können, nach dem Stoff einzureihen, der Ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff vermittelt werden kann. Für die Ermittlung des charakterbestimmenden Bestandteiles einer zusammengesetzten Ware ist Nr. 19 der Erläuterungen zur AV 3 b) HS heranzuziehen. Danach kann sich das entscheidende Merkmal z. B. aus der Art und Beschaffenheit des Stoffes oder der Bestandteile, aus dem Umfang, der Menge, dem Gewicht, dem Wert oder der Bedeutung in Bezug auf die Verwendung der Ware und auch aus ihrem Erscheinungsbild ergeben (EuGH, Urt. v. 20.06.1996 Rs. C-121/95, Rn. 21 - Vobis; BFH, Beschl. v. 28.02.2008, VII B 121/07, juris, Rn. 6.; BFH, Urt. v. 19.12.2006, VII R 8/06, juris, Rn. 23; Lux, in: Dorsch, Zollrecht, 95. EL, Mai 2004, A 4, VO KN, App. 1, Rn. 74). Welches dieser nicht abschließend aufzählbaren Merkmale im Einzelfall zu berücksichtigen ist, hängt von der Art der Ware ab (BFH, Beschl. v. 28.02.2008, VII B 121/07, juris, Rn. 6; Urt. v. 02.06.1992, VII K 2/91, juris, Rn. 8; Urt. v. 23.07.1998, VII R 36/97, juris, Rn. 16). Auf dieser Grundlage ist eine Gesamtwürdigung und Gewichtung der festgestellten objektiven Merkmale der zu vergleichenden Warenbestandteile vorzunehmen (BFH, Urt. v. 19.12.2006, VII R 8/06, juris, Rn. 23; Beschl. v. 23.09.2014, VII B 202/13, juris, Rn. 5). Hierbei kann es vorkommen, dass einzelne Produktmerkmale unberücksichtigt bleiben. So verweist beispielsweise der Generalanwalt Lenz in der Sache Vobis, in der es um Computergehäuse mit eingebauten Floppy-Laufwerk ging, darauf, dass Art und Beschaffenheit, Umfang, Menge und Gewicht der verschiedenen Bestandteile keine besondere Bedeutung erlangen könnten, weil sie bezüglich der Funktion des Geräts nicht von Bedeutung seien (EuGH, Rs. C-121/95, Schlussanträge vom 12.03.1996, Rn. 14; siehe auch BFH, Urt. v. 02.06.1992, VII K 2/91, juris, Rn. 10, nach dem Gewicht und Umfang eines "Stereo-Baustein-Sets" unbeachtlich seien).

41

Um festzustellen, welcher von den Stoffen, aus denen die Ware besteht, für sie charakterbestimmend ist, ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH zu prüfen, ob diese Ware auch ohne den einen oder den anderen ihrer Bestandteile ihre charakteristischen Eigenschaften behalten würde (EuGH, Urt. v. 15.11.2012, Rs. C-558/11, Rn. 37 - Kurcums Metal; Urt. v. 18.06.2009, Rs. C-173/08, Rn. 31 - Kloosterboer; Urt. v. 07.02.2002, Rs. C-276/00, Rn. 26 - Turbon International; Urt. v. 10.05.2001, Rs. C-288/99, Rn. 25 - VauDe Sport; Urt. v. 21.06.1988, Rs. 253/87 Rn. 8 - Sportex).

42

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die verschiedenen Verwendungszwecke der Einmaldecken zu bestimmen sind (dazu 3.2.1), um sodann im Hinblick auf diese Verwendungszwecke den insoweit charakterbestimmenden Stoff der Ware zu ermitteln (dazu 3.2.2). Sofern sich - wie hier - der charakterbestimmende Stoff je nach Verwendungszweck der Ware unterscheidet, ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung festzulegen, welcher Stoff im Hinblick auf die relative Bedeutung der einzelnen Verwendungszwecke insgesamt den Charakter der Ware bestimmt (dazu 3.2.3). Bei Anwendung dieser Grundsätze bestimmen insgesamt die Papierlagen den Charakter der Ware, so dass sie - wie in den widerrufenen vZTAen geschehen - in die TARIC-Code-Nr. 4818 9090 00 (siehe oben 1.) einzureihen sind. Im Einzelnen:

43

3.2.1 Auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts hat der Berichterstatter mit den Beteiligten im Erörterungstermin die folgenden Verwendungszwecke der Einmaldecken ermittelt:
* Wärmen des Patienten
* Aufsaugen von (Körper-)Flüssigkeiten / Verhinderung der Rücknässung
* Sicht-/UV-Schutz
* Stabilisierungsfunktion
* Reißfestigkeit
* Wundverträglichkeit
* Hautfreundlichkeit

44

Hinzu kommt das in Nr. 19 der Erläuterungen zur AV 3 b) HS genannte Kriterium des äußeren Erscheinungsbildes.

45

3.2.2 Für die einzelnen Verwendungszwecke gilt hinsichtlich des charakterbestimmenden Stoffes das Folgende:
Für das Wärmen von Patienten sind die Papierlagen charakterbestimmend. Die Einmaldecken würden nämlich auch dann, wenn sie nur aus Papierlagen bestünden, Patienten wärmen. Der Grund hierfür ist, dass das Papier - anders als der Vliesstoff - in einem nur geringen Maße luftdurchlässig ist. Hiervon konnte sich der Berichterstatter im Erörterungstermin überzeugen, als er versuchte, durch die Papierlagen und den Vliesstoff, die er sich abwechselnd vor den Mund hielt, zu atmen. Während die Atmung durch den Vliesstoff nahezu ungehindert möglich ist, fällt dies durch die Papierlagen sehr schwer. Für die Wärmefunktion der Einmaldecken bedeutet dies, dass auch die Papierlagen alleine dafür sorgen würden, dass die vom Körper eines Patienten abgegebene Wärme nicht ungehindert in die Umgebungsluft entweicht, sondern die Luft im Zwischenraum zwischen Körper und Papier erwärmt. Diesen Wärmeeffekt könnten Vlieslagen allein nicht erzielen, weil die Körperwärme ohne eine zusätzliche Barriere ungehindert durch die Fließlage hindurch entweichen könnte.

46

Die Papierlagen können zwar alleine nicht so gut wärmen wie im Zusammenspiel mit den Vlieslagen. Dass die Papierlagen alleine in der Lage wären, den Wärmeverlust des menschlichen Körpers in einem nicht unerheblichen Maße zu reduzieren, reicht jedoch für die Feststellung aus, dass diese Lagen den Charakter der Einmaldecken im Hinblick auf die Wärmefunktion bestimmen. Würde man nämlich verlangen, dass die Ware ohne den einen oder den anderen Bestandteil dieselben Eigenschaften aufwiese, wäre es kaum möglich, charakterbestimmende Merkmale festzustellen, weil jeder Warenbestandteil in der Regel einen Zweck erfüllt.

47

An diesem Zwischenergebnis ändert es nichts, dass - wie die Vertreterin des BWZ B im Erörterungstermin vorgetragen hat - ein synthetischer Vliesstoff anders als ein synthetischer Feststoff (siehe Bl. 58 der Akte) eine geringere Wärmeleitfähigkeit aufweist als Papier. Die Wärmeleitfähigkeit eines Stoffes entscheidet nämlich alleine nicht über seine Fähigkeit zu wärmen. Wie sich aus der vom Beklagten herangeführten Fachliteratur ergibt (Bl. 175 der Sachakte), ist es für die Fähigkeit eines Kleidungsstückes, den menschlichen Körper warm zu halten, vielmehr entscheidend, ob es in der Lage ist, Luft einzuschließen. Hierzu ist - wie dargelegt - Papier in der Lage, nicht jedoch der luftdurchlässige Vliesstoff. Letzterer verstärkt durch seine offenporige Struktur lediglich die Bildung eines Luftkissens zwischen Körper und Papierlage, kann das Luftkissen jedoch selbst nicht erzeugen.

48

Bei der Bewertung, welche der Lagen für die Wärmefunktion charakterbestimmend ist, sind Dicke und Gewicht des Materials für sich betrachtet unerheblich. Es greift daher zu kurz, wenn der Beklagte allein auf das Vorliegen dieser messbaren Unterschiede abstellt, zumal sie im vorliegenden Fall sehr gering ausfallen. Da die beiden Lagen unterschiedliche Funktionen erfüllen, um einen Patienten zu wärmen (Papierlage: Bildung eines Luftkissens; Vlieslage: Verstärkung des Luftkissens), sagt es über die charakterbestimmende Eigenschaft der Stoffe nichts aus, dass der Vliesstoff 0,1 mm dicker und (nur) bei der 190 g-Decke sieben g/m2 schwerer ist als eine Papierlage. Ohnehin hätte man - wenn man auf die Dicke und das Gewicht der Stoffe abstellen wollte - berücksichtigen müssen, dass bei Anwendung der Einmaldecken immer nur eine Seite des Vliesstoffes zwischen Körper und Papier liegt und daher auch nur diese eine Vliesstoffbahn ihre wärmende Wirkung entfaltet. Bei dieser Betrachtung sind die praktisch wirksamen Papierlagen deutlich dicker und schwerer als eine einzelne Vlieslage.

49

Für das Aufsaugen von (Körper-)Flüssigkeiten sind ebenfalls die Papierlagen charakterbestimmend. Saugfähig ist nämlich allein das Papier, nicht die synthetische Außenlage. Hiervon konnte sich der Berichterstatter im Erörterungstermin überzeugen. Ohne die Vlieslagen wären die Einmaldecken somit genauso saugfähig wie im kompletten Zustand. Um zu verhindern, dass aufgesaugte Flüssigkeit durch Druckeinwirkung, die vom Körper des Patienten ausgeht, rücknässt, sind die Einmaldecken außen mit einer Vlieslage versehen. Diesbezüglich sind die Außenlagen charakterbestimmend, wobei im Einzelnen unklar bleibt, in welchem Umfang eine Rücknässung verhindert wird.

50

Im Hinblick auf den Sicht- und UV-Schutz sind die Papierlagen charakterbestimmend. Sie sind nämlich - anders als die fast vollständig transparenten Vlieslagen - blickdicht und halten in einem gewissen Umfang UV-Strahlen ab.

51

Die in der unfallmedizinischen Stellungnahme geschilderte Stabilisierungsfunktion der Einmaldecken geht ausschließlich von den Papierlagen aus. Im Erörterungstermin konnten sich die Beteiligten davon überzeugen, dass nur die Papierlagen formstabil verformt werden können, während der Vliesstoff nach dem Zerknäulen rasch seine ursprüngliche Form annimmt.

52

Hinsichtlich der Reißfestigkeit sind die Vlieslagen charakterbestimmend, weil sie sehr viele reißfester sind als die Papierlagen, die im nassen Zustand einfach zwischen den Fingern zerrieben werden können.

53

Hinsichtlich der Wundverträglichkeit und der Hautfreundlichkeit sind die Vlieslagen charakterbestimmend. Hierbei kann dahinstehen, ob die Papierlagen stärker als die Vlieslagen dazu neigen, mit verwundeter Haut zu verkleben. Entscheidend insoweit dürfte sein, dass die Papierlagen - wie soeben dargelegt - im nassen Zustand sehr leicht reißen. Käme das Papier direkt mit einer Wunde in Kontakt, bestünde somit die Gefahr, dass Papierfetzen in der Wunde zurückbleiben. Dies ist bei den reißfesten Vlieslagen nicht der Fall. Hinsichtlich der Hautfreundlichkeit sind ebenfalls die Vlieslagen charakterbestimmend, weil sie aufgrund ihrer Luftdurchlässigkeit ein angenehmeres Hautgefühl vermitteln als die Papierlagen.

54

Im Hinblick auf das äußere Erscheinungsbild vermag der Berichterstatter die Ansicht des Beklagten nicht zu teilen, dass die fast vollständig transparenten Vlieslagen charakterbestimmend seien. Bei Anwendung des vom EuGH vorgegebenen Maßstabs sind vielmehr die weißen Papierlagen charakterbestimmend. Der Ausgangspunkt dieser Bewertung ist die Beobachtung, dass man bei der Draufsicht auf die Ware mit bloßem Auge eine weiße Decke sieht. Die Einschätzung des Beklagten, dass man in erster Linie eine Vlieslage erkenne, teilt der Berichterstatter nicht. Dies kann schon deshalb nicht richtig sein, weil die Vlieslagen fast vollständig transparent sind. Der Eindruck einer weißen Decke entsteht damit durch die weißen Papierlagen, die durch die Vlieslagen fast vollständig sichtbar sind. Die prägende Wirkung der (Farbe der) Papierlagen für das äußere Erscheinungsbild der Einmaldecken wird besonders augenfällig, wenn man ihre Lagen jeweils für sich oder zusammen mit anderen Stoffen betrachtet. Entfernt man die Papierlagen, ist die Einmaldecke fast vollständig durchsichtig. Tauscht man die Innenlagen durch eine anderen Stoff, etwa - wie im Erörterungstermin geschehen - einen bunten Kopfkissenbezug mit den Sesamstraßen-Figuren Ernie & Bert aus, verändert sich das äußere Erscheinungsbild einer solchen mehrlagigen Decke erheblich. Man sieht dann nämlich nur den Kopfkissenbezug, der durch die Außenlagen lediglich leicht verschleiert wird. Hierdurch wird deutlich, dass das äußere Erscheinungsbild der Ware nahezu vollständig von der Farbe der Innenlagen - hier weiße Papierlagen - abhängt.

55

Die Erläuterungen des Beklagten im Erörterungstermin führen zu keiner anderen Einschätzung. Auch wenn man das, was man mit bloßem Auge erkennt, als "Vliesdecke" deuten würde, wäre die Vlieslage für das äußere Erscheinungsbild nicht prägend. Man hat nämlich - wie dargelegt - nur deshalb das Gefühl, auf eine weiße (Vlies)Decke zu schauen, weil die fast vollständig transparenten Vlieslagen den Blick auf die weißen Innenlagen aus Papier freigeben. Mit einer Einordnung der Einmaldecken als Vliesdecken wäre auch nichts über das prägende Material gesagt, da - wie der Beklagte im Erörterungstermin eingeräumt hat - Vliesstoffe auch aus Papier hergestellt sein können.

56

Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die Außenlagen nur im Hinblick auf die Verhinderung der Rücknässung, die Reißfestigkeit, die Wundverträglichkeit und die Hautfreundlichkeit charakterbestimmend sind. Für die übrigen Einsatzzwecke und im Hinblick auf das äußere Erscheinungsbild sind dagegen die Papierlagen charakterbestimmend.

57

3.2.3 Die Gesamtwürdigung und Gewichtung der festgestellten objektiven Merkmale der zu vergleichenden Warenbestandteile führt zu dem Ergebnis, dass die Papierlagen insgesamt charakterbestimmend sind. In Übereinstimmung mit den Beteiligten geht der Berichterstatter nämlich davon aus, dass die beiden wichtigsten Funktionen die Wärme- und die Aufsaugfunktionen sind. Im Hinblick auf beide Funktionen sind - wie dargelegt - die Papierlagen charakterbestimmend.

58

Die Funktionen, für die die Außenlagen charakterbestimmend sind, haben entweder nur dienende Funktion oder sind ansonsten von untergeordneter Bedeutung. Dies gilt zunächst für das Verhindern der Rücknässung. Es unterstützt die Saugfunktion, indem unterbunden wird, dass aufgesaugte Flüssigkeit wieder abgegeben wird. Der Umstand, dass die Vlieslagen für diese (Hilfs-)Funktion charakterbestimmend sind, kann somit nicht dazu führen, dass insgesamt beide Lagen im Hinblick auf das Binden von Flüssigkeit gleichbedeutend sind.

59

Dass die Vlieslagen im Hinblick auf die Wundverträglichkeit, die Hautfreundlichkeit und die Reißfestigkeit charakterbestimmend sind, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Die Wundverträglichkeit spielt deshalb eine nachgeordnete Rolle, weil die Ware bestimmungsgemäß nicht mit offenen Wunden in Kontakt kommen soll. Die Hautfreundlichkeit ist von untergeordneter Bedeutung, weil die Ware nicht im Kosmetik- oder Wellness-Bereich eingesetzt wird, sondern im Zusammenhang mit Not- und Unfällen, bei denen es in erster Linie darum geht, (teilweise sehr schwerwiegende) Verletzungen und Wunden zu versorgen; der Umstand, dass die Decken ein angenehmes Hautgefühl vermitteln, ist für die Patienten in der Regel von untergeordneter Bedeutung.

60

Die Reißfestigkeit steht ebenfalls nicht im Vordergrund. Die Decken sind nämlich für den einmaligen Gebrauch bestimmt. Werden sie nass, sei es, weil sie mit einem Patienten in Berührung kommen, der Körperflüssigkeiten absondert, oder weil sie zum Aufsaugen von anderen Flüssigkeiten am Unfallort eingesetzt werden, dürfen sie nicht mehr verwendet werden. Es ist somit für die Einsatzfähigkeit der Einmaldecken nicht von entscheidendem Belang, dass sie im nassen Zustand ohne die Außenlagen auseinanderfallen würden.

61

Bestätigt wird das Gesamtergebnis dadurch, dass auch im Hinblick auf die weiteren - wenn auch ebenfalls untergeordneten - Funktionen, nämlich den Sicht-/UV-Schutz und die Stabilisierungsfunktion, die Papierlagen charakterbestimmend sind.

62

Gleiches gilt für das äußere Erscheinungsbild, das ebenfalls durch die Papierlagen charakterisiert wird. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass diesem Merkmal nicht dieselbe entscheidende Bedeutung zukommt, die ihr insbesondere die Einspruchsentscheidung beigemessen hat. Wie sich aus den oben dargelegten Grundsätzen ergibt, hat das äußere Erscheinungsbild nur dann ein starkes Gewicht für die Einreihung der Ware, wenn es einen Hinweis auf die Einreihung bietet (vgl. auch Lux, in: Dorsch, 95. EL, Mai 2004, A4, VO KN, App.1, Rn. 74, mit dem Beispiel eines Radioweckers in Form eines Radios). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Von außen könnte man die Einmaldecken nämlich für Decken im Sinne der Position 6209 KN ansehen. Wäre diese Decke jedoch - was nicht eindeutig erkennbar ist - aus Papier, müsste sie in die Unterposition 48XX KN eingereiht werden. Die Bedeutung des äußeren Erscheinungsbildes für die Einreihung muss hier jedoch nicht abschließend geklärt werden, da auch für das äußere Erscheinungsbild die Innenlagen charakterbestimmend sind.

63

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 151 Abs. 3, 155 S. 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

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(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; §

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Der Vorsitzende kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid (§ 90a) entscheiden. Dagegen ist nur der Antrag auf mündliche Verhandlung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides gegeben.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf einer verbindlichen Zolltarifauskunft.

2

Am 25.01.2012 beantragte die Klägerin die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft für eine wie folgt beschriebene Ware: "Kontaktmatte aus Silikon (Silicon Keypad) für den Einbau in einen Schalter zum Verbinden von elektrischen Stromkreisen auf einer darunter liegenden Leiterplatte (nicht Gegenstand der vZTA) durch die Kontaktpunkte per Tastendruck. Die Spannung liegt unter 1000 V." Die Kontaktmatten werden in Autos zu verschiedenen Einsatzzwecken eingebaut. Sie dienen bestimmten Zusatzfunktionen, wie etwa der Verstellung elektrischer Außenspiegel oder der Einstellung von Datum und Zeit einer Uhr.

3

Am 10.08.2012 erteilte der Beklagte der Klägerin die verbindliche Zolltarifauskunft DE .../...-1. Die Kontaktmatte wurde der Codenummer 8536 9085 99 zugewiesenen. Zur Warenbeschreibung heißt es: "Kontaktmatte (Art.-Nr. ...) aus einer spezifisch (asymmetrisch) geformten, transparenten Silikonmatte (ca. 40 x 50 x 3 mm) mit fünf erhabenen Tasten auf der Oberseite sowie jeweils einem, darin eingebetteten, elektrisch leitenden Karbon-Kontaktpunkt auf der Unterseite, zum Verbinden von elektrischen Stromkreisen auf einer darunter liegenden Leiterplatte (nicht Gegenstand der vZTA) durch die Kontaktpunkte per Tastendruck (nach Einbau in einen Schalter), für eine Spannung von weniger als 24 V. Das Erzeugnis ist als "elektrisches Gerät zum Verbinden von elektrischen Stromkreisen für eine Spannung von weniger als 1000 V, nicht für bestimmte Luftfahrzeuge - Kontaktmatte" einzureihen." Zugrunde gelegt wurde die Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI.

4

Mit Bescheid vom 12.09.2012 widerrief der Beklagte die verbindliche Zolltarifauskunft gemäß Art. 9 Abs. 1 Zollkodex unter Hinweis auf die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 714/2012 vom 30.07.2012, wonach derartige Waren nicht mehr als "elektrisches Gerät zum Verbinden von elektrischen Stromkreisen" der Position 8563 zugewiesen, sondern als erkennbares Teil über die Anm. 2 b) zu Abschnitt XVI bzw. die Anm. 2 b) zu Kapitel 90 eingereiht würden (ggf. in die Position 8548, wenn nicht erkennbar für ein bestimmtes Gerät). Aus Gründen des Vertrauensschutzes wurde der Klägerin unter bestimmten Voraussetzungen eingeräumt, die verbindliche Zolltarifauskunft noch bis zum 18.03.2013 zu nutzen.

5

Am 11.10.2012 legte die Klägerin Einspruch gegen den Widerruf ein. Sie meinte, die von ihr eingeführte Ware sei nicht mit der in der VO Nr. 714/2012 beschriebenen Ware vergleichbar. Insbesondere sei sie nicht für ein Mobiltelefon bestimmt. Die VO Nr. 714/2012 sei nicht analogiefähig. Außerdem sei die VO Nr. 714/2012 bereits am 30.07.2012 und damit vor Erlass der verbindlichen Zolltarifauskunft vom 10.08.2012 verkündet worden. Auch in den Jahren zuvor seien die Matten in die Position 8536 eingereiht worden. Die Silikonmatten entsprächen genau der Codenummer 8536 9085 94, sie seien in der Erläuterung 09.9 KN zur Position 8536 ausdrücklich genannt.

6

Mit Schreiben vom 15.11.2012 nahm das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung zu dem Einspruch Stellung. In der Stellungnahme heißt es, in der VO 714/2012 sei eine Silikonmatte als Teil eines Mobiltelefons in die Unterposition 8517 7090 eingereiht worden, da sie aufgrund ihrer spezifischen Form und Bauart zum Einbau in ein bestimmtes Mobiltelefon bestimmt sei. Zwar handele es sich nicht um identische Waren, gleichwohl finde die Durchführungsverordnung analog auf vergleichbare Erzeugnisse Anwendung. Die in Rede stehende Kontaktmatte der Klägerin habe die gleiche Funktion, wie die in der Durchführungsverordnung aufgeführte Tastaturmatte, daher sei in analoger Anwendung eine Einreihung nach der Funktion in die Position 8536 nicht möglich, unabhängig davon, dass die Kontaktmatte nicht mit Tastenkappen versehen sei und nicht in ein Telefon eingebaut werden solle, da dies für die Funktion der Ware unerheblich sei. Auch eine hilfsweise angeführte Einreihung als erkennbares Teil eines Schalters in die Position 8538 schließe die Einreihungsverordnung aus. Die verbindliche Zolltarifauskunft sei erst nach Bekanntgabe der Durchführungsverordnung erteilt worden, weil sich die gutachterliche Stellungnahme zur Einreihung der Kontaktmatte in die Position 8536 und der Umlauf der besagten Durchführungsverordnung zeitlich überschnitten hätten.

7

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 18.04.2013 zurück. Er wiederholte die Stellungnahme des Bildungs- und Wissenschaftszentrums der Bundesfinanzverwaltung und betonte die Vergleichbarkeit der streitgegenständlichen Ware mit der in der VO Nr. 714/2012 eingereihten Ware. Insofern sei die VO Nr. 714/2012 analog anwendbar. Danach sei eine Tastaturmatte nicht als Ware im Sinne der Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI - und damit möglicherweise als solche der Position 8536 - anzusehen, sondern als Teil eines Fernsprechapparats der Position 8517 in Anwendung von Anm. 2 b) zu Abschnitt XVI. Entsprechend könne auch bei der streitgegenständlichen Ware Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI nicht zur Anwendung kommen. Rn. 09.9 der Erläuterungen (KN) zur Position 8536 sei nicht anwendbar, da die dort genannten Schaltmatten über jeweils zwei Kontaktpunkte (leitende Kontaktpunkte und entsprechende Gegenkontakte) verfügten, die sich durch Drücken verbinden und so den elektrischen Kontakt herstellen würden. Die streitgegenständliche Ware verfüge jedoch nicht über Gegenkontakte.

8

Mit ihrer am 22.05.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hält eine analoge Anwendung der VO Nr. 714/2012 für unzulässig. Es liege keine planwidrige Regelungslücke vor. Die VO Nr. 714/2012 regele zudem eine Spezialmaterie (Telefonschaltmatten), diese Regelung könne auf die universell einsetzbaren streitgegenständlichen Schaltmatten nicht übertragen werden. Die VO Nr. 714/2012 regele nicht grundsätzlich die Einreihung von Schaltmatten, sondern ausschließlich die Einreihung von Schaltmatten, die in Mobiltelefone eingebaut würden.

9

Die Klägerin beantragt,

10

den Widerrufsbescheid vom 12.09.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.04.2013 aufzuheben.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Im Hinblick auf den Sachverhalt betont er, dass die Kontaktmatte über fünf Tasten auf der Oberseite mit jeweils einem, darin eingebetteten, elektrisch leitenden Kontaktpunkt auf der Unterseite verfüge. Elektrische Gegenkontakte zu den Kontaktpunkten seien nicht vorhanden. Die Kontaktmatte diene zum Einbau in einen Schalter, der wiederum in Komponenten eines Kraftfahrzeugs eingebaut werde. Die mit der VO Nr. 714/2012 eingereihte Ware sei zum Einbau in ein bestimmtes Mobiltelefon bestimmt und verfüge ebenfalls nicht über elektrische Gegenkontakte. Beide Waren hätten die Funktion, durch Hinzufügen eines entsprechenden Gegenkontaktes eine elektrische Verbindung herzustellen, insoweit seien sie vergleichbar. Die VO Nr. 714/2012 regele generell, dass Schaltmatten, die erkennbar für eine bestimmte Ware bestimmt seien, als erkennbares Teil unter Anwendung der Anm. 2 b) zu Abschnitt XVI einzureihen seien. Mit der Anwendung der Anm. 2 b) zu Abschnitt XVI verneine der Verordnungsgeber eine Anwendbarkeit der vorrangigen Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI für die Tastaturmatte und schließe damit eine Einreihung der Ware nach deren Funktion (als eigenständiges Gerät zum Verbinden von elektrischen Stromkreisen) in die Position 8536 aus. Die VO Nr. 714/2012 stelle somit klar, dass der Wortlaut der Position 8536 Tastaturmatten, die aufgrund des fehlenden Gegenkontaktes keine Schalter darstellten, nicht erfasse. Diese grundsätzliche Entscheidung sei auf jede Schaltmatte, Tastaturmatte oder Kontaktmatte mit leitfähigen Kontaktpunkten ohne Gegenkontakte anzuwenden. Daher sei für die Anwendung der Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI kein Raum.

14

Im Erörterungstermin vom 11.02.2011 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte einschließlich der vorgelegten Warenprobe (Gerichtsakte Bl. 42) sowie die Sachakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.

17

Die zulässige Klage ist begründet.

18

Der Widerruf der am 10.08.2012 erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft DE .../...-1 mit Bescheid vom 12.09.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.04.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.

19

Der Widerruf stützt sich auf Art. 9 Abs. 1 Zollkodex, wonach eine begünstigende Entscheidung widerrufen oder geändert wird, wenn in anderen als den in Art. 8 Zollkodex bezeichneten Fällen eine oder mehrere der Voraussetzungen für ihren Erlass nicht erfüllt waren oder nicht mehr erfüllt sind. Art. 12 Abs. 5 lit. a) iii) Zollkodex verweist ausdrücklich auf die Widerrufsmöglichkeit und bestimmt, dass eine verbindliche Zolltarifauskunft ungültig wird, wenn sie nach Art. 9 Zollkodex widerrufen wird. Die Zollbehörde ist bereits dann zum Widerruf einer von ihr erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft - dabei handelt es sich um eine begünstigende Entscheidung (BFH, Urteil vom 11.03.2004, VII R 20/01) - berechtigt, wenn sie nachträglich die Unrichtigkeit der Auskunft feststellt, auch wenn der Antragsteller für die Unrichtigkeit der Tarifierung keine Ursache gesetzt hat (BFH, Beschluss vom 06.03.2013, VII R 26/11 und Urteil vom 11.03.2004, VII R 20/01; Witte, Zollkodex, Art. 12 Rn. 46). Vorliegend hat der Beklagte die verbindliche Zolltarifauskunft als unrichtig bewertet, nachdem er Kenntnis von der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 714/2012 der Kommission vom 30.07.2012 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (VO Nr. 714/2012) genommen hatte.

20

Die verbindliche Zolltarifauskunft DE .../...-1 ist richtig und hätte insofern nicht widerrufen werden dürfen. Insbesondere ergibt sich die Unrichtigkeit nicht aus der VO Nr. 714/2012.

21

Mit der verbindlichen Zolltarifauskunft DE .../...-1 wurde eine Kontaktmatte aus Silikon mit fünf erhabenen Tasten auf der Oberseite sowie jeweils einem, darin eingebetteten elektrisch leitenden Karbon-Kontaktpunkt auf der Unterseite, die zum Verbinden von elektrischen Stromkreisen auf einer darunter liegenden Leiterplatte, die nicht Gegenstand der verbindlichen Zolltarifauskunft war, dient und die zu verschiedenen Einsatzzwecken in Autos eingebaut wird, in die Warennummer 8536 9085 99 eingereiht. Ausweislich der Warenbeschreibung gehören in die Position 8536 u. a. Geräte zum Schließen oder Verbinden von elektrischen Stromkreisen (z. B. Schalter und andere Verbindungselemente). Nach Rn. 03.1 der Erläuterungen (HS) zur Position 8536 bestehen Geräte zum Schließen oder Unterbrechen von elektrischen Stromkreisen im Wesentlichen aus einer Vorrichtung, die dazu bestimmt ist, die Stromkreise, in die sie eingebaut sind, zu schließen oder zu unterbrechen. Auch im Erörterungstermin vom 11.02.2014 wurde deutlich, dass mit der streitgegenständlichen Kontaktmatte Stromkreise verbunden werden können, indem der Karbon-Kontaktpunkt mit dem Gegenkontakt auf der Leiterplatte verbunden und damit der Stromfluss ermöglicht wird. Damit kann zum Beispiel ein elektrischer Fensterheber in einem Auto betätigt werden. Da die Kontaktmatte dafür bestimmt ist, in ein Gerät - wie zum Beispiel einen elektrischen Fensterheber - eingebaut zu werden, und insofern lediglich einen Teil eines solchen Geräts darstellt, mag man sie nicht unmittelbar in die Position 8536 einreihen können. So passt auch die Rn. 09.9 der Erläuterungen (KN) zur Position 8536 nicht, da die dort genannten Schaltmatten über jeweils zwei Kontaktpunkte (leitende Kontaktpunkte und entsprechende Gegenkontakte) verfügen, die sich durch Drücken verbinden und so den elektrischen Kontakt herstellen. Jedenfalls kommt eine Einreihung in die Position 8536 jedoch in Anwendung von Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI in Betracht, wie dies auch in der verbindlichen Zolltarifauskunft DE-.../...-1 zum Ausdruck kommt. Nach der Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI sind Teile, die sich als Waren einer Position des Kapitels 84 oder 85 (ausgenommen sind verschiedene, hier ersichtlich nicht in Betracht kommende Positionen) darstellen, dieser Position zuzuweisen, ohne Rücksicht darauf, für welche Maschine sie bestimmt sind. Die Kontaktmatten stellen, wie der Beklagte auch im Erörterungstermin vom 11.02.2013 in Bestätigung der mit der verbindlichen Zolltarifauskunft DE-.../...-1 zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung ausgeführt hat, für sich genommen bereits andere Verbindungselemente im Sinne der Position 8536 dar. Die Kontaktmatten sind - wenn auch nur im Zusammenspiel mit den auf der Leiterplatte befindlichen Gegenkontakten - dazu bestimmt, den Stromkreis, in den sie eingebaut werden, zu schließen oder zu unterbrechen, wie dies die Rn. 03.1 der Erläuterungen (HS) zur Position 8536 vorsieht.

22

Gegen die Richtigkeit der der Klägerin erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft spricht entgegen der Auffassung des Beklagten insbesondere nicht die VO Nr. 714/2012, mit der flexible Tastaturmatten, die bedruckte Tastenkappen und nur auf einer Seite Kontaktpunkte aufweisen und die aufgrund von Form und Bauart zum Einbau in ein bestimmtes Mobiltelefon bestimmt sind, in die Unterposition 8517 7090 eingereiht werden.

23

Diese Einreihungsverordnung lässt sich nicht entsprechend auf die streitgegenständlichen Kontaktmatten anwenden.

24

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im Zusammenhang mit der Analogiefähigkeit von Einreihungs- bzw. Tarifierungsverordnungen ausgeführt, dass eine Tarifierungsverordnung von allgemeiner Tragweite sei, da sie nicht für einen bestimmten Wirtschaftsteilnehmer gelte, sondern für die Gesamtheit der Erzeugnisse, die mit denen identisch seien, die vom Ausschuss für den Zollkodex, der vor dem Erlass einer Tarifierungsverordnung Stellung nehme, geprüft worden sei; dabei sei die Begründung der Verordnung zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 17.05.2001, C-119/99). In jener Entscheidung ging es um die Einreihung eines multifunktionalen Gerätes, das die Funktionen eines Druckers, eines Kopierers und eines Fernkopierers in sich vereinigte, und um die Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 2184/97 der Kommission vom 03.11.1997 über die Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (VO Nr. 2184/97). In dieser Verordnung wurde u. a. die Einreihung von multifunktionalen Fernkopierergeräten geregelt, wobei in der Begründung darauf abgestellt wurde, dass die Telekommunikation (Fernkopieren) die das Ganze kennzeichnende Haupttätigkeit des Gerätes sei. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die entsprechende Anwendbarkeit der VO Nr. 2184/97 davon abhängig gemacht, dass bei dem zu tarifierenden multifunktionalen Gerät das Fernkopieren ebenfalls die das Ganze kennzeichnende Haupttätigkeit ist. In seinem Urteil vom 04.03.2004 (C-130/02) hat der Gerichtshof der Europäischen Union die entsprechende Anwendung einer Tarifierungsverordnung betreffend Zubereitungen auf der Grundlage von Auszügen und Konzentraten aus Tee angenommen, obwohl die im dortigen Streitfall einzureihende Ware einen geringfügig niedrigeren Anteil an Teeauszug hatte, als die in der Tarifierungsverordnung beschriebene. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dies damit begründet, dass die entsprechende Anwendung einer Tarifierungsverordnung auf Erzeugnisse, die denjenigen entsprächen, die von der Verordnung erfasst würden, eine kohärente Auslegung der Kombinierten Nomenklatur und die Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer fördere.

25

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung gelangt der Senat nicht zur analogen Anwendbarkeit der VO Nr. 714/2012. Der Senat geht davon aus, dass Tarifierungsverordnungen grundsätzlich analog angewandt werden können, dass dies allerdings voraussetzt, dass die einzureihende Ware mit der von der Tarifierungsverordnung erfassten Ware identisch bzw. - wie es in den Schlussanträgen des Generalanwalts Mengozzi vom 17.07.2008 im Vorabentscheidungsverfahren C-362/07 heißt - austauschbar ist und dass die sich aus der Begründung der Tarifierungsverordnung ergebenden Voraussetzungen für die Einreihung auch bei der Ware gegeben sind, auf die die Tarifierungsverordnung analog angewandt werden soll. Im Streitfall entsprechen die Kontaktmatten nicht hinreichend den Tastaturmatten, die Gegenstand der VO Nr. 714/2012 sind.

26

Dem Beklagten ist zuzugeben, dass die technische Grundkonzeption beider Waren insoweit vergleichbar ist, als es sich um Matten aus Silikon handelt, die über verschiedene elektrische Kontaktelemente ohne die entsprechenden Gegenkontakte verfügen und zum Einbau in ein Gerät bestimmt sind. Ansonsten handelt es sich jedoch um grundsätzlich verschiedene Waren. Die Tastaturmatte, die Gegenstand der VO Nr. 714/2012 ist, weist bedruckte Tastenkappen auf, die einer alphanumerischen Tastatur, Ruftasten und anderen für Mobiltelefone typischen Tasten entsprechen. In der Begründung wird darauf abgestellt, dass die Ware ein wesentlicher Bestandteil für den Betrieb eines Mobiltelefonen sei, speziell für die Verwendung in ein bestimmtes Mobiltelefonmodell konstruiert sei und nicht unabhängig davon für andere Zwecke verwendet werden könne. Die streitgegenständliche Ware ist jedoch unstreitig nicht für den Einbau in ein Mobiltelefon konzipiert bzw. geeignet, sie weist keine Tastenkappen oder sonstige auf eine bestimmte Verwendung hindeutende Bestandteile auf und ist auch sonst nicht in gleicher Weise erkennbar für den Einbau in ein bestimmtes Gerät konstruiert. Zwischen der Tastaturmatte gemäß der VO Nr. 714/2012 und der streitgegenständlichen Kontaktmatte bestehen daher grundlegende Unterschiede, die eine analoge Anwendung der VO Nr. 714/2012 ausschließen.

27

Dem Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, dass die VO Nr. 714/2012 eine verbindliche Regelung treffe, wonach Kontaktmatten generell nicht in Anwendung von Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI in die Position 8536 eingereiht werden könnten. Richtig ist zwar, dass die Anwendung von Anm. 2 b) zu Abschnitt XVI in der VO Nr. 714/2012 impliziert, dass eine Einreihung nach der systematisch vorrangigen Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI ausscheiden soll, im Streitfall ist dies jedoch nicht erheblich. Wie dargelegt, befasst sich die VO Nr. 714/2012 nicht generell mit der Einreihung von Kontaktmatten, sondern ganz speziell mit der von Tastaturmatten von Mobiltelefonen. Sie ist im Streitfall weder direkt noch analog anwendbar. Sofern sich einer Tarifierungsverordnung ein verallgemeinerungsfähiger Rechtssatz entnehmen lässt, kann dieser außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Verordnung allenfalls zur Auslegung herangezogen werden. Im Streitfall führt die Auslegung im Lichte der VO Nr. 714/2012 nicht zu dem Ergebnis, dass die der Klägerin erteilte verbindliche Zolltarifauskunft unrichtig ist. Die Einreihung der streitgegenständlichen Kontaktmatten in die Position 8536 hält der Senat angesichts des Positionswortlauts, der zu dieser Position vorliegende Erläuterungen und der Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI für eindeutig. Die VO Nr. 714/12 weckt daran keinen Zweifel, sie äußert sich nicht ausdrücklich zur Anm. 2 a) zu Abschnitt XVI und begründet insbesondere nicht, weshalb diese Anmerkung nicht zur Anwendung kommen soll.

II.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist im Hinblick auf die Einreihung von Kontaktmatten und die Analogiefähigkeit der VO Nr. 714/2012, die höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärt ist, wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ in den Jahren 2010 und 2011  96 Sendungen Warensortimente mit Ursprung in den USA in den zollrechtlich freien Verkehr überführen. Zugleich beantragte sie die Abfertigung zum höchsten Zollsatz nach Art. 81 des Zollkodex (ZK) und meldete die Waren unter der Unterpos. 6109 10 10 der Kombinierten Nomenklatur (KN) für T-Shirts an. Die Zollstelle nahm die Anträge an und fertigte die Waren antragsgemäß ab. Bei stichprobenhaften Beschaffenheitsbeschauen, die u.a. auch die hier zu beurteilenden Sendungen erfassten, hatte das Zollamt keine anderen Waren als T-Shirts festgestellt.

2

Eine Zollprüfung des Prüfungsdienstes des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) im Jahr 2012 bei der Klägerin ergab, dass die Sendungen als "Nylon Tricot Legging", "Nylon Tricot High-Waist Legging", "Printet Nylon Legging", "Shiny Legging" und "Shiny High-Waist Legging" bezeichnete Waren enthielten.

3

Bei diesen Waren handelte es sich um Bekleidungsstücke, die zu 100 % aus synthetischen Chemiefasern gewirkt waren. Die in Größen für Erwachsene konfektionierten Bekleidungsstücke waren hosenähnlich und wiesen knöchellange Beine ohne Fußteile auf. Sie hatten einen die Taille abschließenden elastischen Bund in unterschiedlicher Breite (2,5 bis 12,7 cm). An den Kleidungsstücken waren vorn weder eine Öffnung noch ein Verschluss, aber Nähte an den Innenseiten der Beine vorhanden. Merkmale, die auf einen bestimmten Trägerkreis hinwiesen, waren nicht feststellbar. Die Bekleidungsstücke konnten ohne Weiteres als eine lange, den Unterkörper bedeckende Hose getragen werden.

4

Der Prüfungsdienst reihte diese Waren in die Unterpos. 6104 63 00 KN ein und stellte fest, dass sich daraus neben dem Zollsatz von 12 % ein Zusatzzoll von weiteren 15 % ergebe. Das HZA folgte den Feststellungen und erhob von der Klägerin Einfuhrabgaben nach, in welchen --neben hier unstreitigen, auf fehlerhaften Zollwerten beruhenden, zu- und abgerechneten Zollbeträgen-- ein Zusatzzoll enthalten war.

5

Einspruch und Klage, mit welchen die Klägerin die Einreihung der Leggings in die Unterpos. 6406 90 90 KN, hilfsweise in die Unterpos. 6115 21 KN beanspruchte und geltend machte, der auf der Verordnung (EG) Nr. 673/2005 (VO Nr. 673/2005) des Rates vom 25. April 2005 zur Einführung zusätzlicher Zölle auf die Einfuhren bestimmter Waren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 110/1) beruhende Zusatzzoll sei auf die zutreffende Tarifposition nicht anwendbar, im Übrigen sei bei einer Einreihung auf Antrag nach Art. 81 ZK nur die Anwendung des in der KN vorgesehenen höchsten Zollsatzes gestattet, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der für die Nacherhebung der Zollschuld nach Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK maßgebliche Zollsatz ergebe sich nach Art. 20 Abs. 1 ZK aus dem Zolltarif, im Streitfall aus der VO Nr. 673/2005 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 317/2009 (VO Nr. 317/2009) der Kommission vom 17. April 2009 (ABlEU Nr. L 100/6), einer sonstigen Gemeinschaftsregelung i.S. des Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK, die für Waren der Unterpos. 6104 63 00 KN einen Zusatzzoll von 15 % des Wertes der eingeführten Waren vorsehe. Bei den streitgegenständlichen Leggings handele es sich um lange Hosen, aus Gewirken und Gestricken, für Frauen und Mädchen, die in die Pos. 6104 KN und innerhalb dieser Position aufgrund der synthetischen Spinnstoffe, aus denen sie bestehen, in die Unterpos. 6104 63 00 KN einzureihen seien.

6

Sie seien nicht als Waren der Pos. 6406 KN oder der Pos. 6115 KN einzureihen. Unter die Pos. 6406 KN fielen --u.a.-- Gamaschen und ähnliche Waren, aber keine hosenähnlichen Waren. Das ergebe sich auch aus den für die Auslegung maßgeblichen französischen und englischen Fassungen. Nach den Warenbezeichnungen in französischer Sprache handelt es sich bei "guêtres" um Gamaschen und Halbgamaschen, und bei "jambières" um Beinschienen, Beinschützer, Beinschutz, Gamaschen, sog. Legwarmer und Stulpen. In der englischen Fassung fänden sich neben "gaiters", das sind Stulpen oder Gamaschen, zwar "leggings and similar articles". Auch diese Bezeichnungen ließen aber nicht erkennen, dass die darunter fallenden Waren hosenähnlich sein dürften, nämlich ein zwei miteinander verbundenes, beide Beine und den Unterkörper bedeckendes Kleidungsstück sein könnten. Der Begriff "leggings" habe im Englischen zwei Bedeutungen: Zum einen bezeichne er gamaschenähnliche Kleidungsstücke, zum anderen sehr eng geschnittene Hosen für Frauen und Kinder. Letztere würden aber nicht von der Pos. 6406 KN erfasst. Dies ergebe sich aus dem Vergleich mit den übrigen, von der Position erfassten Waren. Auch die Entwicklung der Pos. 6406 KN bestätige diese Auslegung. Vor dem Beitritt Großbritanniens sei die heutige Pos. 6406 in den Tarifnummern 64.05 für Schuhteile und 64.06 für Gamaschen, Schienbeinschützer und ähnliche Waren sowie Teile davon (Verordnung (EWG) Nr. 950/68 --VO Nr. 950/68-- des Rates vom 28. Juni 1968 über den gemeinsamen Zolltarif, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 172/1) erfasst gewesen; auf Französisch "Guêtres, jambières, molletières, protège-tibias et articles similaires et leurs parties". Die inhaltlich unveränderten Tarifnummern seien dann in der englischen Fassung des Gemeinsamen Zolltarifs (VO (EWG) Nr. 1/73 des Rates vom 19. Dezember 1972, ABlEG Nr. L 1/1) als "Gaiters, spats, leggings, puttees, cricet pads, shin-guards and similar articles, and parts thereof" übersetzt worden. Eine inhaltliche Änderung der Tarifnummer mit dem Ziel der Einbeziehung von Damenhosen sei damit nicht verbunden gewesen, unter Leggings seien nur Kleidungsstücke zu verstehen, die ein Bein ganz oder teilweise bedeckten, aber nicht miteinander verbunden seien.

7

Auch in den Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zu Pos. 6406 KN Rz 14.0 würden die in der Klammer als Leggings bezeichneten Waren als Beinlinge, also nicht als Hosen oder hosenähnliche Kleidungsstücke beschrieben.

8

Bei den als Leggings bezeichneten Waren handele es sich auch nicht um Strumpfhosen der Pos. 6115 KN. Eine Strumpfhose sei eine aus zwei sich überlagernden Strümpfen gefertigte Unterleibsbekleidung. Dazu gehörten die streitgegenständlichen Waren jedoch nicht.

9

Das HZA sei auch berechtigt gewesen, in dem der Klägerin auf ihren Antrag bewilligten Verfahren nach Art. 81 ZK die Zollbelastung für alle Sendungen nach der höchsten Einfuhrabgabenbelastung, also mit dem Zusatzzoll nach der VO Nr. 673/2005 zu ermitteln. Die Klägerin hätte die in ihrem eigenen Warenwirtschaftssystem zutreffend unter der Unterpos. 6104 63 00 KN erfassten Leggings gesondert anmelden können.

10

Von der Nacherhebung könne auch nicht nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK abgesehen werden. Es habe keine Warenbeschau gegeben, auf Grund derer die Klägerin davon habe ausgehen können, für die Leggings falle kein Zusatzzoll an.

11

Zur Begründung der Revision trägt die Klägerin vor: Die Leggings seien als "ähnliche Waren" wie Gamaschen in die Unterpos. 6406 90 90 KN, hilfsweise als "Strumpfhosen" in die Unterpos. 6115 21 KN einzureihen.

12

Für die Einreihung in die Pos. 6406 KN spreche die Verwendung des Begriffs "legging" in der englischen Sprachfassung und auch für das französische Wort "jambières" werde in Wörterbüchern als Synonym der Begriff "leggings" angegeben. Angesichts dieser eindeutigen Wortlaute habe das FG seine Auslegung nicht auf einen systematischen Vergleich der Ware mit den übrigen von der Position erfassten Waren stützen dürfen. Auf die Entwicklung des Gemeinsamen Zolltarifs der EWG dürfe zur Auslegung der KN nicht zurückgegriffen werden, da die KN nicht auf der VO Nr. 950/68, sondern auf dem Harmonisierten System zur Bezeichnung und Codierung der Waren beruhe und sich im Übrigen --wie der gegenüber der Tarifnummer 64.06 ("gaiters, spats, leggings, puttees, cricet pads, shin-guards and similar articles, and parts thereof") verkürzte Wortlaut der Pos. 6406 KN ("gaiters, leggings and similar articles, and parts thereof") zeige-- die zolltarifliche Rechtslage gegenüber dem Gemeinsamen Zolltarif geändert habe.

13

Den Klammerzusatz "leggings" zum Begriff Beinlinge in den ErlHS zu Pos. 6406 Rz 14.0 interpretiere das FG falsch, er sei als Ausweitung des Begriffs "Beinlinge" auf hosenähnliche Beinkleider zu verstehen.

14

Hilfsweise seien die Leggings als Strumpfhosen in die Unterpos. 6115 21 KN einzureihen.

15

Die Klägerin hält im Übrigen die Anwendung des Zusatzzolls der VO Nr. 673/2005 gemäß Art. 81 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK auf sämtliche Waren der jeweiligen Sendung nicht für gerechtfertigt. Das FG verkenne, dass sich die VO Nr. 673/2005 und Art. 81 ZK widersprächen. Gemäß Art. 2 VO Nr. 673/2005 finde der Zusatzzoll ausschließlich auf die in Anhang I genannten Waren Anwendung. Nur so sei gewährleistet, dass die zusätzlichen Zölle 72 % der jährlichen Auszahlungen der USA aus vereinnahmten Antidumping- und Ausgleichszöllen an die geschädigten US-amerikanischen Unternehmen nicht übersteigen, was nach der Entscheidung des Schiedsgerichts der World Trade Organisation (WTO) vom 31. August 2004 (WT/DS217/ARB/EEC) Bedingung für die Erhebung der zusätzlichen Zölle sei. Die bei Anwendung des Art. 81 ZK sich ergebende Erstreckung der Zusatzzölle auf andere als in der VO Nr. 673/2005 gelistete Waren, führe zu einer Überschreitung des zulässigen Kompensationsbetrags. Bei der gebotenen völkerrechtskonformen Auslegung von Unionsrecht müsse der Zusatzzoll bei der Ermittlung der höchsten Einfuhrabgabenbelastung der Waren einer Sendung nach Art. 81 ZK außer Betracht bleiben.

16

Außerdem sei die Zulassung der vereinfachten Einreihung nach Art. 81 ZK rechtswidrig gewesen, weil Aufwand und Kosten der Einzelanmeldungen angesichts der hohen Zollsätze für Textilien nicht außer Verhältnis zur Höhe der Einfuhrabgaben stünden. Auch deshalb sei die Anwendung der höchsten Einfuhrabgabenbelastung rechtswidrig.

17

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Einfuhrabgabenbescheid vom 16. November 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2013 aufzuheben.

18

Das HZA schließt sich der Rechtsauffassung des FG an und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

20

Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).

21

Für die in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführten in 96 Sendungen zusammengefassten Warensortimente ist, da die Abfertigung zum höchsten Zollsatz nach Art. 81 ZK antragsgemäß bewilligt war, eine Zollschuld entstanden, die wegen der in den Sendungen enthaltenen Leggings zu einem Zollsatz von 12 % und gemäß Art. 2 VO Nr. 673/2005 i.V.m. Unterpos. 6104 63 00 KN zu einem Zusatzzoll von 15 % führt. Da der entsprechende Abgabenbetrag für die streitigen Einfuhren seinerzeit nicht buchmäßig erfasst wurde, ist er gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachzuerheben.

22

1. Die Voraussetzungen einer vereinfachten Einfuhrabgabenerhebung gemäß Art. 81 ZK liegen vor. Die Klägerin hat die in den Einfuhrsendungen enthaltenen Waren einheitlich als solche angemeldet, auf die der jeweils höchste Abgabensatz entfällt, und diese Zollanmeldungen sind angenommen worden. Daran muss sie sich festhalten lassen. Die Voraussetzungen für eine Ungültigerklärung der Zollanmeldungen gemäß Art. 66 Abs. 2 ZK i.V.m. Art. 251 der Zollkodex-Durchführungsverordnung sind schon hinsichtlich der dort vorgesehenen Antragsfristen nicht erfüllt.

23

2. Bei der Ermittlung der auf die Waren des jeweiligen Sortiments entfallenden höchsten Einfuhrabgabenbelastung war auch der Zusatzzoll aus der VO Nr. 673/2005 zu berücksichtigen, sofern eine der Waren von einer im Anhang dieser Verordnung aufgeführten Tarifbezeichnungen erfasst war. Die Vereinfachungsvorschrift des Art. 81 ZK betrifft (nur) die Einfuhrabgaben i.S. des Art. 4 Nr. 10 ZK (vgl. Weymüller in Dorsch, Zollrecht, Art. 81 ZK Rz 38), also nach dem hier maßgeblichen Art. 4 Nr. 10 Anstrich 1 ZK "Zölle und Abgaben mit gleicher Wirkung bei der Einfuhr von Waren". Darunter fällt auch der Zusatzzoll gemäß der VO Nr. 673/2005. Denn der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften umfasst nach Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK die sonstigen zolltariflichen Maßnahmen der Union, also auch die sog. Retorsionszölle, die im Fall von Handelsstreitigkeiten festgelegt werden, wie es mit der VO Nr. 673/2005 geschehen ist (so auch Lux in Dorsch, Zollrecht, Art. 20 ZK Rz 33).

24

Mit ihrem Einwand, die Anwendung der unter Einbeziehung des Zusatzzolls ermittelten höchsten Abgabenbelastung auf alle Waren einer Sendung führe zu einer Erstreckung der Zusatzzölle auf andere als in der VO Nr. 673/2005 gelistete Waren und damit zu einer von der Genehmigung der Zusatzzölle durch das Schiedsgericht der WTO nicht mehr gedeckten Überschreitung des zulässigen Kompensationsbetrags, macht die Klägerin keine Verletzung eines eigenen subjektiv-öffentlichen Rechts geltend, auf welches allein sie die Anfechtung der Nacherhebung stützen kann. Da Art. 81 ZK den Begriff Einfuhrabgabenbelastung verwendet und damit nach den Definitionen der Art. 4 Nr. 10 und Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK sonstige zolltarifliche Maßnahmen der Gemeinschaft bzw. Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle einbezieht, sind Zusatzzölle wie solche des Streitfalls bei der Ermittlung der "höchsten Einfuhrabgabenbelastung" i.S. des Art. 81 ZK nicht ausgenommen. Anderenfalls ließen sich mithilfe dieses für Sammelsendungen unterschiedlicher Waren vorgesehenen vereinfachten Einreihungsverfahrens Zusatzzölle für bestimmte in solchen Sendungen enthaltene Einfuhren umgehen.

25

Trotz der seitens der Kommission mit Schreiben vom 27. September 2013, auf das sich die Revision beruft, geäußerten Rechtsmeinung hält der Senat in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des Art. 81 ZK sowie des Art. 4 Nr. 10 Anstrich 1 ZK die Auslegung jener Vorschrift auch im Hinblick auf die mit der VO Nr. 673/2005 verfolgten Ziele für zweifelsfrei und sieht keinen Grund, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) einzuholen.

26

Ist das vereinfachte Einreihungsverfahren gemäß Art. 81 ZK beantragt und bewilligt, tritt die gesetzliche Folge ein, dass der für bestimmte in der Sendung enthaltene Waren vorgesehene höchste Einfuhrabgabensatz --und damit ebenso der für solche Waren zu erhebende Strafzoll-- auch auf Waren anzuwenden ist, für die eigentlich kein Strafzoll, sondern ein geringerer Abgabensatz gilt. Hätte der Unionsgesetzgeber diese Rechtsfolge für von der VO Nr. 673/2005 nicht erfasste Waren vermeiden wollen, hätte es nahe gelegen, in dieser Verordnung die Anwendung des Art. 81 ZK auszuschließen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr hat der Unionsgesetzgeber mit Art. 3 VO Nr. 673/2005 eine andere Regelung zur Einhaltung des vorgesehenen Kompensationsbetrags vorgesehen. Es kommt daher nicht in Betracht, für von der VO Nr. 673/2005 nicht erfasste Waren die Rechtsfolge des Art. 81 ZK trotz Vorliegens seiner Voraussetzungen nicht eintreten zu lassen mit der Folge, dass die Erhebung des Zusatzzolls auch für in der Einfuhrsendung enthaltene Waren der VO Nr. 673/2005 unterbleibt.

27

3. Dem Einwand der Klägerin, es sei unverhältnismäßig, die gesamte Warenmenge mit dem Zusatzzoll zu belegen, ist nicht zu folgen (vgl. Senatsurteil vom 26. September 1989 VII R 10/87, BFHE 158, 200, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 1990, 48, zu § 79 Abs. 2 des Zollgesetzes 1961). Der Anmelder kann Einfuhrwaren mit besonders hoher Abgabenbelastung ausschließen, indem er diese Waren getrennt anmeldet, oder er kann für eine Warengruppe angeben, dass bestimmte Waren in dieser nicht enthalten sind (vgl. Weymüller in Dorsch, a.a.O., Art. 81 ZK Rz 37).

28

4. Auf die streitgegenständlichen Waren ("Leggings") entfällt der Zusatzzoll nach Art. 2 VO Nr. 673/2005 (für die Einfuhren des Jahres 2009 i.d.F. der VO Nr. 317/2009) i.V.m. deren Anhang I auf Waren der Unterpos. 6104 63 00 KN.

29

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. EuGH-Urteil vom 15. November 2012 C-558/11, ZfZ 2013, 41, Rz 29, m.w.N.) ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (s. Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der KN 1 und 6).

30

a) Von der Unterpos. 6104 63 00 KN werden u.a. lange Hosen aus Gewirken und Gestricken aus synthetischen Chemiefasern für Frauen oder Mädchen erfasst.

31

aa) Nach den Feststellungen des FG handelte es sich bei den in Warensendungen enthaltenen Leggings um Kleidungsstücke aus zwei miteinander verbundenen Beinteilen, die beide Beine und den Unterkörper bedecken, mit Nähten an den Innenseiten der Beinteile, einem breiten Bund und ohne Fußteile, und die ohne Weiteres als lange, den Unterkörper bedeckende Hosen getragen werden können. Diese tatrichterliche Wertung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, sie erscheint vielmehr durchaus nachvollziehbar. Die Klägerin setzt ihr auch lediglich ihre eigene --abweichende-- Wertung entgegen, die Leggings seien als Oberbekleidung nicht geeignet.

32

bb) Die Leggings fallen auch nicht unter die Anmerkung 1 Buchst. n zu Abschn. XI, wonach Gamaschen und ähnliche Waren des Kapitels 64 aus diesem Abschnitt ausgewiesen sind.

33

Von der Pos. 6406 KN sind in der deutschen Sprachfassung erfasst "Schuhteile ...; Einlegesohlen, Fersenstücke und ähnliche herausnehmbare Waren; Gamaschen und ähnliche Waren sowie Teile davon". Leggings sind nicht genannt. Zwar taucht dieser Begriff in den ErlHS zu Pos. 6406 unter "II) Gamaschen und ähnliche Waren sowie Teile davon" in Rz 14.0 als Synonym für Beinlinge ("Leggings") auf, die den sog. Beinschützern ähnlichen Waren --wie Wadengamaschen (einschließlich Wickelgamaschen), Stutzen, Trachtenstrümpfe usw., ohne Fußteil und mit oder ohne Steg-- zugeordnet werden. Es ist allerdings offensichtlich und bedarf keiner näheren Begründung, dass die von der Klägerin eingeführten Leggings keine diesen Kleidungsstücken ähnliche Waren sind. Aus der englischen Sprachfassung der Pos. 6406 KN folgt nichts anderes.

34

b) Bei den als Leggings bezeichneten Waren handelt es sich auch nicht um Strumpfhosen der Pos. 6115 KN.

35

Weder aus dem Wortlaut der Positionen der KN noch aus den Anmerkungen ergeben sich Definitionen oder klare Abgrenzungskriterien für Strumpfhosen und lange Hosen.

36

Gleichwohl tragen diese Waren ihre Definition in sich. Sie ergibt sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch.

37

Strumpfhosen sind eng an Fuß, Bein und Unterleib anliegende, gewirkte oder gestrickte Hosen (besonders für Frauen und Kinder), die wie ein Strumpf angezogen werden. Dementsprechend hat das FG zutreffend herausgearbeitet, dass Strumpfhosen aus zwei sich überlagernden Strümpfen gefertigte, typischerweise --wie Strümpfe-- rundgewebte Unterleibsbekleidungen sind. Strumpfhosen weisen eine besondere, machartbedingte Passform auf, sie passen sich eng anliegend der Körperform an.

38

Dieser Definition entsprechen die streitigen Kleidungsstücke schon nicht, weil sie keinen Strumpf, d.h. keinen den Fuß umhüllenden Teil aufweisen. Auf die übrigen vom FG zur Unterscheidung von Hosen und Strumpfhosen herangezogenen Merkmale --wie Längsnähte an den Innenseiten oder fehlende Angaben zur Feinheit der verwendeten Garne-- braucht daher nicht eingegangen zu werden.

39

5. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK sind nicht erfüllt. Insoweit wird auf die Ausführungen im FG-Urteil Bezug genommen.

40

6. Ist das Urteil nach alledem revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, so ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet. Die von der Klägerin behaupteten Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.

2

Die Klägerin hat die Rechtsfrage formuliert:
"Sind in einer Tintenpatrone enthaltene mechanische Bauteile (Bongo-Pumpe, Feder, Ventil) und/oder ein elektronischer Chip als wesentliche Bauteile im Sinne der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache C-250/05 ('Turbon II', Urteil vom 26. Oktober 2006, Slg. 2006, I-10531) sowie der einschlägigen Erläuterungen zu Position 3215 und 8443 dahin zu verstehen, dass eine Tintenpatrone ohne integrierten Druckkopf, die solche Bestandteile enthält, als Teil eines Druckers in Pos. 8443 einzureihen sind?"

3

Diese Rechtsfrage gibt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert sie eine Fortbildung des Rechts durch den Bundesfinanzhof (BFH), da sie weder klärungsbedürftig noch klärungsfähig ist. Denn nach dem vom Finanzgericht (FG) festgestellten und von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Sachverhalt handelt es sich bei diesen Bestandteilen nur um solche, die Hilfsfunktionen bei der Bereitstellung der Tinte für den jeweiligen Druckvorgang erfüllen, während die Tinte der streitgegenständlichen Kartusche deren wesentlichen Charakter ausmacht. Nach dieser Würdigung des FG haben die Bestandteile keine für die Funktion des Druckers maßgebliche Bedeutung.

4

Im Hinblick auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Slg. 2006, I-10531, nach der die Einreihung einer Tintenpatrone unter Anwendung der Allgemeinen Vorschrift (AV) 3 b für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur vorzunehmen ist, stellt auch die Klägerin nicht infrage, dass die Einreihungsentscheidung davon abhängt, ob die Kartusche Bestandteile aufweist, die dazu dienen, den Drucker, in den sie eingesetzt werden, als solchen in Funktion zu setzen. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage ist insoweit nicht ersichtlich; die sich im Zusammenhang mit der AV 3 b und dem charakterbestimmenden Bestandteil einer Ware ergebenden Rechtsfragen sind geklärt (BFH-Beschluss vom 28. Februar 2008 VII B 121/07, BFH/NV 2008, 1015).

5

Die Entscheidung, ob die von der Klägerin hervorgehobenen Bestandteile der Kartusche ihr den Charakter eines Teils oder Zubehörs für Drucker verleihen, ist letztlich der Gesamtwürdigung und Gewichtung der festgestellten objektiven Merkmale der zu vergleichenden Warenbestandteile durch das FG vorbehalten, die auf tatsächlichem Gebiet liegen und daher keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufwerfen.

6

Mit den Argumenten, die die Klägerin gegen die Entscheidung des FG vorbringt, setzt sie letztlich ihre Auffassung, dass die von ihr für maßgeblich gehaltenen Bestandteile Funktionen ausüben, die über das Bereitstellen von Tinte hinausgehen, der gegenteiligen Auffassung des FG entgegen. Mit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des finanzgerichtlichen Urteils einschließlich der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls wird kein Grund für die Zulassung der Revision dargelegt. Denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 27. Juni 2012 VII B 57/11, BFH/NV 2012, 1623).

7

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.